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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bewilligung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für die Korrektion des Tessins von der Sordobrücke bei Piotta bis zum Ponte di Bolle, unterhalb Quinto.

(Vom 15. Januar 1907.)

Tit.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 1906 hat uns die Regierung des Kantons Tessin ein Projekt für die Tessinkorrektion zwischen der Sordobrücke bei Piotta und dem Ponte di Bolle, bei Quinto, eingereicht.

Die hierbei vorgesehene Korrektionslänge beträgt 5 km. ; die Kosten sind zu Fr. 445,000 berechnet worden.

Die Regierung bemerkt hierzu, sie verzichte auf eine längere Auseinandersetzung über die Notwendigkeit dieses Werkes, indem die Korrektion schon seit Jahren verlangt werde und die Beschädigungen am bestehenden Uferschutz, trotz der bei günstigem Wasserstand jeweilen vorgenommenen Reparaturen, doch einmal zu einem schweren Unglück führen könnten.

Das hier beiliegende, der Genehmigung der eidgenössischen Räte unterbreitete Projekt besteht in einem Situationsplan, einem Längenprofil und 3 Blättern Querprofile, nebst Kostenvoranschlag..

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Indem diese Arbeiten von der ganzen interessierten Bevölkerung als sehr dringlich betrachtet werden, wolle die Regierung baldigst eine Wuhrgenossenschaft bilden, um mit vereinten Kräften zum Ziele zu gelangen. Selbstverständlich würde jedoch trotz grosser Ausdehnung des Perimeters die Kostensumme von Fr. 445,000 die zu schützenden Güter zu sehr belasten. Die Regierung hoffe, dass der Bundesrat kraft des Gesetzes vom 22. Juni 1877 einen Beitrag von nicht weniger als 50 °/o in Aussicht stellen werde, wodurch dann die Ausführung dieses Werkes sehr erleichtert würde.

Es handelt sich hier um den Schutz einer der flachen und ziemlich breiten Talgründe, welche terrassenförmig übereinanderliegen und auf denen die besten Kulturverhältnisse und die hauptsächlichen Ortschaften der obern Leventina anzutreffen sind. Der Fluss bringt aus den steilen Bergregionen zuweilen viel grobes Geschiebe, welches in den schluchtartigen und steilen Stellen seines Laufes rasch fortgeschwemmt wird, während namentlich in der Ebene von Fiotta und Ambri, bei abnehmendem Gefalle und zunehmender Breite, die Stosskraft des Wassers zur Fortschaffung der Geschiebe nicht immer genügt. Es entstehen dann oft an sehr ungünstiger Stelle Ablagerungen, welche den Abfluss hemmen und die Hochwasser zu gefährlicher Höhe ansteigen lassen.

Die Talbewohner waren bisher genötigt, durch periodisch wiederholte Ausräumungen dem Wasser immer wieder Bahn zu schaffen, wobei dann die dem Flussbett entnommenen Steine in der Form von Dämmen angehäuft worden sind.

Die Art dieser Arbeiten hat aber die Erstellung von kunstgerechten Hochwasserdämmen nicht ermöglicht, indem nicht an jeder Stelle die verschiedenen hierzu notwendigen Materialien erhältlich waren. Es fehlt nun bei dem gegenwärtigen Ufers schütz an Regelmässigkeit und am Zusammenhang der einzelnen Bauten.

Die Flusssohle hat sich trotz der Ausräumungen an vielen Stellen bis auf die Höhe der angrenzenden Wiesen gehoben, und es ist zu befürchten, dass dieser Zustand immer bedenklicher werde, wenn nicht durch kräftigen Eingriff Abhülfe geschaffen wird. Bei sinem Ausbruch des Tessins wäre hier nicht nur bedeutender Schaden in bebautem Land, sondern auch noch eine förmliche Überschwemmung von Dörfern zu gewärtigen. Ferner ist der Verkehr auf der Gotthardbahn und auf der Landstrasse in gewissem Sinne von der Eindämmung des Tessins abhängig.

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Im vorliegenden Projekt ist nun für die ganze Länge der Korrektion auf dem rechten Ufer ein zusammenhängender Damm vorgesehen, nach dessen Erstellung die gefährlichen Durchsickerungen oder Ausbrilche nicht mehr möglich sein sollten ; auch hofft man durch die Reglierung der Wuhre einen schnelleren Abfluss und infolgedessen eine bleibende Vertiefung der Sohle zu erreichen.

Auf dem linken Ufer ist in der obersten Strecke auf 3,s km.

Länge kein Uferschutz vorgesehen, weil dort ein steiler, meist felsiger Hang den Fluss begrenzt. Unterhalb von km. 3,s soll ein Kanal mit beidseitigem Uferschutz durchgeführt werden.

Für die unterste Strecke der Korrektion von km. 4,o abwärts, sind im vorliegenden Situationsplan 3 Varianten eingezeichnet. Die rote Linie folgt dem gegenwärtigen Flusslauf.

Das blaue Tracé bezweckt möglichst weitgehende Abkürzung des Kanals, was in bezug auf Sohlenvertiefung erwünscht wäre, aber wegen der nötigen Ausgrabung und der Expropriation in teilweise bebautem Boden, sowie namentlich wegen der beträchtlichen Länge der neu zu erstellenden Wuhre zu erheblichen Kosten führen würde.

Die gelbe Variante benützt in weitgehendem Masse den noch ziemlich gut erhaltenen Uferschutz, doch wird die hier vorhandene Schleife des gegenwärtigen Laufes ganz bedeutend abgekürzt, und der Fluss von der Eisenbahn entfernt. Der Boden, welcher hier erworben werden muss, besteht in seinen oberen Schichten aus Flussgeschiebe und eignet sich wegen seiner verhältnismässig tiefen Lage besonders gut- zur Aufnahme des neuen Gerinnes. Es scheint diese Variante, den beiden vorerwähnten gegenüber, genügend Vorteile aufzuweisen, um allein behandelt zu werden. Es beziehen sich auch alle übrigen vom Kanton eingereichten Pläne und der Kostenvoranschlag nur auf diese Lösung.

Das gewählte Dammprofil entspricht in seinen Grundzügen den bestehenden Bauten, soweit dieselben sich als zweckmässig erwiesen haben.

Auf der Strecke von der Sordobrücke bis zu km. 1,6 sind massive Wuhre aus grossen Steinen vorhanden. Diese Bauten werden durch teilweisen Umbau in die Korrektionslinie gebracht.

In den Zwischenstrecken, wo neues Leitwerk erstellt werden muss, wird ein Rollwuhr aus Bruchstein in einer Höhe von 2,so m.

und 1,50 na. bis 2,so m. Breite angeschüttet. Der an verschie-

102 denen Stellen erforderliche tiefgründige Aushub im Flusse liefert das Material in gewünschter Mischung für die Erstellung der Dämme, welche hinter der Steinverkleidung noch eine Kronenbreite von 2,50 m. und anderthalbfüssige Böschung erhalten.

Zwischen km. l,eoo und 3,soo sind bisher vielfach Böschungspflästerungen von geringer Stärke mit einigem Erfolg angewendet worden. Das Projekt nimmt für diese Strecke die gleiche Bauart an, wobei eine Mauerstärke von 0,40 und eine Steinvorlage am Fusse der Pflasterung von 3 m 3 pro m. vorgesehen ist. Einzelne massive Steinwuhre, welche annähernd in die neue Uferlinie fallen, werden im grossen und ganzen beibehalten.

Der neu auszugrabende Kanal wird nach Projekt auf dem konkaven Ufer durch ein Rollwuhr und auf der gegenüberliegenden Seite mittelst Steinböschung und Vorlage gesichert.

Die Dämme erhalten hier eine Höhe von 3 m.

Nachstehender abgekürzter Kostenvoranschlag gibt Auskunft über die vorgesehenen Mengen und Kostensummen: Ausgrabung und teilweise Verwendung zu Dämmen Ausräumung von Steinen ßollwuhr mit Steinvorlage Böschungspflästerung Wasserbewältigung und Schleusen Unterbauung der Brücke von Marenga Expropriation Bauleitung Unvorhergesehenes

m3

Fr.

64,845 5,310 36,950 3,850

80,940 10,620 240,175 30,800 15,000 6,000 4,000 20,000 37,465

Total

445,000

Das vorliegende Projekt genügt, um einen summarischen Kostenvoranschlag aufstellen zu können; genaue Ausmasse für verschiedene Arbeiten, wie Flussbetträumung und Umbau von bestehenden Bauten, sowie für die notwendige Steinvorlage sind erst während der Ausführung erhältlich, da man hierzu die Wirkung des Wassers im veränderten Bett abwarten muss.

Eine merkliche Verbesserung würde das Projekt noch erhalten durch Erhöhung sämtlicher Wuhre auf die gemeinschaft-

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liehe Höhe von 3 m., weil Ausbrüche im oberen Teile der Korrektion gefährlicher sind, als unten, wo diese Höhe schon vorgesehen ist. Das hierzu notwendige Material ist im Aushub ohnedies berechnet, so dass eine Erhöhung des Kostenvoranschlages von Fr. 5000 für diese Arbeiten genügen dürfte. Der Gesamtkostenvoranschlag würde sich somit auf Fr. 450,000 belaufen.

Wir sind der Ansicht, dass die Frage, ob dem von der Regierung des Kantons Tessin eingereichten Gesuch um Subventionierung der Korrektionsarbeiten am Tessin bei Fiotta und Quinto entsprochen werden könne, zu bejahen sei, indem, wie dio Regierung in ihrem Schreiben vom 31. Oktober 1906 ganz richtig angibt, offenbar ein bedeutendes allgemeines Interesse besteht, diese dieht bewohnte und verhältnismässig gut bebaute ·Gegend vor Überschwemmung zu schützen. Dann ist es aber .auch wichtig die Eisenbahn, welche sich an einer sehr ungünstigen scharfen Kurve des jetzigen Flusslaufes anschmiegt, vor Beschädigung zu schützen.

Die Regierung ersucht um 50 °/o Subvention, und auch hier finden wir, dass dem Ansuchen entsprochen werden sollte, da ohne ganz bedeutende Subvention seitens des Bundes dieses Werk nicht zu stände kommen könnte.

Was die Bauzeit und das jährliche Subventionsmaximum -anbelangt, so ;st in Betracht zu ziehen, dass die grosse Menge von Steinmaterial für die Rollwuhre und Vorlagen, für welche ein Bruch auf dem rechten Ufer eröffnet werden muss, umfängliche Transporteinrichtungen erfordert. Bei ähnlichen Mengen und Entfernungen lässt sich mit grossem Vorteil Lokomotivbetrieb .anwenden, und dieser verlangt wiederum unausgesetzten Arbeitsbetrieb und gleichzeitige Fortschaffung grösserer Massen.

Um einen günstigen Einheitspreis zu ermöglichen, müssen ·die hauptsächlichsten Arbeiten in ungefähr 3 Jahren vollendet werden können und diese kurze Arbeitszeit bietet nur einige Schwierigkeit in der Geldbeschaffung. Mit einer etwas hohen jährlichen Subventionsquote würde man also den Interessenten die Ausführung des ganzen Werkes bedeutend erleichtern.

Das Jahresmaximum wäre auf Fr. 50,000 anzusetzen, und für die Vollendung aller projektierten Arbeiten kann eine Bauzeit von 5 Jahren in Aussicht genommen werden.

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Gestützt auf vorstehende Ausführungen, beehren wir uns, den hohen eidgenössischen Räten den folgenden Beschlussesentwurf zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

B e r n , den 15. Januar 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrate»,.

Der Bundespräsidont:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

105 (Entwurf.)

Bimdesfoeschluss betreffend

Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für die Korrektion des Tessins von der Sordobrücke bei Fiotta bis zum Ponte di Bolle, unterhalb Quinto.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Schreibens der Regierung von Tessin vom 31. Oktober 1906 ; einer Botschaft des Bundesrates vom 15. Januar 1907; auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge vom 22. Juni 1877, beschliesst: Art. 1. Dem Kanton Tessin wird für die Korrektion des Tessin von der Sordobrücke bei Fiotta bis zum Ponte di Bolle, unterhalb Quinto ein Bundesbeitrag zugesichert.

Dieser Beitrag wird auf 50 °/o der wirklichen Kosten bis zum Maximum von Fr. 225,000, als 50 °/o der erhöhten Kostenvoranschlagsumme von Fr. 450,000 festgesetzt.

Bundesblatt. 69. Jahrg.

Bd. I.

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Art. 2. Für die Ausführung dieser Arbeiten werden, vom Inkrafttreten der Beitragszusicherung an gerechnet, fünf Jahre eingeräumt.

Art. 3. Das Ausführungsprojekt und der definitive Kostenvoranschlag bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 4. Die Ausbezahlung der Subvention erfolgt im Verhältnis des Fortschreitens der Arbeiten gemäss den von der Kantonsregierung eingesandten und vom eidgenössischen Departement des Innern verifizierten Kostenausweiseu; das jährliche Maximum beträgt Fr. 50,000 und dessen Auszahlung findet erstmals im Jahre 1908 statt.

Bei der Berechnung des Beitrages «'erden berücksichtigt die eigentlichen Baukosten, einschliesslich Expropriationen und die unmittelbare Bauaufsicht, dann die Kosten dor Anfertigung des Ausführungsprojektes und des speziellen Kosten Voranschlages, sowie die Aufnahme des Perimeters ; dagegen sind nicht in Anschlag zu bringen irgendwelche andere Präliminarien, die Funktionen von Behörden, Kommissionen und Beamtungen (von den Kantonen laut Art. 7 a des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes zu bestellende Organe), auch nicht Geldbeschaffung und Verzinsung.

Art. 5. Dem eidgenössischen Departement des Innern sind jährliche Bauprogramme zur Genehmigung einzureichen.

Art. 6. Der Bundesrat lässt die planmässige Bauausführung und die Richtigkeit der Arbeits- und Kostenausweise kontrollieren. Die Kantonsregierung wird zu obigem Zweck den Beauftragten des Bundesrates die nötige Auskunft und Hülfeleistung zukommen lassen.

Art. 7. Die Zusicherung des Bundesbeitrages tritt erst in Kraft, nachdem von Seiten des Kantons Tessin die Ausführung dieser Korrektion gesichert sein wird.

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Für die Vorlegung der bezüglichen Ausweise wird der Regierung eine Frist von einem Jahr, vom Datum dieses Beschlusses an gerechnet, gesetzt.

Der Bundesbeitrag fällt dahin, wenn der geforderte Ausweis nicht rechtzeitig geleistet wird.

Art. 8. Der Unterhalt der subventionierten Arbeiten ist gemäss dem eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetze vom Kanton Tessin zu besorgen und vom Bundesrate zu überwachen.

Art. 9. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 10. Der ßundesrat ist mit der Vollziehung desselben beauftragt.

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1907

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.01.1907

Date Data Seite

99-107

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