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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Hilfeleistung an lawinengeschädigte Privatbahnen ; (Vom 19. Oktober 1951.)

Herr Präsident!

;

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Buudesbeschluss über eine Hilfeleistung an die Bhätische Bahn und die Furka-Oberalp-Bahn zur Milderung der Schäden zu unterbreiten, die diese Transportanstalten infolge der grossen Sclineefälle und Lawinengänge im Januar und Februar 1951 erlitten haben.

Allgemeines

1

In der Zeit von Mitte Januar bis Mitte Februar 1951 sind in unseni östlichen Gebirgsgegenden bisher kaum gekannte Schneemassen gefallen, die eine Unzahl von Lawinen ausgelöst haben. Ihr Verheerurigswerk hat grosses Leid über weite Gebiete namentlich unserer wirtschaftlich schwachen Gebirgskantonè gebracht. Beeindruckt von den Opfern und Schäden, hat das ganze Schweizervolk in spontaner Hilfsbereitschaft über 14 Millionen Franken zu deren Milderung gesammelt. Wenn der Bund dazu bis jetzt in verhältnismässig bescheidenem Masse beigetragen hat, so geschah dies mit Bücksicht darauf, dass er praktisch Hilfe leisten konnte, selbst mit Millionenbeträgen zu Schaden gekommen ist und darüber hinaus damit rechnen musate, Lücken in der Linderung der eingetretenen Schäden schliessen zu müssen. Es war von Anfang an klar, dass die den Bahnen erwachsenen Schäden nicht aus dem Ergebnis der öffentlichen Sammlung behoben werden können. Das hätte dem Willen der Spender widersprochen, weil man die Bahnen, trotz ihrer privatrechtlichen Organisation, als Aktiengesellschaften, als öffentliche Institutionen zu betrachten pflegt.

, ' Bundesblatt. 103. Jahig. Bd. III.

'2l

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-

'

Mit den Botschaften vom 10. Juli 1951 über die Aufhebung des Abbaues von Bundesbeiträgen an die Kosten für. Aufforstungen, Verbauungen und Meliorationen in lawinengefährdeten Gegenden und über die teilweise Abänderung und Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (BEI 1951 IL 480 und 497) hat der Bundesrat neben der Erhöhung eine Ausdehnung der.Bundesbeiträge in dem Sinne vorgesehen, dass künftig Bundesbeiträge auch für Galerie- und Tunnelbauten zum Schutze von Bahnen und Strassen ausgerichtet werden können, wenn dadurch kostspielige Verbauungen in Lawinenanrissgebieten erspart werden können.

Der Ständerat hat dieser Ergänzung des Forstpolizeigesetzes am 18. September 1951 zugestimmt. Stimmt ihr-der Nationalrat auch zu, so wird es möglich.sein, wenigstens die sich aus der Lawinenkatastrophe aufdrängenden Ergänzungen der Sicherungsmassnahmen mit einem Bundesbeitrag zu fördern. Damit soll gesagt sein, dass sich die heutige Vorlage nur mit den von den andern Vorlagen nicht erfassten Schäden, namentlich mit der Wiederherstellung der durch Lawinen beschädigten Bahnanlagen, befasst.

Es ist aber auch im Kahmen dieses Bundesbeschlusses nicht möglich, allo Folgen dieser Naturkatastrophe gutzumachen. Soweit die Schäden wirtschaftlich tragbar sind, muss deren Behebung den betroffenen Bahnunternehmungen überlassen werden. Nur dort, wo die Folgen der Schäden die Kraft der Geschädigten übersteigen, muss der Bund helfen. Selbst in diesen Fällen ist eine .gewisse Zurückhaltung am Platze, um nicht ungerecht zu Verfahren gegenüber denjenigen Unternehmungen, die auf die Selbsthilfe verwiesen werden müssen, weil ihnen diese hoch zugemutet werden kann.

Die eidgenössischen Eäte selber haben dem. Bundesrate nahegelegt, eine besondere Hilfe für die lawinengeschädigten Privatbahnen in die Wege zu leiten. So haben die Berichterstatter sowohl der nationalrätlichen wie der ständerätlichen Kommission aur Beratung des Entwurfes zu einem Bundesbeschluss über eine vorübergehende Hilfe zur Aufrechterhaltung des Betriebes privater Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmungen, die Herren Nationalräte Condrau und .Petitpierre sowie Herr Ständerat Haefelin, im Namen der einstimmigen Kommissionen den' Bundesrat gebeten, angesichts des besonderen Charakters der durch Lawinen verursachten
Schäden und deren Folgen eine Hilfe vorzubereiten.

Die Hilîe Neben den Bundesbahnen haben eine ganze Anzahl Bahnen, namentlich in den Kantonen Graubünden, Uri und Wallis, bedeutend höhere Kosten für die Schneeräumüng zu tragen. Dazu traten teilweise Einnahmenverluste infolge von Tage bis Wochen dauernden Betriebsunterbriichen. Diese Schadensposten beeinflussen direkt die Betriebsrechnurig der Bahn und werden unter Umständen einen Betriebsfehlbetrag zur Folge haben, der im Bähnien des vorstehend erwähnten Bundesbeschlussentwurfes über Betriebsbeihilfen geprüft werden kann. Die heutige Vorlage braucht die Einnahmenausfälle nicht und ausserordentliche Schneeräumungskosten nur soweit zu berücksichtigen, als

275 sie die Kosten in andern schneereichen Wintern wesentlich übersteigen..Nach dieser Abgrenzung können nur noch die Gesuche der Rhätischen Bahn und der Furka-Oberalp-Bahn in Betracht gezogen werden. Diese Bahnunternehmungen sind nicht in der Lage, die ausserordentlichen Kosten für. die Wiederherstellung ihrer durch die Lawinengänge zum Teil schwer beschädigten Anlagen aus eigenen Mitteln zu decken. Ihre Notlage ist hinreichend bekannt.

Die Rhätische Bahn :

Am schwersten hat Graub linden und mit ihm die Rhätische Bahn unter den gefallenen Schneemassen gelitten. Auf den Stationen wurden Schneehöhen bis zu 3 m gemessen. 96 Lawinengänge und Schneerutsche haben die Bahnanlagen verschüttet, die tagelange Betriebsunterbrechungen zur Folge hatten.

Drei bewährte Bahnangestellte haben ihr Leben verloren.

Der bewunderungswerten Hilfsbereitschaft, mit welcher vonden eingesetzten Truppen, dem hintersten Manu des Personals und der Bevölkerung harte und gefahrvolle Arbeit geleistet wurde, sei auch hier noch einmal gedacht.

Darüber hinaus gilt es, die grossen und ausserordentlichen Schäden der ohnehin notleidenden Ehätischen Bahn nach Möglichkeit zu lindern.

Einer Aufstellung der Ehätischen Bahn vom 20. Juli 1951 können folgende Angaben über die bisherigen Aufwendungen und die voraussichtlich noch notwendigen Wiederinstandstellungskosten entnommen werden: a. Instandstellung beschädigter Anlagen: Starkstromleitungen . . . . . .

Telephonleitungen ; Brücken und Geländer . .

. .

Einfriedungen Verbauungen und Aufforstungen Schneegalerien . .

Hochbauten (nach Abzug der Versicherungsleistungen) , b. Schäden an Fahrzeugen: Selbstbehalt des auf Alp Grüm in die Tiefe gestürzten und zerstörten Motorwagens BBe 4/4 Nr. 9 c. Mehraufwendungen für Schneeräümung . . . . . .

d. dringlich notwendige Bauprojekte:.

Lawinengalerie km 26,718/982 vor Alp Grüm . .

Gitzisteingalerie km 5,5 ChA .

Verkabelung von zerstörten Bahntelephonfreileitungen e . Ausfall von Betriebseinnahmen /. Verschiedenes und zur Aufrundung 1

Fr.

108000 64000 10000 50000 300 000 30 000

Fr.

200000

762000

10 000 440 000 440 000 100000 100000

640000 100000 48 000

Total

2 000 000

'276

;

:

Wir wiederholen, dass durch die gegenwärtige Vorlage nur die Wiedergutmachung : nachweisbarer Schäden ins Auge gefasst werden kann. Deshalb können die vorstehend unter lit. d aufgeführten neuen Lawinensicherungsbauten nicht einbezogen .werden. Sie müssen im Bahmen eines abgeänderten und ergänzten Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei berücksichtigt werden. Der auf 100000 Franken geschätzte Einnahmenausfall (lit. e) ist ein nicht streng nachweisbarer indirekter Schaden, der durch die längere Unterbrechung des Verkehrs auf der Strasse, durch zusätzlichen Verkehr auf der Schiene teilweise gemildert worden sein mag.

Die Mehraufwendungen von1 440 000 Franken für Lawinenschneeräumung (lit. c) lassen sich aus den gesamten Kosten des Winters 1950/51 von 740000 Franken unter Abzug der mittleren Kosten, der Jahre 1943--1960 von 300 000 Franken errechnen, welche sich zwischen 122 000 Franken und 449 000 Franken bewegten. Es kann sich kaum darum handeln, diese ausserordentlichen Betriebsaufwendungen vollständig abzugelten, weil sonst viele andere Transportanstalten, die keine Hilfe beanspruchen können, um solcher Kosten willen auch in die Hilfe einbezogen werden müssten. Der anerkanntermassen ausssrordenth'ch hohen Belastung für Schneeräumungsarbeiten scheint uns in billiger Weise Bechnung getragen zu sein, wenn man den Aufwand für alle unter lit. a und 6 genannten Schäden von 772 000 Franken um 228 000 Franken auf eine Million Franken erhöht. Dies rechtfertigt sich ohnehin aus zwei Gründen: Einmal sind die Schäden in einem Zeitpunkt geschätzt worden, in welchem ihr wirklicher Umfang wegen der noch nicht weggeschmolzenen, zum Teil verfirnten und mit Gestein und Holz durchsetzten Schneemassen noch nicht zuverlässig ermittelt werden konnte. Die Erfahrung hat ergeben, dass nach vollständiger Bäumung des Schnees und gründlicher Untersuchung der Anlagen sich grössere Schäden zeigen als ursprünglich angenommen werden konnte. Anderseits wird sich, bis die Behebung der Schäden beendet ist, die fortschreitende Teuerung fühlbar machen.

In diesem Sinne beantragen wir, der Bhätischen Bahn einen einmaligen Beitrag auszurichten: 1. für die Instand Stellung der Anlagen 2. für Bollmaterialschäden 3. zur Aufrundung und als Beitrag an die ausserordentlichen Lawinenschneeräumungsarbeiten .

i Furka-Oberalp-Bahn

762000 Franken 10 000 » 228 000

»

l 000 000 Franken -

Nach der Konzession vom. 1. April 1927 ist die Furka-Oberalp-Bahn (BrigAndermatt-Disentis) nur auf den Strecken Brig-Oberwald und Sedrun-Disentis zum ganzjährigen Betrieb verpflichtet. Weil das Bedürfnis der WinterSportplätze dies erfordert, werden seit 1946 auch die Strecken Andermatt-B^ealp

277 mit zwei Zugspaaren und Andermatt-Sedrun im Winter mit drei Zùgsp'aaren bedient, woran die Kantone Graubünden und Uri einen Beitrag von jährlich 15 000 Franken leisten.

.

; 28 Lawinengänge haben das eine Eigentumslänge von 97 km umfassende Netz der Furka-Oberalp-Bahn arg und mehrfach hintereinander beschädigt.

Namentlich haben die Fahr- und Speiseleitungen stark gelitten, soweit sie nicht überhaupt zerstört worden sind. An weitern bedeutenden Schäden sind zu nennen: Zwischen Eealp und Andermatt wurde eine Bahnbrücke von 15 m Spannweite und einem Gewicht von 28 t aus den Widerlagern gehoben und ins Beussbett gelegt. Die Station Oberalpsee, im Hotelgebäude gleichen Namens, wurde vollständig zerstört/Das Haltestellegebäude in Tschamutt wurde fortgetragen und in Val Clavau Sura ein Viadukt von 25 m Länge bis auf die Fundamente fortgerissen.

Auch hier haben sich Leitung und Personal und teilweise auch die Gemeinden des Goms und der Tälschaft Ursern sowie das Festungswachtkorps in Andermatt in bewunderungswürdiger Weise für die Kettnngs- und Wiederherstellungsarbeiten eingesetzt.

Die Furka-Oberalp-Bahn hat in einer Eingabe vom 23. April 1951 die durch die Lawinengänge und ausserordentlichen Schneefälle verursachten Schäden auf 450 000 Franken veranschlagt. Auf Grund der tatsächlichen Aufwendungen und des ermittelten Einnahmenausfalles konnte sie am 5. Oktober 1951 die Schäden wie folgt beziffern: 1. Schnee- und Lawinenräumuug .

2. Kunstbauten und Gebäude .

·;8. Fahr- und Speiseleitung.

4. Hangverbauungen . .

5, Beeinträchtigung der Betriebseinnahmen . . . . .

89 000 Franken 72 000, » 177000 » 26 000 » 100 000!

» 464000 Franken

Die Schnee- und Lawinenräumungskosten der Monate Januar bis März 1951 erreichten bei dieser Bahn 89 000 Franken mehr als im Mittel der Jahre 1946 bis 1950 bzw. 1940 bis 1950 für die Strecke Oberwald-Eealp. Auch bei dieser Bahn können diese Kosten nicht in vollem Umfange berücksichtigt werden, ebensowenig wie der gemeldete Einnahmenausfall von 100 000 Franken.

Die ausserordentlichen Schneeräumungskosten wie auch der Einnahmenausfall werden in einem höheren Betriebsfehlbetrag der Furka-Oberalp-Bahn pro 1951 zum Ausdruck kommen, der auf anderer Eechtsgrundlage durch Beiträge des Bundes und der beteiligten Kantone gedeckt werden kann.

Wir beantragen, der Furka-Oberalp-Bahn einen einmaligen Beitrag von 825 000 Franken auszurichten unter Berücksichtigung folgender Aufwendungen :

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1.Instandstellung von Kunstbauten und Gebäuden . .

2. Instandstellung der Fahr- und Speiseleitungen . . .

3. Behebung von Schäden an Hangverbauungen . . .

4. Beitrag an die ausserordentlichen Schriee- und Lawinenräumungskosten Total

72000 Franken 177 000 » 26 000 » 50 000 » 325000 Franken

Zum Beschlussesentwurf ist beizufügen, dass die Wiederinstandstellungsarbeiten aus Gründen der Betriebssicherheit tunlichst zu fördern sind. Unter Hinweis auf Artikel 2 des Entwurfes wird das Eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement in Verbindung mit dem Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement dafür besorgt sein, dass die vom Post- und Eisenbahndepartement technisch genehmigten Instandstellungsprojekte durch Vorschüsse auf die zu gewährende Hilfe rasch verwirklicht werden können. Die eisenbahnrechtliche Plängenehmigung tritt hier an Stelle der in der Botschaft zurÄnderungg und Ergänzung des Forstpolizeigesetzes erwähnten vorzeitigen Baubewilligung.

Mit diesen Bemerkungen empfehlen wir Ihnen die Annahme des Beschlussesentwurfes.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 19. Oktober 1951.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Ed. von Steiger Der Bundeskanzler: Leimgruber

279 (Entwurf)

.

Bundesbeschluss über

die Hilfeleistung an lawinengeschädigte private Eisenbahngesellschaften

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 19. Oktober 1951, beschliesst:

Art. l

!

Zur Deckung der Kosten für die Wiederherstellung der durch die ausserordentlichen Lawinengänge im Winter 1950/51 beschädigten Anlagen richtet der Bund nachstehenden Privatbahnen einmalige Beiträge aus: a. der Ehätischen Bahn höchstens .

b. der Furka-Oberalp-Bahn höchstens , zusammen höchstens 1

:

·

l 000 000 Franken 325000 » l 825 000 Franken

Art. 2

Die Auszahlung der in Artikel l festgesetzten Beiträge erfolgt auf Grund der Aufwendungen für die Behebung der Lawinenschäden, die durch die Rhätische Bahn und die Furka-Oberalp-Bahn nachzuweisen sind.

. Art. 8 .

Dieser Bundesbeschluss tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

; Das Post- und Eisenbahndepartement wird mit dem Vollzug beauftragt, 386 :

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Hilfeleistung an lawinengeschädigte Privatbahnen (Vom 19.

Oktober 1951.)

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Jahr

1951

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

43

Cahier Numero Geschäftsnummer

6140

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.10.1951

Date Data Seite

273-279

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