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Schweizerisches Bundesblatt.

IXI.

Jahrgang. ll.

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Nr. 44.

12. Oktober 1867.

Kommissionalberichte über

den Rekurs der Gemeinde A a c h e n und anderer schwer gemeinden gegen Bundesrathsbeschluß vom 13. April 1866, betreffend eine vom Kantonsrath von Schnwz zu Gunsten der Gotthardbahn votirte Subvention.

I.

Bericht der .Minderheit der standerathlichen Kommission.

(Vom 4. Juli 1867.)

Zwischen den Gesellschaften der Eentraibahn und der Rordosthahn und den an der Gotthardlinie interessirten Kantonen kam unterm 8. August 1863 eine Vereinbarung zu Stande, welcher nachträglich 13 Kantone , unter denen auch der Danton Schwyz , beitraten. Es wurde durch dieselbe eine ständige Kommission aufgestellt und beauftragt, behufs Verwirklichung des gemeinsamen Werkes die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Ohne diesfalls iu nähere Details einzutreten, besehräukeu wir uns darauf, zu erinuern, dass diese Komuiission sich mit den bei. der iuternationalen Unternehmung der Alpendurchsehienung interessirteu Staaten in Verbinduug sezte und dann nach sachbezüglichen

Bundesblatt. Jahrg. XIX. Bd. II.

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728 Unterhandlungen die Skala der Beiträge feststellte , wel.^e die der Gotthardvereinigung beigetretenen .Cantone zu übernehmen hätten. Den.

Danton Schw^z wurde eine Ouote von Fr. 1,2.^0,000 zngemuthet.

Unterm 29. Dezember 1865 sasste der Kantonsrath von Sch..^ einen Beschluß, der unter Anderm folgendes enthält : ,,Rach Kenntnisnahme des Protokolls der standigen Kommission der Got^hardvereini^ung vom 21. August 1865, worin für Erstellung der Gotthaxdbahn eine Subvention von 20 Millionen Franken durch die dreizehn Kantone und die Eisenbahngesellschaften jener Vereinigung als unabweisbare Bedingung erklärt wird und worin in einer vorläu-

figen Vertheilung der Kanton Schwhz mit einem in 10--- l2 Jahres-

raten zn leistenden Betressniss von 1^... Million Franken belastet er^ scheint ,

,, b e schl i esst d e r K a n t o n s r a t h : .,Uuter der Voraussezung , dass hinlängliche Garantien für die gehorige Ausführung einer Gotthardbahn geboten und dass dieselbe von

der Urner-Schw^zer^Grenze bei Sisikon über das Gebiet des Kantons Sehw^z in der Richtung von Arth zum Anschluß an die bereits bestehende.

Eisenbahn geführt wird , betheiligt sich der Kanton Schwvz mit einem Subventionsbeitrage von Einer Million F r a n k e n . ^ ..Gegenwärtiger Beschluss wird dem Gotthard- und dem Lukmanierkomite mitgetheilt.^ Gegen diesen -. als verfassungswidrig bezeichneten - Beschluss xekurirte die Gemeinde Lachen nebst zehn andern schwier Gemeinden an den Bundesrath, welcher jedoch den Rekurs mit Beschluss von.. 13.

April 1866 abwies.

Jn ^olge dessen rekuriren nun die genannten Ge^neinden auch gegen ledern Beschluß , der den Mitgliedern der Bundesversammlung ausgetheilt worden ist.

Die Kommissionsmehrheit , von der Anschauung ausgehend , dass nichts in der sehw.^er Verfassung der beanstandeten Sehlussnahme des .Kantonsrathes entgegenstehe , beantragt Jhnen die Aufrecht^altung des

buudesrathliehen Beschlusses , also die Unbegründeterklarung des Re-

knrses.

Die Kommissionsminderheit kann sich diesen. Antrage uicht ausehliessen.

Jn ihren Augeu ist der Beschluss des Kantonsraths von. 29. Dezember 1865 ein verfassungswidriger und es haben demnach die Bun-

desbehorden laut Art. 5 der Bundesverfassung die Vflicht, einzuschreiten, um die Bürger des Kantons Schwhz bei ihren Rechten zu ^hüzen.

729 Jn seinen Erwägungen stüzt sich der Bundesrath auf den Umstand, dass die schwier Verfassung die Bestimmung des Jahresbüdgets und das Strasseuwesen in die Kompetenz des Kantonsraths legt , worauf nothweudig folge , dass der ledere auch zur Votirung der für den Bau von Eisenbahnen erforderlichen Ausgaben befugt sein müsse.

Diese Argumentation hat mehr haltigkeit auf ihrer Seite.

bestechenden Schein als

Stich-

Die schwier Verfassung hat den Bau von Eisenbahnen nicht vorausgeseheu und enthält daher keine Bestimmung über die Kompetenz in Eisenbahnsachen. Aus diesem Stillschweigen dars aber keineswegs gesch.losseu werden, dass die Versassung diese Materie gleich den. Strafenwesen im Allgemeinen , den anssehliessliehen Befugnissen des Kantonsraths zuscheiden wollte. Anderseits sehreibt die nämliche Verfassung im Art. 3 vor, es sollen alle Geseze dem (in den Kreisgemeinden versammelten) Volke vorgelebt werden, und der .^rt. 6..) sagt ausdrüklich .

,,Er (der Kantonsrath^ berathet a.le Vorkommnisse und Verträge mit andern Kantonen und Staaten . die minderwertigen unterliegen seiner Geuehmignng, die wichtigern aber bringt er zur Genehmigung an

die Kreisgemeinden.^

Das entscheidende Moment scheint uns also darin zu liegen , ob die Votiruug eines Beitrags von einer Million Franken für die Gotthardunteruehmung - unter den Verhältnissen , wie sie ausgesprochen wurde - als eine blosse eiuseitige ^chlnssuahme . die in die Kompetenz des Kantonsraths fällt , angesehen werden kann . oder ob dieselbe nicht vielmehr den Charakter einer vertragsn.ässigen Verpflichtung an sich trägt, welehe wegen ihrer Wichtigkeit, naeh ^lrt. 6.) der Verfassung, ^en Kreisgemeinden ^ur Genehmiguug vorgelegt werden muss.

Es hiesse die Eviden^ leugnen. wollte man behaupten, der Besehluss vom 2.). De^en^ber 1^65 habe nicht die Bedeutung einer Uebereinkunst oder Vereinbarnng zwischen dem Kanton ^hw..^ und deu konkordirenden Kantonen und Gesellschaften. Derselbe ist in der That nichts Anderes als die ^olge , die ^.hlussbeftimmnng und so zu sagen die definitive Ratifikation ^des Vorkommnisses vom Jahr 1863. Der Bundesrath anerkennt diess in den Erwägungen seines Beschlusses , steift sich dann aber aus die ^or... der S.hlussnahme des Kautonsraths von ^chw.^ , indem er erklärt: so lauge diese lettere nicht in eine bindende Vertragssorm gebracht worden sei, müsse der Rekurs verfrüht erseheinen.

Würde es sich hier um eiuen gewöhnlichen .- eivilreehtlichen ^treitsall handeln , so wäre es gau^ natürlich , der Vertragsform eine grosse Wichtigkeit bei^umessen und die Frage anzuwerfen , ob die von

730 einer Bartei übernommene Verpflichtung vor der formlichen Annahme der leztern seitens der andern ^artei als endgültig und verbindlich angesehen werden konne. Allein in staatsrechtlichen Dingen , ....a wo es sich um Souveränetätsrechte handelt, die dem Volke durch seine Versassung feierlich gewährleistet sind, kann die von der Bundesversassung zur Wärterin der Rechte des Bürgers ausgestellte Bundesversammlung bei

Veurtheilung eines bezüglichen Konfliktes nicht auf derartige jnridisehe

Spizsindigkeiten abstellen. Uebrigens liegt sür die Frage , ob die vom Kantonsrath eingegangene Verpflichtung zu den im Art. 6..) der Kantonsversassung vorgesehenen Uebereinkünsten gehore oder nicht , das wahre Kriterium nicht in der Form dieser Verpflichtung, sondern in der andern Frage , ob die Znsicherung - in den Verhältnissen , wie^ sie ausgesprochen wurde - sür den Kanton verbindlich war oder nicht. Sezen wir den Fall, Jtalien hätte erklärt, es aeeeptire die von den Kantonen und von den Gesellschaften der Rordost- und Eentralbahn votirte Subvention und wolle mit derselben den Durchstich des Gotthard auf seine Kosten und Gefahren unternehmen: dann hätte sieh der Kanton Schw...z gewiss durch den ^eschluss seines Kantonsrathes sür gebunden, und ansser Fall gesehen, von demselben zurükzukommen.

Demnach trägt der Besehlnss vom 2..). Dezember 1865, ungeachtet der Form ,^ in welcher er gesasst wurde , den Eharakter einer vom Kautonsrath namens des Kantons Schw^z, gegenüber den mitkontrahirenden Kantonen und Gesellschaften übernommenen vertragsmassigen Verpfliehtung , und es hätte daher jener Besehlnss - mit Rüksieht aus seine

Wichtigkeit - laut Art. 6.) der schwier Verfassung den Kreisgemeinden zur Genehmigung vorgelegt werden sollen.

Aus diesen Gründen beehrt sieh die Minderheit der Kommission, Jh..en, Tit., nachsolgenden .^esehlussentwurs vorzulegen: Die schw e i z e r i sche B u n d e s v e r s a m m l u n g , Rach Einsicht eines Rekurses von ^e., beschliesst: 1. Der Reknrs der Gemeinde .Lachen und von zehn andern sehw^er Gemeinden gegen den Besehluss des Bundesrathes vom 13. April 1866 und denjenigen des Kautonsrathes von Sehwhz vom 2..). De-

zember 1865, wird begründet erklärt.

2. Demzufolge wird der Bundesrathsbeschlnss vom 13. April 1866 ansgehobeu.

3. Der Beschluss des Kantonsrathes von ^chwyz vom 20. Dezen.ber 1865 wird erst dann endgültig und vollziehbar, wenn er gen.äss

731 Art. 69 der schwier Verfassung die Genehmigung der Kreisgemeinden erlangt haben wird.

Bern, den 4. Juli 1867.

Ramens der Minderheit dex ständeräthlichen Rekurskommission (Blanta und Borel) :

Eugen Borel.

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II. Bericht der natinonalräthlichen

Kommission.

(Vom 17. Juli 1867.)

Tit.!

Als faktische Grundlage dieses Rekurses erscheint ein Beschluss des Kautonsrathes von Schwyz vom 29. Dezember 1865, betreffend die Subventionirung des Projektes der Erstellung eiuer Eisenbahn über den Gotthard.

bekanntlich kam in Folge bezüglicher Unterhandlungen vom August 1 863 unter dreizehn Kantonen , in Verbindung mit den Direktionen der Nord-Ost-Bahn und Zentralbahn , zu Luzern eine Vereinigung zu Staude, welche sich die Austrebuug einer über den St. Gotthard si.hrenden Eisenbahn zur .Aufgabe setzte Als Organ sur die Betätigung dieses Zweckes wurde eine ständige Kommission ausgestellt, welche unterm 21. August 1865, iu Konstruirung einer Skala zur Repartition von 20 Millionen Subsidieu auf die beteiligtet Kautone uud Eisenbahugesellsehasten , dem Kanton Schwyz eine Beitragssumme vou 1 ,250,000 Fr. zumuthete. Ausdrücklich wurde

beigesügt, dass die ausgestellte Skala eiue unmagssebliehe und die all-

fälligen Beitragssummen dem freien Ermessen der betreffenden Kantine und Gesellschaften anheimgegeben seien.

Unterm 29. Dezember 1865 beschloss der Kantousrath von Schwyz,

mit Rückficht auf die Verhältniffe des Kantons uud dessen Stellung zum

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Kommissionalberichte über den Rekurs der Gemeinde Aachen und anderer Schwyzer Gemeinden gegen Bundesrathsbeschluß vom 13. April 1866, betreffend eine vom Kantonsrath von Schwyz zu Gunsten der Gotthardbahn votirte Subvention.

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12.10.1867

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727-731

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