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1913

Botschaft dee

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels und der unzüchtigen Veröffentlichungen.

(Vom 25. November 1.924.)

L In urisern Botschaften an die Bundesversammlung vom 25. November 1924 haben wir festgestellt, dass die Schweiz dem internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4. Mai 1910 nur beitreten und die Übereinkommen zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels vom 30. September 1921 und zur Bekämpfung der unzüchtigen Veröffentlichungen vom 12. September 1923 nur genehmigen kann,, wenn sie, wie fast alle Vertragsstaaten, vorher ihre Gesetzgebung den Bestimmungen dieser Vereinbarungen angepasst hat. Wie der Bundesrat bereits in seinen Botschaften vom 10. Dezember 1920 betreffend die Beschlüsse der ersten internationalen Arbeitskonforenz (Bßl. 1920, V, S. 433 f. ; insbesondere S. 446 bis 449) und vom 8. Februar 1924 betreffend die Genehmigung des internationalen Opiumabkommens (BB1. 1.924, I, S, 236/237) kundgab, vertritt er den Standpunkt, dass die Schweiz im allgemeinen keine internationale Verpflichtung eingehen soll, bevor ihre Durchführung sichergestellt ist. Wie bei der Genehmigung der Opiumkonvention legen wir Ihnen gleichzeitig mit den Entwürfen zu den Bundesbeschlüssen betreffend die Genehmigung der Staatsverträge den Entwurf zu einem Ausführungsgesetz voi'. Mit diesem Vorgehen wird der Bundesversammlung eine mehrmalig» Erörterung der gleichen Angelegenheit erspart.

n.

Der Franen- und Kinderhandel.

1. Das internationale Übereinkommen vom 4. Mai 1910 verpflichtet die Vertragsstaaten, den Frauenhandel in einem bestimmten Umfange unter Strafe zu stellen, wobei es ihnen freisteht, über

1019 diese Minimalforderungen hinauszugehen. Nach Art. l des Übereinkommens soll bestraft werden, wer, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, eine minderjährige Ehefrau oder ein minderjähriges Mädchen, sei es auch mit ihrer Einwilligung, zur Unzucht anwirbt, verschleppt oder entführt ; nach Art. 2, wer zum gleichen Zweck eine volljährige Frauensperson durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Missbrauch des Ansehens oder durch irgendein anderes Zwangsmittel zur Unzucht anwirbt, verschleppt oder entführt. Nach Art. 2 der Konvention von 1921 haben die Vertragsstaaten den Handel mit Rindern des einen oder andern Geschlechts gemäss den Bestimmungen des Art. l des Übereinkommens von 1910 unter Strafe zu stellen. Im weitern verpflichtet Art. 3 der Konvention von 1921 die vertragschliessenden Teile, auch den Versuch des Frauenhandels und im Rahmen der gesetzlichen Grenzen die Vorbereitungshandlungen zu bestrafen.

Diesen grundsätzlichen Umschreibungen der strafbaren Handlungen hat sich die Gesetzgebung der einzelnen Staaten anzupassen, wobei sie in der Ausgestaltung frei ist.

Der vorliegende Entwurf hat mit einigen Abweichungen und Ergänzungen den Art. 177 des Strafgesetzentwurfes zur Grundlage des Tatbestandes des Frauen- und Kinderhandels genommen, da diese Strafvorschrift den Minimalforderungen der Übereinkommen von 1910 und 1921 für den Frauenhandel entspricht und sogar darüber hinausgeht..

2. Als s t r a f b a r e H a n d l u n g e n nennt Art, l dieses Entwurfes in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen von 1910 und entsprechend den Erscheinungsformen des Frauenhandels : das Anwerben, Verschleppen und Entführen, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten. Der Zweck der Tätigkeit geht dahin, die Kinder oder Frauen der Unzucht zuzuführen. Nicht erforderlich ist, dass sie der gewerbstnässigen Unzucht (Prostitution) zugeführt werden sollen, obschon dies die Regel bilden wird. Die wirkliche Überlieferung zur Unzucht ist zur Vollendung des Delikts nicht nötig.

a. Der Handel mit P e r s o n e n b e i d e r G e s c h l e c h t e r u n t e r 21 J a h r e n ist an sich verboten und unter Strafe gestellt, gleichgültig ob eine Zustimmung dieser Personen vorliegt oder nicht. Die noch nicht 21 Jahre alten Personen männlichen Geschlechts wurden in den Strafschutz einbezogen in Ausführung; des Art. 2 der
Konvention von 1921, wonach sich die Vertragsstaaten verpflichten, den Handel mit K i n d e r n beiderlei Geschlechts wie die in Art. l des Übereinkommens genannten Hand-

1020 lungen zu bestrafen. Wie wir bereits in der Botschaft betreffend die Genehmigung der Konventionen zur Bekämpfung des Frauenund Kinderhandels ausgeführt haben, würden die Bestimmungen des kantonalen Rechts gegen Kinderraub, Entführung von Minderjährigen und Kuppelei von Minderjährigen und nach dem Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches dessen Art.. 160 betreffend die Entführung eines Kindes für unsere Verhältnisse genügen und es muss die besondere Bestimmung betreffend den Handel mit Minderjährigen männlichen Geschlechts hauptsächlich wegen der internationalen Fälle, wo die Schweiz als Durchgangsland in Betracht kommt, aufgenommen werden. Wir erachten es als angezeigt, diesen Sondertatbestand den Bestimmungen der Konvention anzupassen, um Schwierigkeiten im internationalen Rechtshilf e v erkehr nach Möglichkeit zu verhüten und stellen deshalb den Handel mit männlichen Minderjährigen demjenigen mit Mädchen und Frauen unter 21 Jahren in jeder Beziehung gleich.

b. Der Handel mit M ä d c h e n und F r a u e n ü b e r 21 J a h r e n ist dagegen erst strafbar, wenn das Anwerben, Verschleppen oder Entführen gewerbsmässig, durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Missbrauch ihrer Notlage oder ihres Abhängigkeitsverhältnisses oder durch irgendein anderes Zwangsmittel erfolgt. Nach dem Übereinkommen von 1910 sind die Vertragsstaaten zur Bestrafung des Handels mit volljährigen Mädchen und Frauen nur insoweit verpflichtet, als die Opfer durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Missbrauch des Ansehens oder durch irgendein anderes Zwangsmittel zu unsittlichem Zwecke angeworben, verschleppt oder entführt werden. Das Schlussprotokoll erklärt es als selbstverständlich, dass es den Vertragsstaaten freistehe, den Handel mit volljährigen Frauen zu bestrafen, auch wenn weder Täuschung noch Zwang vorliegt. An der Konferenz von 1921 wurde ein auch von der Schweizer Delegation unterstützter Antrag gestellt, dass der Frauenhandel an sich strafbar erklärt werden solle. Dieser Antrag erreichte .aber die Dreiviertelsmehrheit nicht und galt als abgelehnt (Kongressakten 1921, S. 71).

In der II. Expertenkommission für das schweizerische Strafgesetzbuch wurde mit überwältigender Mehrheit beschlossen, dass der Zustimmung der mehrjährigen Frau zur Anwerbung, Verschleppung oder Entführung keine Bedeutung zukommen, der Frauenhandel
also an sich strafbar sein soll Ogl. Protokolle III, 8. 257}.

Der vorliegende Entwurf stellt nicht nur die in der Konvention vorgesehenen qualifizierten Fälle, sondern allgemein das g e w e r b s m a s s i g e Anwerben, Verschleppen und Entführen und im weitern noch den durch Ausbeutung der Notlage ausgeführten Handel

1021 unter Strafe, In diesen Fällen darf die Zustimmung nicht die Straflösigkeit bewirken. Die Zustimmung der mehrjährigen Frau wird nicht selten durch Ausbeutung ihrer Notlage nnd durch Vorspiegelung eines scheinbaren Wohllebens im Dienste der Unjzucht erlangt. Die Tätigkeit des Mädchenhändlers, die darauf gerichtet ist, gewerbsmässig andern die Verfügung über weihliche Personen zu unsittlichen Zwecken zu verschaffen, ist strafwürdig, .auch wenn die erwachsenen Frauen aus irgendeinem Grunde .zustimmen. Die Strafandrohungen gegen das Verschachern von Menschen sollen nicht nur die einzelnen Personen, sondern auch die sittlichen Grundlagen der Volksgemeinschaft schützen. Für «inen weitergehenden Strafschutz liegt dagegen keine Notwendigkeit vor. Die Bestrafung des einfachen Anwerbens zustimmender Erwachsener könnte im Gegenteil Anlass zu Chantageakten geben.

Das Schutzalter rausste in Ausführung des Art. 5 der Konvention von 1,921 auf das zurückgelegte 21. Altersjahr angesetzt werden.

c. Der Gesetzesentwurf macht keinen Unterschied, ob die Opfer des Frauen- oder Kinderhandels b e s c h u l t e n o d e r unb e s c h o l t e n sind. Der Handel mit Prostituierten gefährdet die .allgemeine Sittlichkeit und bedeutet eine Verletzung der Menschenwürde. Dem Mädchenhändler muss schon bei dieser Art seiner gemeingefährlichen Tätigkeit entgegengetreten werden. Wenn der Handel mit Bescholtenen straflos bliebe, so würden die Täter im Strafverfahren mit allen Mitteln versuchen, ihre Opfer als beficholten darzustellen. Dieser Umstand würde dazu beitragen, dass die Frauen, die von den Mädchenhändlern umgarnt worden sind, aber noch rechtzeitig befreit werden konnten, noch mehr .als heute vor einer Anzeige und einem Strafverfahren zurückschrecken und dadurch die Händler der gerechten Strafe entziehen. Aus gleichen Erwägungen hat die II. Expertenkommission es abgelehnt, den Handel mit Bescholtenen als leichtern Fall zu bestrafen (Protokolle III, S. 253, 255, 258).

3. Im e i n z e l n e n ist über die strafbaren Handlungen zu ·bemerken : a. Als charakteristisches Tatbestandsmerkmal des Frauen·handels ist das A n w e r b e n zu betrachten. Der Schwerpunkt und die Gefährlichkeit des Handels liegt im Anwerben, im Beschaffen der ,,Warea. Hierunter ist die psychische Einwirkung auf Frauen und Kinder zu verstehen, um sie
zu bestimmten Handlungen zu veranlassen, insbesondere zum Antritt einer Stelle im In- oder Auslande in der Absicht, sie der Unzucht zuzuführen Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. III.

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1022 oder zum Eintritt in ein Bordell. Der Ausdruck ist dem Sprachgebrauch entnommen, der bei Verträgen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern üblich ist. Unwesentlich ist, ob die Frau oder das Kind den vom Anwerbenden verfolgten unsittlichen Zweck der Vereinbarung kennt oder nicht. Nicht erforderlich ist, dass die Anregung vom Mädchenhändler ausgegangen sein muss, obschon das die Regel bilden wird. Das Anwerben ist mit dem Zustandekommen der Vereinbarung vollendet. Das Anwerben ist ein weiterer Begriff als das Verleiten und schliesst diesen in sich. Die Anwerbung ist vollendet, sobald sich die Frau entschliesst, ihr Folge zu leisten (z. B. mit der Zusage und bei den Vorbereitungen zur Reise ins Ausland); das Verleiten verlangt aber einen Erfolg, z. B, den Antritt der Stelle im Inland oder die Reise ins Ausland.

b. Das Verschleppen soll die Tätigkeit des Mädchenhändlers, der die angeworbenen Opfer befördert, umfassen ; es ist das Mitsichführen, Begleiten, Wegführen, Verschicken, Nachführenlassen, kurz jede Form des Beförderns darunter zu verstehen. Körperliehe Gewalt ist nicht erforderlich. Meist wird ein psychischer Zwang bei dieser Beförderung von Bedeutung sein. Das E n t f ü h r e n trifft insbesondere das Wegführen der Angeworbenen aus ihrem Kreise. Das V e r h a n d e l n selbst ist als Tatbestandsmerkmal nicht genannt, weil das Delikt des Frauenhandels schon mit dem Anwerben und Befördern zum Zwecke des Verhandeins vollendet ist. Wird das Verhandeln von einer am Anwerben und Verschleppen nicht beteiligten Person besorgt, so ist es regelmässig als Kuppelei, als Versuch hierzu oder als Gehilfenschaft oder Begünstigung bei Frauenhandel strafbar.

c. Wie der Täter soll auch derjenige bestraft werden, der A n s t a l t e n zu gewerbsmässigem Frauen- oder Kinderhandel t r i f f t . Diese Bestimmung bezieht sich auf die Vorbereitungshandlungen, wie die Gründung einer Vereinigung von Mädchenhändlern, die Zugehörigkeit hierzu, die Übermittlung von Nachrichten an die Mädchenhändlerzentralen, die Aufgabe von verlockenden Inseraten ; sie ist die Ausführung des Art.. 3 der Konvention von 1921, wonach die Vorbereitungshandlungen ,,in den gesetzlichen Grenzen" zu bestrafen sind. Die Strafbarkeit der Vorbereitungsbandlung wird auf den gewerbsmässigen Handel beschränkt, weil namentlich bei dieser gefährlichen
Form besondere Vorbereitungen getroffen werden, die im Interesse einer wirksamen Bekämpfung bestraft werden müssen.

d. Gegenüber dem Tatbestand der K u p p e l e i bilden die hier unter Strafe gestellten Handlungen blosse Vorbereitungs-

1023 handlangen, die aber wegen ihrer grossen sozialen Gefahr eine scharfe Ahndung erfordern. Der Kuppler fördert den unzüchtigen Verkehr Dritter durch direkte Vermittlung, Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit. Das Anwerben, Verschleppen und Entführen bezweckt letzten Endes ebenfalls dieses Vorschubleisten der Unzucht. Die Tätigkeit des Mädchenhändlers ist aber selber noch kein Vermitteln oder Gewähren und Verschaffen von Gelegenheit, indem er nicht Frauen unmittelbar zur Unzucht bereitstellt, sondern durch das Aufsuchen und den Zwischenhandel die Kuppelei vorbereitet und die Unzucht fördert. Trifft das Anwerben r Verschleppen und Entführen mit der Kupplortätigkeit zusammen, so handelt es sich um eine Konkurrenz zwischen dem durch das Bundesrecht unter Strafe gestellten Frauen- und Kinderhandel und der nach kantonalem Recht zu bestrafenden Kuppelei. Für dieses Zusammentreffen von Vergehen des eidgenössischen und kantonalen Rechts gilt die Strafkombinationsnorm "des Art. 33 des Bundesstrafrechte, wonach nur die Strafe des schwersten Verbrechens angewendet, die übrigen aber als besondere Schärfungsgründe berücksichtigt werden sollen (BGE 34, I, 118 ; 43, I, 443).

4, Die Strafen und s c h w e r e n Fälle des Frauenund K i n d e r h a n d e l s , In lit. C des Schlussprotokolls zum Übereinkommen von 1910 wurde der Wunsch ausgesprochen, dass die Landesgesetee in allen Fällen eine Freiheitsstrafe androhen, unbeschadet aller sonstigen Haupt- oder Nebenstrafen und im weitern, unabhängig von dem Alter des Opfers, den verschiedenen erschwerenden Umständen Rechnung tragen, die im Einzelfalle zusammentreffen können, wie diejenigen, die in Art. 2 der Konvention vorgesehen sind oder wie die Tatsache, dass das Opfer wirklich der Unzucht zugeführt worden ist. Art, 177 des schweizerischen Strafgesetzentwurfes entspricht auch in bezug auf die Strafandrohung den Wünschen der internationalen Konvention und geht sogar darüber hinaus. Entsprechend der Gemeingefährlichkeit des Deliktes und der schweren Folgen für die Opfer ist die Zuchthausstrafe vorgesehen, womit Busse zu verbinden ist. Da die Gewinne, die aus dem Mädchenhandel gezogen werden, sehr gross sind, und da die Händler mit grossen Kapitalien arbeiten, rechtfertigt es. sich, die Busse bis auf Fr. 20,000 zu bemessen, entsprechend den früheren Entwürfen
des Strafgesetzbuches. Für die s c h w e r e n F ä l l e ist eine Mindeststrafe von drei Jahren Zuchthaus vorgesehen. Der Vorentwurf zum schweizerischen Strafgesetzbuch von 1903 sah für die qualifizierten Fälle sogar eine Mindeststrafe von fünf Jahren Zuchthaus und für den Fall, dass die Frauensperson unbescholten war und der'

1024 Unzucht überliefert worden ist, Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus vor. Als erschwerende Momente nennt der Gesetzesentwurf den Handel mit Unmündigen unter 16 Jahren, mit der Ehefrau, den Kindern, Grosskindern, Adoptivoder Stiefkindern und Pflegebefohlenen, die Anwendung von List, Gewalt oder Drohung gegenüber Personen unter 21 Jahren, das Verbringen ins Ausland, die Überlieferung an einen gewerbsmässigen Kuppler, die Gewerbsmässigkeit des Handels mit Personen unter 21 Jahren.

5 . D i e I n t e r n a t i o n a l i t ä t des F r a u e n - u n d K i n d e r h a n d e l s . Nach dem Übereinkommen von 1910 ist der Frauenhandel zu bestrafen ,,auch wenn die einzelnen Tatsachen, welche die Merkmale der strafbaren Handlung bilden, auf verschiedene Länder entfallen*. Dieser Vorschrift und der Tatsache, dass sich die Tätigkeit der Mädchenhändler in der Regel auf mehrere Länder erstreckt und auf mehrere Personen verteilt, trägt der vorliegende Entwurf dadurch Rechnung, dass jede der strafbaren Handlungen (Anwerben, Verschleppen und Entführen) selbständig unter Strafe gestellt ist. Der Frauen- und Kinderhandel ist in der Schweiz Strafbar, wenn sowohl das Anwerben als auch das Verschleppen oder Entführen im Inland stattfindet oder wenn auch nur eine dieser Handlungen in der Schweiz begangen wird, Art. 2 sieht im weitern die Bestrafung des ganz oder teilweise im Auslande ausgeführten Handels nach Schweizer Recht vor. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Falle, wo das Anwerben, Verschleppen und Entführen im Ausland stattfindet, und den Fällen, wo ein Teil dieser Handlungen in der Schweiz und der andere Teil im Ausland begangen wird. Nach der Konvention sind die Vertragsstaaten nicht verpflichtet, die im Aueland begangene Tat zu verfolgen.

Wir erachten es aber mit Rücksicht auf das gemeinsame Interesse aller Kulturstaaten an der Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels als angezeigt, die Auslandtat zu bestrafen, wenn der Täter in der Schweiz ergriffen und nicht an das Ausland ausgeliefert oder vom Ausland an die Schweiz ausgeliefert wird, Art, 2, AI. 2 und 3, enthält eine Bestimmung über die Anerkennnng der Rechtskraft des ausländischen Urteils. Diese Bestimmung bezieht sich sowohl auf die Verfolgung der ganz oder teilweise im Ausland begangenen Tat (Art. 2, AI. 1) als auch
auf die Beurteilung des in der Schweiz begangenen Teils eines sich über mehrere Länder erstreckenden Frauen- und Kinderhandels (Art. 1). Sie entspricht dem an der Konferenz von 1902 ..ausgesprochenen Wunsche auf Anwendung des Grundsatzes ,,ne bis in idem" gegenüber ausländischen Urteilen,

1025 6. Die A u s l i e f e r u n g (Art. 3). Damit die Schweiz gegenüber dem Ausland die Auslieferung wegen Frauenhandels bewilligen und verlangen kann (Art. 5 des Übereinkommens von 1910 und Art. 4 der Konvention von 1921 j, muss, wie wir in der Botschaft betreffend die Ratifikation näher auegeführt haben, das Bundesgesetz betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22. Januar 1892 durch Aufnahme dieses Deliktes ergänzt werden. Wegen des nahen Zusammenhanges mit dem Frauonhandel empfiehlt es sich, gleichzeitig auch den Kinderhandel in die Zahl der Auslieferungsdelikte aufzunehmen.

m.

Die unzüchtigen Veröffentlichungen.

Der vorliegende Gesetzesentwnrf enthält materiell- und prozessrechtliche Ausführungsbestimmungen zu der internationalen Konvention. Im Gegensatz zur Bestimmung gegen den Frauenhandel steht die Straf Vorschrift des schweizerischen Strafgesetzentwurfes über die unzüchtigen Veröffentlichungen hinter dem internationalen Übereinkommen zurück. Diese Vorschrift musate deshalb bei der Übernahme in das Ausführungsgesetz den Bestimmungen der Konvention angepasst werden.

1. Der S t r a f t a t b e s t a n d (Art. 4).

a. Die u n z ü c h t i g e n V e r ö f f e n t l i c h u n g e n . Das Übereinkommen führt ,,unzüchtige Schriften, Zeichnungen, Stiche, Malereien, Druckschriften, Bilder, Anschläge, Abzeichen, Photographien, kinematographische Filme und andere unzüchtige Gegenstände" als unzüchtige Veröffentlichungen auf. Der Entwurf zum schweizerischen Strafgesetzbuch nennt die ,,unzuchtigen Schriften, Bilder, Zeichnungen oder andern unzüchtigen Gegenstände". Wegen der Wichtigkeit der Verbreitung unzüchtiger Darstellungen durch die Kinematographen und im Interesse eines erhöhten JugendSchutzes schien es angezeigt, im Ausfuhrungsgesetz ausser diesen Gegenständen noch den Film ausdrücklich zu nennen; dagegen fallen die übrigen im Übereinkommen genannten Gegenstände unter die im vorliegenden Entwurf aufgeführten Veröffentlichungen.

Als Schriften sind alle Erzeugnisse der Handschrift, des Buchdrucks und der graphischen Künste überhaupt zu verstehen (vgl.

Z ü r c h e r , Erläuterungen S. 251; Protokolle der II. Expertenkommission, Bd. IH, S. 267). Der Begriff B i l d e r umfasst jede Form bildlicher Darstellungen: Gemälde, Stiche, Zeichnungen, Photographien und Abzeichen. Es erscheint deshalb nicht nötig,

1026 die Zeichnungen, wie im Strafgesetzentwurf, besonders aufzuführen. Die kinematographischen Filmstreifen, die an sich auch unter die Bilder fallen, mussten aus den bereits erwähnten Gründen ausdrücklich genannt werden. Unter den G e g e n s t ä n d e n sind sowohl die plastischen Gebilde, die den gleichen Inhalt, wie die Bilder haben, als auch die zu unzüchtigem Gebrauche bestimmten Gegenstände zu verstehen. A n t i k o n z e p t i o n e l l e Gegenstände fallen unter das Verbot, wenn die Art und Weise des Verbreitens und der Ankündigung das Schamgefühl verletzt.

Unter diesen Umständen wird die Verbreitung und Ankündigung antikonzeptioneller Gegenstände schon jetzt bestraft ( Z ü r c h e r , a.a.O. 8.251; P r o t o k o l l e , a.a.O. S. 267, 271, 272; BGE 36,1, 42; Zeitschrift des berniscben Juristen Vereins, Bd. 54, 8.195; Bd. 60, S. 92 f.).

Die U n z ü c h t i g k ei t dieser Veröffentlichungen bildet die Voraussetzung der Strafbarkeit. Der vorliegende Entwurf stellt also, in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen und dem Strafgesetzentwurf, nur die unzüchtigen, d. h. die Veröffentlichungen, die das Schamgefühl in geschlechtlicher Beziehung verletzen, unter Strafe. Die Ausdehnung des Verbotes auf "unsittliche", ,,die guten Sitten verletzenden" oder "unanständige" Veröffentlichungen wird abgelehnt, weil sie nicht zu einer befriedigenden Abgrenzung führen und ein Konflikt des Strafgesetzes mit Kunst und Wissenschaft vermieden werden soll (vgl. Zur e h e r , a.a.O.S. 250 und 251; P r o t o k o l l e , S. 266, 269, 273; Mi t t er m ai er, Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit, Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Bd- IV, S. 197 f.). Der Bundesrat vertritt auch hier die Meinung, dass durch das Strafgesetz nicht eine lästige und hochstehende Interessen des Bürgers verletzende Bevormundung geschaffen werden soll (.vgl, die Botschaft zum Strafgesetzentwurf, Bundesbl. 1918, IV, S. 45). Bei der Beschränkung der Strafbarkeit auf das Unzüchtige steht eine Beengung von Kunst und Wissenschaft ausser Frage.

b. Die s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n . Der Entwurf zum schweizerischen Strafgesetzbuch stellt folgende Handlungen unter Strafe: das Herstellen oder Einführen zum Verkauf, das Feilhalten, das Senden an Personen, die es nicht verlangt
haben, das öffentliche Ankündigen, das Ausstellen, das Vorführen und das gewerbsmässige Ausleihen. Das Übereinkommen führt jede bisher bekannt gewordene Tätigkeit im Handel mit unzüchtigen Veröffentlichungen auf. Das Ausführungsgesetz muss sich den Bestimmungen der Konvention anpassen.

acm Der vorliegende Entwurf bedroht zunächst das H e r s t e l l e n und V o r r ä t i g h a l t e n von unzüchtigen Veröffentlichungen für den Handel, zur Verbreitung oder öffentlichen Ausstellung. Das Herstellen umfasst "das ursprüngliche Erzeugen und das Reproduzieren. Im Gegensatz zum Strafgesetzbuch wird nicht nur das Herstellen und Vorrätighalten für den Handel, sondern auch zur Verbreitung und öffentlichen Ausstellung bestraft. Die Strafdrohung gegen daß Vorrätighalten richtet sich gegen die offene und geheime Lagerung in Verkaufsläden und in Depots, wie sie im internationalen Grosshandel mit pornographischen Artikeln üblich sind. Das im Strafgesetzbuch genannte Feilhalten geht im weitergehenden Begriff des Vorrätighaltens auf. Eine weitere Gruppe von strafbaren Handlungen bilden das Einführen, Ausführen, Befördern, Einführen-, Ausführen- und Befördernlassen, sowie das Inverkehrbringen zu den genannten Zwecken. In Anbetracht des regen internationalen Handels ist diese Erweiterung der Strafvorschrift gegen die B e f ö r d e r u n g « H a n d l u n g e n angezeigt.

Im weitern bestraft daa Gesetz bestimmte V e r b r e i t u n g s handlungen : das offene oder geheime Verkaufen, Verhandeln, Verbreiten, öffentliche Ausstellen und gewerbsmässige Ausleihen.

Das Verbot des Verkaufens richtet sich gegen die Personen, die aus dem Handel Gewinn ziehen, während die Strafe der übrigen Handlungen auch die Individuen trifft, die aus sittlicher Verkommenheit oder aus Lüsternheit unzüchtige Gegenstände absetzen.

Das geheime Verkaufen muss besonders erwähnt werden, weil die unzüchtigen Gegenstände oft von einer versteckten Wohnung aus in verschlossenen Sendungen oder ini geheimen durch Vermittlung von Xwischenageuten vertrieben werden. Das öffentliche Ausstellen umfasst jede Tätigkeit, wodurch der Inhalt einer unzüchtigen Veröffentlichung der Allgemeinheit durch Anschauung zugänglich gemacht wird : Auslegen, Aushängen, Ankleben, Anhelten, Anschreiben, Vorführen durch einen Projektionsapparat oder einen Kinematographen. Das Verbreiten bedeutet die Übergabe einer unzüchtigen Veröffentlichung an einen grössern Personenkreis durch Verteilen, Versenden, Verschenken etc. Die blosse Übergabe an einen Einzelnen genügt nicht. Das im Strafgesetzentwurf aufgenommene Versenden an Personen, die das nicht verlangt haben,
ist im weitergehenden Begriff enthalten. Das Verhandeln betrifft insbesondere das Austauschen innerhalb eines grössern Peraononkreises. Das gewerbsmässige Ausleihen ist bereits im Strafgesetzeutwurf mit Strafe bedroht. In den letzten zwei Alineas wird im engen Anschluss an die Konvention das A n k ü n d i g e n unter Strafe gestellt. Es wird einmal jede Kund-

1028 gebung bestraft, wodurch mit der Absicht, den verbotenen Handel zu unterstützen, auf die Personen, die sich damit befassen, aufmerksam gemacht wird, und sodann jede Kundgebung unter Strafe gestellt, wodurch die Gelegenheit zum Bezüge unzüchtiger Veröffentlichungen bekannt gemacht wird, sei es durch Zusendung von Prospekten und Katalogen, sei es durch Inserate, die offen oder versteckt, mittelbar oder unmittelbar auf die Bezugsquelle hinweisen. .

c. Das S t r a f m a s s . Der Strafgesetzentwurf bedroht die hier in Frage stehenden strafbaren Handlungen mit Gefängnis oder mit Busse. Der vorliegende Entwurf sieht ausserdem die Verbindung dieser beiden Strafen vor, indem er von der Erfahrungstatsache ausgeht, dass beim Handel mit unzüchtigen Veröffentlichungen die Gewinnsucht die Hauptrolle spielt. Busse oder Gefängnis ist für die Tätigkeit des kleinen Verkäufers und Verbreiters gerechtfertigt, für den Fabrikanten, Grosshändler und Agenten des Grossbetriebes ist aber eine Gefängnisstrafe und eine Busse (bis auf Fr. 10,000, Art. 2 BStR) am Platze. -- Hierzu kommt die V e r n i c h t u n g der unzüchtigen Gegenstände durch Verfügung des Richters, wobei es gleichgültig ist, ob die Gegenstände dem Täter oder einer Drittperson gehören (vgl. Protokolle, a. a. 0. 8. 269).

d. Der b e s o n d e r e J u g e n d s c h u t z (Art. 4, Ziff. 2). In Übereinstimmung mit dem Strafgesetzentwurf bestraft das schweizerische Ausfuhrungsgesetz die blosse Übergabe unzüchtiger Veröffentlichungen an Jugendliche unter achtzehn Jahren. Die Übergabe umfasst jede Art des Überlassens zu eigener Verfügung und eigenem Gebrauch, sei es dauernd oder leihweise. Das Verbreiten in einem grössern Kreise ist nicht erforderlich, es genügt die Übergabe an einen einzelnen ; es ist ebenfalls unerheblich, ob die Übergabe entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt (Protokolle 8. 267, 268). Ein besonderer Schutz der Jugend liegt auch in der schärfern Strafandrohung, Der Entwurf sieht davon ab, das Verbot der Übergabe auch auf andere Veröffentlichungen als die unzüchtigen auszudehnen, z. B. auf Veröffentlichungen, die geeignet sind, das sittliche Wohl jugendlicher Personen zu gefährden. Der Erlasa solcher Strafbestimmungen kann den Kantonen überlassen werden, da sie mehr das Gebiet der Sittenpolizei betreffen und die Kantone in der Frage der Aufnahme einer solchen Vorschrift in das Bnodesrecht geteilter Meinung waren (vgl. die Antworten auf das genannte Kreisschreiben der Bundesauwaltschaft).

1029 2. Die A u s l a n d s t a t . Art. 5 bildet die Ausführung des Art. II der internationalen Konvention, der es der Landesgesetzgebung überlässt, die Auslandstat der Staatsangehörigen im Heimatstaate zu verfolgen. Wir erachten es als angezeigt, die Auslandstat der Schweizer unter Strafe zu stellen, um zu verhüten, daas sich unsere Staatsangehörigen, weil daa vorliegende Vergehen kein Auslieferungsdelikt ist, durch die Flucht in die Heimat der Strafe entziehen können. Für die Regelung dieser Auslandstat und die Anerkennung der Rechtskraft des ausländischen Urteils darf auf Art. 6 des Strafgesetzentwurfes abgestellt werden.

3 . D i e A u s k u n f t s p f l i c h t i n i n t e r n a t i o n a l e n Fäll e n (Art. 6). Diese, die Ausführung des Art. VI der Konvention bildende Bestimmung ist für die Schweiz, in deren Gebiet von mehreren Auslandsstaaten her unzüchtige Veröffentlichungen eingeführt werden, von besonderer Bedeutung. Durch die sofortige und möglichst vollständige Benachrichtigung des Auslandes ist es möglich, die Hersteller, Grosshändler und ihre Agenten zu fassen.

Ein solches Zusammenwirken der in- und ausländischen Behörden ist das beste Mittel zur Bekämpfung der unzüchtigen Veröffentlichungen. Für diese Benachrichtigung ist der unmittelbare Verkehr zwischen den durch daa internationale Abkommen vom 4. Mai 1910 geschaffenen Zentralstellen vorgesehen.

4. V o r b e h a l t der V e r w a l t u n g s v o r s c h r i f t e n des Bundes und der Kantone, sowie der Strafbestimm u n g e n der K a n t o n e gegen unsittliche V e r ö f f e n t l i c h u n g e n (Art. 7). Die in Ausführung der internationalen Konvention erlassenen Strafbestimmungen gegen die Verbreitung und den Vertrieb von unzüchtigen Veröffentlichungen bilden nur einen Teil der Massnahmen zur Bekämpfung der Schundliteratur.

Ausser den Strafbestimmungen dieses Gesetzes kommen für den Bund das Kontroll- und Beschlagnahmerecht der Postverwaltung gegenüber Sendungen unsittlicher Natur in Betracht, das in Art. 25 des Postverkehrsgesetzes und in Art. 18, Ziff. 3, Abs. 2, des Weltpostvertrages geregelt ist. Der Bundesrat hat Massnahmen getroffen, dass im neuen Zollgesetz auch der Zollverwaltung ein solches Beschlagnahmerecht eingeräumt wird. Den weitergehenden Wünschen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates für 1921 und
der vielen an den Bundesrat und die Bundesanwaltschaft gerichteten Eingaben um Verhinderung der Einfuhr der unzüchtigen Veröffentlichungen oder der Schundliteratur kann wegen des Verfassungsgrundsatzes des Postgeheimnisses nicht Rechnung getragen werden. Der Bund muss auch die Handhabung der ad-

1030 ministrativen Sittenpolizei im Innern des Landes nach der bestehenden verfassungsmassigen Kompetenzverteilung vollständig den Kantonen überlassen. Durch das vorliegende Gesetz werden die Strafbestimmungen der Kantone, die sich nicht gegen die unzüchtigen, sondern darüber hinaus gegen die unsittlichen Veröffentlichungen, insbesondere gegen die Verbreitung von Schundliteratur unter den Jugendlichen richten, nicht berührt. Über den Unterschied zwischen unzüchtigen und unsittlichen Veröffentlichungen haben wir uns in der Botschaft betreffend die Genehmigung der internationalen Konvention ausgesprochen (Ziff. II, l, lit, a). Es bleiben also die Straf bestimmungen in Kraft, die die Kantone erlassen haben gegen ,,sittenwidrige" Schriften oder Gegenstande oder gegen Veröffentlichungen, ,,die die Sittlichkeit gefährden', ,,das sittliche Wohl von jugendlichen Personen EU gefährden geeignet sind", ,,groben Anstoss erregen", oder gegen ,,livres, écrits ou objets présentant un caractère d'outrage aux moeurs".

IV.

Gemeinsame Bestimmungen und Schlussbestimmungen.

Abschnitt III enthält Bestimmungen über die Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts auf das vorliegende Spezialgesetz (Art. 8), die Gerichtsbarkeit (Art. 9), sowie den Gerichtsstand beim Zusammentreffen mehrerer, an verschiedenen Orten begangener Vergehen, insbesondere in interkantonalen Fällen und den Gerichtsstand der Teilnehmer und bei strafbaren Handlungen im Ausland (Art. 10--13). Die Bestimmungen der Art. 8 und 9 sind in jedem Bundesstrafgesetze enthalten, so dass sie nicht näher begründet werden müssen. Hervorzuheben ist, dass mit der Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts der Grundsatz, dass nur das vorsätzliche Handeln strafbar ist, gilt, und dass für die durch das Mittel der Presse begangenen Handlungen das System der stufenweisen Verantwortlichkeit zur Anwendung kommt. Die Bestimmungen über den Gerichtsstand sind gleichlautend wie Art. 50--52 des Lebensmittelpolizeigesetzes und Art. 18--20 des BG betreffend Betäubungsmittel. Da sich der Frauen- und Kinderhandel und die Verbreitung der unzüchtigen Veröffentlichungen nicht selten über das Gebiet mehrerer Kantone erstreckt, ist die Regelung des Gerichtsstandes für diese Fälle notwendig; Mit Rücksicht auf die Art. 2 und 5 ist in Anlehnung an Art. 367 des Strafgesetzentwurfes eine Bestimmung über den Gerichtsstand bei strafbaren Handlungen irn Ausland aufgenommen und die Zu-

1031 ständigkeit des Bundesgerichts bei Grerichtsstandsstreitigkeiten auch hierauf ausgedehnt worden. -- Die Schlussbestimmungen sind die üblichen.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des vorliegenden Gesetzesentwurfes.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer Hochachtung.

ausgezeichneten

B e r n , den 25. November 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Chuard.

Der Vizekanzler : Kaeslin.

(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels und der unzüchtigen Veröffentlichungen.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g * der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4. Mai 1910, des internationalen Übereinkommens zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels vom 30. September 1921 und des internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen vom 12.September 1923, in Anwendung von Art. 64bis der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 25. November 1924, .

beschliesst:

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I. Frauen- und Kinderhandel.

Art. 1.

1. Wer, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, eine Person, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, anwirbt, verschleppt oder entführt, wer, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, eine weibliche Person, die das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, gewerbsm assig oder durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Missbrauch ihrer Notlage oder ihrer durch ein Amts- oder Dienstverhältnis oder auf ähnliche Weise begründeten Abhängigkeit oder durch irgendein anderes Zwangsmittel anwirbt, verschleppt oder entführt, wer Anstalten zu gewerbsmässigem Frauen- oder Kinderhandel trifft, wird mit Zuchthaus bestraft, 2. Die Strafe ist Zuchthaus nicht unter drei Jahren: wenn die Person das sechzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, wenn sie die Ehefrau, das Kind, Grosskind, Adoptivkind oder Stiefkind des Täters ist oder wenn sie ihm zur Pflege, Obhut oder Aufsicht anvertraut ist, wenn sie in das Ausland gebracht worden ist, wenn sie einem gewerbsmässigen Kuppler überliefert werden sollte, wenn der Täter den Kinderhandel gewerbsmassig betreibt oder gegenüber Personen unter 21 Jahren List, Gewalt oder Drohungen angewendet hat.

3. Der Täter wird jiberdies in jedem Falle mit Busse bis zu Fr. 20,000 bestraft.

Art. 2.

Wer das Verbrechen des Art. l im Ausland verübt, ist, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist, dem schweizerischen Gesetze unterworfen, wenn er in der Schweiz betreten und nicht an das Ausland ausgeliefert wird oder wenn er der Eidgenossenschaft wegen dieses Verbrechens ausgeliefert wird.

Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anwendbar.

1033 Der Täter wird wegen des Verbrechens nicht mehr bestraft, wenn die Strafe, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.

Ist die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so wird der vollzogene Teil angerechnet.

Art. 3.

Art. 3, Ziff. 15, des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22, Januar 1892*) erhält folgende Fassung: jjgewerbsmässige Kuppelei und Frauen- und Kinderhandel/'

II. Unzüchtige Yeröffentlichungen.

Art. 4.

1. Wer unzüchtige Schriften, Bilder, Filme oder andere unzüchtige Gegenstände herstellt oder vorrätig hält, um damit Handel zu treiben, sie zu verbreiten oder öffentlich auszustellen, wer solche Gegenstände zu den genannten Zwecken einführt, befördert, ausführt, einführen, befördern odor ausführen lässt oder auf andere Weise in Verkehr bringt, wer solche Gegenstände öffentlich oder geheim verkauft, in irgendeiner Weise verhandelt, verbreitet, öffentlich ausstellt oder gewerbsmässig ausleiht, wer, um die verbotene Verbreitung oder den verbotenen Vertrieb zu fordern, ankündigt oder auf andere Weise bekanntgibt, dass sich eine Person mit den genannten strafbaren Handlangen befasst, wer ankündigt oder bekanntgibt, auf welche Weise und durch wen die genannten Gegenstände unmittelbar oder mittelbar bezogen werden können, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft. Beide Strafen können verbunden werden.

2. Wer solche Schriften, Bilder, Filme oder Gegenstände Personen unter achtzehn Jahren übergibt, wird mit Gefängnis und mit Busse bestraft.

3. Der Richter lässt die unzüchtigen Schriften, Bilder, Filme oder Gegenstände vernichten.

*) Siehe Gesetzsammlung Bd. XII, S. 870.

1034 Art. 5.

Der Schweizer, der im Ausland eine der in Art. 4 genannten Handlungen begeht, ist nach schweizerischem G-esetz strafbar, wenn or in der Schweiz betreten wird.

Er wird in der Schweiz nicht mehr bestraft: wenn er im Ausland wegen des Vergehens freigesprochen wurde; wenn die Strafe, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.

Ist die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so wird der vollzogene Teil angerechnet.

Art. 6.

Wird bei einer Untersuchung in der Schweiz festgestellt, dass die unzüchtigen Veröffentlichungen in einem ausländischen, dem internationalen Übereinkommen ebenfalls angehörenden Staate hergestellt oder von dort eingeführt wurden, so ist hiervon der in jenem Staate zur Bekämpfung der unzüchtigen Veröffentlichungen eingesetzten Zentralstelle durch Vermittlung der Bundesanwaltschaft sofort Kenntnis zu geben.

Art. 7.

Die Verwaltungssvorschriften des Bundes und der Kantone betreffend die unzüchtigen und unsittlichen Veröffentlichungen bleiben vorbehalten. Die Straf bestini mungen der Kantone bleiben in Kraft, soweit sie ausser den unzüchtigen noch die unsittlichen.

Veröffentlichungen unter Strafe stellen.

III. Gemeinsame Bestimmungen.

Art. 8.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853 finden Anwendung, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt wird.

Art. 9.

Die Strafverfolgung und Beurteilung liegt den Kantonen ob.

Sämtliche Gerichtsurteile, Strafbescheide von Verwaltungsbehörden und Entscheide von Überweisungsbehörden, die von kantonalen Behörden auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, sind durch die Kantonsregierungen sofort nach Erlass zuhanden des Bundesrates der Bundesanwaltschaft unentgeltlich einzusenden.

1035 Art. 10.

Die Strafverfolgung erfolgt entweder am Orte, wo die strafbare Handlung begangen worden ist, oder am Wohnort des Angeschuldigten. In keinem Falle dürfen für die gleiche Tat mehrere strafrechtliche Verfolgungen eintreten. Das Verfahren ist an dem Orte durchzuführen, an welchem es zuerst eröffnet wurde.

Das Verfahren gegen Gehilfen oder Begünstiger findet zu gleicher Zeit und vor dem nämlichen Richter statt wie dasjenige gegen den Haupturheber.

Art. 11.

.

Wenn die strafbare Handlung in mehreren Kantonen begangen wurde, so hat derjenige Kanton, in welchem das Verfahren zuerst eröffnet wurde, die Stellung und nötigenfalls die Auslieferung aller Mitschuldigen aus andern Kantonen behufs Beurteilung zu verlangen oder diese Kantone zur Zusicherung des Urteilsvollzuges zu veranlassen.

Wenn ein Täter mehrere zusammenhängende strafbare Handlungen in verschiedenen Kantonen begangen hat, so soll über ihn nach den gleichen Grundsätzen in einem und demselben Verfahren entschieden werden.

Art. 12.

Ist die strafbare Handlung im Auslande begangen worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo der Täter wohnt.

Hat der Täter keinen Wohnort in der Schweiz, so sind die Behörden des Heimatortes zuständig. Hat- der Täter in der Schweiz weder Wohnort noch Heimatort, so ist der Gerichtsstand andern Ort, wo der Täter betreten wird, begründet.

Art. 13.

Das Bundesgericht entscheidet als Staatsgerichtshof über Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung der Art. 10, 11 und 12 ergeben.

IT. Schlussbestimnmngen.

Art. 14.

Die Bestimmungen der kantonalen Gesetze und Verordnungen, die mit diesem Gesetze im Widerspruch stehen, sind aufgehoben.

Art. 15.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels und der unzüchtigen Veröffentlichungen. (Vom 25. November 1924.)

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1924

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