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Bundesbeschluss

78. Jahrgang.

Bern, den 12. Mai 1926.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an .

Stämpfli & de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1926).

(Vom 4. Mai 1926.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über nachstehende 60 · Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Autrag zu stellen.

1. Paul Robert, geb. 1867, gew. Hilfsbarrierenwärter, Tivoli Sauges (Neuenburg), 2..Adolf Bütikofer, geb. 1881, Weichenwärter, Hindelbank (Bern).

(Eisenbahngefährdung.)

Gestützt auf Art. 67 des Bundesstrafrechts sind verurteilt worden: 1. Paul Eobert, verurteilt am 2. Februar 1926 vom Polizeigericht von Boudvy zu 30 Tagen Gefängnis.

Am 25. November 1925 ist bei Vaumarcus ein Automobil mit einem Zug der B. B. B. derart zusammengestossen, dass von den drei Autoinsassen einer schwer und zwei leicht verletzt wurden. Eobert hatte als Hilfsbarrierenwärter unterlassen, die Barrieren rechtzeitig zu schliessen.

Eobert, der von der Gefängnisstrafe 10 Tage verbüsst hat, ersucht um Erlass der Beststrafe. Er erinnert daran, dass im Zeitpunkt des Unglücks überaus stürmisches Schneegestöber herrschte, und schreibt hinsichtlich seines Verhaltens: «J'avais le sentiment d'avoir baissé les barrières, tandis qu'elles étaient encore levées au moment de l'accident.» Er habe das traurige Vorkommnis wie kein anderer bedauert und schrecklich gelitten. Heute sei er als Barrierenwärter entlassen und ohne Austeilung. Main möge berücksichtigen, dass er ohne Vorstrafe sei und zeitlebens als ehrlicher und pflichtgetreuer Arbeiter gegolten habe.

Das Justizdepartement dos Kantons Neuenburg hat den Strafvollzug bei Einreichung des Begnadigungsgesuches unterbrochen, und die eidgenössische Polizeiabteilung hat im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. I.

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614 Strafaufschub erteilt bis zur Erledigung des Begnadigungsgesuches durch die Bundesversammlung.

Der Gerichtspräsident von Boudry und die Staatsanwaltschaft des Kantons Neuenburg äussern sich f olgendermassen : Der Gerichtspräsident bezieht sich in allgemeiner Weise auf die Urteilserwägungen und wiederholt, die Gefängnisstrafe von 30 Tagen erscheine als angemessen ; er betont die Fahrlässigkeit mit ihren schweren Folgen und die unbefriedigende Haltung des Verurteilten, der sich in der Untersuchung und vor dem Gericht dem eindeutigen Beweisergebnis zum Trotz darauf -versteifte, die Barrieren geschlossen zu haben. Hinwiederum sei angemessen, hervorzuheben, dass Robert mit seinen 58 Jahren eine völlig einwandfreie Vergangenheit habe, auch stehe ausser Zweifel, dass das Gericht ihm die bedingte Verurteilung gewährt hätte, wenn dies gesetzlich angängig gewesen wäre.. Unter diesen Umständen und im Hinblick auf die erfolgte Verbüssung von 10 Tagen erklärt der Richter sein Einverständnis mit dem bedingten Erlass der Beststrafe unter Auferlegung einer entsprechenden Probezeit. Der Generalprokurator, auf dessen Bericht -wir in Einzelheiten ausdrücklieh Bezug nehmen,, schreibt, Robert hätte gut getan, im Strafverfahren eine offenere Haltung einzunehmen. Einen gewissen Eindruck hatten die zahlreichen Zeugenaussägen gemacht, laut denen Bobert ein.

.untadeliges Vorleben aufweise, stets ein ehrsamer Bürger gewesen sei und aisbraver Familienvater seine Kinder gut erzogen habe. Dies sowie die sofortige Dienstentlassung und die nachherige Erwerbslosigkeit seien die ' Gründe gewesen, gegen Eobert nicht mit besonderer Strenge vorzugehen. Zusammenfassend stelle sich dermalen die Frage, ob nicht das Vorleben des Gesuchstellers,.

der Verlust seines Postens, die Qual der Selbstvorwürfe, die Schande der Verurteilung und die teilweise Strafverbüssuhg nunmehr gnadcnhalber berücksichtigt werden könnten. Eine teilweise Begnadigung erscheine als angängig.

Das kantonale Justizdepartement übernimmt den Antrag des Gerichtspräsidenten von Boudry, da der bedingte Erlass der Beststrafe die Tragweite und die Autorität des in diesem schweren Fall ergangenen, durchaus gerechtfertigten Strafurteils nicht abzuschwächen vermöge.

Die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndepartementes, bemerkt, es könne sich nicht darum
handeln, von den Abweisungsbeschlüssen der Bundesversammlung in der Dezembersession 1924 betreffend Obrist, Mathys und Richli dem Grundsatze nach abzuweichen, wohl aber seien hierfür .die Begnadigung besondere Kommiserationsgründe vorhanden.

Abschliessend stellen wir unsere Berichte in den bereits von der Eisenbahnabteilung genannten Begnadigungssachen in den Vordergrund (hierzu Anträge .2--4 des I. Berichtes vom 7. November 1924, Bundesbl. III, 709 ff., und Bericht .der Begnadigungskommission vom 28. November 1924, Nr. 2) und wiederholen, dass ein nach sorgfältiger Abwägung der vorhandenen Umstände ergangenes Strafurteil grundsätzlich die Vollziehung erheischt, mithin:, die aus Kommiserationsgründen mögliche Begnadigung zur Ausnahme werden muss .Die Häufigkeit .der Verkehrsgefährdungen mahnt zum Auf sehen,. auch mehren sich die Anzeichen, dass die kantonalen Strafgerichte seit einiger Zeit

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zu schärferen Strafen greifen, und zwar sowohl in Betonung der Speziai- wie der Generalprävention, die beide in erhöhtem Masse zur Wirkung kommen sollen.

Von diesen Gesichtspunkten aus, und insbesondere als Folge der seinerzeitigen Abweisung des mit 21 Tagen Gefängnis bestraften Bahnwärters Obrist, halten wir dafür, die bei Bobert vorhandenen Kommiserationsgründe seien zwar einigermassen zu berücksichtigen, dagegen solle es bei einer Herabsetzung der Gefängnisstrafe sein Bewenden haben.

"Wir beantragen, die Gefängnisstrafe von 30 Tagen um die Hälfte zu ermässigen so dass Eobert in Anrechnung der bereits verbüssten 10 Tage statt weiterer 20 noch lediglich 5 Tage zu verbüssen hat.

2. Adolf Bütikofer, verurteilt am 19. Mai 1925 im summarischen Präliminarverfahren vom Stellvertreter des Gerichtspräsidenten von Burgdorf zu 3 Tagen Gefängnis und Fr. 50 Busse; das zunächst als Eventualurteil eröffnete Erkenntnis ist vom Beschuldigten angenommen worden.

Bütikofer hat am, 17. November 1924 als diensttuender Weichenwärter der Station Hindelbank unterlassen, die Barrieren eines Wegüberganges zu schliessen, so dass ein Zweispänner auf dem Bahnkörper von einer fakultativen Lokomotiv-Leerf ahrt überrascht wurde. Ein hinten am Fuhrwerk angebundenes Pferd wurde von der Lokomotive erfasst und derart verletzt, dass es abgetan worden musste.

Bütikofer hatte damals Frühdienst und war stark in Anspruch genommen.

Im Güterschuppen mit Abladen beschäftigt, überhörte er das Signal der Lokomotiv-Leerfahrt, fernerbestärktee ihn einTelephongesprächh des Stationsgehilfen, das aber einen Güterzug betraf, im Glauben> die Lokomotiv-Leerfahrt sei noch nicht signalisiert. In der Folge schloss er zuerst eine andere Barriere, während welcher Zeit der hier in Betracht kommende Übergang noch offen blieb, worauf sich der zur Erörterung stehende Vorfall zutrug.

Bütikofer stellt durch den nachträglich beigezogenen Verteidiger das Gesuch um Erlass von Gefängnisstrafe und Busse oder doch der Gefängnisstrafe. Der Vorfall wird eingehend erörtert, um mit Nachdruck geltend zu machen, dass ihn eine Beine von Begleitumständen mitverschuldet hätten, für die Bütikofer nicht verantwortlich sei: es handle sich lediglich um ein leichtes Verschulden, das zu einer blossen Busse hätte fähren sollen. Leider sei der Fall den kantonalrechtlichen
Prozessbestimmungen zuwider im summarischen Ausnahmeverfahren erledigt worden. Dabei habe der Richter die Entlastungsgründe ungenügend berücksichtigt, ferner sei der rechtsunkundige Beschuldigte dadurch um die Möglichkeit der Verteidigung und der Appellation an die kantonale Oberinstanz gebracht worden. Das ergangene Urteil sei dermalen vollziehbar, und die vorhandene Härte könne nur im Begnadigungswege behoben werden.

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Die eidgenössische Polizeiabteilung hat im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft bis zum Entscheid der Bundesversammlung Strafaufschub erteilt.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt auf Grund der Gesuchsanbringe die Umwandlung der Gefängnisstrafe in Fr. 50 Busse;

616 die gänzliche Begnadigung sei kaum am Platze, dagegen sollte dem Gesuchsteller die Schande einer Freiheitsstrafe erspart werden. In längeren Vernohmlassungen, auf deren Einzelheiten wir verweisen, äussern sich die kantonale Eisenbahndirektion und der kantonale Generalprokurator. Die Eisenbahndirektion, der sich die Polizei di rektion anschliesst, empfiehlt den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe. Die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndeparternentes übernimmt ihrerseits den Antrag auf Umwandlung der Gefängnisstrafe in Busse, Zusammenfassend ziehen wir Nachstehendes in Erwägung: Sowohl dio kantonalen Oberbehörden wie die Eisenbahnabteiluug sind sich bewusst, dass auch die vorliegende Angelegenheit anhand der Grundsätze behandelt werden muss, die der Bundesrat in den bereits im Falle Eobert hiervor genannten Begnadigungssachen eingehend dargelegt hat. Die Frage geht demgemäss, im Zusammenhang mit den damaligen Ausführungen, dahin, ob Gründe zu einer ausnahmsweisen Begnadigung vorliegen. Die kantonale Eisenbahndirektion befürwortet die bedingte Begnadigung lediglich mit dem Fehlen von Vorstrafen und dem guten Leumund, das heisst mit Gründen, die uns im Verein mit andern im Falle Bobert eine blosse Herabsetzung der Verhältnismassig längeren Freiheitsstrafe zuzulassen scheinen, eine Massnahme mithin^ die bei Bütikofer angesichts der kurzen Gefängnisstrafe von vornherein ausser Betracht fällt. Zur Gewährung der bedingten Begnadigung kann unseres Erachtens die Begründung der Eisenbahndirektion nicht genügen, jedenfalls so lange nicht, als die Begnadigungsbebörde notwendigerweise zurückhaltend sein muss. Auf Grund unserer Anträge Und der Beschlüsse der Bundesversammlung in den mehrenvähnten Begnadigungssachen Obrist, Mathys und Bichli erklären wir unbedenklich, dass die Abweisung Bütikofers uns als gegeben erscheint, sofern für seine Begnadigung nicht weitere Gründe geltend gemacht werden können. Dies ist aber der Fall. Bereits in den Gesuclisanbringen wird ausgeführt, dass bei Abwandlung der Strafsache ein ungesetzliches Verfahren stattgefunden habe, und der Goneralprokurator des Kantons Bern vermag in überzeugender Weise darzutun, dass die Angelegenheit in dieser Hinsicht geeignet ist, besondere Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Bei der Überweisung von Strafsachen betreffend fahrlässige
Eisenbahngefährdungen an die kantonalen Strafbehörden ist in hohem Masse wegleitend, dass sowohl die Obsorge für die Sicherheit des Bahuverkehrs, wie die wohlverstandenen Interessen der beteiligten Personen eine sorgfältige gerichtliche Untersuchung und Beurteilung der Fälle notwendig machen. Vielfach ist es bereits der objektive Tatbestand, der Schwierigkeiten bereitet und die Zuweisung der Fälle an die Strafbehörden rechtfertigt, damit untersucht und entschieden werde, ob eine erhebliche Gefährdung vorhanden gewesen sei. Häufig wird zwar der objektive Tatbestand im wesentlichen abgeklärt sein, dagegen das gerichtliche Verfahren unbedingt veranlasst werden müssen, um die Schuldfrage einwandfrei zu beurteilen.

Bei den Interessen, die zur Erörterung stehen, bei der Notwendigkeit, die Sicherheit des Bahnverkehrs zu gewährleisten, ist es Pflicht sämtlicher Be-

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horden, die sich mit Strafsachen dieser Art befassen, ihnen eine gründliche Behandlung zuteil werden zu lassen. Das setzt voraus, dass sie nicht in einem summarischen Ausnahmeverfahren erledigt werden, sondern in den Formen, des ordentlichen Strafprozesses, der, nicht in letzter Linie, dem Beschuldigten, sei er ein Organ der Bahn oder ein Dritter, die Möglichkeit ausreichender Verteidigimg verschafft. Der kantonale Generalprokurator bemerkt zutreffend, dass im Fallo Bütikofer eine gerichtliche Untersuchung fehle und dass das ungesetzliche Verfahren auch der Natur der Sache nach zweckwidrig war. Nach den Ergebnissen der administrativen Untersuchung hält er sodann, dafür, dass bei Bütikofer eine Fahrlässigkeit nicht vorzuliegen scheine.

In längeren Ausführungen, auf die wir ausdrücklich Bezug nehmen, wird dargetan, wie Bütikofer irrtümlich dazu kam, die Barrieren zu spät zu bedienen.

\Vir sehen davon ab, unserseits auf diese Verumständungen näher einzutreten, indem Übereinstimmung bestehen dürfte, dass die Begnadigungsbehörde die Schuldfrage nicht zu entscheiden hat. Es braucht daher auch dazu nicht Stellung genommen zu werden, ob die rechtliche Würdigung des Falles durch die Eisenbahndirektion, welche die Fahrlässigkeit Bütikofers bejaht, oder die Darlegungen des Generalprokurators dem Sachverhalte besser entsprechen.

Wir möchten mithin die Schuldfrage durchaus offen lassen, in der Meinung, es kennzeichne die Eechtslage genügend, dass Bütikofer in einem ungesetzlichen Verfahren, ohne gerichtliche Untersuchung und ohne verteidigt worden zu sein, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Freilich hat er das Eventualurteil ausdrücklich angenommen, aber wir möchten ihm dies im Begnadigungswege nicht besonders anrechnen, da ohne weiteres ersichtlich ist, dass er hernach was an ihm lag bewirkte, um den Urteilsspruch im Eechtsmittelwege anzufechten. Wir bemerken lediglich noch, dass die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern, die Bütikofer das Forum aus formellen Gründen verschliessen musste, sich in den Motiven ausdrücklich dahin äussert, die Frage der kriminellen Schuld des Angeschuldigten wäre erst noch abzuklären gewesen, Abschliessend stellen wir in den Vordergrund, dass hier die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach der Art des eingeschlagenen Verfahrens stossend ist und eine
Begnadigung nahelegt. Bei der Besonderheit des Falles entschliessen ·wir uns zu dem Antrag, die Gefängnisstrafe sei gänzlich zu erlassen. Dagegen kann es bei der ausserdem erkannten Busse sein Bewenden haben, indem sie keine Härte darstellt und der Verfasser des Gesuches selbst einräumt, dass.eine Busse am Platze sei.

3. Nicolas Mooser, geh. 1901, Chauffeur, Bulle (Freiburg).

(Gefährdung des Postwagenverkehrs.)

3. Nicolas Mooser ist am 16. Oktober 1925 vom Tribunal correctionnel delà Gruyère gestützt auf Art. 67, Abs...2, des Bundesstrafrechts zu 20 Tagen Gefängnis verurteilt worden.

618 Sonntags, den 24. Mai 1925, führte Mooser den Autokurs Freiburg-Bulle, der Freiburg um 10.38 Uhr verlässt und mittags in Bulle eintrifft. Bei le Ruz, Gemeinde Hauteville, geriet das Automobil von der Kantonsstrasse ab, durchbrach am Strassenrand den hölzernen Zaun und stürzte schliesslich, sich überschlagend, die etwa fünf Meter hohe Böschung hinunter. Drei Insassen trugen mehr oder weniger schwere Verletzungen davon, einer ist seither verstorben, ferner entstand ziemlicher Sachschaden. Nach einer genauen Voruntersuchung und auf Grund der Ergebnisse der Hauptverhandlung gelangte das urteilende Gericht in ausführlich motiviertem Entscheid dazu, Mooser müsse vorübergehend vom. Schlaf übernommen worden sein.

: Über die Örtlichkeit und den Sturz des Automobils orientieren die den Strafakten beigegebenen Photographien.

Für Mooser wird um bedingten Erlass der Gefängnisstrafe oder mindestens um Umwandlung derselben in Fr. 50 Busse ersucht. Die längeren Ausführungen des Gesuches können hier in den Einzelheiten nicht wiedergegeben werden.

Im wesentlichen wird geltend gemacht, die Nachlässigkeit, "die. das Gericht dem Beschuldigten zur Last lege, lasse, sich in keineWeisese auf schlechte Lebensgewohnheiten zurückführen, vielmehr herrsche allseitige Übereinstimmung, dass Mooser nach Charakter, Vorleben und Dienstausübung durchaus einwandfrei dastehe. Anerkennung habe insbesondere auch die vor dem urteilenden Gericht eingenommene Haltung gefunden, denn es wäre Mooser auf Grund einer im Vorjahr erlittenen Grippe mit Gehirnerkrankung sowie des zwölftägigen, ununterbrochenen Dienstes leicht gewesen, den ünglücksfall auf ein augenblickliches Unwohlsein zurückzuführen. Mooser habe jedoch hierauf verzichtet, um nicht seine Arbeitgeber irgendwie mitverantwortlich erscheinen zu lassen. Die Gerichtsverhandlungen hätten Mooser in ihrem Verlauf,, kurz gesagt, mit einer «atmosphère de sympathie)) umgeben, welche die Strenge des Gerichtes im Strafmass schwer verständlich mache. Der allgemeine Eindruck .sei dahin gegangen, dass zwar aus grundsätzlichen Erwägungen eine Verurteilung nicht umgangen werden könne, dass aber Mooser würdig sei, die Strafe selbst nicht erstehen zu müssen. Im übrigen wird im Vergleich zu den seinerzeitigen Begnadigungssachen Meister, Mathys unRichlili betont, es handle sich bei Mooser um ein
leichtes Verschulden, was in Verbindung mit- der sonstigen Unbescholtenheit eine Begnadigung rechtfertige.

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Die Direktion der Elektrischen;Bahnen von Greyerz stellt Mooser ein vorzügliches Arbeitszeugnis aus und empfiehlt ihn zur Begnadigung. Auch der Gemeinderat von Bulle, das korrektionelle Gericht von Greyerz und das Polizeidepartement des Kantons Freiburg befürworten das Gesuch. Das Gerieht bemerkt, da Mooser nach Bundesrecht zu beurteilen gewesen sei; habe ihm die Wohltat der bedingten Verurteilung nicht gewährt worden können; das kantonal Polizeidepartement teilt desgleichen mit, Mooser -wäre die bedingte Verurteilung zugebilligt worden, sofern dies zulässig gewesen wäre. Entgegen, den Gesuchsanbring ergibt sich hinwiederum, dass die kantonale Staatsanwalt-

619 Schaft-vom Standpunkt ausging, der Straf fall mache eine Sanktion notwendig, was dahin zu verstehen ist, dass die bedingte Verurteilung abzulehnen sei.

Unserseits stellen wir auch hier in den Vordergrund, dass die bei Strafen wegen Verkehrsgefährdungen im Begnadigungswesen gebotene Zurückhaltung beachtet werden muss. Von den Stellungnahmen der kantonalen Behörden entspricht der heutigen Begnadigungspraxis die Auffassung, die der kantonale Staatsanwalt vertritt. Wir lehnen sowohl die gänzliche Begnadigung wie die Zubilligung der bedingten Begnadigung oder die Umwandlung der Freiheitsstrafe in Busse ab, in .der Meinung, nicht nur die Verurteilung sei unumgänglich gewesen, sondern es treffe dies dem Grundsatze nach auch zu für die Durchführung des Strafvollzuges. Einzig im Hinblick auf die für Mooser ausserordentlich günstigen Zeugnisse und Vernehmlassungen mag -- ähnlich wie im Palle Robert betreffend Eisenbahngefährdung hiervor -- aus Kommiserationsgründen eine gewisse Herabsetzung der Freiheitsstrafe stattfinden.Wir beantragen Herabsetzung der Gefängnisstrafe um zirka einen Drittel bzw. bis zu 14 Tagen.

4. Maria Born-Gremion, geb. 1894, Ehefrau des Joseph, Grellingen (Bern), 5. Klara Lehmann-Kiener, geb. 1896, Ehefrau des Gottfried, Bern, 6. Eugen Landolt, geb. 1896, Fürsprech, Dr. jur., Lenzburg (Aargau).

(Verfälschung von Bundesakten usw.)

Gestützt auf Art. 61 des Bundesstrafrechtes, zum Teil in Verbindung mit kantonalem Strafrecht, sind verurteilt worden : 4. Maria Born, verurteilt am 14. November 1925 vom Gerichtspräsidenten von Laufen zu l Tag Gefängnis und Fr, 5 Busse.

Frau Born hat in einer Forderungsstreitigkeit das Bestehen einer Bestschuld derart zu bestreiten versucht, dass sie dem Richter einen Postempfangschein vom 5. März 1923 zusandte, der von Fr. 5 in Fr. 15 verfälscht war. Der Gläubiger konnte die Verfälschung durch Vergleich mit dem für den Empfänger bestimmten Coupon nachweisen.

Frau Born ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Man möge ihr diese Schande, namentlich aus Rücksicht auf Mann und Kinder, ersparen; sie versichert, sich nie mehr, derart verfehlen zu wollen, Der, urteilende Richter .empfiehlt den Erlass der GefGefängnisstrafe ; ein Schaden sei nicht entstanden, und er hätte der Gesuchstellerin als einer sonst gut beleumdeten, nicht vorbestraften Familienmutter
ohne weiteres den bedingten Straferlass gewährt, wenn dies bundesrechtlich zulässig gewesen wäre.

Der Gemeinderat von Grellingen und der Regierungsstatthalterter des Amtsbezirkes befürworten das Gesuch in derselben Weise, und der kantonale Polizeidirektor beantragt die bedingte Begnadigung.

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* Die eidgenössische Polizeiabteilung hat im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft den Strafvollzug his zum Entscheid der Bundesversammlung aufgeschoben.

Unserseits bemerken wir, dass die heutige Angelegenheit bei der Ähnlichkeit des Sachverhaltes nahe legen muss, an die Erledigung der Angelegenheit Alfred und Clothilde Botteron zu erinnern, deren Gesuche in der Dezembersession von der Begnadigungsbehörde gemäss Antrag des Bundesrates und nach erfolgter Erörterung des Pâlies in der Bundesversammlung abgewiesen ·worden sind (hierzu Abweisungsanträge 87/38 des II. Berichtes vom, 24. November 1925 und Kommissionsantrag für bedingte Begnadigung vom 1. Dezember 1925; Bundesbl. III, 485/36). Ferner erinnern wir daran, dass wir seinerzeit hinsichtlich der bedingten Entlassung, soweit diese als bedingte Begnadigung erfolgt, geschrieben haben, die Begnadigungsbehörde hab& es von Fall zu Fall in der Hand, die bedingte Entlassung zu gewähren, wohlverstanden, ohne dabei etwa an die Voraussetzungen gebunden zu sein, die allenfalls das kantonale Strafrecht für kantonalrechtliche Angelegenheiten aufstelle (hierzu Anträge 62/63 des II. Berichtes vom 16. November 1923; Bundesbl. III, 229/80). Dasselbe gilt, mutatis mutandis, sofern die bedingte Begnadigung in einem Einzelfall zur Erörterung steht als Notbehelf für die noch nicht bestehende bedingte Verurteilung. Die Massnahme bleibt ein Gnadenakt, was unseres Erachtens notwendigerweise mit sich bringt, dass im Eirizelfall besonders sorgfältig überprüft wird, ob die Massnahme naheliegend und angebracht sei, ob namentlich die näheren Verumständungen des Vergehens sie zu befürworten vermögen und ob sich der Gesuchsteller nach Vorleben und Charakter als hierzu geeignet erweise.

So betrachtet legen wir, wie im Falle Botteron, auch der heutigen Gesuchstellerin gegenüber das Hauptgewicht darauf, dass Frau Born, nachdem sie den Postempfangschein verfälscht hatte, die Verfälschung in beharrlicher Weise auszunützen versuchte und sich nicht scheute, die verfälschte Urkunde wissentlich als Beweismittel dem Siebter vorzulegen. Hinzu kommen Machenschaften hinsichtlich eines zweiten Postempfangscheines und das nicht einwandfreie Verhalten der Beschuldigten im Verlaufe des Strafverfahrens, ihre unglaubwürdigen Aussagen, wie auch das nicht entschuldigte Ausbleiben an der
Hauptverhandlung; Da mithin die Verumständungen des Vergehens und der Charakter der Gesuchstellerin, so wie er sich aus den Akten ergibt, einen Gnadenakt nicht besonders nahe legen, b e a n t r a g e n wir Abweisung.

5. Klara Lehmann, verurteilt am 30. Oktober 1925 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu 2 Tagen Gefängnis.

Frau Lehmann hat am 13. April 1925 vom Briefträger für ihre damals abwesende Untermieterin eine Zahlungsanweisung von Fr. 127. 66 in Empfang genommen und mit dem Namen der Untermieterin quittiert. In der Folge

621 änderte sie auf dem für den Empfänger bestimmten Abschnitt die Zahl in 107.66 ab, übergab 4er Adressatin einzig diesen Betrag und unterschlug die Bestsumme von Fr, 20. Es handelte sich um die Auszahlung eines Erbteils.

Als dann nach einigen Tagen an die Untermieterin ein auf die Angelegenheit bezügliches, amtliches Schreiben eintraf, behändigte Frau Lehmann dasselbe, ferner bat sie, um die Entdeckung ihrer Machenschaften mit der Zahlungsanweisung zu verhindern, seinen Inhalt, einen Erbrodel, hernach verbrannt.

Die Vergehen kamen an den Tag, als die Adressatin bei einer Schwester die der letztern richtig übermittelten einschlägigen Schriftstücke einsehen konnte.

Frau Lehmann ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, da sie, -während der Krankheit des Ehemannes, die Verfehlungen aus Not begangen habe, um sich und ihren zwei Kindern Lebensmittel zu kaufen. Sie verspricht, keine strafbare Handlung mehr begehen zu wollen und bittet, den Straferlass mit Bücksicht auf die Kinder zu gewähren.

Die .Polizeidirektion der Stadt Bern und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragen, dem Gesuch zu entsprechen. Zwar wird eingeräumt, dass Frau Lehmann schon mehrmals bestraft worden sei, so dass der Strafvollzug an sich gerechtfertigt wäre ; die Gesuchstellerin ist in der Tat im Jahre 1922 wegen Diebstahlsbegünstigung zu 3 Monaten Korrektionshaus verurteilt worden, wobei man ihr, unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren, den bedingten Straferlass zubilligte. Am 80, September 1925 wurde sie wegen Diebstahls zu 8 Tagen Gefängnis verurteilt, und am 30. Oktober erfolgte die hier zur Erörterung stehende Strafe. Die beiden Kantonsbehörden wollen berücksichtigen, dass Frau Lehmann die neueren Vergehen tatsächlich in einer Notlage begangen habe, was die Vergehen wenigstens in einem milderen Lichte erscheinen lasse, und verweisen ferner auf die noch heute prekären Verhältnisse der Eheleute.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern schreibt, sie könne sich den Anträgen der Unterbehörden nicht ohne weiteres anschliessen. Das der kantonalen Begnadigungsinstanz eingereichte Gesuch, die Strafe vom 30. September 1925 betreffend, werde sie bis 1927 zurücklegen, um sich zunächst zu -vergewissern, ob sich Frau Lehmann halten könne. Es wird beantragt, auch die Erledigung des bei den Bundesbehörden anhängig gemachten
Gesuches zu verschieben.

In der Folge hat die Bundesanwaltschaft ergänzende Berichte eingezogen, insbesondere von der eidgenössischen Militärversicherung und der Zentralstelle für Soldatenfürsorge, die sich mit dem militärinvaliden Ehemann und seiner .Familie zu befassen hatten.

Abschh'essend machen wir folgendes geltend: Die vorhandenen Delikte der Bundesaktenfälschung, der Unterschlagung eines Geldbetrages und eines Briefes sind nicht geringfügiger Art. Die Verurteilte ist, um mit den Urteilserwägungen zu reden, in der ganzen Angelegenheit mindestens «ziemlich raffiniert» vorgegangen. Sie wusste über eine Woche vorher, dass für ihre

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Untermietern! Geld einlangen verde und hatte zugegebenermassen von vorneherein die Absicht, einen Teil zu behändigen. Sie beging die Machenschaften mit Vorbedacht und Überlegung gegenüber einer Untermieterin, die ihr vielfach ausgeholfen hatte und sich gelbst in bedrängten Verhältnissen befand. Die.

Verfälschung der Zahlungsanweisung erfolgte in geschickter Weise, die. gleichzeitig begangene Unterschriftenfälschung und namentlich die spätere Unterschlagung der Briefsendung sind weitere erschwerende Umstände. Hinzu kommen die Vorstrafen.

Bei dieser der Gesuehstellerin wenig günstigen Sachlage gehen wir davon .aus, dass sich, die Abweisung des Gesuches offenbar so lange als gegebene Massuahme erweist, als nicht Kommiserationsgründe eine andere Entscheidung aufdrängen. Dies vorausgesetzt, gelangen wir nach eingehender Prüfung der Angelegenheit zum Ergebnis, die Notwendigkeit einer Begnadigung sei zu verneinen. Dass die Eheleute Lehrnann sich in bedrängten Verhältnissen befanden, wird zwar richtig sein. Der Ehemann, ein Militärpatient, der dann in der Zeit vom 2. Mai 1925 bis 28. Februar 1926 das Vollkrankengeld seines anrechenbaren Verdienstes bezog und demnächst in gewissem Umfang pensioniert werden soll, wa.r im Zeitpunkt der Deliktsbegehung bereits arbeitsunfähig und damals noch nicht unterstützt. Diese Verhältnisse hat aber, in hohem Masse, schon der Eichter berücksichtigt, und es fragt sich im Grunde genommen lediglich, ob ihnen in vermehrter Weise auch im Begnadigungswege Eechnung getragen werden solle. Wir lehnen dies unserseits ab und stellen hierbei in den Vordergrund, dass Frau. Lehrnann sich zugegebenermassen längere Zeit v o r h e r zur Begehung der verwerflichen Machenschaften entschloss. Sie hätte mithin während einer Reihe von Tagen zu anderweitigen Schritten durchaus Zeit gehabt, insbesondere wäre ihr die Anrufung der Gemeindebehörden offen gestanden. Trotzdem könnte schliesslich ein Gnadenakt erwogen werden, wenn es sich unreine erstmalige Verfehlung handelte. Dies ist aber keineswegs der Fall, weshalb unseres Erächtens bei der Erledigung der Angelegenheit ausschlaggebend sein darf, dass der Vollzug einer Gefängnisstrafe von zwei.

Tagen hier keine besondere Härte darstellt.. Wir b e a n t r a g e n Abweisung.

. 6. Eugen Landolt, verurteilt am 5. März 1925 vom Bezirksgericht Lenzburg
zu 4 Tagen Gefängnis und Er. 150 Busse. Eine Beschwerde des Verurteilten hat das kantonale Obergericht ara 28. April 1925 abgewiesen.

In einer Einbürgerungsangelegenheit, .die Landolt besorgte, erfolgte die bundesrätliche Bewilligung unentgeltlich, weshalb der Vermerk der Urkunde «Taxe Fr, 20, --» von der zuständigen Bundesbehörde mit der Schreibmaschine gestrichen und darunter «unentgeltlich» geschrieben wurde. In der Folge hat Landolt das «unentgeltlich)) und die Streichung wegradiert, mithin den. Taxvermerk wieder hergestellt und seinem Klienten die Taxe in betrügerischer Weie.e berechnet.

' · ' Landolt ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Die in dieser Sache gegen ihn erfolgte.'Strafanzeige · beruhe auf einem Bacheakt, ferner sei er einem'In-

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dizienurteil zum Opfer gefallen, trotzdem er die Verfälschung je und je bestritten habe und unschuldig sei. Die Verurteilung habe seinerzeit im Kanton Aargau gewaltiges Aufsehen erregt,, auch sei er hernach für drei Monate in der Berufsausubung als Anwalt .eingestellt, worden. Das Verhängnis hahe ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, und wenn er die ganze Sache durchdenke, wie dadurch Ansehen und Ehre verloren gegangen, die schönsten Hoffnungen vernichtet worden seien, so könnte er sich hintersinnen, .namentlich, da das Schicksal einen Unschuldigen gezeichnet habe. Schliesslich sei aber noch nicht alles verloren, da er noch jung und imstande sei, in seinem Beruf von vorne anzufangen. Allein, wenn ihn nun auch noch der Makel einer verbüssten Freiheitsstrafe treffen solle, so sei er als Bürger und Anwalt wohl für alle Zukunft erledigt. Man möge ihm deshalb, nachdem er genug gebüsst habe, die Freiheitsstrafe erlassen.

Das Bezirksgericht Lenz bürg stellt zwar keinen Antrag, dagegen äussert ·es sich zu den Gesuchsanbringen in der Meinung, die Begnadigungsinstanz möge selbst entscheiden, ob der Gesuchsteller der Begnadigung würdig sei.

Die Verfehlung Landolts sei allgemein bekannt und die Polizei zur Strafanzeige verpflichtet gewesen ; den Straffall habe die erste und obere Instanz gründlich behandelt, weshalb der Ausdruck «Opfer» sich als sehr unangebracht erweise.

Ganz entschieden müsse verneint werden, dass irgend jemand "beabsichtigt habe, Landolt auf immer zu erledigen. Im übrigen verschweige der Gesuchsteller wohlweislich frühere Begebenheiten, wie Verlust einer Bedaktorenstelle, einer Amtsvormundschaft wegen Pflicht-Vernachlässigung und wiederholte disziplinarische Massregelung durch die Anwaltskommission des Obergerichtes.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hält zunächst dafür, dass ·die Umstände des Pâlies nicht für eine Begnadigung sprechen. Gewiss sei der Deliktsbetrag kein hoher; aber desto bemühender und verwerflicher sei es, "wenn ein Anwalt das Vertrauen, das ihm seines Berufes und seiner Bildung wegen entgegengebracht werde, um einiger Franken willen in derart krasser Weise missbrauche. Was das Vorleben Landolts anbetreffe, so habe Landolt zwar keine gerichtlichen Vorstrafen erlitten, dagegen sich in der Erfüllung seiner Anwaltspflichten in der kurzen Zeit seiner
Praxis verschiedene schwere Ver.stösse zuschulden kommen lassen. Auch der Charakter des Gesuchstellers, wie er sich aus den Akten ergebe, spreche weder für die völlige noch die bedingte Begnadigung. Namentlich falle in Betracht, dass Landolt ein Verschulden heute noch mit haltlosen Ausreden bestreite. Nach der berechtigten Praxis ·der aargauischen Gerichte werde dem leugnenden Angeschuldigten die Wohltat des bedingten Straferlasses .grundsätzlich nicht gewährt, und dieselbe Praxis befolge die kantonale Begnadigungsbehörde in der Eegel leugnenden Verurteilten gegenüber, ' Die Disziplinarentscheide der Anwaltskommission und des Gesamtobergerichts befinden sich bei den Akten.

624 Die eidgenössische PoHzeiabteilung hat den Strafvollzug im Einverständnis mit der Bundesanwaltschaft bis zum Entscheid der Bundesversammlung aufgeschoben.

Unserseits gelangen wir nach Prüfung der Administrativ- und Gerichtsakten zum Ergebnis, dass sieh ^die Massnahme der bedingten Begnadigung,, die hier einzig in Frage kommen könnte, nach den Yerumstandungen des Vergehens sowie dem Vorleben und Charakter des Gesuchstellers in der Tat keineswegs befürworten lässt. Die Vernehmlassungen des Bezirksgerichtes.

Lenzburg und der kantonalen Staatsanwaltschaft, das Verhalten Landolts in der zur Erörterung stehenden Sache und die Vorfälle, die die früheren Disziplinarmassnahmen veranlassten, e n t k r ä f t e n die Gesuchsanbringen derart,, dass wir den A n t r a g stellen, das Gesuch sei gänzlich abzuweisen.

7. Hermann Gass, geb. 1879, gew. Beamter, z. Z. in der Strafanstalt Thorberg (Bern).

(Bundesakten- und Privaturkundenfälschung, Amtspflichtverletzung.)

7. Hermann Gass ist am 24. Oktober 1923 von der Assisenkammer des Kantons Bern in Anwendung der Art. 61 und-58, lit. /, des Bundesstrafrechtsund kantonalrechtlicher Strafbestimmungen zu einer Zuchthausstrafe von: 4 Jahren, unter Abzug von -4 Monaten Untersuchungshaft, und zu 10 Jahren Einstellung im Aktivbürgerrecht verurteilt worden.

Hermann Gass hat in den Jahren 1912--1928 als Bechnungsführer und später als Sekretär für das Bechriungswesen der Direktion der eidgenössischen Bauten in 153 Fällen durch Verfälschung von Bechnungen und Quittungen sowie in einem Fall der Anweisungskontrolle und durch Vorlage inhaltlich falscher Bordereaux und Belege die Bundeskasse zur Auszahlung von rund Fr. 156,000 veranlasst und die widerrechtlich erlangten Gelder in eigenem Nutzen verwendet.

Für Gass ersucht die Ehefrau um:Erlass des letzten Drittels der Strafzeit.

Gass habe die Strafe nicht nur äusserlich auf sich genommen, sondern für seine Verirruug wirklich büssen wollen; er habe sich während der ganzen Strafzeit gut aufgeführt und sich zu einer seelischen Entwicklung durchgerungen, von der nur Gutes erwartet werden dürfe. Die Schädigung des Bundesfiskus sei bis auf zirk"a einen Drittel behoben. Die Wohltat der Haftverkürzung kämeauch der Ehefrau und dem Kinde zugute, denen nur das ganz Unentbehrliche geblieben sei. Gass möchte so viel als möglich wieder gut machen. Gass unterschreibt das Gesuch mit dem Vermerk «eingesehen».

Dem Bericht der Direktion der Strafanstalt Thorberg ist zu entnehmen^ dass Gass die Strafe am 24. Juni 1927 verbüsst haben wird. Was seine Führung anbetreffe, so habe er zu schweren Klagen nie Anlass gegeben, wenigstens sei er nie disziplinarisch bestraft worden. Seine Aufführung könne aber auch nicht

625 als mustergültig bezeichnet werden, da er in seiner Eitelkeit und Selbstherrlichkeit allzusehr Mühe gehabt habe, sich der Anstaltsordnung anzupassen. Mit ·dem Strafgesetz werde Gass kaum wieder in Konflikt geraten, da er aus dem Strafvollzug eine Lehre habe ziehen können.

Unserseits bemerken wir dem Gesuche gegenüber in erster Linie, dass die allfällige Verkürzung der Strafzeit von vornherein nur in Gestalt der bedingten Entlassung zur Erörterung gelangen sollte. Wie in den bei Maria Born hiervor .genannten Ausführungen betonen wir sodann, dass die Frage jeweils dahin .gehen muss, ob die bedingte Entlassung als Gnadenakt angemessen und naheliegend sei.

Im Falle Gass verneinen wir die Frage. Wir sehen hierbei ausdrücklich davon ab, in Einzelheiten einzutreten, da wir die Angelegenheit seinerzeit im Bericht über die Geschäftsführung im Jahre 1923 (S. 207 und 355) mitgeteilt haben, worauf der Sträffall in den Kommissionen der eidgenössischen Bäte eingehend behandelt und auch in den Bäten selbst erwähnt worden ist. Wir begnügen uns, die unbestreitbare Schwere des Falles hervorzuheben und mit Nachdruck geltend zu machen, dass die mässig gehaltene Zuchthausstrafe gänzlich zum Vollzug gelangen sollte. Besondere Begnadigungsgründe liegen nicht vor, zudem müssten sie in den Hintergrund treten vor der unbedingten Notwendigkeit, die Strenge des Beamtenstrat'rechtes auch im Beguadigungsweg zur Wirkung zu bringen.

Wir beantragen Abweisung.

8. Bernhard Schoeh, geb. 1886, von Beutin bei Lindau (Bayern), z. 2. in der Strafanstalt Begensdorf (Zürich), 9. Kurt Jacob, geb. 1893, Steindruckermeister, von Dresden (Sachsen), 10. Agnes Jacob-Seiler, geb. 1894, Ehefrau des Kurt, z. Z. beide in der Strafanstalt Lenzburg (Aargau).

(Anfertigen und Inverkehrbringen falscher Banknoten usw.)

In Anwendung der Art. 66 ff. des Bundesgesetzes über die Schweizerische TSTationalbank vom 7. April 1921, zum Teil in Verbindung mit kantonalem Strafrecht, sind verurteilt worden: 8. Bernhard Schoch, verurteilt am 11. Dezember 1923 vom Bezirksgericht Zürich, I. Abteilung, zu 3 Jahren Zuchthaus, unter Abzug von 49 Tagen Sicherheitsverhaft, und zu Landesverweisung bis 1. Januar 1937.

Schoch hat im, Jahre 1928 in Bregenz 26 Stück falsche Fünfzigfrankennoten der Schweizerischen Nationalbank angefertigt und hiervon Ende August 1928
in Zürich wissentlich 12 Stück derart in Verkehr gebracht, dass er in Läden, in Wirtschaften und andern Verkaufsstellen eine Kleinigkeit kaufte oder konsumierte, mit einer falschen Banknote bezahlte und das Herausgeld einstrich ;

626 in zwei weiteren. Fällen wurden die Noten als falsch erkannt und zurückgewiesen. .

Schoch ersucht mit Eingabe vom 22. November 1925 um Erlass der Beststrafe, oder doch um Umwandlung nach § 16 des kantonalen Strafgesetzbuches bzw. :um Umwandlung in Landesverweisung. Er betont neuerdings, aus Not gehandelt zu haben, um sich Geld zur Überfahrt nach Amerika zu verschaffen, wo er bessere Arbeitsgelegenheit erhofft habe. Ferner schreibt er, es sollteunterschiedon werden zwischen einem Gewohnheitsverbrecher mit liederlichem.

Vorleben und einem Menschen, dessen moralisches Empfinden durch Kriegsdienst an der Front und nachfolgende allgemeine Schwindelwirtschaft ungünstig beeinflusst worden sei. In der Strafanstalt habe Schoch gewiss zu.

keinerlei Tadel Anlass gegeben, Schliesshch möge man berücksichtigen, dass er in Bregenz sofort eine feste Anstellung in Aussicht habe, und der Mutter, sowie einer Schwester, die Kriegerwitwe sei, und deren Kindern zur Stütze dienen -könnte.

. In den Akten befindet sich ein diesbezügliches Schreiben der Mutter des Sträflings.

' Die Beamtenkonferenz der Strafanstalt äussert sich über Schoch in ausnehmend günstiger Weise. Der Verlauf des bisherigen Strafvollzuges wird mitgeteilt und wörtlich geschrieben, Schoch habe sich bei allen Arbeiten durch seinen Fleiss hervorgetan, was bei jeder Zensur mit- der höchsten Note anerkannt worden sei. Sein ganzes Verhalten, sei ausnahmslos rühmenswert gewesen, und nie habe er sich auch nur einen Verweis zugezogen. Er habe seine Strafe ernst genommen und im Verkehr mit Nebengefangenen stets guten Abstand und Takt gezeigt. Das Gesuch wird empfohlen.

· . Demgegenüber beantragen die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die kantonale Direktion der Justiz Abweisung. Den zwei Vernehmlassungen des I. Staatsanwaltes, auf die wir verweisen,. entnehmen wir, dass die filicine Begnadigung vorgebrachten Gründe nicht hinreichend seien. Den Beweggrund zu den Noteufälschungen habe das urteilende Gericht bereits strafmindernd berücksichtig^ und das gute -Verhalten im Strafverhaft sei kein genügender Begnadigungsgrund. Verurteilungen wegen Banknotenfälschung seien angesichts der direkten wie der mittelbaren, weittragenden Folgen der strafbaren Handlung für eine Begnadigung an sieh wenig geeignet, wozu noch komme, dass das Strafmass im Falle
Schoch nicht besonders hart sei. Auch der Umstand, .dass. Schoch in österreich.wegen der in Bregenz erfolgten Notenanfertigung allenfalls eine zweite Verurteilung zu gewärtigen habe, bedeute keine besondere Härte, denn die in der Schweiz verbüsste Strafe werde ihm angerechnet.

Die Schwere des begangenen Verbrechens rechtfertige durchaus, dass die Zuchthausstrafe ungeschmälert verbüsst werde.

.Dag Begnadigungsgesuch Schocke vom 22. November 1925 i?t für die Dezembersession des letzten Jahres zu spät eingereicht worden, weshalb es ordentlicherweise in der Junisession 1926 zur Behandlung gelangt. Dem

627 Grundsatze nach pflichten wir den Ausführungen der kantonalen Staatsanwaltschaft bei, was aber nicht hindern kann, festzuhalten, dass die Stellungnahme der Beamtenkonferenz von Regensdorf für den Sträfling a u s s e r o r d e n t l i e h günstig lautet. Da Schoch die Zuchthausstrafe ohnehin am 23. Oktober 1926 verbüsst haben wird, stellt sich die Frage dermalen, ob er gnadenhalber etwas f r ü h e r , günstigstenfals zirka 4 Monate, des L a n d e s zu verweisen sei.

Im Anschluss an die Vernehmlassung der Beamtenkonferenz von Eegensdorf, die nicht bloss die tadellose Führung des Sträflings bezeugt, sondern geeignet ist, für Schoch ein gewisses Mitgefühl zu erregen und in Erwägung, dass der bisherige Vollzug der Zuchthausstrafe hier seinen Zweck erreicht haben dürfte, beantragen wir die Umwandlung der Zuchthausstrafe ab 30. Juni, derart, dass Schoch bereits auf jenen Zeitpunkt hin des Landes verwiesen wird.

9. Kurt Jacob, verurteilt am 2. April 1925 vom Kriminalgericht des Kantons Aargau zu 5 Jahren Zuchthaus, Einstellung in den bürgerlichen EhreEhren und Rechten auf die Dauer von 10 Jahren über die Strafzeit hinaus und Landesverweisung auf Lebenszeit.

10. Agnes Jacob-Seiler, verurteilt am 4. Juni 1923 vom Kriminalgericht des Kantons Aargau zu 11/4 Jahren Zuchthaus, unter Abzug von 3 Monaten Untersuchungshaft und Einstellung in den bürgerlichen Ehren und Rechten auf die Dauer von 2 Jahren über die Strafzeit hinaus.

Kurt Jacob hat im.. September bis Dezember 1924,' teilweise in Dresden, teilweise in Baden (Aargau), 50 bis 60 Stück falsche Fünfzigfrankennoten der Schweizerischen Nationalbank angefertigt und zusammen mit. seiner Ehefrau in einer Eeihe von Schweizerstädten in Verkehr gebracht. Nach Neujahr 1924 hat Jacob in Dresden eine Platte oder andere Form angefertigt, die zur Fälschung von Fünfhundertfrankennoten der Nationalbank bestimmt war.

Weiterhin hat er im August 1924 in Baden 4 Stück Hundertdollarnoten der Vereinigten Staaten von Amerika und 15 Stück Fünfzigrentenmarkscheine der Deutschen Rentenbank nachgemacht und schliesslich eine Hundertdollarnote betrügerischerweise in Verkehr gebracht.

Agnes Jacob-Beiler hat die Herstellung der falschen Banknoten der Nationalbank vorsätzlich gefördert und sie gemeinsam mit ihrem Ehemann in Verkehr gebracht.

Kurt Jacob ersucht in selbst verfassten
Eingaben vom 17. Januar und 14. Februar um gänzliche Begnadigung; mit Schreiben vom 14. Februar an die Justizdirektion des Kantons Aargau ersucht er ausserdem um Wiederaufnahme des Verfahrens. Für die Ehefrau Jacob stellt der Verteidiger das Gesuch um Erlass von drei Monaten der Zuchthausstrafe.

Jacob bezeichnet die Fälschungshandlungen in gänzlich aktenwidriger Weise als angeblich nicht strafbares Retuschieren von Noten, deren Unechtheit, auf den ersten Blick ersichtlich gewesen sei. Weiterhin behauptet, er,

628

.

.

Verluste Dritter bestünden dermalen nicht mehr, und betont schliesslich den guten Leumund der Eheleute und ihre gesundheitliche Schädigung durch die Folgen des Strafvollzuges.

Die Beamtenkonferenz der Strafanstalt Lenzburg schreibt, sie habe erfolglos versucht, Jacob von der Einreichung des verfrühten Begnadigungsgesuches abzuhalten. Jacob werde in der Buchdruckerei beschäftigt und habe sich bis heute recht aufgeführt. Er mache aber den Eindruck eines bequemen und arbeitsscheuen Menschen von fragwürdiger Geistesverfassung, der durch den Krieg vollends auf Abwege geraten sei, Weiterhin wird Jacob als erblich belastet bezeichnet und erwähnt, dass er im Kriege einen Eückenschuss erhalten habe, so dass er schwere Arbeit nicht mehr leisten könne ; Jacob gebe aber zu, dass er den Beruf als Steindrucker trotz seiner Verletzung noch ausüben könne. Das Gesuch wird nicht empfohlen.

Die kantonale Staatsanwaltschaft bemerkt, von einer Begnadigung des Jacob könne offenbar zurzeit keine Bede sein.

Bei der Schwere des Falles und der Gefährlichkeit Jacobs als Notenfälacher stellen wir ohne weiteres den A n t r a g , das Gesuch abzuweisen.

Für die Ehefrau Jacob wird mit Gesuch vom 7. Januar 1926 insbesondere geltend gemacht, sie leide seit früher Jugend an epileptischen Anfällen, sei mit offenbarer Willensschwachheit behaftet und habe ihrem Ehemann als blind ergebenes Werkzeug gedient. Ferner wird an das umfassende Geständnis erinnert, desgleichen an das Bestreben, den Schaden zu decken. Die Gesuchgtellerin sei bis zu ihrer Verehehchung eine strebsame Person gewesen; nach ihrer Entlassung aus der Strafanstalt hoffe sie, in Zürich, wie vormals, eine Bureaustelle zu erlangen.

· Die Beaintenkonferenz der Strafanstalt Lenzburg äussert sich in längeren Ausführungen dahin, das Gesuch könne in guten Treuen empfohlen oder nicht empfohlen werden. Der Bericht, auf den wir verweisen, bestätigt, dass Frau Jacob vollständig unter dem Einfluss ihres Gehebten und späteren Ehemannes gehandelt hat ; sie war sich zwar des verbrecherischen Charakters ihrer Handlungen wohl bewusst, unterzog sich aber dem Willen des Mannes, weil sie ihn zu verlieren fürchtete. Hierbei ist der Willensschwäche Charakter und die psychopatische Veranlagung, ferner die sehr vernachlässigte Erziehung in Betracht zu ziehen.

Die kantonale Staatsanwaltschaft
betont, dass die Gesuchstcllerin einzig deshalb so mild bestraft worden sei, weil das Kriminalgericht die dermaligen Gesuchsanbringen bereits in hohem Masse berücksichtigt habe. Die Verkürzung der Zuchthausstrafe schaffe die Möglichkeit einer Stellenannahme keineswegs, indem die Verurteilte in der Folge an Deutschland auszuliefern sei.

Bei diesen Verumständungen seien die Voraussetzungen für eine Begnadigung nicht gegeben.-.

Da Frau Jacob die Zuchthausstrafe am 4. Juni verbüsst haben wird, ist das Gesuch im Zeitpunkt der Behandlung durch die Bundesversammlung gegen-

629 standslos. Von der Möglichkeit, die Verurteilte unter dem Vorbehalt des endgültigen Entscheides der Begnadigungsbehörde aus der Strafhaft zu entlassen, wurde abgesehen, weil die vollständige Verbüssung der Freiheitsstrafe bei der Schwere des Falles und den Charaktereigenschaften der Verurteilten als die zweckmässigste Massnahme erschien.

Wir beantragen Nichteintreten.

11. Martin Damai, geb. 1872, Küfer, Schaffhausen.

(Fälschung von Eichzahlen.)

11. Martin Damai ist am 2. September 1925 vom Kantonsgericht des Kantons Schaffhausen in Anwendung von Art. 30 des Bundesgesetzes über Mass und Gewicht vom 24. Juni 1909 zu l Tag Gefängnis und Fr. 20 Busse verurteilt worden.

Damai hat als Küfer einer Weinhandlung zugestandenerrnassen an mehreren Fässern eine Zahl der Eichzeichen nachgebrannt.

In dem Gesuch um Erlass oder doch Umwandlung der Gefängnisstrafe in Busse wird von dem bevollmächtigten Anwalt geltend gemacht, Damai sei sich nicht bewusst gewesen, strafbar zu handeln ; er habe das Nachbrennen der gleichen, undeutlich gewordenen Zahl als blosses Ausbessern betrachtet und nicht als Eichen. Das Kantonsgericht führe aus, Indizien, dass der Angeklagte eine Fälschung habe begehen wollen, um irgendeinen Vorteil zu bezwecken, seien keine vorhanden; eine Gerichtsminderheit habe sogar freisprechen wollen.

In den Urteilsmotiven werde die Harmlosigkeit des Deliktes ausdrücklich betont, ferner lasse sich aus der Begründung herauslesen, dass Damai ohne weiteres die Wohltat der bedingten Verurteilung zugebilligt worden wäre.

Da das Bundesrecht dies nicht zulasse, bemerke das Gericht, diese Härte könne auf dem Wege der Begnadigung, der dem Angeklagten noch offen stehe, gemildert werden. Damai sei verheiratet und Vater von zwei Kindern; nach seinem Vorleben erscheine er eines Gnadenaktes würdig.

Die eidgenössische Polizeiabteilung hat den Strafvollzug im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft bis zum Entscheid der Bundesversammlung aufgeschoben.

In Würdigung der Urteüsraotive und Gesuchsanbringen ziehen wir in Erwägung, dass das Verhalten des Damai in objektiver wie subjektiver Hinsicht leichterer Art ist als im Falle des Tobias Schegg, der in der Dezembersession 1925, allerdings entgegen dem bundesrätlichen Abweisungsantrag, bedingt begnadigt worden ist (Nr. 2 des I. Berichtes vom 17. November 1925, Bundes bl. III, 338/39). Man darf bei Damai die Frage auf werfen, ob er das Bewiisstsein der Strafbarkeit seines Tuns hatte, auch war es ihm bei der vorhandenen Sachlage kaum uni die Umgehung von Eichgebühren zu tun.

Bundeiäblatt. 78. Jahrg.

Bd. I.

47

630

Da erschwerende Verumständungen fehlen, mag dem Gesuchsteller, der nach den Akten keinen ungünstigen Eindruck erweckt, im Anschluss an die Erledigung des Pâlies Schegg die bedingte Begnadigung gewährt werden.

"Wir beantragen den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren.

12. Johann Kaufmann, geb. 1873, Bauunternehmer, 13. Hans Kaufmann, geb. 1900, Bautechniker, beide in Döttingen (Aargau).

(Versicherungsbetrug.)

12. und 13. Johann und Hans K a u f m a n n sind am, 4. Dezember 1925 vom Obergericht des Kantons Aargau, in Bestätigung eines Urteils des Bezirksgerichtes -Zurzach, gestützt'auf die Art. 64 und 66 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 zu je 4 Wochen Gefängnis und Er. 500 Busse verurteilt worden.

Johann und Hans Kaufmann haben in den Jahren 1919 bis 1924 bezüglich des Baugeschäftes zu wenig Lohnsummen deklariert und derart der schweizerischen Unfallversicherung an Prämien mehrere tausend Franken vorenthalten.

Jahrelang wurden doppelte Lohnlisten geführt.

Für Kaufmann, Vater und Sohn, wird um Erlass der Gefängnisstrafen ersucht. Hierzu wird zunächst, und zwar erstmals, angebracht, die verschwiegenen Löhne hätten hauptsächlich aus Zahlungen an einen Verwandten bestanden, der als Geschäftsteilhaber gegolten habe und dem die Firma, nach dessen Austritt im Jahre 1924 und damaliger Abrechnung, noch heute über Fr. 7000 schulde. Diese Tatsache sei von den Beschuldigten im Strafverfahren nie verwertet worden, «indem sie der ganzen Sache absolut keine grosse Bedeutung beima.ssen». Bei Berücksichtigung dieser Tatsache hätten die Strafen unter keinen Umständen so hart ausfallen können. Den Gesuchstellern seien die Folgen ihres Verhaltens durchaus unbewusst gewesen, sie hätten der Sache auch noch im Verlaufe des Strafverfahrens keine Bedeutung zugemessen.und erst anhand des Urteils begriffen, dass ihnen ein Vergehen zur Last falle, das schwer geahndet werde. Beide bereuen heute die Verfehlungen schwer.

Kommiserationsweise wird sodann geltend gemacht, dass Johann Kaufmann das in langen Jahren vorwärts gebrachte Zimmereigeschäft nach den Kriegs. Jahren fast unerträglich habe belasten müssen, weshalb zwecks Verminderung der Unkosten von der Einstellung von Bureaupersonal und technischen Hilfskräften abgesehen worden
sei. Dies habe dann mit sich gebracht, dass eine ordnungsgemässe Buchführung unterblieben sei und dass die Gesuchsteller: heute über den Stand des Geschäftes nur einen ungenügenden überblick hätten.

Die Prämienhinterziehung sei auf mangelhafte Einsicht, auf die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen und auf die geringen Unfallgelder, die der Betrieb veranlagst habe, zurückzuführen. Aus menschlichen Erwägungen möge man die

631 Shfeiheitsstrafen erlassen, indem die Folgen des Strafvollzuges hier unabsehbar seien. Dieser bedeute den moralischen und finanziellen Ruin ; die Weiterführung des Geschäftes wäre ausgeschlossen, auch würde der häusliche Frieden zweier Familien dauernd vernichtet. Es gehe um die Zukunft zweier sonst makelloser Männer.

Die kantonale Staatsanwaltschaft hält im Anschluss an die oberinstanzlichen Urteilserwägungen dafür, die Verhältnisse sprächen entschieden gegen eine Begnadigung. Die Schutzbehauptung, der Grossteil der nicht aufgezeichneten Löhne bestehe in Zahlungen an einen Verwandten, erweise sich als Neuerung, die im Begnadigungsverfahren nicht gehört werden könne und die übrigens den in den Akten enthaltenen Zugeständnissen widerspreche.

Der Strafvollzug ist von der kantonalen Justizdirektion im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft bis zur Erledigung des Gesuches aufgeschoben worden.

Die schweizerische Unfallversicherungsanstalt äussert sich in eingehendem Bericht auf die ihr von der Bundesanwaltschaft unterbreiteten Fragen. Der aufschlussreiche Bericht, auf den nachdrücklich verwiesen wird, schliesst damit, dass die ganze oder teilweise Begnadigung weder mit Rücksicht auf die besondern Umstände des vorliegenden Falles noch die Gerichtspraxis anderer Kantone am Platze sei.

Zusammenfassend bemerken wir, dass es sich um einen sehr schweren Fall von Prämienhinterziehung handelt, wie dies die Urteilserwägungen und die Vernehmlassung der Unfallversicherungsanstalt, eindeutig dartun. Besonders heben wir hervor, dass die Schutzbehauptung betreffend Auszahlungen, die an einen Verwandten erfolgt seien, fehl geht, indem diese Zahlungen keinesfalls mehr ala einen Viertel der nicht deklarierten Löhne von über Fr. 100,000 betragen; die SUVA bezeichnet die Anbringen über ein angebliches Teilhaberverhältnis dieses Verwandten, die hier nicht nachzuprüfen sind, überhaupt als unrichtig. Hinsichtlich der Strafarten und des Strafmasses sodann lässt sich heute sagen, dass bei den Gerichten die Einsicht zum Durchbruch gelangt ist, bei erheblicher Prämienhinterziehung, insbesondere bei Führung doppelter Lohnlisten, habe Gefängnisstrafe erkannt zu werden. Das kantonale Obergericht äussert sich zur Strafausmessung wie folgt: «Die jahrelangen und weitgehenden, auch mit grossem Raffinement durchgeführten
Betrügereien üum Nachteil der SUVA erfordern eine empfindliche Sühne, und zwar nicht nur durch hohe Geldbussen, sondern auch durch intensive Freiheitsstrafen. Die Anwendung des bedingten Straferlasses ist von vornherein ausgeschlossen, da eidgenössische Rechtsnormen zur Anwendung kommen. Die Beklagten wären übrigens nach den Verumständungen ihrer Tat, insbesondere aber auch nach dem gewinnsüchtigen Motiv, dieser Rechtswohltat gar nicht würdig.» Wir betrachten diese Erwägungen als zutreffend und legen sie, nach eingehender Prüfung des Falles, auch unserer Stellungnahme zu den Begnadi-

632 gungsgesuchen zugrunde. Von vornherein dürfte klar sein, dass der gänzliche Erlass der Freiheitsstrafen unangängig ist; denn damit würde eine wohlbegründete Gerichtspraxis ernstlich gefährdet. Aber auch eine teilweise Begnadigung, sei es in Form des bedingten Erlasses oder der Ermässigung der Gefängnisstrafen, drängt sich bei den obwaltenden Umständen keineswegs auf.

Wir beantragen deshalb in beiden Fällen Abweisung.

14. Ernst Schindler, geb. 1890. Vertreter, Einigen (Bern).

(Verwendung einer täuschenden Firma.]

14. Ernst Schindler ist am 20. August 1925 vom Gerichtspräsidenten von Thun in Anwendung von Art, 3 des Bundesgesetzes betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht vom 6. Oktober 1923 zu 2 Tagen Gefängnis verurteilt worden.

Schindler ist von Thun aus als Vertreter einer Londoner ((Export und Import S. A.» aufgetreten, die zugestandenermassen nicht besteht.

Für Schindler ersucht ein bevollmächtigter Anwalt um Erlass der Gefängnisstrafe. Schindler habe ohne Täuschungsabsicht gehandelt; sein Verhalten sei auf krankhaften Grössenwahn zurückzuführen. Bereits habe er vor nicht langer Zeit eine Vertretung wegen «anscheinender geschäftlicher Unzurechnungsfähigkeit« verloren, und aus der Abhörung seines Bruders gehe hervor, dass Schindler, der infolge eines Schädelbruches und daheriger geistiger Störungen bereits in verschiedenen Nervenheilanstalten war, offenbar neuerdings in seiner geistigen Gesundheit beeinträchtigt sei.

Der Gemeinderat von Spiez bestätigt die Bichtigkeit der Gesuchsanbringan mit dem Beifügen, Schindler sei wegen zeitweiliger Geistesgestörtheit bereits unter Vormundschaft gestanden und offenbar heute noch nicht völlig gesund. Zu Klagen habe er nie Anlass gegeben und geniesse einen guten Leumund, Das Gesuch wird empfohlen. Der Gerichtspräsident von Thun und der Polizeidirektor des Kantons Bern empfehlen das Gesuch ebenfalls.. Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister kann sich den Empfehlungen anschliessen, sofern Schindler im Zeitpunkt der Firmaverwendung unzurechnungsfähig gewesen sei.

Ohne die Frage der Unzurechnungsfähigkeit Schindlers im Begnadigungsverfahren entscheiden zu wollen, erachten wir es auf Grund der Gesucbsanbringen und Antragstellungen für zulässig, kommiserationsweise zu beantragen, die Gefängnisstrafe von 2 Tagen sei Schindler gänzlich zu erlassen.

633 15. Rudolf Spycher, geb. 1871, Landwirt, Köniz (Bern), 16, Gottlieb Bigler, geb. 1882, Landwirt, Peney (Genf).

(Lebensmittelpolizei.)

Gestützt auf die Art. 86 ff. des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 sind verurteilt worden: 15. Rudolf Spycher, verurteilt am 2. Oktober 1925 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des .Kantons Bern zu l Tag Gefängnis und Fr. 100 Busse.

Spycher, der sein Heimwesen verpachtet hat, jedoch, um sich irgendwie ira betätigen, in der Hegel einige Kühe seines Pächters melkte, hat fehlerhafte und von kranken Tieren stammende Milch in den Verkehr gelangen lassen, ohne sich um deren Beschaffenheit zu kümmern.

Für Spycher ersucht der Vormund um Erlass der Strafen oder doch der Gefängnisstrafe ; Spycher müsse bei seinem Geisteszustand als unzurechnungsfähig betrachtet werden, weshalb das Urteil eine Härte sei. Die Vormundschaftsbehörde von Köniz schreibt dasselbe mit dem Beifügen, Spycher werde beim Melken nicht mehr beschäftigt ; es wird befürwortet, die Gefängnisstrafe zu erlassen und die Busse bis zum Betrage von Fr. 10 zu ermässigen. Der Begierungsstatthalter II des Amtsbezirkes, ebenso die Direktionen des Innern und der Polizei des Kantons Bern beantragen Abweisung unter Hinweis auf die Leichtfertigkeit, mit der Milch von kranken Tieren in den Verkehr gebracht ·werde.

Zwischen der Bundesanwaltschaft und dem Gesundheitsamt hat in der Angelegenheit ein Meinungsaustausch stattgefunden mit dem Ergebnis, es dürfe berücksichtigt werden, dass der vom Käser vorher verwarnte und für die Milch in erster Linie verantwortliche Pächter lediglich gebüsst wurde, ferner sei in Betracht zu ziehen, dass der bevormundete Spycher als in seiner geistigen Gesundheit beeinträchtigt erscheine.

Kommiserationsweise beantragen wir, die Gefängnisstrafe von l Tag zu erlassen, dagegen an der Busse festzuhalten.

16. Gottlieb Bigler, verurteilt am 4. November 1925 von der ersten Strafkammer des Obefgerichts des Kantons Bern zu 2 Tagen Gefängnis und Fr. 800 Busse.

Bigler, von dessen zehn Kühen eine an chronischem gelbem Galt und vier an Euterpocken litten, fällt zur Last, dass infolge grob fahrlässiger Vernachlässigung der Aufsichtspflicht Milch von euterkranken Tieren aus seinem Betrieb in den Verkehr gelangte.

Der Verteidiger
Biglers stellt für diesen das Gesuch um Erlass der Freiheitsstrafe, wozu er namentlich geltend macht, Bigler sei gezwungen gewesen, die Viehware dem Melker zu. überlassen, weil der Verkauf seines Heimwesens im

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Bernbiet und die Übersiedelung in den Kanton Genf ihn stark in Anspruch genommen hätten; er habe geglaubt, sich auf den Melker verlassen zu dürfen.

Bigler habe vorher, trotz jahrelangen Milchlieferungen nach Bern mit seiner strengen städtischen Kontrolle', nie den geringsten Anstand gehabt. Biglers .Fahrlässigkeit sei «äusserst minim» und die Gefängnisstrafe orne ihr nicht entsprechende Schärfe. Der Strafvollzug wäre für ihn und die Seinen ein kaum zu verwindender Makel. Erkundigungen in Genf, speziell beim Chemiker der Laiteries Béunies, könnten erbringen, dass Bigler gewissenhaft sei und die Begnadigung verdiene. Ein günstig lautendes Schreiben des letztern wird dem Gesuch beigegeben.

Die Direktion des Innern des Kantons Bern und das eidgenössische Gesundheitsamt beantragen, dem Gesuch zu entsprechen. Es erfolge dies nicht etwa deshalb, weil das Inverkehrbringen von -Milch kranker Kühe als leichtes Vergehen betrachtet würde, sondern weil es sich um einen ersten Übertretungsfall handle, die Gerichtsinstanzen nicht. Vorsatz, sondern Fahrlässigkeit angenommen hätten und ausserdein eine Busse von Fr. 800 zu entrichten sei. ' Kommiserationsweise b e a n t r a g e n wir, die Gefängnisstrafe zu erlassen.

Der gute Leumund des Gesuchstellers und die günstige Auskunft über seine Tätigkeit am neuen Wohnort dürfen Berücksichtigung finden. Dagegen besteht kein Grund, irgendwie auf die Basse von Fr. 800 zurückzukommen.

17. Ernest Bâchasse, geb. 1882, Drogist, Genf.

(Fabrikation und Verkauf von Absinth.)

17. Ernest Bachasse ist am 1. Februar 1926 vom Polizeigericht des Kantons Genf in Anwendung der Art. l und 8 des Bundesgesetzes betreffend das Absinthverbot vom 24. Juni 1910 zu Fr. 50 Busse verurteilt worden.

Nach dem Polizeirapport, der in der Gerichtsverhandlung verlesen wurde und auf den das weiter nicht motivierte .Urteil Bezug nimmt, wurde Bachasse beim Verkauf einer Flasche Absinth überrascht, ferner war er im Besitz einex zweiten Flasche. Es wird gesagt, Bachasse scheine jeweils für den laufenden Bedarf zu fabrizieren.

Bachasse ersucht um Erlass von Busse und Kosten, wozu er geltend macht, die Polizei habe den Verkauf an einen Dritten herbeigeführt, der als «provocateur» aufgetreten sei ; ferner wird bestritten, dasg es sich, der Zusammensetzung des Getränkes, nach, um Absinth gehandelt habe.
In den Akten befindet sich ein Polizeirapport, dem wir insbesondere entnehmen,, dass die Bezahlung der. Busse ohne Schwierigkeiten möglich sei.

Die kantonale Staatsanwaltschaft spricht sich durchaus gegen eine Begnadigung aus. Es wird betont, Bachasse beschränke.sich darauf, das dermalen rechtskräftige Urteil zu bemängeln. Das BechjBinittol der Appellation sei Bâchasse, offen, gestanden.

635 Wie in früheren Begnadigungssachen betreffend Urteile der Strafgerichte des Kantons Genf ergibt sich, dass der Grundsatz der Mündlichkeit auch hier in besonderem Masse zum Ausdruck kommt, indem in der Urteilsmotivierung hauptsächlich zu lesen ist «que la prévention est établie par les débats». Bei ·dieser Eechtslage ist die Begnadigungsbehörde von vornherein ausserstande, eich irgendwie mit Tatbestands- und Beweisfragen zu befassen. Hinzu kommt, dass die Bussenbemessung zu besondern Bemerkungen nicht Anlass geben kann. Mit dem Kostenerlass hat sich die Bundesversammlung ohnehin ,nicht zu befassen.

"Wir b e a n t r a g e n Abweisung.

18. Rudolf Mosimann, geb. 1860, Viehinspektor, Mittelhäusern (Bern), 19. Johann Blaser, geb. 1890, Eeisender, Eüderswil (Bern), 20. Andreas Fischer, geb. 1866, Landwirt, Gadmen (Bern).

(Tierseuchenpolizei.)'

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Bekämpfung von Tiereeuehen vom 13. Juni 1917 in Verbindung mit einschlägigen Ausführungserlassen sind verurteilt worden : 18, Eudolf Mosimann, verurteilt am 9. Februar 1926 vom Gerichtspäsidenten V von Bern zu Fr. 80 Busse.

Mosimann hat als Viehinspektor, entgegen den Vorschriften, in eigener Sache Amtshandlungen vorgenommen und, wenn er abwesend war, seine Obliegenheiten durch Familienangehörige ausüben lassen.

Moaimann ersucht um Erlass der Busse, wozu er wie im Strafverfahrèû namentlich geltend macht, die Heranziehung der Angehörigen sei in einem Viehinspektorenkurs als zulässig erklärt worden.

Der Genieinderat von Köniz, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonalen Landwirtschafts- und Polizeidirektionen beantragen einhellig den gänzlichen Erlass der Busse. Die Anträge werden damit begründet, dass Mosimann über die Verwendung der Familienangehörigen in der Tat unrichtig instruiert worden sei ; ferner wird er als durchaus aufrichtiger und unbescholtener Bürger bezeichnet.

Mit dem eidgenössischen Veterinäramt be antragen wir, die Busse gänzlich zu erlassen, da besondere Umstände vorliegen und im übrigen der unbescholtene Leumund des Gesuchstellers Berücksichtigung finden darf.

19. Johann Blaser, verurteilt am 13. August 1925 vom Gerichtspräsidenten von Trachselwald zu Fr. 30 Busse.

In Zuwiderhandlung gegen die Verfügung der kantonalen Landwirtschaftsdirektion vom 1. August 1925 betreffend Massnahmen gegen die Maul- und

636 Klauenseuche in der Gemeinde Büegsau hat Blaser am 5. August in der Ortschaft "Wagen Bestellungen auf religiöse Bücher aufgenommen.

Blaser ersucht um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse. Wie anlässlich der Urteilsannahme macht er geltend, die im kantonalen Amtsblatt erst am vorhergehenden Tag und im Amtsanzeiger seines Bezirkes überhaupt nicht veröffentlichte Verfügung nicht gekannt zu haben, und betont im übrigen seine ärmlichen Verhältnisse, Der Gemeinderat von Büderswil empfiehlt den Erlass der Busse; die Bichtigkeit der Gesuchsanbringen wird bestätigt. Der Begierungsstatthalter beantragt, die Busse ganz oder teilweise zu erlassen, der kantonale Polizeidirektor und das eidgenössische Veterinäramt beantragen Herabsetzung bis zu Fr. 10.

In Berücksichtigung der ärmlichen Verhältnisse des Gesuchstellers beantragen wir Herabsetzung der Busse bis Fr. 10.

20. Andreas Fischer, verurteilt am 18. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Oberhasli zu Fr. 30 Busse.

Wegen Erkrankung einer Ziege wurde bei Fischer Stall- und Weidsperre verfügt, die er in der Folge nur mangelhaft beobachtete.

Fischer ersucht um Erlass der Busse und macht hierzu, abgesehen von dem Hinweis auf ähnliche Vorkommnisse bei andern Landwirten, namentlich geltend, bei den schlechten Gesundheitsverhältnissen in der Familie., den daherigen Auslagen und der Arbeitslosigkeit eines beim Holzfällen verunglückten Sohnes sei die Busse von Fr. 30 eine sehr empfindliche Auslage.

Der Gemeinderat von Gadmen bezeichnet die Familie als arm. Der Kreistierarzt befürwortet die Herabsetzung der Busse, der Begierungsstatthalter "des Amtsbezirkes und die kantonale Landwirtschaftsdirektion beantragen Herabsetzung der Busse um die Hälfte, die Polizeidirektion bis zu Fr. 10.

Angesichts der ärmlichen Verhältnisse beantragen wir mit dem eidgenössischen Veterinäramt, die Busse kommiserationsweise bis zum Betrage von Fr. 10 zu ermässigen.

21. Justin Charpie, geb. 1864, Hausierer, Beconvilier (Bern).

(Patenttaxengesetz,) 21. Justin Charpie ist am 5. November 1925 vom Gerichtspräsidenten von Münster, gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892, zu Fr, 100 Busse verurteilt worden.

Charpie hat im Jura bei Privaten für Bechnung eines inländischen Hauses Bestellungen aufgenommen, ohne eine
Taxkarte gelöst zu haben.

Charpie ersucht um Erlass oder doch Ermässigung der Busse, die nebst den Kosten von Fr. 67.40 zu hoch gehalten sei, da er in Unkenntnis des Bundesgesetzes gehandelt habe.

637

Der Gemeinderat von Eeconvilier befürwortet den gänzlichen Erlass von Busse und Kosten, da Charpie ein älterer Mann sei und grosse Mühe habe, sich durchzuschlagen. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, der mitteilt, Charpie habe bereits eine Anzahlung von Fr. 15 entrichtet, empfiehlt das Gesuch ebenfalls. Der kantonale Polizeidirektor beantragt Herabsetzung der Busse um die Hälfte, ebenso die Handelsabteilung des eidgenössischen Yolkswirtschaftsdepartement.es.

Zu diesen Anträgen bemerken wir, dass die Person des Gesuchstellers, nach Akten und Vorstrafen, eine Begnadigung nicht besonders nahe legt, so dass der Antrag auf Abweisung sich ohne weiteres begründen liesse. Trotzdem mag mit der eidgenössischen Handelsabteilung berücksichtigt werden, dass die nicht unbeträchtliche Busse offenbar in Befolgung der älteren, vom Bundesgericht abgelehnten Praxis ergangen ist, welche der Bussenbemessung den Betrag der umgangenen Taxe zugrunde legte (hierzu Kreisschreiben, Bundesbl.

1918, V, 813 ff.). Die Handelsabteilung schreibt, wenn der Bichter eine kleinere Busse und daneben die Verpflichtung zur Nachzahlung der Halbjahrstaxe ausgesprochen hätte, so würde sie von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht haben und bezüglich der Taxnachzahlung entgegengekommen sein. Dasselbe Ergebnis kann dermalen mit der teilweisen Begnadigung erreicht werden.

In Würdigung der prekären Verhältnisse des Gesuchstellers beantragen wir mit den Vorinstanzen, die Busse bis zu Fr. 50 zu ermässigen.

22. Jean Äbischer, geb. 1899, Fabrikarbeiter, Kreuzungen (Thurgau).

(Pulverregal- und Zollvergehen.)

22. Jean Ä b i s c h e r ist in Anwendung der Bundesgesetze über das Pulverregal vom 30. April 1849 und über das Zollwesen vom 28. Juni 1898 gemeinsam mit andern wie folgt bestraft worden: a. gemäss Strafentscheid der Kriegsmaterialverwaltung vom 26. September 1922/2. Juni 1923 mit Fr. 9051.08 Busse; b. gemäss Straf entscheid des Zolldepartementes vom 7. Oktober 1922/8. Juni 1928 mit Fr. 3131. 20 Busse.

Die Strafentscheide betreffen einen komplottmässig betriebenen Munitionsschmuggel, den Äbischer als damaliger Grenzwächter durch eine DienstVerletzung ermöglicht hat.

Äbischer ersucht in längerer Eingabe um Erlass der Beetbusse, insbesondere mit dem Hinweis auf die ratenweise erfolgte Bezahlung von Fr. 1255. 48.

Ferner erinnert er an die militärgerichtlich erkannte, von ihm verbüsste Freiheitsstrafe-und die schwere Einbusse, die er mit der Entlassung als GreiiK·wächter erlitten habe.

638

Den Vernehmlassungen der Kriegsmaterialverwaltung. und der Zollbehörden ist zu entnehmen, dass Äbischer seinen Teil der Zollbusse ganz beglichen hat und dass an die Busse wegen Zuwiderhandlung gegen das Pulverregal nach Entrichtung von Fr. 472. 68 noch Fr. 1790.09 zu bezahlen sind. Beide .Verwaltungen beantragen den Erlagg der Bestbusse und Aufhebung der mit einem Mitbestraften bestehenden Solidarhaft.

In Berücksichtigung der bedrängten Verhältnisse des Gesuchstellers, der erheblichen Teilzahlungen und der günstig lautenden Berichte über seine dermalige Führung b e a n t r a g e n wir mit den Fiskalverwaltungen Erlass der Restbusse und Aufhebung der Solidarhaft.

23. Oscar Magnin, geb. 1899, Taglöhner, Onex (Genf).

(Zollvergehen.)

28. Oscar Magnin ist am 30. November 1922 vom Polizeigericht von Genf gestützt auf die Art. 55, 56 und 59 des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 28. Juni 1893 zu Fr. 2221. 28 Busse verurteilt worden.

Magnin hat gemeinsam mit andern das Fleisch von sechs im Ausland geschlachteten Schweinen nach Genf hineingeschmuggelt.

Magnin, der seit 1922 an die Busse ratenweise Fr. 1890 entrichtet hat, ersucht um Erlass der verbleibenden Fr. 831. 28 und verweist hierzu auf seine bedrängte Lage.

Mit der Oberzolldirektion beziehen wir uns auf die Vernehmlassungen der .unteren Behörden, wonach die Gesuchsanbringen zutreffen, und bea n t r a g e n angesichts der beträchtlichen Teilzahlungen, die Bestbusse zu erlassen.

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84. Fritz Ryter, geb. 1897, Maschinist, Kandergrund (Bern), - 25. Robert Stettier, geb. 1889, Landwirt, Courroux (Bern), 26. Gottfried Bachmann. geb. 1888. Sacrer. B Rüschegg-Graben (Bern).

(Forstpolizei.)

Gestützt auf Art. 46, Ziffer 7, des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902, in seiner revidierten Fassung, oder in Anwendung der vormaligen Noterlasse sind verurteilt worden: 24. Fritz Eyter, verurteilt am 29. September 1925 vom Gerichtspräsidenten von Frutigen zu Fr. 95 Busse.

Ryter hat in seinem Privatwald zu Bauzwecken Holz geschlagen und hierbei grösstenteils einen Kahlschlag ausgeführt.

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Eyter ersucht um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse, insbesondere mit dem Hinweis, dags er nach Befragen einer Amtsstelle in guten Treuen angenommen habe, bei Verwendung des Holzes zu einem Neubau keiner Schlagbewilligung zu bedürfen.

Der Gemeinderat von Kandergrund, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und der Kreisoberförster befürworten den gänzlichen Erlass, der Forstmeister des Oberlandes und die kantonalen Forst- und Polizeidirektionen die Herabsetzung der Busse bis Fr. 50.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei b e a n t r a g e n wir, die Busse bis zum Betrage von Fr. 50 herbzusetzen in Erwägung, dass eine gänzliche Begnadigung .nicht gewährt werden sollte, indem der vorgenommene Kahlschlag eine schonungslose Holzerei darstellte. Dass ein Kahlschlag nicht ohne weiteres angängig sein könne, musste Eyter wissen; wie die Einvernahme vor dem Bichter ergibt, machte Eyter damals geltend, «schliesslich gedacht zu haben, was andere täten, sei auch ihm, erlaubt».

25. Bobert Stettier, verurteilt am 18. August 1925 vom Gerichtspräsidenten von Delsberg zu Fr. 200 Busse, Stettier hat gemeinsam mit seinem Bruder in ihrem privaten Schutzwald erhebliche Holznutzungcn vorgenommen, ohne die gemäss Art. 29 des Bundesgesetzes notwendige Bewilligung zu besitzen. Der Holzschlag wurde völlig unrationell ausgeführt und der Schutzwald geschädigt.

Die beiden Brüder, von denen einzig Stettier Bobert gebüsst worden ist, ersuchen um Erlass der Busse. Zur Bewirtschaftung des im Jura gekauften Gutes seien sie im April 1925 von Krauchthal übergesiedelt ; am letztgenannten Ort hätten sie von Schlagbewilligungen nichts gewusst, soweit es sich um blosse Durchforstungen gehandelt habe.

Der Gemeinderat von Courroux befürwortet das Gesuch und der .Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt teilweise Begnadigung. Der Kreisoberförster, der Forstmeister des Jura, die kantonalen Forst- und Polizeidirektionen und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen dagegen einhellig Abweisung.

Wir beantragen desgleichen Abweisung in Erwägung, dass die Zuwiderhandlung sich auf einen Schutzwald bezieht, der geschädigt worden ist, und dass von den geschlagenen 54 Kubikmetern zur Bussenberechnung nur 20 Kubikmeter herangezogen wurden. Die Busse von Fr. 200 ist
mässig gehalten, und zwar auch dann, wenn sie anhand des revidierten Strafrahmens von Art. 46, Ziffer 7, des Bundesgesetzes nachgeprüft wird, den der Eichter an Stelle der früheren Strafandrohung hätte anwenden sollen. Im übrigen beziehen wir uns auf die eingehenden Vernehmlassungen der Forstorgane.

20. Gottfried Bachwann, verurteilt am 14. August 1925 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu Fr. 135 Busse.

640

Bachmann hat in einem Privatwald über den Auftrag des Eigentümers hinaus und ohne behördliche Bewilligung 9 Kubikmeter Holz schlagen lassen.

Bachmann ersucht um Erlass von Busse und Kosten. Die Tilgung dieser Beträge werde ihm bei dem kargen Verdienst aus einer wenig einträglichen Kundensäge und einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb zur schweren Last, namentlich da er für fünf unerwachsene Kinder zu sorgen habe. Das geschlagene Holz sei nahezu ausschliesslich zu baulichen Reparaturen verwendet und nur das Abholz verkauft worden.

Der Gemeinderat von Rüschegg bestätigt die Richtigkeit der Gesuchsanbringen und befürwortet das Gesuch. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes bemerkt seinerseits, das Holz sei nur zum Teil zu Reparaturen verwendet worden ; im übrigen werde zutreffen, dass die Lebensbedingungen des Gesuchstellers hart seien, ferner dürfe berücksichtigt werden, dass kurz nach der Begehung der Übertretungen der gesetzliche Bussenrahmen im Sinne einer Milderung revidiert worden sei. Es wird beantragt, die Busse bis Fr. 70 oder 50 zu ermässigen. Der Kreisförster, die Forstinspektion Mittelland, die kantonalen Forst- und Polizei direktionen, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen einhellig Abweisung.

Wir beantragen desgleichen Abweisung und beziehen uns hierfür namentlich auf die eingehende Vernehmlassung des Kreisforstamtes, wo auf das-unwirtschaftliche Vorgehen «in dein fast herrenlosen Wald» hingewiesen und ausserdem geschrieben wird, Bachmann habe alles angewandt, um die forstgesetzlichen Bestimmungen zu umgehen und das Forstpersonal irrezuführen..

Die kantonale Appellationsinstanz hielt ihrerseits dafür, das gesetzwidrige Verhalten Bachmanns stelle sich, auf Grund der aktenkundigen Tatsachen betrachtet, zum mindesten als derart schwerwiegend dar, dass es nicht gerechtfertigt erscheine, bloss die Mindestbusse zu erkennen. Mit der Kostensumme von Fr. 286. 65 hat sich die Begnadigungsbehörde nicht zu befassen; wie bereits der erstinstanzliche Eichter bemerkt, hat der Verurteilte die lange Untersuchung durch sein eigenes Verhalten herbeigeführt.

27.

28.

29.

30.

31.

Hermann Zulauf, geb. 1884, Fabrikarbeiter, Schinznach (Aargau), Christian Brügger, geb. 1888, Landwirt, Brittnau (Aargau), Johann Köchli, geb. 1864, Landwirt, Müller und Säger, Alois Köchli, geb. 1899, Säger, beide in Boswil (Aargau), August Berglas, geb. 1887, Händler, Hitzkirch (Luzern).

(Fischereipolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 sind verurteilt worden:

641 27. Hermann Z u l a u f , verurteilt am 9. September 1925 vom Obergericht des Kantons Aargau zu Fr. 20 Busse und Fr. 180 Gebühren und Kosten.

Gegen Zulauf ist wegen Fischfrevels, begangen mit Sprengpatronen, ein Strafverfahren angehoben worden, das in erster Instanz zu einer Freisprechung führte, wogegen die kantonale Oberinstanz erkannte, Zulauf sei mindestens überwiesen, Fische behändigt zu haben, die, wieerwusste, mit Sprengpatronen getötet worden waren. Zulauf ersucht umErlass der Fr. 150, wozu er in längeren Ausführungen geltend macht, eine Zuwiderhandlung gegen das Fischereigesetz falle ihm in keiner "Weise zur Last. Bei seinem, Verdienst als Fabrikarbeiter könne er die Fr. 150 schlechterdings nicht aufbringen.

Das Bezirksgericht Brugg empfiehlt die Begnadigung, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

Mit dem Oberforstinspektor bemerken wir zunächst, dass auf die Gesiichsiinbringen von vornherein nicht einzutreten ist, sofern sie sich auf die ursprüngliche, jedoch vor dem kantonalen Obergericht nicht mehr erhobene Beschuldigung des Fischfangs mit Sprengstoff beziehen. Aber auch was die strafbare Behändigung der Fische anbetrifft, besteht kein Anlass, im Begnadigungsvorfahren neuerdings darauf zurückzukommen. Dagegen mag kommiserationsweise berücksichtigt werden, dass der Gebühren- und Kostenbetrag von Fr. 130 sehr hoch ausgefallen ist.

Wir beantragen mit den Vorinstanzen, die Busse von Fr. 20 zu erlassen.

28. Christian Brügger, verurteilt am 7. November 1925 vom Bezirksgericht Zofingen zu Fr. 50 Busse.

Brügger hat in einem Fischgewässer Jaucheschläuche gereinigt und dadurch den Fischbostand geschädigt.

Brügger ersucht um Erlass der Busse, da er nicht vorsätzlich gebandelt habe und erbracht sei, dass die Vorbesitzer seines Heimwesens seit Jahren in gleicher Weise gehandelt hätten.

Das Bezirksgericht Zofingen, das die teilweise Begnadigung bereits im IJrteilsdispositiv befürwortet, erachtet eine Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 10 als angemessen. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt Ermässigung bis Fr. 20.

Angesichts der Geringfügigkeit des Falles b e a n t r a g e n wir Herabsetzung der Busse bis Fr. 10.

29. und 80. Johann und Alois Köchli, verurteilt, ara 21. Dezember 1925 vom Bezirksgericht Muri zu je
Fr. 20 Busse.

Alois Köchli hat auf Weisung seines Vaters den zu dessen Wasserwerk mit Mühle und Säge gehörenden Sägeweiher entleert, um beim Auslauf am Schieber eine Ausbesserung vorzunehmen. Die Trockenlegung erfolgte ohne Benachrichtigung der Lokalbehörden und des ein Fischenzrecht in Anspruch nehmenden Anzeigers; ferner wurden eine Anzahl Fische behändigt.

642 Johann und Alois Köchli ersuchen um Erlass der Bussen, wozu geltend gemacht wird, der Weiher habe sich von gelbst entleert, von einer Anzeigepflicht an die Lokalbehörden hätten sie nichts gewusst und zur Eehändigung der Fische hätten sie sich berechtigt gefühlt, weil das von dritter Seite beanspruchte Fischenzrecht bestritten werde.

Das Bezirksgericht Muri empfiehlt die gänzliche Begnadigung, Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei bemerken wir zunächst, dass die beiden Bussen sich auf eine eidgenössische und eine kantonale Strafbestimmung stützen, wobei die dem Bundesgesetz zuwiderlaufende Trockenlegung eines Fischgewässers mit einer schärferen Busse bedroht wird als das nach kantonalem Beeilt strafbare Fischen ohn& Patent ; die Bussen, die den Charakter von Gesamtstrafen aufweisen, gehören mithin dem Bundesrechte an. Im übrigen halten wir mit dem Oberforstinspektor dafür, es bestehe kein Anlass, Johann Köchli gegenüber eine Begnadigung zu befürworten, wogegen hinsichtlich des Sohnes berücksichtigt werden kann, dass er lediglich im Auftrage des Vaters handelte.

Wir b e a n t r a g e n bei Johann Köchli Abweisung, bei Alois Köchli dagegen Erlass der Busse.

81. August Berglas, verurteilt am 22. Dezember 1923 vom Obergericht des Kantons Aargau zu Fr, 180 Busse.

Berglas und drei Mitverurteilte haben mit Dynamit den Fischfang betrieben. Die Angelegenheit ist der Bundesversammlung bereits anlässlich eines von Leo Mattmann eingereichten Begnadigungsgesuches unterbreitet werden (Antrag 34 des I. Berichtes vom 1. Mai 1925, Bundesbl. II, 361/62).

Für Berglas, der an die Busse laut Gesuchsanbringen Fr. 50 abbezahlt hat wird mit dem Hinweis auf seinen bisherigen kärglichen Verdienst als Korbmacher und Hausierer, die bestehende Tuberkulose, die dermalige gänzliche Erwerbsunfähigkeit und die bevorstehende Versorgung durch die Heimatgemeinde das Gesuch um Erlass der Bestbusse gestellt.

Das Bezirksgericht Muri empfiehlt den Gesuchsteller zur Begnadigung,.

und die eidgenössische Inspektion für Porstwesen, Jagd und Fischerei, beantragt, den Best der Busse zu erlassen.

Obschon sich sagen lässt, dass der wiederholt gebüsste Gesuchsteller eine Begnadigung wenig nahelegt, beantragen wir, namentlich auf Grund des beigebrachten Arztzeugnisses, die Bestbusse zu erlassen.

32. Rudolf
Egger, geb. 18i4, Landwirt, Grindelwald' (Bern).

(Schwach- und Starkstromgesetz, Jagdpolizei.)

32. Eudolf Egger ist am 19. Januar 1926 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken in Anwendung von Art. 56, lit .a, und 57, AI. l, des Bundesgesetzes

643

betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 in Verbindung mit Art. 21, Ziff. 3, lit. b, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904 zu einer Busse von Fr. 110 verurteilt worden.

Egger hat im September letzten Jahres an einem Sonntagmorgen von seiner Scheune aus mit seinem Ordonnanzgewehr über die Lütschine nach einem Fuchs geschossen und hierbei den Draht einer Starkstromleitung derart getroffen, dass er zerriss.

Egger ersucht um Erlass der Busse. Den unüberlegten Schreckschuss habe er abgegeben, weil ihm im vorigen Jahr von Füchsen wiederholt Hühner und Kaninchen geraubt worden seien. Er sei nicht vorbestraft, lebe in bescheidenen Verhältnissen und habe Familienlasten.

Der Gemeinderat von Grindelwald bestätigt die Richtigkeit der Gesuchsanbringen und empfiehlt das Gesuch. Der urteilende Richter und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten eine erhebliche Herabsetzung der Busse, Die kantonalen Forst- und Polizei direkt) onen, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Ermässigung bis Fr. 20.

Wir b e a n t r a g e n desgleichen, die Busse bis zu Fr. 20 herabzusetzen.

Die Busse musste hoch ausfallen, da Egger in Banngebiet hineinschoss. In Wirklichkeit ist der Vorfall harmloser Art, auch darf berücksichtigt werden, dass Egger an Entschädigung für den zerschossenen Leitungsdraht und an Gerichtskosten über Fr. 100- aufzubringen hat.

33. Christian Urïer, geb. 1848, Metzger, 34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

41.

42.

43.

44.

45.

46.

Emil Urfer geb. 1902, Landarbeiter, beide in Homberg (Bern), Gottfried Poster, geb. 1882, Kaufmann, Burgdorf (Bern), Adolf Hofmann, geb. 1876, Landwirt, Unterkulm (Aargau), Walter Wüthrich, geb. 1904, Spengler, Alfred Wüthrieh, geb. 1908, Lehrling, beide in Matten (Bern), Ernst Wälti, geb. 1907, Landarbeiter, Lenk (Bern), Alexander Kocher, Landwirt, Hagneck (Bern), Emil Kocher, Landwirt, Täuffelen (Bern), Jakob Ochsner, geb. 1860, Privatier, Aarau (Aargau), Alfred Häsler, geb. 1908, Spinnereiarbeiter, Fritz Urfer, geb. 1909, Lehrling, beide in Bönigen (Bern), Christian Krebs, geb. 1908, Lehrling, Thun (Bern), Ernst Lüthi, geb. 1898, Landarbeiter, Äschi (Bern).

(Jagdpolizei.)

644

In Anwendung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904, zum Teil in Verbindung mit kantonalen Erlassen, sind verurteilt worden : 33. und 84. Christian und Emil. U r f e r , verurteilt am 30. Januar 1.926 vom Gerichtspräsidenten von Thun in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, Ht. d, des Bundesgesetzes je zu Fr. 40 Busse.

Die beiden Urfer haben einen angeschossenen, verendeten Behbock behändigt und das Fell an eine Pelzhandlung verkauft.

Der Gemeinderat von Homberg stellt das Gesuch um Erlass der Bussen.

Urfer, Sohn, wird als verkrüppelt und wenig erwerbsfähig bezeichnet und Urfer, Vater, als betagter, in äusserst bescheidenen Verhältnissen lebender Mann, der nur mit Hilfe seiner Kinder durchkomme. Die beiden seien sich einer strafbaren Handlung sicherlich nicht bewusst gewesen. Der Kegierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonalen Forst- und Polizeidirektionen beantragen gänzliche Begnadigung.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, die Herabsetzung der beiden Bussen bis zu Fr. 20 beantragt, sehen wir davon ab, die Gesetzmässigkeit des Urteils zu bezweifeln. Letzteres tut die kantonale Forstdirektion, die ihren Antrag damit begründet, es liege keine strafbare Handlung vor. Dagegen können wir kommiserationsweise, aus den vom Gemeinderat Homberg geltend gemachten Anbringen, b e a n t r a g e n , die beiden Bussen gänzlich zu erlassen.

85. Gottfried P f i s t e r , verurteilt am 2. September 1925 vom Gerichtspräsidenten von Burgdorf in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes zu Fr. 40 Busse.

Pfister war bei einem Spaziergang von seinem Hund begleitet, der auf einem Waldweg unbeachtet zurückblieb und Gelegenheit fand, einen Iltis kreuzlahm zu beissen. Pfister hörte das Schreien des verletzten Tieres, stöberte den Iltis auf, tötete ihn und übergab ihn hernach einem Kürschner.

Pfister ersucht um Erlass der Busse, wozu er namentlich geltend macht,' er habe den verwundeten Iltis getötet, um ihn nicht länger leiden zu lassen.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürwortet den Erlass der Busse, in Erwägung, es könne bei dem nach kantonalem Jagdrecht verfügten Wertersatz von Fr. 20 und den Gerichtskosten von Fr. 4. 90 sein Bewenden haben. Die Forst- und Pohzeidirektionen des Kantons Bern beantragen Herabsetzung der
Busse bis Fr. 20.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir Herabsetzung der Busse bis Fr. 10. Die Verfehlung Pfisters lifigt namentlifiTi darin, da.ss er seinen offenbar jagdlustigeri Hund nicht besser beaufsichtigt hat. Im übrigen wäre ein Strafverfahren voraussichtlich unter-.

blieben, wenn Pfister den Vorfall den Behörden gemeldet und ihnen den Iltis

645 zur Verfügung gestellt hätte, oder er wäre lediglich wegen Jagenlassens eines Hundes, d. h. in Anwendung des Strafrahmens von Fr. 5 bis Fr. 30, gebüsst worden.

36. Adolf H o f m a n n , verurteilt am 11. November 1925 vom Gerichtspräsidenten von Kulm in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes zu Fr, 40 B.usse.

Hofmann hat ini Herbst 1928 in Überschreitung des Hechtes des Grundeigentümers zum Abschuss schädlicher Tiere Eichhörnchen abgeschossen.

Der Strafbefehl bezieht sich in allgemeiner Weise auf das «Erlegen von Eichhörnchen».

Hofmann ersucht um -Erlass der Busse und macht hierzu namentlich geltend, die Eichhörnchenplage habe ihn damals dazu geführt, die Jagdpächter zum Abschuss zu veranlassen, worauf er belehrt worden sei, dies auf seinem eingefriedigten Gebiet selbst vornehmen zu können. In der Folge habe er in guten Treuen gehandelt. Die Bezahlung der Busse falle ihm schwer, da er eine mehrköpfige Familie zu ernähren habe.

Die eidgenössische "Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei hält dafür, es handle sich um geringfügige Übertretungen, ferner könne die vorherige Benachrichtigung der Jagdpächter Berücksichtigung finden. Im neuen Bundesgesetz betrage die Mindestbusse für unerlaubten Eichhörnchenabschuss nur noch Fr. 10. : Wir b e a n t r a g e n mit der Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Ermässigung der Busse bis Fr. 10.

37. und 38. Walter-und Alfred Wüthrich, verurteilt am 14. April 1925 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken in Anwendung von Art. 21, Ziffer 3, lit. b, des Bundesgesetzes je zu Fr. 100 Busse.

Die beiden Wüthrieh haben sich an einem Sonntag mit einem Flobert in Banngebiet begeben, um auf Eichhörnchen zu jagen; zum Schuss sind sie nicht gekommen.

Beide ersuchen um ganzen oder doch teilweisen Erlass der Bussen, da .sie unbemittelt seien, der eine noch in die Lehre gehe und der andere dermalen -wenig verdiene.

Der urteilende Richter empfiehlt eine erhebliche Herabsetzung der Bussen.

Der Gemeinderat von Matten und der Regierangsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten möglichste Berücksichtigung der Gesuche, die kantonale Forstdirektion und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Herabsetzung der Bussen bis Fr. 50 und die kantonale Polizeidirektion bis Fr. 80.

Da es sich um jüngere Burschen handelt, b e a n t r a g e n wir in Berücksichtigung früherer, ähnlicher Fälle Ermässigung der Bussen bis zu Fr. 30, Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. L

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"

48

646 39. Ernst Wälti, verurteilt am 7. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Obersimmental in Anwendung des Art. 21. Ziffer 3, lit. b; Ziffer 4, lit. a j Ziffer 5, lit. c und des Art. 24 des Bundesgesetzes zu Fr. 120 Busse und Konfiskation der Jagdwaffe.

Wälti hat an einem Sonntag in Banngebiet mit einem zerlegbaren Flobertgewehr nach Alpendohlen, mithin nach geschützten Vögeln, gejagt.

Wälti ersucht um gänzlichen odor doch weitgehenden Erlass der Busse.

Er sei damals nicht zum Schuss gekommen. Die Busse könne er bei seiner Minderjährigkeit und den ärmlichen Verhältnissen nicht bezahlen.

Der Gemeinderat Lenk schliesst .sieh dem Gesuche an. Die Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern beantragen den Erlass der Busse, da Wälti mit der Konfiskation der Waffe genügend bestraft sei. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt Herabsetzung der Busse bis. zu Fr. 20.

..

Wir b e a n t r a g e n dieselbe Erledigung wie bei den beiden Wüthrich, mithin Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 30.

40. und 41. Alexander und Emil K o c h e r , verurteilt am 16. November.

1925 vom Gerichtspräsidenten von Nidau in Anwendung von Art. 21, Ziffer 8> lit. b, des Bundesgesetzes je zu Fr. 100 Busse.

' Alexander und Emil Kocher lagen am 22. Oktober 1925 auf der St. Petersinsel der Jagd ob, trotzdem die kantonale Jagdverordnung das betreffende Gebiet ab 1. September als Bannbezirk erklärt hatte.

Beide ersuchen, die Bussen auf ein erträgliches Mass herabzusetzen; sie hätten nicht gewusst, dass die Insel Bannbezirk sei und übrigens keinen einzigen ·Schuss abgegeben.

, Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt das Gesuch, wogegen die kantonalen Forst- und Polizei di re ktionen und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei einhellig Abweisung beantragen.

- Wir beantragen desgleichen Abweisung. Als Jäger haben die Gesuchsteiler zu wissen, dass die Banngebiete jeweils in der kantonalen Verordnung umschrieben werden. Ihr Einwand, die Vorschriften nicht gekannt zu haben, kann nicht gehört werden.

.

42. Jakob Ochsner, verurteilt am 21. Januar 1926 voni Bezirksgericht Laufenburg in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit. c, des Bundeggesetzes zu Fr. 50 Busse.

-" Ochsner hat als Bevierpächter ein B.ehkitz geschossen.

Ochsner ersucht um Erlass der
Busse. Das. geschossene, mittelgrosse Eeh habe erst bei näherem Augenschein als Kitz angesprochen werden können.

Als weidgerechter, unbescholtener Jäger bedaure er das Vorkommnis sehr, halte aber dafür, nach der Art der umstände falle ihm kein Verschulden zur Last, Für Einzelheiten verweisen wir auf die Eingabe selbst.

647

Der Gemeindeammann von Aarau befürwortet das Gesuch, wogegen das urteilende Gerieht und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung beantragen. Von einem Jäger, der seit 40 Jahren der Jagd obliege, könne verlangt werden, dass er nur schiesse, wenn er seiner Sache sicher sei.

Wir beantragen desgleichen Abweisung.

43. und 44. Alfred Häsler und Fritz U r f e r , verurteilt am 3. Oktober 1925 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken. in Anwendung von Art, 21, Ziffer 6, lit. a, des Bundesgesetzes je zu Fr. 20 Busse.

Häsler und Urfer haben mit einem Flobert nach Amseln und Spa tuen geschossen.

.

Beide ersuchen um Herabsetzung der Bussen; sie seien noch minderjährig, hätten geringen Verdienst und würden die Bussen nur mit Mühe aufbringen.

Der urteilende Richter befürwortet Herabsetzung der Bussen bis Fr. 57 wogegen der Gemeinderat Bönigen dafür hält, eine angemessene Busse sei das beste Mittel, um gegen das «Jägerlen» vorzugehen, weshalb lediglich Herabsetzung bis Fr. 10 befürwortet wird. Dasselbe beantragt der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, wogegen die kantonalen Forst- und Polizeidirek"tionen, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung beantragen.

Wir beantragen desgleichen Abweisung. Von der kantonalen Forstdirektion wird zutreffend bemerkt, die Flobertschiesserei auf Vögel durch halbwüchsige Burschen sei ein Übelstand, auch sind die Bussen keineswegs übersetzt.

45. Christian Krebs, verurteilt am 11. Juni 1925 vom Gerichtspräsidenten von Thun in Anwendung von Art. 21, Ziffer 6, lit. a, des Bundesgesetzes zu Fr. 40 Busse.

Krebs hat mit seinen schulpflichtigen Brüdern in roher Weise ein Nest mit jungen Rotschwänzchen zerstört und sechs junge Vögel getötet.

Krebs ersucht um Erlass der Busse. Aus seinem Stundenlohn als Schlosserlehrling habe er zu Hause das Kostgeld zu zahlen ; bei den schweren Familienlasten hätten die Eltern das. wenige, das er verdiene, sehr nötig.

Der Vorsteher des Polizeiwesens von Thun befürwortet die Herabsetzung der Busse um die Hälfte. Die kantonale Polizeidirektion bemerkt, auch bei teilweiser Begnadigung sei Krebs noch empfindlich gebüsst. Die kantonale Forstdirektion und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei betonen, dass es sich um einen äusserst rohen Bubenstreich
handle, weshalb erstere Abweisung beantragt, wogegen die letztere der Herabsetzung der Busse um die Hälfte zustimmen kann, da die Busse doch Vom Vater aufgebracht werden müsse.

Wir beantragen.Äbweisung, in der Meinung, die Gewährung von Teilzahlungen sei hier ein genügendes Entgegenkommen.

648 .16. Ernst Lüthi, verurteilt am 15; Januar 1926 vom Gerichtspräsidenten von Frutigen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 2, des Bundesgesetzes zu.

Fr. 800 Busse.

.

Lüthi hat in Banngebiet zum Fangen von Wild eine Schlinge angebracht.

Lüthi ersucht, die Busse angemessen herabzusetzen. Er habe die Schlinge ein einziges Mal und ohne Erfolg gelegt in der Absicht, einen Dachs zu fangen.

Im Strafverfahren habe er unumwunden gestanden. Wenn er ein Begnadigungsgesuch einreiche, so erfolge dies mit Bücksicht auf seine Erwerbs- und Familienverhältnisse, insbesondere auch angesichts einer Schuld von Fr. 4500 aus dem Kauf einer fahrbaren Bandsäge.

..

..

Der urteilende Richter empfiehlt die teilweise Begnadigung. Der Gemeinderat von Aeschi und der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten das Gesuch. Die kantonale Polizoidirektion beantragt Herabsetzung der Busse um die Hälfte, wogegen die kantonale Forstdirektion und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd.und Fischerei Abweisung beantragen, da gegen das.heimliche und niederträchtige Schlingenlegen, das hier in Banngebiet erfolgte, mit aller Strenge vorgegangen werden müsse, . .

Wir b e a n t r a g e n Abweisung zurzeit, in der Meinung, die gänzliche Begnadigung sei von vornherein ausgeschlossen und der Gesuchsteller solle, jedenfalls erhebliche Teilzahlungen leisten.

47. Otto Lätt, geb. 1896, Holzhändler, Pruntrut (Bern), .

48. Pietro Bulani, geb. 189.8, Maurer, St. Ursanne (Bern), 49. Ludwig Portmann, geb. 1891, Postangestellter, Bern, 50. Alfred. Antonen, geb. 1890, Uhrmacher, Grenchen (Solothurn), "51. Rudolf Blaser, geb. 1891, Handlanger, Thun (Bern), 52. Edouard Braillard, geb. 1893, Mechaniker, Neuenstadt (Bern), 53. Ernst Reinmann, geb. 1885, Beisender, Bern, 54. Jules Brahier, geb. 1894, Landwirt, Delsberg (Bern), 55. Emil Heimann, geb. 1897, Handelsmann, Bévilard (Bern), 56. Arnold Schwaller, geb. 1887, Maler, Günsberg (Solothurn),.

57. Albert Gerber, geb. 1899, Spengler, Bern, : 58. Adolf Märki, geb. 1898, Fabrikarbeiter, Biniken (Aargau).

. .

(Militärsteuer.)

Wegen. schuldhafter Nichteuntrichtung des. Militärpflichtersatzes sind, in Anwendung d e s Bundesgesetzes v o m 2 9 . März 1901 betreffend Ergänzung "47. Otto L ä t t , verurteilt am 2. November 1925 vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu zwei Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Steuerbeglei-

649

chiiiig, längstens aber während. 6 Monaten, die Militärstcuer von Fr. 52, 60 für 1925 betreffend.

, . .

Lätt ersucht um Erlass der Haftstrafe. Laut Bericht der Militärsteuerverwaltung des Kantons Bern wurde dem Gesuchsteller im Verlaufe des Strafverfahrens die Steuerschuld um die Hälfte ermässigt unter Verrechnung der verbleibenden Hälfte mit dem 1924 zuviel bezahlten Betrag. Der hiervon in Kenntnis gesetzte Bichtcr hätte das Verfahren einstellen sollen.

Bei dieser Sachlage b e a n t r a g e n wir in Übereinstimmung mit den Behörden des Kantons Bern die gänzliche Begnadigung.

48. Pietro Bulani,.verurteilt am 2. November 1925 vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu zwei Tagen Haft und Wirtghausverbot bis zur Steucrbegleichung, längstens aber während 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 84. 60 für 1925 betreffend.

Eulani ersucht um Erlass der Haftstrafe. Den Gesuchsanbringen und dem Bericht der Militärsteuerverwaltung des Kantons Bern ist zu entnehmen, dass Bulani die Steuerschuld innert der ihm vom Eichter eingeräumten Zahlungsfrist beglichen hat, jedoch zahlte Bulani irrtümlich im Heimatkanton (Tessin) statt im bezugsberechtigten Kanton Bern.

In Übereinstimmung mit den Kantonsbehörden beantragen wir auch in diesem Fall die gänzliche Begnadigung.

· ' 49. Ludwig P o r t m a n n , verurteilt am 1. April 1925 vom Gerichtspräsidenten V von Bern.zu einem Tag Haft,, die Militärsteuer von Fr, 21.10 für 1924 betreffend.

' .

.

.

Portmann, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Seine Familienlasten hätten ihm die ordnungsgemässe Begleichung der Steuerschuld verunmöglicht. Er habe mit dem Lohn als Postangestellter für seine Frau, drei Kinder und die Schwiegermutter zu sorgen, ferner bezahle ihm ein taubstummer Schwager für Kost und Logis monatlich blosse Fr. 120.

" Die Polizei direktion der Stadt Bern beantragt den .gänzlichen Erlass, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, desgleichen die kantonale Polizeidirektion die bedingte Begnadigung.

Demgegenüber bemerken wir zunächst, dass Portmann im Strafverfahren Zahlung innert 14 Tagen versprach, dass er jedoch die ihm vom Bichter bewilligte Frist unbenutzt verstreichen liess und der Hauptverhandlung unentschuldigt fernblieb. Ferner entnehmen wir den Urteilserwägungen, dass die ordnungsgemässe Begleichung der
Steuerschuld unterblieben sei, weil es Portmann an gutem Willen fehle ; Gründe, die sein Verhalten wirklich entschuldigen könnten, seien nicht vorgebracht worden.

Angesichts dieser Urteilsmotive liegt eine Begnadigung keineswegs nahe.

Hinzu kommt die allgemeine Erwägung, dass die Begnadigungspraxis

650 dermalen die neuem Urteile des Bundesgerichtes beachten soll, das mit Entscheiden des Kassationahofes vom 22. Mai und 28. Dezember 1925 den Tatbestand der schuldhaften Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes in grundsätzlicher Weise umschrieben hat. Wir verweisen für Einzelheiten auf das den Akten beigegebene Urteil i. S. Bundesanwaltschaft gegen Spring und begnügen uns in Kürze mit folgenden Hinweisen : Die Strafandrohung richtet sich gegen die Nichterfüllung der Wehrpflicht, gegen den Ungehorsam, den die schuld-..

hafte Nichtzahlung bzw. der Zahlungsverzug darstellt. Gegenüber dem Militärdienstpflichtigen ist der Steuerpflichtige von vornherein besser gestellt, indem er zunächst noch zweimal zur Nachholung der versäumten Pflicht gemahnt wird, bevor Strafklage erfolgt. Zahlungen nach angehobenem Strafverfahren, mithin nach Ablauf der Mahnfristen, ändern nichts daran, dass das Vergehen, dem objektiven Tatbestande nach, vollendet ist; die nachträgliche Zahlung kann gegebenenfalls lediglich ein Indiz dafür abgeben, dass der Ersatzpflichtige nicht früher zu zahlen vermochte, mit andern Worten, dass der Verzug ihm nicht zum Verschulden angerechnet werden darf.

Bei Portmann ergibt sich, dass die Zahlung erst am 11. Mai 1925 erfolgte, d. h. über einen Monat nach der Aburteilung und nahezu ein Jahr nach Fälligwerden der Steuerschuld; dass Portmann aber den massigen Betrag von Fr. 21.10 vorher hätte bezahlen können, liegt auf der Hand. Wir beantragen deshalb Abweisung.

50. Alfred A n t e n e n , verurteilt am 23. Dezember 1925 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu drei Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 26.10 für 1925 betreffend.

Antenen, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Er habe mit seinem bescheidenen Verdienst für fünf kleine Kinder zu sorgen, von denen das jüngste zwei Monate alt sei.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt Abweisung.

Antenen habe allerdings im letzten Jahr nur Fr, 2500 verdient, er erweise sich aber als liederlicher Mensch, der seine Familie vernachlässige und in Wirtschaften wiederholt an einem Abend bis Fr. 30 verbraucht habe.

Wir beantragen ebenfalls Abweisung und bemerken ergänzend, dass Antenen der gerichtlichen Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben ist.

öl. Eudolf Blaser, verurteilt am
16. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Thun zu 2 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 18.10 für 1925 betreffend.

Für Blaser wird um Erlass der Gefängnisstrafe ersucht. Er habe sechs minderjährige Kinder, wovon drei von der Gemeinde versorgt seien, während er mit seinem Lohn als Handlanger für die drei andern auf ankommen habe; im letzten Jahr sei er gegenüber dem Milchhändler, Bäcker usw. in Schulden geraten, die Fr. 100 bis 200 ausmachen sollen. Die Anordnung des Strafvoll-

651 zuges würde ihm den Mut zu einem weiteren, ehrenhaften Bestehen des Lebenskampfes nehmen.

Der Gemeinderat Thun, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, der Kantonskriegskommissär und die kantonale Polizeidirektion empfehlen das Gesuch.

Blaser ist vom Gerichtspräsidenten von Thun wegen schuldhafter Nichtentrichtung der Militärsteuer bereits am 4. Februar 1922 zu l Tag Gefängnis verurteilt worden; er ist mithin, was die kantonalen Behörden übersehen haben, vorbestraft. Weiterhin ist Blaser der gerichtlichen Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben ; wenn er damals verurteilt wurde, so erfolgte dies vornehmlich auf Grund eines sehr ungünstig lautenden, heute vom Gesuchsteller angefochtenen Berichtes der Armenbehörde von Hilterfingen.

Bei dieser Sachlage und im Anschluss an die bei Portmann geltend gemachte allgemeine Erwägung halten wir dafür, die gänzliche Begnadigung sei nicht am Platze, dagegen lasse sich in Würdigung der Gesuchsanbiingen und der einhelligen Empfehlung der Kantonsbehörden die teilweise Begnadigung befürworten.

Wir beantragen Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu l Tag.

52. Edouard Braillard, verurteilt am 3. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Neuenstadt zu 8 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Steuerbegleichung, längstens aber während 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 48.60 für 1925 betreffend.

Braillard ersucht um Erlass der Haftstrafe, ferner um teilweisen Erlass.

der Steuer und um Zubilligimg ratenweiser Tilgung ; die Begnadigungsbehörde hat sich einzig mit dem erstgenannten Ansuchen zu befassen. Braillard macht geltend, dass ihm bei seinem geringen Verdienst und den vorhandenen Familienlasten die Entrichtung des Militärpflichtersatzes bis jetzt nicht möglich gewesen sei, Der Gemeinderat von Neuenstadt bestätigt die Richtigkeit der Gesuchsanbringen, erachtet den geforderten Steuerbetrag als übersetzt und befürwortet das Gesuch. Das Kantonskriegskommissariat äussert sich sowohl zum Taxations- wie zum Strafverfahren und macht insbesondere geltend, Braillard habe nicht die geringste Batenzahlung geleistet und sei der gerichtlichen Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben. Es wird Abweisung beantragt.

Auch die kantonale Polizeidirektion beantragt Abweisung.

Wir b e a n t r a g e n namentlich deshalb Abweisung, weil sieh ergibt, dass Braillard
in den Jahren 1919--1925 wegen schuldhafter. Nichtentrichtung der Militärsteuer fünf Haftstrafen auf weist.

58. Ernst R e i n m a n n , verurteilt am 8. Juli 1925 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 70. .60 für 1924 betreffend.

652

Reinmann ersucht um Erlass der Haftstrafe, da er seit etlichen Monaten häufig krank und verdienstlos gewesen sei und über tausend Militärdiensttage aufweise.

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Die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonale Polizeidirektion beantragen einhellig Abweisung..

Auch die eidgenössische Steuerverwaltung hält dafür, eine Begnadigung schein» nach der Aktenlage nicht angezeigt. .

Wir beantragen mit den Vorinstanzen Abweisung, indem sich sowohl anhand der Urteilserwägungen, des Vorstrafenberichts, wie der ungünstigen Berichte der Kantonsbehörden ergibt, dass Reinmann keinen einwandfreien Leumund hat ; der gerichtlichen Hauptverhandlung ist er unentschuldigt fern geblieben.

54. Jules Brahier, verurteilt am 8. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Münster zu 5 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Steuerbegleichung, längstens aber während 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 22.60 für 1925 betreffend.

: · Brahier wendet sich mit Eingaben an die Kantonsbehörden, die unter anderem den Erlass der Haftstrafe bezwecken. Hierzu macht er geltend, dass er infolge Erkrankung im Militärdienst entschädigungsberechtigt sei und der Militärsteuerpflicht nicht unterstehen könne.

Der Gemeinderat von Delsberg und der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten die Eingabe ; das Kantonskriegskommissariat und. die kantonale Polizeidirektion können das Gesuch nicht empfehlen. Die eidgenössische Steuerverwaltung äussert sich in längerem Bericht dahin, eine Begnadigung sei nicht am Platze.

.

Da sich aus der Art einer der Krankheiten, von denen Brahier befallen ist, ergibt, dass ein Kausalzusammenhang mit dem Militärdienst nicht bestehen kann, und Brahier aus dem Jahre 1918 eine längere Freiheitsstrafe auf weist, halten wir mit den kantonalen Oberbehörden und der eidgenössischen Steuerverwaltung dafür, das Gesuch sei abzuweisen.

Wir beantragen Abweisung.

55. Emil Heimann, verurteilt am 3. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Münster zu 5 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Steuerbegleichung, längstens aber während 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 55. 60 für 1925 betreffend.

Heimann der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe ; an der Hauptverhandlung sei er ausgeblieben, weil seine Frau damals im Wochenbett gewesen sei.
Der Gemeinderat von Bévilard, der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes, der Kantonskriegskommissär und die kantonale Polizeidirektion beantragen einhellig Abweisung.

.

653 Angesichts der nachträglichen Zahlung haben wir besonders geprüft, ob sich eine teilweise Begnadigung befürworten lasse. Wir beantragen jedoch Abweisung und beziehen uns hierzu auf die Abweisungsanträge der Kantonsbehörden, den Vorstrafenbericht und namentlich den Umstand, dass sich Heimaun dem Richter gegenüber äusserst saumselig benommen hat. Im übrigen wiederholen wir die bereits bei Portmann geltend gemachte allgemeine Er- wägung.

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56. Arnold Schwaller, verurteilt am 18. November 1925 vom Gerichtspräsidenten von Wangen a. A. zu l Tag Haft und l Jahr Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 21 -für 1925 betreffend.

Schwaller ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er habe um seinen Arbeitslohn prozedieren müssen, und die Steuerbehörden seien von seinem Anwalt dahin verständigt worden, die Steuer werde nach erfolgter Lohnzahlung entrichtet werden.

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Der Gerichtspräsident und Regierungsstatthalter von Wangen, das Kantonskriegskommissariat und die kantonale Polizcidirektion beantragen Abweisung.

· .'

Wir beantragen .desgleichen Abweisung. Schwaller hat die ihm vom Pächter zugebilligte Zahlungsfrist unbenutzt verstreichen lassen und ist der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben; der Richter bemerkt zutreffend, bei einigermassen gutem Willen hätte Schwaller mindestens Teilzahlungen leisten können. Weiterhin verweisen wir auf den Vorstraf enbericht.

57. Albert Gerber, verurteilt am 11. September 1925 von der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu 2 Tagen Haft, die Militärsteuer von Pr. 52. 60 für 1924 betreffend.

Gerber ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er sei vorübergehend arbeitslos gewesen; der Haftvollzug gefährde seine dermalige Anstellung.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonale Polizeidirektion beantragen Abweisung.

Wir b e a n t r a g e n ohne weiteres Abweisung und bemerken lediglich, dass Gerber nach dem Vorstrafenbericht bereits in den Jahren 1921 und 1922 wegen Nichtentrichtung der Militärsteuer verurteilt werden musste.

58: Adolf Mäi-ki, verurteilt am 15. Januar 1926 vom Bezirksgericht Brugg zu 8 Tagen Gefangenschaft, die Militärsteuer von Fr. 27. 80 für 1925 betreffend.

Märki ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Der Strafvollzug gefährde seine Stelle. Er sei die Stütze seiner betagten
Eltern. · Der Zahlungsverzug sei auf Arbeitslosigkeit zurückzuführen.

Auf Grund der eingehenden Urteilsbegründung und des Vorstrafenberichtes b e a n t r a g e n wir ohne weiteres Abweisung..

654

59. Heinrich Angst, geb. 1881, Landwirt, Walehwil (Zug), 60. Hans Marbot, geb. 1892, Kaufmann, zurzeit unbekannten Aufenthaltes.

(Kriegswucher.)

In Anwendung der Noterlasse vom 10. August 1914 und 18. April 1916 gegen den Kriegswucher sind verurteilt worden: 59. Heinrich Angst, verurteilt am 6, Dezember 1921 vom Obergericht des Kantons Zürich zu einer Woche Gefängnis und Fr. 2000 Busse.

In Betracht kommen Gehilfenschaftshandlungen bei wucherischem Aufkauf von zum Schmuggel bestimmtem Baumwollgarn, begangen im Februar 1918. Die Gefängnisstrafe ist verbüsst. Die Busse hat die Bundesversammlung als Begnadigungsbehörde in der Junisession 1922 antragsgernäss bis Fr. 900 ermässigt (Nr. 89 des II. Berichtes vom 23. Mai 1922, Bundesbl. II, 8.441/44).

Der Gemeinderat und die Armenpflege von Wil (Zürich) reichen heute für Angst ein zweites Gesuch ein, das den Erlass der Fr. 900 bezweckt. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich äussert sich eingehend über die seit dem ersten Begnadigungsentscheid. von den Strafvollzugsbehörden getroffenen Massnahmen und beantragt, die Busse gänzlich zu erlassen. Die kantonale Direktion . der Justiz schliesst sich diesem Antrag an.

Mit den Gesuchsanbringen und den Ausführungen der kantonalen Staatsanwaltschaft lässt sich zusammenfassend sagen, dass bei den bedrängten Verhältnissen des Angst eine Bezahlung der Busse schlechterdings nicht erfolgen konnte und dass die Anordnung der Umwandlungshaft in Berücksichtigung von Arztzeugnissen wiederholt hinausgeschoben werden musste. Angst, der seit fünf. Jahren auf dem Zugerberg als Pächter ein Heimwesen bewirtschaftet, bemüht sich nach einhelliger Auffassung der Unterbehörden mit äusserster Kraftanstrengung, für die zahlreiche Familie ehrlich zu sorgen. Darauf ist auch zurückzuführen, dass Behörden und Private um das Schicksal dieses Mannes in besonderer Weise bemüht sind. Die kantonale Staatsanwaltschaft bemerkt zutreffend, dass es die Strafvollzugsbehörden hier mit ausnahmsweise!!

Verhältnissen zu tun haben. Die Durchführung der Umwandlungsstrafe wäre eine offensichtliche Härte.

In Berücksichtigung der Tatsache, dass die Verfehlungen des Angst über acht Jahre zurückliegen und dass die seit der Verurteilung eingetretenen Verhältnisse von den kantonalen Strafvollzugsbehörden wiederholt eingehend geprüft worden sind, b e a n
t r a g e n wir ebenfalls, die Fr. 900, bzw. die entsprechende Umwandlungsstrafe von 8 Monaten, gänzlich zu erlassen.

60. Hans M a r b o t , verurteilt am 27. Februar 1923 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu einer Gefängnisstrafe von 3 Monaten und Fr. 10,000 Busse.

Marbot hat sich in den Jahren 1915/16 planmässig mit Schiebergeschäften befasst, insbesondere hat or unentbehrliche, mit der S.S. S'.-Klausel belastete

655

Waren dem einheimischen Konsum entzogen und der Ausfuhr dienstbar gemacht. Die Urteilserwägungen bezeichnen Marbot .als «Grosschieber».

Marbot ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe und der Busse, die nach «einen Angaben infolge Verrechnung einer Kaution noch Fr. 5000 ausmachen soll. Seit dem erstinstanzlichen Urteil, dessen Folgen ihn um Hab und Gut gebracht hätten, seien fünf "Jahre verflossen. In dieser Zeit habe er erfolglos versucht, sich eine neue Existenz zu schaffen; heute sei seine Gesundheit zerrüttet und könne nur in der Heimat besser werden. Man möge die Untersuchungshaft, die bezahlten Fr. 5000, die fünfjährige "Verbannung und den Verlust der Existenz in Berücksichtigung ziehen.

Wir beantragen ohne weiteres Abweisung. Abgesehen von der besonderen Schwere des Falles ist zu bemerken, dass Marbot sich dem Strafvollzug durch die Flucht ins Ausland entzogen hat und dass er auf Versuche der Strafvollzugsbehörde, mit ihm in Verbindung zu treten, nicht eingegangen ist. Im Jahre 1924 ist er vom Landgericht München wegen Betrugsversuchs und Unterschlagung zu l Monat Gefängnis und 8000 Mark Busse verurteilt worden.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 4. Mai 1926.

im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Motta.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1926). (Vom 4. Mai 1926.)

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12.05.1926

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