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Bundesblatt

76. Jahrgang.

Bern, den 13. Februar 1924.

Band L

erscheint wöchentlich. Preis so Franken Im Jahr, Ut im Halt Jahr, sasüglich ana .

: 60 Rappen die Petitzelle oder deren Raum. -- Inserate fran an die C/p. in

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des internationalen Opium-Abkommens.

(Vom 8. Februar 1924.)

Einleitung.

Nachdem der Nationalrat am 5. Juni und der Ständerat am 5. Oktober letzten Jahres ein Postulat angenommen haben, das einen Bericht betreuend das internationale Opium-Abkommen vom 23, Januar 1912 verlangt, beehrt sich der Bundesrat, die vorliegende Botschaft an die eidgenössischen Räte zu richten.

I, Eapitel.

Der Zweck des internationalen Opium-Abkommens.

Das Vorwort zürn internationalen Abkommen, genannt das Opium-Abkommen, umschreibt den Zweck, den eich die Vertragsstaaten zu erreichen gesteckt haben. Durch die .Ratifikation des Abkommens vorn 23. Januar 1912 würde die Schweiz die Verpflichtung übernehmen, mitzuarbeiten an der ,,allmählichen Unterdrückung des Missbrauchs von Opium, Morphium und Kokain, sowie solcher Verarbeitungen und Derivate dieser Stoffe, die zu ähnlichen Missbräuchen Anlass geben oder Anlass geben können.

Das internationale Abkommen vom Haag verfolgt somit ein genau abgegrenztes Ziel. Es verlangt nicht, dass der Anbau des Schlafmohns und der Koka eingestellt werde ; es will auch nicht die Vernichtung der Alkaloidindustrie oder den Verzicht auf den Gebrauch, den die Medizin oder die Wissenschaft in richtiger Form von diesen Drogen machen können ; es beabsichtigt nur die allmähliche Unterdrückung der Missbräuche, deren Ursachen in einer unbeschränkten Erzeugung von Rohopium, in einer unBundesblatt. 76. Jahrg. Bd. I.

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kontrollierten Herstellung der Alkaloide und in einem unbehinderten Handel mit diesen Drogen liegen. Zu diesem Zwecke hat, ,,in der Erkenntnis der Notwendigkeit und des gegenseitigen Nutzens einer internationalen Verständigung und in der Überzeugung, dass diesem humanitären Bestreben alle interessierten Staaten einmütig beitreten werden", eine gewisse Anzahl Staaten, deren Zahl seit zehn Jahren ständig im Wachsen begriffen ist und sich gegenwärtig bereits auf 50 beläuft, die Verpflichtung übernommen, jeder für sich, staatliche Massnahmen zu erlassen, für welche das internationale Abkommen vom Haag das Schema bildet. Die 25 Artikel, welche das Abkommen enthält, sollen nicht den Pflanzer dee nahen oder fernen Ostens noch denjenigen von Südamerika treffen, der einzig in der Absicht der Belieferung von Alkaloidfabriken den Saft des weissen Mohns und die Blätter der Koka sammelt; sie bekämpfen auch nicht den Industriellen, der mit Hilfe der Wissenschaft aus diesem Saft und aus diesen Blättern Heilmittel herstellt, die ausschliesslich durch den Apotheker oder den Arzt zur Verteilung gelängen. Das internationale OpiumAbkommen richtet sich vielmehr: 1. gegen das Übermass der gegenwärtigen Erzeugung, übermassig fast in ihrem ganzen Umfange, weil sie neun Zehntel der wirklichen Bedürfnisse der Welt übersteigt; 2. gegen eine Verarbeitung, deren Erzeugnisse der natürlichen Bestimmung entzogen werden und dadurch bei jedem, der davon Gebrauch macht, unfehlbar den körperlichen und geistigen Ruin herbeiführen ; 3. gegen einen unerlaubten Handel, der unmoralisch ist wegen der schamlosen Gewinne, die er demjenigen verschafft, der sich ihm widmet, und verbrecherisch wegen der Folgen für den einzelnen Menschen und für die Gesellschaft; 4. endlich gegen die Laster der Opiumsucht, Morphiumsucht -und Kokainsucht, welche die Wissenschaft, die Vernunft und dassittliche Empfinden verurteilen.

Ausser den mächtigen Interessen, auf die jeder Versuch einer Regelung stösst, ist sicher die Schwierigkeit einer Abgrenzung zwischen dem, was nützlich und vielleicht sogar unentbehrlich ist in der Erzeugung, im Handel und im Gebrauch der Betäubungsmittel, und zwischen dem, was darin Schädliches liegt, eine der Ursachen, weshalb die einschränkenden Massnahmen so zögernd ergriffen werden. Die bedingungs- und vorbehaltlose Einstellung des Anbaus von Mohn und Koka und das absolute Verbot der Herstellung und des Gebrauchs der Alkaloide wären vielleicht

199 leichter durchzuführen als die Anpassung von Erzeugung und Anwendung auf die wirklichen Bedürfnisse des einzelnen Menschen.

Das Abkommen sieht nicht so sehr Massnahmen zur Verminderung des Mohnanbaues oder der Herstellung der Opiumund Koka-Alkaloide als vielmehr ein Überwachungs- und Kontrollsystem vor, das sich zunächst auf die Pflanzen erstreckt, von denen das Betäubungsmittel gewonnen wird, hernach auf die Industrie, welche die Herstellung der Gifte vornimmt sowie auf den Kaufmann, der damit Handel treibt, und schliesslich auf jeden einzelnen, der das G-ift erwirbt und es verwendet. Diese Kontrolle hört erst dann auf, wenn das Ursprungsprodukt in Heilmittel umgewandelt oder in dor Wissenschaft verwendet ist, d. h. für die einzig zulässigen Zwecke, und dann nicht mehr den Menschen und der Gesellschaft schaden kann, wohl aber dionlich ist, um Leiden und Krankheiten zu bekämpfen.

Nachdem die Hauptursache des Übels in einer Überproduktion von Mohn und Koka liegt, kann man es bedauern, dass das internationale Abkommen vom Haag nur die Überwachung und nicht gleich auch eine Beschränkung des Anbaues vorsieht, und dazu noch nur diejenige des Mohns; es ist zu.

wünschen, dass der nächste Schritt nach vorwärts, den die Welt im Kampfe gegen den Missbrauch von Giften unternehmen wird, dahin ziele, die Erzeugung der Rohmaterialien, welcher Art sie auch seien, einzuschränken. Auf alle Fälle steht fest, dass gegenwärtig die Erzeugungsländer der Rohmaterialien beinahe unüberwindlichen Hindernissen politischer und finanzieller Natur begegnen würden, wenn sie den Anbau des Mohns oder der Koka verbieten wollten ; in der Mehrzahl der Fälle würden sie sich sogar, infolge ihrer geographiechen Lage und der Ausdehnung der Eraeugungsgebiete, in der materiellen Unmöglichkeit befinden, irgend einem Verbote Nachwirkung zu verschaffen ; im Augenblick ist das beste Mittel daher wohl dasjenige der Überwachung und Kontrolle.

Aus den soeben angeführten Gründen verlangt das internationale Opium-Abkommen keine Einschränkung in der Er-v zeugung der Rohmaterialien. Dagegen stellt es den Grundsatz auf, dass von dem Augenblick an, wo es sich um zubereitetes Opium handelt, seine Herstellung allmählich unterdrückt werden musa und dass, soweit Alkaloide in Frage stehen, ihre Fabrikation ausschliesslich den medizinischen und
wissenschaftlichen Bedürfnissen anzupassen ist. Wenn der Versuch einer Einschränkung des Mohnund Kokaanbaues gegenwärtig dio Kräfte der zivilisierten Staaten übersteigt, so rauss es anderseits als durchführbar erscheinen, das

200 Entstehen von Alkaloidfabriken in unbesckränkter Anzahl zu verhindern und darüber zu wachen, dass die bestehenden Werke nicht in übertriebenen Mengen produzieren. Im weitern besteht zwischen dem Grade der Schädlichkeit eines Kokablattes und derjenigen einer Kokainprise sowie zwischen den Wirkungen eines Zuges Opium und denjenigen einer Einspritzung von Morphium ein Unterschied, welcher die Ungleichheiten zwischen dem auf die Rohmaterialien zur Anwendung gelangenden System und der für die zubereiteten Erzeugnisse vorgeschlagenen Regelung verständlich macht, ohne diese im übrigen vollkommen zu rechtfertigen,

II, Kapitel.

Die der Regelung durch das internationale Opium-Abkommen unterworfenen Stoße.

Man mag bedauern, dass die erste Konferenz im Haag dem internationalen Abkommen, das sie ausgearbeitet hat, den Titel ,,Internationales Opium-Abkommen" 1 verlieh. In der Tat stellt sich jeder, der Opium sagt, sofort die Mohnfelder oder die Opiumhöhlen des nahen und fernen Ostens vor, und wer vom Problem des Opiums spricht, versteht darunter allgemein eine Frage, die ausschliesslich Asien oder gewisse Mächte mit kolonialen Interessen angeht. Sicherlich würde kein Mensch auf die Idee kommen, dass die Schweiz eines Tages dazu berufen sein könnte, sich mit irgendwelchem Nutzen an einer Bewegung zu beteiligen, die darauf ausgeht, die Welt von der Seuche der Opiumsucht zu befreien.

Wenn die erste Konferenz im Haag und das internationale Abkommen, welches sie ausgearbeitet hat, von Anfang ao in der Öffentlichen Meinung nicht dasjenige Interesse wachgerufen haben, welches sie verdienten, so ist der Titel des Abkommens von 1912 daran zum Teile schuld. Das internationale Abkommen vom Haag betrifft nicht ausschliesslich das Opium. Die Drogen, welche es im Auge hat, werden mit Namen aufgezählt und mit ihrer chemischen Formel bezeichnet. Ein genauer und mit seinem Inhalt besser übereinstimmender Titel, wie z. B. ,,Abkommen über den Handelsverkehr mit Betäubungsmitteln*, hätte vielleicht mitgeholfen, gewisse Erscheinungen von Gleichgültigkeit zu vermeiden. Das Abkommen von 1912 betrifft in der Tat diejenigen Stoffe, welche allgemein unter dem im übrigen ziemlich ungenauen Ausdruck der Betäubungsmittel bekannt sind. Diese Artikel sind: das Rohopium, das subereiteie Opium und das Opium fiir medizinische Zwecke, das Morphium, das Heroin, das Kokain und

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ihre Salze, ebenso wie jede Verarbeitung dieser Drogen, die mehr als 0,s % Morphium oder 0,i °/o Kokain oder 0,i °/o Heroin enthält. Schliesslich haben die 1912 im Haag vertretenen Mächte, in der Absicht, allen Gefahren zu begegnen, welche die Entdeckungen der Wissenschaft in Zukunft indirekt der Menschheit bereiten könnten, einen Artikel ganz allgemeiner Natur in das Abkommen aufgenommen, der dahin lautet, dass in dem Verzeichnisse der Drogen, auf die sich das Abkommen bezieht.

Inbegriffen sein soll ,,jedes neue Derivat des Morphiums, des Kokains oder ihrer Salze oder jedes andere Alkaloid des Opiums, das nach dem Ergebnis allgemein anerkannter wissenschaftlicher Untersuchungen zu ähnlichem Missbrauch Anlass geben und die gleichen schädlichen Wirkungen zur Folge haben kann".

Wie der Bundesrat Ende Oktober 1912 die niederländische Gesandtschaft, die ihn im Namen der 1. Konferenz vom Haag zur Unterzeichnung des Opium-Abkommens eingeladen hatte, wissen lies», erzeugt die Schweiz kein Opium ; sie führt daher auch kein solches aus, und die Opiumsucht .selbst ist bei uns unbekannt.

In dieser Beziehung hat die Sachlage seit 1912 keine Änderung erfahren ; die Schweiz kennt auch heute noch keinen Anbau von weissem Mohn, und ebensowenig produziert aie Opium oder fröhnt der Gewohnheit, solches zu rauchen oder zu kauen. Wir beschränken uns daher darauf, mit Bezug auf die ersten durch das Abkommen von 1912 betroffenen Stoffe einige ganz wenige Angaben zu machen.

» Es würde Bände brauchen, um die weitschweifigen Fragen das Schlafmohnanbaues, der Ernte des Rohopiums und der Herstellung von zubereitetem Opium erschöpfend zu behandeln. Weitere Bände wären nötig, um die vielfältige und weitgehende Frage der Massnahmen zu besprechen, die im nahen und fernen Osten zur Bekämpfung der Seuchen der Opiumsucht und des Opiuinessens ergriffen wurden. Es genüge zu erwähnen, dass das Rohopium, d. h. der aus den Kapseln des Schlafmohns gewonnene Saft, hauptsächlich in vier Ländern des Ostens, nämlich in China, in Indien, in Persien und iu der Türkei, und in drei europäischen Ländern, nämlich in Griechenland, in Ungarn und in Jugoslawien, erzeugt wird. Dabei ist bemerkenswert, dass die gegenwärtig erzeugte Menge Rohopium die Bedürfnisse der ganzen Welt um das Zehnfache übersteigt und dass die. Zahl der Unglücklichen, die
dem Opium fröhnen, vor einigen Jahren einzig in China 30 bis 40 °/0 der erwachsenen Bevölkerung umfasste.

Das Rohopium wird zu 3 verschiedenen Zwecken gebraucht.

Industriell gewinnt man daraus die Alkaloide, deren hauptsäch-

202 liebstes das Morphium ist. Im fernen Osten wird es in zubereitetes Opium umgewandelt, eine Droge, die man isst, z. B. in Indien, oder die mau raucht, wie besonders in China.

Das Opium enthält je nach dem Herkunftsland 6--12 °/o Morphium, und sein Genuss verursacht, wie derjenige des Morphiums, eine Vergiftung, deren erste Folge eine Art Betrunkenheit ist. Im Gegensätze zu der Trunkenheit, welche der Alkohol verursacht, fördert das Opium die Tätigkeit der Gehirnfunktionen.

Auf dio Dauer indessen wird die Vergiftung des gesamten Organismus immer stärker, die Schlaflosigkeit wird zu einem dauernden Übel, die Verdauungsfunktionen sind gelähmt, die Abmagerung goht bis zum äussersteii, die Zähne werden vom Zahnfleisch entblösst, und der Mensch, unfähig zu jeder Anstrengung, hat keinen andern Willen mehr, als seinem Laster zu fröhnen. Es ist somit durchaus gerechtfertigt, dass unsere Landespharmakopöe das Opium zu den stark wirkenden Heilmitteln (separanda) zahlt und dass sie die Maximaldosis, welche der menschliche Körper auf einmal ertragen kann, auf 15 Zentigramm festsetzt, unter der Voraussetzung, dass die innerhalb 24 Stunden eingenommene Gesamtmenge 5 Dezigramm nicht übersteige.

Wenn das internationale Abkommen vom Haag daher keinen andern Zweck hätte als den Kampf gegen die Missbräuche, zu denen die Anwendung des Opiums Anlass gibt, so wäre die Teilnahme der Schweiz an dieser Bewegung immerhin eine moralische Unterstützung der Urheber dieses Kampfes; sie wäre vielleicht auch eine Massnähine klugen Vorbauens ; aber sie würde auf jeden Fall keinen Einfluss auf unsere nationale Volkswirtschaft oder auf unsere Sitten und Gebräuche ausüben. Sicherlich würde die Mitwirkung der Schweiz nicht einmal dazu beitragen, die dem Opium ergebenen Völker von ihrem Laster zu befreien.

Das Abkommen von 1912 verlangt einfach eine Überwachung, nicht aber eine Einschränkung in der Erzeugung von Rohopium, mit andern Worten, im Anbau des Schlafmohns; wir haben Anlass, dies zu bedauern, wenn wir auch die Gründe für das Fehlen strenger Bestimmungen verstehen. Der Umstand, dass das OpiumAbkommen auch gar keine Vorschrift mit Bezug auf den Anbau der Koka enthält, ist ebenfalls bedauerlich. Ehe wir an die Untersuchung des hauptsächlichsten Opiumalkaloids, des Morphiums, und des hauptsächlichsten Koka-Alkaloids, des
Kokains, gehen, erscheint es angebracht, sich darüber klar zu werden, dass das internationale Abkommen vom Haag zwei ganz verschiedene Gruppen von Betäubungsmitteln im Auge hat: die eine Gruppe umfasst die Stoffe, die vom Opium herrühren, d. h. also

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Morphium, Heroin, Kodein usw., die andere Gruppe sind die Extrakte der Koka, wozu hauptsächlich Kokain, Ekgonin usw.

gehören. Während der Schlafmohn in gewissen europäischen Ländern und im nahen und fernen Osten angebaut wird, ist die Koka ein Strauch, den man hauptsächlich in Südamerika findet, in Bolivien und Peru, sowie in Niederländiscb-Indien. Wie der Gebrauch des Opiums im Orient, so ist die Verwendung des Kokablattes seit Jahrhunderten unter den Eingeborenen von Südamerika verbreitet. Ebenso wie der Anbau des Mohns die ursprüngliche Ursache der Missbräuche ist, zu denen die Anwendung von Opium, Morphium und Heroin Anlass gibt, stellt der ebenfalls sehr stark übertriebene Anbau der Koka den Ausgangspunkt für dio Gefahren dar, welche für die Welt infolge der Vergiftung mittels des Kokains oder des Ekgonins entstehen. Das internationale Abkommen vom Haag tut der Koka nicht einmal Erwähnung. Es handelt sich somit um eine grosse Lücke, die in Zukunft noch auszufüllen ist.

Es ist äusserst schwierig und wahrscheinlich sogar unmöglich, genaue Zahlen über die Weltanbaufläche von Mohn zu geben.

Auch ist es unmöglich, genaue Statistiken über die Kokaptlanzungen zu liefern. In dieser Beziehung werden die Untersuchungen, welche der Völkerbund veraulasst hat, wenn sie zum Ziele führen, wertvolle Dienste leisten.

Das Morphium, das hauptsächlichste Opiumalkaloid, ist eine Droge, welche die Landespharmakopöe zu. der Kategorie der Vjstark wirkenden Medikamente"- (separanda) zählt und für welche «r die einfache Maximaldosis auf 3 Zentigramm und die tägliche Maximaldosis auf ein Dezigramm festsetzt. Das Morphium und seine Derivate, deren verbreitetstes das Heroin ist, werden gegenwärtig in Deutschland, in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Grossbritanmen, in Indien (in Ghazipour und in Ceylon sind zwei staatliche Fabriken), in Japan und in der Schweiz hergestellt.

Was das Kokain anbelangt, d. h. das hauptsächlichste Alkaloid der Koka, ein Gift, welches unsere Landespharmakopöe unter die ,,Gifte" (venena) reiht und wovon sie die einmalige Maximaldosis auf 3 Zentigramm und die tägliche Maximaldosis auf 6 Zentigramm festsetzt, so wird es gegenwärtig in Deutschland, in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, in den Niederlanden, in Japan und in der Schweiz fabriziert.

Die Morphiumsucht tritt um 1870
herum auf, zu einer Zeit, als das Verfahren der Hauteinspritzungen aufkam. Sie bildet eine Teilerscheinung jener Betäubungsmittelraanie, welche, wie ·die Morphiumsucht und die Kokainsucht, sich seit etwa 30 Jahren

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mehr oder weniger stark ausbreitet und, je nach dem Klimamit einer mehr oder weniger ausgesprochenen Vorliebe für das eine oder andere der Gifte gekennzeichnet ist. Ein erheblicher Teil der Morphiumsüchtigen wird von der Ärzteschaft gestellt, sowie TOD den Berufen, die mit ihr in Verbindung stehen. Sodann üind es diejenigen, die infolge einer Krankheit mit dem Morphium in Berührung gekommen sind, oder solche Offiziere und Matrosen, die nach erfolgter Dienstzeit in gewissen Kolonien opiumsüchtig wurden und in ihrem Lande nunmehr das Opium durch die Morphiumspritze ersetzen. Die Verheerungen, welche durch den Morphinismus verursacht werden, sind hauptsächlich im fernen Osten, besonders in China, offenkundig. Da die kaiserlichen Erlasse wie auch diejenigen der Republik den Opiumhändler und Opiumsüchtigen energisch verfolgten, haben sich die Chinesen auf das Morphium verlegt. China erzeugt nicht ein Gramm von dieser Droge ; es handelt sich daher ausschliesslich um importierte Ware.

Wir haben bereits erwähnt, dass die Zahl der Erzeugungsländer beschränkt ist. Da wir das einzige Fabrikationsland sind, in welchem der Ein- und Ausfuhrhandel mit Betäubungsmitteln keiner besondern Kontrolle unterworfen ist, so können wir auch unsern Teil an den Verantwortlichkeiten für die Überschwemmung mit Giften, die zurzeit den fernen Osten und im besondern China überflutet, nicht feststellen, während die andern Länder dies können. Von da bis zu gewissen die Schweiz belastenden Vermutungen ist nur ein Schritt. Der Bundesrat aber kann und will diesen Argwohn nicht anwachsen lassen.

Der Kokainismus ist um 10 Jahre jünger ale die Morphiumsucht. Die ersten Missbräu ohe, zu denen die ungesetzliche Verwendung dieser Droge gegenwärtig Anlass gibt, machten sich erst gegen 1880 bemerkbar. Ursprünglich dazu verwendet, die Morphiumsüchtigen zu entgiften, besonders in Amerika und in Grossbritannien, führte das Kokain bald dazu, die Nervenkranken, die es retten sollte, noch mehr in den Abgrund zu ziehen. Als Gift mit sehr heftigen Wirkungen hat das Kokain gegenüber dem Morphium den grossen Vorteil, die Einspritzungen unter die Haut und die hierfür notwendigen Instrumente entbehrlich zu machen.

Daher haben die Verheerungen, welche durch seinen Genuss verursacht wurden, in Europa und Amerika diejenigen des Morphinismus an Umfang
rasch übertroffen. Dieses Gift ist im Handel besonders bekannt unter der Form des Chlorhydrates ; grosse Verbreitung hat es hauptsächlich als Schnupfpulver gefunden, weil seine Wirkung auf die Schleimhäute besonders stark ist; es wurde jedoch erst vor dem Kriege ein allgemein verbreitetes

205 Übel. Die Einstellung der Feindseligkeiten hat seine weitere Ausbreitung nicht verhindert. Die Leiden der Jahre 1914--1918, die Umwälzungen auf moralischem ebenso wie auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet infolge der grossen politischen Zeitereignisse, die Schwierigkeiten des gegenwärtigen materiellen Daseins, die Unsicherheit der Zukunft haben unsere Gesellschaft für dieses neue Laster, die Giftmanie, empfänglich gemacht. Kann man durch Zahlen beweisen, dass die Gefahr tatsächlich von ernster Bedeutung ist? Die Bedrohung, um das Wort einer amerikanischen, die Giftsucht bekämpfenden Zeitschrift (,,The World "s Menace11) wiederzugeben, richtet sie sich wirklich gegen die ganze Welt? Es ist nicht möglich, Statistiken beizubringen; auch liegen mit Beziehung auf die Ausdehnung der Seuche keine Zahlen vor, aus dem einfachen Grunde, weil die von der Vergiftung Befallenen, die den Ärzten oder Irrenärzten in die Hände kommen oder die in Spitälern untergebracht sind und deren Zahl infolgedessen ermittelt werden kann, nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtzahl der Giftsüchtigen darstellen. Ebensowenig ist es möglich, auf die Statistik der Todesursachen abzustellen, um daraus den Anteil der Todesfälle abzuleiten, die durch Morphiumsucht oder Kokainsucht veranlagst wurden. In gewissen Fällen führt die Vergiftung sogar zum Irrsinn oder zum Tode, Zumeist jedoch stirbt der Vergiftete vor der völligen geistigen oder körperlichen Entartung an einer Krankheit, die in der Vergiftung ihre Ursache hat.

Wenn auch die genauen Ziffern fohlen, so beweisen doch andere Tatsachen, dass das Übel allgemein ist und dass die menschliche Gesellschaft wirklich einer Gefahr gegenübersteht. Ein Beweis hierfür liegt einmal darin, dass die Mehrzahl der uns umgebenden Staaten vor kurzem Gesetze über den Handelsverkehr mit Betäubungsmitteln erlassen hat, weil die bisherigen Bestimmungen als ungenügend betrachtet wurden. Das deutsche Gesetz über die Gifte ist im Jahre 1920 erlassen worden und seine Ausführungsbestimmungen im Jahre 1921 ; das in den Verdinigten Staaten zur Anwendung gelangende Gesetz datiert von 1921 : das französische Gesetz von 1916 wurde 1922 verschärft; das zurzeit in Grossbritannien geltende Gesetz datiert von 1920, das von Japan von 1921 und das der Niederlande von 1919. Wir haben absichtlich in unserer
Aufzählung nur diejenigen Staaten erwähnt, welche sich in einer der Schweiz ähnlichen Lage befinden, d. h.

diejenigen, welche Betäubungsmittel herstellen. Die meisten dieser Gesetze haben in den Parlamenten, wo sie zur Abstimmung gelangten, zu Erörterungen geführt. Hätten die zuständigen Paria-

208 meute sie wohl angenommen, wenn ihre Existenzberechtigung nicht offenkundig gewesen wäre ? In der Schweiz haben wir eine ähnliche Erscheinung. Schon zwei Kantone, Genf am 28. Januar 1922 und Waadt am 9. Mai 1921, sahen sich gezwungen, ihre Gesetzgebung über die Betäubungsmittel zu verschärfen.

Ausser dem Zeugnis aber, das in dem Erlasse dieser Gesetze liegt, ist es hauptsächlich dasjenige der Männer, denen die Urheber der Gesetzgebung gefolgt sind, deren Drängen sie nachgegeben haben und deren Mahnungen und Ratschlägen sie Gehör schenkten, d. h. dasjenige der Ärzte, welches auf die be&tehende Gefahr hinweist. Nun, was sagen die Ärzte? Dass in Deutschland die Qiftsacht, welche im Anfang auf die Lebewelt beschränkt schien, zurzeit alle Kreise der Bevölkerung, und zwar bis zur Arbeiterklasse, ergreift, dass in Kanada und den Vereinigten Staaten die Zahl der Personen, die dem Laster der Betäubungsmittel fröhnen, sich auf 4 Millionen belaufe, dass einzig in den Vereinigten Staaten der jährliche missbräuchliche Genuss von Giften einen Wept von 500,000,000 $ darstelle, dass in Frankreich die Ausdehnung des Handels mit Kokain ständig wächst, und von den grossen Städten, die zuerst angesteckt waren, bereits auf die Provinzorte übergreift, dass es sich auch in Grossbritannien gleich verhält, dass in Italien die Volksseuche bereits derart ausgedehnt ist, dass man in einigen Orten besondere Polizeiabteilungen bilden musste, um gegen die Seuche anzukämpfen, und in den Spitälern Sonderabteilungen eingerichtet werden mussten, um diese Art von Kranken unterzubringen.

Was die Schweiz anbelangt, so hat die medizinische Gesellschaft von Genf am 10. November 1921 einen Bericht eines ihrer Mitglieder über die Vergiftung durch Kokain und die Kokainsucht entgegengenommen. Mit Bezug auf unser Land drückte sich der Verfasser dieser Arbeit folgendermassen aus : ,,In der Schweiz erscheint die Vergiftung durch Kokain erst während des Krieges, um 1917 herum; aber die Zahl der Vergifteten wächst ausserordentlich schnell, und dies erklärt sich ohne weiteres: es ist leicht, sich Kokain zu verschaffen, und die Verkäufer sind in ihrem einträglichen Geschäfte nur selten belästigt. Die Zahl der Opfer vergrössort sich wie ein Oelflecken, und jeder Kokainsüchtige schafft innerhalb seiner Umgebung einen neuen Herd der Verbreitung
. ... Man findet Kokainsüchtige in allen Kreisen der Bevölkerung . . . Erst während der Ausarbeitung dieses Berichtes ist es uns zum Bewusstsein gekommen, in welch bedrohlicher Weise die Kokainsucht bei uns schon um sich gegriffen hat.

Ausser den Ärzten der Irrenanstalten und einigen Spitaläraten

207 ist sicherlich der Mehrzahl unserer Berufskollegen der Umfang der VerheeruDgen der Kokainsucht unbekannt; in der Tat vermeiden es dio Betroffenen, Ärzte aufzusuchen, weil sie wohl wiesen, dass die letztern sich bemühen würden, sie von ihrem Laster zu befreien.tl Am 27. November 1921 hat die schweizerische psychiatrische Gesellschaft an den Bundesrat eine Mitteilung gerichtet, der wir folgende Stellen entnehmen : .^Der Kokainismus, welcher im Laufe der letzten Jahre Europa heimsuchte, breitet sich in der Schweiz ausserordentlioh schnell aus ; diese Ausbreitung ist begünstigt durch die Propaganda der Kokainsuchtigen sowie durch die Lockungen der durch ·den Kokainhandel erzielten Gewinne.

Die Mitglieder der psychiatrischen Gesellschaft, die in ihren Kantonen die Mittel zur Bekämpfung der Kokainsucht studiert haben, sind allo einig, dass die kantonalen Gesetze ungenügend -sind, indem die Kokainhändler denselben mit Leichtigkeit entgohen können. Es ist daher notwendig, ein Bundesgesetz auszuarbeiten und selbst Schritte zugunsten einer internationalen Vereinbarung zu unternehmen, die allein imstande wäre, den sehr wohl organisierten unerlaubten Handel zu unterbinden.

Im Interesse der Volksgesundheit ersucht die schweizerische psychiatrische Gesellschaft den Bundesrat um möglichste Beschleunigung. Sie richtet gleichzeitig eine Eingabe an den Präsidenten des Nationalrates sowie an die Präsidenten der kantonalen Regierungen."'

Am 16. Mai 1922 wurde in der Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich eine Arbeit von einem ihrer Mitglieder über die Ausbreitung dös Kokainismus und die Mittel seiner Bekämpfung vorgelesen. Der Verfasser dieser Arbeit erklärte wörtlich: ,,Vor ·dem Kriege hatte der Kokainismus eine grössere Ausbreitung hauptsächlich nur in den Halbwelt- und Künstlerkreisen von Paris, von wo aus er sich aber in den Jahren 1915 und* 1916 rasch verbreitete ; damals wurden auch die ersten gehäuften Fälle in Genf, Lausanne und Zürich beobachtet. Kleinere Herde bestanden in Bern, Lugano und an einigen andern Orten. Diese neue Krankheit breitet sich sehr rasch aus. Sie erfasst nicht nur gewisse Kreise, sondern sehr verschiedene Klassen der Bevölkerung, wie Studenten, und sogar selbst Schüler. Die Ausbreitung ist deswegen so rasch, weil die Kokainsüchtigen am meisten Freude haben, in Gesellschaft zu
schnupfen und andere dazu zu verführen, a Das Übel ist sehr ernster Natur, zunächst wegen seiner Ausbreitungstendenz, die bewirkt, dass es von den besondern Kreisen, in denen es sich zuerst bemerkbar machte, auf immer weitere

208 soziale Schichten übergeht, sodann wegen seiner selbst, d. h.

wegen der körperlichen und geistigen Schäden und der daraus folgenden Verheerungen, die es verursacht. Es ist hier nicht der Ort, ein Bild des Krankheitszustandes der Morphium- und Kokainsucht zu entwerfen; aber wir wollten wenigstens auf die letzten Folgen hinweisen, um die ganze Schwere des Übels und die Notwendigkeit seiner Bekämpfung darzulegen. Dabei wählen wir als Beispiel die Kokainsucht, welche mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Genossen zunächst aus Nachahmungstrieb oder aus Müssigang, um einen Zustand besondern Wohlbefindens und sinnlicher Träume herbeizuführen, oder auch aus krankhafter Neugierde, wird das Kokain sehr bald ein unwiderstehliches Bedürfnis. Sobald nämlich die Droge zu wirken aufgehört hat und die Erregung der Gehirnnerven, dieser durch das Kokain verursachte Trunkenheitszustand, zu Ende ist, wird der Kokainsüchtige wie ein willenloser Fetzen, der, unfähig zu jeder Anstrengung, Angst- und Schreckensvorstellungen unterworfen ist.

Um alles dies zu vertreiben, braucht er die Droge, und so entsteht ein circulus vitiosus, indem die Droge gerade als Heilmittel gegen die Leiden benutzt wird, die von ihr herrühren, sobald sich die Wirkungen des Giftes nicht mehr fühlbar machen.

Wenn dies aber einmal zu einer feston Gewohnheit wurde, so tritt sehr rasch eine völlige Zerrüttung des Organismus ein. Der Kranke magert ausserordentlich schnell ab ; Sinnesverwirrungen und Gesichtstäuschunge treten immer stärker auf, die seelische Niedergeschlagenheit und völlige Willenlosigkeit wird immer ausgesprochener, und die geistige Entartung kann bis zum Wahnsinn gehen. Das moralische Sein als solches ist angegriffen : der Kokainsüchtige ist fähig zu Gewaltakten, und man stellt mitunter bei ihm Anfälle von Mordlust fest. Doch die Bilanz der Kokainsucht ist damit nodi nicht zu Ende. Durch die unvermeidliche Zerrüttung des Organismus, welche sie verursacht, fördert sie gleichzeitig auch die schweren Infektionskrankheiten, und zwar im besondern die Tuberkulose. Tatsächlich sterben denn auch viele Kokainsüchtige un dieser letztern Krankheit. Schliesslich, was noch schwerer ist, zeigen gewisse Beobachtungen, dass die Wirkungen der Kokainsucht nicht auf den einzelnen Menschen beschränkt bleiben, sondern auch auf seine Nachkommenschaft
übergehen und so eine Ursache für die Entartung der ganzen Rasse werden.

Was wir soeben über die Kokainsucht ausgeführt haben,, lässt sich bis auf einige wenige Einzelheiten auch von der Morphiumsucht sagen; und wenn es auch richtig ist, dass das Bild.

209 ·welches wir soeben in kurzen Zügen entworfen haben, nicht bei allen Kranken in Erscheinung tritt und dass nicht alle auf einen solchen körperlichen, geistigen und moralischen Tiefstand sinken und sogar dauernde Heilungen möglich sind, besonders bei den Morphiumsüchtigen, eo sollte unseres Erachtens die Tatsache, dase das Übel vorhanden ist und seine Ausbreitung befürchtet werden muss, doch genügen, um uns die Notwendigkeit seiner Bekämpfung klarzumachen.

Die Schlussfolgerung ist somit gegeben: Das internationale Haager Abkommen strebt mit Recht die allgemeine Unterdrückung -des Missbrauchs von Opium, Morphium, Kokain und deren Derivaten an, und zwar in Form der Einführung einer strengen Kontrolle des Handels mit diesen Stoffen.

Ihre Schädlichkeit und die Verheerungen, welche ihre ungesetzliche Verwendung verursachen, rechtfertigen in vollem Umfange die Einrichtung eines strengen Überwachungssystems.

Der letzte Punkt, der einer Prüfung unterzogen werden muss, betrifft die Frage, warum die geltenden staatlichen Massnahmen als ungenügend für die Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln betrachtet werden müssen und warum ein internationales Abkommen notwendig ist. Man hört sehr oft sagen : Wenn jedes am Anbau des Mohns und der Koka sowie an der Herstellung der Alkaloide interessierte Land gewissenhaft die Fabrikation und die Ausfuhr dieser Stoße überwachen würde, wäre eine internationale Vereinbarung überflüssig. Dies ist zweifellog richtig; allein os ist nicht zu vergessen, dass die Herstellung TOD Betäubungsmitteln eine ausserordentlich einträgliche Industrie darstellt und dass der verbotene Handel mit denselben verhältnis·mässig leicht ist, weil 1. eine äusserst kleine Menge der Droge genügt, um eine ganz erhebliche Anzahl von Einspritzungen oder Prisen zu verschaffen, 2. die durch den Schmuggel mit diesen Stoffen erzielten Gewinne sehr hoch sind und 3. die Anwendung falscher Warenbezeichnungen keine besonderen Schwierigkeiten bietet.

Ist es unter solchen Umständen wahrscheinlich, dass ein Staat sich bereitflnden wird, Kontrollmassnahmen zu treffen, wenn er nicht die Sicherheit hat, dass seine Anstrengungen nicht deswegen wertlos werden, weil die Nachbarländer keine Kontrolle haben und somit zum Zentrum eines verbotenen Handels werden tonnen? Im weitern, würde dieser Staat wohl eine Ordnung

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treffen, die suinen Alkaloidfabriken sehr wahrscheinlich Opfer auferlegen und die freie Entwicklung seiner Industrie sicherlich beeinträchtigen wird, wenn eine ausländische, von ihrer Regierungweniger streng überwachte Industrie von den Hemmnissen den Vorteil haben sollte, die er seiner Industrie bereitet? -- Nein.

Daher verlangen denn auch die Staaten, dass, nachdem einmal eine Überwachung der Herstellung und des Vertriebs von Betäubungsmitteln im Grundsatz als notwendig erkannt wurde, von jedem Staate das Versprechen zur Errichtung eines Überwachungssystems vor der Gemeinschaft der Nationen abgegeben werde.

Dieses Versprechen würde nun eben in der Genehmigung de» internationalen Opium-Abkommens und in der Unterzeichnung des Protokolls betreffend seine Inkraftsetzung bestehen.

III, Kapitel.

Der internationale Kampf gegen die Betäubungsmittel.

Die internationale Kommission von Shanghaù Abgesehen von gewissen internationalen Verträgen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zwischen China einerseits und den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Grossbritannien anderseits abgeschlossen wurden und Bestimmungen betreffend das Opium enthalten, hat jene Vereinigung, welche man die internationale Kommission von Shanghai nennt, zum ersten Male verhältnismässig zahlreiche Mächte zu einer Konferenz eingeladen, um Massnahmen internationaler Art für den Kampf gegen die Opiumsucht zu erlassen. 13 Staaten nahmen an den Arbeiten dieser Kommission teil : Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika, Österreich-Ungarn, China, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, die Niederlande, Portugal, Persien, Siam und Russlaud.

Die Verhandlungen dauerten 26 Tage, Einberufen wurde die Konferenz auf Anregung der Vereinigten Staaten, weshalb sie auch von einem Amerikaner, Mgr. Brent, präsidiert wurde, dessen Name mit der Geschichte des Kampfes gegen die Betäubungsmittel verbunden bleiben wird, um so mehr, als er auch zwei Jahre später die erste internationale Konferenz im Haag eröffnete und leitete. Es ist interessant, kurz an diese erste Gelegenheit zu erinnern, die gewissen Staaten geboten war, offiziell die Opiumfrage zu besprechen, weil sie den ersten Schritt im Kampfe der zivilisierten Welt gegen die Giftseuche seit 15 Jahren darstellt und weil seitdem die Bewegung gewissermasscn allgemein wurde durch die Zahl der teilnehmenden Staaten sowie durch die immer zunehmende Zahl der Drogen, auf die sie sich bezieht.

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Abgesehen davon verdient die internationale Kommission von Shanghai auch aus einem andern Grunde unsere Aufmerksamkeit.

Zum ersten Male ist es nicht ausschliesslich das Problem des Opiums, welches behandelt wurde, sondern auch dasjenige seiner Derivate. Auf einmal sind es nicht mehr nur die Fragen der Volksgesundheit im Orient oder in den Kolonialstaaten, welche im Spiele sind, sondern diejenigen der ganzen Welt. Aus einer Angelegenheit besonderen Charakters ist es eine solche von -allgemeiner Bedeutung geworden.

Nachdem die Frage der Aikaloide des Opiums uns besonders angeht, führen wir von den 9 Forderungen, die am 26, Februar 1909 in Shanghai aufgestellt wurden, die fünfte hier wörtlich an.

Sie zeigt die Gefahr, welche das Morphium bereits vor 15 Jahren für die Gesellschaft bildete, und zwar nach der Auffassung von sehr kompetenten Spezialisten.

,,V. Die internationale Opinm-Kominission findet, dass der Mangel an einschränkenden Bestimmungen für die Herstellung, den Verkauf und den Vertrieb von Morphium jetzt schon eine schwere Gefahr bildet und dass die Morphiumsucht im Begriffe ist, sich noch weiter auszudehnen; die Kommission legt infolgedessen Wert darauf, bei allen Regierungen auf die Bedeutung hinzuweisen, welche die Einführung strenger Massnahmen in jedem Lande sowie in seinen Kolonien für die Kontrolle der Herstellung, des Verkaufs und der Verteilung dieser Droge, sowie derjenigen Derivate des Opiums hätte, welche eine wissenschaftliche Untersuchung als geeignet erweisen könnte, ähnliche Missbräuche und schädliche Wirkungen hervorzurufen wie das Opium selbst." Das Ergebnis der Arbeiten der internationalen Kommission von Shanghai machte sich nicht sofort bemerkbar. Die Kommission brachte nur eine Reihe von Wünschen zum Ausdruck.

Der e r s t e n K o n f e r e n z im H a a g , die neuerdings auf Wunsch der Regierung der Vereinigten Staaten einberufen wurde, obwohl zwar die Einladungen von der niederländischen Regierung ausgingen, gebührt das Verdienst, ein internationales Abkommen, genannt das Opium-Abkommen, ausgearbeitet zu haben. Alle in Shanghai vertretenen Mächte, mit Ausnahme von Österreich-Ungarn, entsandten Vertreter an die erste Konferenz im Haag. Ihre Arbeiten dauerten vom 1. Dezember 1911 bis zum 23. Januar 1912.

Diese Konferenz bedeutet gegenüber der internationalen
Kom. mission von Shanghai einen erheblichen Fortschritt. Zunächst begnügten sich die Mitglieder der Konferenz nicht mehr damit, ihren Regierungen blosse Wunsche zu unterbreiten; das Abkommen, welches sie ausarbeiteten und unter Vorbehalt der

212 Ratifikation unterzeichneten, stellt eine Verpflichtung dar, dass jeder Vertragsstaat eine Gesetzgebung betreffend den Handel mit Betäubungsmitteln schaffen werde, wofür die im Abkommen vom Haag enthaltenen Grundsätze die Grundlage bilden sollten.

Zweitens verspricht jeder Vertragsstaat, die Herstellung und den Vertrieb nicht nur von Opium und seinen Derivaten, sondern auch aller derjenigen Betäubungsmittel, die vom Opium oder von der Koka gewonnen werden und den Anlass zu ähnlichen Missbräuchen und schädlichen Wirkungen geben könnten, einer besondern Ordnung zu unterstellen. Schliesslich, und dies ist die Hauptsache, handelt es sich nicht mehr um einen beschränkten Kreis von Staaten, deren Mitwirkung gewonnen wurde; alle Länder sind eingeladen, an dem grossen Werke mitzuarbeiten.

Eine der wichtigsten Feststellungen der ersten Konferenz im Haag war die, dass der Kampf gegen den Missbrauch von Betäubungsmitteln international gestaltet werden müsse, indem sich die Wirkungslosigkeit der Schutzrnassnahmen eines einzelnen Staates offenkundig ergeben hatte, solange die Nachbarstaaten fortfuhren, die Gifte uneingeschränkt herzustellen.

Da auf der Koni'ereuz im Haag- nur 12 Staaten vertreten waren, wurde die niederländische Regierung von der Konferenz beauftragt, die abwesenden Mächte zum Beitritt einzuladen. Der Bundesrat erhielt am 26. Februar 1912 eine Einladung der niederländischen Regierung, einen Bevollmächtigten zu ernennen, der im Haag das Protokoll unterzeichnen sollte, welches von der Konferenz für diejenigen Mächte erstellt worden war, die an ihren Beratungen nicht teilgenommen hatten. An 32 andere Staaten erging eine ähnliche Mitteilung. Für die Inkraftsetzung des Abkommens war folgendes Verfahren vorgesehen: Nachdem alle fehlenden Unterschriften eingeholt waren, sollte die niederländische Regierung die Signatarmächte auffordern, das Abkommen zu .ratifizieren. Für den Fall, dass nicht von allen eingeladenen Staaten die Unterschrift bis zum 31. Dezember 1912 erlangt werden konnte, sollte die niederländische Regierung unverzüglich die Signatarmächte einladen, auf dieses Datum Vertreter nach dem Haag zu entsenden zur Prüfung der Frage, ob wenigstens ihre Ratitikationsurkunde hinterlegt werden könnte, Der zweite Fall trat dann in Wirklichkeit ein. Ausser den 12 Mächten, die das Abkommen vom
23. Januar 1912 unterzeichnet hatten, setzten nur noch 17 *) von den 33 eingeladenen *) Es waren die« Argentinien, Belgien, Brasilien, Canada, Costa Rica, Dänemark, die Dominikanische Republik, Ecuador, äpauieu, Guatemala, Haiti, Honduras, Luxemburg, Mexiko, Paraguay, Salvador und Venezuela.

213 ·Staaten vor dem 31. Dezember 1912 ihre Unterschrift unter das Haager Abkommen.

Was den ßimdesrat betrifft, so richtete er \inter dem 25. Oktober 1912 an die niederländische Gesandtschaft ein Schreiben, in dem er die Gründe auseinandersetzte, die ihn veranlasst hatten, ·der ergangenen Einladung keine Folge zu leisten.

D i e z w e i t e i n t e r n a t i o n a l e K o n f e r e n z i m Haag trat am 1. Juli 1913 zusammen. Sie beriet bis am 9. desselben Monats und wurde vom ersten niederländischen Delegierten präsidiert. Die Zahl der Staaten, die daran teilnahmen, belief sich 3,uf 24. Es waren dies zwar nicht die 45 vorgesehenen Mächte ; allein das erreichte Ergebnis erschien nichtsdestoweniger erfreulich. Die Erörterungen bezogen sich besonders auf 2 Punkte, nämlich auf die Frage, ob es trotz des Fehlens eines Teils der Unterschriften möglich sei, das Abkommen zu ratifizieren, und zweitens darauf, welche Schritte bei den noch fernstehenden Staaten augebracht erschienen, um sie zum Beitritte zu veranlassen.

Mit Bezug auf die erste Frage beschloss die Konferenz, in Abänderung des Verfahreos, das von der ersten Konferenz genehmigt worden war, dass die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden sofort statttinden könne, immerhin unter der Voraussetzung, dass das Abkommen erst an dem Tage in Kraft trete, an dem die sämtlichen eingeladenen Mächte das Abkommen unterschrieben hätten. Um aber das Datum der Inkraftsetzung des Abkommens nicht auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben, beschloss die Konferenz, die Prüfung der Möglichkeit des Inkrafttretens der Vereinbarung von 1912 einer dritten Konferenz zu übertragen, wenn bis zum 31. Deaernber 1913 nicht sämtliche Unterschriften erfolgt sein sollten.

Was die zweite Frage betrifft, welche auf der zweiten Konferenz im Haag zur Erörterung stand, nämlich diejenige betreffend die zu unternehmenden Schritte, um die fernstehenden ·Staaten zum Beitritte zu veranlassen, so wurde eine Anzahl Schreiben verfasst, welche die niederländische Regierung weiterleiten sollte. Nachdem in der Zeit vom 1. Januar 1913 bis zum Zusammentritt der zweiten Konferenz im Haag noch vier weitere Unterschriften gegeben worden waren, musste die Aufforderung der Konferenz nur mehr an 15 Staaten gerichtet werden. Der Bundesrat erhielt unter dem 13. September 1913 von der niederländischen
Gesandtschaft in Bern das folgende Schreiben : ,,In einer Reihe von Zusammenkünften in der Zeit vom l, bis 9. Juli 1913 hat die Konferenz die Frage, welche ihr durch S 2 von Artikel 23 des internationalen Opium-Abkommens vom.

Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. I.

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23. Januar 1912 unterbreitet wurde, einer eingehenden Prüfung: unterzogen. Die Konferenz spricht auf Grund dieser Beratungenden Wunsch aus, dass die niederländische Regierung die schweizerische Regierung darauf aufmerksam mache, dass sie sich in» einem Irrtum befinde, wenn sie ihre Mitarbeit als wertlos betrachte.

Im Gegensatze zu der im Schreiben des Bundesrates vom 25. Oktober 1912 enthaltenen Auffassung glaubt die Konferenz, dass dieMitwirkung der Schweiz ausserordentlich nützlich wäre, während ihr Fernbleiben die Ergebnisse des Abkommens ernstlich beeinträchtigen würde. Was die vom Bundesrat aufgeworfene Frage betreffend die Anpassung der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung anbelangt, so ist zu bemerken, dass die Schwierigkeiten dieser Art bereits von der ersten Konferenz vorausgesehen und in angemessenem Umfange bei der Ausarbeitung des Abkommens berücksichtigt wurden.a Der Schritt, den die niederländische Regierung im Namen der zweiten Haager Konferenz beim ßundesrat unternommen hatte, wurde nacheinander im Laufe der folgenden Monate von den Vereinigten Staaten von Amerika, von Frankreich, Grossbritannien und Russland unterstützt.

Der Bundesrat unterzog die Frage, ob die Unterzeichnung des Abkommens angebracht erscheine, einer eingehenden Prüfung^ Das Ergebnis derselben fiel in bestätigendem Sinne aus, und der verstorbene Herr Minister Carlin, der damals schweizerischer Gesandter in Grossbritannien war, unterzeichnete am 29. Dezember 1913 das Haager Abkommen. Er tat es ,,unter Ratiökationsvorbehalt und mit der Erklärung, dass es der Schweiz, kaum möglich sein werde, innerhalb der vom Abkommen festgesetzten Frist die nötigen gesetzgeberischen Erlasse fertigzustellen".

Der von der Haager Konferenz vorgeschlagene Weg, die Inkraftsetzung des Abkommens auf den 31. Dezember 1913 durchzuführen, erwies sich als ungangbar. Statt 15 Unterschriften wurden zwischen dem 9. Juli 1913 und dem Ende des Jahres nur 7 gegeben. Man musste daher eine dritte Konferenz zusammenberufen. Sie fand im Haag vom 15. bis 25. Juni 1914 statt.

Diesmal nahmen 30 Staaten daran teil. Sie kamen zum Schlüsse, das Abkommen in Kraft zu setzen, trotzdem einige der eingeladenen Mächte dasselbe noch nicht unterzeichnet hatten. Zu diesem Zweck wurde ein ,,Protokoll betreffend die Inkraftsetzung des Abkommens" im Haag verfaest. Das Protokoll kann von jedem Staate unterzeichnet werden, der das Abkommen von 1912 unterschrieben und ratifiziert hat und die Erklärung abgibt, dass

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dieses für sein Gebiet wirksam sein solle. Dieses vereinfachte Verfahren ersetzte in Zukunft das komplizierte frühere, welches die beiden Konferenzen im Haag vereinbart hatten.

Wir glaubten, die verschiedenen Stadien der Verhandlungen etwas ausführlicher schildern zu sollen, welche mit dem Augenblick begannen, wo zur Verwirklichung der Idee der internationalen Zusammenarbeit gegen die Betäubungsmittel der erste Schritt getan wurde, und die fortgesetzt wurden bis zu dem Zeitpunkte, wo die Regierungen nach erfolgter Verständigung die Verpflichtung eingingen, entsprechende Massnahmen zu treffen*). Dieser Verlauf ist bezeichnend. Er zeigt die ausserordentliehen Schwierigkeiten, denen jeder Versuch einer Regelung des Handels mit Betäubungsmitteln begegnete. Er beweist im übrigen -- ist die Hartnäckigkeit, mit welcher die im Haag vertretenen Staaten die Anwendung des Abkommens hinausschoben, bis alle Beitrittserklärungen erfolgt waren, nicht ein Beweis dafür? -- die Notwendigkeit, dafür Sorge zu tragen, dass der in Shanghai und im Haag von 1909 bis 1914 errichtete Damm keine Lücken aufweise, da auch nur die geringste Lücke den Erfolg des ganzen Unternehmens gefährden könnte.

Im Augenblicke der Kriegserklärung war noch keine Unterschrift unter das Protokoll betreffend die Inkraftsetzung des Abkommens eingegangen. Während des Krieges, d. h. von 1914 bis 1918, unterschrieben nur fünf Staaten. Es waren dies, in chronologischer Reihenfolge, die Vereinigten Staaten von Amerika, China, die Niederlande, Honduras und Norwegen, Im Zeitpunkte der Versailler Friedenskonferenz im Frühjahr 1919 war die Sachlage noch unverändert, Die Beitrittserklärungen wären sicherlich auch fernerhin nur ganz zögernd erfolgt, indem die Welt in diesem Augenblicke von andern politischen und sozialen Kundgebungen in Anspruch genommen war, wenn nicht im Jahre 1918 schon, als die Friedensverhandlungen in greifbare Nähe rückten, der leitende Rat der internationalen Vereinigung für den Kampf gegen das Opium in Peking Telegramme an Clemenceau, Lloyd George und Wilson sowie an andere Persönlichkeiten gesandt hätte, um von ihnen die Einfügung einer besondern Bestimmung betreffend die Ratifikation des Haager Abkommens in die abzuschliessenden Friedensverträge zu verlangen. Ausser diesen Vorstellungen sind diejenigen der Gesellschaft für die
Unterdrückung des Opiumhandels *) Die erste Unterschrift, diejenige der Vereinigten Staaten, unter das Protokoll betreuend die Inkraftsetzung des Abkommens datiert vom 11. Februar 1915.

216 in London zu erwähnen. Wir hielten es für angebracht, diese Schritte privater Natur zu erwähnen, weil die Einfügung von Artikel 295 in den Friedensvertrag von Versailles sowie von ähnlichen Bestimmungen in die Verträge von St-Germain, Neuilly und Trianon Anlass zu falschen Auslegungen gegeben hat. Dadurch, dass sie die Aufnahme einer Bestimmung in die Friedensverträge verlangten, wonach derjenige, der diese letztern genehmigte, ipso facto auch das internationale Haager Abkommen ratifiziere, sicherten die Vereinigungen, welche die Betäubungsmittelseuchc in Wort und Schrift bekämpfen, dem Abkommen von 1912 die Existenzmöglichkeit. Auf Grund von Artikel 295 des Versailler Vertrages sowie ähnlicher Artikel in den Verträgen von St-Germain, Neuilly und Trianon unterzeichneten 24 Staaten im Jahre 1920 das Protokoll von 1914. Das Bestehen des iuternationalen Opium-Abkommens war damit sichergestellt.

Durch die Einfügung von Artikel 23 c in den Völkerbundspakt, wonach, die Mitgliedstaaten den Bund mit der allgemeinen Überwachung der Abmachungen betreffend den Handel mit Opium und anderen schädlichen Mitteln betrauen, schulen die Urheber des ,,Covenant" für das internationale Haager Abkommen eine dauernde Überwachungsbehörde. Selbstverständlich sieht auch das internationale Opium-Abkommen, wie jeder Vertrag, vor, dass eine Regierung, diejenige der Niederlande, die Unterschriften, Beitrittserklärungen, Rundungen und Hinterlegungen der Ratifikationsurkunden registriere und den übrigen Mitgliedstaaten bekanntgebe. Auf alle Fälle aber haben die Urheber des Völkerbundspaktes dadurch, dass sie dem Völkerbund ausgedehnte Vollmachten verliehen, die Wirksamkeit des Unternehmens sichergestellt, welches die internationale Kommission von Shanghai angefangen, die drei Haager Konferenzen von 1911 bis 1912, 1913 und 1914 weiter ausgebaut und auf dessen Dauerhaftigkeit die Friedensunterhändler hingewirkt hatten.

Die Aufgabe der ersten Völkerbundsversammlung bestand darin, die Frage zu lösen, in welcher Weise der Völkerbund die ihm übertragene Aufgabe erledigen könnte. Zu diesem Zwecke beschloss die erste Völkerbundsyeraamrnlung, eine beratende Kommission einzusetzen, die dem Rate und der Versammlung ein technisches Gutachten über die ganze Frage der Betäubungsmittel erstatten sollte, soweit der Völkerbund berufen sein
könnte, sie zu prüfen. Zur Teilnahme an dieser ; Köm mission wurden die Vertreter der an der Opiumfrage am meisten interessierten Staaten entsandt, d. h. von China^ Frankreich, Grosebritanien, Indien, Japan, Portugal und Siam. Im weitern wurde dem Völkerbunds-

217 rate die Vollmacht erteilt, diese ursprüngliche Kommission durch Vertreter anderer Staaten zu erweitern, soweit ihre Anwesenheit nützlich erscheine, ob sie nun Mitglieder oder Nichtraitglieder des Völkerbundes seien ; man dachte dabei in erster Linie an die Vereinigten Staaten. Gegenwärtig, d. h. zwei Jahre nach ihrer endgültigen Zusammensetzung, sind in der beratenden Kommission für das Studium des Opiumhandels ausser den Vertretern der 7 ursprünglich vorgesehenen Staaten noch die Vertreter von Deutschland und den Vereinigten Staaten.

Nachdem mit Bezug auf die Zuständigkeit der beratenden Kommission gewisse Missverständnisse entstanden sind, erscheint es angezeigt, einen kurzen Überblick darüber zu gehen. Ihre Aufgabe besteht, wie ihr Titel dies anzeigt, darin, Vorschläge auszuarbeiten. Dem Völkerbundsrat oder der Völkerbundsversammlung steht es zu, die Gutachten, welche die Kommission herausgibt, zu genehmigen, oder gegebenenfalls in Wünsche, Resolutionen und Beschlüsse umzugestalten. Da nun jedes Mitglied des Völkerbundes das Recht hat, Vorschläge, die ihm vom Völkerbundsrat oder von der Vülkerbundsversammlung unterbreitet werden, anzunehmen oder abzulehnen, so steht es der Schweiz durchaus frei, sich zu den Vorschlägen zu äussern, welche die Kommission gegebenenfalls vorbringen kann.

Die zweite und dritte Völkerbundsversammlung arbeiteten einen grossen Aktionsplan aus, der dazu bestimmt sein soll, den Forderungen des Abkommens von 1912 ihre volle "Wirksamkeit zu verschaffen. Dieser Arbeitsplan sieht 3 besondere Aufgaben vor : 1. Nachdem die Nutzlosigkeit eines gesonderten Vorgehens und halber Massnahmen im Kampfe gegen den Missbrauch von Betäubungsmitteln nun einwandfrei festgestellt wurde und .offenkundig ist, soll der erste Schritt des Völkerbundes darin bestehen, die dem Haager Abkommen noch fernstehenden Staaten zum Beitritt einzuladen.

2. Da die Möglichkeit der Einschränkung der gesamten gegenwärtigen Betäubungsmittelproduktion auf die einzig zulässigen wissenschaftlichen und ärztlichen Bedürfnisse vor allem von der wenigstens annähernd richtigen Kenntnis dieser Bedürfnisse abhängt, so muss der Völkerbund in zweiter Linie darauf bedacht sein, eine Untersuchung zu veranstalten, um sich über die Menge der zurzeit in der Welt vorhandenen Gifte sowie über den Umfang des zulässigen
Bedarfs Rechenschaft zu geben. Erst wenn diese Ziffern einmal bekannt sind, wird es möglich sein zu sagen : Die erzeugte Menge übersteigt um so und so viel den tatsächlichen Bedarf ; folglich muss die Gesamterzeugung um so und so

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viel vermindert werden, handle es sich dabei um Rohmaterialien oder um verarbeitete Stoffe.

Gegenwärtig ist die Untersuchung noch im Gange. Es wird voraussichtlich noch Jahre dauern, ehe das ideale, vom Völkerbund gesteckte Ziel erreicht ist. Indessen kann man heute schon feststollen, dass die vom Völkerbund angenommene Methode, wenn sie auch sehr theoretisch erscheinen mag, zweckmässig ist, dass ihr Erfolg jedoch in erster Linie von dem guten Willen abhängt, den die interessierten Staaten mit Beziehung auf die Erteilung der Antworten an den Tag legen werden.

3. Wie wir ausgeführt haben, verpflichtet sich im internationalen Opium-Abkommen ein Staat gegenüber den andern Vertragsstaaten, auf seinem Gebiete besondere Massnahmen über den Handel mit Betäubungsmitteln zu treffen, wobei die im HaagerAbkommen festgelegten Grundsätze massgebend sein sollen. Da die Fassung gewisser Grundbestimmungen des Abkommens von 1912 Anlass zu engerer oder weiterer Auslegung geben kann, sind die Vertreter der Mitgliedstaaten des Völkerbundes während der zweiten und dritten Völkerbundsversammlungübereingekommen, ihren Regierungen eine übereinstimmende Auslegung derjenigen Bestimmungen vorzuschlagen, die strittig eein könnten. Mit andern Worten, die zweite und dritte Völkerbundsversammlung haben den Inhalt gewisser Artikel des Abkommens näher umschrieben und ihnen das beigefügt, was man Ausführungsbestimmungen nennen könnte.

So unterbreitet hauptsächlich im Hinblick auf die volle Wirksamkeit der Artikel 3, 8 und 13, der Völkerbund seinen Mitgliedern den Vorschlag, diese Artikel nach einheitlichen, und zwar strengen Grundsätzen anzuwenden. Artikel 3 ordnet die Frage der Ausfuhr von Rohopium. Da die Schweiz diesen Stoff nicht ausführt, können wir auch die Bestimmungen des Abkommens von 1912 beiseite lassen, welche sich mit den hierfür zu treffenden Massnahmen befassen. Artikel 8 betrifft die Ausfuhr von zubereitetem Opium (Rauch- oder Essopium). Auch solches stellt die Schweiz nicht her und führt es infolgedessen auch nicht aus.

Wir können uns daher auch über diese Vertragsbestimmung weitere Ausführungen ersparen. Artikel 13 bezieht sich auf die Ausfuhr von Alkaloiden. Hier ist die Schweiz sowohl an der Herstellung wie an der Ausfuhr interessiert; ihre Ausfuhr soll sogar mehr ale 95 °/o ihrer Erzeugung ausmachen. Artikel
13 des Haager Abkommens hat aomit für ihre ohomische Industrie eine erhebliche Bedeutung. Dieser Artikel bestimmt, dass die Ausfuhr von Alkaloiden nur an solche Personen erfolgen dürfe, welche die durch

219 «die Gesetze und Verordnungen des Einfuhrlandes dafür vorgesehene Ermächtigung oder Erlaubnis erhalten haben. Daher sieht Artikel 13 im weiteren vor, dass es jeder Regierung vorbehalten bleibt, von -Zeit zu Zeit den Regierungen der Ausfuhrländer Listen der Personen zu übermitteln, den die Ermächtigung oder Erlaubnis zur Einfuhr gewährt worden ist. Es könnte bei Auslegung dieser Bestimmung nach ihrem Wortlaute scheinen, dass die Ausfuhrländer gehalten seien, die von den Einfuhrländern für die Kontrolle ihrer Einfuhr für wünschenswert gehaltenen Massnahmen zu beobachten, und zwar in dem Sinne, dass eine gewisse An·zahl von Personen näher bezeichnet werde, denen die Ermächtigung zur Einfuhr erteilt wird. Nach dem Wortlaute von Artikel 13 stünde es somit dem Einfuhrland frei, von sich aus die Bedingungen für die Ausbändigung der Erlaubnisscheine und besonders für ihre Gültigkeitsdauer festzusetzen. Die Frage der Gültigkeitsdauer der Erlaubnisscheine hat bei der beratenden Kommission für den Opiumhandel gewisse Befürchtungen wachgerufen, die im übrigen in der Folge vom Rat und von der Völkerbundsversammlung geteilt wurden, Wena zum Beispiel ein Land unbeschränkte Einfuhrerlaubnisscheine oder solche mit mehrjähriger Gültigkeitsdauer auestellt, hat es dann die absolute Sicherheit, dass der Inhaber des Scheines nicht an einem schönen Tage seine bevorzugte Stellung missbraucht? Um sich der Gefahr bewusst zu werden, welche die Ausstellung von zeitlich unbegrenzten oder zu lang gültigen Erlaubnisscheinen in sich birgt, muss man -sich stets die grosse Versuchung vor Augen halten, welche für ·den zur Einfuhr von Betäubungsmitteln Berechtigten darin liegt, dass der heimliche Handel mit Giften gewaltige Gewinne einbringt.

Aus diesem Grunde hat die zweite Völkerbundsversammlung am 30, November 1921 eine Resolution angenommen, wonach die Artikel 3, 8 und 13 des Abkommens in dem Sinne auszulegen sind, dass die Frage der Gültigkeitsdauer einer Einfuhrbewilligung nicht mehr dem Belieben der Einfuhrländer überlassen ist, sondern auf einer einheitlichen Basis geregelt wird, und zwar derart, dass ·die Erlaubnis nur einen Gutschein darstellt, der zu einer einzigen Einfuhr berechtigt und jedesmal erneuert werden muss. Schliesslich sieht das vom Völkerbund eingeführte System der Einfuhrlizenzen nicht nur vor, dass jede
Einfuhr vom Exporteur ausdrücklich nachgesucht und von seiner Regierung bewilligt sein muss, sondern auch, dass das Ausfuhrland die Ausfuhr nicht in beliebigen Mengen gestatten darf. Auch ist der Importeur verpflichtet, vorerst dem Exporteur eine Bescheinigung auszuhändigen, ·die von seiner Regierung ausgestellt sein muss und welche dahin

220 lautet, dass die letztere mit der Einfuhr der verlangten MengeDrogen in ihr Land einverstanden und dass diese Menge für die ärztlichen und wissenschaftlichen Bedürfnisse des Landes erforderlich ist. Die durch das System der Ein- und Ausfuhrscheine geschaffene Kontrollo ist somit ausserordentlich scharf. 18 Staaten wenden dieses System gegenwärtig an: Südafrika, Albanien, Österreich, Dänemark, Spanien, Grossbritannien, Griechenland, Indien, Italien, Japan, Lettland, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Panama, Polen und Siam. Eine Grosszahl anderer Staaten haben das Prinzip als solches angenommen. Es sind dies :.

Deutschland, Österreich, Belgien, China, Cuba, Estland, Haiti, Ungarn, Litauen, die Niederlande, Peru und Schweden.

Der Völkerbund hat sich noch mit Bezug auf einen zweiten, Punkt bemüht, dem Abkommen von 1912 eine bestimmte Auslegung zu geben. Artikel 216 dés Haager Abkommens bestimmt,, dass sich die Vertragsstaaten durch Vermittlung des niederländischen Ministeriums des Äussern fgegenwärtig erfolgen die Mitteilungen mit Zustimmung der niederländischen Regierung durch Vermittlung des Generalsekretariats des Völkerbundes) ,,die statistischen Angaben über den Handel mit Rohopium, verarbeitetem Opium, Morphium, Kokain und deren Salzen, sowie den andern, in diesem Abkommen erwähnten Stoffen, deren Salzen oder Vorbereitungen" mitteilen. Diese statistischen Angaben, fügt Artikel 216 bei, sollen so eingehend und rasch mitgeteilt werden, als dies für möglich erachtet wird. Vom Wunsche beseelt, dieser Bestimmung ihre grösstmögliche Wirksamkeit zu geben, hat die zweite Völkerbundsversammlung eine gewisse Anzahl von Resolutionen angenommen, wonach die verlangten Angaben jedes Jahr gemacht werden sollten, und zwar in der Forin eines Berichtes, der im gegebenen Zeitpunkte dem Generalsekretariat des Völkerbundes einzureichen ist. Hierfür hat die beratende Kommission für den Opiumhandel ,,allgemeine AII-leitungen für die Erstellung der. Jahresberichte der Regierungen"1 ausgearbeitet.

Wie wir gesehen haben, weist das internationale OpiumAbkommen zwei Lücken auf. Zunächst beschränkt es die Er-zeugung von Rohopium nicht entsprechend den ärztlichen unA gesetzlichen Bedürfnissen, und zweitens enthält es gar keine Bestimmung betreffend den Anbau der Koka. Die erwähnten ,,Anleitungen"1 der beratenden
Kommission für den Opiumhandel bestimmen daher, dass die Opiumproduktionsländer die Grosse der Anbaufläche, den Umfang der Ernte und die Menge des im Opiunt enthaltenen Morphiums genau angeben müssen. Die ,,Anleitungen"-

221 bestimmen im weitern, dass dort, wo die Koka angebaut wird, Angaben über die Anbaufläche, über die Lage der Pflanzungen, und selbst über die Namen der Bodeneigentümer gemacht worden, sollten. Diese Zahlen und Angaben werden somit, wenn es gelingt, sie zu erhalten, zwar nicht zur Verminderung der Rohmaterialien beitragen, aber doch wenigstens einen ersten Schritt in dieser Richtung bilden. In dieser Beziehung sind die ,,Allgemeinen Anleitungen für die Erstellung der Jahresberichte der Regierungen" zweifellos von Nutzen. Die ,,Anleitungen" der beratenden Kommission für den Opiumhandel sehen vor, dass ausser den Angaben über Anbau von Mohn und Koka auch die Gesetze, Réglemente und Verordnungen betreffend den Handel mit Opium und andern schädlichen Drogen mitgeteilt werden.

Von den Ländern, die Betäubungsmittel, d. h. Morphium, Kokain und ihre Derivate herstellen, wird eine ganze Reihe von Auskünften über ihre Einfuhr, ihre Produktionsmenge und ihre Ausfuhr verlangt. Natürlich gehen diese ,,Anleitungen" sehr weit bezüglich der Einzelheiten der verlangten Auskünfte. Wir glauben, indessen nicht, dass irgend etwas darin ist, welches geeignet sein könnte, Beunruhigung zu schaffen. Wie der Titel, den ihm die Kommission gegeben hat, anzeigt, ist das von ihr ausgearbeitete Dokument nicht ein Fragebogen, sondern eine allgemeine Anleitung für die Erstellung der Jahresberichte der Regierungen.

Der von der Kommission vorgeschlagene Titel bedeutet, dass nach Ansicht der Sachverständigen, aus denen sich die beratende Kommission zusammensetzt, das vorgesteckte Ziel tatsächlich erreicht werden könnte, wenn jede Regierung dem Völkerbunde wirklich vollständige Angaben über die Betäubungsmittel im Sinne und auf der Grundlage der ,,Anleitungen machen wollte und machen könnte (in der Mehrzahl der Fälle werden die Regierungen die Angaben nicht machen können). Im übrigen hat sich die Völkerbundsversammlung über den Wert der ,,Allgemeinen Anleitungen für die Erstellung der Jahresberichte der Regierungen" nie ausgesprochen.

35 Regierungen haben gegenwärtig das Protokoll von 1914 betreffend die Inkraftsetzung des Haager Abkommens unterzeichnet, und 45 haben das Abkommen selbst genehmigt.

Ehe wir diese Ausführungen über die verschiedenen Etappen beenden, welche der internationale Kampf gegen die Betäubungsmittel seit
1909 bis auf diese Tage durchgemacht hat, möchten wir noch einen Vertrag erwähnen, der durch seine Bestimmungen betreffend den Handel mit Giften diejenigen des internationalen Opium-Abkommens, der Friedensverträge und des Völkerbunds-

222 paktes vervollständigt. Es handelt sich um den Weltpostvertrag von 1920. Wie wir gesehen, ist es uicht notwendig, dass eine Droge in grösseren Mengen genossen werde, damit sie schädlich wirke. Einige Gramm Morphium oder Kokain genügen, um die schwersten Folgen hervorzurufen. Der Postverkehr bildet somit ein bequemes Mittel für den heimlichen Versand der Gifte. Deshalb ist dem Weltpostkongress vom Jahre 1920 in Madrid von den Vertretern Chinas die Frage unterbreitet worden, ob es nicht ratsam wäre, in den Vertrag, den der Kongress ausarbeitete, «inen Artikel betreffend die Beförderung von Betäubungsmitteln in Postsendungen einzufügen. Der Vorschlag der chinesischen Vertreter erschien gerechtfertigt, und der Kongress nahm ihn am 23. November 1920 an. Demgemäss ist es auf Grund der Paragraphen 2 und 5 von Artikel 18 des Weltpostvertrages verboten, in Briefen, Drucksachen, Geschäftspapieren oder Mustern Opium, JHorphium, Kokain und andere Betäubungsmittel zu befördern.

Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich ferner in diesem Artikel, die notwendigen Massoahmen zu treffen oder ihren gesetzgebenden Behörden vorzuschlagen, um die Mitgabe von Giften in den soeben erwähnten Postsendungen zu verbieten und gegebenenfalls zu bestrafen.

Der Weltpostvertrag von Madrid wurde von der Schweiz am 27. Dezember 1921 ratifiziert. Um der eingegangenen Verpflichtung Folge zu leisten, hat der Nationalrat dem Artikel 5 eines neuen Gesetzes über den schweizerischen Postdienst, das gegenwärtig im Entwurfe den eidgenössischen Räten vorliegt, eine Bestimmung beigefügt, wonach derjenige, der auf verbotene Weise mit der Post Opium, Morphium, Kokain und andere Betäubungsmittel befördert, mit einer Busse von Fr. 5 bis 1000 bestraft wird.

IV. Kapitel.

Die gegenwärtig geltende Begelang des Handels mit lietänbuugsmitteln in der Schweiz.

Auf Grund der Vollmachten, die ihm am 3. August 1914 übertragen wurden, erliess der Bundosrat am 14. April 1916 einen Bundesratsbeschluss betreffend die Regelung des Arzneimittelverkehrs. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement stellte -auf das gleiche Datum ein Verzeichnis derjenigen Produkte auf, die ^als Kontrollwaren" betrachtet werden musslen. Das Opium, -das Hydrochlorat von Morphium und das Hydrochlorat von Kokain ·wurden hauptsächlich als zu dieser Kategorie von Waren gehörend

223

bezeichnet. Der Bundesratsbeschluss vom 14. April 1916 wurde teilweise aufgehoben am 20. Februar 1919 und in vollem Umfange am 3. Juli 1919.

Nach dem Wortlaute des Bundesratsbeschlusses vom 14. April 1916 war die Einfuhr von Kontrollwaren aus dem Auslande nur den durch das eidgenössische Gesundheitsamt zum Bezüge berechtigten Personen gestattet (inländische Produzenten, Handelshäuser, Drogisten, Apotheker, Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte usw.). Die Sanitätsbehörden, die Armeesanität, die Spitäler, Laboratorien und wissenschaftlichen Institute waren nicht gehalten, sich diesen Bedingungen zu unterwerfen. Im übrigen musste jede Einfuhr durch Vermittlung des eidgenössischen Gesundheitsamtes erfolgen oder, wo dies ausnahmsweise nicht der Fall war, die eingeführte Ware sofort bei Ankunft dem Gesundheitsamt angemeldet werden.

Der Bundesratsbesohluss vom 14. April 1916 ordnete in .gleicher Weise auch den Handel im Innern des Landes.

Die zur Einfuhr, zur Herstellung oder, zum Handel mit Kontroll waren berechtigten Personen waren verpflichtet, Verzeichnisse ihrer Geschäftsabschlüsse (Erwerb, Herstellung, Umwandlung, Verkauf oder Abtretung) zu führen, und die Behörden hatten das Recht, die für den Handel mit Betäubungsmitteln verwendeten Lokalitäten, Fabriken, Lager usw. zu inspizieren und sich die darauf bezüglichen Bücher vorlegen zu lassen. Dagegen war die Ausfuhr der verarbeiteten Erzeugnisse keiner besondern Kontrolle unterworfen.

Die durch den Bundesratsbeschluss vom 14. April 1916 eingeführte Ordnung war somit in gewissem Sinne ein erster Versuch zu einer Kontrolle, wie sie heute nun eingeführt werden soll.

Gegenwärtig gilt folgende Regelung für den Handel mit Betäubungsmitteln : E i n f u h r : Nach dem im September 1912 in Kraft getretenen Warenverzeichnis und dem schweizerischen Zolltarif vom 1. Juli 1921 gehört das Rohopium zur Kategorie der ,,Produkte pflanzlichen Ursprungs zu pharmazeutischem Gebrauch 1 1 . Danach muss für dasselbe (Nr, 968 des Tarifs) ein Einfuhrzoll von Fr. 20 pro 100 kg Rohgewicht bezahlt werden. Wie für jede andere gewöhnliche Ware erfolgt die Festsetzung auf Grund der Zolldeklaration, unter Umständen nach vorherigem Vergleich mit dem Frachtbrief oder Konosseraent. Aue diesem oder jenem Grunde erfolgt etwa auch eine Revision, worauf dann das Ergebnis derselben für die Beurteilung der Zolldeklaration massgebend ist.

224 Kokablätter sind unter dem Abschnitte ,, R o h s t o f f e für p h a r m a z e u t i s c h e n Gebraucht aufgeführt. Sie sind einem Einfuhrzoll unterworfen, der sich (Nr. 966 des Tarifs) auf Fr. 1.50 pro 100 Kilo beläuft, wenn sie ganz oder in unverarbeitetem Zustande Bind und welcher (Nr, 967 dea Tarifs") Fr. 15 pro 100 Kilo beträgt, wenn sie zerkleinert oder sonstwie mechanisch verarbeitet sind.

Was das Morphium und seine Salze, ebenso wie das Heroin und das Kokain anbelangt, so finden sich diese Produkte unter dem Abschnitte ,, P f l a n z e n a l k a l o i d e " und sind (Nr. 971 des Tarifs) einem Einfuhrzoll von Fr. 100 pro 100 Kilo Rohgewicht unterworfen.

Im übrigen besteht in der Schweiz gegenwärtig keine gesetzliche Bestimmung, die erlauben würde, eine wirksame Kontrolle über die Einfuhr der durch das internationale Opium-Abkommen bezeichneten Stoffe auszuüben oder ihre Einfuhr zu beschränken oder zu verbieten. Man kann somit wohl behaupten, .dass die Einfuhr von Betäubungsmitteln in die Schweiz frei ist.

Für die A u s f u h r muss der schweizerische Exporteur von Giften keine weiteren Formalitäten erfüllen als diejenigen, welche für jede Ware vorgesehen sind, und die darin bestehen, Frachtbrief, Konossement und Zolldeklaration oder, wenn es sich um eine Postsendung handelt, die Ausfuhr- und Zolldeklaration und die Begleitadresse zu erstellen. Ausserdem ist die Ausfuhr der Betäubungsmittel auch keinem besondern Ausfuhrzoll unterworfen. Wie die Einfuhr, ist somit auch die Auefuhr der Betäubungsmittel frei.

Was nun die Herstellung, den Handel und den Gebrauch im Innern des Landes betrifft, so sind hierfür kantonale Gesetze massgebend. Dieselben sind vorderhand sehr verschieden.

Zurzeit haben nur zwei Kantone, Genf und Waadt, den Handel mit Betäubungsmitteln einer strengen Regelung unterworfen, um den immer zahlreicher werdenden Missbräuchen Einhalt zu gebieten. In den andern Kantonen unterstehen die Betäubungsmittel in der Regel den Gesetzen und Verordnungen betreffend die Ausübung des Apothekerberufes, welche die Verteilung dieser Drogen nur auf ärztliche Vorschrift hin gestatten. In diesen kantonalen Gesetzgebungen ist somit nur der Verkauf in den Apotheken, d. h. der Kleinhandel, geregelt. So entsteht der merkwürdige Widerspruch, dass der Grosshandel einer viel weniger strengen
Ordnung unterliegt; man kann sogar sagen, dass er in einigen Kantonen völlig frei ist. Daraus ergibt sich die sonderbare Tatsache, dass es in einigen Kantonen leichter ist, sich ein Kilogramm Morphium als einige Zentigramme zu verschaffen. Es-

225 ist richtig, dass viele Kantone Gesetze und Verordnungen betrefiend den Verkauf von Giften haben. Allein die Mehrzahl ·der bezüglichen Gesetzgebungen versteht darunter nur die in gewissen Industrien verwendeten Gifte oder solche, die man für die Vernichtung von schädlichen Tieren (Ratten, Insekten) gebraucht, und dementsprechend wird auch das Kontrollsystem nur auf diese angewendet.

Das Wenige, das wir hier ausgeführt haben, wird genügen, um zu zeigen, wie mangelhaft in der Schweiz die Kontrolle über den Handel mit Betäubungsmitteln ist; mangelhaft infolge des Fehlens scharfer Bestimmungen, mangelhaft auch infolge der Verschiedenheiten und Ungleichheiten der bestehenden Vorschriften.

Um die Nachteile dieses Zustandes zu beseitigen und endlich eine wirksame Kontrolle einzuführen, die den Forderungen der Haager Konvention entspricht, gibt es für uns nur einen Weg: den der Bundesgesetzgebnng. Es erscheint deswegen überflüssig, hier auf diesen Punkt näher einzugehen, da wir denselben noch mit den notwendigen Angaben in der Botschaft behandeln werden, die wir Ihnen zur Begründung eines Bundesgesetzes über den Handel init Betäubungsmitteln unterbreiten werden.

V. Kapitel.

Die Bedeutung der Schweiz für die Herstellung und den Vertrieb von Betäubungsmitteln.

Die Schweiz ist mit Deutschland und Grossbritannien eines ·der drei Länder in Europa und mit den Vereinigten Staaten, mit Indien und Japan eines der sechs Länder der Welt, die Morphium herstellen. Sie ist mit Deutschland, Frankreich und den Niederlanden eines der vier Länder in Europa und mit den Vereinigten Staaten und Japan eines der sechs Länder der Welt, die Kokain fabrizieren. Das zeigt ihre besondere Bedeutung im Betäubungsmittelhandel.

Die Schweiz erzeugt bekanntlich weder Rohopium noch Kokablätter. Sie muss daher die sämtlichen für die Herstellung von Morphium, von Heroin und Kokain notwendigen Rohmaterialien von auswärts kommen lassen. Die Frage der Einfuhr der Rohmaterialien muss somit in erster Linie geprüft werden, wenn man sich eine Vorstellung machen will, welche Rückschläge unsere Teilnahme an der Haager Konvention auf die schweizerische chemische und pharmazeutische Industrie ausüben könnte. Die Kokablätter lässt die Schweiz beinahe ausscbliesslich aus Nieder-

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ländisoh-Indien kommen. Das von ihr benötigte Rohopium dagegen führt sie hauptsächlich aus ßriechenland, aus Persien und aus der Türkei ein. Eine der Befürchtungen der schweizerischen Industrie war nun, dass sie sich infolge unseres Beitritts zum Abkommen von 1912 eines Tages gezwungen sehen könnte, ihr Rohopium und ihre Kokablätter nicht mehr von dort kommen zu lassen, wo es ihr passt, sondern von einem Lande, das ihr aufgezwungen würde. Bei näherer Prüfung scheint diese Befürchtung jedoch der Begründung zu entbehren. Zunächst enthält das Haager Abkommen keine Bestimmung betreffend die Einfuhr von Kokablättern. Was die Einfuhr von Rohopium betrifft, so sieht es in Artikel 2 nur vor, dass die Einfuhrstaaten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse ihrer Handelsbeziehungen die Zahl der Orte beschränken, über welche die Ausfuhr oder die Einfuhr erlaubt sein soll. Wenn die Schweiz also das OpiumAbkommen genehmigt, so tut sie in keiner Weise ihrem Rechte Eintrag, Kokablätter und Rohopium für ihre Industrie aus jenen Gebieten einzuführen, die ihr passen ; sie .würde nur die Verpflichtung übernehmen, über diese Einfuhr eine Kontrolle auszuüben, die irn übrigen ausschliesslich schweizerisch wäre. Mit einer Kontrolle dieser Art hat sich aber die schweizerische chemische und pharmazeutische Industrie bereits einverstanden erklärt..

Die Befürchtungen der Vertreter der schweizerischen chemischen und pharmazeutischen Industrie beruhen auf einem Missverstandnisse. Die dritte Völkerbunds Versammlung hat unter dem 19. September 1922 folgende Resolution angenommen: ,,Die Versammlung ist der Ansicht, dass die am internationalen Opium-Abkommen beteiligten Regierungen eingeladen werden sollen, keine Einfuhrbewilligungen für Opium oder andere dem Abkommen unterstellte Drogen zu erteilen, welche von Ländern stammen, die das Abkommen noch nicht genehmigt und in Kraft gesetzt und die das Kontrollsystem über die Ein- und Ausfuhr noch nicht angenommen haben, das von der zweiten Versammlung im § l (3) der am 30, September 1921 angenommenen und vorher vom Rate am . 28. Juni 1921 genehmigten Resolution bewilligt worden ist.

Die Versammlung hält diese Angelegenheit für wichtig und dringlich, ist jedoch in Erkenntnis der verwickelten und technischen Art der aufgeworfenen Fragen der Meinung, dass die Angelegenheit
von der beratenden Kommission für den Opiumhandel eingehend studiert werden müsse, bevor genaue Massnahmen ergriffen werden. Die. Versammlung bittet den ßat, die beratende Kommission so bald als möglich einzuberufen, um die

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Frage zu prüfen, und der Rat wird eingeladen, falls diese Kommission sich zugunsten des Antrages aussprechen sollte, den Emp. fehlungen der beratenden Kommission in der vom Rate gebilligtenForm Folge zu geben, und zwar so bald als irgend möglich und ohne etwa der Versammlung vorher hierüber zu berichten, sofern.

der Rat dies für unnötig hält."1 Die Resolution, die wir soeben im Wortlaut angeführt haben, besagt folgendes: Die dritte Völkerbuadsversammlung hat sich di» Frage vorgelegt, ob mit Rücksicht auf die kleine Zahl der dem Opium-Abkommen noch fernstehenden Staaten, deren Bedeutung für den Erfolg oder Misserfolg des Abkommeng jedoch sehr gross ist, es nicht angebracht erscheine, auf diese Staaten, wenn nicht einen moralischen, wie dies seinerzeit vou den drei Haager Konferenzen geschah, so doch einen wirtschaftlichen Druck auszuüben. Falls alle am Opium-Abkommen beteiligten Staaten dieVerpfliohtung übernommen hätten, von der in der obenstehenden Resolution die Rede ist, d. h. wenn alle Staaten, die das Haager Abkommen anwenden, einig sind, kein Rohopium aus Persien oder der Türkei und kein Morphium oder Kokain aus der Schweiz kommen zu lassen, so wären die erwähnten Erzeugnisse dieser drei Länder einfach boykottiert. Die Befürchtungen der schweizerischen chemischen und pharmazeutischen Industrie sind nun nicht die, dass ihre Erzeugnisse jemals von einem Vertragsstaate des Opium-Abkommens abgelehnt werden, sondern dass die Schweiz durch ihre Teilnahme sich eines Tages verpflichtet sehen könnte, mit Bezug auf das Rohopium aus Persien oder, aus der Türkei eine allgemeine Boykottmassnahme durchzuführen. Da das persische und türkische Opium ganz erheblich reichhaltiger an Morphium ist als die indischen Erzeugnisse, so würde dio Schweiz durch ein derartiges Verbot der Einfuhr von persischem oder türkischem Opium zum Zwecke einer Druckausübung auf diese beiden Staaten sich selbst dazu verurteilen, die Rohmaterialien aus Indien kommen zu lassen und dadurch die Güte ihrer Erzeugnisse zu vermindern. Die schweizerischen Industriellen furchten im weitern, dass, wenn sie ihr Rohopium aus Indien kommen lassen müssen, Grossbritannien, das ebenfalls Morphiumfabriken besitzt, die für die Schweiz bestimmten Mengen derart beschränke oder den Preis so in die Höhe treibe, dass es unsere Alkaloidindustrie in eine
unerträgliche Abhängigkeitsstellung dränge.

Diese Befürchtungen sind, wir wiederholen es, übertrieben.

Zunächst ist es unwahrscheinlich, dass der Völkerbund jemalsdie Massnahmen treffa, welche die dritte Völker bundsversammlung der beratenden Kommission für den Opiumhandel zur Prüfung

228 übergab, und selbst wenn die Mehrzahl der Staaten, die den Völkerbund bilden, die fragliche Massnahme zur Ausführung bringen sollten, so hätte die Schweiz immer noch ihre volle Frei-, heit, sich für oder gegen ihre Annahme auszusprechen. Schliesslich ist zu bemerken, dass Griechenland bereits ein Vertrags;staat des Opium-Abkommens ist und dass die Türkei, gemägs Artikel 100 des Friedens Vertrages von Lausanne vom Juli 1923, die Verpflichtung übernommen hat, dem Abkommen beizutreten, so dass 2 von den 3 Ländern, die unsere Industrie mit Rohmaterialien versehen, bereits ausserhalb des Kreises der Staaten sind, auf die es -die Resolution der dritten Völkerbundsversammlung abgesehen hat.

Wenn, es das wichtigste Merkmal der schweizerischen chemischen und pharmazeutischen Industrie ist, dass sie die sämtlichen für die Herstellung der Alkaloide notwendigen Rohmaterialien einführt, so ist es ein zweites wichtiges Merkmal, dass sie sozusagen die sämtlichen von ihr hergestellten Betäubungsmittel ausführt. Der Inlandsmarkt soll nicht einmal 5% der schweizerischen Produktion an Giften verzehren, Artikel 13 des OpiumAbkommens, welcher die Ausfuhr regelt, ist somit von grundsätzlicher Bedeutung für die interessierten Kreise.

D;i die vom internationalen Opium-Abkommen vorgesehene Kontrolle über die Herstellung von Betäubungsmitteln (Artikel 10) Streng national ist und keinen Widerspruch in Industriekreisen hervorgerufen hat, so schien es überflüssig, hier auf weitere Erörterungen zu dieser Frage einzutreten.

Die schweizerischen Firmen der chemischen und pharmazeutischen Branche würden einem Ausfuhrüberwachungssystem ohne weiteres zustimmen, das ausschliesslich in der Bezeichnung von Örtlichkeiten, über welche die Ausfuhr erlaubt, wäre, sowie in der Einrichtung einer schweizerischen Zollkontrolle bestehen würde. Es ist nicht möglich, diesen Forderungen Rechnung zu tragen. Einer der wichtigsten Grundsätze des Opium-Abkommens ist gerade der, dass die Ausfuhrländer sich zur Beobachtung der Gesetze verpflichten, -welche die Einfuhr von Betäubungsmitteln in die Importländer regeln. Dieser wesentlichste Grundsatz des ganzen Überwachungsaystems, wie es vom Abkommen von 1912 geschaffen wurde, taucht in den 25 Artikeln dreimal auf. Nach dem Wortlaute von Artikel 3 verpflichten sich die vertragschliessenden Mächte,
Massnahmen zu ergreifen a. zur Verhinderung der Ausfuhr von Rohopium n a c h Ländern, die seine Einfuhr verboten haben, b. zur Überwachung der Ausfuhr von Rohopium n a c h L ä n d e r n , w e l c h e d e s s e n Einfuhr beschränken.

229 Noch dem Wortlaute von Art. 8 verpflichten sich die Vertragsstaaten a. die Ausfuhr von zubereitetem Opium n a c h L ä n d e r n zu v e r h i n d e r n , welche g e g e n w ä r t i g die Einfuhr untersagen odor in Z u k u n f t untersagen werden; b. in der Zwischenzeit zu verbieten, dass zubereitetes Opium nach L ä n d e r n v e r s a n d t w i r d , welche die Einf u h r z u b e s c h r ä n k e n w ü n s c h e n , sofern sich d e r Versender nicht nach den V o r s c h r i f t e n des E i n f u h r l a n d e s richtet.

Schlieselich sollen gemäss Art. 13 die Vertragemächte bemüht sein, M a s s r e g e l n zu t r e f f e n oder zu veranlassen, nach denen die Ausfuhr von M o r p h i u m und Kokain und ihren Salzen nur an solche Personen gestattet ist, w e l c h e d i e d u r c h d i e G e s e t z e o d e r V e r o r d nungen des Einfuhrlandes dafür vorgesehene Erm ä c h t i g u n g oder E r l a u b n i s e r h a l t e n haben.

Wenn man sieh an die von unserer Industrie verlangte Kontrolle halten wollte, so hiesse das, die Genehmigung des OpiumAbkommens an solche Vorbehalte knüpfen, daes die Folgen unserer Teilnahme sozusagen aufgehoben wären.

Zusammengefasst ergibt sich, dass von den 25 Artikeln, welche das internationale Opium-Abkommen aufweist, 3 eine besondere volkswirtschaftliche Bedeutung für die Schweiz besitzen. Es sind dies die Artikel 2 (Überwachung der Einfuhr der Rohmaterialien), 10 (Kontrolle der Giftfabriken) und 13 (die auf die Ausfuhr von Betäubungsmitteln anzuwendende Regelung).

VI, Kapitel, Die juristische Seite der Frage.

Die Fragen juristischer Natur, welche durch die Ratifikation des internationalen Opium-Abkommens durch die Schweiz aufgeworfen werden, bildeten bereits den Gegenstand von zahlreichen Erörterungen. Da dio Gutachten, die darüber erstattet wurden, je nach ihrer Herkunft sehr verschieden lauten, so sieht sich der Bundesrat veranlasst, in der vorliegenden Botschaft seine Auffassung der Angelegenheit bekanntzugeben.

PrUfen wir zunächst die Massnahnien, welche das OpiumAbkommen den Vertragsmächten vorschreibt.

Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. I.

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Das I. Kapitel des Abkommens behandelt das Rohopium.

Es verpflichtet die Vertragsmächte, Vorschriften zu erlassen oder Massnahmen zu treffen, um die Erzeugung und den Vertrieb des Rohopiums zu überwachen (Artikel 1), die Zahl der Örtlichkeiten, über welche die Einfuhr oder die Ausfuhr dieses Stoffes gestattet sein soll, zu beschränken (Artikel 2), die Ausfuhr von Rohopium nach Ländern zu rerhinderu T die dessen Einfuhr verboten haben, oder die Ausfuhr nach denjenigen Ländern, welche die Einfuhr beschränken, zu überwachen (Artikel 3), jede Sendung, die mehr als 5 Kilo schwer ist, so zu bezeichnen, dass ihr Inhalt daraus hervorgeht (Artikel 4}, die Einfuhr und Ausfuhr von Rohopium nur an solche Personen zu gestatten, die hierzu gehörig ermächtigt sind.

Was das zubereitete Opium anbelangt (II. Kapitel), so legt das Abkommen den Vertragsstaten die Verpflichtung auf, Massnahmen zu treffen, um allmählich und wirksam die Herstellung, den Vertrieb im Inland und die Verwendung von zubereitetem Opium zu unterdrücken (Artikel 6), seine Einfuhr und Ausfuhr zu verbieten (Artikel 7), seine Ausfuhr einzuschränken, falls sie noch nicht völligverboten werden könnte (Artikel 8).

Nach Kapitel III (Opium zu medizinischen Zwecken, Morphium, Kokain usw.) müssen die Vertragsstaaten Gesetze oder Verordnungen über das Apothekenwesen erlassen, durch welche die Herstellung, der Verkauf und die Verwendung des Morphiums, des Kokains und ihrer Salze auf den ärztlichen und gesetzrnässigen Gebrauch beschränkt wird (Artikel 9), bemüht sein, alle Personen, die Morphium, Kokain und ihre Salze herstellen, einführen, verkaufen, vertreiben und ausführen, sowie die Gebäude, in denen sie. dieses Gewerbe oder diesen Handel ausüben, zu überwachen (Artikel 10, dieser Artikel erwähnt die einzelnen Massnahmen, welche für diese Überwachung getroffen werden müssen), verhindern, dass im Inlandverkehr eine Abgabe von Morphium, Kokain und ihren Salzen an nicht ermächtigte Personen erfolgt (Artikel 11), bemüht sein, die Ein- und Ausfuhr der erwähnten Stoffe auf die hierzu ermächtigten Personen zu beschränken (Artikel 12 und 13).

231 die auf die Herstellung, die Einfuhr, den Verkauf und die Ausfuhr von Morphium, Kokain und ihren Salzen bezüglichen Gesetze und Verordnungen in Anwendung zu bringen: auf Opium für medizinische Zwecke, auf alle Verarbeitungen, welche mehr als 0,j °/o Morphium oder mehr als 0,i °/0 Kokain enthalten, auf das Heroin, seine Salze und solche Verarbeitungen, welche mehr als 0,j °/o Heroin enthalten, auf jedes Derivat dea Morphiums, des Kokains oder ihrer Salze oder auf jedes andere Alkaloid des Opiums, das nach dem Ergebnis allgemein anerkannter wissenschaftlicher Untersuchungen zu ähnlichen Missbräuchen Anlass geben und die gleichen schädlichen Wirkungen zur Folge haben kann (Artikel 14).

Das IV. Kapitel (Artikel 15 bis 19) behandelt die besonderen Massnahmen im Verkehr mit China. Die Bestimmungen dieses Kapitels sind von Bedeutung nur für diejenigen Staaten, die Handelsverträge mit China abgeschlossen haben, was bei der Schweiz nicht zutrifft.

' Nach den Bestimmungen des V. Kapitels werden die Vertragsstaaten die Möglichkeit prüfen, Gesetze oder Verordnungen zu erlassen, die den gesetzwidrigen Besitz von Rohopium, von zubereitetem Opium, von Morphium, von Kokain und ihren Salzen unter Strafe stellen (Artikel 20), sich unter anderm gegenseitig statistische Angaben über den Handel mit den vorerwähnten Stoffen mitteilen (Artikel 21).

Im VI. Kapitel erwähnen wir die Bestimmung von Artikel 25, wonach das Abkommen jeweils auf ein Jahr gekündet werden kann.

Das internationale Opium-Abkommen enthält keine Bestimmung, welche für die Vertragsstaaten Recht schaffen würde; dagegen verpflichtet es diese, Vorschriften zu erlassen (Artikel l bis 9, .11, 14) oder es empfiehlt ihnen den Erlass solcher Vorschriften (Artikel 10, 12, 20).

Gegenwärtig ist einzig der Kleinverkauf von Opium, Morphium, Kokain und andern Stoffen, auf die sich das Abkommen bezieht, durch die kantonale Gesetzgebung geordnet, und zwar in einer Weise, die, wie wir gesehen haben, den Anforderungen von Artikel 9 des Abkommens kaum entspricht.

Um die Durchführung des Abkommens sicherzustellen, müssen daher Vorschriften und Massnahmen . über die nachstehend erwähnten Punkte getroffen werden :

232 1. das Verbot der Herstellung, des Inlandvertriebs, des Gebrauchs und der Ein- und Ausfuhr von zubereitetem Opium (Artikel 6 und 7); 2. die Einschränkungen im Handel a. mit Rohopium (Artikel 2, 3, 4 und 5), b. mit Opium zu medizinischen Zwecken, mit Morphium, Kokain und ihren Salzen sowie mit Verarbeitungen, welche eine gewisse Menge von Morphium und Kokain oder ihren Salzen enthalten (Artikel 10, erstes und zweites Alinea, Ziffern b und e, Artikel 11, 12, 13 und 14); 3. Beschränkungen in der Herstellung der vorerwähnten Stoffe und Verarbeitungen (Artikel 10, erstes und zweites Alinea, Ziffern a, b, c) ; 4. Strafbestimmungen im Sinne von Artikel 20 ; 5. die Überwachung der Ein- und Ausfuhr von Rohopium (Artikel 2 bis 5), von Opium zu medizinischen Zwecken, von Morphium, Kokain usw. (Artikel 12 und 13) sowie die Erstellung einer Statistik betreffend diesen Handel.

Es muss somit eine ganze Gesetzgebung geschaffen werden, um die Durchführung des Abkommens zu sichern. Hier stellen sich nun zwei Grundfragen juristischer Natur: 1. ob vom Standpunkte der Verfassung aus die Zuständigkeit des Bundes für diese Gesetzgebung vorhanden ist und 2. welches Vorgehen angebracht erscheint.

Was den ersten Punkt betrifft, nämlich die Frage, ob die Bundesverfassung dem Bunde das Recht einräumt, über den Handel mit Betäubungsmitteln zu legiferieren, so ist der Bunddesratzua den nachstehenden Schlussfolgerungen gelangt.

Mit wenigen Worten gesagt, verlangt das internationale Opium-Abkommen von den Vertragsstaaten, dass sie Zollmassnahmen ergreifen (Kontrolle, gegebenenfalls Einschränkung, ja sogar in gewissen Fällen Verbot der Einfuhr oder Ausfuhr von Betäubungsmitteln), dass sie ein Überwachungssystem .über die Herstellung und den Vertrieb von Giften einrichten und dass sie darauf bezügliche Straf bestimmungen erlassen.

Auf Grund von Artikel 29, letzter Absatz, der Bundesverfassung bleibt dem Bunde das Recht vorbehalten, unter ausserordentlichen Umständen vorübergehend besondere Massnahmen betreffend die Erhebung der Zölle zu treffen. Der einfache Wortlaut dieses Artikels erlaubt, sofort den Unterschied zu erfassen, der zwischen der Regelung besteht, welche mit Bezug auf die Zollkontrollo vom internationalen Opium-Abkommen vor-

233 gesehen ist, und zwischen derjenigen, welche Artikel 29 der Bundesverfassung trifft. Obwohl die Ein- und Ausfuhrverbote und -beechränkungen, die im Abkommen von 1912 vorgesehen sind, zweifelsohne zur Kategorie von besondern Massnahmen gehören, die Artikel 29 anführt, und obwohl es ausserordentliche Umstände sind, welche die Einrichtung des verlangten Überwachungssystems erfordern, so kann der für die Durchführung des Opium-Abkommens notwendige Überwachungsdienst doch nicht als vorübergehend betrachtet werden. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine dauernde Überwachung. Aber noch grösser als der Unterschied hinsichtlich der Dauer der zu treffenden Ordnung ist derjenige zwischen dem Opium-Abkommen und Artikel 29 der Bundesverfassung mit Bezug auf die Zwecke, welche die beiden verfolgen. Artikel 29 gibt dem Bund eine Vollmacht, von welcher er zu handelspolitischen oder zollpolitischen Zwecken Gebrauch machen kann, während das Abkommen ausschliesslich gesundheitliche Ziele verfolgt. Die vom Haager Abkommen vorgeschriebenen Zollmassnahmen können daher niemals mit Artikel 29 der Bundesverfassung begründet werden.

Artikel 34ter der Bundesverfassung verleiht dem Bunde das Recht, einheitliche Bestimmungen auf dem Gebiete des Gewerbewesens aufzustellen. Es könnte möglich erscheinen, die nach Kapitel III des Abkommens zu erlassenden Vorschriften über die Alkaloidfabriken auf diesem Artikel aufzubauen. Allein bei näherer Prüfung erweist sich auch diese Lösung als ungangbar. Wie im Falle der Zollmassnahmen ist der Zweck der von Artikel 34tel' und derjenige, der vom III. Kapitel des Haager Abkommens verfolgt wird, gänzlich verschieden.

Artikel 69 bi9 ermächtigt den Bund, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen über den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln und über den Verkehr mit andern Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, soweit solche das Leben oder die Gesundheit gefährden können. Die Jtokablätter oder das zubereitete Opium gehören zweifelsohne zur Kategorie der ,,Genussmittel1'. Man könnte somit auch das Morphium, das Heroin und das Kokain als Verbrauchsgegenstände bezeichnen mit Rücksicht auf die Zahl derjenigen, die sich ihrem Genüsse hingeben und mit Rücksicht auf die Art und Weise ihres Genusses. Der Bundesrat hätte sich vielleicht an diese Lösung gehalten, wenn nicht Artikel 69 der Bundesverfassung,
so wie er vom Volke am 4. Mai 1913 angenommen wurdo, dem Bunde erlauben würde, gesetzliche Bestimmungen zur Bekämpfung von übertragbaren, stark verbreiteten oder bösartigen Krankheiten von Menschen und Tieren zu trefifen.

234 Da der Zweck des Opium-Abkommens gesundheitlicher Natur ist, muss auch der Bund den Handel mit Betäubungsmitteln nicht auf Grund seiner Zuständigkeit auf dem Gebiete des Zollwesens oder Gewerbewesens, sondern auf Grundlage seiner Befugnisse in Fragen der Volksgesundheit regeln. Nur so bleiben die eidgenössischen Behörden dem Geiste des Haager Abkommens treu und geben dem neu zu erlassenden Gesetze seinen wahren Charakter. Wie wir bereits dargelegt haben, verursacht der Missbrauch der Betäubungsmittel beim Menschen Schäden körperlicher und geistiger Natur, die seine völlige Entartung uad sogar den Tod zur Folge haben können. Die Giftsüchtigen sind somit wohl als schwer krank zu bezeichnen.

Es sind verschiedene Einwände gegen die Auslegung erhoben worden, die der Bundesrat dem Artikel 69 der Bundesverfassung zu geben beabsichtigt. Es handelt sich im besondern um vier Einwände.

Zunächst wurde geltend gemacht, dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung dos gegenwärtigen Wortlautes von Artikel 69 bestimmt nicht die Absicht gehabt habe, der Zentralgewalt das Recht der Gesetzgebung über den Missbrauch mit Betäubungsmitteln zu übertragen. Diese Behauptung dürfte der Wirklichkeit entsprechen. Es ist wahrscheinlich, dass im Jahre 1911, als der Bundesrat den eidgenössischen Räten eine neue Fassung von Artikel 69 vorschlug, an die Morphium- oder Kokainsucht nicht gedacht wurde. Allein warum? -.-- Das internationale OpiumAbkommen datiert von 1912. Die Gesetzgebung betreffend die Betäubungsmittel in den uns umgebenden Staaten stammt aus den letzten Jahren. In der Schweiz ist die Giftsucht erst während des Krieges aufgetaucht und hat sich ausgebreitet. Das Übel ist somit jüngsten Datums, und der Gesetzgeber von 1911 hatte sich damit nicht zu beschäftigen. Der Zweck der Gesetzgebung war damals, dem Bunde ausgedehntere Befugnisse in Fragen der Volksgesundheit zu geben, als er sie vorher besass ; dagegen handelte es sich nicht darum, ein vollständiges Verzeichnis derjenigen Krankheiten aufzustellen, die infolge ihrer Natur -- sei es wegen der Ansteckungsgefahr oder wegen ihrer Heftigkeit -- eine Intervention der Bundesbehörden rechtfertigen könnten, sondern es handelte sich nur darum, den Zentralbehörden die Möglichkeit zu geben, die Interessen der Volkswohlfahrt in wirksamerer Weise wahrzunehmen, als dies bisher
möglich war, wobei vorausgesetzt wurde, dass die Krankheiten, welche staatliche Massnahmen verursachen, besonders ernster Natur hinsichtlich ihrer Ausdehnung, ihrer Heftigkeit oder ihrer Ansteckungsgefahr seien. Der Beweis,

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dass der Bundesrat dem von ihm im Jahre 1911 eingeschlagenen Wege treu geblieben ist, zeigt sich darin, dass er in seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom 20. Dezember 1911 betreffend die Revision von Artikel 69 der Bundesverfassung ausdrücklich erklärte, dass er bei der Aufstellung des Wortlautes ,,gesucht habe, eine möglichst umfassende, allseitige Formel zu finden, die es dem Bunde in Zukunft ermöglicht, bei Krankheiten der Menschen und Tiere, die sein Einschreiten als erwünscht erscheinen lassen, gesetzliche Massnahmen zu treffen, ohne jedesmal die Verfassung abändern zu müssen11.

Der zweite Einwand, der gegen die heutige Auslegung von Artikel 69 dei1 Bundesverfassung erhoben wird, besteht darin, dass der Ausdruck ,,Krankheit11 ein Leiden des Körpers oder der Seele bezeichne, das vom Willen des Menschen unabhängig sei, dass dagegen von dem Augenblick an, wo sich der Mensch freiwillig in den unter dem Namen der Morphiumsucht oder der Kokainsucht bekannten pathologischen Zustand versetze, von einer Krankheit nicht mehr gesprochen werden könne. Krankheit ist das Gegenteil von Gesundheit, vom regelmässigen Funktionieren des Organismus, ob nun das Leiden den Menschen mit oder ohne seine Zustimmung erfasst habe. Im übrigen ist nicht zu vergessen, dass der Begriff ,,Willen1'1 dem Streite kein Ende bereitet. Bis zu welchem Punkte ergibt sich der Giftkranko freiwillig seinem Laster? Welchen Teil haben daran die Vererbung oder Ereignisse während des Lehens? Unlösbare Fragen wie es scheinen will !

Dritter Einwand: Wird dadurch, dass man dem Bunde das Gesetzgebungsrecht in Fragen der Vergiftung durch Betäubungsmittel zugesteht, nicht eiu gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, auf den sich der Bundesrat berufen kann, wenn er einmal glaubt, z. B. gegen den Alkoholismus oder gegen den übermässigeu Genuas von Tabak, Tee oder Kaffee einschreiten zu müssen?

In dieser Beziehung möge der blosse Hinweis auf den Unterschied genügen, der zwischen der Schädlichkeit von Alkohol, Nikotin, Tein oder Kaffein und der Schädlichkeit von Morphium oder Kokain besteht, um die angedeuteten Befürchtungen v,u zerstreuen. Im übrigen ist die Form des Genusses von Alkohol, KalFein, Tein oder Nikotin geeignet, die schädlichen Wirkungen dieser Stoffe zu verhindern, während im Gegenteil die Gebrauchsweise von Morphium
(Einspritzungen) oder die Anwendungsweise von Kokain (Schnupfprise) diesen Drogen erlaubt, sieh in ihrer ganzen Schärfe auszuwirken. Der Bundesrat glaubt daher, diejenigen beruhigen zu können, die in einem Bimdesgesetz über

236 die Betäubungsmittel einen ersten Schritt zu einer Gesetzgebung erblicken,!!,die sich auf immer zahlreichere Giftstoffe erstrecken könnte.

Vierter Einwand: Man hat behauptet, dass Artikel 69 in seiner gegenwärtigen Fassung nur Bakterienkraukheiten im Auge habe. Es genügt, die Botschaft des Bundesrates zu lesen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Artikel 69 erwähnt ausdrücklich drei Gruppen von Krankheiten : übertragbare, stark verbreitete und besonders bösartige. Es ist klar, daas es sich hierbei um eine Aufzählung handelt. Die Bakterienkrankheiten gehören zu der ersten Art (übertragbare) ; die beiden andern Arten bilden Gruppen in sich selbst. Der Beweis hierfür ist dadurch gegeben, dass die Botschaft des Bundesrates die Möglichkeit von Massnahmen gegen den Kröpf und den Krebs ins Auge fasste, die man gegenwärtig auf jeden Fall nicht zu den übertragbaren Krankheiten zählen kann.

Der Bundesrat kommt daher zum Schlüsse: Artikel 69 der Bundesverfassung erlaubt es dem Bunde, alle Massnahmen gesundheitspolizeilicher Natur zu treffen, welche die Durchführung des Opium-Abkommens erfordert, sei es nun, dass es sich um die Kontrolle der Einfuhr und Ausfuhr der Betäubungsmittel oder um die Überwachung ihrer Herstellung, ihres Besitzes oder ihrer Anwendung handle.

Die zweite Frage öffentlich-rechtlicher Natur, die durch den Beitritt der Schweiz zum internationalen Opium-Abkommen aufgeworfen wird, betrifft das Verfahren. Das Abkommen von 191.2 genehmigen, heisst gegenüber den andern Vertragsstaaten die Verpflichtung eingehen, ein Bundesgesetz über den Handel mit Betäubungsmitteln zu erlassen, für welches die im Abkommen enthaltenen Beatimmungen die Grundlage bilden. Ist nun aber der Bundesrat in der Lage, selbst wenn das internationale OpiumAbkommen von den Raten genehmigt würde, seine Ratifikation vorzunehmen, wo er doch noch nicht einmal weiss, ob das Gesetz, welches die Durchführung des Abkommens sieherstellen soll, vom Parlament und gegebenenfalls vom Volke angenommen werden wird ? Wie der Bundesrat bereits in seiner Botschaft vom lU. November 1922 betreffend die Beschlüsse der ersten internationalen Arbeitskonferenz kundgab, vertritt er den Standpunkt, dass die Schweiz im allgemeinen keine internationale Verpflichtung eingehen soll, ehe ihre Durchführung nicht sichergestellt ist. Noch in einem
andern Falle, mit Bezug auf das Abkommen betreffend die Verwendung von Bleiweiss in Farben, das von der internationalen Arbeitskonferenz im Laufe der dritten Sitzung angenom-

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men worden war, hat der Bundesrat eine ähnliche Erklärung abgegeben. Es ist nur richtig und ehrlich, dass ein internationaler Vertrag erst ratifiziert wird, wenn die nationale Gesetzgebung mit seinen Vorschriften in Einklang gebracht wurde; denn in welch schiefe Lage würde man kommen, wenn nach erfolgter Ratifizierung eines Vertrages das Gesetz, welches seine Durchführung sicherstellen soll, von den Räten oder vom Volke verworfen wird ?

Die Befolgung dieses Grundsatzes ist in praktischer Hinsicht von Bedeutung. Da die Schweiz nicht in der Lage sein wird, das internationale Opium-Abkommen zu ratifizieren, ehe das Bundesgeeetz über den Handel mit Betäubungsmitteln endgültig angenommen sein wird, entstand die Frage, ob die eidgenössischen Räte ihre Zustimmung hinausschieben sollten, bis das Gesetz zustande gebracht war, oder ob es vorteilhafter war, das Parlament über das Abkommen und das Bundesgesetz gleichzeitig beraten zu lassen. Der Bundesrat hat, im Wunsche, der Bundesversammlung eine zweimalige Erörterung der gleichen, Angelegenheit zu ersparen, die zweite von den beiden Lösungen gewählt. Er ersucht daher die Bundesversammlung, das internationale OpiumAbkommen zu genehmigen und gleichzeitig ein Bundesgesetz betreffend die Betäubungsmittel zu beschliessen.

VII, Kapitel.

Schi ussfolger nngen.

Die vorstehende Begründung ergibt, kurz zusammengefasst, folgendes : Die menschliche Gesellschaft steht gegenwärtig vor einer Gefahr, Diese Gefahr, die Vergiftung mittels Opium, Morphium, Heroin und Kokain, zeigt sich seit einer gewissen Reihe von Jahren in einer bisher unbekannten Schärfe. Sozusagen unbekannt in gewissen Gegenden, .mehr oder weniger verbreitet in andern, beängstigend in gewissen Staaten, folgt die Giftsucht seit 50 Jahren einer steigenden Kurve, die nicht ermangelt hat, zunächst die Aufmerksamkeit der Ärzteschaft und sodann auch diejenige der Behörden auf sich zu lenken. Da die Wirkungslosigkeit eines getrennten Vorgehens gegen die Morphiumsucht und die Kokainsucht schon des öftern festgestellt wurde, sind die Staaten, welche die internationale Gemeinschaft bilden, Übereingekommen, strenge Überwachungsmassnahmcn zu ergreifen, um,

238 wenn möglich, zu verhindern, dass sich das Übel weiter ausdehne und einen allzu gefahrlichen Umfang annehme.

Dank dem Umstände, dass die Schweiz vom Weltkriege verschont blieb, ist ihre Bevölkerung verhältnismässig wenig von der Seuche der Morphidth- und Kokainsucht betroffen worden, diesen Lastern, welche zu einem guten Teile die Folge der Entbehrungen sind, die durch die Ereignisse von 1914 bis 1918 verursacht wurden. Immerhin weisen gewisse Tatsachen darauf hin, dass unser Land vorsichtig handelt, wenn es sich gegen die Seuche, welche über andere Staaten mit solcher Wucht hereingebrochen ist, rechtzeitig vorsieht. Besonders aber wird die Eidgenossenschaft einen Akt menschlicher Solidarität erfüllen, wenn sie sich bereit erklärt, im Rahmen ihrer Krade bei den Bemühungen mitzuwirken, die von andern Staaten unternommen wurden, um sich von einer täglich wachsenden Gefahr zu befreien.

Die Schweiz ist das einzige Land auf der Erde, welches die im III. Kapitel des Haager Abkommens erwähnten Stoffe herstellt und noch keine Kontrolle über die Herstellung und die Ausfuhr dieser Erzeugnisse eingerichtet hat. Es ist somit unerlässlich, dass wir nunmehr einem Abkommen beitreten, das trotz seiner Mängel in Anbetracht der grossen Zahl der Vertragsstaaten einen ersten wirksamen Schritt auf dem Wege zur Ordnung des ungesetzlichen Handels mit Betäubungsmitteln bedeutet.

Wenn die Schweiz das Opium-Abkommen nicht ratifizieren sollte, so würde sie nicht nur Gefahr laufen, eines Tages von dem Übel betroffen zu werden, welches das Abkommen bekämpft, sondern sie beginge auch einen schweren Fehler, dessen Folgen sich ganz gewiss gegen sie selbst auswirken würden. Dass gewisse Staaten von der Morphium- und Kokainsucht ernstlich betroffen sind und dass diese Staaten energische Massnahmen ergriffen haben, um sich zu schützen, steht zweifellos fest. Welches wäre nun ihr Verhalten gegen uns, wenn wir unsere Hilfe und Mitarbeit an dem Tage versagen, wo sie uns darum angehen? In der Überzeugung, dass es im gegenwärtigen und zukünftigen Interesse unseres Landes liegt, sich gegen die Morphium- und Kokainsucht durch Erlass eines Bundesgesetzes über Betäubungsmittel zu schützen und in der Erkenntnis der uns durch unsere Stellung als Erzeugungsland von Giftstoffen auferlegten Notwendigkeit, im allgemeinen Interesse der
Menschheit und im besondern Interesse gewisser Staaten unsere Ausfuhr von schädlichen Drogen zu überwachen, stellt Ihnen der Bundesrat den Antrag, das internationale Abkommen, genannt das Opium-Abkommen, durch Annahme des beigefügten Beschlussentwurfes zu genehmigen.

239

Wir benutzen den Anlass, um Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, erneut unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 8. Februar 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Chuard.

Der Bundeskanzler : Steiger.

240

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des internationalen Opium-Abkommens vom 23. Januar 1912.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g dor schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsichtnahme der Botschaft des Bundesrates vom 8. Februar 1924, beschliesst: Artikel 1.

Das internationale Opium-Abkommen, unterzeichnet im Haag am 23. Januar 1912, wird genehmigt.

Artikel 2.

Der Bundesrat, wird mit der Durchführung des vorliegenden Bundesbeschlusses beauftragt.

241

Internationales Opium-Abkommen.

Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen, im Namen des Deutschen Reichs ; der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika; Seine Majestät der Kaiser von China; der Präsident der Französischen Republik; Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der Britischen Dberseeischen Lande, Kaiser von Indien; Seine Majestät der König von Italien ; Seine Majestät der Kaiser von Japan ; Ihre Majestät die Königin der Niederlande; Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien; der Präsident der Portugiesischen Republik; Seine Majestät der Kaiser aller Reussen ; Seine Majestät der König von Siam, von dem Wunsche geleitet, auf dem von der Internationalen Opium-Kommission in Sehanghai im Jahre 1909 eingeschlagenen Wege fortzuschreiten; entschlossen, die allmähliche Unterdrückung des Missbrauehe von Opium, Morphin, Kokain sowie solcher Verarbeitungen und Derivate dieser Stoffe, welche zu ähnlichen Missbräuchen Anlass geben oder Anlass geben können, herbeizuführen; in der Erkenntnis der Notwendigkeit und des wechselseitigen Nutzens einer internationalen Verständigung über diesen Gegenstand; in der Überzeugung, dass diesem humanitären Bestreben alle interessierten Staaten einmütig beitreten worden, haben beschlossen, zu diesem Zwecke ein Abkommen zu treffen, und zu Ihren Bevollmächtigten ernannt: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen: Seine Exzellenz Herrn Felix von M ü l l e r , Ihren Wirklichen Geheimen Rat, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister im Haag; Herrn D e l b r ü c k , Ihren Geheimen Oberregierungsrat; Herrn Dr. G r u n e n w a l d , Ihren Wirklichen Legationsrat; Herrn Dr. K e r p , Ihren Geheimen Regierungsrat, Direktor im Kaiserlichen Gesundheitsamt; Herrn Dr. R ö s s l e r , Kaiserlichen Konsul in Kanton.

242

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika : Herrn Bischof C h a r l e s H. B r e n t ; Herrn H a m i l t o n W r i g h t ; Herrn H. J. F i n g e r .

Seine Majestät der Kaiser von China: Seine Exzellenz Herrn Li ä u g Ch'eng, Ihren ausserordentlicheo Gesandten und bevollmächtigten Minister in Berlin.

Der Präsident der Französischen Republik: Herrn H e n r i B r e n i e r , beratender Inspektor der landwirtschaftlichen und Handelsverwaltung von Indochina; Herrn P i e r r e G u e s d e , Verwalter des Zivildienstes von Indochina.

Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der Britischen überseeischen Lande, Kaiser von Indien: den Eight Honourable Sir C e eil C l e m e n t i S m i t h , G. G. M. G., Mitglied des Geheimen Rats; Sir W i l l i a m S t e v e n s o n M o y e r , K. C. I. B., Chefsekretär der Regierung von Madras; Herrn W i l l i a m G r e n f e i l M a x - M ü l l e r , C. B., M. V. 0., Ihren Botschaftsrat : 8ir W i l l i a m J o b C o l l ins, M. D., stellvertretenden Abgeordneten der Grafschaft London.

Seine Majestät der König von Italien: Seine Exellenz den Grafen J. S a l i e r de l a T o u r , Herzog v o n C a l v e l l o , Ihren aussorordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister im Haag; Herrn Professor R o c c o S a u t o l i q u i d o , Deputierten des Parlaments, Generaldirektor des öffentlichen Gesundheitswesens, Seine Majestät der Kaiser von Japan: Seine Exellenz A i m a r o S a t o , Ihren ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister im Haag ; Herrn Dr. T o m o e T a k a gi, Ingenieur des Generalgouvernements von Formosa; Herrn Dr. Kotaro N i s b i z a k i , taphnigc.hen Spezialisten, attaehiert, dem Laboratorium des Gesundheitsdienstes,

243

Ihre Majestät die Königin der Niederlande: Herrn J. T. C r e m er, Ihren ehemaligen Minister der Kolonien, Präsidenten der Niederländischen Handelskompagnie: Herrn C. Th. van D e v e n t e r , Mitglied der ersten Kammer der Generalstaaten ; Herrn A. A. de J o n g h , ehemaligen Generalinspektor, Clief der Opiumregie von Niederländisch-Indien ; Herrn J. G. Scheurer, Mitglied der zweiten Kammer der Generalstaaten ; Herrn W. G. van W e t t u m , Inspektor der Opiumregie von Niederländisch-Indien.

Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien : M i r z a M a h m u d K h a n , Sekretär der persischen Gesandtschaft Der Präsident der Portugiesischen Republik: Seine Exzellenz Herrn A n t o n i o M a r i a B a r t h o l o m e u Ferr e i ra, ausserordentlichen Gesandton und bevollmächtigten Minister im Haag.

Seine Majestät der Kaiser aller Seussen: Seine Exzellenz Herrn A l e x a n d e r S a v i n s k i , Ihren Zeremonienmeister, Wirklichen Staatsrat, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in Stockholm.

Seine Majestät der König von Siam: Seine Ezxellenz P h y a A k h a r a j V a r a d h a r a, Ihren ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in London, im Haag und in Brüssel; Herrn W m. J . A r c h e r, C. M. G., Ihren Legationsrat, welche, nach Hinterlegung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, über folgendes übereingekommen sind ;

Kapitel 1.

Rohopium.

D e f i n i t i o n . Unter Rohopium ist zu verstehen: Der aus den Kapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnene, freiwillig geronnene Milchsaft, der nur die für seine Verpackung und seinen Versand erforderliche Behandlung erfahren hat.

244 Artikel 1.

Die Vertragsmächte werden Gesetze oder Verordnungen zu einer wirksamen Überwachung der Erzeugung und des Vertriebs des Rohopiums erlassen, sofern die bestehenden Gesetze oder Verordnungen nicht bereite entsprechende Bestimmungen enthalten.

Artikel 2.

Die Vertragsmächte werden, soweit es die besonderen Verhältnisse ihrer Handelsbeziehungen gestatten, die Zahl der Städte, Häfen und sonstigen Örtlichkeiten, über welche die Ausfuhr oder die Einfuhr gestattet seiu soll, beschränken.

Artikel 3.

Die Vertragsmächte werden Massregeln treffen : a. um die Ausfuhr von Rohopium nach Ländern zu verhindern, die dessen Einfuhr verboten haben, und 6. um die Ausfuhr von Rohopium nach Ländern zu überwachen, die dessen Einfuhr beschränken, sofern nicht bereits entsprechende Vorschriften bestehen.

Artikel 4.

Die Vertragsmächte werden Verordnungen erlassen, nach denen jedes Paket, das zur Ausfuhr bestimmtes Rohopium enthält, in einer seinen Inhalt angebenden Weise gekennzeichnet sein muss, sofern die Sendung das Gewicht von 5 kg übersteigt.

Artikel 5, Die Vertragsmächte werden nur gehörig ermächtigten Personen die Einfuhr und Ausfuhr von Rohopium gestatten.

Kapitel II.

Zubereitetes Opium.

D e fi n i t i o n. Unter zubereitetem Opium ist zu verstehen : Das Erzeugnis des Rohopiums, welches durch eine Reihe eigenartiger Verfahren, insbesondere durch Auflösen, Eindampfen, Rösten, Vergärenlassen, gewonnen ist, die den Zweck haben, das Rohopium in ein zum Genüsse geeignetes Extrakt umzuwandeln.

Unter den Begriff des zubereiteten Opiums fallen auch der sogenannte Dross und alle andern Rückstände von Rauchopium.

245

Artikel 6.

Die Vertragsmächte werden unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in den einzelnen Ländern Massregeln zum Zwecke der allmählichen und wirksamen Unterdrückung der Herstellung, des Vertriebs im Inland und der Verwendung von zubereitetem Opium treffen, sofern nicht bereits entsprechende Bestimmungen bestehen.

Artikel 7.

Die Vertragsmächte werden die Einfuhr und Ausfuhr von .zubereitetem Opium verbieten; diejenigen Mächte, welche zu einem sofortigen Verbote der Ausfuhr des zubereiteten Opiums noch nicht in der Lage sind, werden das Verbot so bald als möglich erlassen.

Artikel 8.

Die Vertragsmächte, die zu einem sofortigen Verbote der Ausfuhr des zubereiteten Opiums noch nicht in der Lage sind, werden a. die Zahl der Städte, Häfen oder sonstigen Örtlichkeiten beschränken, über welche zubereitetes Opium ausgeführt werden darf; b. die Ausfuhr von zubereitetem Opium nach Ländern verhindern, die gegenwärtig die Einfuhr untersagen oder in Zukunft untersagen werden; c. in der Zwischenzeit die Versendung von zubereitetem Opium nach Ländern verbieten, welche die Einfuhr zu beschränken wünschen, sofern sich der Versender nicht nach den Vorschriften des Einfuhrlande richtet; d. Bestimmungen erlassen, nach denen jede zur Ausfuhr gelangende Sendung, die zubereitetes Opium enthält, ein besonderes, ihren Inhalt angebendes Kennzeichen tragen muss; e. die Ausfuhr von zubereitetem Opium nur besonders dazu ermächtigten Personen gestatten,

Kapitel III.

Opium für medizinische Zwecke, Morphin, Kokain usw.

D e f i n i t i o n e n . Unter Opium für medizinische Zwecke ist zu verstehen: Rohopium, das auf 60° C erwärmt worden ist und nicht weniger als 10 v. H. Morphin enthält, auch gepulvert oder granulier oder mit neutralen Stoffen gemischt.

Bundesblatt. 76. Jahrg.

Bd. I.

19

246

Unter Morphin ist zu verstehen: das Hauptalkaloid des Opiums mit der chemischen Formet C17 H1 9 NO3.

Unter Kokain ist zu verstehen : das Hauptalkaloid der Blätter von Erythroxylon Coca mit der Formel C17 Hai NO4.

Unter Heroin ist zu verstehen : das Diazetylmorphin mit der Formel C21 Haa NOs.

Artikel 9.

Die Vertragsmächte werden Gesetze oder Verordnungen über das Apothekenwesen erlassen, durch welche die Herstellung, der Verkauf und die Verwendung von Morphin, Kokain und deren Salzen auf den medizinischen und gesetzmässigen Gehrauch beschränkt wird, sofern die bestehenden Gesetze und Verordnungen nicht bereits entsprechende Bestimmungen enthalten. Sie wenden gemeinsam darauf hinarbeiten, um den Gebrauch dieser Stoff» für irgendeinen anderen Zweck zu verhindern.

Artikel 10.

Die Vertragsmächte werden bemüht sein, alle Personen,, welche Morphin, Kokain oder deren Salze herstellen, einführen, verkaufen, vertreiben und ausführen, sowie die Gebäude, in denen sie dieses Gewerbe oder diesen Handel ausüben, zu überwachen oder deren Überwachung zu veranlassen.

' Zu diesem Zwecke werden die Vertragsmächte bemüht sein, die folgenden Massregeln zu treffen oder zu veranlassen, sofern nicht bereits entsprechende Bestimmungen bestehen: a. die Herstellung von Morphin, Kokain und deren Salzen auf die Betriebe und Örtlichkeiten zu beschränken, für die eine Ermächtigung erteilt ist, oder sich über die Betriebe und Örtlichkeiten zu unterrichten, in denen diese Stoffe hergestellt werden, und hierüber ein Register zu führen; b. zu verlangen, dass alle, welche Morphin, Kokain und deren Salze herstellen, einführen, verkaufen, vertreiben und ausführen, eine Ermächtigung oder Erlaubnis hierzu besitzen oder den zuständigen Behörden eine amtliche Anzeige machen ;

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c. von diesen Personen zu verlangen, dass sie über die hergestellten Mengen, die Einfuhr, den Verkauf, jede andere Abgabe und die Ausfuhr von Morphin, Kokain und deren Salzen Buch führen. Diese Vorschrift gilt nicht notwendigerweise für die ärztlichen Rezepte und für die Verkäufe seitens der gehörig ermächtigten Apotheker.

Artikel 11.

Die Vertragsmächte werden Massregeln treffen, um im Inlandverkehr jede Abgabe von Morphin, Kokain und deren Salzen an alle nicht ermächtigten Personen zu verhindern, sofern nicht bereits entsprechende Bestimmungen bestehen.

Artikel 12.

Die Vertragsmächte werden bemüht sein, unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse ihres Landes die Einfuhr von Morphin, Kokain und deren Salzen auf die hierzu ermächtigten Personen zu beschränken.

Artikel 13.

Die Vertragsmächte worden bemüht sein, Massregeln zu treffen oder /.u veranlassen, nach denen die Ausfuhr .von Morphin, Kokain und deren Salzen aus ihren Ländern, Besitzungen, Kolonien und Pachtgebieten nach den Ländern, Besitzungen, Kolonien und Pachtgebieten der anderen Vertragsmächte nur an Personen gestattet ist, welche die durch die Gesetze oder Verordnungen des Einfuhrlandes dafür vorgesehene Ermächtigung oder Erlaubnis erhalten haben.

Zu diesem Zwecke bleibt es jeder Regierung vorbehalten, von Zeit zu Zeit den Regierungen dor Ausfuhrländer Listen der Personen zu übermitteln, denen die Ermächtigung oder Erlaubnis zur Einfuhr von Morphin, Kokain und deren Salzen gewährt worden ist.

Artikel 14.

.

Die Vertragsmächte werden die auf die Herstellung, die Einfuhr, den Verkauf oder die Ausfuhr von Morphin, Kokain und deren Salzen bezüglichen Gesetze und Verordnungen in Anwendung bringen: a. auf das Opium für medizinische Zwecke ; b. auf alle pharmazeutischen Zubereitungen (offizinelle und nicht offlzinelle, einschliesslich der sogenannten Antiopiummittel), welche mehr als 0,a v, H. Morphin oder mehr als 0,i v.H.Kokain enthalten;

248 c. auf Heroin, seine Salze und seine Zubereitungen, welche mehr als 0,i v. H. Heroin enthalten ; d. auf jedes neue Derivat des Morphine, Kokains oder ihrer Salze oder auf jedes andere Alkaloid des Opiums, das nach dem Ergebnis allgemein anerkannter wissenschaftlicher Untersuchungen zu ähnlichem Missbrauch Anlass geben und die gleichen schädlichen Wirkungen zur Folge haben kann,

Kapitel IV, Artikel 15.

Die Vertragsmäcbte, die mit China im Vertragsverhältnisse stehen (,,Treaty Powers"), werden im Einvernehmen mit der chinesischen Regierung die erforderlichen Massnahmeu treffen, um den Schmuggel von Rohopium, zubereitetem Opium, Morphin, Kokain und deren Salzen sowie von den im Artikel 14 dieses Abkommens genannten Stoffen sowohl nach chinesischem Gebiete wie auch nach ihren ostasiatischen Kolonien und ihren chinesischen Pachtgebieten zu verhindern. Die chinesische Regierung wird ihrerseits entsprechende Massregeln zur Unterdrückung des Schleichhandels mit Opium und den übrigen vorgenannten Stoßen von China nach den fremden Kolonien und Schutzgebieten treffen.

Artikel 16.

Die chinesische Regierung wird für ihre Staatsangehörigen pharmazeutische Gesetze erlassen, die den Verkauf und den Vertrieb von Morphin, Kokain, deren Salzen und den im Artikel 14 dieses Abkommens erwähnten Stoffen regeln, und diese Gesetze den Regierungen der Mächte, die mit China im Vertragsverhältnis stehen, durch Vermittlung ihrer diplomatischen Vertreter in Peking mitteilen. Die Vertragsmächte, die mit China im Vertragsverhältnisse stehen, werden die Gesetze prüfen und, wenn sie sie annehmbar finden, die nötigen Schritte tun, um sie auf ihre in China ansässigen Staatsangehörigen in Anwendung zu bringen, Artikel 17.

Die Vertragsmächte, die mit China im Vertragsverhältnisse stehen, werden es sich angelegen sein lassen, die erforderlichen Massregeln zu treffen, um die Gewohnheit des Opiumrauchens in ihren Pachtgebieten, Niederlassungen und Konzessionen in China einzuschränken und zu überwachen, pari passu mit der chinesischen Regierung die Opiumhöhlen oder ähnliche Anstalten, die dort

249 noch bestehen könnten, zu unterdrücken und die Verwendung des Opiums in den Vergnügungslokalen und den öffentlichen Häusern zu verhindern.

Artikel 18.

Die Vertragsmächte, die mit China im Vertragsverhältnisae stehen, worden pari passu mit den zu dem gleichen Zwecke von der chinesischen Regierung zu treffenden wirksamen Massnahmen ebensolche Massregeln treffen, um allmählich die Zahl der Verkaufsläden fUr Rohopium und zubereitetes Opium, soweit solche noch in ihren Pachtgebieten, Niederlassungen und Konzessionen in China vorhanden sein sollten, herabzumindern. Sie werden ferner wirksame Massregeln zur Einschränkung und Überwachung des Opiumkleinhandels in den Pachtgebieten, Niederlassungen und Konzessionen treffen, sofern nicht bereits entsprechende Bestimmungen bestehen.

Artikel 19.

Die Vertragsmächte, die Postämter in China unterhalten, werden wirksame Massnahmen treffen, um die gesetzwidrige Einfuhr von Rohopium und zubereitetem Opium, Morphin, Kokain und deren Salzeu sowie der anderen im Artikel 14 dieses Abkommens erwähnten Stoffe nach China in Postpaketen gleichwie auch die gesetzwidrige Übersendung von einem Orte Chinas nach einem anderen durch Vermittlung dieser Postämter zu untersagen.

Kapitel V.

Artikel 20.

Die Vertragsmächte werden die Frage prüfen, ob .es möglich ist, Gesetze oder Verordnungen zu erlassen, die den gesetzwidrigen Besitz von Rohopium, zubereitetem Opium, Morphin, Kokain und deren Salzen unter Strafe stellen, sofern die bestehenden Gesetze oder Verordnungen nicht bereits entsprechende Bestimmungen enthalten.

Artikel 21.

Die Vertragsmächte werden sich durch Vermittlung des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten der Niederlande gegenseitig mitteilen: a. den Wortlaut der bereits bestehenden oder auf Grund der Bestimmungen des Abkommens erlassenen Gesetze und Verwaltungsreglemente, welche die im vorliegenden Abkommen behandelten Fragen betreffen ;

250 è. statistische Angaben über den Handel mit Röhopium, zubereitetem Opium, Morphin, Kokain und deren Salzen sowie den anderen in diesem Abkommen erwähnten Stoffen, ihren Salzen oder Zubereitungen.

Diese Angaben werden so eingehend und schleunig, als tunlich erachtet wird, mitgeteilt werden,

Kapitel VI, Schlussbestimmimgen.

Artikel 22.

Den auf der Konferenz nicht vertretenen Mächten steht es frei, dieses Abkommen zu unterzeichnen.

Zu diesem Zwecke wird die Regierung der Niederlande unverzüglich nach der Unterzeichnung des Abkommens durch die Bevollmächtigten der an der Konferenz beteiligten Mächte alle nicht auf der Konferenz vertretenen Mächte Europas und Amerikas, nämlich: die Republik Argentinien, Österreich-Ungarn, Belgien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, Columbien, Costa-Rica, die Republik Cuba, Dänemark, die Dominikanische Republik, die Republik Ecuador, Spanien, Griechenland, Guatemala, die Republik Haiti, Honduras, Luxemburg, Mexiko, Montenegro, .Nicaragua, Norwegen, Panama, Paraguay, Peru, Rumänien, Salvador, Serbien, Schweden, die Schweiz, die Türkei, Uruguay, die Vereinigten Staaten von Venezuela, auffordern, einen mit den nötigen Vollmachten ausgestatteten Vertreter zu benennen und im Haag das Abkommen zu unterzeichnen.

Das Abkommen wird mit diesen Unterschriften in Form eines ,,Unterzeichnungsprotokolls der auf der Konferenz nicht vertretenen Mächte'1 versehen werden, das unter Angabe des Tages jeder Unterzeichnung unter den Unterschriften der vertretenen Mächte dem Abkommen angefügt wird.

Die Regierung der Niederlande wird jeden Monat allen Signatarmäehten von jeder späteren Unterzeichnung Mitteilung machen.

Artikel 23.

Nachdem alle Mächte für sich sowie für ihre Besitzungen, .

Kolonien, Protektorate und Pachtgebiete das Abkommen oder das vorerwähnte Ergänzungsprotokoll unterzeichnet haben, wird die

2äi Regierung der Niederlande alle Mächte auffordern, das Abkommen nebst dem Protokoll zu ratifizieren.

Für den Fall, dass die Unterzeichnung seitens aller aufgeforderten Mächte bis zum 31. Dezember 1912 nicht erlangt werden konnte, wird die Regierung der Niederlande unverzüglich «lie Signatarmächte einladen, Vertreter zu benennen, die im Haag die Frage zu prüfen haben, ob es angängig ist, trotzdem ihre Ratifikationsurkunden zu hinterlegen.

Die Ratifikation wird in möglichst kurzer Frist erfolgen und im Haag im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten hinterlegt werden.

Die Regierung der Niederlande wird jeden Monat den Signatarmächten die Ratifikationen, die sie in der Zwischenzeit erhalten hat, mitteilen.

Sobald die Regierung der Niederlande die Ratifikationen aller Signatarmächte für sie selbst wie für ihre Kolonien, Besitzungen, Protektorate und Pachtgebiete erhalten hat, wird sie .allen Mächten, die das Abkommen ratifiziert haben, den Tag mitteilen, an welchem sie die letzte Ratifikationsurkunde erhalten, hat.

Artikel 24.

Dieses Abkommen tritt drei Monate nach dem Tage in Kraft, welcher in der im letzten Absatz des vorhergehenden Artikels erwähnten Anzeige der Regierung der Niederlande genannt ist.

Bezüglich der in diesem Abkommen vorgesehenen Gesetze, Verordnungen und sonstigen Maßregeln besteht Einverständnis ·darüber, dass die zu diesem Zwecke erforderlichen Entwürfe spätestens sechs Monate nach dem Inkrafttreten des Abkommens ausgearbeitet werden. Was die Gesetze betrifft, so werden sie gleichfalls durch die Regierungen ihren Parlamenten oder gesetzgebenden Körperschaften in derselben Frist von sechs Monaten, jedenfalls aber in der ersten, nach Ablauf dieser Frist stattfindenden Tagung vorgelegt werden.

Der Zeitpunkt, an welchem diese Gesetze, Verordnungen oder Massregeln in Kraft treten, wird von den Vertragsmäehten ·auf den Vorschlag der Regierung der Niederlande vereinbart werden.

Falls sich Fragen bezüglich der Ratifikation dieses Abkommens oder des Inkrafttretens des Abkommens oder der Gesetze, Verordnungen und Massregeln, welche sie zur Folge hat, ergeben sollten, so wird die Regierung der Niederlande, wenn diese Fragen nicht auf andere Weise gelöst werden können, alle Vertragsmächte auffordern, Vertreter zu bezeichnen, die zur Erzielung

252

eines unmittelbaren Einverständnisses über diese Fragen im Haag: zusammentreten sollen.

Artikel 25.

Sollte eine der Verträgen)ächte dieses Abkommen kündigen* wollen, so soll die Kündigung schriftlich der Regierung der Niederlande erklärt werden, die unverzüglich eine beglaubigte Abschrift der Erklärung allen anderen Mächten unter Angabe des Tagesdes Empfanges mitteilen wird.

Die Kündigung soll nur für die Macht, die sie erklärt hat, und erst ein Jahr, nachdem die Erklärung bei der Regierung der Niederlaode eingegangen ist, wirksam werden.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen mit ihren Unterschriften versehen.

Geschehen im Haag am 23. Januar 1912 in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll, und von der beglaubigte Abschriften auf diplomatischem Wege allen auf der Konferenz vertretenen Mächten übermittelt werden sollen.

Für Deutschland : F. von Müller.

Delbrück.

Grunenwald.

Für die Vereinigten Staaten von

Amerika:

Charles H. Brent Hamilton Wright Henry J. Finger.

Für China:

Liang Ch'eng.

Für Frankreich :

H. Brenier.

Unter Vorbehalt, für die Französischen Protektorate gegebenenfalls getrennt und besonders zu ratifizieren oder zu kundigen.

Für Grossbritannien :

W. S, Meyer.

W. G. Max-Müller.

William Job Collins.

Unter Vorbehalt der nachstehenden Erklärung: Die Artikel dieses Abkommen» sollen, sofern es durch die Regierang Seiner Britischen Majestät ratifiziert wird, auf das Kaiserreich Britisch-Indien, Ceylon,, die Straite Sottlements, Hongkong und Wei-hal-wel In jeder Beziehung, in gleicher Welse Anwendung finden wie auf das Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Irland; die Regierung Seiner Britischen Majestät behält sich indessen das Recht vor, das Abkommen für IhreSslbotverwa-ltungskolonien sowie die übrigen Kolonien, abhängigen Gebiete oder Protektorate besonders zu unterzeichnen oder zu kündigen.

Für Italien :

G. de la Tour Calvello.

25$ Pur Japan:

Aimaro SatO.

Tomoe Takagi.

Koiaro Nishizaki.

Für die Niederlande :

Für Fernen:

J. T. Cremer.

J. Th, van Deventer.

A. A. de Jongh.

J. G. Scheurer.

Mirza Mahmoud Khan.

Unter Vorbehalt der Artikel 16, 16, 17, jg und 19 (da Persien mit.

China nicht Im Vertragsverhältntgae steht) und des Paragraphen « des Artikels S.

Für Portugal : Für Russland: Für Siam:

Antonio Maria Bartholomeu Ferreira» A. Savinsky.

Akharaj Varadhara.

Wm. J. Archer.

Unter Vorbehalt der Artikel 16, l«, 17,18 und 19, da Siam mit China, nicht im Vertragaverhältnisse steht.

254

Schlussprotokoll unterzeichnet im Haag am 23. Januar 1912.

In einer Reihe von Sitzungen, die vom 1. Dezember 1911 bis 23. Januar 1912 abgehalten wurden, hat die Konferenz den Text des hier beigefügten Abkommens festgelegt.

Die Konferenz hat im weitern den folgenden Wünschen Ausdruck verliehen: I, Die Konferenz ist - der Auffassung, dass es angebracht wäre, die Aufmerksamkeit des Weltpostvereins zu lenken: 1. auf die Dringlichkeit' der Regelung der Postübermittlung von Rohopium; 2. auf die Dringlichkeit, soweit wie möglich die Postüberinittlung von Morphium, Kokain und ihren Salzen sowie der andern in Artikel 14 des Abkommens erwähnten Stoffe zu regeln; 3. auf die Notwendigkeit, die Postlibermittlung von zubereitetem Opium zu verhindern, E. Die Konferenz ist der Auffassung, dass es angebracht -wäre, die Frage des indischen Hanfes vom statistischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus zu prüfen zum Zwecke, den Missbrauch seiner Verwendung, sofern sich die Notwendigkeit hierfür fühlbar macht, durch die inländische Gesetzgebung oder durch ein internationales Abkommen einzudämmen.

255

Schlussprotokoll unterzeichnet im Haag am 9. Juli 1913.

In einer Reihe von Sitzungen, die vom 1. bis 9. Juli 1913 abgehalten wurden, hat die Konferenz nach Prüfung der Frage, die ihr durch § 2 von Artikel 23 des internationalen OpiumAbkommens vom 23. Januar 1912 unterbreitet worden war, I. beschlossen, dass die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden von jetzt ab erfolgen kann; II. mit Einstimmigkeit die folgende Resolution angenommen : In der Absicht, auf dem von der internationalen Kommission von Shanghai von 1909 und von der ersten Konferenz im Haag von 1912 betretenen Wege fortzuschreiten, um die allmähliche Unterdrückung des Missbrauchs von Opium, Morphium, Kokain sowie der aus diesen Stoffen zubereiteten und abgeleiteten Drogen zu erreichen und in der Erwägung, dass eine internationale Vereinbarung über diese Frage mehr als je notwendig ist und im gegenseitigen Interesse liegt, spricht die zweite internationale OpiumKonferenz den Wunsch aus, 1. dass die Regierung der Niederlande die Regierungen von Österreich-Ungarn, von Norwegen und Schweden darauf aufmerksam machen möge, dass die Unterzeichnung, die Ratifikation, der Erlass gesetzlicher Massnahmen und die Inkraftsetzung des Abkommens vier verschiedene Phasen bilden, welche es diesen Mächten erlauben, schon von jetzt an die ergänzenden Unterschriften vorzunehmen.

Es geht in der Tat aus Artikel 23 und 24 hervor, dass ein Zeitabschnitt von sechs Monaten zwischen der Inkraftsetzung des Abkommens und der Ausarbeitung von Gesetzesentwurfen, Verordnungen und andern durch das Abkommen vorgesehenen Massnahmen verstreichen kann. 'Ausserdem erlaubt der dritte Absatz von Artikel 24 den Vertragsstaaten, sich nach der Ratifikation über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der erwähnten Gesetzesmassnahmen zu verständigen. Im weitern kann die Bemerkung nicht unterdruckt werden, dass die von Österreich- Ungarä, von Norwegen und von Schweden befürchteten Schwierigkeiten betreffend ihre Gesetzgebung den Vertretern der Signatarmächte nicht unbekannt waren und sogar zum Gegenstand einer eingebenden Prüfung von Seiten der 12 Vertragsmächte gemacht wurden. Fast alle Signatarmächte befinden sich in der gleichen

256 Lage wie die oben erwähnten Regierungen und haben daher noch nicht alle im Abkommen vorgesehenen Gesetzesentwürfe "ausgearbeitet; 2. dass die Regierung der Niederlande den Regierungen von Bulgarien, Griechenland, Montenegro, Peru, Rumänien, Serbien, der Türkei und von Uruguay die folgende Resolution mitteilen möge: ,,Die Konferenz bedauert, dass einige Regierungen sich geweigert oder es unterlassen haben, bis anbin das Abkommen zu unterzeichnen. Die Konferenz ist der Auffassung, dass das Fernbleiben dieser Mächte die vom Abkommen verfolgten humanitären Ziele auf dag ernsthafteste beeinträchtigen könnte. Die Konferenz gibt der festen Hoffnung Ausdruck, dass diese Mächte auf ihre verneinende oder zögernde Haltung zurückkommen werden" ; 3. dass die Regierung der Niederlande die schweizerische Regierung darauf aufmerksam machen möge, dass nie sich im Irrtum, befinde, wenn sie ihre Mitarbeit als beinahe wertlos betrachte. Im Gegensatz su der im Schreiben des Bundesrates vom 35. Oktober 1913 enthaltenen Auffassung glaubt die Konferenz, dass die Mitwirkung der Schweiz ausserordentlich nützlich wäre, während ihr Fernbleiben die Ergebnisse des Abkommens ernstlich beeinträchtigen uwrde. Was die vom Bundesrat aufgeworfene Frage betreffend die Anpassung der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung anbelangt, so ist eu bemerken, dass die Schwierigkeiten dieser Art bereits von der ersten Konferenz vorausgesehen und bei der Ausarbeitung des Abkommen» berücksichtigt wurden : 4. sie ladet die Signatarregierungen ein, ihre Vertreter im Auslande zu beauftragen, die oben erwähnten Schritte ihrer niederländischen Kollegen zu unterstutzen; III. dem folgenden Wunsche Ausdruck gegeben: dass im Falle, wo die Unterschrift aller .auf Grund von § l von Artikel 23 eingeladenen Mächte auf den Zeitpunkt des 31. Dezember 1913 nicht erlangt werden könnte, die Regierung der Niederlande unverzüglich die Signatarmächte einlade, Vertreter zu bezeichnen, welche im Haag die Möglichkeit des Inkrafttretens des internationalen Opium-Abkommens vom 23. Januar 1912 prüfen sollten.

257

Schlussprotokoll unterzeichnet im Haag am 25. Juni 1914.

lu einer Reihe von Sitzungen, die vom 15, bis 25. Juni 1914 abgehalten wurden, hat die Konferenz nach Prüfung der Frage, die ihr durch den von der aweiten Konferenz unter Nr. III formulierten Wunsch unterbreitet worden war: A. folgende Meinungen geäussert: 1. dass es möglich ist, das internationale Opium-Abkommen vom 23. Januar 1912 in Kraft zu setzen, trotzdem einige der auf Grund von § l von Artikel 23 eingeladenen Mächte das Abkommen noch nicht unterzeichnet haben, IL dass das Inkrafttreten des Abkommens zwischen allen Signatarmächten erfolgen wird, wenn die Mächte, die es bereits unterzeichnet haben, und diejenigen, die ihre Absicht zum Beitritt ausgedrückt haben, dasselbe ratifiziert haben werden. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens wird der von § l von Artikel 24 festgesetzte sein, III. dass, wenn an einem von der Konferenz zu bestimmenden Zeitpunkte noch nicht alle Signatarmächte ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt haben, es denjenigen Signatarmächten, -deren Ratifikationsurkunden hinterlegt sein werden, freistehen soll, das Abkommen in Kraft zu setzen. Die gleiche Möglichkeit wird auch denjenigen Signatarmächten belassen werden, welche ihre Ratifikationsurkunden nach diesem Zeitpunkte sukzessive, hinterlegen, IV. dass der unter III erwähnte Zeitpunkt der 31. Dezember 1914 ist, V. dass die Möglichkeit, dem Abkommen beizutreten, den Mächten offen stehen soll, die es noch nicht unterzeichnet haben ; B, beschlossen: dass ein Protokoll im Haag abgefasst werden soll, in dem die Signatarmächte, die geneigt sind, von der unter III erwähnten Möglichkeit Gebrauch zu machen, ihre Absicht erklären können, das Abkommen in Kraft zu setzen.

258

Seine Exzellenz, der Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten der Niederlande hat, entsprechend dem von der Konferenz einstimmig ausgedrückten Wunsche, zugestimmt, dieses Protokoll abzufassen, welches für die Unterschriften offen bleiben wird ; C. mit Einstimmigkeit die folgende Resolution gutgeheissen: Die Konferenz ersucht seine Exzellenz, den Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten der Niederlande, im Namen der Konferenz einen dringenden und höflichen Schritt bei denjenigen Signatarmächten, welche weder das Abkommen ratifiziert noch die Absicht es zu tun ausgedrückt haben, zu unternehmen, um sie zu bewegen, sich innerhalb möglichst kurzer Frist zur Hinterlage der Ratifikationsurkunden bereit zu erklären, damit das Abkommen sobald wie möglich in Kraft treten könne.

259-

Protokoll betreffend die Inkraftsetzung des internationalen Opium*Abkommens.

Die Unterzeichneten, von ihren Regierangen auf Grund der unter III des Schlussprotokolls der dritten internationalen OpiumKonferenz erwähnten Möglichkeit gehörig ermächtigt, erklären, dass ihre Regierungen nach erfolgter Ratifikation des internationalen Opium-Abkommens vom 23. Januar 1912 die Absicht haben, dasselbe in Kraft zu setzen Für diejenigen Mächte, welche dieses Protokoll vor dem 31, Dezember 1914 unterzeichnen, wird das Abkommen auf diesen Zeitpunkt in Kraft treten ; für diejenigen Mächte, welche es nach dem 31. Dezember unterzeichnen, wird das Abkommen am Tage der Unterzeichnung in Kraft treten.

"260

Verzeichnis 1. der Unterschriften des Abkommens; 2. der Unterschriften des zar Unterzeichnung aufgelegten Protokolls durch die an der ersten Haager Konferena nicht vertretenen Mächte; 3. der Ratifikationen des Abkommens; 4. der Unterschriften des Protokolls betreffend die Inkraftsetzung des Abkommens.

Staaten

Unterzeichnung des Protokolls die an der Unterzeichnung durch ersten Haager Ratifikation des des Konferenz Abkommens Abkommens nicht vertretenen Machte

10. Jan. 1920 Deutschland . . . 23. Jan. 1912 Amerika (Vereinigte Staaten von) . , 23. Jan. 1912 15. Dei:. 1913 Argentinien . . .

17. Okt. 1912 Österreich . . , .

16. Juli 1920 Belgien1)*) . , .

-- 18. Juni 1912 16. Juni 1914 Bolivien . . . . .

4. Juni 1913 10. Jan. 1920 -- Brasilien . . . .

16. Okt. 1912 23. Dez. 1914 Bulgarien . . . .

2. März 1914 9. Aug. 1920 2. Juli 1913 Chile 23. Jan. 1912

Kolumbien ") . . .

Costa Eica . . . .

Cuba Dänemark s) Danzig (Freie Stadt) Dominikanische Republik. . . .

Ecuador Spanien Frankreich *) . . . 23. Jan. 1912 Grossbritannien 5) , 23. Jan. 1912

Unterzeichnung des Protokolls betreffend die Inkraftsetzung des Abkommens (Datum des Inkrafttretens) 10. Jan. 1920

11. Febr. 1916 16. Juli 1920 14. Mai 1919 10. Jan. 1920 10. Jan. 1920 9. Aug. 1920

9. Febr. 191411. Febr. 1915 15. Jan. 1913 26. April 1912 8. Mai 1913 8. März 1920 8. März 1920 17. Dez. 1912 10. Juli 1913 21. Okt. 1921 8. NOT. 1921

12. NOT. 1913 2. Juli 1912 26. Febr. 1915 23. Okt. 1912 25. Jan. 1919 11. Febr. 1921 10. Jan. 1920 10. Jan. 1920 15. Juli 1914 10. Jan. 1920

*) Die Staaten, deren Name einer Zahl vorangeht, haben bei der Unterzeichnung des Abkommens einen Vorbehalt gemacht.

261 Unterzeichnung des Protokolls Unterzeichnung durch die an der ersten Haager des Konferenz Abkommens nicht vertretenen Machte

Staaten

Griechenland . .

Guatemala . . .

Haiti .

Honduras . . .

Ungarn , Italien .

.

Japan .

. .

Lettland Liberia Luxemburg8) . .

Mexiko . .

Montenegro ') . .

Nicaragua . . .

Norwegen . . .

Panama Paraguay . . .

Niederlande . .

Peru Persien9) . . .

Polen Portugal.

.

Rumänien . . .

Ausstand . . .

Salvador . . .

KönigreiclTder Serben, Kroaten und Slowenen .

Siam") Schweden10) . .

Schweia ") . . .

Tschechoslowakei Uruguay Venezuela . . .

.

.

.

, .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

30. März 1920 30. März 1920 17. Juni 1912 27. Aug. 1913 10. Jan. 1920 21. Aug. 1912 30. Juni 1920 30. Juni 1920 5. Juli 1912 29. Aug. 1913 3. April 1915 26. Juli 1921 26. Juli 1921 23. Jan. 1912 28. Juni 1914 10. Jan. 1920 -- 23. Jan. 1912 10. Jan. 1920 10. Jan. 1920 6. Febr. 1922 30. Juni 1920 30. Juni 1920 -- -- -- 18. Juni 1912 14. Mai 1919 15. Mai 1912 -- ~-- 22, Dez. 1913 -- 10.

Nov.

1914 18.

Juli 1913 3. Nov. 1920 -- -- 2. Sept. 1913 12. Nov. 1914 20. Sept. 1915 19. Juni 1912 25. Nov. 1920 25. Nov. 1920 -- 14. Dez. 1912 ,.

23. Jan. 1912 28. Juli 1914 11 Febr. 1915 24. Juli 1913 10. Jan. 1920 10. Jan. 1920 23. Jan. 1912 10 VAII.

Tun IQon 10. Jan. 1920 ·LV.

J.j7^U 23. Jan.

1912 15.

Dez.

1913 8.

April 1920 _ -- 27. Dez. 1913 14. Sept. 1920 14. Sept. 1920 .

23. Jan. 1912 -- 30.

Juli 1912 --

-- __ --

-- 23. Jan. 1912

.

.

.

.

Ratifikation des Abkommens

Unterzeichnung des Protokolls betreffend die Inkraftsetzung des Abkommens (Datum des Inkrafttretens)

-- -- -- -- ---

Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. I.

--

10. Febr. 1920 10. Febr. 1920 10. Juli 1913 10. Jan. 1920 -- 27. Aug. 1913 17, April 1914 18. Jan. 1921 --.

~_ 29. Dez. 1913 -- 10. Jan. 1920 10. Jan. 1920 9. März 1914 3. April 1916 10. Jan, 1920 10. Sept. 1912 28. Okt. 1913 ·--

20

262

') Unter Vorbehalt des Beitritts oder der Kündigung für Belgisch-Kongo.

*) Unter Vorbehalt der Genehmigung durch die gesetzgebende Körperschaft Kolumbiens.

a ) Die Unterzeichnung des Protokolle der an der Konferenz nicht vertretenen Mächte sowie die Ratifikation ist für Dänemark, Island und die dänischen Antillen erfolgt ; die Unterzeichnung des Protokolls betreffend die Inkraftsetzung hat für Dänemark und Island besonders stattgefunden.

*) Unter Vorbehalt, für die französischen Schutzgebiete gegebenenfalls getrennt und besonders zu ratifizieren oder zu kundigen.

5 ) Unter Vorbehalt der nachstehenden Erklärung: Die Artikel des vorliegenden Abkommens sollen, sofern es von der Regierung Seiner Britischen Majestät ratifiziert wird, auf das Kaiserreich Britisoh-Indien, Ceylon, die Straits Settlements, Hongkong und Wei-hai-wei in jeder Hinsicht in gleicher Weise Anwendung finden wie auf das Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Irland ; die Regierung seiner Britischen Majestät behält sich jedoch das Recht vor, das Abkommen im Namen jedes der Dominions, Kolonien, Dependenzen oder Schutzgebiete Seiner Majestät ausser denjenigen, die besonders angeführt worden sind, besonders zu unterzeichnen oder zu kündigen.

(Kraft des oben erwähnten Vorbehaltes hat Grossbritannien das Abkommen für folgende Dominions, Kolonien, Dependenzen und Schutzgebiete unterzeichnet: Kanada, Neufundland, Neuseeland, Brunei, Zypern, Schutzgebiet Ostafrika, Falkland-Inseln, Malayische Schutzstaaten, Gambia, Gibraltar, Goldküste, Jamaika, Johore, Kedah, Kelantan, Perus, Trengganu, Malta, Nordnigeria, Nordborneo, Nyassaland, St. Helena, Sarawak, Seychellen, Somaliland, Südnigeria, Trinidad, Uganda am 17. Dezember 1912, sowie für die Fidschi-Inseln am 27. Februar 1913 und für die Kolonie Sierra Leone, für das Schutzgebiet der Gilbert- und Ellice-Inseln und für das Schutzgebiet der Salomon-Inseln am 22. April 1913, für die Regierung des Commonwealth Australien am 25. Juni 1913, für die Bahama-Inseln und für die drei Kolonien der Windward-Inseln, nämlich Grenada, Santa Lucia und St. Vincent, am 14. November 1913, für die Leeward-Inseln a m 3 0 . Januar 1914, f ü r Britisch-Guayana u n d für am 11. März 1914,fürr Sansibar, Süd- und Nord-Rhodesia, Basutoland, das SchutzgebietBerschuanalandd und Swaziland am 28. März 1914,fürr
die Kolonie Barbados am 4. April 1914, für Mauritius und seine Dependenzen am 8. April 1914, für dieBermuda-Inselnn am 11. Juli 1914).

6 ) Die Unterzeichnung des Protokolls betreffend die Inkraftsetzung des Abkommens ist ein Irrtum, da Luxemburg bisher das Abkommen nicht

ratifiziert h a t . 7 ) ) Unter Vorbehalt nachstehender Er Da das Opium in Montenegro weder verarbeitet noch erzeugt wird, wird sich die Königliche Regierung von Montenegro für den Augenblick darauf beschränken, die Einfuhr von zubereitetem Opium zu verbieten, erklärt sich aber gleichzeitig geneigt, die in Artikel 8 des Abkommens vorgesehenen Massnahmen zu treffen, wenn die Erfahrung den Beweis für deren Zweckmässigkeit erbringt.

263 6

) Unter Vorbehalt der Artikel 15, 16, 17, 18 und 19 (da Persien mit China nicht ira Vertragsverhältnisse steht) und des Absatzes a von Artikel 3.

9 ) Unter Vorbehalt der Artikel 15, 16, 17, 18 und 19, da Siam mit China nicht im Vertragsverhältnisse steht.

10 ) Unter Vorbehalt nachstehender Erklärung: Da das Opium in Schweden nicht verarbeitet wird, wird sich die schwedische Regierung für den Augenblick darauf beschranken, die Einfuhr von zubereitetem Opium zu verbieten, erklärt sich aber gleichzeitig bereit, die in Artikel 8 des Abkommens vorgesehenen Massnahmen zu treffen, wenn die Erfahrung den Beweis für deren Zweckmässigkeit erbringt.

") Unter Vorbehalt der Ratifikation und mit der Erklärung, dass es der Schweiz kaum möglich sein werde, innerhalb der vom Abkommen festgesetzten Frist die nötigen gesetzgeberischen Erlasse fertigzustellen.

264

Wortlaut der in der Schlusssitzung vom 26. Februar 1909 zu Shanghai von der Internationalen Opiumkommission angenommenen Entschliessungen.

1. Die IOK erkennt den unerschütterlichen Ernst der chinesischen Regierung in ihren Bestrebungen zur Ausrottung der Opiumerzeugung und des Opiumkonsums, das Wachsen jenes Teils der öffentlichen Meinung unter den chinesischen Staatsangehörigen, der diese Bestrebungen unterstutzt, und die tatsächlichen, wenn auch ungleichen Erfolge in einer Aufgabe von grösster Tragweite an.

2. Angesichts der von der chinesischen und andern Regierungen unternommenen Aktion zur Unterdrückung des Opiumrauchens empfiehlt die IOK jeder Delegation, ihrer Regierung Massregeln zur allmählichen Unterdrückung des Opiumrauchens in ihren Staatsgebieten und Besitzungen unter Berücksichtigung der in den einzelnen Ländern vorliegenden verschiedenen Verhältnisse nahezulegen.

3. Die IOK findet, dass jeglicher Gebrauch des Opiums zu nichtmedizinischen Zwecken von fast jedem hier vertretenen Staate als ein Gegenstand des Verbotes oder der sorgfaltigen Regelung angesehen wird und dass jedes Land bei der Handhabung seines Reglementierungssystems den Gedanken einer den Verhältnissen entsprechenden allmählichen Einschränkung verfolgt. Hierbei erkennt die IOK. die grossen Unterschiede der in den einzelnen Ländern gegebenen Vorbedingungen an, lenkt indessen die Aufmerksamkeit der beteiligten Regierungen darauf, dass es wünschenswert sei, ihre Reglementierungssysteme im Lichte der Erfahrung anderer Länder, die mit derselben Frage zu tun haben, zu revidieren.

4. Die IOK findet, dass jede hier vertretene Regierung strenge Gesetze hat, die unmittelbar oder mittelbar die Verhütung des Schmuggels vou Opium, dessen Alkaloiden, Präparaten und Derivaten in sein Staatsgebiet bezwecken ; sie erachtet es des weitern als Pflicht aller Staaten, in den Ausgangshäfen angemessene Massregeln zu treffen zur Verhütung der Verschiffung von Opium, dessen Alkaloiden, Präparaten oder Derivaten nach solchen Ländern, welche die Einfuhr verbieten.

5. Die IOK findet, daas die unbeschränkte Vorarbeitung, Verkauf und Vertrieb von Morphium bereits eine schwere Gefahr

265 darstelle und dass Zeichen für die Zunahme des Morphinismus vorliegen ; sie wünscht daher, allen Regierungen nachdrücklich die Bedeutung der Einführung drakonischer Massnahnien nahezulegen, um auf ihrem Gebiete und in ihren Besitzungen die Verarbeitung, den Verkauf und den Vertrieb dieser Droge und aller andern Derivate des Opiums zu beaufsichtigen, die sich bei einer wissenschaftlichen Untersuchung als geeignet für ähnliche Missbräuche und als ebenso schädlich wie das Opium herausstellen sollten.

6. Nach der gegenwärtigen Zusammensetzung ist die IOK nicht geeignet, eine wissenschaftliche Untersuchung über Antiopiummittel, die Eigenschaften und Wirkungen des Opiums und seiner Produkte zu ermöglichen, erachtet diese Untersuchung aber als von höchster Wichtigkeit ; sie wünscht daher, dass jede Delegation diese Seite der Frage ihrer Regierung empfehle, damit diese die ihr notwendig scheinenden Massnahmen ergreife.

7. Die IOK empfiehlt dringend allen Regierungen, die Konzessionen oder Niederlassungen in China besitzen und in diesen Niederlassungen und Konzessionen noch keine wirksamen Schritte zur sofortigen Schliessung der Opiumdiwane unternommen haben, sobald sie es für möglich erachten, ähnliche Massnahmen zu treffen, wie sie von verschiedenen Regierungen bereits ergriffen worden sind.

8, Die IOK empfiehlt dringend, dass jede Delegation ihrer Regierung nahelege, mit China in Verhandlungen einzutreten über baldige und wirksame Massregeln zur Durchführung eines Verkaufs Verbotes von opium- oder morphinhaltigen Antiopiumarzneien in den verschiedenen Konzessionen und Niederlassungen Chinas.

9, Die IOK empfiehlt, jede Delegation möge ihrer Regierung nahelegen, ihre Arzneimittelgesetze auf die Konsularbezirke, Konzessionen und Niederlassungen in China auszudehnen.

266

Der Friedensvertrag von Versailles.

Art. 295.

Diejenigen der Hohen vertragschliessenden Teile, die das Haager Opium-Abkommen vom 23. Januar 1912 noch nicht unterzeichnet oder nach der Unterzeichnung noch nicht ratifiziert haben, erklären sich damit einverstanden, das Abkommen in Kraft zu setzen und zu diesem Zwecke sobald wie möglich und spätestens binnen 12 Monaten nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags die nötigen Gesetze zu .erlassen.

Die Hohen vertragschliessenden Teile kommen ausserdem überein, dass für diejenigen von ihnen, die das genannte Übereinkommen noch nicht ratifiziert haben, die Ratifikation des gegenwärtigen Vertrages in jeder Hinsicht einer solchen Ratifikation und der Unterzeichnung des Spezialprotokolls gleichkommen soll, das im Haag gemäss den Beschlüssen der dritten, im Jahre 1914 zur Inkraftsetzung dieses Übereinkommens abgehaltenen OpiumKonferenz aufgenommen worden ist.

Die Regierung des französischen Freistaats wird der Regierung der Niederlande eine beglaubigte Abschrift des Protokolls über die Hinterlegung der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrags übermitteln und sie ersuchen, diese Urkunde als Hinterlegung der Ratifikationen des Abkommens vom 23. Januar 1912 und als Unterzeichnung des Zusatzprotokolls von 1914 entgegenzunehmen und anzuerkennen *).

*) Art. 274 dea Friedensvertrages mit Österreich vom 10. September 1919, Art. 174 des Friedensvertrages mit Bulgarien vom 27. November 1919 und Art. 231 des Friedensvertrages mit Ungarn vom 4. Juni 1920 sind in ähnlichem Wortlaute abgefasst.

267

Völkerbundsvertrag.

Art. 23. Unter Vorbehalt und in Übereinstimmung mit dea Vorschriften der gegenwärtig zu Recht bestehenden oder später abzuschließenden internationalen Übereinkommen erklären dio Mitglieder des Völkerbundes : c, dass sie den Völkerbund mit der allgemeinen Überwachung über die Abkommen betrauen, die den Mädchen- und Kinderhandel, sowie den Handel mit Opium und andern schädlichen Stoffen zum Gegenstand haben.

268

Resolution der I. Völkerbundsversammlung.

Der Artikel XXIII des Yölkerbundsvertrages überträgt dem Völkerbund die Aufgabe, die Ausführung der hinsichtlich des Handels mit Opium und andern schädlichen Drogen ergriffenen Hassnahmen zu überwachen ; infolgedessen stimmt die Versammlung mit der Auffassung der niederländischen Regierung tlberein, dass es vorteilhaft wäre, den Völkerbund die Verantwortlichkeiten auf sich nehmen zu lassen, die gemäss den Bestimmungen der Opiumkonvention der Regierung der Niederlande im Hinblick auf die Sammlung von Nachrichten und die Schlichtung von Streitigkeiten obliegen. Aus diesen Erwägungen und um es dem Völkerbund zu ermöglichen, eine allgemeine Überwachung über die zur Regelung jenes Handels getroffenen Massnahmon auszuüben, wird das Sekretariat des Völkerbundes mit der Aufgabe betraut, nebst andern notwendigen Nachrichten diejenigen zu sammeln, welche die in den verschiedenen Ländern zur Ausführung der Opiumkonvention getroffenen Massnahmen sowie diejenigen, welche die Herstellung, den Vertrieb und den Verbrauch der Drogen /um Gegenstand haben.

Um zur Erreichung dieses Zweckes eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen den Nationen zu verwirklichen und dem Rate bei Prüfung dieser Fragen beizustehen, soll vom Völkerbundsrat eine b e r a t e n d e K o m m i s s i o n , bestehend aus den Vertretern der am meisten interessierten Mächte, insbesondere der Niederlande, Grossbritanniens, Frankreichs, Indiens, Chinas, Japans, Siaras und Portugals bestellt werden. Diese Kommission wird die allgemeinen Richtlinien für ihre Arbeiten vom Rate erhalten und so oft die Verhältnisse es gebieten, zusammentreten.

In Anbetracht der Wichtigkeit der Mitarbeit derjenigen Staaten, die, ohne Mitglieder des Völkerbunds zu sein, die Opiumkonvention ratifiziert haben oder sie ratifizieren werden, soll die niederländische Regierung aufgefordert werden, deren Zustimmung und Beihilfe zur Ausführung der genannten Massnähmen zu erlangen. Erfolgt diese Zustimmung, so wird der Rat ermächtigt, der beratenden Kommission die Vertreter derjenigen Staaten unter ihnen als Mitglieder oder Beisitzer zuzuteilen, die an der Frage besonders stark beteiligt sind; auf jeden Fall soll eine besondere Aufforderung an die Vereinigten Staaten von Amerika gerichtet werden.

Ä69 Der Rat wird ermächtigt, falls er es für nötig halten sollte, der Kommission höchstens 3 Mitglieder mit beratender Stimme beizugehen, die keine Regierung vertreten, die aber die Frage gründlich kennen. Die Reiseentschädigungen und Taggelder dieser Mitglieder sind durch den Völkerbund zu bestreiten, Die beratende Kommission hat dem Rat zur Unterbreitung an die Versammlung 3 Monate vor Eröffnung derselben einen Bericht abzuliefern über alle Fragen, die die Durchführung der Abkommen über den Handel im Opium und andern gefährlichen Drogen betreffen.

Die Versammlung stellt mit Befriedigung fest, welche Anstrengungen die niederländische Regierung macht, um die Unterzeichnung und Ratifisderung der Opiumkonvention durch die Staaten, die derselben noch nicht beigetreten sind, zu erreichen, und bittet sie, das GeneralsekreUriat des Völkerbundes vom Ergebnis ihrer Bemühungen zu unterrichten.

Resolution vom 15. Dezember

1920.

270

II. Völkerbundsversammlung.

Die Versammlung genehmigt die §§ l, 2, 4 und 5 der Resolution vom 28. Juni 1921 : 1. Dass die Völkerbundsstaaten, die bisher die internationale Opiumkonventiou noch nicht unterzeichnet oder ratifiziert haben, eingeladen werden, dies so hald als möglich zu tun.

2. Dass die niederländische Regierung ihre Bemühungen zur Erlangung der Ratifikation der interoationalen Opiumkonvention durch die Staaten, welche nicht Mitglieder des Völkerbundes sind, fortsetze.

3. (Paragraph 4 der Resolution des Rates.)

Dass die der Konvention beigetretenen Regierungen eingeladen werden, zur Erfüllung der aus den Artikeln 3, 5 und 13 der internationalen Opiumkonvention erwachsenden Verpflichtungen folgendes Verfahren einzuschlagen : ,,Jedes Ausfuhrgesuch, das von Seiten eines Importeurs zwecks Lieferung irgendeines der unter die Konvention fallenden Produkte gestellt wird, muss von einem Zeugnis der Regierung des Einfuhrlandes begleitet sein, das bescheinigt, dass die Einfuhr der erwähnten Menge von der Regierung genehmigt und dass sie für gesetzmässige Bedürfnisse notwendig ist.

Hinsichtlich der Drogen, die im Kapitel III der Konvention erwähnt sind, hat das Zeugnis ausdrücklich zu bescheinigen, dass sie einzig und allein für medizinische oder andere wissenschaftliche Zwecke bestimmt sind."

4. (Paragraph 5 dor Resolution des Rates.)

Dass die Aufmerksamkeit der kontrahierenden Mächte, die in einem Vertragsverhältnis mit China stehen, ganz besonders auf die Bestimmungen des Artikels 15 der internationalen Opiumkonvention hingelenkt werde, damit zur Bekämpfung des Schmuggels mit Opium und anderen gefährlichen Drogen die wirksamsten Massnahmen ergriffen werden können.

II. Die Versammlung genehmigt die zweite Empfehlung, die von der beratenden Opiumkommission in ihrer Session vom 2.--5. Mai 1921 angenommen wurde: 5. Dass alle an der Konvention beteiligten Länder jährlich dem Völkerbunde einen Bericht über die in ihrem Gebiete zur

271 Anwendung der Bestimmungen der Konvention ergriffenen Massnahmen erstatten sollen, mit Angabe statistischer Angaben über die Produktion sowie die Verarbeitung von Opium und den Opiumhandel.

m. Die Versammlung nimmt ausserdem die folgenden von ihrer fünften Kommission vorgeschlagenen Resolutionen und Empfehlungen an: Resolutionen.

6. Die Versammlung ersucht dringend diejenigen Mitglieder des Völkerbundes*), welche die Opiumkonvention noch nicht unterzeichnet oder ratifiziert haben, dies sobald als möglich zu tun.

7. Die Versammlung ersucht dringend alle Völkerbundsmitglieder, die Signatare der Konvention sind, dem Generalsekretariat sobald als möglich ihren Beitritt zu der vierten Empfehlung der beratenden Kommission betreffend die Notwendigkeit von Einfuhrzeugnissen bekanntzugeben, damit die Ausführung der Konvention erleichtert werde.

Empfehlungen.

8. Die Versammlung genehmigt den § 3 der Resolution des Rates vom 28. Juni 19215 die unternommenen Erhebungen worden wissenschaftlichen Charakter haben und werden, sofern sie sich auf ein bestimmtes Land beziehen, durch die Regierung dieses Landes oder mit ihrer Zustimmung durchgeführt -werden, 9. Die Versammlung empfiehlt dem Rate, im Paragraph 5 seiner Resolution vom 28. Juni 1921 auch die Aufmerksamkeit der chinesischen Regierung auf Artikel 15 der internationalen Opiumkonvention hinzulenken.

10. Die Versammlung empfiehlt dem Rate, damit die in Paragraph 7 seiner Entschliessung vom 28. Juni 1921 vorgesehene Prüfung sich auf die Gesamtmenge an Opium, deren Verbrauch als gesetzlich betrachtet werden kann, erstrecke, das Wort ,,strikt"-1 zu streichen und die Worte ,,medizinische und wissenschaftliche^ durch das Wort ,,gesetzmäseige" zu ersetzen, ferner, dass der Rat des für Rauchzwecke präparierten Opiums, dessen vollständige *) Folgende Mitglieder des Völkerbundes haben weder die Opiumkonvention VOD 1912 ratifiziert noch daB Protokoll von 1914 unterzeichnet: Albanien, Argentinien, Chile, Columbia, Costa Eica, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Paraguay, Persien, Salvador, Schweiz. Folgende Mitglieder haben die Konvention ratifiziert, haben aber das Protokoll von 1914 nicht unterzeichnet: Dänemark, Venezuela.

272 Abschaffung im Kapitel II der Konvention vorgesehen ist, überhaupt nicht Erwähnung tue, 11. Die Versammlung empfiehlt dem Rate, die verschiedenen Regierungen einzuladen, dem Sekretariate, falls sie dagegen keine Bedenken haben, ausser dem offiziellen Jahresberichte alle Angaben über die Produktion, die Fabrikation und den unerlaubten Handel mit Opium und andern schädlichen Drogen mitzuteilen, die dem Völkerbund bei Durchführung seiner Aufgabe von Nutzen sein können.

12. Die Versammlung empfiehlt dem Rate, zu prüfen, ob nicht alle am Anbau und an der Fabrikation von Opium und andern schädlichen Drogen besonders interessierten Staaten in der beratenden Opiumkommission vertreten sein sollten.

13. Die Versammlung empfiehlt dem Rate, die beratende Kommission zu beauftragen, ihre Untersuchungen ausser auf die in der Konvention von 1912 erwähnten Drogen auch auf alle andern schädlichen Drogen auszudehnen, die ähnliche Wirkungen hervorbringen ; ferner ihr die Vorteile einer Einberufung einer neuen internationalen Konferenz der Signatarstaaten dieser Konvention und der Völkerbundsmitglieder darzulegen, au der eine Konvention zur Unterdrückung des ungesetzlichen Gebrauches dieser Drogen abgeschlossen werde.

Resolution vom 30. September 1921

273

III. Völkerbundsversammluug.

I. In der Überzeugung, dass das praktischste Mittel zur Ausübung einer Kontrolle über den Handel mit schädlichen Betäubungsmitteln in einem System von Einfuhr- und Ausfuhrzeugnissen besteht, und anderseits in der Meinung, dass nur Massnahmen internationaler Art den Erfolg dieses Systems gestatten können, besteht die Versammlung allen Regierungen gegenüber auf der unbedingten Notwendigkeit, dieses System der Einfuhr- und Ausfuhrzeugnisse unverzüglich anzunehmen.

II. «Die Versammlung ist der Ansicht, dass die am internationalen Opium-Abkommen beteiligten Begierungen eingeladen werden sollen, keine Einfuhrbewilligungen für Opium oder andere dem Abkommen unterstellte Drogen zu erteilen, welche von Ländern stammen, die das Abkommen noch nicht ratifiziert und in Kraft gesetzt und die das KontroUsystem über die Ein- und Ausfuhr noch nicht angenommen haben, das von der Zweiten Versammlung im § l (8) der am 80. September 1921 angenommenen und vorher vom Bäte am 28. Juni 1921 genehmigten Resolution bewilligt, worden ist.

Die Versammlung hält diese -Angelegenheit für wichtig und dringlich, ist jedoch in Erkenntnis der verwickelten und technischen Art der aufgeworfenen Fragen der Meinung, dass die Angelegenheit von der beratenden Kommission für den Opiumhandel eingehend studiert werden müsse, bevor genaue Massnahmen ergriffen werden.

Die Versammlung bittet den Rat, die beratende Kommission so bald als möglich einzuberufen, um die Frage zu prüfen, und der Bat wird eingeladen, falls diese Kommission sich zugunsten des Antrages aussprechen sollte, den Empfehlungen der beratenden Kommission in der vom Rate gebilligten Form Folge zu geben, und zwar so bald als irgend möglich und ohne etwa der Versammlung vorher hierüber zu berichten, sofern der Bat dies für unnötig hält.» III. In der Erwägung, dass es zur Einschränkung der Weltproduktion von Betäubungsmitteln für erlaubte Zwecke vor allem notwendig ist, die jedem Lande für seinen inneren Gebrauch erforderlichen Mengen von Betäubungsmitteln zu kennen, ersucht die Versammlung dringend die Begierungen, die von ihnen geforderten Aufstellungen so schnell und so genau als möglich zu liefern. Um Vergleiche zu gestatten, werden die verschiedenen

274

Eegienmgen klar darlegen müssen, welches System angewendet wurde, um zu den angegebenen Zahlen zu kommen: sie sollen eine ergänzende Statistik abliefern, in der der Verbrauch auf je 100,000 Einwohner angegeben ist.

IV. Die Versammlung des Völkerbundes wünscht erneut, die in dem Bericht der beratenden Kommission ausgesprochene Ansicht hervorzuheben, dass, so lange als die Betäubungsmittel, auf die Teil III, besonders Artikel 9, der Opiumkonvention Anwendung findet, in grösseren Mengen, als der rechtmässige Bedarf erfordert, produziert werden, die grosse Gefahr besteht, dass dio überschüssige Menge ungesetzliche Wege nimmt, und dass die wirksamste Methode nur Abstellung des unerlaubten Handels darin besteht, die Produktion derartig zu kontrollieren, dass sie auf die für den medizinischen und rechtmässigen Gebrauch notwendige Menge beschränkt wird.

Die Versammlung empfiehlt, dass die augenblicklich im Gange befindliche Untersuchung über den gerechtfertigten Bedarf der Welt so schnell als möglich geführt werde, und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass eine Schätzung und ein vorläufiger Entwurf der Versammlung im nächsten Jahre unterbreitet werden können.

V. In der Überzeugung, dass es dringend notwendig ist, die möglichst vollständige Zusammenarbeit bei dem Werk der beratenden Kommission über den Handel mit Opium und andern schädlichen Betäubungsmitteln sicherzustellen; anderseits in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika vom Standpunkt der Einfuhr und der Fabrikation aus eines der wichtigsten Länder sind; empfiehlt die Versammlung dem Eate des Völkerbundes, eine dringliche Aufforderung an die Regierung der Vereinigten Staaten zu richten, damit sie einen Delegierten ernenne, der an den Sitzungen der Kommission teilnehmen werde.

(Resolutionen vom 19. September 1922.)

275

IV. Völkerbundsversammlung.

I. Die Versammlung drückt ihre lebhafte Anerkennung für die von der beratenden Opiumkommission ausgeführten bedeutenden Arbeiten äug, sie genehmigt den Bericht und die Beschlüsse dieser Kommission, indem sie von den darin enthaltenen Vorbehalten Vormerk nimmt; sie bittet den Bat, die notwendigen Massnahmen zur Ausführung dieser Beschlüsse zu treffen.

II. Da die Türkei sich durch den Vertrag von Lausanne verpflichtet hat, die internationale Opiumkonvention von 1912 anzunehmen und in Kraft treten zu lassen, und da die Türkei bei der Produktion von Opium eine so wichtige Eolle spielt, so drückt die Versammlung den Wunsch aus, dass die türkische Regierung aufgefordert werde, sobald sie die Konvention ratifiziert und das Protokoll der Inkrafttretung von 1914 unterzeichnet hat, einen Vertreter für die beratende Kommission zu ernennen.

III. Die Versammlung bittet den Bat, sich von neuem an die Begierungen der folgenden Länder mit der Bitte zu wenden, alle nur möglichen Masanahmen zu einer prompten Batifizierung und Inkrafttretung der Opiumkonvention treffen zu wollen: Albanien, Argentinien, Kolumbien, Costa-Bica, Litauen, Paraguay, Përsien und die Schweiz.

IV. Die Versammlung, welche mit Bedauern feststellt, dass eine~gewisse Anzahl Länder das von der Versammlung 1921 und 1922 anempfohlene System der Einfuhrzeugnisse noch nicht angenommen hat, wiederholt die von der Versammlung 1922 ausgedrückte Meinung, dass dieses System das praktischste der bisher vorgeschlagenen Mittel für die Kontrolle des Handels mit Betäubungsmitteln gemäss den Bestimmungen der internationalen Opiumkonvention darstellt und dass der Erfolg dieses Systems davon abhängig ist, dass alle Länder, die sich mit Ein- oder Ausfuhr von Betäubungsmitteln abgeben, es annehmen; und in Anbetracht der grossen Schwierigkeit, welche dadurch hervorgerufen wird, dass. mehrere wichtige Länder das System bis jetzt noch nicht angenommen haben, verlangt die Versammlung, dass die beratende Kommission beauftragt werde, das Studium des in der zweiten von der Versammlung 1922 angenommenen Resolution enthaltenen Vorschlages weiter fortzusetzen und der nächsten Versammlung über die ganze Lage einen besondern Bericht vorzulegen.

V. Die Versammlung billigt den Vorschlag der beratenden Kommission, wonach die beteiligten Begierungen aufgefordert werden

276 sollen, sieh sofort untereinander in Verbindung zu setzen zum Zwecke des Abschlusses eines Übereinkommens über die Massnahmen, die die erfolgreiche Durchführung im fernen Osten der Bestimmungen des Teiles II der Konvention über die Quantitätsverininderung von zu Bauchzwecken eingeführten Bohopium in Territorien, wo sein Gebrauch vorübergehend geduldet wird, ermöglichen sollen, und über die Massnahmen, die die Begierung der chinesischen Bepublik zu treffen hat, um zur Unterdrückung der unerlaubten Produktion und des unerlaubten Genusses von Opium in China zu gelangen; sie bittet überdies den Eat, diese Regierung aufzufordern, Vertreter mit den nötigen Vollmachten an eine Konferenz zu entsenden, die zu diesem Zwecke abgehalten werden soll, und dem Eat innert kürzester Frist Bericht zu erstatten.

VI. Nachdem die Versammlung mit Befriedigung konstatiert hat, dass, in Übereinstimmung mit dem Wunsche, der in der vierten von der Versammlung 1922 angenommenen Besolution zum Ausdruck kommt, die beratende Kommission bekanntgegeben hat, dass die augenblicklich zur Verfügung stehenden Auskünfte den beteiligten Begierungen gestatten, zwecks Abschlusses eines Übereinkommens die Prüfung der Quantitätsbeschrankung von Morphium, Heroin und Cocain nebst ihren resp. Salzen, welche fabrikmässig hergestellt werden, der Quantitätsbesohränkung von Bohopium und Kokablättern, welche zu diesem Zweck Oder für den medizinischen und wissenschaftlichen Gebrauch eingeführt werden könnten, und schliesslich der Beschränkung in der für die Ausfuhr bestimmte Produktion von Bohopium und Kokablättern bis auf die für den medizinischen und wissenschaftlichen Gebrauch notwendigen Mengen vorzunehmen, bittet sie den Bat, um die von den Delegierten der Vereinigten Staaten von Amerika aufgestellten Prinzipien in die Tat umzusetzen und die von der beratenden Kommission anempfohlenen Bichtlinien, wie sie vom Völkerbund angenommen wurden, auch weiterhin einzuhalten, die interessierte Begierung aufzufordern, bevollmächtigte Vertreter zu einer Konferenz zu entsenden, welche, wenn irgend möglich, zu diesem Zweck sofort nach der in der Resolution V erwähnten Konferenz abgehalten werden wird.

Die Versammlung bittet gleichfalls den Bat, zu prüfen, ob es nicht angezeigt erscheine, die Einladung zu dieser Konferenz auf alle Länder, die Mitglieder
des Völkerbundes oder Teilnehmer an der Konvention von 1912 sind, auszudehnen, um ihren Beitritt zu den Prinzipien zu erlangen, von denen sich die gegebenenfalls abzuschliessenden Übereinkommen leiten lassen könnten.

(Resolution vom 27. September 1923.)

277

Weltpostvertrag abgeschlossen in Madrid am 30. November 1020.

Artikel 18.

Verbote.

1. Unter Vorbehalt der in diesem Vertrag und im Ausführungsreglement vorgesehenen Ausnahmen werden Gegenstände, ·die den für Briefschaften jeder Gattung.aufgestellten Bedingungen nicht entsprechen, zur Beförderung nicht zugelassen.

2. Ee ist v e r b o t e n z u v e r s e n d e n : a. Warenmuster und andere Gegenstände, die ihrer Beschaffenheit nach für die Postbeamten Gefahren mit sich bringen öder die Briefschaften verunreinigen oder verderben können ; b. explodierbare, leicht entzündliche oder gefährliche Stoffe, lebende oder tote Tiere und Insekten, soweit nicht im Ausführungsreglement zu diesem Vertrag Ausnahmen vorgesehen sind 5 c. Warenmuster, die vom nämlichen Versender an denselben Empfanger in so grosser Zahl versandt werden, dass daraus die Absicht, die dem Bestimmungsland zukommenden Zollgebühren zu umgehen, deutlich hervorgeht; d. zollpflichtige Gegenstände; 6, O p i u m , M o r p h i u m , K o k a i n und a n d e r e B e t ä u bungsmittel; f. anstössige oder unsittliche Gegenstände; g. Gegenstände aller Art, deren Einfuhr oder Beförderung im Aufgabe- oder Bestimmungsland verboten ist.

3. Sendungen, die unter die Verbote dieses Artikels fallen und unrichtigerweise zur Beförderung angenommen wurden, müssen an den Aufgabeort zurückgesandt werden, sofern nicht die VerBundesblatt 76. Jahrg. Bd. I.

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waltuDg des Bestimmungslandes durch ihre Gesetzgebung oder innern Vorschriften ermächtigt ist, in anderer Weise darüber zu.

verfügen.

Explodierbare, leicht entzündliehe oder gefährliche Stofi'e, sowie anstössige oder unsittliche Gegenstände werden indes nicht an den Aufgabeort zurückgesandt, sondern auf Veranlassung der Verwaltung, die ihr Vorhandensein wahrnimmt, an Ort und Stelle vernichtet.

4. Der Regierung jedes Vereinslandes bleibt übrigens das Recht vorbehalten, zur ermässigten Taxe zulässige Gegenstände, die den bestehenden Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften über die Bedingungen ihrer Veröffentlichung oder Verbreitung in diesem Lande nicht entsprechen, von der Beförderung oder Bestellung auf ihrem Gebiete auszuschliessen ; dasselbe gilt für Briefschaften jeder Art, die offensichtlich Bemerkungen, Zeichnungen usw. aufweisen, die nach den gesetzlichen oder andern Vorschriften des betreffenden Landes unstatthaft sind.

5. Die h o h e n v e r t r a g s c h l i e s s e n d e n T e i l e v e r p f l i c h t e n sich, d i e n o t w e n d i g e n M a s s n a h m e n z u treffen oder ihren gesetzgebenden B e h ö r d e n vorz u s c h l a g e n , um die Mitgäbe von Opium, Morphium, K o k a i n oder a n d e r n B e t ä u b u n g s m i t t e l n i n d e n i n Artikel 2 dieses Vertrags a u f g e z ä h l t e n Sendungenz u v e r h i n d e r n o d e r v o r k o m m e n d e n f a l l s z u bestrafen,.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des internationalen Opium-Abkommens. (Vom 8. Februar 1924.)

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1924

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

07

Cahier Numero Geschäftsnummer

1797

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.02.1924

Date Data Seite

197-278

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