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Bericht der

Redaktionskommission des Zivilgesetzbuches an die Bundesversammlung.

(Vom 20 November 1907.)

Tit.

Die Beratung der Vorlage des Bundesrates vom 28. Mai 1904 betreffend das schweizerische Zivilgesetzbuch ist in den beiden Räten nach den Bestimmungen der Zusatzartikel zum Geschäftsreglement vom 21./22. Juni 1877 durchgeführt worden.

Gemäss Art. 3 dieser Zusatzartikel hätte nach Abschluss der Beratungen eine Überweisung an den Bundesrat und eine Vorlegung der Schlussredaktion an die Bundesversammlung durch diesen stattfinden sollen, ein Verfahren, das mit den Vorschriften des Bundesgesetzes über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat nicht mehr vereinbar war. Art. 9 dieses Gesetzes sieht für alle Fälle eine Redaktionskommission in genau umschriebener Zusammensetzung vor, und so hatte denn diese Kommission die Arbeit zu übernehmen, die in den Zusatzartikeln dem Bundesrat zugewiesen war. Während der Beratungen der Bundesversammlung konnte der Redaktion des Gesetzes nicht die Pflege zugewendet werden, die nach der Bedeutung der Vorlage als unerlässlich betrachtet werden muss. Man hatte sich auf die, allerdings in grösserem Umfange auch die Redaktion betreffenden Änderungen zu beschränken, die von Nationalrat und Ständerat beschlossen wurden. Redaktionelle Modifikationen anderer Art waren schon deshalb ausgeschlossen, weil durch deren Anbringungunvermeidlich Verwirrung geschaffen worden wäre. Dazu kam, dass bei -der Behandlung der Divergenzen zwischen den Beschlüssen des Nationalrates und des Ständerates eine grosse Zahl

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als redaktionell erklärt und der Redaktionskommission zur Erledigung überwiesen wurde. Der bei dieser Sachlage gegebenen.

Aufgabe ist nun die Redaktionskommission in der Zeit vom Juni bis November dieses Jahres nachgekommen, und sie beehrt sich, der Bundesversammlung hiemit das Ergebnis ihrer Arbeit zur Vornahme der in Art. 3 der Zusatzartikel vorgesehenen Schlussabstimmung vorzulegen.

Des näheren haben wir über die Kommission und ihre Tätigkeit folgendes anzuführen : Mitglieder der Redaktionskommission waren die folgenden Herren : Nationalrat Bühlmann und Ständerat Hoffmann als.

Präsidenten der beiden Kommissionen, Professor Huber und Professor Rössel als Referenten im Nationalrat, die Übersetzer der beiden Räte Vogt und Krentel und die beiden Bundesvizekanzler Schatzmann und Gigandet. Den zweiten französischen Referenten im Nationalrat, den aus der Bundesversammlung ausgeschiedenen Herrn Bundesrichter Gottofrey, ersetzte gemäss Beschluss der Kommission das Mitglied der ständerätlichen Kommission Herr Python, und weiter wurde infolge zeitweiser Verhinderung des Herrn Vogt zu den Verhandlungen das Mitglied der nationalrätlichen Kommission Herr Rutty beigezogen.

Schon am 1. Februar hat die Kommission die Herren Professor Huber und Rössel mit der Herstellung des Textes in beiden Sprachen nach Massgabe der Beschlüsse der Bundesversammlung, beauftragt. Diese Arbeit wurde auf das Ende der ersten Juliwoche fertiggestellt und der Entwurf in der neuen Redaktion' sämtlichen Mitgliedern der Zivilrechtskommissionen des Nationalrates und des Ständerates, sowie einer Anzahl von Fachmännern, die sich schon bei der Herstellung der bundesrätlichen Vorlage eingehender mit der Redaktion beschäftigt hatten, mit dem Ersuchen übermittelt, ihre redaktionellen Bemerkungen bis Mitte August an das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement einzusenden. Diese Aufforderung war denn auch von gutem Erfolge begleitet : Neben einer grössern Zahl vereinzelter Bemerkungen sind, um nur diejenigen zu nennen, die nicht von Amtes wegen mit dieser Arbeit betraut waren, umfangreichere Eingaben zum deutschen Text eingereicht worden von den Herren Regierungsrat Burckhardt-Schatzmann, Basel, Professor Hermann Hitzig, Zürich, Ständerat Isler, Aarau, Professor Oser, Freiburg, Bundesrichter Reichel, Lausanne, Nationalrat Scherrer-Füllemann, St. Gallen, Xaver Schmid-Imbach, Luzern, Nationalrat Speiser, Basel, Ständerat Usteri, Zürich, Professor Wieland, Basel. Zum fran-

369 zösischen Texte aber sind Eingaben eingelaufen von den Herren Nationalrat Gobat, Bern, Professor Mentha, Neuenburg, und Nationalrat Rutty, Genf.

Unter Benützung dieses umfangreichen Materiales: der als nur redaktionell bezeichneten divergierenden Beschlüsse des Nationalrates und des Ständerates und der Anregungen und Vorschläge aller der Eingaben, wurde sodann der Entwurf in der Zeit vom 20. August bis zum 6. September in artikelweiser Beratung des deutschen und des französischen Textes von einer fünfgliedrigen Subkommission der Redaktionskommission, bestehend aus den Herren Bühlmann, Hoffmann, Huber, Rössel und Rutty, durchberaten. Die damit hergestellte neue Redaktion aber gelangte an das Plenum der Kommission, die vom 30. September bis zum .5. Oktober und vom 1. bis zum 5. November der abschliessenden Herstellung der Texte in beiden Sprachen obgelegen hat.

Diese ganze Arbeit konnte zunächst nur den deutschen und den französischen Text beschlagen. Mit der Herstellung des italienischen Textes hatte schon für die Vorlage des Bundesrates das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement das Mitglied der ausserparlamentarischen Zivilrechtskommission Herrn Advokat Breeno Bertoni, Lugano, in Verbindung mit den Herren Staatsrat Gabuzzi, Bellinzona, und Appellationsgerichts-Vizepräsident Curti, Lugano, betraut. Zu den Verhandlungen der Subkommission ·der Redaktionskommission war auch Herr Bertoni zugezogen, und die von diesem umgearbeitete, der neuen Fassung angepasste Übersetzung, wurde sodann vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement einer Expertenkommission, bestehend aus den Herren Bertoni, Staatsrat Gabuzzi, Nationalrat Motta, Airolo, dem ersten Bundesvizekanzler Schatzmann und dem Redaktor des Entwurfes, Professor Huber, vorgelegt, die ihre Arbeit vom 7. bis 20. Oktober durchgeführt und damit den italienischen Text hergestellt hat, der gemäss Vorschrift des Bundesgesetzes über den Geschäftsverkehr der in Art. 12 desselben vorgesehenen italienischen Übersetzungskommission vorgelegt worden ist.

Die Änderungen, die von der Redaktionskommission am Entwurfe, wie er aus den Beratungen der Bundesversammlung hervorgegangen war, vorgenommen worden sind, lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen.

In einer ersten, der umfangreichsten Anzahl von Fällen, handelte es sich um rein sprachliche Verbesserungen an dem

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einen oder dem anderà Text. Sie ergaben sich aus der Bemühung,, in den Ausdrücken und sprachlichen Wendungen und in der Fassung der Vorschriften eine gewisse Gleichmässigkeit durchzuführen, die Sprache so klar und so einfach und lesbar als möglich zu gestalten. Auch die Umstellung einzelner Absätze oder Artikel und die Durchführung einer gleichmässigen Ausdrucksweise in den Marginalien müssen unter diese erste Gruppe von, Fällen gerechnet werden.

In einer zweiten Gruppe von Modifikationen handelte es sieh um die Herstellung möglichster Übereinstimmung in den drei Sprachen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde häufig auch der deutsche Text einer sich empfehlenden Ausdrucksweise im französischen oder italienischen angepasst, so dass kein Text nur als Übersetzung des ändern sich darstellt.

Weiter fand es in einzelnen Fällen die Redaktionskommission für geboten, bei Bestimmungen, denen es an der wünschenswerten materiellen Klarheit zu fehlen schien, die nötigen Änderungen anzubringen, Vorschriften, die dasjenige nicht deutlich auszudrücken schienen, was nach den Beschlüssen der Bundesversammlung gesagt werden wollte, zutreffender zu fassen, kleinere Lücken in der Redaktion der Artikel im Sinne der Beschlussfassungen auszufüllen, offenbare Widersprüche, die an einigen Stelleu zwischen den einen und den ändern Beschlüssen zu Tage traten, zu beseitigen und, wo es dringend geboten schien, durch genauere Formulierung dessen, was bestimmt werden wollte, künftigen Kontroversen möglichst vorzubeugen.

Zu dieser dritten Gruppe von Modifikationen gehören auch, die zwei Änderungen, die gemäss einer Anweisung, die der Redaktionskommission in den Räten erteilt worden war, von dieser an zwei Fristbestimmungen, zwecks Herstellung gleichmässiger Fristansetzung, vorgenommen worden sind. Sie betreffen die Herstellung der Monatsfrist in Art. 75 und der Jahresfrist in, Art. 437.

Endlich sind auch die Änderungen dahin zu rechnen, die mit Art. 60 des Schlusstitels betreffend die Anpassung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs an das Zivilgesetzbuch vorgenommen worden sind. Die Vorschriften dieses Artikels waren von der Bundesversammlung der Redaktionskommission in dem Sinne zu einer Durchsicht überwiesen worden, dass das durchaus zur Anpassung Nötige vorzusehen sei, und die Kommission hat sich auf Grund der von Herrn Professor Reiche!

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ausgearbeiteten Vorlage und von zwei hierüber eingeholten Gutachten der Herren Nationalrat Brilstlein und Bundesgerichtspräsident Jäger dieser Aufgabe unter Vermeidung jeder nicht durch die Anpassung des zitierten Gesetzes an den Entwurf notwendigen Änderung mit der nun vorliegenden Redaktion entledigt.

Noch fügen wir an, dass die Artikel des Schlusstitels besonders numeriert worden sind, damit die nach Ihren Beschlüssen vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches durchzuführende Anreihung des Obligationenrechtes an das Sachenrecht ohne Änderung der Artikelzahlen stattfinden kann.

Materielle Änderungen^ die im Widerspruch stehen würden mit den Beschlüssen der Bundesversammlung, hat hienach die Redaktionskommission nirgends vorgenommen. Sie hat sich in dieser Richtung strenge an ihre Aufgabe als Redaktionskommission gehalten. Wenn nun redaktionell der neuen Vorlage einige Vorzüge vor der früheren zukommen, so fällt -- wir können wiederholen, was diesfalls schon bei der Schlussredaktion des Obligationenrechts gesagt worden ist -- nicht der kleinste Teil derselben auf die vortreffliche Mithülfe, die der Redaktionskommission von seiteri der erwähnten Eingaben und Vorschläge zu Teil geworden ist.

Genehmigen Sie, Tit, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. November 1907.

Im Namen der Redaktionskommission, der Präsident:

Bühlmann.

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(Vom 20 November 1907.)

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