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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend das Verbot des Absinths.

(Vom 9. Dezember 1907.)

Tit.

Vermittelst Bericht vom 22. Februar laufenden Jahres (Bundesblatt 1907, II., 983) haben wir Ihnen ein von 167,814 gültigen Unterschriften unterstütztes Volksbegehren zugeleitet, das dahin lautet: ,,Es möchten folgende neue Bestimmungen in die Bundesverfassung aufgenommen werden : I. A r t . 31, lit. b, der Bundesverfassung erhält f o l g e n d e F a s s u n g : die F r e i h e i t des H a n d e l s und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gew ä h r l e i s t e t . V o r b e h a l t e n s i n d : a--b. D i e F a b r i k a t i o n u n d der Verkauf g e b r a n n t e r Wasser nach M a s s g a b e der A r t . 32bis und 32ter.

II. Art. 32ter. F a b r i k a t i o n , E i n f u h r , T r a n s p o r t , V e r k a u f und A u f b e w a h r u n g zum Z w e c k e des Verkaufs des unter dem Namen Absinth b e k a n n t e n L i q u e u r s s i n d i m g a n z e n U m f a n g e d e r EidgenossenBundesblatt. 59. Jahrg. Bd. VI.

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schaft v e r b o t e n . Dieses V e r b o t b e z i e h t sich auch a u f a l l e G e t r ä n k e , d i e u n t e r i r g e n d w e l c h e r Bez e i c h n u n g e i n e N a c h a h m u n g dieses L i q u e u r s dars t e l l e n . V o r b e h a l t e n bleiben d e r D u r c h g a n g s t r a n s port und die V e r w e n d u n g zu p h a r m a z e u t i s c h e n Zwecken.

D a s Verbo.t t r i t t z w e i J a h r e n a c h s e i n e r A n nahme in Kraft. Die Bundesgesetzgebung wird die infolge des Verbotes notwendig werdenden Bes t i m m u n g e n treffen.

Der B u n d hat das Recht, dasselbe Verbot auf dem Wege der Gesetzgebung in Bezug auf alle ä n d e r n a b s i n t h h a l t i g e n G e t r ä n k e z u erlassen, welche eine ö f f e n t l i c h e G e f a h r b i l d e n . " Durch Beschluss des Nationalrates vom 12. April 1. J. wurde das Begehren behufs Berichterstattung und Antragstellung an unszurückgeleitet.

Indem wir uns anschicken, dieser Aufgabe nachzukommen, können wir nicht umhin, vor allem auf die grosse Zahl der Unterschriften hinzuweisen, welche das Begehren gefunden hat; während von den bisher aufgetauchten Initiativbegehren keines das Doppelte des in Art. 2 des Bundesgesetzes vom 25. Januar 1892 vorgesehenen Minimums der Unterschriften erlangte, ist das vorliegende auf mehr als das Dreifache jener Ziffer gestiegen.

Wir stehen nicht an, die gute Absicht der Urheber und der Mitunterzeichner der Absinthinitiative anzuerkennen. Aus dem vorgeschlagenen Art. 32ter spricht der entschiedene Wunsch, dem Absinth in der Schweiz ein radikales Ende zu bereiten. Auch wir möchten, dass der schädliche Genuss verschwände, und stehn insofern der gegenwärtigen Initiative grundsätzlich zustimmend gegenüber.

Dies entbindet uns jedoch nicht der Pflicht, den Inhalt dieses Begehrens gewissenhaft zu prüfen und die Frage aufzuwerfen, ob es im Falle der Gutheissung durch die eidgenössischen Räte und das Schweizervolk geeignet sein werde, den Zweck, den es anstrebt, zu erreichen.

Zu dieser Prüfung haben wir die Regierungen der Kantone zur Mitwirkung herangezogen, indem wir sie unter Mitteilung des Textes des Begehrens ersuchten, uns wissen zu lassen, welche

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Stellung sie vom Gesichtspunkte der Interessen ihrer Kantone aus dem Begehren gegenüber einnehmen.

Auf Grundlage des uns von dieser Seite zugegangenen Materials und nach einlässlicher Erwägung des Begehrens selbst, haben wir zur Beleuchtung dieses letztern folgendes anzubringen : Die Initiative stellt sich dar als ein gemäss Art. 8 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 (über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung) formuliertes Partialrevisionsbegehren, das in der Form eines fertigen Zusatzartikels zu Art. 32 der Bundesverfassung den Anspruch macht, ohne weiteres in die übrigen Bestimmungen dieses Grundgesetzes eingereiht zu werden.

In Bezug auf den neuen Art. 32ler lässt sich nun entschieden die Frage aufwerfen, ob er dieser Forderung entspreche.

Das Verbot untersagt nämlich einerseits die Fabrikation und anderseits den Verkauf des Absinths, sowie aller eine Nachahmung dieses Getränkes bildenden Liqueurs und greift dadurch unmittelbar in die durch Art. 31 gewährleistete Freiheit des Handels und der Gewerbe ein und will diese Freiheit für alle dermal bei der Herstellung und dem Vertriebe des Absinths beteiligten Bürger aufheben.

Dies ruft der Frage, ob ein solcher Eingriff in die garantierte Handels- und Gewerbefreiheit unter den obwaltenden Verhältnissen gerechtfertigt sei. Dabei erscheint es angezeigt die Frage in bezug auf das Verbot des Verkaufs und dasjenige der Fabrikation auseinander zu halten.

Zur Motivierung des allgemeinen Verbotes des V e r k a u f e s des Absinths bedarf es der Voraussetzung, dass wirklich ein namhafter Konsnm des Absinths auf dem Gebiete, für welches das Verbot berechnet ist, vorhanden sei. Eine vernünftige Gesetzgebung wenigstens wird nicht Handlungen verbieten die nicht begangen werden.

Nach den Berichten der Regierungen der Kantone fehlt diese Voraussetzung nun für den weitaus grössten Teil der Schweiz gänzlich.

Die Berichte der Regierungen der Kantone deutscher Sprache, sowie des Staatsrates von Tessin äussern sich nämlich überein-

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stimmend dahin, dass unter ihrer Bevölkerung der Konsum des Absinths ein ganz unbedeutender sei.

Auf Grund dieser Tatsache machen denn einige Regierungen, wie diejenigen von Luzern, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Glarus, Schaffhausen, Appenzell I.-Rh., Graubünden, Aargau und Thurgau, die Bemerkung, dass sie nicht Veranlassung haben, einen bestimmten Standpunkt zu der Initiative einzunehmen.

Andere Regierungen, wie die von Zürich, Bern, Uri, Solothurn und Appenzell A.-Rh., äussern freilich, dass sie ungeachtet des unbedeutenden Absinthkonsums in ihren Kantonen vom Gesichtspunkte der Volksgesundheit und der Volks Wohlfahrt aus dem Initiativ begehren nicht abgeneigt seien, beziehungsweise zustimmen.

Diese letztern Äusserungen ändern aber an der Tatsache nichts, dass zurzeit zu einem so allgemeinen Verbot des Absinths für weitaus den grössten Teil der Bevölkerung der Schweiz keine Notwendigkeit vorhanden ist.

Nach den vorliegenden Berichten und nach dem, was auf kantonalem Boden in Sachen der Prohibition des Absinthgenusses bis jetzt geschehen ist, sind es bloss die fünf Kantone Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf, in betreff welcher die Zweckmässigkeit des Verbots des Verkaufes des Absints zu diskutieren ist.

Der Staatsrat von Freiburg begnügt sich, über seine Stellung zur Initiative folgendes zu bemerken : ^Angesichts der schweren Nachteile, welche für die Volksgesundheit »und die öffentliche Gesundheitspflege aus dem Genüsse des Absinths entspringen, dessen Gebrauch sich mehr und mehr von den Städten des Kantons auf das Land zu verbreiten beginnt, erachten wir die Initiative als gerechtfertigt.a Die Behörden des Kantons Waadt sind gegen den Absinthgenuss auf ihrem Gebiet schon von sich aus vorgegangen, indem der dortige Grosse Rat durch Gesetz vom 15. Mai 1906 den Detailverkauf des genannten Liqueurs verboten hat. Dieses Gesetz erhielt in einer Volksabstimmung die Bestätigung des waadtländischen Volkes. Auch erhielt es unsere Sanktion dadurch, dass wir die Rekurse, welche von den Vertretern der Absinthproduktion in den Kantonen Waadt, Neuenburg und Genf gegen das Gesetz erhoben wurden, durch Entscheid vom 22. März laufenden Jahres als unbegründet abwiesen.

345 Der Staatsrat von W al li s sagt über seine Stellung zur Initiative folgendes : ,,Wir sind glücklicherweise weit entfernt, einer der schweizerischen Kantone zu sein, in denen der Gebrauch des grünen Liqueurs am meisten verbreitet ist. Bebauer eines Rebgeländes, geht unsere Vorliebe auf das ausgezeichnete Gewächs unserer Hügel die uns ein gesünderes Getränk liefern als das destillierte Gift, wie sehr dieses auch gestreckt sein mag. Aber wir müssen mit dem Preise der Ware rechnen, der im Verhältnis zur Qualität steht. Es ist ja bekannt, dass der Konsument, wenn er zum Absinth Zuflucht nimmt, sich für die gleiche Ausgabe den Luxus einer Quantität erfrischenden Getränkes -- wenn man diesen Namen einer so schädlichen Substanz geben darf -- verschaffen kann, und zwar einer viel bedeutendem als wenn er den Wein zu seinem gewöhnlichen Getränk machte. Daher das Gelüste des armen oder wenig bemittelten Konsumenten, zu weniger kostspieligen Getränken zu greifen. Daher der stetig sich ausbreitende Gebrauch des Bieres ; daher auch die Vorliebe zum immer stärker hervortretenden Genuss des Absinths, die sich schon in gewissen Gegenden unseres Kantons bemerkbar macht und das Beispiel zu verallgemeinern trachtet, das von fremden Arbeitern gegeben wird, welche, durch die neuen Industrien auf unser Gebiet gelockt, ihren Hang zum verderblichen Liqueur dem inländischen Arbeiter als ein schlimmes Geschenk mitbringen. Vom Gesichtspunkte des Kantons Wallis aus betrachtet haben wir demnach Grund, dem Initiativbegehren Erfolg zu wünschen.tt Der Staatsrat von N e u e n b u r g äussert sich dahin, dass für die Prüfung der Zweckmässigkeit der Initiative die Gewährung einer gewissen Frist behufs allseitiger Anfragen wünschbar gewesen wäre. Bei der zur Berichterstattung eingeräumten kurzen Zeit müsse diese Information unterbleiben. Immerhin glaube er nicht zu irren, wenn er sage, dass der Genuss des Absinths seit einigen Jahren in seinem Kanton erheblich zurückgegangen sei, sowohl unter den arbeitenden als den bürgerlichen Klassen. Diese erfreuliche Tatsache sei dem Ersätze der Hausarbeit durch die Fabrikarbeit in der Uhrenindustrie zuzuschreiben, indem der Arbeiter jetzt die Fabrik punkt 12 Uhr verlasse und nur Zeit finde, nach Hause zu gehen, um seine Mahlzeit einzunehmen, bevor er die Arbeit wieder zu beginnen hat. Auch sei nicht daran zu zweifeln, dass die Abstinenzgesellschaften, sowie die antialkoho-

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lische Erziehung im allgemeinen zu einem grossen Teile zu diesem Umschwung mitgewirkt haben.

Im Kanton Genf endlich ist die nämliche Prohibitionsmassregel erfolgt wie im Kanton Waadt; der Grosse Rat von Genf hat am 2. Februar laufenden Jahres mit 55 gegen 21 Stimmen ein Gesetz aufgestellt, dessen erster Artikel den Kleinverkauf des unter dem Namen Absinth bekannten Liqueurs, sowie jedes ändern Getränkes, das sich als eine Nachahmung des Absinths darstellt, verbietet. Dieses Gesetz tritt auf 1. Januar 1908 iu Kraft.

Von den zuletzt besprochenen fünf Kantonen haben also Waadt und Genf ihrerseits bereits Vorkehren gegen den Verkauf des Absinths getroffen, und es kann daher auch für ihr Gebiet die Notwendigkeit eines eidgenössischen Verbotes des Verkaufs dieses Liqueurs in Abrede gestellt werden.

Neuenburg scheint es für sein Gebiet ebensowenig als nötig zu erachten.

Es bleiben demnach nur die Kantone Freiburg und Wallis, die die Annahme des Initiativbegehrens mit Grund herbeiwünschen.

Wegen dieser zwei Kantone allein erscheint aber ein eidgenössisches Verbot des Absinthverkaufes nicht gerechtfertigt. Die zwei Kantone können darauf verwiesen werden, für sich in analoger Weise vorzugehen, wie Waadt und Genf es getan haben.

Dieser Vorschlag des kantonalen Vorgehens wird auch von Kantonsregierungen deutscher Sprache gemacht. So sagt namentlich der Regierungsrat von Aargau: ,,Nach unserer Ansicht würde es genügen, wenn (wie dies bereits im Kanton Waadt geschehen ist) diejenigen Kantone gegen den Absinth vorgehen würden, in denen dieses Getränk infolge übermässigen Genusses die Volkswohlfahrt und die Volkskraft in hohem Masse schädigt."

Wir halten also gegenüber dem Initiativbegehren dafür, dass die Aufstellung eines allgemeinen Verbots des Absinth Verkaufes auf dem Verfassungswegc nicht unumgänglich nötig ist und über das Ziel hinausschiessen würde.

Noch viel weniger als ein eidgenössisches Verbot des Verkaufes des Absinths erscheint ein solches der Fabrikation dieses Getränks am Platze.

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Der Regierungsrat von Basel-Stadt bemerkt in seinem Berichte, dass die drei Geschäftsfirmen, die sich auf seinem Gebiete mit der Absinthfabrikation befassen, hauptsächlich für den Export arbeiten. Diese Richtung kann unter den obwaltenden Verhältnissen und nach Einführung etwaiger Prohibitivmassregeln in den Kantonen Freiburg und Wallis auch die übrige Absinthfabrikation in der Schweiz nehmen. Ein Verbot der Absinthindustrie wäre nicht einmal am Platze, wenn man das Verbot des Absinthverkaufes auf die ganze Schweiz ausdehnen wollte ; man könnte es ihr überlassen, andere Abflüsse für ihr Fabrikat zu finden.

Gesetzt aber, man wollte auch die Fabrikation des Liqueurs allgemein verbieten, so müsste ihr jedenfalls eine längere Frist, als das Initiativ begehr en vorsieht, gewährt werden, um sich auf ihr Verschwinden vorzubereiten. Nach dem Begehren soll nämlich das Verbot des Verkaufes und der Fabrikation des Absinths zwei Jahre nach der Annahme in Kraft treten. Diese zweijährige Frist ist für die Liquidation der Absinthfabrikation erheblich zu kurz, und ihre Inhaltung würde mit Recht als eine zu schroffe Behandlung der dermaligen Produzenten der Absinthpflanze und ·der eigentlichen Absinthfabrikanten empfunden werden.

Ein weiterer Punkt, der dem Initiativbegehren keineswegs zur Empfehlung gereicht, besteht in der unbestimmten Ausdehnung, welche das Verbot des Verkaufes und der Fabrikation auf absinthähnliche Getränke erhalten soll. Das Begehren sagt nämlich: ^Dieses Verbot bezieht sich auch auf alle Getränke, die unter irgendwelcher Bezeichnung eine Nachahmung dieses Liqueurs bilden."'

Die Vorschrift erweckt die Furcht, dass nach und nach eine Reihe anderer mit dem Absinth in näherer oder entfernterer Beziehung stehender Liqueure zur Interdiktion gelangen sollen. Zur Beleuchtung dieser Unbestimmtheit gestatten wir uns, das hierher zu setzen, was der Staatsrat von Neuenburg in seinem Berichte sagt: ,,Wir wollen von den Prohibitionsmassregeln sprechen, welche jede ,,Nachahmung des Absinthsa treffen sollen, wenn der Art. 32ter nach dem von den Initianten vorgeschlagenen Texte angenommen wird.

,,Aus der Interpretation, die diesen Worten gegeben wird, kann für die Interessierten eine bedeutende Erschwerung des ihnen schon bereiteten Schadens erwachsen. Was ist unter ,,Nachahmung des Absinths"1 zu verstehen? Sind dieses nur solche Liqueure, die eine grössere oder geringere Quantität Extrakte aus der Absinthpflanze enthalten, oder alle diejenigen, in denen

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die eine oder die andere der aromatischen Pflanzen enthalten ist, die heute zur Absinthfabrikation benutzt werden, wie der Fenchel, der Anis, der Ysop und die Melisse?

,,Die meisten Absinthfabrikanten des Traverstales fabrizieren Liqueure, die keinen Extrakt der Absinthpflanze enthalten, wohl aber denjenigen einer oder mehrerer der genannten Pflanzen.

'Wird ein derartiges Fabrikat als eine Nachahmung des Absinths betrachtet und daher verboten werden?

,,Ebenso existieren andere Liqueure, wie z. B. die Chartreuse, welche Absinth enthalten; werden diese auch von dem Verbot betroffen werden?

,,Es ist nötig, hier genau zu bestimmen; denn wenn das Verbot alle Liqueure betreffen sollte, welche Absinth, wenn auch in geringer Dosis, enthalten, sowie diejenigen, in denen die Säfte anderer aromatischer Pflanzen vorkommen, die heute zur Darstellung des Absinths benutzt werden, so würde der den Destillateuren des Traverstales verursachte Schaden noch bedeutend vergrössert werden."

Diese Ausführungen lassen erraten, welche Quelle von Schwierigkeiten im Falle der Annahme des Initiativbegehrens die angedeutete Vorschrift für den Bund und die Fabrikanten alkoholischer Getränke abgeben würde.

Betrachten wir nun das Initiativbegehren, ganz abgesehen von seiner mangelhaften Grundlage, für sich, so können wir den Zweifel nicht unterdrücken, ob es wirklich im Kample gegen den Absinth von erheblichem Nutzen sein würde. Polizeiliche Verbote haben in der Regel nur halbe Erfolge. Über die Art des Kampfes gegen den Alkohol überhaupt sind die Meinungen bekanntlich sehr geteilt. Es gibt eine starke Zahl an dem Kampfe Beteiligter, die staatlichen Verboten gegen den Alkoholismus alle Wirksamkeit absprechen und den Kampf ausschliesslich auf dem Boden der Belehrung und der Erziehungausfechten wollen.

Wir können uns nicht versagen, hier zu reproduzieren, was der Regierungsrat von Zug im Hinblick auf die Initiative in der angedeuteten Richtung sagt: ,,Die Initianten wollen durch das Verbot der Fabrikation und des Verkaufes von Absinth dem übermässigen Genuss von.

Alkohol überhaupt entgegentreten. Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir die Bewegung unterstützen, denn auch wir sind der Meinung, dass der grosse Konsum von Alkohol, wie. er durch

349 vdie schweizerische Statistik nachgewiesen ist, sowohl physisch als finanziell unserem Volke zum Schaden gereiche. Diesem Übelstande kann aber unseres Erachtens weder durch eine Verfassungsänderung noch durch Aufstellung von Gesetzesartikelu abgeholfen werden; hier kann nur die stete Belehrung wirken, hier haben die Presse, die Kirche, die Vereine u. s. w. einzusetzen. Der Staat aber kann diese Bestrebungen durch besondere Massregeln, wie Fabrikationskontrolle, Spezialpatente, temporäre Untersuchung der Produkte, erschwerte Einfuhr u. s. w., unterstützen.

,,Was dann im speziellen die Frage der Fabrikation und des Verkaufes von Absinth anbelangt, so haben wir betreffend Fabrikation zu bemerken : Die Fabrikation von Absinth bildet bekanntermassen seit vielen Jahren die Grundlage einer nicht unbedeutenden Exportindustrie. Diesen Export durch das Verbot der Fabrikation zu verunmöglichen, scheint uns vom verkehrspolitischen Standpunkte aus nicht gerechtfertigt. Wir haben unsero Export zu vermehren und nicht zu unterdrücken. Ein Kaufszwang liegt ja in keiner Weise vor. Diesen Teil der Initiative müssten wir daher unbedingt verwerfen. Aber auch betreffend den Verkauf von Absinth in der Schweiz können wir den Initianten nicht folgen. Wir können nicht entscheiden, ob die recht haben, welche sagen, der Absinth sei ein besonders schädlicher Schnaps, oder ob das Recht bei denen liegt, die eben in dem vielen Alkoholgenuss den Grund des Übels suchen. Wir neigen uns aber mehr der letztern Behauptung zu, und es ist bei Beantwortung der Frage jedenfalls der Beruf und die Konstitution des einzelnen, sowie das Klima, das er bewohnt, stark iu Betracht zu ziehen. S i c h e r s c h e i n t uns nur das zu s e i n , dass d u r c h d a s V e r b o t d e s A b s i n t h s d e r K o n s u m v o n A l k o h o l n i c h t k l e i n e r w e r d e n w i r d . Gibt es keinen Absinth mehr, wird eben Kognak, Werm u t , B i t t e r u. s. w. g e t r u n k e n . Wir betonen nochmals, gegen das Übel des Alkoholgenusses kann nur eine stete Belehrung wirksam sein. Wir sind daher auch für Ablehnung dieses Teils der Initiative."1 So der Regierungsrat von Zug. Wir wollen die Berechtigung dieser Ausführungen dahin gestellt sein lassen. Jedenfalls sind, wenn vom Bunde aus ein Kampf gegen den Absinth eröffnet werden soll, die verschiedenen
Gegenvorkehren vor allem auf ihre Wirksamkeit zu prüfen ; dahin gehört namentlich auch die Frage, ob dem Genuss des Getränkes nicht durch die Besteuerung seiner

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Fabrikation kräftiger als durch ein Verbot des Verkaufes entgegengewirkt werden könnte.

Fassen wir das Vorausgehende zusammen, so lautet unser Urteil über das vorliegende Initiativbegehren folgendermassen : Es will dem Übel des Genusses des Absinths und ihm verwandter Getränke auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft entgegentreten durch ein allgemeines Verbot einerseits des Verkaufes und anderseits der Fabrikation dieser Getränke.

Ein derartiges Verbot des Verkaufes erscheint nun aber unnötig, weil in weitaus dem grössten Teile der Schweiz der Gebrauch der angedeuteten Getränke gar nicht in bemerkbarem Masse vorhanden ist und im übrigen Gebiete des Landes, wo er eine schädliche Ausdehnung angenommen hat, durch zwei Kantone zu Anfang dieses Jahres schon Prohibitivmassregeln ergriffen worden sind, die auch von ändern Kantonen, welche über Besorgnis erregenden Absinthgenuss auf ihrem Gebiete zu klagen haben, ergriffen werden können.

Noch weniger nötig erscheint das allgemeine Verbot der F a b r i k a t i o n des Absinths und ihm verwandter Getränke. Dieses wäre ein ungerechtfertigter Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit zum Nachteil der sich der Absinthfabrikation widmenden Bevölkerung, und er würde für den Bund auch verschiedene Schwierigkeiten herbeiführen, die dieser zu vermeiden Grund hat.

Eine dieser Schwierigkeiten wären die Entschädigungsansprüche von Seite der um ihren Erwerb gebrachten Absinthfabrikanten. Derartige Ansprüche sind durch die an die Mitglieder der Bundesversammlung verteilte Denkschrift des Staatsrates von Neuenburg (vom 6. Juli 1907), sowie durch gewisse Stellen in den Berichten der Kantonsregierungen schon zur Sprache gebracht. Wir halten diese Ansprüche nicht für berechtigt, treten hier jedoch nicht auf deren nähere Erörterung ein, da man sich erst mit ihnen zu beschäftigen hätte, wenn der neu vorgeschlagene Art. 32ter angenommen würde.

Das Initiativbegehren erscheint ferner deshalb bedenklich, weil es einerseits im Falle der Annahme durch das Volk der Absinthfabrikation eine viel zu kurze Frist für die Liquidation einräumt und anderseits vollständig im unklaren darüber lässt, welche alkoholischen Getränke als Nachahmung des Absinths betrachtet werden sollen. Es stellt dadurch geradezu unsere ganze dermalige Alkoholgesetzgebung in Frage.

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Endlich kann mit Grund daran gezweifelt werden, ob das Initiativbegehren, wenn es angenommen und nach seinem jetzigen Wortlaut durchgeführt würde, den erwarteten Erfolg hätte.

Es ist Grund vorhanden, anzunehmen, dass zum Kampfe gegen den Absinth und die ihm verwandten Getränke die Anwendung anderer Massregeln den im Initiativbegehren vorgesehenen vorzuziehen sind.

Das Initiativbegehren stellt sich überhaupt als ein übereilter, wenig durchdachter legislatorischer Versuch der Träger der Abstinenzbewegung dar, der nur geeignet wäre, den Bund, ohne sichere Aussicht auf Erfolg, auf bedenkliche Weise in den Abstinenzkampf zu verwickeln.

Aus allen diesen Gründen können wir nicht anders, als auf Ablehnung des Begehrens dringen.

Bei der unbestrittenen Wichtigkeit der von ihm angeregten Frage wäre es wünschbar, dass wir Ihnen einen Revisionsantrag im Sinne "des Art. 10 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 vorlegen könnten. Dies ist im jetzigen Zeitpunkt aber nicht möglich, weil zur Aufstellung eines derartigen Entwurfes sehr weitgehende und gründliche Untersuchungen nötig sind, für deren Ausführung die in Art. 8 des zitierten Gesetzes vorgesehene Frist eines Jahres viel zu kurz ist.

Wir gedenken aber, wenn das Initiativbegehren abgelehnt wird, die Frage der Einschränkung des schädlichen Alkoholgenusses überhaupt durch unser Departement des Innern einer gründlichen Prüfung unterwerfen zu lassen und Ihnen als deren Ergebnis seinerzeit unsere Vorschläge zu unterbreiten.

Auch in formeller Beziehung leidet das Initiativbegehren an einer bedenklichen Unklarheit, indem dem Artikel 31, lit. b, eine Fassung gegeben wird, welche den im Eingang des Artikels 31 aufgestellten Grundsatz reproduziert und die litera a des Vorbehaltes in Artikel 3l in unverständlicher Weise zitiert.

Unter den gegenwärtigen Umständen empfehlen wir Ihnen aber Sie w o l l e n in Anwendung der Art. 8 u. ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen, betreffend Revision der Bundesverfassung b e s c h l i e s s e n , es sei das I n i t i a t i v h e g e h r e n betreffend das Verbot des Absinths abzulehnen, und ohne Aufstellung eines Gegenentwurfes der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

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Demgemäss beantragen wir Ihnen, Sie möchten den dieser Botschaft angeschlossenen Entwurf Bundesbeschluss gutheissen und als Ihren Erlass publizieren.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 9. Dezember 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Eingier.

Beilage : Bericht der Alkoholverwaltung.

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(Entwurf.)

Bundesfoeschluss über

das Initiativbegehren betreffend das Verbot des Absinths.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft nach Einsicht des bis 31. Januar 1907 bei der Bundeskanzlei eingereichten und mit 167,814 gültigen Unterschriften versehenen Initiativbegehrens, worin verlangt ·wird, es möchten folgende neue Bestimmungen in die Bundesverfassung aufgenommen werden: ,,I. Art. 31, lit. b, der Bundesverfassung erhält folgende Fassung: Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Vorbehalten sind: a--b. Die Fabrikation und der Verkauf gebrannter Wasser nach Massgabe der Art. 32bis und 32ter.

II. Art. 32 ter : Fabrikation, Einfuhr, Transport, Verkauf und Aufbewahrung zum Zwecke des Verkaufs des unter dem Namen Absinth bekannten Liqueurs sind im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft verboten. Dieses Verbot bezieht sich auch auf alle Getränke, die unter irgendwelcher Bezeichnung eine Nachahmung dieses Liqueurs darstellen. Vorbehalten bleiben der Durchgangstransport und die Verwendung zu pharmazeutischen Zwecken.

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Das Verbot tritt zwei Jahre nach äeiner Annahme in Kraft. Die Bundesgesetzgebung wird die infolge des Verbotes notwendig werdenden Bestimmungen treffen.

Der Bund hat das Recht, dasselbe Verbot auf dem Wege der Gesetzgebung in bezug auf alle ändern absinthhaltigen Getränke zu erlassen, welche eine öffentliche Gefahr bilden."

nach Einsicht des Berichtes des Bundesrates vom 22. Februar 1907 und der Botschaft vom 9. Dezember des nämlichen Jahres; in Anwendung der Art. 8 und 10 des ßundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung,.

beschliesst: 1. Das Initiativbegehren betreffend das Verbot des Absinths wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

2. Die Bundesversammlung beantragt Verwerfung desselben.

3. Der Bundesrat ·wird mit der Anordnung der Abstimmung beauftragt.

355 Seilage.

Bericht der

eidgenössischen Alkoholverwaltung zum Yolksbegehren betreffend das Yerbot des Absinths.

(Vom 30. November 1907.)

Tit.

Am 25. November d. J. erhielten wir Weisung, speziell über das Verhältnis der Anti-Absinthinitiative zum Alkoholgesetze und zur Alkoholverwaltung innerhalb Wochenfrist Bericht zu erstatten.

Der Dispens von der Erörterung der Notwendigkeit oder Wünschbarkeit eines Absinthverbotes überhaupt, die ausdrückliche Einschränkung des erhaltenen Auftrages auf die beiden genannten Fragen erleichtert die Erfüllung unserer Aufgabe. Allein bei der Kürze der Frist, die Sie uns notgedrungen für unsere Berichterstattungstellen, müssen wir Sie wegen der sachlichen und formellen Mängel unserer Darlegungen trotzdem um weitgehende Nachsicht bitten.

I. Bevor wir auf die Sache selbst eintreten, haben wir uns über die Tragweite der Initiative Rechenschaft zu geben. Dabei sind zwei Punkte auseinanderzuhalten : die Art der Handlungen und die Art der Stoffe, die das Verbot treffen will.

1. Art. 32bia der Bundesverfassung verleiht dem Bunde die Kompetenz, im Wege der Gesetzgebung Vorschriften über die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Wasser zu erlassen.

Um die Ausübung dieser Befugnis durch ein Monopol vor der Einrede der Handels- und Gewerbefreiheit sicherzustellen, wurde

356 in lit. b von Art. 31 der Verfassung ein entsprechender Vorbehalt eingeschaltet 1~).

Diesem Vorgange folgend, haben die Initianten den beantragten Art. 32 ter unter lit. ö von Art. 31 ebenfalls reserviert.

Da Art. 32ter das Verbot selbst ausspricht, kann man zwingende Gründe zur Aufnahme eines Vorbehaltes in Art. 31 abstreiten Auf alle Fälle liegen die Verhältnisse hinsichtlich des Zusammenhanges von Art. 32ter mit Art. 31 nicht gleich, wie sie seinerzeit hinsichtlich eben dieses Zusammenhanges für Art. 32bls lagen.

Anerkennt man aber die Notwendigkeit, des Art. 32 ter in Art. 31 Erwähnung zu tun, so muss man unseres Erachtens die Bestimmungen der Art. 31 und 32tei' logischerweise in Übereinstimmung bringen. Das tut die Initiative nicht. Denn in Art. 31 spricht sie nur von Fabrikation und Verkauf, in Art. 32 ter dagegen auch noch von der Einfuhr und dem Transport, obschon es Einfuhren und Transporte gibt, die weder :zu Zwecken der Fabrikation noch des Verkaufes geschehen.

Ob ein Einfuhrverbot den Handelsverträgen gegenüber durchführbar ist, haben wir nicht zu prüfen. Soweit wir sehen, gestatten die Verträge mit Deutschland, Italien, Österreich-Ungarn, Frankreich und Serbien Verbote aus Rücksichten der Gresundheitspolizei, nicht aber die Verträge mit Spanien, Portugal und Rumänien 2).

Die Ausfuhr nennt Art. 32ter nicht. Dies ist aber auch nicht nötig, da ein Export bei verbotener Fabrikation und Einfuhr nicht denkbar ist.

Volle Klarheit schafft die Initiative hinsichtlich der Durchfuhr, nicht aber sodann wieder mit bezug auf die erlaubte Verwendung zu pharmazeutischen Zwecken. Der deutsche Text redet von Verwendung schlechtweg, der französische von emploi *) Ob dieser Vorbehalt nicht, auch bereits den Erlass prohibitiver Massnahmen ermöglicht, sei hier nicht untersucht. -- Bei Bejahung der Frage hätte der Bund das Recht, den Inhalt der Anti-Absinthinitiative mit bezug auf Fabrikation und Verkauf ohne Verfassungsrevision zu verwirklichen.

2 ) Ob das Verbot der Einfuhr gegenüber einem der fünf Staaten, welche die Befugnis zum Erlasse eines solchen aus hygienischen Gründen zugestanden haben, auch in Fällen zulässig ist, in denen der Vertrag den Zoll der zu probibitierenden Ware bindet, wie es z. B. hinsichtlich des Wermutes bei Italien der Fall ist, haben ebenfalls nicht wir zu begutachten.

Ebensowenig die Frage, welche Bedeutung der Aufhebung des im Vertrage mit Italien unserer Absinthausfuhr eingeräumten Privilegs zukommen kann.

357 de l'absinthe à des usages pharmaceutiques. Soll die Freigabe zu pharmazeutischen Zwecken für den ,,unter dem Namen Absinth bekannten Likör10 und dessen Nachahmungen Geltung haben oder für die Absinthpflanze oder für alle diese Stoffe zugleich? Im ersteren Falle ist nicht erkennbar, welchen tatsächlichen Wert die Freilassung der Verwendung angesichts des Verbotes der Fabrikation, der Einfuhr, des Transports und des Verkaufes haben kann ; im zweiten Falle ist die Bestimmung 'überflüssig, da der Gebrauch der Pflanze zu Heilzwecken durch ·die beiden ersten Sätze des Art. 32ter nicht getroffen wird.

2. Was die Art der durch das Verbot in Mitleidenschaft gezogenen Stoffe angeht, so prohibiert die Initiative : a. unmittelbar : die unter dem Namen Absinth bekannten Liköre und deren .Nachahmungen, 6. mittelbar : alle ändern absinthhaltigen Getränke.

Die Definition des eigentlichen Absinthlikörs erachten wir .als eine praktisch ausreichende, obschon die Herstellung dieses Getränkes weder nach einem einheitlichen Rezepte, noch nach einer einheitlichen Fabrikationsmethode stattfindet. Ein Weinverbot z. B.

wäre durch den Namen Wein wohl ebenfalls genügend charakterisiert, wenn gleich die Produkte der Gärung des Traubensaftes weder durchaus gleichmässiger Natur sind, noch in absolut gleicher Art und Weise gewonnen werden.

Sehr viel weniger deutlich dagegen ist der .Begriff ,,Nach.ahmungenct abgegrenzt. Für die Erzeugung von Absinthlikör existieren, wie bereits gesagt, allerlei Verfahren. Als hauptsächliche fallen in Betracht: die Destillation von Pflanzenauszügen einerseits und die Hervorbringung auf kaltem Wege mittelst Essenzen anderseits. Man wäre bei der landläufigen Würdigung der Absinthqualitäten versucht, den Essenzlikör in eben dem .Sinne als eine Nachahmung des Destillationslikörs anzusehen, in dem etwa ein Essenzcognac als Nachahmung des Destillations·cognacs betrachtet wird. Diese Unterscheidungsweise scheint uns aber nicht der Absicht der Initianten zu entsprechen. Vermutlich verstehen diese vielmehr unter den Nachahmungen die Surrogate im weitesten Sinne, d. h. alle Produkte, die annähernd die gleichen äussern Eigenschatten besitzen, die dem Absinthlikör .zukommen, gleichgültig, ob sie Absinth enthalten oder nicht.

Als solche Produkte könnten demnach beispielsweise auch Anisoder Mastixschnäpse
in Betracht kommen, d. h. Liköre, die in dem Verstande Nachahmungen des Absinthlikörs sind, in dem geschliffene Kristalle als Imitationen des Diamantes gelten.

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358 Ist das wirklich die Meinung der Initiative, so könnte diese freilich zur Folge haben, dass harmlosere, keine öffentliche Gefahr bildende Getränke, oder doch Getränke, denen die dem Absinthlikör zur Last gelegte spezifische Schädlichkeit abginge, nach Art. 32ter, Alinea l, ohne weiteres dem Verbote unterlägen, während gleichzeitig selbst für absinthhaltige Getränke (Art. 32lei'T Alinea 3) noch die Freiheit des Verkehres bestünde.

Hinsichtlich der unter dieses Alinea 3 fallenden, Bändern» absinthhaltigen Getränkea, ,,autres boissons contenant de l'absinthe"" ist gleichfalls nicht über jeden Zweifel sicher, ob unter Absinth die Pflanze und alle deren Derivate oder nur der Absinth als Likör verstanden sein sollen. Wir interpretieren im allgemeinsten Umfange und rechnen deshalb hierher beispielsweise die Chartreuse und vor allem den sogenannten Wermutwein.

Nebenbei gesagt, sind uns exakte oder auch nur verlässliche Untersuchungsmethoden zur Feststellung der Anwesenheit der Extraktivstoffe der Absinthpflanze in einem Getränke nicht bekannt.

u. Nach diesen einleitenden Worten gehen wir zur Betrachtung der Frage über, inwieweit die Initiative das eidgenössische1 Alkoholgesetz tangiert.

1. Der Absinthlikör wird ganz, der Wermutwein ganz oder teilweise mittelst des nach Art. 12 des Gesetzes durch den Bund zur Abgabe gebrachten Trinksprits fabriziert 1 ).

Nun bestimmt Art. 5 des Gesetzes : ,,Die Verarbeitung der nach Art. 12 vom Bunde abgegebene» oder nach Art. 4, 7, 8 und 9 mit Monopolgebühren belasteten gebrannten Wasser zu Getränken ist, unter Vorbehalt allfälliger kantonaler Monopole, der Privatindustrie gestattet."

Nach Annahme der Initiative hätte der Vorbehalt der Kantonsmonopole durch einen Vorbehalt der Verbote aus Art. 32lor Ergänzung zu finden.

2. Ein eben solcher Vorbehalt wäre bezüglich der Einfuhr bei Art. 7 des Gesetzes erforderlich, der in dem grundlegendenAlinea l bestimmt : ,,Die Einfuhr gebrannter Wasser zum Trink verbrauche, welche nicht unter die Begriffe Sprit und Spiritus fallen, wird ') Die Benützung sorgfältig gereinigten monopolfreien Spiritus ist unseres Wissens bis jetzt nicht praktiziert worden, obwohl sie technisch nicht unmöglich wäre.

359

zu den vom Bundesrate aufzustellenden Bedingungen und gegen Entrichtung einer festen Monopolgebühr von Fr. 80 per Meterzentner Bruttogewicht, ohne Rücksicht auf den Alkoholgehalt, auch Privatpersonen gestattet.10 3. Art. 16 des Gesetzes verbietet einmal das Hausieren, sodann den Ausschank und den Kleinhandel in Brennereien und solchen Geschäften, in denen Ausschank und Kleinhandel mit dem Verkaufe der übrigen Handelswaren nicht in natürlichem Zusammenhange stehen. Diesen bestehenden Verboten wären gegebenenfalles die Prohibitionen des Art. 34ter der Verfassung anzugliedern.

4. Auch die Straf bestimmungen müssten eine der Verfassungsnovelle entsprechende Umarbeitung erfahren.

Die Form der vorzunehmenden Revisionsarbeit braucht hier wohl nicht erörtert zu werden.

Wir befassen uns deshalb ohne anderes mit dem Einflüsse der Verbote auf die Monopolverwaltung.

III. Hierfür müssen wir zunächst einiges Ziffernmaterial über Einfuhr, Fabrikation, Ausfuhr und Konsum der durch die Verbotspolitik zu treffenden Produkte beibringen. Wir beschränken uns dabei auf die beiden wichtigsten, den Absinthlikör und den Wermutwein.

Absinthlikör.

Wir kennen den Import von Absinth nur insoweit, als er als solcher tatsächlich deklariert wird. Ein derartiger Deklarationszwang besteht aber nicht. Daraus wird sich erklären, dass in der Schweiz französische Absinthliköre getrunken werden, obgleich die Zollpapiere über den Eintritt solcher nichts aussagen.

Freilich darf von vorneherein angenommen werden, dass die Einfuhr relativ belanglos ist. Ist doch die Schweiz für den Artikel ein ausgesprochenes Exportland. Der deklarierte Import beschlägt ausschliesslich oder doch vorwiegend Absinthessenz.

Dieselbe dient, wie das im Inlande hergestellte gleichnamige Produkt, zur Gewinnung von Absinthlikör auf kaltem Wege. Im Jahrfünfte 1902/1906 wurden jahresdurchschnittlich 787 kg. brutto zur Einfuhr angemeldet.

Bedauerlicherweise sind wir über die sehr viel wichtigere Fabrikation ebenfalls nicht genügend unterrichtet. Von Amtes wegen sind uns nur die Namen derjenigen Firmen zugänglich, welche mit Anspruch auf Rückvergütung der Monopolsteuer Absinth-

360

likör exportieren ; daneben sind uns noch einige wenige, offenbar nicht für die Ausfuhr arbeitende Produzenten bekannt, die das Handelsregister als Absinthfabrikanten aufführt. Wir geben im nachfolgenden eine Liste aller zu unserer Kognition gelangten Häuser mit Beisetzung einerseits der Spritmengen, welche sie im Jahrfünfte 1902/1906 direkt von der Alkohol Verwaltung bezogen, anderseits der Spritmengen, die sie im gleichen Zeiträume in deiForm von Absinth ausgeführt haben.

·^^^^MOT^^E^M

Kantone

Namen der Firmen

Spritbeziige im Jahrfünfte 1902/1906

Riickvergütungsberechtigter Export im JahrfUnfte 1902/1908

kg. Sprit (L 95 Grad.

Neuenburg

Genf

C Berger Couvet Kubier & Romang, Travers . .

Giovenni, Bovet & Oie., Métiers Sandoz & fils, Môtiers . . .

Dornier-Tüller & Cie., Fleurier Ed. Pernod, S. a., Couvet . .

Legler-Pernod, Couvet . . .

J. F. von Almen & Cie., Fleurier Th. Henny, fils, Fleurier . . .

L . A . Bolle, Verrières . . . .

A . Fraissard, Couvet . . . .

J . Ammanii, Fleurier . . . .

J. Borel-Pettavel, Môtiers . .

Distillerie d'Auvernier, Auvernier E. Haller, fils, Neuenburg . .

W. Dubois & Cie., Cormondrèche Bouvier, frères, Neuenburg . .

475,490 410,645 357,624 323,188 310,147 309,294 264,878 205,671 144,027 112,335 73,275 71,640 44,817 28,658 17,300 15,932 13,793

Louis Guillemaud, Genf . . .

Mirault & Cie., Moillesulaz . .

Laverrière & Cie., Chêne-Bourg Muraour & Cie., Genf . . . .

Ant. Floquet, Chêne-Bourg . .

J. Denaont, Genf.

J. Crépieux, Genf Bouvier & Fechoz, Genf . . .

Vve. J. Sauter, fils, Plainpalais .

J. Bonnard, Genf .

L. Magnin, Eaux-vives . . .

230,074 218,245 161,745 107,788 86,529 85,864 62,061 47,842 1,763

Gebr. Weil, Basel . . .

Vve. Louis Mayer & Cie., Basel

160.172 142^244

.

3,871 15,171 6,84» 1,277 4,033 252,781 1,045 2,916

360 58 -- 823 -- -- -- 66 11,170 1,215

-- -- -- 3,462

.

386 --

Basai

12,670

50

361

Kantone

Spritbezlige im Jahrtüntte 1902/1906

Namen der Firmen

Rückverglltungsberechtigter Export Im Jahrfünfte 1902/1906

kg. Sprit Si 95 Grad

Waadt

Weber, frères, Lausanne . . .

Dseppen, Lausanne .

Vve. E. Gamboni & Cie., Morges C. A. Braillard, Yverdon . . .

180,138 173.586 171,662 28,381

Schwyz

F. Holzgang, Sohn, Küssnacht .

El. Eichhorn, Arth

93,449 42,021

12 g

Ziiff

C. Landtwing, Zug . .

. .

Kirschwassergesellschaft, Zug .

82,021 34,404

64 81

Jean Pellet, Murten

. . . .

61,906

119

Louis Morand, Martigny . . .

51,347

1,703

Total

5,402,342

320,553

oder per Jahr

1,080,468

64,111

Freiburg Wallis

--

740 9

Diese Liste kann nach dem Gesagten nicht auf Vollständigkeit Anspruch machen ; insbesondere fehlen darin die auf kaltem Wege arbeitenden Fabrikanten. Unseren Zwecken noch weniger dienlich sind zwei andere Defekte derselben. Da die aufgeführten Firmen mit dem von der Alkoholverwaltung empfangenen Sprit auch andere Alkoholprodukte als Absinth erzeugen können und tatsächlich erzeugen und ihnen zudem frei steht, Sprit oder Absinth durch Zwischenhände zu kaufen, so bieten die obigen Zahlen über die Spritbezüge bei der Verwaltung keinen sichern Anhalt über die Grosse der Absinthproduktion.

Vier der in der Liste figurierenden 40 Fabriken erzeugen unseres Wissens nur ganz unbedeutende Mengen. Die übrigen 36 haben uns das Quantum des im Jahrfünfte 1902/1906 durch sie hergestellten Destillationsabsinths zu 72,575 Hektolitern angegeben. Es mangelt uns an der Zeit, die mitgeteilten Ziffern zu kontrollieren. Mehrere der befragten Firmen haben offensichtlich zu hohe Zahlen genannt. Da wir aber anderseits die Menge des mit in- und ausländischer Essenz gewonnenen Essenzabsinths nicht kennen, so betrachten wir die angegebene Ziffer faute de mieux als Ausdruck der Gesamtproduktion. Wir werden damit

362

allerdings wahrscheinlich eher über, als unter der Wahrheit bleiben.

Zur Herstellung von 72,575 Hektolitern Absinth von im Mittel 65 Graden Gehalt bedarf es 4,049,250 kg., also jahresdurchschnittlich 809,850 kg. Sprit à 95 Grad.

Sehr viel verlässlicher sind die Ziffern über den Export mit jahresdurchschnittlich 64,111 kg. Danach kann schliesslich der mittlere Jahreskonsum an 95grädigem Sprit in Form von Absinthlikör bei Ausserachtlassung des Imports schätzungsweise auf 809,850 kg. minus 64,111 kg. = 745,739 kg. oder rund 7500 Meterzentner veranschlagt werden.

Wermut.

Eine namhafte stärkere Rolle als beim Absinthlikör spielt die Einfuhr beim Wermut. Nach unsern Aufzeichnungen wurden importiert kg. brutto : In den Jahren

1902 1903 1904 1905 1906

Wermutwein Wermutlikör und Wermut mit -extrakt mit chinato mit höchstens durchschnittlich durchschnittlich 181/» Graden za. 65 Graden za. 20 Graden Alkohol Alkohol Alkohol

Total

.

.

.

.

.

134,285 140,686 134.897 153,198 82,620

4,621 4,229 7,460 12,460 8,539

190 419 203 165 256

139,096 145,334 142,560 165,823 91,415

Total oder jahresdurchschnittlich

645,686

37,309

1233

684,228

129,137

7,462

247

136,846

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Die auf diesen Importen erhobenen Monopolgebühren beliefen sich auf: 1902 . . . . Fr. 6,326. 56 1903 . . . . ,, 6,277. 2 2 1904 . . . . ,, 8,693. 52 1905 . . . . ,, 13,167. 64 1906 . . . . ,, 8,901. 5 7 Fr. 43,366. 51 oder jahresdurchschnittlich auf Fr. 8673. 30.

Wie für die Absintherzeugung, so sind wir auch über die Wermuterzeugung unzureichend informiert.

363

Unsern Exportkontrollen und dem Handelsregister entnehmen wir nachverzeichnete Produzenten:

Kantone

SpritbezUge im JahrfUnfte 1902/1906

Name der Firmen

RUckverglltungsberechtigter Export im JahrfUnfte 1902/1906

kg. Sprit à 95 Grad

Genf

Tessin

225,753 Martini & Rossi, Genève . . .

139,269 Mme. Camille Vinardy, Genève .

P. Muraour & Cie., Moillesulaz vide Absinth Ciravegna & Cie., Genf . . .

91,071 J. Demont, Eaux-vives . . . vide Absinth Manzioli, G. & Cie., Genf . .

59,347 Riccardo Ferrerò, Genf . . .

83,715 P . Fert, Eaux- vives . . . .

27,977 26,187 M. und E. Lévy , frères, Eaux- vives F. V. Geny, Genf 25,845 Ls. Geny, Genf 15,078 3,527 J. Favre & Cie., Chêne-Bougeries Martinazzi, E. & Cie., Genf . .

-- Aug. Roiron, Genf . . . .

-- J. Jacquard, Chêne-Bourg . .

P. E. Sechehaye, Eaux-vives .

-- Florinetti, frères, Eaux-vives .

-- R. Manassero, Eaux-vives . .

-- Gruftàz & Peillex, Plainpalais .

-- Bouvier & Fechoz, Genf . . . vide Absinth Antoine Floquet, Chêne-Bourg .

H Vve. Mirault & Cie., Moillesulaz » Vve. J. Sauter fils, Plainpalais .

n Louis Guillemaud, Petit-Saconnex îï 75,941 3,863

164,670 107,808

315 39,680

--

7,046 66,572

-- -- 4,151 2,366 3,001 15,722

-- -- -- -- 166 719 22,323

-- --

58,822

Gancia Fratelli & Cie., Magadino Isolabella, E. & fils, Chiasso Fratelli fu G. Rufloni, Magadino Chavin & Cie., Chiasso . . .

Riccardo Ferrerò, Bellinzona Crescionini &'Cie., Lugano . .

-- -- vide Genf --

vide Genf

Neuenburg

R. Werenfels & Cie., Auvernier L . A . Bolle, Verrières . . . .

21,935 vide Absinth

-- --

Luzcrn

Bodnar & Gelpke, Meggen . .

2,099

Total

801,607

493,666

oder per Jahr

160,321

98,733

187 -- 118 --

--

364

Die meisten dieser Häuser, und darunter gerade die bedeutendsten, erzeugen ausschliesslich oder doch fast ausschliesslich Wermut.

Da der Stand unseres Wissens über die Gesamtproduktion zurzeit ein unvollkommener ist, glauben wir, auf eine auch nur schätzungsweise Bezifferung des Konsums einstweilen verzichten zu sollen.

IV. Die Verbote gemäss Art. 32ter würden sich in der Alkoholverwaltung hauptsächlich nach zweierlei Richtung geltend machen können : bei der Fixierung des Brennereikontingents und, beim Fiskalertrage.

Wir betrachten beides zunächst von der Annahme aus, dass' der sub III hiervor berechnete Absinthkonsum infolge der Prohibition gänzlich dahinfiele, und zwar so, dass der Wegfall durch kein anderes monopolpflichtiges Getränk kompensiert würdeJ).

1. Nach Art. 2 des Alkoholgesetzes ist annähernd ein Vierteil des Landesbedarfes an Sprit und Spiritus durch Lieferungsverträge mit inländischen Brennern zu beschaffen, immerhin so, dass die Jahresproduktion 30,000 Hektoliter à 100° nicht übersteigen darf.

Sofern sich nun im Gefolge des Absinthverbotes der Landesbedarf so weit reduzieren würde, dass der Y* unter die 30,000 Hektoliter sänke, müsste sich die inländische Kartoffel- und Getreidebrennerei eine Herabsetzung ihres Kontingents gefallen lassen.

Bei den Verhältnissen, wie sie z. B. im Jahrfünfte 1902/1906 bestunden, hätte freilich der Wegfall selbst des ganzen Absinthkonsums noch keinerlei Wirkung in der betrachteten Richtung auszuüben vermocht ; bezifferte sich doch in der genannten Periode der jahresdurchschnittliche Landesbedarf an Sprit und Spiritus auf: Ware zum Trinkgebrauch 55,049 Meterzentner ,, zu Denaturierungszwecken . . .

69,227 ,, 124,276 Meterzentner Auch wenn hiervon die 7500 Meterzentner Absinthverbrauch abgingen, beliefe sich der Y* des Restes von 116,776 q. noch immer auf 29,194 q. oder 34,011 Hektoliter.

') Die eventuelle Unterdrückung auch des Wermutkonsums lassen wir beiseite, da dieselbe in der Initiative ohnehin nur fakultativ vorgesehen ist und wir überdies, wie sub III hiervor erwähnt, über den Verbrauch heute noch zu wenig genaue Daten besitzen.

365 Danach kann eine Einflussnahme auf die Inlandsbrennerei durch die Absinthprohibition allein und bei sonst gleichbleibenden Umständen bloss als eine Möglichkeit gelten. Träte sie dann tatsächlich einmal ein, so wäre sie nach agrikolen und fiskalischen Gesichtspunkten zu würdigen; in letzterer Hinsicht würde sie sich (angesichts der höheren Preise des Inlandsspiritus) in einer freilich nicht sehr belangreichen Minderausgabe für die Alkoholverwaltung und in einer ebenfalls nicht wesentlichen Verminderung der Zollerträgnisse des Bundes zum Ausdrucke bringen.

2. Sehr viel fühlbarer für den Fiskus, besonders den kantonalen, wäre der mit der angenommenen Reduktion des Spritverbrauches verbundene Gewinnausfall. Derselbe würde, wenn wir den im Jahrfünfte 1902/1906 per Meterzentner durchschnittlich erzielten Monopolgewinn von Fr. 116. 38 zur Basis nehmen, für die Alkoholverwaltung jährlich 7500 X 116.38 = Fr. 872,850 ausmachen 1).

V. Nun würde aber ein kompensationsloser Fortfall des Absinthkonsums, wie wir ihn unter Ziffer IV hiervor als Konsequenz des Verbotes supponiert haben, in Wirklichkeit schwerlich eintreten. So sehr das vom hygienischen Standpunkte aus zu Bedauern Anlass bietet, so wenig wird man sich der Einsicht verschliessen können, dass aller Wahrscheinlichkeit zufolge nach Inkrafttreten der Initiative andere geistige Getränke die Stelle des prohibierten Absinths einnehmen würden. Welches diese Getränke wären, ob Wein, Bier oder Branntwein, und in welchem Masse der Absinth durch sie ersetzt würde, entzieht sich derzeit jeder sicheren Beurteilung. Soweit indessen Vermutungen erlaubt sind, glauben wir hinsichtlich der Art der Ersatzgetränke folgendes sagen zu können. Der Absinth gehört in ausgesprochener Weise zu den sogenannten Appetitschnäpsen (apéritifs). Es liegt daher nahe, dass die seines Genusses beraubten Konsumenten in erster Linie nach Getränken greifen werden, von denen angenommen werden kann und wird, dass sie dem gleichen Zwecke, wie der Absinth, zu dienen vermögen. Welche Spezialitäten solcher gebrannter Wasser dabei vor allem zum Ersätze des Absinths herangezogen würden, hängt einerseits ab von der Kunst der Lieferanten, den Geschmack der Kundschaft zu treffen, anderseits vom Eingreifen des Staates und hierin insbesondere von der Frage, welche Surrogate des Absinths dieser
den Verboten des Art. 32ler zu unterstellen befugt wäre. Im allgemeinen darf vorausgesetzt werden, ") Der gleichzeitige Zollausfall beliefe sich auf Fr. 85,500 (7500X11.40).

366

dass es sich vorzugsweise um Bitterschnäpse handeln würde. Vorsichtiger noch als für das Quäle muss unser Urteil über das Quantum und die Provenienz sein. In diesem Betrachte möchten wir nicht einmal Mutmassungen aufstellen, ebenso wenig als wir im stände sind, jetzt schon mit auch nur einigermassen zutreffender Sicherheit zu ermessen, ob die Ersatzschnäpse ganz aus monopolpflichtigen oder auch noch aus monopolfreien Branntweinen bestehen würden.

In Summa dürfen wir kaum mehr sagen, als dass der unter Ziffer IV ermittelte Gewinnausfall für den Fiskus vermutlich nicht in vollem Umfange einträte, weil der unterdrückte Absinth aller Voraussicht nach in kürzerer oder längerer Zeit und in jetzt noch nicht überblickbarem Masse durch ein anderes monopolpflichtiges gebranntes Wasser ersetzt würde.

VI. Es ist noch kurz eines Faktors zu erwähnen, der zum Schaden der hygienischen wie der fiskalischen Ziele der Alkoholgesetzgebung sich zur Geltung bringen kann und wird.

Wir meinen die Defraude, die heimliche Erzeugung, den Grenzschmuggel, den unerlaubten Verkauf. Wir haben Grund, zu befürchten, dass die eidgenössische und die kantonale Alkoholpolizei nicht stark genug sein würden, dem Übel wirksam zu begegnen.

Indem wir damit unsern leider sehr unvollkommenen Bericht abschliessen, zeichnen wir mit vollkommener Hochachtung Eidgenössische Alltoliolvenoattnng, Der Direktor:

E. W. Milliet.

->-
Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend das Verbot des Absinths. (Vom 9. Dezember 1907.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1907

Année Anno Band

6

Volume Volume Heft

53

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.12.1907

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341-366

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