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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Postulat des Ständerates vom 3. April 1924.

(Vom 19. September 1924.)

Der Ständerat hat unterm 3. April 1924 folgendes Postulat aufgestellt, das vom Bundesrate zur Prüfung entgegengenommen wurde.

,,Der Bundesrat wird eingeladen, mit Beförderung den Räten Bericht und Antrag zu unterbreiten über die Gewährung von Bundessubventionen an die Kantone für die Verbesserung und den Unterhalt der dem Automobilverkehr dienenden Hauptstrassen."

Mit Schreiben vom 19. Juni 1924 teilt die Zolltarifkommission des Nationalrates anlässlich der Behandlung der Differenzen über die Zollerhöhung auf Benzin und Benzol dem Bundesrate mit, dass die Kommission beschlossen habe: ,,1° de demander que la divergence soit mise à l'ordre du jour du Conseil national dans la session d'automne; 2° de prier le Conseil fédéral de déposer son rapport sur le postulat du Conseil des Etats assez tôt pour qu'elle puisse eu prendre connaissance avant d'arrêter ses propositions sur la divergence en question."

Der Bundesrat hat es sich zur Pflicht gemacht, sofort an die vom Ständerat ihm gestellte, von der nationalrätlichen Kommission terminierte Frage heranzutreten und beehrt sich, Ihnen im folgenden einen v o r l ä u f i g e n Bericht hierüber zu erstatten.

Der Bericht inuss als vorläufiger bezeichnet werden, weil, wie Sie aus dem folgenden ersehen werden, eine abschliessende, antragreife Untersuchung in der uns gestellten Frist nicht durchzuführen war, Das ständerätliche Postulat verlangt einen Antrag an die Bundesversammlung über die Gewährung von Bundessubventionen an die Kantone für die Verbesserung und den Unterhalt der dem Automobilverkehr dienenden Hauptstrassen. Wir haben bekanntlich in unserem Entwurfe zu einem eidgenössischen Automobil-

413 gesetze auch die Möglichkeit solcher Subventionen vorausgesetzt und gewisse Grundsätze und Erfordernisse für deren Gewährung vorgeschlagen. Dabei haben wir aber ausdrücklich die vorausgehende Schaffung von Bundeseinnahmen, welche eich aus dem Motorfahrzeugverkehr ergeben sollten, zur Bedingung gesetzt; dies ist ja wohl auch die Meinung des Ständerates, wie aus dem Zusammenhange seines Auftrages mit der Benzinzollerhöhung hervorgeht. Die gesetzmässige Grundlage wäre also nicht schon durch das Automobilgesetz selbst gegeben, das nur hypothetisch von den Subventionen spricht. Haben wir eine andere gesetzliche, haben wir überhaupt eine verfassungsmässige Grundlage?

Ein bestehendes Bundesgesetz, das die gewünschten Subventionen ermöglichen würde, ist uns nicht bakannt. Es ist aber nicht zu verhehlen, dass in den vergangenen Dezennien der Rechtstitel für Subventionen nicht immer aus einem sie spezifizierenden Gesetze, sondern wiederholt direkt in sehr weitgehender Auslegung aus Verfassungsartikeln abgeleitet wurde, so z.B. aus Art. 23 BV. Win glauben aber nicht, dass dieser Art. 2'ci für den uns vorliegenden Fall zur Grundlage genommen werden könne. Die zu unterstützenden Werke, die dem Automobilverkehr dienenden Strassen, dienen wohl kaum der Eidgenossenschaft oder auch nur einem grossen Teil derselben ; sie sollen auch nicht errichtet, erstellt, sondern nach dem Wortlaut des ständerätlichen Postulates verbessert und unterhalten werden aus der Subvention. Es ist uns nicht unbekannt, dass trotz ähnlicher Bedenken dem Wortlaute des Verfassungsartikels auch schon Gewalt angetan worden ist, z. B. bei der Aarekorrektion im Oberhasli im Jahre 1878 und bei der Grimselstrasse im Jahre 1889 ; wir möchten aber dio Verantwortlichkeit für eine solche Auslegung unsererseits nicht übernehmen.

Ebenso gewagt würde uns eine direkte Kompetenzableitung ausdem Art. 37bia BV. erscheinen ; sie müsste sich unter allen Umständen auf die vom Bunde geöffneten Durchgangsstrassen beschränken, also auch schon dio Anwendung des erst in Vorberatung begriffenen Automobilgesetzes voraussetzen.

Die Verfassungsfrage wird aber noch aus einem andern Gesichtspunkte heraus akut. Man ist im allgemeinen darüber einig, dass die durch den Automobilverkehr verursachten, bedeutenden Mehrkosten für Strassenunterhalt und -Verbesserung wenigstens
zu einem Teil auch vom Autornobilverkehr selbst getragen worden sollen ; das Interesse an guten Automobilstrassen ist für den Fahrer auch ein direkt wirtschaftliches. Einsichtige Automobilistenkreise sind denn auch grundsätzlich --- unter Vorbehalt des Quantitativen -- mit einer gewissen Belastung ein-

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verstanden. Die Erhebung dieses Kostenanteils von den Automobilisten muss nun durch den Bund besorgt werden, wesentlich aus zwei Gründen ; Einmal soll er dafür sorgen, dass die Abgabe der Automobilisten nach richtigen Grundsätzen und nicht bloss nach dem zufälligen kantonalen Automobilkontingent auf die Kantone verteilt werde. Sodann ist die gerechte Erfassung des Automobilisten selbst am besten durch Vermittlung des Bundes möglich, wenn die Belastung bewerkstelligt wird durch Verlegung auf ein über die Grenze einzuführendes Betriebsmittel, in concreto Benzin und Benzol ; der Verbrauch der Betriebsmittel steht im direkten Verhältnis zur Beanspruchung der Strassen. Endlich würde damit auch dem Petitum Rechnung getragen, dasa die Bundesverwaltung, soweit sie mît ihren Dienstautos die Strassen der Kantone in Anspruch nimmt, wenigstens teilweise und indirekt zur Kostentragung herbeigezogen würde.

Sobald mau nun aber daran denkt, die Zolleinnahmen auf dem Benzin und Benzol bzw. eine angemessene erhöhte Zollquote hierauf für die vorgesehenen Subventionen zu verwenden, gerät man in Konflikt mit Alinea l von Art. 30 BV, das aus.drücklich vorschreibt, dass der Ertrag der Zölle in die Bundcskasse falle. Diese Bestimmung ist verletzt jedenfalls dem Sinne, wenn vielleicht auch nicht dem Buchstaben nach, wenn der Zollortrag nur durch die Bundeskasse wandert, um einem zum voraus bestimmten Zwecke, der nicht einmal ein Bandeszweck ist, zu dienen. Dem Art. 30 BV muss also ein Vorbehalt zur Ermöglichung der von uns vorgesehenen Lösung beigefügt werden.

Eine solche Revision des Art. 30 wäre um so weniger bedenklich,' als damit eina Bereinigung verbunden werden könnte, die sowieso gelegentlich erfolgen müaste : die Weglassung der Alineas 2 und 4, die längst nur noch historischen "Wert haben. Zu prüfen wäre gleichzeitig, ob nicht auch Alinea 3 einer Revision zu unterziehen sei ; die dort genannten 4 Bergkantone beklagen sich darüber, dass die ihnen zugebilligte fixe Entschädigung für Unterhalt der internationalen Alpenstrassen im Laufe der Zeit ungenügend geworden sei.

Wenn man nur diese Überlegungen ins Auge fasst, so scheint die Erledigung des vom Ständerate erteilten Auftrages vorhältnismässig einfach. Man könnte daran denken, einfach den bisherigen Art, 30 durch einen neuen, ungefähr folgenden Wortlautes zu ersetzen : ,,Der Bund verwendet einen Teil der Zölle, die er auf Benzin und Benzol erhebt, zu Beiträgen an die Kantone für Erstellung,

415 Verbesserung und Unterhalt von dem Automobilverkehr dienenden Strassen. Die Zollquote, sowie die für die Subventionierung wegleitenden Grundsätze werden durch die Bundesgesetzgebung aufgestellt."

Ob für die vier Bergkantone für die Übergangszeit bis zum Erlasse des ausführenden Bundesgesetzes eine Minimalgarantie wieder aufgestellt werden müsste, wäre besonders zu überlegen.

Diese anscheinend einfache Losung hat nun aber den Haken, dass wir keinerlei Sicherheit darüber besitzen, ob Benzin und Benzol sich auf die Dauer als die richtigen Träger für die Beschaffung der Subventionen erweisen. Schon seit langem wird am Ersätze dieser Betriebsmittel durch andere, billigere und womöglich vom Importe unabhängige Stoffe herumstudiert. Im Momente, wo der Ersatz gefunden ist, würde der Verfassungsartikel seine Berechtigung verlieren. Einmal deshalb, weil der Zusammenhang zwischen der Belastung des Benzinbezügers und den dem Automobilisten aus der Subvention erwachsenden Vorteile verloren ginge : sodann aber auch wegen des sofort zu erwartenden enormen Bückgangs der Benzineiufuhr und der zwangsläufig damit eintretenden Beduktion der Einnahmequelle für die Subventionen. Durch diese Bücksicht auf die Entwicklung der Technik würden wir also wohl zum vornherein gezwungen, auf die Erwähnung von Benzin und Benzol im Verfassungsartikel zu verzichten und den umfassenderen Begriff der ,,Betriebsmittel" oder gar der ^Bedarfsartikel für den Automobilverkehr" einzusetzen, um unter allen Umständen die Relation zwischen Belastung und Nutzen festzuhalten. Das ist der Nachteil der grundsätzlich richtigen Lösung auf dem Verfassungswege ; denn wir können doch nicht wohl die Verfassung mit jedem Fortschritte der Technik auf einem Spezialgebiete wieder ändern.

Aber auch diese Ersatzlösung bietet wieder ihre Bedenken.

Ändert sich der Betriebsstoff, so können wir ihn mit der erweiterten Formel auf dem Wege über die Zollbelastung nur dann erfassen, wenn er wiederum aus dem Auslande eingeführt werden muss, was wir ja gerade aus wirtschaftlichen und Unabhängigkeitsgründen nicht erhoffen. Verlegen wir aber die Belastung statt auf das neue Betriebsmittel auf einzuführende andere Bedarfsartikel im allgemeinen (Pneus, Vollgummi, Automobile als Ganzes oder deren Bestandteile), so verlieren wir vor allem auch die Beiziehung der
fremden, unsere Strassen benutzenden Fahrer zur Tragung der Strassenkosten. Es ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, dass auch die Frage nochmals ernstlich geprüft wird,

416 ob nicht an Stelle von Zollerhöhungen oder Monopolen an die Erhebung einer eigentlichen Automobilsteuer des Bundes zu denken wäre, deren Produkt den Kantonen zugute käme. Wir sind uns aber wohl bewusst, dass diese früher schon ins Auge gefasste Lösung seinerzeit bei den eidgenössischen Räten keine Gnade gefunden hat, allerdings zu einer Zeit, wo das Strassenproblem noch nicht so im Vordergrunde stand und in seiner Bedeutung noch nicht so erkannt wurde. Wir verhehlen uns nicht, dass diese Frage sowohl wegen des Verhältnisses zu den Kantonen und ihrer Steuerhoheit als auch wegen der Rückwirkung auf das Ausland der sorgfältigsten Prüfung bedarf; aber jedenfalls darf sie nicht vernachlässigt und von vornherein auf die Seite gestellt werden. Das ist mit ein Hauptgrund, warum wir im Eingang erklärt haben, dass wir Ihnen heute erst einen vorläufigen Bericht erstatten können, worin wir auf die verschiedenen Möglichkeiten einer Lösung hinweisen, die erst noch gesucht werden muss. Das bietet auch den Vorteil, dass bei Besprechung unseres Berichtes die eidgenössischen Räte in die Lago versetzt werden, sich zu den verschiedenen Seiten dos Problems zu aussern und uns wertvolle Anhaltspunkte für den einzuschlagenden Weg zu geben.

Wir möchten aber nicht den Eindruck hei Ihnen aufkommen lassen, dass wir mit dieser vorläufigen Antwort die Zukunftslüsung einfach auf die lange Bank schieben und in der Zwischenzeit den Benzinzoll rein fiskalisch ausnützen wollten. Wird sind selbst von dem Zusammenhang einer richtigen Automobilgesetzgebung mit einer rationellen Förderung autotauglicher Strassen zu sehr überzeugt, als dass ·wir nicht den Gedanken des ständerätlichen Postulates schon jetzt soweit verwirklichen möchten, als es die derzeitige Verfassung und Gesetzgebung erlauben. Wir wollen also nicht um der vielleicht andere Ausblicke bietenden Zukunft willen die heute berechtigte Belastung von Autobenzin und -benzol vernachlässigen. Wenn uns Art. 30 BV verbietet, die Zolleinnahmen heute schon für Subventionen zu v e r w e n d e n , so ist damit sicherlich nicht verboten, gewisse Bestandteile derselben im Hinblick auf eine derartige k ü n f t i g e Verwendung vorsorglich beiseite zu legen, damit ihre Inanspruchnahme rückwirkend bei der neuen Regelung vorgesehen werden kann. Die natürlichste Lösung scheint uns deshalb
die zu sein, dass von den Fr. 20 Benzinzoll pro q durch Budgetbeschluss der Räte ein Viertel, Fr. 5, vorläufig auf die Seite gelegt werde. Diese Vinkulierung hätte anzudauern, bis einerseits das Schicksal des vorgelegten Automobilgesetzes entschieden und anderseits die ver-

417 fassungsmässige Subventionsgrundlage geschaffen ist. Kommt das eine und andere zustande, so ist den Kantonen von Neujahr 1925 an bereits ein Beitrag gesichert; versagt das Schwoizervolk die Zustimmung, so wird der gesperrte Betrag nach Massgabe von Art, 30, Alinea l, B V der Bundeskasse wieder freigegeben werden müssen.

Ob bei Annahme der Lösung die Verteilung der Subvention jährlich oder in grössern zeitlichen Abständen erfolgen soll, wäre der Diskussion noch offengestellt.

Wir haben Ihnen mit dem Vorstehenden die Resultate einer vorläufigen Prüfung durch die zunächst interessierten Departemente und den Gesamtbundesrat unterbreitet und zweifeln nicht daran, dass Sie mit uns der Ansicht sein werden, es sei uns nach Anhörung Ihrer bei der Diskussion zutage tretenden Ansichten die nötige Zeit zur endgültigen Stellungnahme einzuräumen. Wir werden nicht ermangeln, inzwischen auch die technischen Fragen, soweit dies heute möglich ist, abklären zu lassen, um Ihnen für den materiellen Entscheid seinerzeit eine taugliche Grundlage zu liefern. In dieser Zeit hoffen wir, auch einen genauen Überblick über die künftige Finanzlage des Bundes zu gewinnen, die beim endgültigen Entscheid ebenfalls zu berücksichtigen sein wird.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen ersuchen wir Sie, von unserm vorläufigen Berichte Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , 19. September 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der ßundespräsident:

Chuard.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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24.09.1924

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