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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen fahrlässiger Gefährdung des Eisenbahnbetriebes bestraften Emil Zuber, Vorarbeiter der S. B. B. in Basel, wohnhaft Elsässerstrasse 321 daselbst.

(Vom 2. April 1907.)

Tit.

Sonntags den 10. September 1905, abends zirka 8 Uhr 35 Minuten, erfolgte im Personenbahnhof der S. B. B. in Basel auf Geleise B 61 ein Zusammenstoss zwischen einem aus Geleise A 61 kommenden, aus. Rangierlokomotive und zwei Wagen bestehenden Rangierzug und einer stillstehenden Wagenkolonne, wobei 8 Wagen beschädigt wurden. Der im vordersten Wagen des Rangierzuges befindliche Karl Gsell, Oberpostschaffner aus Strassburg, wurde durch den Anprall umgesehleudert; er war infolgedessen eine Zeittang bewusstlos und empfand starke Schmerzen in Kopf und Kreuz, sowie im rechten Arm.

Der Zusammenstoss ist in erster Linie durch pflichtwidriges Verhalten des Vorarbeiters Emil Zuber veranlasst worden, der das aus Geleise A 61 kommende Manöver leitete und bei der Durchfahrt durch Geleise B 61 sich in keiner Weise darum kümmerte, ob dieses Geleise besetzt sei oder nicht, trotzdem ihm bekannt sein musste, dass dasselbe namentlich an Sonntagen zur Stationierung von Wagen benutzt wird.

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Er gab allerdings, als die Rangierabteilung schon auf nahe Distanz an die stillstehende Wagenkolonne herangerückt war, Haltsignale, die aber von dem Lokomotivpersonal nicht rechtzeitig beachtet wurden.

Diese tatsächlichen Veramständungen bildeten die Grundlage eines Urteils des Strafgerichtes des Kantons Baselstadt, durch welches Zuber sowohl als Heizer und Führer der Rangierlokomotive der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig erklärt wurden.

Das Gericht erachtete das Verschulden des Zuber als schwerer als dasjenige der Mitangeklagten und verurteilte ihn deshalb zu drei Tagen Gefängnis, die ändern zu je Fr. 10 Geldbusse, im Falle der Unerhältlichkeit umgewandelt in zwei Tage Gefängnis, unter solidarischer Haft für die Kosten.

Zuber ersucht um Nachlass der Gefängnisstrafe auf dem Wege der Begnadigung, indem er diese Strafe als zu hart bezeichnet.

Die beiden ändern Verurteilten haben kein solches Gesuch eingelegt. Der Petent enthält sich einer Kritik des Richterspruches, macht aber auf die Aussagen mehrerer Zeugen aufmerksam, nach welchen er Haltsignale gegeben, und zwar nicht erst im allerletzten Moment; sodann verweist er darauf, dass der Vorfall nach einem arbeitsreichen Sonntag zur Zeit der hereinbrechenden Dunkelheit passierte, wo die grellen elektrischen Lichter mit der Abenddämmerung kämpften und das Auge des Bahnarbeiters sowieso unsicher machten. Er bezeichnet es als zweifelhaft, ob das Urteil mit der schwereren Belastung des Rangierleiters das Richtige getroffen habe, da er doch Signale gegeben, die das Lokomotivpersonal nicht rechtzeitig befolgt, und er glaubt, dass unter diesen Verhältnissen die Freiheitsstrafe ihm erlassen werden sollte.

Das Strafgericht Basel hält an seiner Beurteilung des Falles fest und glaubt, dass die ausgesprochenen Strafen dem Verschulden der Angeklagten entsprochen haben und dass kein besonderer Grund zur Begnadigung des Zuber vorliege.

Unzweifelhaft hat sich Zuber der fahrlässigen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes schuldig gemacht. Die Strafe, welche das kompetente Gericht über ihn ausfällte, lag innerhalb der gesetzlichen Grenzen, und zwar nahe am Mindestmasse der Freiheitsstrafe. Die Erwägung aber, die den Richter veranlasste, das dem Zuber zur Last fallende Verschulden schwerer zu taxieren als dasjenige der Mitangeklagten und gegen ihn die schärfere
Strafart anzuwenden, unterliegt nicht der Nachprüfung der Begnadigungsbehörde; sie stand übrigens, soweit die Akten darüber ein Urteil erlauben, in ersterer Beziehung keineswegs im Widerspruch mit den Ergebnissen der Strafuntersuchung. Unter solchen Umständen

688 kann dem Begnadigungsgesuche um so weniger entsprochen werden, als dadurch der am schwersten Belastete gänzlich von Strafe befreit würde, während die gegen die Mitschuldigen ausgesprochener» Geldbussen definitiv zu Recht bestunden.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Emil Zuber abzuweisen.

B e r n , den 2. April 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rangier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen fahrlässiger Gefährdung des Eisenbahnbetriebes bestraften Emil Zuber, Vorarbeiter der S.

B. B. in Basel, wohnhaft Elsässerstrasse 321 daselbst. (Vom 2. April 1907.)

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10.04.1907

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