562 Ablauf der Referendumsfrist : 19. Januar 1935.

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Bundesgesetz über

die Beitragsleistung an die Arbeitslosenversicherung.

(Vom 17. Oktober 1924.)

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 17. September 1923, gestützt auf Art. 2 und Art. 34ter der Bundesverfassung, beschliesst:

Art. 1.

Öffentlichen und privaten Arbeitslosenkassen, die auf dem Grundsatz der Versicherung beruhen, werden jeweils für ein Rechnungsjahr Bundesbeiträge gewährt, Art. 2.

Die Beiträge werden nur solchen Kassen gewährt, welche die nachstehenden Bedingungen erfüllen.

1. In b e z u g auf Z w e c k , V e r w a l t u n g und M i t gliedschaft: a. Die Kasse muss jeden erwerbsmässigen oder der Arbeitslosenfürsorge fremden Zweck ausschliessen.

b. Sie muss eine eigene Buch- und Kassaführung haben und für eine richtige Verwaltung der Gelder Gewähr bieten.

c. Sie muss genaue Vorschriften haben über die Leistungen der Mitglieder und die Gegenleistungen der Kasse, sowie über die Verwendung der Rechnungsüberschüsse und Fonds.

d. Das Mitglied einer Easse darf nicht gleichzeitig einer andern Kasse angehören.

IL In bezug auf die L e i s t u n g e n an die Mitglieder: a. Die Kasse zahlt an die arbeitslosen Mitglieder ein Taggeld gemäss den Statuten.

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b. Das Taggeld soll fUr Mitglieder, die eine gesetzliche UnterStützungspflicht erfüllen, in der Regel um wenigstens 10 % des ausfallenden normalen Verdienstes höher sein als für Mitglieder ohne gesetzliche Unterstülzungspflicht. Es darf jedenfalls 60 % des ausfallenden normalen Verdienstes nicht übersteigen; für Mitglieder, die keine gesetzliche Unterstutzungspflicht erfüllen, beträgt das Maximum 50 %· c. Die Taggelder dürfen mit Verpflichtungen der Mitglieder nicht verrechnet werden ; zulässig ist jedoch eine Verrechnung mit den laufenden Prämien und den Prämien der letzten acht Wochen vor Beginn der Arbeitslosigkeit.

III. In b e z u g auf die V o r a u s s e t z u n g e n des Taggeldanspruchs und die Kontrolle: a. Das Taggeld darf nur ausgerichtet werden, wenn der Versicherte unverschuldet arbeitslos geworden ist, sich beim öffentlichen Arbeitsnachweis hat einschreiben lassen und keine angemessene Arbeit hat linden können. An Stelle des öffentlichen Arbeitsnachweises kann mit Ermächtigung des eidgenössischen Arbeitsamtes für einzelne Berufe ein Facharbeitsnachweis treten.

Über den Grund der Arbeitslosigkeit des Versicherten ist eine Bescheinigung seines letzten Arbeitsgebers beizubringen.

b. Die Bezugsberechtigung beginnt frühestens nach einer Mitgliedschaft und Prämienleistung von hundertachtzig Tagen und frühestens drei Tage nach der Anmeldung beim Arbeitsnachweis.

c. Ist die Arbeitslosigkeit die Folge von kollektiven Arbeitskonflikten, so darf für die Dauer des Konfliktes und die folgenden dreissig Tage kein Taggeld ausgerichtet werden.

d. Ist der Arbeitslose arbeitsunfähig, so ist ihm für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit kein Taggeld auszurichten.

«. Die Dauer der Bezugsberechtigung innert dreihundertsechzig Tagen soll neunzig Tage nicht übersteigen. Durch Beschluss des Bundesrates kann in Zeiten andauernder Krise eine Bezugsdauer über neunzig Tage bewilligt werden.

/. Vom Bezug des Taggeldes ist auszuschliessen : 1, wer eine angemessene Arbeitsgelegenheit nicht benutzt oder aus eigenem Verschulden nicht findet; 2. wer die Kontrollvorschriften nicht erfallt;

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3. wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht .oder auf andere Weise versucht, unrechtmässig Taggelder zu beziehen, IV. In bezug auf die Auflösung: Die Statuten müssen bestimmen, dass bei Auflösung der Kasse die noch vorhandenen Bundesbeiträge an den Bund zurückfallen.

Art. 3.

Die teilweise Arbeitslosigkeit kann unter folgenden Bedingungen in die Versicherung einbezogen werden : a. Die Entschädigung für den Verdienstausfall ist nach Art. 2,.

II &, zu bemessen. Sie darf jedoch zusammen mit dem verbleibenden Verdienst für Versicherte, die eine gesetzlich» Unterstützungspflicht erfüllen, 80 °/o, für die übrigen 70 "/odes normalen Verdienstes nicht übersteigen.

b. Die Bezugsberechtigung hört auf, wenn innert dreihundertsechzig Tagen die Entschädigung für teilweise Arbeitslosigkeit zusammen mit einer allfälligen Entschädigung für gänzliche' Arbeitslosigkeit den Betrag von neunzig vollen Taggeldern erreicht.

Die Vollziehungsvorschriften bestimmen die auf die teilweise Arbeitslosen anwendbare Kontrolle.

Art. 4.

Der Bundesbeitrag beträgt für öffentliche und für private^ von Arbeitgebern und Arbeitern gemeinsam verwaltete Kassen 40 °/o, für die übrigen Kassen 30 % der statutengemäss aasbezahlten Taggelder. Taggelder an Mitglieder, die noch nicht sechzehn Jahre alt sind oder im Ausland wohnen, sind in Abzug zu bringen.

Die Bundesversammlung kann den Bundesbeitrag vorübergehend um höchstens 10 % erhöhen.

Art. 5.

Eine Kasse, die auf den Bundesbeitrag Anspruch erhebt, hat dem eidgenössischen Arbeitsamt ihre Statuten, Réglemente und übrigen Vorschriften, sowie jede Abänderung derselben in zwei Exemplaren einzusenden.

Sie hat dem eidgenössischen Arbeitsamt die nötigen Angaben für die Statistik zu machen.

565Art. 6.

'Der Bundesbeitrag wird nach Prüfung der Jahresrechnung ausbezahlt.

Zu diesem Zweck sind dem eidgenössischen Arbeitsamt der Jahresbericht und die Jahresrechnung einzureichen.

Das eidgenössische Arbeitsamt hat das Recht, jederzeit indie Geschäftsführung einer vom Bund subventionierten Kasse Einsicht zu nehmen.

Die Prüfung der Rechnungen und der Geschäftsführung kann den Kantonen übertragen werden.

Gestutzt auf besondere Ausweise können den Kassen Vorschösse auf den Bundesbeitrag für das laufende Rechnungsjahr gewährt werden.

Art. 7.

An die Ausrichtung des Bundesbeitrages kann die Bedingung geknüpft werden, dass er zur Erhöhung der Taggelder oder zur Verlängerung der Dauer der Bezugsberechtigung oder zur Äufnung eines Reservefonds verwendet werde.

Der Bundesbeitrag darf keine Herabsetzung der statutarischen, Leistungen der Kassen und Versicherten zur Folge haben. Er kann, nach Anhörung der betreffenden Kantonsregierungen, an die Bedingung geknüpft werden, dass Kantone oder Gemeinden ebenfalls Beiträge gewähren.

Art. 8.

Der Bundesrat bezeichnet die Behörde, die Über die grundsätzliche Berechtigung einer Kasse aut einen Bundesbeitrag (Art. 5)r über die Höhe der Auszahlung der jährlichen Beiträge (Art. 6), sowie Über die daran geknüpften Bedingungen (Art. 7) zu entscheiden hat; er bestimmt das einzuschlagende Verfahren.

Art. 9.

Wenn die Kasse durch die Schuld eines ihrer Vertreter unrechtmässig Bundesbeiträge erworben hat, oder wenn Unregelmässigkeiten in ihrer Verwaltung festgestellt worden sind, sokann ihr der Bundesrat vorübergehend oder dauernd den Beitragentziehen.

Unrechtmässig bezogene Bundesbeiträge sind zurückzuzahlen.

Hierüber entscheidet endgültig der Bundesrat ; sein Entscheid ist

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am Sinn von Art. 81 des Bundesgesetzes vom 11, April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs einem vollstreckbaren Urteil gleichgestellt.

Die Bestimmungen des kantonalen Strafrechts bleiben vorbehalten.

Art. 10.

Die Kassen, die auf Grund dieses Gesetzes Bundesbeiträge erhalten sind von der am 28. September 1920 von der BundesVersammlung beschlossenen neuen außerordentlichen Kriegssteuer befreit.

Der Bundesrat kann die Beitragsleistung davon abhängig machen, dass die Kassen von dea direkten Steuern des Kantons und der Gemeinden befreit werden. Die Bedingung der Steuerbefreiung darf sich jedoch nicht auf Grundeigentum erstrecken.

Art. 11.

Der Bundesrat kann verfügen, dass nur Kassen mit einer bestimmten Mindestzahl von Mitgliedern den Bundesbeitrag erhalten und dass dieser herabzusetzen ist, wenn er zusammen, mit andern öffentlichen Beiträgen einen bestimmten Bruchteil der von den Kassen statutengemäss ausbezahlten Taggelder übersteigen "würde.

Für Ausländer, deren Heimatstaat in der Arbeitslosenfürsorge -die Schweizerbürger ungünstiger behandelt als die eigenen Angehörigen oder in deren Heimatstaat eine gleichwertige Arbeitslosenfürsorge nicht besteht, kann der Bundesrat den Bundesbeitrag verweigern oder herabsetzen.

Er kann Vorschriften über die Freizügigkeit erlassen.

Wenn besondere Verhältnisse es rechtfertigen, kann er weiter Bedingungen für die Ausrichtung der Bundesbeiträge aufstellen oder vorübergehend einzelne Erleichterungen gewähren.

Art. 12.

Der Bundesrat trifft die zum Vollzug dieses Gesetzes erforderliche Anordnungen.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 17. Oktober 1924.

Der Präsident : B. Evéquoz.

Der Protokollführer: G. Bovet

567 Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 17. Oktober 1924.

Der Präsident : Simon.

Der Protokollführer: Kaeslin.

Der schweizerische Bandesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89 der Bundesverfassung und Art. B des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

0

B e r n , den 17. Oktober 1924.

Im Auftrag des Schweiz, Bundesrates, Der Bundeskanzler:

Steiger.

Datum der Veröffentlichung : 22. Oktober 1924.

Ablauf der Referendumsfrist : 19. Januar 1925.

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Die worden.

Die desblatte Die

Bundesversammlung.

Herbstsession ist am 17. Oktober 1924 geschlossen Übersicht der Verhandlungen wird nächstens dem Bunbeigelegt werden.

ordentliche Wintersession beginnt am 1. Dezember 1924.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz über die Beitragsleistung an die Arbeitslosenversicherung. (Vom 17. Oktober 1924.)

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22.10.1924

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