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Bundesblatt

76. Jahrgang.

Bern, den 26. November 1924.

Band III.

Erscheint wöchentlich, frets »O Franken Im Jahr, 10 franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme und Postbestellungsgebühr'.

Einrückungsgebühr 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Cie, in Bern.

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zu 1906

II Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1924).

(Vom 18. November 1924.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über nachstehende 30 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag za stellen: 61. Eugen Biland geb. 1896, Mechaniker, zurzeit in der Strafanstalt Lenzburg (Aargau).

{Widerruf der bedingten Begnadigung und ernounteSchlussnahme) Cl. Eugen Biland ist am 11, September 1922 vom Kriminalgericht des Kantons Aargau, gestutzt auf Art, l des Sprengstoffgesetze. vom 12. April 1894 in Verbindung mit kantonalem Strafrecht, zu einer Zuchthausstrafe von 10 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden, mit Einstellung in den bürgerlichen Ehren und .Rechten auf die Dauer von 10 Jahren über die erkannte Strafzeit. In der Folge hat ihm die Bundesversammlung die Zuchthausstrafe, nach Verbüssung von 15 Monaten, in der Junisession 1928 antragsgemäss bedingt erlassen, unter Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren und Stellung unter Schutzaufsicht (Bundesblatt 1928, II, S 148, Nr. 62 des 11. Berichtes vom 15. Mai 19-23). Am 12. März 1924 ist Biland .ans der Strafanstalt entlassen worden, jedoch liess er sich bereits zwei Tage spater betrügliche Machenschaften zuschulden kommen, worauf er am 18. Mai vom Bezirksgericht Baden zu drei Monaten Zuchthaus verurteilt wurde.

Da Biland während der ihm auferlegten Bewährungsfrist wegen ·eines Vergehens neuerdings verurteilt werden musste, erhob sich für den Bundesrat die Frage des Widerrufs der bedingten Begnadigung.

Nachdem der Bundesanwalt übungsgemäss zunächst don Präsidenten der Begnadigungskommission begrübst und sich dieser mit seinen Vorschlägen einverstanden ei klärt hatte, wurde die dem Biland durch Bundesblatt 76. Jahrg. Bd. III.

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792 die Bundesversammlung in der Junisession 1928 gewährte bedingte Begnadigung mit Bundesratsbeschluss vom 7. August widerrufen. Da der Widerruf hinwiederum nicht bedeuten sollte, dass.

Biland nunmehr die Zuchthausstrafe von 10 Jahren und 3 Monaten gänzlich zu verbüssen habe, beschloss der Bundesrat gleichzeitig, der Bundesversammlung anlässlich der Bekanntgabe des WiderrufsYM beantragen, eine Beststrafe von l Jahr Zuchthaus zu beschliessenr mit Beginn vom 18. August 1924. Damit, d. h. mit dem gänzlichen Erlass der Zuchthausstrafe ab 13. August 1925, wird diese Begnadigungssache endgültig verabschiedet.

Die Beststrafe von l Jahr Zuchthaus erachten wir als gerechtfertigt, einmal im Hinblick auf die unmissverstündlich zutage getretene Nichtbewährung Eilands, und weiterhin aus den im Bericht deraargauischen Schutzaufsichtsbehörde enthaltenen Gründen in Verbindung mit dein schwerbelasteten Vorstrafenverzeichnis, Wir beantragen mithin den Erlass der Zuchthausstrafe ab 13. August 1925.

62. Ernst Vontobel, geb. 1900, Schlosser, Zürich.

("Widerruf der bedingten Begnadigung.)

62. Ernst V o n t o b e l ist am 11. Juni 1923 vom Bezirksgericht Zürich wegen schuldhafter Nichtentrichtung der Militärsteuern für die Jahre 1921 und 1922 zu 4 Tagen Gefängnis verurteilt worden.

'Diese Strafe hat ihm die Bundesversammlung in der Dezembevsession 1928 antragsgemäss bedingt erlassen (Bundcsblatt 1923. ÏIT, S. 140, Nr. 53 des I. Berichtes vom 2. November 1923).

Da Vontobel während der ihm von der Begnadigungäbehürde auferlegten Probezeit wegen schuldhafter Nichtentrichtung der Militärsteuer neuerdings gerichtlich verurteilt werden musste, erhebt sich heute die Frage, ob die bedingte Begnadigung zu widerrufen sei. In Betracht kommt eine Verurteilung zu einer Woche Gefängnis, erkannt am 3. Juli 1924 von der III. Kammer des Obergerichts des.

Kantons Zürich; der erstinstanzliche Entscheid, auf den die Appellationsbehördo Bezug nimmt, ergibt, dass es sieh um die Militär*teuer von Fr. 46. 50 für 1923 handelt. Die Verurteilung erfolgte in oberer Instanz, weil das Verhalten Vontobels beweise, dass er Steuern nicht bezahlen wolle; die polizeilichen Erhebungen seien nicht günstig. Vontobel werde s 1s arbeitsscheuer Mensch bezeichnet, der sich mehr mit Sport befasse und schlechte Gesellschaft aufsuche, als sich der Arbeit zu widmen.

793 Der Erste Staatsanwalt des Kantons Zürich und die kantonale Direktion der Justiz beantragen, die bedingte Begnadigung zu widerrufen.

Da die Bundesversammlung in der Dezembersession 1928 unter den besonders genannten Bedingungen ausdrücklich hervorgehoben hat, da ss Vontobel die Entrichtung der Militärsteuer nicht neuerdings schuldhaft unterlasse, und diese Bedingung nicht innegehalten wurde, stellen wir den Antrag, die dem Vontobel in der DezemberSession 1928 gewährte bedingte Begnadigung zu widerrufen.

63. Hans Neuenschwander, geb. 1898, gew. Briefträger, zurzeit in der Strafanstalt Witzwil (Bern).

(Bundesaktenfälscburjg, Amtspflichtverletzung und Unterschlagung.)

68. Hans N e u e n s c h w a n d e r ist am 11. Juni 1924 von der Assisenkammer des Obergerichts des Kantons Bern in Anwendung der Art.61,53, lit./, des Bunde&s,trafrechts in Verbindung mit kantonalrechthchen Strafbestimmungen zu 12% Monaten Zuchthaus und 2 Jahren Einstellung im Aktivbürgerrecht verurteilt worden.

Neuenschwander hat als Briefträger im Anfang dieses Jahres unter zwei Malen auf dem Empfangsschein von Einzahlungsscheinen Poststempel angebracht, die Unterschrift von Postbeamten gefälscht und die in Betracht kommenden Betrage von Fr. 470 und Fr. 2600 unterschlagen.

Neuenschwander ersucht, ihm einen Teil der Zuchthausstrafe zu erlassen. Hierzu wird in der von einem Bevollmächtigten am 29, September eingereichten Eingabe, unter Erörterung der Straftatbestände, ausgeführt, der sonst gut beleumdete Gesuchsteller habe auf die Entdeckung hin sofort ein umfassendes Geständnis abgelegt und den Schaden gedeckt. Wie in den Motiven der Assisonkaminer bemerkt werde, wäre ihm der bedingte Straferlass zuteil geworden, wenn sich die Gesamtstrafe als kantonalrechtliche hätte betrachten lassen. Neuenschwander habe bereits einen Teil der Freiheitsstrafe vorbüsst; der Strafzweck sei schon heute als erfüllt zu betrachten, indem eine längere Strafzeit nicht mehr viel verbessern könne Die Direktion der Strafanstalt Witzwil schreibt am 2. Oktober.

Neuenschwander, der sich seit dem 17. Juni 1924 in Witzwil befinde, habe bis anhin durch Betragen und Arbeitsleistungen befriedigt. Voraussichtlich werde ein Nachlass zu gegebener Zeit empfohlen werden können ; im jetzigen Zeitpunkt wäre dies verfrüht.

794

Die Polizeidirektion des Kantons Bein befürwortet f u r das letzte Drittel die bedingte Begnadigung. Entsprechend dem zwischen der Bundesanwaltschaft und der Polizeiabteilung stattgefundenen Meinungsaustaus wurde von einer Unterbrechung des Strafvollzuges abgesehen.

Wir b e a n t r a g e n , Neuenschwander das letzte Drittel dei Strafzeit bedingt zu erlassen unter Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren. In Zustimmung zur Direktion der Strafanstalt Witzwil und zur kantonalen Polizeidirektion erachten wir die Vollstreckung einer längeren Freiheitsstrafe als angezeigt; denn einerseit handelt es sich unbestrittenermassen um einen stellten, undanderseitsa wirdNeuenschwanderr ein gewisser Hang, sich gehen zu lassen,bzw.. ein gewisser Mangel an Widerstandskraft zugeschrieben, was eine fühlbare Massnahme rechtfertigt.

64. Gottfried Brun, geb. 1886, Landwirt, Besenburen (Aargau).

(Lebensmittelpolizei.)

61. Gottfried Brun ist am 20. August 1924 vom Bezirksgericht Muri in Anwendung von Art. 36 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenstande vom 8. Dezember 1905 zu 3 Tagen Gefängnis und Fr. 150 Busse verurteilt worden.

Die aus dem Betriebe Bruns gelieferte Milch wies am 26, April abbin einen "Wasserzusatz von 14,7 % auf Bern ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe; wie im Strafver-fahren räumt er hinsichtlich derMilchwasserungg lediglich ein,dassn ihm eine gewisse Fahrlässigkeit zur Last falle. Nach seiner Darstellung habe er vergessen, den unter dem etwas defekten Wasserbahnen stehen gebliebenen Milchkessel vor dem Melkennachzu prüfen; diedamals, vorhandene Augenkrankheit habe Demgegenüber stellen wir mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt, entsprechend der zurückhaltenden Begnadigungspraxis bei Milchfalschungen den A n t r a g , das Gesuch abzuweisen. Nachdem die Gerichtsmehrheit aus bestimmt genannten Erwägungsgründen zur richterlichen Überzeugung gelangt ist, dass eine vorsatzlich begangene Milchverfälschu vorliege, kann es nicht Sache des Begnadigunsverfahrens sein, die Schuldfrage anders zu würdigen.

795 65. Peter Marbacher geb. 1869, Landwirt, Hasle Luzern (Forstpolizei,) 65. Peter M a r b a c h e r ist am 10. Oktober 1922 vom Amtsgericht Entlebuch in Anwendung der Bundesratsbeschlüsse vom 23. Februar 1917 betreifend Überwachung dor Holznutzung in den privaten Nichtschutzwaldungen und vom 20. April 19-17 betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen zu Fr. 780 Busse verurteilt worden.

Die Gebrüder Marbach haben 78 Festmeter Holz in unbefugter Weise geschlagen; im Dezember 1920 musste der Holzschlag polizeitlich eingestellt werden.

Peter Marbacher, der in der Angelegenheit die Verantwortung übernommen hat, ersucht um Erlass der Busse. Nach der nicht selbst verfassten Eingabe soll Marbacher gutgläubig gehandelt haben, indem ihm der Holzschlag vomGemeinderatt bewilligt worden sei. Der Holzschlag habe keine nachteiligen Folgen gehabt. Bei den überaus · schwierigen Orts- undWegverhältnissenn sei ein Gewinn nichteinge-etreten. Marbacher habe zehn noch unerzogene Kinder; durch Unglück im Stall, Burgschaften und eine zu teuer erworbene Liegenschaft seien der Gesuchsteller und dessen Bruder i d i e i o Schulden geraten.

Mit dem Holzverkauf hätten sie d e R u i n i n vorbeugen wollen. Trotz einem im letzten Jahzustandegekommenenen Nachlassvertrag könne Marbachor seine Verhältnisse nicht ordnen: die Bezahlung der Busse sei ausgeschlossen. Angesichts, des guten Leumundes, der schwierigen Familienverhältnisse und der Wirtschaftskrisis erscheine die Begnadigung ohne weiteres als gerechtfertigt.

In den Akten befindet sich ein günstig lautendes Leumundszeugnis, ausgestellt vom Gemeinderat von Hasle.

Der Oberförster des Kantons Luzern äussert sich zu den Gesuchsanbringen in eingehender Weibe. Wir entnehmen seinem Bericht, dass der unrechtmässige Holzschlag allerdings in steilem und gefährliche Gebiet erfolgt ist, dass aber die Tatsache der Vornahme einer Waldausbeutung in derartigem Gelände die Übertretung angesichts der unabsehbaren Folgen noch erschwere; im übrigen werden den Gebrüdern Marbacher unsinnige Liegenschaftsspekulationen zugeschrieben, wobei jedoch der heutige Bestand ihrer Liegenschaften keineswegs derart sei, dass ärmliche Verhältnisse in Betracht kämen.

Das kantonale Staatswirtschafts und das Polizeidepartement bezeichnen die Gebrüder Marbacher als berufsmässige Forstfrevler, deren Begnadigung einer Aufmunterung zur Begehung weiterer Forstdelikte gleichkäme.

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Im Anschluss an diese Stellungnahmen beantragen wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, das Gesuch abzuweisen.

66. Karl Schneider, geb. 1887, Landwirt, Vielbringen (Bern), 67. Fritz Beyeler, geb. 1904, Knecht, Vielbringen (Bern), 68. Alexander Bovon, geb. 1891, Werkstättearbeiter, Aarburg (Aargau), 69. Albert Eeusser, geb. 1891, Bahnarbeiter. Kandergrand (Bern).

(Jagdpolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 190-1, zum Teil in Verbindung mit kantonalem Jagdrecht, sind verurteilt worden: 66 und 67. Karl Schneider und Fritz Beyeler, gemäss angenommenem Eventualurteil des Gerichtspräsidenten von Konolfingen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit. a, des Bundesgesetzes je zu Fr, 50 Busse.

Schneider lag' an einem Sonntag während geschlossener Zeit der Jagd ob, wobei ihm sein Knecht als Treiber diente ; Schneider schoss mit Erfolg auf Würger.

In dem gemeinsamen Gesuch um Erlass der Bussen wird geltend gemacht, Schneider habe die Schädlinge erlegt, ohne sich einer Gesetzesübertretung bewusst zu sein, er habe den Abschuss nament]ich deshalb als erlaubt erachtet, weil gewisse Gemeinden hierfür sogar Prämien bezahlten. Auch das allgemeine Verbot der SonntagBjagd sei ihm unbekannt gewesen. Für den nicht vorbestraften Mann sei es bitter, dieser Handlung wegen eine gerichtliche Strafe erleiden zu müssen. Beyeler wird als junger Bursche bezeichnet, der seinem Meister gutgläubig behilflich gewesen sei.

Der Gemeinderat von Worb empfiehlt das Gesuch bestens, wogegen die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern und ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung beantragen. Die Gesuchsanbringen entsprächen dem Inhalt der Strafanzeige nicht, ferner habe der Bichter bereits die Mindest busse gesprochen.

Wir b e a n t r a g e n aus denselben Gründen, das Gesuch Schneiders abzuweisen. Bei Beyeler, den deshalb eine geringere Verantwortung trifft, weil er lediglich als Knecht seinem Meister behilflich gewesen ist, stellen wir den A n t r a g , die Busse bis zu Fr. 20 zu ermässigen.

797 68. Alexander Bö von, verurteilt am 18. April 1921 vom Amtsgericht Olten-Gösgen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, und 18 des Bundesgesetzes zu Fr. 40 Busse und Konfiskation des Flobertgewehres.

Bovon hat im März 1921 an einem Sonntag mit einem Fiebert ein Eichhörnchen abgeschossen.

Bovon ersucht um Erlass der Busse. Hierzu macht er geltend, sein Gesuch sei die Wiederholung einer bereits im Jahre 1921, im Anschluss an die Verurteilung, bei den kantonalen Behörden anhängig gemachten Eingabe, die zu keiner Erledigung geführt habe. Bei seinen bedrängten Verhältnissen sei der ausstehende Gesamtbetrag, der unter Zurechnung der Kosten Fr. 56 ausmache, eine übermässige Belastung.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Herabsetzung der Busse bis Fr. 10.

Nach den Urteilserwiigungen handelt es sich um einen geringfügigen Vorfall, auch kann berücksichtigt werden, dass die Jagdübertretung und der ohne Zutun des Gesuchstellers unerledigte Straf·vollzug einen mehr als dreieinhalb Jahre zurückliegenden Vorfall hetreffen. Bovon, der heute in einem andern Kanton wohnhaft ist, hat sich seither eine weitere Gesetzesübertretung nicht zuschulden kommen lassen, ferner lebt er in bescheidenen Verhältnissen.

Wir b e a n t r a g e n mit den Vorinstanzen Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 10.

69. Albert Reusser, verurteilt am 9. September 1924 vom Gerichtspräsidenten von Frutigen in Anwendung der Art. 7, 15 und 21, Ziffer 3, lit, d, des Bundesgesetzes zu Fr. 100 Busse.

Eeusser hat sich vor etwa zweieinhalb Jahren beim Stationsgebäude Kandergrund, wo er als Bahnangestellter Nachtdienst hatte, mit einer Flinte versehen und in der Folge geschossen. Der abgegebene Schuss sollte einem Fuchs gelten, in Wirklichkeit erschoss Reussor jedoch eine Katze. Wegen Jagens in Banngebiet verurteilte ihn der Richter hernach zur Mindestbusse von Fr. 100.

Eeusser ersucht um Erlass der Busse. Der harmlose Vorfall sei darauf zurückzuführen, dass der Stationsvorstand, dem ein Fuchs Hühner geraubt habe, ihn ersucht hätte, während des Nachtdienstes jeweils auf den Hühnerhof zu achten, wozu er ihm die Flinte ausgehändigt habe.

Der urteilende Richter erachtet die Mindestbusse von Fr. 100, wie sich aus den Urteilserwägungen ergibt, nach den Umständen des

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Falles als zu hoch, so dass eine teilweise Begnadigung, d. h. Herabsetzung der Busse um etwa einen Viertel, gerechtfertigt sein dürfte.

Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürwortet desgleichen eine Ermässigung. Die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und.

Fischerei beantragen Herabsetzung bis zu Fr. 40.

Wir b e a n t r a g e n lediglich Herabsetzung bis zu Fr. 60, in Eiwägung, das? die Schutzbehauptung Reussers einen eigentlichen Auftrag zum Abschieben von Füchsen gehabt zu haben, mit seiner Aussage in der Hauptverhandlung und mit den richterlichen Feststellungen nicht übereinstimmt, wozu noch kommt, dass das bewaffnete Herumpirschen eines Bahnangestellten wählend dei Dienstzeit etwas eigentümlich berührt.

7 0 . Erwin Saam, geb. 1893, Fabrikarbeiter, Steffisburg 70. Erwin Saam ist vom Gerichtspräsidenten von Thu verurteilt worden : a. am 29. November 1922 gestützt auf Ari. 38, Ziffer 3, des Bundesartsbeschlusse vom 29. Oktober 1919/8. März 1922 betreffend Arbeits-losenunterstützung zu 8 Tagen Gefängnis; &. am 13. Dezember 1922 gestützt auf das Bundesgesetz vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz zu 5 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Wirtshaus verbot.

Zu a; Saam hat infolge Verschweigens des Verdienstes seiner Frau in den Jahren 1921 und anfangs 1922 an Arbeitslosenuntorstützung Fr. 1280 zu viel bezogen.

Zu b. Saarn hat den Militärpflichtersatz für das Jahr 1922 schuldhafterweise nicht entrichtet.

Saam ersucht um Erlass der Freiheitsstrafen. In der \ on eimen Bevollmächtigten eingereichten Eingabe wird, was die Strafe vom 29. November 1922 anbetrifft, der Standpunkt vertreten, es lasse den Fall in einein mildern Lichte erscheinen, das? das Arbeitsamt Steffisburg seinerseits die Unterstützung ausbezahlt habe, ohne sich nach den unklaren Angaben des Saam über d e n Verdienst d e r Arbeitszeugnis verwiesen, ausgestellt am 19. Februar 1921 von den

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Schweizerischen Metallwerken Selve und Co., Thun. Saam habe sich seit der Verurteilung durchaus gut gehalten. Das Strafurteil habe seinen Zweck erreicht, indem damit das nach Ansicht des Gerichtes begangene Unrecht dokumentiert sei; es rechtfertige sich deshalb, den Vollzug nicht zu überspannen. Hinsichtlich der Militärsteuersache wird mitgeteilt, dass Saain nunmehr die Steuerbetrage beglichen und auch die Steuer für 1928 bereits bezahlt habe. Schliesslich wird allgemein gesagt, die Ver bussung der beiden Strafen sei geeignet, die Familie Saain zugrunde zu richten.

Der Gemeinderat von Steffisburg empfiehlt das Gesuch, mit sechs gegen vier Stimmen, zur Berücksichtigung, und auch der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürwortet die Eingabe. Das kantonale Arbeitsamt erklärt sich mit dem Erlass der Freiheitsstrafen einverstanden, sofern Saam d i e F r . 1280, z u deren Die Polizeidirektion des Kantons, Bern beantragt in Stellungnahmen vom 26. April und 11. September, die Freiheitsstrafen von 8 bis zu 4, bzw. von 5 bis zu 2 Tagen zuermässigen. Zwei Schreiben des kantonalen Arbeitsamtes betreffen den gutgeheissenen Abzahlungsplan.

Wir b e a n t r a g e n hinsichtlich beider Strafen Abweisung. Nach den Akten ergibt sich ohne weiteres, dass der vorliegende Fall von Unterstützungsbetrug schwerwiegender Art ist; wir halten dafür, von den bis anbin der Bundesversammlung als Begnadigungsbehörde unterbreiteten, ähnlich gearteten Angelegenheiten sei für den jeweiligen Gesuchsteller keine derart unvorteilhaft beschaffen gewesen wie die heutige. Die Bundesversammlung hat in der Sommersession 1924 das Gesuch des Eduard Stucki betreffend 10 Tage Gefängnis, antragsgernäss abgewiesen (Bundesblatt 1924, III, S. 288/89, Nr. 70 des I. Berichtes vom 18. Mai 1924). Auch heute handelt es sich um einen nicht gut beleumdeten Gesuchsteller, der in kinderloser Ehe lebt, wozu, anders als bei Stucki, einerseits noch kommt, dass Saam im besten Mannesalter steht und anderseits, dass die zu Unrecht bezogenen Summen die bisher zur Erörterung stehenden Beträge weit übersteigen. Eine Begnadigung wäre hier unseres Erachtens eine verfehlte Massnahme Was die schuldhafte Nichtentrichtung der Militärsteuer anbetrifft, so hat Saam die Steuer trotz damals ständigem Verdienst nicht ordnungsgemäss beglichen, zudem ist er der Hauptverhandlung unentschuldigt fern geblieben; im übrigen beziehen wir uns auf die Urteilserwägungen.

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71. Albert Keller, geb. 1802, Kaufmann, Frauenfeld (Thurgau).

(Militarpflichtersatz.)

71. Albert Keller ist am 26.März 1924 von der Bezirksgerichtskommission Weinfelden in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über don Militärpflichtersatz in contumaciam zu 6 Tagen Gefängnis verurteilt worden, die Militärsteuern von Fr. 219 für die Jahre 1920/22 betreffend.

Keller ersucht mit Eingaben vom 22. und 26. September um Erlass der Strafe. Von 1912 bis 1919, ebenso von 1920 bis Mitte 1924 sei er im Ausland gewesen. Bis 1920 habe er seine militärischen Pflichten entweder durch Bezahlung der Steuern oder durch Leistung von Aktivdienst erfüllt ; die Steuern seien regelmassig durch Vermittlung seines Vaters beglichen worden. Seit dessen im Jahre 1921 erfolgten Tod habe eine Bezahlung nicht mehr stattgefunden, jedoch ohne dass die Nichtzahlung auf Absicht und Böswilligkeit zurückzuführen wäre.

Man hätto die Bezahlung der Steuern bei seiner Mutter in Frauenfeld erlangen können. Von der Verurteilung habe er erstmals im Mai dieses Jahres in Bombay Kenntnis erhalten; nach seiner Rückkehr sei es sein Bestreben gewesen, die Angelegenheit sofort zu ordnen.

Angesichts der inzwischen erfolgten Begleichung der Steuerschuld möge man ihm in Berücksichtigung Reines Auslandaufenthaltes die Freiheitsstrafe erlassen.

Das Kreiskommando 31 des Kantons Thurgaa hat gegen eine Begnadigung nichts einzuwenden; das kantonale Justizdepartoment empfiehlt, dem Gesuchsteller gegenüber Nachsicht walten zu lassen.

Die Überprüfung der Strafakten ergibt, dass ein Kontumazverfahren stattgefunden hat, und dass der Beschuldigte infolge Landcsabwesenheit der Verurteilung vorgängig nicht einvernommen werden konnte; eine gerichtliche Wiederaufnahme des Verfahrens soll laut Gesuchsanbringen nicht möglich sein. Bei dieser Eechtslage und weil es sich um einen Mitbürger handelt, der nahezu zwölf Jahre in der Fremde gewesen ist, erachten wir es im Hinblick auf die vorgenommene Eegelung der Angelegenheit als zulässig, die teilweise Begnadigung hier nicht bloss in Form einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe zu gewahren, weshalb wir weitergehend b e a n t r a g e n , Keller die Gefängnisstrafe unter Auterlegung einer Probezeit von 2 Jahren bedingt zu erlassen, unter Hervorhebung der Bedingung, dass er während dieser Zeit kein vorsatzliches Vergehen verübe und auch nicht neuerdings die Entrichtung der Militärsteuer schuldhaft unterlasse.

801 72. Friedrich Wiedersheim, geb. 1886, Kaufmann, Kreuzungen (Thurgau), 73. Alfred Obi, geb. 1877, Händler, 8t. Margrethen (St. Gallen).

(Übertretung des Pulverregals und Zollgesetzes.)

In Anwendung des Bundeegesetzes über das Pulverregal vom aO. April 1849, bzw. des Zollgesetzes vom 28. Juni 1898 und zudienender Erlasse sind bestraft worden: 72. Friedrich Wiedersheim, wie folgt gebüsst: a. von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung solidarisch mit andern zu einer Busse von Fr. 10,020 unter Nachlass eines Drittels, so dass an gemeinsamer Busse verbleiben Fr. 6680; 6. vom eidgenössischen Zolldepartement solidarisch mit andern zu einer Busse im Betrage von Fr. 1046. 75, unter Nachlass eines Drittels, so dass an gemeinsamer Busse verbleiben Fr. 697. 50.

Die Angelegenheit Wiodersheim, einen Munitionsschmuggel betreffend, ist der Bundesversammlung bereits anlässlich eines ersten von Wiedergheim eingereichten Begnadigungsgesuches unterbreitet worden. In der Junisession 1928 beschloss die Bundesversammlung ·antragsgemäss Abweisung z u r z e i t (Bundesblatt 1923, II, S. 168 ff., Nr. 79 des II. Berichtes vom 15. Mai 1928).

Wiedersheim hat an die beiden Bussen inzwischen Beträge von Fr. 2500 und Fr. 550 entrichtet. Sowohl die Zoll- wie die Kriegsmaterialverwaltung befürworten heute den Erlass der Eestbusse von Fr. 4327. 50.

Da mit den Vernehmlassungen der Fiskalverwaltungen davon ausgegangen werden kann, dass Wiedersheim bemüht gewesen ist.

nach Möglichkeit zu zahlen, stellen wir im Hinblick auf seine misslichen Verhältnisse den A n t r a g , die Eestbusse zu erlassen.

73. Alfred Obi, wie folgt gebüsst: a. von der eidgenössischen Kriegsmaterialverwal,tung am 20. Dezember 1922 zu Fr. 1687. 50 Busse; b. vom eidgenössischen Zolldepartement am 27. Dezember 1922 zu Fr. 687. 80 Busse.

Obi war im Jahre 1922 an einem komplottmässigen Mumtionsschmuggel beteiligt, wobei unbefugterweise 50,000 Flobertpatronen eingeführt wurden.

Obi ersucht um Erlass der Strafen und verweist hierzu auf seine misslichen Verhältnisse und die vorhandenen Familienlasten; seine Verdienstmöglichkeit sei heute namentlich doshalb beeinträchtigt, weil er infolge Unfalls an einem Auge nahezu erblindet sei.

802 Die Zoll- und die Kriegsmaterialverwaltung erklären sich, unter Zubilligung von Ratenzahlungen, mit einer Ermässigung der Bussen bis zu einem Drittel einverstanden.

Da die Gesuchsanbringe den Tatsachen entsprechen, ist ein weitgehendes Entgegenkommen aus Kommiserationsgründe zulässig.. Die ganzlich Begnadigung fällt dagegen nicht in Betracht, namentlich auch deshalb nicht, weil Obi wegen Einfuhrschmuggels vorbestraft ist; hierin beziehen wir uns auf die frühere Begnadigungs-angelegenheit, bzw. den damaligen Abweisungsantrag und die von der Bundesversammlung gewährte teilweise Begnadigung (Bundesblatt 1922, III, S. 740ff, Nr. 128 des II. Berichtes vom 22. November 1922).

Wir beant gen Herabsetzung der beiden Bussen bis zu Fr. 400,.

d. h. der Zollbusse bis zu Fr. 100, der Busse wegen Übertretung des Pulverregals bis zu Fr. 300. Dabei sollte es angesichts der Vorstrafe sein Bewenden haben, und zwar auch für don Fall, dass mit der Anordnung von Umwandlungshaf gerechnet werden musste 74. Hermann Mäder, geh, 1897, Mechaniker, zurzeit in Bellinzona (Tessin).

(Übertretung des Zoll- und Alkoholgesetzes.)

74. Hermann M ä d e r ist mit Entscheiden des eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes vom 3. und 7. Mai 1928 wegen fortgesetzten Einfuhrschmuggels mit Bussen von Fr. 959. 75, Fr. 278. 79 und Fr. 53.28 bestraft worden. Die Angelegenheit ist der Bundesversammlung bereitsanlässlichh eines ersten Begnadigungsgesuches zu Kenntnis gelangt; der Bundesrat beantragte damals Abweisung, und die Bundesversammlunbeschloss&s in der Wintersession 1923, nach Antrag deBegnadigungskommission,n, Abweisunzurzeitif (m vgl. Nr. 85 des IIBerichtese« vom 16. November 1923, Bundesblatt 1923, III, S. 246/247)Inzwischenen hat der Steigerungserlöfürir die beschlagnahmten Waren Fr. 819 ergeben, ferner brachte Mäder im Woge voRatenzahlungenen Fr, 280 auf, so dass heute noch Fr. 242. 32 ausstehen. Mäder stellt nunmehr das Gesuch, ihm angesichts seiner misslichen Lage und der weiterbestehendenfamilienrechtlichenen Unterstützungspflichten die Restschuld zu erlassen.

Nach Anhörung der Zollverwaltung b e a n t r a g e n wir den Erlass der Fr. 242.30, in Erwägung, dass die Bundesversammlung mit ihrem früheren Entscheid, Mäder lediglich zurzeit ganzlich abzuweisen, bereits eine teilweise Begnadigung in Aussicht genommen hat und diese heute gewährt werden kanu.

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75. Charles Woehrel geb. 1887, Kaufmarin, 76. Karl Hitzler, geb. 189G, Kaufmann, beide zurzeit in Zürich, in Umwandlungshaft.

(Einfuhrschmuggel.)

75 und 76. Charles Woehrel und Karl H i t z l e r sind vom eidgenössischen Zolldepartement am 25. September 1024 in Anwendung des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 28. Juni 1898 je mit Fr. 2489 gebüsst worden.

Hitzler hat Ende Augast, in Begleitung eines Mechanikers, von einer badischen Grenzortschaft aus ein Automobil in die Schweiz eingeschmuggelt. Woehrel kommt als Anstifter in Betracht; der Wagen gehört einer in die Angelegenheit mitverwickelten Frauenperson.

Woehrel und Hitzler ersuchen vom Gefängnis aus um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Bestrafen. Woehrel, der die Busse seit dem 6. September im Wege der Umwandlungshaft tilgt, schreibt, seine Verwandtschaft wäre allenfalls bereit, für die Bestsumme Kaution zu leisten. Er habe für sechs unmundige Kinder zu sorgen und sei in Geldnot Hitzler macht in ähnlicher Weise geltend, die Busse nicht aufbringen zu können; die Haft habe ihn bereits schwer mitgenommen. Er stehe vor einer Existenzkrisis da er infolge der Inhaftierung seiner Stellung als Vertreter in Tabakwaren verlustig gehe. Das Zollvergehen habe er zum Teil in Unwissenheit begangen und ohne einen materiellen Vorteil zu erstreben.

Dem gegenüber b e a n t r a g e n wir ohne weiteres Abweisung, bzw. bei Woehrel, dessen Gesuch un Zeitpunkt der Behandlung durch die Bundesversammlung infolge Strafvollzuges gegenstandslos sein wird, Nichteintreten. In Zustimmung zu den Darlegungen der Zollverwaltung und den gestellten Abweisungsanträgen halten wir dafür, dass keine besondere Veranlassung besteht, den beiden Auslandern im Begnadigungswege entgegenzukommen. Von vornherein könnte es sieh lediglich um die Frage einer gewissen Ermässigung der Bussen handeln ; die verbleibenden Beträge müssten aber angesichts dus planmässig ausgeführten Schmuggels, der nach Ausführung und Schmuggelobjekt einen schweren Fall darstellt, immer noch so bemessen werden, dass ihre Umrechnung an der Umwandlungshaft von drei Monaton nichts ändern könnte. Beide Gesuchsteller sind, auch abgesehen von dem vorliegenden Schmuggelfall, Leute, die vom Gesichtspunkte des Begnadigungsweges kein besonderes Interesse erwecken; hierfür beziehen wir uns auf die pingehenden Berichte der Zollbehörden. Unter diesen Umständen erscheint die Verbussu der Umwandlungsstrafen als die zweckmassigste Massnahme.

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77. Oskar Alge, geb. 1886, Stickfergger, Lustenau (Vorarlberg), 78. Jobannes Berressem, geb. 1879. Kaufmann, Konstanz (Baden), 79. Karl Frei, geb. 1887, gew. Fuhrhalter, Schellenberg (Liechtenstein), 80. Karl Waiser, geb. 1873, Mechaniker, 81. Hermine Waiser, Ehefrau des Karl, beide in Schaan (Liechtenstein), 82. Johanna Troxler-Brüstle, geb. 1868, Händlerin, Zürich(Ausfuhrschmuggel.)

Gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot vom 80. Juni 1917 oder 12. April 1918 wurden verurteilt: 77. Oskar Alge, in den Jahren 1917--192] wiederholt verurteilt, und zwar in einem Fall vom Divisionsgericht 6 a, in einem andern vom Bezirksgericht Unterrheintal, in zwei weitern von dor Oberzolldirektion. Die beiden in Betracht kommenden Freiheitsstrafen von 18 und 6 Monaten sind heute verjährt; die mehreren Bussen sind m der Hauptsache durch Verwertung einer Hinterlage beglichen worden, oder, gleich einem grössern Wertersatzanteil, ebenfalls verjährt. Den Berichten der Zollverwaltung entnehmen wir, dass vom Standpunkt des bürgerlichen Strafvollzugs, und mithin auch des Begnadigungsweges, einzig noch eine Busse von Fr. 2000 zur Erörterung steht, erkannt durch Strafverfolgung der Oberzolldirektion vom 11. Mai 1921 wegen eines Garnschmuggels. Die militärgerichtlich ausgesprochene, lebenslängliche Landesverweisung berührt das vorhegende Begnadigungsvetfahren nicht.

In der für Alge von einem Bevollmächtigten verfassten Eingabe wird auf diese Busse und ausserdem auf die verjährte Freiheitsstrafe von 6 Monaten, sowie den verjährten Wertersatzanteil Bezug genommen und ersucht, die Freiheitsstrafe in Busse umzuwandeln und den entstehenden Gesamtbetrag von Busse und Wertersatz zu ermässigen. Hierzu wird namentlich angebracht, Alge seien aus dem Schmuggel, den er in den Kriegsjahren lediglich aus patriotischen Beweggründen betrieben habe, nur Nachteile erwachse», namentlich habe er seine Ersparnisse völlig eingebusst. Als Inhaber eines Ferggereigeschäftes treffe ihn dag Verbot des Grenzübertrittes heute be sonders schwer.

Dem gegenüber beziehen wir uns auf die Vernehmlassungen der Zollverwaltung und b e a n t r a g e n , soweit auf das Gesuch überhaupt einzutreten ist, ohne weiteres Abweisung. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der vorhandenen Strafen, wozu noch kommt, dass sich

805 Alge bis anhin den Strafvollzugsbehörden nicht gestellt hat, eine Begnadigung Alges ernstlich nicht in Betracht kommen kann.

78. Johannes Berressem, verurteilt am 17. Februar 1920 vom Obergericht des Kantons Thurgau zu 5 Monaten Gefängnis, Fr. 2000 Busse und Landesverweisung auf die Dauer von 5 Jahren, die Organisation eines komplottmässigen TJhruiischmuggels betreffend.

Berressem ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe sowie der Landesverweisung und erklärt sich, unter dieser Voraussetzung, bereit, wenigstens einen Teil der Busse zu begleichen.

Da sich Berressem bis heute den Strafvollzugsbehörden entzogen hat, b e a n t r a g e n wir ohne weiteres Abweisung und sehen übungsgemass davon ab, in Einzelheiten einzutreten.

79. Karl Frei, in den Jahren 1918--1920 in 4 Fällen verurteilt.

Von den ergangenen Strafen kommen noch in Betracht: a. Fr. 1000 Busse, bzw. 3 Monate Umwandlungshaft und Fr. 762 Wertersatz erkannt am 4. Oktober 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau; b. Fr. 500 Busse, bsrw. 50 Tage Umwandlungshaft gemäss Verfügung der Zollverwaltung vom 14. Oktober 1920; c. 4 Monate Gefängnis, erkannt am 26. Februar 1920 vom Obergericht des Kantons Thurgau.

Frei ersucht um Ermässigung der Busse von Fr. 1000 und des Wertersatzes von ca. Fr. 700, die seiner Meinung nach einzig ausstehen; für den Fall einer teihveisen Begnadigung sichert er eine Zahlung von Fr. 500 zu.

Wir b e a n t r a g e n auch liier ohne weiteres Abweisung, einerseits unter Hinweis auf die viermalige Verurteilung, anderseits weil sich Frei dem Strafvollzug durch die Flucht ins Ausland entzogen hat. Nach den Berichten der Zollbehörden betrieb Frei in den Jahren der Kriegswirtschaft die Vermittlung von Schmuggelware gewerbsmässig; er mag die im Jahre 1925 eintretende Verjährung im Ausland abwarten.

80 und 81. Karl und Hermine Waiser, verurteilt am 4. Oktober 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau: Karl Waiser zu l Jahr Gefängnis und Fr. 10,000 Busse, Hermine Waiser zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 5000 Busse, beide überdies zu beträchtlichem Wertersatz und 4 Jahren Landesverweisung. Die beim Bundesgericht eingereichte Kassationsbeschwerd& wurde am 12. Februar 1920 abgewiesen.

Die Eheleute Waiser ersuchen «um beförderliche Amriestierung mit Erlass aller weitern Verfolgung der Angelegenheit». Die Verwertung eines Inhabertitels von Fr. 20,000, lautend auf eine Liegen-

806 schaft in Zürich, habe der Zollverwaltung an die Bussen Fr. 10,000 eingetragen. Den Gesuchstellern, die heute in Schaan wohnhaft seien, falle dieUngeheuerlichkeit» der Aussperrung auf, der Schweiz infolge des Anschlusses von Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet ausserst schwer, ebenso die verbleibenden Geldstrafen.

Zu dieser Eingabe, die wir als Begnadigungsgesuch behandeln, bemerken wir auch hier im wesentlichen, dass, die Eheleute Waiser sich dem Strafvollzug durch die Flucht ins Ausland entzogen haben.

Sie betrieben in den Jahren der Kriegswirtschaft als Ausländer von Zürich aus eine rege Schmuggeltätigkeit, wie es die tatbcständlichen Ergebnisse im bundesgerichtlichen Entscheid naher dartun und sich auch den vorhandenen Strafen entnehmen lässt. Wir b e a n t r a g e n ohne weiteres Abweisung, in der Meinung, dass die Gesuchsteller dio im Jahre 1925 eintretende Verjährung im Ausland abwarten sollen.

82. Johanna Troxler verurteilt am 26. Oktober 1920 vom Obergericht des Kantons Thurgau zu 4 Monaten Gefängnis, abzüglich 2 Monate Sicherheitshaft, und Fr. 4000 Busse.

Ein erstes Begnadigungsgesuch der Frau Troxler hat die Bundesversammlung in der Sommersession 1921 antragsgemäß abgewiesen, i erner ist sie auf ein zweites Gesuch in der Sommersession 1922 antragt gemäss nicht eingetreten. Die Angelegenheit Troxler wurde der Begnadigungsbehörde damals in ausführlichen Berichten zu Kenntnis gebracht (Nr. 77 des II. Berichtes vom 18. Mai 1921, Bundesblatt 1921, III, S.186 und Nr.50 des I. Berichtes vom 9. Mai 1922, Bundesblatt 1922, II, S. 126). Nach Verbüssung der Freiheitsstrafe und der ratenweisen Entrichtung von Fr. 1700 wird heute um Erlass der verbleibenden Fr. 2300 nachgesucht und hierzu in der von einem Bevollmächtigten verfassten Eingabe namentlich geltend gemacht, der vermögenslosen Gesuchstellerin drohe d i e Anordnung v o n damaligen Beteiligung bei Schmuggelfällen eines unbescholtenen Verhaltens befleissigt habe, möge man dieRestbussee ausKommisera-tionsgründen erlassen.

In den Akten befinden sich ausführliche Vernehmassungen der Zollbehörden, ferner sind, veranlasst durch die Bundesanwalt schaft, vom Polizeikommando des Kantons Zürich eingehende polizeiliche Erhebungen angeordnet worden.

Die Direktion des II. Zollkreises und die Oberzolldirektion stellen Abweisungsanträge. Der
Bericht der Zürcher Polizei lautet in hohem Masse ungunstig.

Wir b e a n t r a g e n Abweisung und stellen hierbei in-den Vordgrund, dass sich die d r i t t e Gesuchseinreichung in derselben Sache unseres Erachtens als gröblicher Trölereiversu erweist, um der Ein-

807

treibung der Bestbusse, bzw. der Anordnung von Umwandlungshaft aus angeblichen Kommiserationsgründe schliesslich doch noch zu entgehen. Bei dem schlechten Leumund der Familie Troxler die, wie bereits früher betont wurde, in der Betätigung des Schmuggels und auch in ihrem anderweitigen Geschäftsgebaren stets einhellig vorgegangen ist, erachten wir die einzelnen Familienglieder als einer Begnadigung unwürdig. Pur Einzelheiten beziehen wir uns auf die bereits erwähnten Vernehmlassungen sowie die polizeilichen Erhebungen und bemerken lediglich noch, dass ärmliche Verhältnisse keineswegs nachgewiesen sind.

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Isaa Guggenheim geb. 1875, Reisender, Zürich, August Anthonioz geb. 1883, Eeisender, Genf, Emil Schaller, geb. 1891, Kaufmann, Genf, Emil Osterwalder, geb. 1884, Kaufmann, Zürich, Konrad Krebs, geb. 1854, gew. Kaufmann, Biel, Konrad Krebs, geb. 1892, Kaufmann, Biel, (Kriegswucher usw.)

Wegen Übertretung der Noterlasse gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen sind verurteilt worden: 83. Isaak Guggenheim verurteilt am 21. Juni 1921 vom Bezirksgericht Zürich, J. Abteilung, zu Fr. COOO Busse.

Guggenheim hat sich in den Jahren 1915 und 1916 in beträchtlichem Umfange mit Schiebergeschäften befasst indem er für eine in der Folge ebenfalls bestrafte Firma den Zusammenkau von Waren aller Art besorgte, wobei die Waren hauptsächlich aus dem Migrosund Detailhandel gezogen und dem Export zugeführt wurden.

Für Guggenheim, der an die Busse Fr. 2200 abbezahlt bat, wird um Erl ss der Restbusse ersucht. Der Verfasser der Eingabe macht im wesentlichen geltend, es liege ihm fern, an dorn zur Erörterung stehenden Urteil Kritik zu üben, dagegen setze er voraus, das? man die Handlungen, welche die .Erlasse gegen den Kriegswucher mit schwerer Strafe belegt hätten, heute milder würdige, insbesondere wenn ein Gesuchsteller in Betracht komme, der, wie Guggenheim, infolge des geleisteten Aktivdienstes seine Anstellung verloren und die ihm angebotene Tätigkeit angenommen habe, um für seine Familie sorgen zu können. Bereits im Urteil werde festgestellt, dass Guggenheim kein Vermögen habe und seit längerer Zeit im Konkurse sei; unter diesen Umstanden belaste ihn die Busse von Fr. 6000, deren gänzliche Begleichung unmöglich sei, besonders schwer, namentlich Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. III.

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weil ihm heute die Umwandlungshaft drohe. Guggenheim äussert sich in einem persönlichen Bericht sowohl zum Straffall wie über BeineVerhältnisse.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die kantonale Direktion der Justiz beantragen Abweisung. Der Erste Staatsamvalfr widerlegt die von Guggenheim in seinem Bericht aufgestellte Behauptung, er habe in den einschlägigen Geschäften nichts Unrechtes erblickt, und betont die Bedeutung des in Betracht kommenden Kriegswucherfalles, der eine Begnadigung als wenig angebracht bezeichnen lasse, wozu noch komme, dass die polizeilichen Erhebungen vom 8. Juli 1924 über die Lebensführung des Gesuch stollers den Gesuchsanbringen widersprächen.

In den Akten befindet sich weiterhin ein günstig lautende» Arbeitgzeugnis vom 7. Juli 1924 und ein ergänzender Polizeibericht vom 19. Juli.

Unserseits inachen wir zunächst geltend, dass aus den in der Hauptsache bereits von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hervorgehobenen Gründen jedenfalls der gänzliche Erlass der verbleibenden Fr. 8800 abzulehnen ist. Der Abweisungsantrag könnte im übrigen auch damit begründet werden, dass Gnggenheim 'ich mit der erkannten Busse um so eher abfinden sollte, als ähnlich geartete Straffälle vielfach zum Aussprache von Freiheitsstrafengeführt hätten. Ferner kommt dem Gesuchsteller heute bereits das Umwandlungsgesetz zugute, wonach die Umwandlungsstrafe statt ein Jahr nur noch drei Monate betragen wurde. Wenn wir trotzdem einer gewissen Herabsetzung der Busse das Wort reden, so geschieht dies in Berücksichtigung des der kantonalen Staatsanwaltschaft noch nicht unterbreitet gewesenen, neueren Arbeitszeugnisses und ebenso des ergänzenden Polizoiberichtes vom 19. Juli.

Danach verdient Guggenheim auch heute knapp den Unterhalt für seine Familie; dass er im Jahre 1921 Konkursit und vermögenslos, war, besagt schon das gerichtliche Urteil. Bei diesen Verhältnissen verdienen die vorgenommenen Ratenzahlungen eine gewisse Beachtung, desgleichen die Erwägung, dass angesichts der nahezu zehn Jahre zurückliegenden Verfehlungen der Anordnung von Umwandlungshaft eine besondere Schärfe zukommen müsste. Die Zubilligungder teilweisen Begnadigung mag Guggenheim zum Ansporn dienen, die Angelegenheit hernach im Wege von Batenzahlungen endgültig zu bereinigen. Wir beantragen Herabsetzung der Busse um
Fr. 2000, so dass Guggenheim noch Fr. 1800 aufzubringen hat.

84. August A n t h o n i o z , verurteilt am 22. Dezember 1921 vom.

Gerichtspräsidenten IV von Bern zu Fr 800 Busse.

809 Anthonioz war in einem Kriegswucherfall zu beurteilen, dor 50 Beschuldigte aufwies; in Betracht kommen gewaltige Kaffeeausammenkäufe einer inländischen Firma aus dem Jahre 1918, wobei eine Eeihe von Beauftragten als Aufkäufer handelten. Anthonioz hat als Aufkäufer Kaffee zu ubermässigen Preisen erstanden und ebenso weiterverkauft. Sein Gewinn machte mindestens Fr. 2000 aus; für das Strafmass fiel erschwerend in Betracht, dass er verschleierte Fakturen ausgestellt, unrichtige Preise eingesetzt und in Wirklichkeit nicht zugestandene Eabattbeträge fingiert hatte, um seine Bandlungsweise zu verdecken.

Anthonioz ersucht um Erlass der Fr. 800. Im Verlauft1 der Geschäftskrisis sei er in Konkurs geraten und habe sich seither keine gesicherte Stellung erringen können. Als Familienvater müsse er für drei unerwachsene Kinder sorgen. Die drohende Umwandlungsstrafe würde die Verhältnisse nur verschlimmern.

In den Akten befindet sich ein Polizeibericht, der die Gesuchsanbringen in der Hauptsache bestätigt; gegen Anthonioz spricht, dass er als häutiger Wirtshausganger bezeichnet wird, der sich als Geldspieler bemerkbar mache.

Die Angelegenheit hat im Verlaufe dieses Jahres das Justizund Polizeidepartement (Polizeiabtoilung) bereits auf Grund der Oberaufsicht im Strafvollzugsweson beschäftigt, indem die bernischen Vollzugsbehörden sieh an die Polizeiabteilung wandten, um vom Kanton Genf letzten Endes durch Vermittlung der Bundesbehörden die Eechtshilfe zu erlangen, die bundesrechtlich zur Sicherung der Urteilsvollstreckung, mithin auch des Vollzuges von Umwandlungshaft, vorgeschrieben ist. Im Anschluss an das Eingreifen der Polizeiabteilung erfolgte die Einreichung des Begnadigungsgesuches, was Anlass gab, mit weiteren Massnabmen bis zum Entscheid der Begnadigungsbehörde zuzuwarten.

Unseres Eracbtens ist es nach dem Stande der Angelegenheit notwendig, dasg sie so oder anders einer raschen Erledigung zugeführt werde. Die gänzliche Begnadigung lehnen wir ab; nachdem Anthonioz sich seit Ende 1921 zu keinerlei Batenzahlungen herbeigelassen hat, kann es nicht Sache der Bundesversammlung sein, dem vorhandenen, äusserst saumseligen Verhalten mit der gänzlichen Begnadigung ein Ende zu machen, das den Gesuchsteller gänzlich unbeschwert lässt. Dagegen möchten wir aus Konimiserationsgründen in Betracht ziehen, dass
die Umwandlungshaft von 80 Tagen die Familie des Gesuchstellers schwer beeinträchtigen dürfte, weshalb wir b e a n t r a g e n , Anthonioz eine teilweise Begnadigung derart zuzubilligen, dass die nicht länger hinauszuschiebende Unrwandlungsstrafe auf einen Monat beschränkt wird. Die Anordnung des Voll-

810 zuges ist der Polizeiabteilung, im Einvernehmen mit den beteiligten Kantonsbehörden, anheimzustellen 85. Emil Schallor, verurteilt am 22. Dezember 1921 vom Gerichtspräsidenten von Bern zu Fr. 500 Busse.

Schaller war in derselben Angelegenheit zu beurteilen wie Antho nioz Er vermittelte Kaffecaufkäufe hinsichtlich deren ihm, laut Urteilserwägungen, eine «typische Schieberrolle» zugeschrieben wild.

Schaller ersucht um Erlass dor Fr. 500. In der von einem Bevollmachtigten verfaßten Eingabe wird darzutun versucht, die in Betracht kommenden Geschäfte seien von geringfügiger Bedeutung gewesen, ferner soll Schaller im Zeitpunkte des Hauptverfahrens für seine Vertretung vor dem urteilenden Gericht gesorgt haben, jedoch sei der dahinzielend briefliche Auftrag nicht ausgeführt worden.

In den Akten befindet sich ein Bericht der Polizei des .Kantons Genf, wonach Schaller, der gut beleumdet ist, in bescheidenen Verhältnissen lebt.

Hinsichtlich der bis anhin nicht erledigten Urteilsvollstreckung treffen unsere im Fall Anthonio gernachten Mitteilungen hier ebenfalls zu.

Wir b e a n t r a g e n Abweisung in Erwägung, dass die ratenweise Tilgung der Busse, oder doch deren teilweise Bezahlung, am Platze gewesen wäre und dass den Gesuchsanbringe keinerlei Kommisera tionsgründe zu entnehmen sind, die eine ihre baldige Erledigung, wobei da& nähere Vorgehen wiederum der Polizeiabteilung und d en beteiligtenKantonsbehördenzuu überlassen ist.

86. Emil O s t e r w a l d e r , verurteilt am 22. September 1920 vom Bezirksgericht Zürich, zweite und dritte Abteilung, m zwei getrennt geführten Strafverfahren, zu ] Monat Gefängnis sowie Fr.10.000 Busse einerseits und Fr. 12,000 Busse anderseits.

Über die Angelegenheit ist ausführlich berichtet worden anJässlich unserer Anfragst ellung vom .16. November 1923, Nr. 108 des IL Berichtes für die Wintersession Bundesblatt 1923, Hl, S. 270 li.

Wir beantragten damals, Osterwalder vom Tage des Entscheides der Bundesversammlung für den .Rest der Umwandlungsstrafen zu begnadigen; der Antrag erfolgte in der Voraussetzung, dass Osterwalder, der am 81. Oktober die Umwandlungshaf für die Busse von Fr. 12,000 verbüsst hatte, im Anschluss daran in Strafhalt belassen worden sei, um auch die Busso von Fr. 10,000 im Wege der Umwandlungshaft zu lügen. In Wirklichkeit war aber Osterwalder am 31. Oktober mit Rucksicht auf seinen schlechten Gesundheits&zustand aus der Haft entlassen worden, was jedoch den Bundesbe

811 hörden erst Mitte November zu Kenntnis gelangte. In der Folge machte der Bundesanwalt der Begnadigungskommission in ihrer Sitzung vom 28. November über den Stand der Urteilsvollstreckung die notwendigen, ergänzenden Mitteilungen, wobei der Antrag auf teilweise Begnadigung aufrechtorhaHen wurde. Da die Kommission hierauf beschloss, die Beratung des Falles zu verschieben und das Gesuch zu überprüfen, sobald ihr die gewünschten Auskünfte zugekommen seien, unterbreiten wir Ihnen heute die Angelegenheit zwecks endgültiger Schlussnahme.

Der zwischen der Bunde&anwaltschaft und den kantonalen Strafvollzugsbehòrden im Laute dieses Jahres ergangene Meinungsaustausch hat als Ergebnisse gezeitigt, dass einerseits mit der Anordnung der Umwandlungshaft tur die noch zur Erörterung stehende Busse von Fr. 10,000 bis zum Entscheide der Bundesversammlung zugewartet wird, und dass anderseits von Osterwalder bis anhin in Teilzahlungen ein Betrag von Fr. 3200 erlangt werden konnte. In den Akten befindet sich eine Abhorung Osterwalders vom 31. März, die über seine dermaligen Verhältnisse Auskunft gibt. Die Bezirksanwaltschai't Zürich, die kantonale Staatsanwaltschaft und die Direktion der Justiz schlagen in ihren Vernehmlassungen vor, die Busse von Fr. 10,000 um die Hälfte zu ermassigen, unter der Bedingung dass Ostorwalder den verbleibenden Bestbetrag bis 1. Juni 1925 bezahle.

Unserseits gehen wir ebenfalls davon aus, dass nach der ganzen Lage dos Falles eine teilweise Begnadigung am Platze ist, wie wir dies bereits in unserer erstmaligen Berichterstattung des nähern ausgeführt haben. Die heutige Überprüfung des Falles ergibt, dass Osterwalder seinen im März 1924 abgegebenen Zahlungsversprechen zwar nur unvollständig nachgekommen ist; nichtsdestoweniger hat sich die Sachlage durch die erfolgten Teilzahlungen in der Höhe von Fr. 3200 wesentlich zu seinen Gunsten verändert, auch erachten wir als genügend erbracht, dass Osterwalder, der in unsicheren Verhältnissen lebt und dessen Gesundheit stark gelitten hat, aus&erstande ist, den Restbetrag von Fr. 6800 in absehbarer Zeit aufzubringen. Wir beziehen uns hierin auf die Vernehmlassung der kantonalen Staatsanwaltschaft vom 21. Mai.

Abschliessond b e a n t r a g e n wir, Osterwaldor von den Fr. 10,000 einen Betrag von Fr. 6000 zu erlassen, so dass er, unter Verrechnung
der bereits bezahlten Fr. 3200, ratenweise noch Fr. 800 zu tilgen hat.

Zusammenfassend ergibt sich bei dieser Erledigung, dass Osterwalder die Gefängnisstrafe von einem Monat, weiterhin eine Umwandlungsstrafe von droi Monaten verbüsst hat und Fr. 4000 Busse aufbringen muss.

812 87 und 88. Krebs, Konrad, Vater, und Krebs, Konrad, Sohn, verurteilt am 27. Februar 1923 von der I. Strafkammer dea Obergerichts des Kantons Bern, ersterer zu Fr. 8000 Busse, letzterer zu 15 Tagen Gefängnis und Fr. 5000 Busse. Die beim Bundesgericht anhängig gemachte Kassationsbeschwerde ist am 5. Juli 1923 abgewiesen worden.

Krebs Konrad, Vater, und Krebs Konrad, Sohn, haben im Jahre 1916 in drei Posten ca. 5270 kg Nickel erworben, wobei dem Vorkäufer ein Eevers ausgestellt wurde, dass die Ware ausschließlich dem Schweizerkonsum vorbehalten sei. Trotz dieser Klausel verkaufte Krebs, Sohn, den ersten Posten an den als «Grosschieber» bezeichneten, später rnitverurteilten Marbot, der den Nickel der Ausfuhr zuleitete; den zweiton und dritten Poston verkaufte Krebs, Sohn, zu Ausfuhrzwecken unmittelbar einem Aufkäufer. Alle Lieferungen sind von Krebs, Sohn, als klauselfrei bezeichnet worden.

Weiterhin fällt Krebs, Sohn, ein unerlaubter Kettenhandel zur Last, indem er im Frühjahr 1917 in Verbindung mit notorischen Schiebern in grösserer Menge Thon aufkaufte.

Für Krebs, Vater und Sohn, wird dahingehend um Begnadigung ersucht, dass dem Vater die Hälfte der Busse von Fr. 8000, dem Sohn die Freiheitsstrafe von 15 Tagen ganz und womöglich die Busse von Fr. 5000 ganz oder doch teilweise erlassen werden möge. In der weitausholenden Eingabe wird auf die zur Erörterung stehenden Vorgänge näher eingetreten, in der Erwägung, dass im ßognadigungsverfahren Unrichtigkeiten immer noch Eechnung getragen werden könne und dass gewisse Dinge besser gewürdigt und strenge Strafmassnahmen mindestens gemildert werden könnten. Von einer eingehenden Darlegung der betreffenden Gesuchsanbnngen sehen wir um so eher ab, als wir bereits anlässlich früherer Begnadigungsgesuche wiederholt hervorgehoben haben, dass bei den Subtilitäten des Kriegswucherstrafrcchts, die sich für eine Erörterung im Begnadigungswege wenig eignen, die Begnadigungsbehörde jeweils das Hauptgewicht darauf \erlegen müsse, dass das Bundesgericht ala oberster Gerichtshof unseres Landes die Spruchpraxis wegleitend beeinflusst habe, wozu hier noch kommt, dass dem Bundesgericht der Straffall Krebs selbst vorgelegen hat. Besonders heivorheben rnöchten wir hinwiederum die Ausführungen des Begnadigungsgesuches über den bisherigen Lebenslauf der beiden Gesucbsteller
und die Erörterungen bezüglich des Strafmasses.

In den Akten befindet sich ein persönliches Schreiben von Krobs, Sohn, welcher, offenbar unter dem Kindruck der ihm vom Vater nach Bücksprache mit der Bundesanwaltschaft gemachten Eröffnungen über die geringen Aussichten seines Gesuches, ara 29. Oktober

813 mitteilt, er werde die Gefängnisstrafe von 15 Tagen am 3. November antreten. Krebs, Vater, ist vom Begierungsstatthalter von Biel über seine dermaligen Verhältnisse besonders einvernommen worden.

Der Begierungsstatthalter beantragt bei Krebs, Vater, der an die Busse von Fr. 8000 die Hälfte aufgebracht hat, Erlass der verbleibenden Hälfte von Fr. 1500; bei Krebs, Sohn, Herabsetzung der Gefängnisstrafe von 15 bis zu 7 Tagen und Ermässigung der Busse von Fr. 5000 bis zu Fr. 2000.

Nach Überprüfung der vorhandenen Akten fassen wir unsern Standpunkt folgendermassen zusammen: Wie das Strafmass erwoist, und wie die Gerichte es bereits hervorgehoben haben, ißt Krebs, Sohn, in der Angelegenheit weit stärker belastet als sein Vater; dem erstern gegenüber konnte unseres Erachtens von vornherein «ine Begnadigung im Sinne der Gesuchsabfassung ernstlich nicht in Betracht fallen. Nachdem Krebs, Sohn, dies selbst eingesehen und die Verbussung der Freiheitsstrafe auf sich genommen hat, ist jedoch die Berücksichtigung allfälliger Kommiserationsgründe eher am Platze; wir erblicken sie, in Übereinstimmung mit dem Begierungsstitthalteramt von Biel, darin, dass der Gesuchsteller nach seinen persönlichen Verhältnissen ausserstande ist, die Busse von Fr. 5000 in absehbarer Zeit aufzubringen ; ferner ziehen wir in Erwägung, dass der Straffall und der nachherigc Zusammenbrach seiner Existenz den damals verhältnismässig noch jungen Mann in die Fremde getrieben haben, wo er, allem Anschein nach, schwere Jahre zu ertragen hatte. Seit kurzem zu seinem Vater zurückgekehrt, ist er noch ohne Anstellung. Allerdings können diese Hinweise, so wie wir uns zum Straf fall stellen, nicht dazu führen, die Busse gänzlich zu erlassen, dagegen mag, wie in andern Fallen, eine Ermässigung stattfinden, welche die ratenweise Tilgung möglich macht. Der vom Begierungsstatthalter von Biel gestellte Antrag dürfte hier das Zweckmässige treffen. Was sodann Krebs, Vater, anbelangt, so hat dieser im Laufe der Kriegsjahre, vorab durch das Treiben seiner Söhne, sein bedeutendes Vermögen grösstenteils verloren, so dass er heute nachgewiesenermassen in bescheidenen Verhältnissen lebt.

Der siebzigjährige Mann, dem letztes Jahr die Gattin starb, wird ·von amtlicher Seite als gebeugter, vom Schicksal schwer getroffener Mann bezeichnet. Der Entschluss,
ein Begnadigungsgesuch zu stellen und die bedauerliche Angelegenheit, die ihn jahrelang um seinen Frieden gebracht hat, damit neuerdings vor die Öffentlichkeit zu tragen, dürfte dem sonst gut beleumdeten Manne nicht leicht gefallen sein. Der Erlass der Bestbusso kann unter diesen Umständen gnadenhalber verantwortet werden.

814 Wir b e a n t r a g e n bei Krebs, Vater, Erlass der Bestbusse von Fr, 1500, bei Krebs, Sohn, Nichteintreten bezuglich der Gefängnisstrafe und Herabsetzung der Busse bis Fr. 2000, 89. Emauuel Sacher, geb. 1867, Landwirt und Handelsmann.

Sisseln (Aargau).

90. Friedrich Gehring, geb. 1901, Gärtner, z. Z. im Ausland.

(Grenzpolizei.)

In Anwendung der Art. 21 und 24 der Verordnung über die Kontrolle der Ausländer vom 29. November 1921 sind verurteilt worden: 89. Emanuel Sacher, verurteilt am 4. September 1924 vom Bezirksgericht Laufenburg zu Fr. ]0 Busse, weil er ein Warttemberger Kind über die Grenze gebracht habe, ohne ini Besitz der vorgeschriebenen Ausweispapiere gewesen zu sein.

Sacher stellt das Gesuch um Erlass der Busse, wozu er namentlich geltend macht, er habe seine Schriften und diejenigen des Kindes an der Grenzstelle den Zollorganen vorgewiesen, die sie als richtig befunden hätten. Ein Verschulden liege seinerseits nicht vor.

Der Gemeindeschreiber von Siseeln schliefst sich der Auffassung des Gesuchstellers an und schreibt, er würde den Erlass der Busse begrüssen. Das Bezirksgericht Laufenburg kann das Gesuch nicht empfehlen, da sich Sacher auf die Verurteilung hin in einer Weise benommen habe, die ihn als einer Begnadigung unwürdig erscheinen lasse. Die Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Polizei departementes halt dafür, die Bestrafung des Sacher hatte vermieden werden können, da das Gericht selbst angenommen habe, Sacher sei von der Grenzkontrolle nicht beanstandet worden. Wenn er diese nicht irregeführt habe, so liege, -was näher ausgeführt wird, im Grenzübertritt keine strafbare Handlung.

Angesichts der geringfügigen Busse mag man sich fragen, ob die Gesuchseinreichung nicht besser unterblieben wäre; hinzu kommt, dass die Gesuchsanbringen eher die Herbeiführung einer gerichtlichen Beurteilung in oberer Instanz nabelegen als die Anruiung der Begnadigungsbehörde. Anderseits kann, ohne im übrigen auf den Vorfall naher einzutreten, dem Gesuchsteller zugute gehalten werden, dass der Straffall sich auf ein siebenjähriges Kind aus der Verwandtschaft des Sacher bezieht, das bis jetzt in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und demgegenüber die Fürsorge des Oheims als Akt verwandtschaftlicher Solidarität erscheint. Wir b e a n t r a g e n dieBusse zu erlassen.

815.

90. Friedrich G e h r i n g , verurteilt am 10. Januar 1928 vom Kantonsgericht Schaffhausen zu 3 Wochen Gefängnis und 10 Jahren Landesverweisung.

Gehring, der vorher schon zweimal unerlaubterweise die Landesgrenze überschritten hatte, liess sich dies in der Nacht vom 22./2S. Dezember 1922 neuerdings zuschulden kommen.

Für den des Landes verwiesenen Sohn ersucht der in Murg am Wallensee niedergelassene Tater, ein älterer Fabrikarbeiter,.

um gnadenweiso Aufhobung der Landesverweisung bzw. um deren Umwandlung in eine Busse. Man möge Gehring die Rückkehr '/.u den Eltern ermöglichen, da diese die Unterstützung durch den Sohn nötig hätten und es auch für den Sohn besser wäre, heimkommen zu können, statt im Ausland in schlechter Gesellschaft zu seiiu In den Akten befindet sich eine Vernohmlassung der Kanzlei des Kantonsgerichts Schaffhausen, wonach das Gericht bei Überprüfung der Akten heute findet, der damals von Deutschland steckbrieflich verfolgte Gehring könne, anders als ein Mitverurteilter, nicht als Gewohnheitsverbrecher angesehen werden: ferner seien seine Beziehungen zur Schweiz infolge der bestehenden Familienbande derart stark, dass die Aufrechterhaltung der Landesverweisung sich nicht mehr rechtfertigen lasse. Das Gericht beantragt die Begnadigung.

Wir b e a n t r a g e n ebenso die Aufhebung der Landesverweisung, indem wir kommiserationsweise berücksichtigen, dass Gehring der Angelegenheit wegen drei Wochen verhaftet war und im Zeitpunkt der Behandlung des Gesuches durch die Bundesversammlung nahezu zwei Jahre, mithin zirka ein Fünftel der Landesverweisung getilgt haben wird.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 18. November 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Chuard.

Der Bundeskanzler: Steiger.

.~se~-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1924). (Vom 18. November 1924.)

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1906

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.11.1924

Date Data Seite

791-815

Page Pagina Ref. No

10 029 215

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