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# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Einstellung der Arbeitslosenfürsorge.

(Vom 2. Juni 1924.)

I.

Am 18. Mai 1923 hat der Bundesrat einen Beschluss über den Abbau der Arbeitslosenfürsorge *) gefasst und davon -- gemäss Bundesbeschluss vom 19. Oktober 1921 betreffend die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates -- am gleichen Tag der Bundesversammlung in einem ausführlichen Bericht**) Kenntnis gegeben mit dem Antrag, durch Zustimmung zu diesem Beschluss seinen Fortbestand zu sichern. Die eidgenössischen Räte haben in der Folge den Erlass mit grosser Mehrheit genehmigt (der Nationalrat am 22. Juni und der Ständerat am 25, September).

Der Abbaubeschluss vom 18. Mai 1923 sieht die Möglichkeit eines doppelten Vorgehens vor: einen obligatorischen Abbau von Bundes wegen und einen fakultativen weitem Abbau seitens der Kantone, wobei es diesen freisteht, von der ihnen erteilten Befugnis Gebrauch zu machen oder nicht.

Der Abbau durch den Bund vollzog sich in der Hauptsache auf folgende Weise.

Am 18. Mai 1923 erliess der Bundesrat einen Beschluss betreffend teilweise Einstellung der Arbeitslosenunterstützung***), unter Aufzählung derjenigen Berufe, deren Angehörige hinfort noch unterstützungsberechtigt sein sollen. Gleichzeitig bestimmte er, dass in diesen Berufen die Unterstützung vom 18. Juni 1923 hinweg bis auf weiteres nur noch dem Arbeitslosen, der eine gesetzliche Unterstützungspflicht erfüllt, gewährt werde, wobei immerhin die Kantone ermächtigt wurden, diejenigen Fälle zu bezeichnen, in denen die Unterstützung ausnahmsweise auch an *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXIX, S. 133.

**) Siehe Bundesblatt 1923, Bd. U, S. 256.

***) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXIX, S. 135.

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Personen ohne gesetzliche Unterstützungspfliehf ausgerichtet werden könne. Eine allgemeine Ausnahme wurde für Auslandschweizer gemacht. Durch einen Beschluss des Bundesrates vom 21, Dezember 1923*) erhielt das eidgenössische Volkswirtschaftedepartement die Ermächtigung, den Kantonen zu gestatten, auf ihrem Gebiet die Arbeitslosenunterstützung für einzelne in der Unterstützung eingestellte Berufe oder bestimmte Kategorien von Arbeitslosen vorübergehend wieder einzuführen. Von dieser Möglichkeit hat das Departement nur in einigen wenigen Fällen Gebrauch machen müssen.

Einen weitern Schritt im Abbau brachte der -- ebenfalls in Ausführung des Bundesratebeschlusses vom 18. Mai 1923 erlassene -- Besohluss betreffend Änderung in der Arbeitslosenunterstützung vom 7. März 1924**). Danach wurden auf Mitte April 1924 aufgehoben einmal die Unterstützung bei Kürzung der Arbeitszeit (teilweise Arbeitslosigkeit), sodann die ,,Produktions"beiträge an Betriebe gemäss Art. 9Ws des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919/30. September 1921, und ferner die Beiträge der Betriebsinhaber an die Unterstützungen, sowie die Obliegenheiten der beruflichen Verbände in der Arbeitslosenfürsorge. Im weiteren wurde die Dauer der Unterstützung bei gänzlicher Arbeitslosigkeit, deren Festsetzung im übrigen Bache der Kantone ist, von Bundes wegen auf maximal 120 Tage innert Jahresfrist begrenzt.

Auch in den Kantonen ist der Abbau der Arbeitslosenfürsorge schon weit fortgeschritten. Zwar haben einige Regierungen die Gewährung von Unterstützungen ebenfalls an solche Arbeitslose vorgesehen, die keine gesetzliche Unterstützungspflicht erfüllen, allein es soll dies nur ganz ausnahmsweise erfolgen, sei es zur Vermeidung besonderer Härten, sei es zur beruflichen Ausbildung oder zur Erleichterung der Übernahme einer Arbeit.

Anderseits wurden in verschiedenen Kantonen Bestimmungen erlassen, die einen weitergehenden Abbau bringen als die vom Bund aufgestellten Vorschriften, so in Schwyz, Appenzell A.-Rh.

und Genf durch Herabsetzung der Unterstützungsansätze, in Schwyz, St. Gallen und Thurgau durch Aufhebung des Unterstützungsanspruchs für weibliche Arbeitslose oder solche Personen, die bereits während einer bestimmten Zahl von Tagen Arbeitslosenunterstützungen erhalten haben. In acht Kantonen, die zusammen mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen der Schweiz *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXIX, S. 549.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XL, S, 40.

519 ausmachen, nämlich Zürich, Bern, Unterwaiden nid dem Wald, Freibnrg, Graubünden, Aargau, Waadt und Wallis wurde die Unterstützung nach dem Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919 mit den seitherigen Abänderungen und Ergänzungen für das ganze Kantonsgebiet überhaupt aufgehoben. In andern Kantonen steht die gänzliche Aufhebung unmittelbar bevor.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass schon seit längerer Zeit auch bei den Notstandsarbeiten ein Abbau eingetreten ist.

So hat das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement mit Rücksicht auf das Nachlassen der Wirtschaftskrisis einerseits und auf eiae haushälterische Verwendung der noch verfügbaren Gelder anderseits durch Weisung vom 2. Mai 1923*) verordnet, dass nur noch solche Arbeiten im Sinn des Bundesratsbeschlusses vom 14. November 1922 betreffend Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit**) subventioniert werden dürfen, bei denen wirklich beschäftigungslose Leute Arbeits- und Verdienstgelegenheit finden, also nicht alle Bauarbeiten schlechthin. In einem Kreisschreiben an die Kantonsregierungen vom 7. Dezember 1923 ***) hat das Departement erklärt, dass bloss noch Arbeiten, die bis Frühjahr 1924 zur Ausführung gelangen, auf eine Subvention rechnen können und dass sich die Bundesbehörden vorbehalten müssten, auf diesen Zeitpunkt neue Beschlüsse zu fassen. Dies ist alsdann geschehen durch Erlass des Bundesratsbeschlusses vom 4. März 1924 betreffend Einstellung der Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit +), der bestimmt, dass -- vorbehaltlich der vorher eingereichten Begehren -- vom 1. April 1924 hinweg keine Leistungen des Bundes für Notstandsarbeiten mehr gewährt werden.

II.

Seit Erlass des Abbaubeschlusses vom 18. Mai 1923 und den gestützt hierauf getroffenen Massnahmen ist in der Wirtschaftslage neuerdings eine erhebliche Besserung eingetreten. Die Krisis hat in ihrer Schärfe nachgelassen, und die Arbeitslosigkeit ist dementsprechend stark zurückgegangen. Folgende Zahlen geben hierüber am besten Aufschluss: *) **) ***) t)

Siehe Bundesblatt 1923, Bd. II, S. 139.

Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVIII, S. 566.

Siehe Bundesblatt, Bd. III, S. 395, Siehe Gesetzsammlung, Bd. XL, S. 30.

520 Entwicklung der Arbeitslosigkeit und Zahl der Unterstützten seit Ende April 1923.

Gänzlich Arbeitslose Monat

Ende April 1923 » Mai ,, ,, Juni . Juli ,, August ,, September ,, Oktober ,, November ,, Dezember B Januar 1924 ,, Februar ,, " März ,, » April ,,

Tatsächlich Beschäftigungslose

Total

Davon bei Notstandsarbeiten beschäftigt

Total

Unterstützte

85,612 30,228 25,583 22,722 22,554 22,880 24,013 27,029 26,873 28,480 27,120 21,380 16,730

12,279 11,512 9,796 8,816 8,277 8,039 6,917 7,330 6,122 6,730 6,174 5,918 5,624

23,233 18,716 15,787 13,906 14,415 14,791 17,096 19,699 20,751 21,750 30,946 15,462 11,106

11,015 7,900 4,979 4,136 3,655 3,469 3,397 3,713 4,414 4,946 5,135 3,472 1,691

Die Zahl der teilweise Arbeitslosen betrug Ende April 1923 insgesamt 17,767, Ende April 1924 insgesamt 6,465.

521 Übersicht nach Kantonen.

Tatsächlich Beschäftigungslose

Kantone

Zürich Bern

Uri " . . .

Schwyz . . . .

.

Nidwalden .

, Glarus Zug Freiburg Solothurn Basel-Stadt, . .

Basel-Land . . .

.

Schaffhausen Appenzell A.-Rh. . . .

Appenzell I.-Rh . . . .

St Gallen Graubünden Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg . . .

Genf Eidg. Arbeitsamt . . , Total

Unterstützte _40 End! April 183 Ende April 1824 Ende April 1923 Ende April 1924 Total

2,247 1,904 824 8 82 4 2 281 13 503 438 2,566 224 157 1,019 173 2,807 408 190 375 1,184 1,333 926 3,148 1,692 1,326 23,233

929 747198 69

91 7 227 67 S37 605 39 371 52 1.419 142 24 48 495 601 106 813 1,534 1,945 11,106

692 1,119 69 7 10 4 2 137 11 145 271 1,430 50 142 765 101 1,978 72 69 232 324 258 41 2,460 570 6« 11,015

73 36 1 22 12 223 32 9 173 33 290 46 60

636 145

1,691

522

Übersicht nach den wichtigsten Berufsgruppen.

Stand der /Arbeitslosigkei für gänzlich Arbeitslose

Berufsgruppen

Lebens- und Genuas mittel Bekleidungsgewerbe, Lederindustrie . .

Seidenindustrie . , .

Bandindustrie . . .

Baumwollindustrie . .

Stickerei . . . , , Bleicherei, Färberei, Appretur . . . .

Buchdruckerei . , .

Graphische Anstalten .

Buchbinderei . . . .

Chemische Industrie .

Metall-, Maschinen- und elektr. Industrie . .

Uhrmach erei . . . .

Schalenmacherei . . .

Bestandteilefabrikation Bijouterie Handel und Verwaltung Verkehrsdienst . . .

Freie und gelehrte Berufe . . . .

Ungelerntes Personal*)

Ende A ril 1923

Ende Ap ril 1924

Total

Davon unterstützt

Total

1321

259

' 342

27

508 505 223 331 1996

167 875 75 201

1074

846 64 629 69 818

12 21 42 29 224

201 291 69 159 349

113 81 16 43 128

90 243 86 76 133

15 26 9 8 5

4427 2478 598 814 257 2581 442

1454 1539 407 471 97 1071 133

1548 329 119 129 79 1612 246

196 217 61 80 22 222 24

733 9399

101 2372

955 4751

26 418

Davon unterstützt

Obwohl die im Zeitraum vom April 1923 bis April 1924 in verschiedenen Kantonen und Gemeinden erfolgten Einstellungen der Unterstützung die Vergleichsmöglichkeiten der oben wiedergegebenen Zahlen etwas stören, bilden sie doch eine genügende Unterlage, um ein der Wirklichkeit annähernd entsprechendes Bild vom Stand der Arbeitslosigkeit zu geben. Es folgt daraus, dass -- mit Ausnahme einiger Herbst- und Wintermonate, wo *) Es mag auffallen, dass die Gruppe ,,Ungelerntes Personal" Ende April 1924 immer noch 4751 Arbeitslose bei 418 Unterstützten aufweist.

Zu bemerken ist jedoch, dass diese Zahl im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Ungelernten nur einen kleinen Prozentsatz ausmacht. Ferner muss berücksichtigt werden, dass die Zahl der ,,Ungelernten" im Monat März 1924 um 1143 und im Monat April 1924 um 1517 abgenommen hat und dass infolge der regeren Bautätigkeit und der allgemeinen Besserung der Wirtschaftslage ein weiterer erheblicher Rückgang zu erwarten ist.

523 die Zahl der Beschäftigungslosen ein wenig zugenommen hat, wie dies Übrigens schon vor dem Krieg regelmäßig der Fall war -- die Arbeitslosigkeit im Verlauf des letzten Jahres sehr stark zurückgegangen ist. Betrug die Zahl des Betroffenen Ende April 1923 noch 53,279, wovon 35,512 gänzlich und 17,767 teilweise Arbeitslose, waren es Ende April 1924 nur noch 23,195 Betroffene, wovon 16,730 gänzlich und 6465 teilweise Arbeitslose. Ähnlich liegen die Dinge bei den Notstandearbeitern : 12,279 im April 1923 gegen 5624 im April 1924. Vor allem aber hat.

sehr stark abgenommen die Zahl der Unterstützten, die von 11,015 im April 1923 auf 1691 im April 1924 gewichen ist.

Einen weiteren Gradmesser für den Stand des Arbeitsmarktes bildet das Verhältnis der Stellensuchenden zur Anzahl der beim öffentlichen Arbeitsnachweis gemeldeten freien Stellen.

Auch hier haben sich die Dinge zum Besseren gewendet, und das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist seit einem Jahre bedeutend günstiger geworden. Im letzten Herbst waren drei bis viermal soviel Stellensuchende als offene Stellen, Im April dieses Jahres dagegen bewarben sich um 100 freie Stellen für Männerarbeit nur noch 176 Stellensuchende, was ungefähr dem Angebot in Vorkriegszeiten entspricht.

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass eine ganz erhebliche Besserung auf dem Arbeitemarkt eingetreten ist und von einer ausserordentlichen Arbeitslosigkeit im allgemeinen nicht mehr gesprochen werden kann.

III.

Bei dieser Sachlage war der Zeitpunkt gekommen, um die Arbeitslosenunterstützung gänzlich einzustellen. Der Bundesrat fasste daher am 2. Juni einen Beschluss, wodurch -- soweit überhaupt noch in Kraft stehend -- der Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919 mit allen seinen Abänderungen und Ergänzungen sowie den gestützt hierauf erlassenen Ausführungsbestimmungen auf den 30. Juni 1924 aufgehoben wird (s. Art. l des beiliegenden Beschlusses).

Einer ausführlichen Begründung dieser Massnahme bedarf es nach dem Gesagten sowie den Darlegungen in frühern Berichten und Botschaften wohl nicht mehr. Der Bundesratsbeschluss betreffend Arbeitslosenunterstützung vom 29. Oktober 1919 beruht auf den zu Beginn des Krieges dem Bundesrat eingeräumten Vollmachten. Er war von allem Aufaiig tui nur als Noterlass gedacht, dazu bestimmt, die Folgen der durch die ausserordentlichen

524 Verhältnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit eingetretenen Arbeitslosigkeit zu lindern. Eine aussergewöhnliche Arbeitslosigkeit besteht aber heute nicht mehr und damit entfallen die Voraussetzungen, welche zum Bundesratsbeschluss vom 29, Oktober 1919 führten und seinen Weiterbestand rechtfertigten. Wie unter Ziffer I dieses Berichtes dargetan, ist übrigens entsprechend der Besserung des Wirtschaftslebens der Abbau schon seit einem Jahr in die Wege geleitet und seither immer weiter fortgesetzt .worden. Massgebend hiefür war auch die Rücksicht auf die Finanzen. Die Arbeitslosenfürsorge hat dem Land ganz gewaltige Lasten auferlegt -- Lasten, die auf die Dauer über die Kräfte sowohl des Bundes, als auch der Kantone, Gemeinden und Betriebsinhaber gehen. Folgende Zusammenstellung zeigt, was bis Ende 1923 in der Schweiz hiefür aufgewendet wurde*) (die späteren Zahlen können noch nicht gegeben werden, da die fertigen Abrechnungen noch nicht vorliegen) : Bund

Kantone und Gemeinden

Betriebsinhaber

Total

Fr.

Fr,

Fr.

Fr.

A. Arbeitsbeschaffung 202,825,000 131,330,000 334,155,000 -- B. Unterstützung: I. Arbeitslosigkeit . . . . 62,560,000 62,887,000 17,385,000 142,832,000 II, Bundespersonal und Aus5,538,000 landschweizer .

5,538,000 -- -- 1,050,000 544,000 III. Bildungskurse 1,594,000 -- IV. Arbeitslosen_.

5,017,000 2,600,000 kassen . . .

7,617,000 Total 276,484,000 197,867,000 17,385,000 491,736,000

Das bisherige Vorgehen des Bundesrates ist von den eidgenössischen Räten gebilligt worden, und wenn er heute die endgültige Aufhebung des gegenwärtigen Arbeitslosenfürsorgesystems vornimmt, so zieht er nur die letzte Konsequenz aus den bereits getroffenen, vom Parlament gutgeheissenen Massnahmen. Die Bundesversammlung hat übrigens schon am 26. September 1919 ein Postulat angenommen, wodurch der Bundesrat eingeladen wurde, die Beschlüsse betreffend Arbeitslosenfürsorge aufzuheben, sobald die Umstände es erlauben.

*) Die Zusammenstellung gibt nur runde Zahlen, da bei der endgültigen Abrechnung noch Verschiebungen eintreten können.

525 IV.

Der Abbau ruft anderseits einer Vorsorge für die Zukunft.

Einmal ist das Nötige vorzukehren, um während einer gewissen Übergangszeit ausaerordentliohen Verhältnissen Rücksicht tragen zu können, wo durch den vollständigen Wegfall der Unterstützungen Einzelne allzu schwer betroffen würden. Sodann handelt es sich darum, für den Fall einer Zunahme der Arbeitslosigkeit auf den Winter hin die Wirkungen der gänzlichen Einstellung etwas zu mildern. Im weitern ist die Frage zu regeln, ob und wie sich der Bund dauernd des Arbeitslosenproblems anzunehmen habe.

Was den letzten Punkt betrifft, so hat der Bundesrat den eidgenössischen Räten schon vor einiger Zeit einen ausführlichen Bericht unterbreitet, die Botschaft vom 17. September 1923 über die Förderung der Arbeitslosenversicherung *). Die Vorlage ist vom Nationalrat bereits durchberaten und mit einigen Abänderungen angenommen worden. Der Ständerat wird voraussichtlich erst in der Herbstsession dazu Stellung nehmen, so dass das Gesetz, welches eine ständige Subventionierung der bestehenden und künftigen Arbeitslosenversicherungskassen vorsieht, erst nächstes Jahr wird in Kraft treten können, da erst noch der Ablauf der Referendumsfrist abgewartet werden musa. Die gänzliche Aufhebung der Unterstützung erfolgte nicht zuletzt deshalb, weil der Bundesrat erwarten darf, sein Gesetzentwurf über die Förderung der Arbeitslosenversicherung werde bald die endgültige Genehmigung der Bundesversammlung erhalten und auch im Volk nicht auf grösseren Widerstand stoasen. Um keine Lücke in der bislang nur von Jahr zu Jahr gewährten Subventionierung eintreten zu lassen, legte er ferner dem Parlament den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend Beitragsleistung an die Arbeitslosenversicherungskassen für das Jahr 1924 vor (Botschaft vom 2. Juni 1924 **J. Es sei auch hier auf die "Vorlage selbst verwiesen. Endlich ist daran zu erinnern, dass die Vorarbeiten über ein Gesetz betreffend den Arbeitsnachweis im Gange sind (vgl. Botschaft betreffend Förderung der Arbeitslosenversicherung vom 17. September 1923 und den Geschäftsbericht für das vergangene Jahr).

Für den Fall eines Anwachsens der Arbeitslosigkeit im nächsten Herbst oder Winter ist in der Weise Vorsorge getroffen, dass für diese Zeit aus den noch verbleibenden ßeatkre*) Siehe Bundesblatt 1923, Bd. II, S. 825.

**) Siehe Bundesblatt 1924, Bd. II, S. 535.

526

diten Notstandsarbeiten subventioniert werden sollen. Es wurde bereits am Schluss von Ziff. I gesagt, durch Bundesratsbesohluss vom 4. März 1924 sei verfügt worden, dass Leistungen des Bundes für Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Sinn des Bundesratsbeschlusses vom 14, November 1922 -- Notstandsarbeiten der Kantone -- vom 1. April 1924 hinweg nicht mehr gewährt werden. Vorbehalten blieben jedoch die vor diesem Zeitpunkt eingereichten Begehren. Solche Gesuche liefen sehr zahlreich ein, und das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat ihnen im Hinblick auf den Abbau der Arbeitslosenunterstützung zu einem guten Teil entsprochen, gleichzeitig aber bestimmte Richtlinien aufgestellt. Sie enthalten den Grundsatz, dass die subventionierten Arbeiten erst im kommenden Herbst oder Winter ausgeführt werden sollen und nicht jetzt schon, wo ohnehin das Baugewerbe genügend beschäftigt ist, teilweise sogar Mangel an Arbeitskräften herrscht ; ferner sollen die Beitragsleistungen regelmässig nur noch in Form von Zuschlägen auf die Lohnsumme der bei den subventionierten Arbeiten verwendeten Arbeitslosen bewilligt werden. Was die Notstandsarbeiten des Bundes selbst angeht -- Bundesbeschluss vom 21. Oktober 1921 betreffend Ausführung von Arbeiten des Bundes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit*) -- so ist zu sagen, dass kürzlich aus dem Rest des 66-Millionenkredites durch Aufstellung einer sechsten Vergebungsliste für rund 1,0 Millionen Franken Arbeiten bewilligt wurden. Ein grosser Teil dieser Arbeiten wird im Lauf des nächsten Winters zur Auswirkung gelangen.

Nun die weitere Frage, ob in Verbindung mit der Aufhebung des ßundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 für einzelne, bis jetzt der Unterstützung teilhaftige Arbeitslose eine Übergangsbestimmung zu schaffen sei. Es ist von vornherein klar, dass hierbei nur Ausnahmsfälle in Betracht kommen können, Fälle, wo ganz besondere Verhältnisse vorliegen und der gänzliche Entzug jeglicher Unterstützung zu grossen Härten führen würde. Unter diesem Gesichtspunkt ist vor allem an die bejahrten Arbeitslosen zu denken. Die Lage der Industriearbeiter, die infolge Alter, Teilinvalidität usw. nicht mehr als voll arbeitsfähig betrachtet werden können, ist in der Tat oft schwierig, da es vielfach schwer hält, ihnen Arbeit zu verschaffen, besonders wenn die
Dinge so liegen wie z. B. in der Uhrenindustrie, wo infolge der Wandlungen in der Produktion -- namentlich der zur Mode gewordenen Herstellung ganz kleiner Uhren -- ältere *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 747.

527 noch arbeitsfähige gelernte Uhrenarbeiter nicht mehr imstande sind, den sehr hohen Anforderungen an Sehschärfe und Geschicklichkeit zu genügen. Herr Nationalrat Grospierre hat denn auch schon vor einiger Zeit auf diese Verhältnisse aufmerksam gemacht und folgendes Postulat gestellt, das im Nationalrat am 22. Dezember 1923 angenommen wurde: ,,Der Bundesrat ist eingeladen, sobald als möglich einen ßericht einzubringen über die Lage der bejahrten, aber arbeitsfähigen Arbeiter, die infolge der Wirtsehaftskrisis von der Industrie ausgeschaltet werden, und die Mittel und Wege ins Äuge zu fassen, wie diesen Arbeitern Hilfe gewährt werden könnte, um sie vor der Annengenössigkeit zu bewahren.1* Die Lage in der Uhrenindustrie ist an einer Konferenz besprochen worden, welche das eidgenössische Arbeitsamt kürzlich mit den Arbeitgeberverbänden dieser Industrie, den Arbeitern, der schweizerischen Uhrenkammer und den Regierungen der beteiligten Kantone Neuenburg, Bern und Solothurn veranstaltete.

Es wurde dabei festgestellt, dass wohl in allen drei Kantonen ein Appell an die Arbeitgeber, die alten qualifizierten Arbeiter wieder einzustellen, anerkennenswerte Erfolge gehabt hatte, dass aber doch eine gewisse Zahl bis jetzt keine Beschäftigung finden konnte. Das gilt vor allem für den Kanton Neuenburg, der noch etwas mehr als 200 arbeitslose, über 55 Jahre alte Uhrenarbeiter zählt, während in den Kantonen Bern und Solothurn die Frage nur noch eine unbedeutende Rolle spielt. Anderseits sind auch aus der Ostschweiz, besonders St. Gallen und Appenzell A.-Rh., einige Fälle von altern, aber arbeitsfähigen Stickern bekannt, die sich vergeblich um Arbeit bemühen. Die Verhältnisse sind also von Kanton zu Kanton sehr verschieden.

Aus diesem Grunde kann aber auch nur eine Lösung in Frage kommen, welche das Schwergewicht in die Kantone verlegt. Der Bundesrat glaubt sie in der Weise gefunden zu haben, dass er unter bestimmten Voraussetzungen die Kantone ermächtigt, an ältere Arbeitslose bei Übernahme einer Arbeit Beiträge zu gewähren, falls ihr Entgelt für die geleistete Arbeit nicht dem ortsüblichen Lohn voll leistungsfähiger Personen für dieselbe Tätigkeit entspricht. Der Bund selbst würde zu seinen eigenen Lasten die Hälfte dieser Beiträge übernehmen. Auf diöse Art und Weise wird diesen Leuten am ehesten zu einer Arbeit verholfen und das ist die Hauptsache. Jedenfalls kann es sich nicht darum handeln, auf diesem Weg eine Altersfürsorge einzuführen oder

528

Aufgaben der Armenpflege zu übernehmen. Vielmehr muss am Grundsatz festgehalten werden, dass in dea Kreis dieser Fürsorge nur einbezogen werden können arbeitsfähige und arbeitswillige Personen -- und zwar in der Hauptsache qualifizierte Berufsarbeiter -- die infolge ausserordentlicher Verhältnisse zurzeit arbeitslos sind, aber Aussicht haben, wiederum Beschäftigung zu finden (vgl, die Ausführungen im Bericht des Bundesratei an die Bundesversammlung über den Abbau der Arbeitslosenfürsorge vom 18. Mai 1923, worin sich der Bundesrat schon im gleichen Sinn ausgesprochen). Ferner ist diese Fürsorge zeitlich zu begrenzen ; die vorgeschlagene Regelung nimmt hiefür den 31. Dezember 1924 in Aussieht. Schliesslich wird durch die Vorschrift, dass die von den Kantonen aufgestellten Bestimmungen durch das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement zu genehmigen seien, die nötige Kontrolle des Bundes vorgesehen.

Dies ist die Ordnung, wie sie in Art. 2 des beiliegenden Bundesratsbeschlusses niedergelegt wurde. Weiter kann nicht gegangen werden, denn es ist in erster Linie Sache der Kantone und Gemeinden, inskünftig für diese älteren Personen zu sorgen, die im industriellen Produktionsprozess nicht mehr Verwendung finden. Für den Bund kommt nur eine vorübergehende Hilfe in Betracht. Dem Postulat Grospierre kann daher nicht Folge gegeben werden.

Art. 2 des Bundesratsbeschlusses schafft ferner die Möglichkeit, dass die Kantone unter entsprechenden Voraussetzungen Kurse subventionieren, welche der beruflichen Ausbildung Arbeitsloser im Sinn einer Umlernung dienen, oder Beiträge an Personen gewähren, dio solche Kurse besuchen. Durch diese Bestimmung kann einer weiteren Kategorie von Arbeitslosen über die schlimmste Zeit hinweggeholfen werden, nämlich denjenigen, die infolge des Rückgangs der Beschäftigungsmöglichkeiten, welcher als Folge der Wirtschaftskrisis in einzelnen Industrien eingetreten ist, keine Aussicht mehr haben, im erlernten Beruf ihr Auskommen zu finden. Als Beispiel mag die Seidenbandindustrie erwähnt werden, wo die Verhältnisse allerdings besonders ungünstig liegen, -- weist sie doch als einzige aller Industrien seit dem letzten Jahr eine Zunahme der Arbeitslosen auf. Hier kann wohl nur eine Umschichtung Besserung bringen und dio Regierung des Kantons Basel-Land plant denn auch die Veranstaltung
von Kursen, in denen die Angehörigen der Seidenbandindustrie, namentlich auch die Jüngern unter ihnen, auf Berufe vorbereitet werden sollen, wo die Beschäftigungsaussichten grösser sind.

529

V.

Im Zusammenhang mit der gänzlichen Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 stellen sich noch zwei Fragen, die kurz einer besonderen Erörterung bedürfen.

Zunächst ist die Regelung des Arbeitsnachweises zu prüfen, Art. 5 und 37 des Bundesratsbeschlusses vom 39. Oktober 1919 mit den zugehörigen Ausführungsvorschriften enthalten Bestimmungen über die Organisation des Arbeitsnachweises in den Kantonen und Gemeinden. Danach lag den Gemeinden die Verpflichtung ob, für sich oder in Verbindung mit anderen Gemeinden, Arbeitelosenstellen zu errichten, die -- wenn möglich mit schon bestehenden Arbeitsnachweisstellen vereinigt -- die Arbeitsvermittlung tibernehmen sollten. Die Kantone hatten Zentralstellen für Arbeitsnachweis zu errichten.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat in seinen Kreisschreiben die Kantone wiederholt auf die Notwendigkeit eines weitern Ausbaus des Arbeitsnachweises aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass die restlose Ausnützung vorhandener Arbeitsgelegenheiten erste Voraussetzung einer wirksamen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bilde. Die Kantone haben in überwiegender Mehrheit dieser Auffassung beigepflichtet und die Folge war, dass der öffentliche Arbeitsnachweis in den letzten Jahren einen erheblichen Aufschwung nahm. Mit Ausnahme der Kantone Obwalden, Nidwaiden und Appenzell I.-Rh. besitzen nunmehr alle Kautone eine Zentralstelle für Arbeitsnachweis oder sind derjenigen eines andern Kantons angeschlossen. Desgleichen haben verschiedene Gemeinden im Verlauf der letzten Jahre öffentliche Arbeitsnachweise errichtet, die vom Bund als solche anerkannt und .auch gemäss Bundesbeschluss vom 29. Oktober 1909 über die Förderung des Arbeitsnachweises subventioniert wurden. Einige Kantone (wie z. B. Bern und Zürich) beabsichtigen, den Arbeitsnachweis durch Errichtung von Kreisämtern noch weiter auszubauen. Eine Umfrage bei den Kantonsregierungen ergab, dass sie im allgemeinen die bisher errichteten Institutionen über Arbeitsnachweis beizubehalten und -- soweit es nötig oder noch nicht geschehen -- auf eine dauernde gesetzliche Grundlage zu stellen gedenken. Unter diesen Umständen, sowie im Hinblick auf das in Vorbereitung befindliche Bundesgesetz betreffend dea Arbeitsnachweis, kann wohl davon abgesehen werden, die im Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919 aufgestellten Bestimmungen noch weiterhin aufrecht zu erhalten.

Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. II.

3G

530

Ein weiterer Punkt betrifft die Auslandschweizer. Wie bereits in Ziff. I erwähnt, wurde mit Rücksicht auf die aussergewöhnliche Lage, in der sich diese befinden, im Bundesratsbeschluss vom 18. Mai 1923 betreffend teilweise Einstellung der Arbeitslosenunterstützung eine Ausnahmebestimmung zu ihren Gunsten aufgenommen. Die Gründe, die hiezu Veranlassung gaben, bestehen auch heute noch. Wie bisher, so ist ebenfalls in nächster Zeit mit der Rückkehr arbeitsloser Auslandschweizer zu rechnen, wenn auch die Bückwanderung ihren Höhepunkt überschritten zu haben scheint. Wollte man nach Aufhebung der Arbeitslosenunterstützung die Fürsorge für diese vielfach gänzlich mittellos und ohne Hausrat und die notwendigsten Kleidungsstücke Zurückkehrenden ausschliesslich der Armenpflege überlassen, so bedeutete das in vielen Fällen eine allzugrosse Härte. Handelt es sich doch vielfach um Personen, die ihre Heimatgemeinde überhaupt noch nie gesehen haben und nicht einmal die heimatliche Sprache kennen. Der Bundesrat hielt es dafür für gerechtfertigt, dass auch nach der gänzlichen Einstellung der Arbeitslosenunterstützung für die arbeitslosen Auslandschweizer gesorgt werde. Die Lösung ist in der Weise gefunden worden^ dass der innerpolitischen Abteilung des eidgenössischen politischen Departements, die sich bereits mit der Unterstützung arbeitsunfähiger Auslandschweizer in der Schweiz befasst, auch die Unterstützung der arbeitsfähigen Auslandschweizer übertragen wurde.

Zu diesem Zweck erhielt sie aus den Arbeitslosenkrediten einen Betrag von Fr. 150,000 zugewiesen, der es ihr voraussichtlich ermöglichen wird, die Unterstützung arbeitsfähiger, aber beschäftigungsloser Auslandschweizer mindestens während eines Jahres in bisheriger Weise weiterzuführen.

VI.

Der beiliegende Beschlags als solcher gibt keinen Anlass zu viel Bemerkungen.

Art. l, Abs. l bestimmt, dass der Biindesratsbesehluss betreffend Arbeitslosenunterstützung vom 29. Oktober 1919 mit allen seinen Abänderungen und Ergänzungen sowie den gestützt hierauf ergangenen Ausführungsbestimmungen auf den 30. Juni 1924 ausser Kraft tritt. In Abs. 2 wird erklärend beigefügt, dass von diesem Zeitpunkt hinweg keine Arbeitslosenunterstützungen oder sonstige in diesen Erlassen vorgesehene Leistungen mehr ausgerichtet werden, sofern der Anspruch nicht für die Zeit vor dem 1. Juli 1924 entstanden ist. Bis zum 1. Juli.nächsthin bleibt

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demgemäss alles beim alten, nur dürfen für die Zeit nachher keine Unterstützungen oder andere der erwähnten Leistungenzugesprochen werden.

Art. 2 will die Möglichkeit schaffen, Härten zu vermeiden,, von denen einzelne Arbeitslose, bei denen besondere Verhältnisse vorliegen, durch den gänzlichen Hinfall der Unterstützungen betroffen werden könnten. Er gibt dementsprechend den Kantonen die Ermächtigung, in Ausnahmefällen bis Ende 1924 älteren Arbeitslosen bei Übernahme einer Arbeit eine Minderleistungszulage zu gewähren, d. h. eine Zulage, welche im Maximum der Differenz zwischen dem "Entgelt für ihre Arbeit und dem Lohn voll leistungsfähiger Personen für die gleiche Betätigung entspricht. Im weitem ermächtigt er die Kantone, ausnahmsweise bis zum 31. Dezember dieses Jahres Kurse zu subventionieren, in denen Arbeitelosen, die in ihrem erlernten Beruf keine Beschäftigung mehr finden, Gelegenheit geboten ist, sich für einen andern Beruf auszubilden, der gunstigere Aussichten bietet ; desgleichen können sie Personen, die solche Kurse besuchen, Beitrage gewähren. Es ist vorgesehen, dass der Bund aus den Reatsummen der Arbeitslosenkredite die Hälfte an diese auf Grund von Art. 2 ausgerichteten Beiträge zahlt.

Um eine gewisse Kontrolle zu gewinnen, wird ferner bestimmt, dass die von den Kantonen aufgestellten Vorschriften der Genehmigung durch das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bedürfen.

Artikel 3 bringt inbezug auf den Bundesratsbsschluss vorn 29, Oktober 1919 selbst die nötigen Übergangsbestimmungen. Er enthält die Vorschrift, dass für die Abwicklung der Massnahmen, welche auf Grund der in Artikel l genannten Erlasse getroffen wurden, diese auch nach dem 30. Juni 1924 anwendbar bleiben; hiebei ist insbesondere auch an das Abrechnungs- und Kontrollwesen gedacht. Ferner sieht dieser Artikel vor, dass diejenigen Tatsachen die während der Geltungsdauer der in Art. l erwähnten Erlasse eingetreten sind, auch fernerhin nach dem bisherigen Recht beurteilt werden. In diesen Fällen kommen somit auch in Zukunft die Vorschriften Über das Verfahren in Streitsachen betreffend Arbeitslosenunterstützung (VerordHung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 2. März 1922*} zur Anwendung, und die hier vorgesehenen Organe -- auch die kantonalen ---· werden weiterhin zur Verfügung stehen müssen,
soweit es sich um die Erledigung vor dem l, Juli 1924 entstandener Rechte oder Verpflichtungen handelt. Praktisch hat das keine grosse Bedeutung ; au waren z. B. bei der eidgenössischen Rekurskommissioa in diesen *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVIÏÏ. S. 290.

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Tagen nur noch drei Fälle hängig. In gleichem Sinn bleiben vorbehalten die Strafsanktionen von Art. 38 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919.

Art. 3 endlich setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens fest und beauftragt das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement mit dem Vollzug.

Was die Verwendung des Restes der zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Fürsorge für Arbeitslose bereitgestellten Mittel angeht, so kann hierüber im gegenwärtigen Moment nichts Bestimmtes gesagt werden. Die genaue Summe steht noch nicht fest, da erst die fertigen Abrechnungen vorliegen müssen, deren Erstellung eine gewisse Zeit beansprucht; auch muss noch der Ablauf der im beiliegenden Beschluss vorgesehenen Übergangsbestimmungen abgewartet werden. Sobald die Schlusszahlen bekannt sind, wird der Bundesrat auf die Frage zurückkommen, wie er sich überhaupt vorbehält, zu gegebener Zeit einen zusammenfassenden Bericht über die ganze Aktion zu erstatten.

Wir haben uns erlaubt, Ihnen vorstehend über den Beschluss betreffend Einstellung der Arbeitslosenfüraorge vom 2. Juni 1924 gemäss Art. 2, Abs. 3 des Bundesbeschlusses über die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates vom 19. Oktober 1921*) Kenntnis zu geben. Allerdings verlangt der Bundesbeschluss einen solchen Bericht nur für die in Art. 2, Abs. 2 erwähnten Abänderungen von Notverordnungen, die inhaltlich eine weitere Anwendung der ausserordentlichen Vollmachten darstellen, während unser heutiger Brlass die vollständige Aufhebung des noch auf den Vollmachten beruhenden Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 zum Gegenstand hat und somit unter Abs. 4 des Art. 2 fällt, wonach die Notverordnungen vom Bundesrat ausser Kraft zu setzen sind, sobald dies im Interesse des Landes liegt. Immerhin enthält unser Beschluss noch einige Übergangsbestimmungen und deshalb sowie mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache hielten wir es für angezeigt, Ihnen kurz die Gründe auseinanderzusetzen, welche ihn veranlasst haben, B e r n , den 2. Juni 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Chuard.

Der Bundeskanzler: Steiger.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 741.

533 Beilage.

Bundesratsbeschluss aber

die Einstellung der Arbeitslosenfürsorge.

(Vom 2. Juni 1924.)

Der schweizerische Bundesrat, gestützt auf den Bundesbeschluss betreffend Aufhebung der außerordentlichen Vollmachten des Bundesrates vom 19, Oktober 1921, b eschli e s s t : Art. 1. Der Bundesratsbeschluss betreffend Arbeitslosenunterstützung vom 29, Oktober 1919 mit allen seinen Abänderungen und Ergänzungen sowie den gestützt hierauf ergangenen Ausführungsbestimmungen wird auf den 30. Juni 1924 aufgehoben.

Demgemäss werden von diesem Zeitpunkt an keine Arbeitslosenunterstützunge oder sonstige in diesen Erlassen vorgesehene Leistungen ausgerichtet, sofern der Anspruch nicht für die Zeit vor dem 1. Juli 1924 entstanden ist, Art.2. Die Kantone sind ermächtigt, sofern ausnahmsweise besondere Verhältnisse dies rechtfertigen, bis zum 31, Dezember 1924 Beiträge zu gewähren : a, an Kurse, welche der beruflichen Ausbildung Arbeitsloser im Sinn einer Umlernung dienen, oder an Personen, die solche Kurse besuchen ; b. an ältere Arbeitslose bei Übernahme einer Arbeit, deren Ertrag nicht dem ortsüblichen Lohn voll leistungsfähiger Personen entspricht.

Der Bund übernimmt zu Lasten der noch verfügbaren Arbeitlosenkredite die Hälfte dieser Beiträge.

Die Vorschriften der Kautone unterliegen der Genehmigung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement

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Art. 3. Für die Abwicklung der Massnahmen, die auf Grund der in Art. l genannten Erlasse getroffen wurden, bleiben diese auch nach dem 30. Juni 1924 anwendbar. Ebenso werden, TatBachen, die während deren Geltungsdauer eingetreten sind, auch fernerhin nach dem bisherigen Recht beurteilt.

Art. 4. Dieser Beschluss tritt sofort in Kraft.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement wird mit seinem Vollzug beauftragt.

B e r n , den 2. Juni 1924.

Im Namen des Schweiz, Bundesrates, Der Bundespräsident: Chuard Der Bundeskanzler: Steiger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Einstellung der Arbeitslosenfürsorge. (Vom 2. Juni 1924.)

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1924

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23

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04.06.1924

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