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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren für die Wahrung der Pressefreiheit (Abänderung von Artikel 55 der Bundesverfassung) (Vom 80. Oktober 1951)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Das Sekretariat der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz hat im Mai 1935 ein von 82 038 Stimmberechtigten unterstütztes Volksbegehren eingereicht, worin verlangt wird, dass Artikel 55 der Bundesverfassung durch folgende Bestimmung ersetzt werde: «Art. 55. Die Pressefreiheit ist gewährleistet.

Über den Missbraiich derselben trifft die Kantonalgesetzgebung die erforderlichen Bestimmungen, welche jedoch der Genehmigung des Bundesrates bedürfen.

Dem Bunde steht das Becht zu, Strafbestimmungen gegen den Missbrauch der Presse zu erlassen, der gegen die Eidgenossenschaft und ihre Behörden gerichtet ist.

Es ist jedoch untersagt, inländische Presseerzeugnisse zu verbieten, der Zensur oder andern derartigen Massnahmen zu unterstellen.

Verfügungen und Erlasse, welche die Pressefreiheit, verletzen, können mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden.

Das gilt auch für Verfügungen und Erlasse, die vom Bundesrat oder andern eidgenössischen Behörden ausgehen oder von der Bundesversammlung unter Ausschluss des Eeferendums beschlossen worden sind.» Die ersten drei Absätze stimmen genau mit dem Verfassungstexte des Jahres 1874 überein, wie er bis zum Inkrafttreten des Schweizerischen Strafgesetzbuches galt.

!

Das Volksbegehren enthält keine Eückzugsklausel.

Durch Beschluss vom 26. und 28. September 1985 haben Sie vom Zustandekommen der Initiative Kenntnis genommen und den Bundesrat eingeladen, über die Sache selbst Bericht zu erstatten.

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Unsere Botschaft vom 19. Oktober 1951 über die Eevision von Artikel 55 der Bundesverfassung betreffend die Pressefreiheit (BEI 1951, III, 241) gibt im Kapitel II die Gründe bekannt, aus denen wir im Einverständnis mit den Urhebern des Volksbegehrens die Vorlage des Berichtes verschieben mussten.

Wir glauben, auf eine Wiederholung unserer Begründung verzichten zu können, und verweisen deshalb lediglich auf die erwähnte Botschaft.

Das Volksbegehren hat einen Teil seiner Aktualität eingebüsst durch die 1945 erfolgte Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 26. März 1934 (gegen den es sich hauptsächlich richtete) und durch den Umstand, dass die Absätze 2 und 8 von Artikel 55, die im Volksbegehren übernommen worden waren, ihre Geltung mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Eidgenössischen Strafgesetzbuches (1. Januar 1942) verloren hatten. Schon aus diesen Gründen könnte die Bundesversammlung dem Volke lediglich die Verwerfung der Initiative empfehlen, ohne Bücksicht auf den Wert dessen, was noch als aktuell übrigblieb. Wir möchten aber gerne hervorheben, dass wir dem Volksbegehren in unserem Bevisionsentwurf teilweise Bechnung tragen konnten. Die Bestimmung «Die Pressefreiheit ist gewährleistet», die schon in Artikel 55, Absatz l, der Verfassung von 1874 enthalten war, findet sich sowohl in unserem Entwurfe wie im Initiativtext. Der Gedanke, jede Zensur zu verbieten, wie es in Artikel 4 des Entwurfes ausgedrückt wird, entspricht ebenfalls einer Forderung des Volksbegehrens. In unserer Botschaft zum Bevisionsentwurf haben wir auch zur Frage Stellung genommen, inwieweit es gerechtfertigt ist, die Pressefreiheit dem Schutze des Bichters anzuvertrauen, ein Postulat, das Punkt 5 des Volksbegehrens sicherzustellen suchte. Wenn wir auch die in dem nicht durch die Ereignisse überholten Teil der Initiative enthaltenen Gedanken nur teilweise in unserem Entwurfe übernehmen konnten, bildeten sie doch einen interessanten Beitrag zur Abklärung eines heiklen Problems. Schon die blosse Einreichung des Volksbegehrens hat übrigens einen starken Anstoss für die Prüfung der Fragen gegeben, die sich beim verfassungsmässigen Bechte der Presse stellen. Es ist gegeben, dass das eingehende Studium, zu dem die Bevision des Artikels 55 Anlass gab, zu einer Lösung führte, die nicht ganz dem entsprach, was vor 15 Jahren Gegenstand
des Volksbegehrens war. Wie wir auch in unserer Botschaft erklärten, haben übrigens auch die Initianten selbst ihren Antrag lediglich als Beitrag zur Lösung einer Anzahl von Problemen betrachtet, die die Pressefreiheit berühren. Mit Bezug auf die Einzelheiten, in welchen das Volksbegehren und unser Entwurf voneinander abweichen, beehren wir uns, auf die Botschaft vom 19. Oktober 1951 zu verweisen.

Wenn wir unseren Kevisionsentwurf zu Artikel 55 nicht in Form eines Gegenentwurfes zum Volksbegehren vorgelegt haben, so liegt der Grund darin, dass wir hervorheben wollten, dass die Bevision des ganzen Artikels 55 durch die Bundesbehörden im Grunde genommen eine vom Volksbegehren mit seinen beschränkten Zielen unabhängige Massnahme ist, welche auch ohne das.Volksbegehren ausgeführt worden wäre. Es steht dagegen nichts im Wege, in den parlamentarischen Verhandlungen und bei der Volksabstimmung ganz

549 oder teilweise das Verfahren anzuwenden, das im Bundesgesetze vom 27. Januar 1892 für den Fall vorgesehen ist, wo einem Volksbegehren ein Revisionsentwurf der Bundesversammlung gegenübergestellt wird.

Wir beantragen Ihnen Annahme des beiliegenden Entwurfs zu einem Bundesbeschluss.

i Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 30. Oktober 1951.'

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Ed. von Steiger Der Bundeskanzler: Leimgruber

(Entwurf)

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Bundesbeschluss über

das Volksbegehren für die Wahrung der Pressefreiheit (Abänderung von Artikel 55 der Bundesverfassung) Die Bundesversammlung ' der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in das Volksbegehren für die Wahrung der Pressefreiheit (Abänderung von Artikel 55 der Bundesverfassung) und in einen Bericht des Bundesrates vom 30. Oktober 1951, gestützt auf Artikel 121 ff. der Bundesverfassung und Artikel 8 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Eevision der Bundesverfassung, beschliesst:

.

. i Art. l

:

Das Volksbegehren für die Wahrung der Pressefreiheit (Abänderung von · Artikel 55 der Bundesverfassung) wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet. Dieses Volksbegehren lautet wie folgt;

550 Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen hiemit gemäss Artikel 121 der Bundesverfassung und gemäss dem Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Eevision der Bundesverfassung folgendes Begehren: Artikel 55 der Bundesverfassung erhält folgenden Wortlaut: Die Pressefreiheit ist gewährleistet.

Über den Missbrauch derselben trifft die Kantonalgesetzgebung die erforderlichen Bestimmungen, welche jedoch der Genehmigung des Bundesrates bedürfen.

Dem Bunde steht das Eecht zu, Strafbestimmungen gegen den,Missbrauch der Presse zu erlassen, der gegen die Eidgenossenschaft und ihre Behörden gerichtet ist.

Es ist jedoch untersagt, inländische Presserzeugnisse zu verbieten, der Zensur oder andern derartigen Massnahmen zu unterstellen.

Verfügungen und Erlasse, welche die Pressefreiheit verletzen, können mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Das gilt auch für Verfügungen und Erlasse, die vom Bundesrat oder anderen eidgenössischen Behörden ausgehen oder von der Bundesversammlung unter Ausschluss des Eeferendums beschlossen worden sind.

Übergangsbestimmung Mit der Annahme dieses Verfassungsartikels fallen Ziffern l und 2 des Bundesratsbeschlusses vom 26. März 1934 über Presseorgane, Druckschriften, Bilder und ähnliche Darstellungen dahin.

Art. 2 Dem Volk und den Ständen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

Art. 3 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren für die Wahrung der Pressefreiheit (Abänderung von Artikel 55 der Bundesverfassung) (Vom 30.

Oktober 1951)

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1951

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