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Bundesblatt

78. Jahrgang.

Bern, den 17. Februar 1926.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 2O Franken Im Jahr, l» Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 60 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stampfli & Cie. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 7. Dezember 1925 betreffend Abänderung der Verordnung vom 29. November 1921 über die Kontrolle der Ausländer.

(Vom 8. Februar 1926).

Das Einreisevisum, das ursprünglich eingeführt worden war, um den Ausländer, der in die Schweiz einreisen wollte, vor der Einreise nach seiner Persönlichkeit und nach dem in unserem Lande zu verwirklichenden Einreisezweck zu prüfen, hat heute, wenigstens soweit es für die mit einem gültigen, von dem von der Schweiz anerkannten Heimatstaat ausgestellten Reisepass versehenen Ausländer noch verlangt wird, in der Hauptsache nur noch den Zweck zu erfüllen, die Massenzuwanderung fremder Arbeitskräfte abzuhalten.

Wir haben deshalb, von der in Art. l, Abs. 2, der Verordnung über die Kontrolle der Ausländer vom 29. November 1921 enthaltenen Befugnis Gebrauch machend, das Visum für die Angehörigen folgender Staaten aufgehoben: Gänzlich, und ohne die Reziprozität zu verlangen, für die Angehörigen aller amerikanischen Staaten, Chinas und Japans ; ebenfalls gänzlich auf Grund von Abkommen, die die Gegenseitigkeit gewährleisten, für die Angehörigen von England, Spanien, Belgien, Holland, Dänemark, Schweden, Norwegen und Liechtenstein; teilweise, mit Ausnahme der Einreise zum Stellenantritt und auf Grund von Abkommen, die die Gegenseitigkeit gewährleisten, mit Frankreich und Luxemburg. Die Angehörigen dieser Staaten kommen für die Belastung des schweizerischen Arbeitsmarktes nicht in Betracht. Anderà verhält es sich mit den Angehörigen unserer Nachbarstaaten Italien, Deutschland und Österreich. Diese Staaten sind im Frühjahr und Sommer 1925 an uns herangetreten mit Anträgen auf Abschluss von Vereinbarungen über die gegenseitige Aufhebung des Visums. Da die Angehörigen dieser Staaten an der Überfremdung unseres Landes und an der Belastung unseres Arbeitsmarktes Bundesblau. 78. Jahrg. Bd. I.

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den Hauptanteil haben, fühlten wir uns verpflichtet, die Frage zuerst mit den Kantonen zu besprechen, und unterbreiteten sie der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, die am 14. September 1925 in Freiburg stattfand. Diese Konferenz zeigte eine allgemeine Tendenz zum Abbau der Visumsi'ormalitäton, überhaupt der Verkehrshernmungen, soweit es die kurzfristigen Aufenthalter angeht. Erhebliche Bedenken wurden geäussert mit Bezug auf diejenigen Fremden, welche zum Zwecke der Arbeitsannahme zu uns kommen, Bedenken, die hauptsächlich den Zweifeln der kantonalen Polizeidirektoren an dem Genügen der Inlandskontrolle entsprangen. Die weitere Prüfung der Angelegenheit hat uns denn auch zur Überzeugimg geführt, daga schon die Aufhebung des Visums für kurzfristige Einreisende aus den genannten Nachbarländern die mindestens gleichzeitige Verbesserung der Inlandskontrolle erheische, weil eben schon die Möglichkeit der Einreise ohne Visum, die dann auch für Arbeitsuchende missbräuchlich freisteht, die ganze Kontrolle von der Grenze auf die Inlands behörden abwälzt.

Der Ausgangspunkt für die Durchführung der Kontrolle der Ausländer im Inlande ist die möglichst baldige Erforschung des Aufenthaltszweckes und die Festlegung des Ausländers auf denselben. Solange das Visum besteht, wird der Aufenthaltszweck vom Konsulat bei der Visumserteilung im Passe vermerkt. Nach Aufhebung des Visums fällt diese Aufgabe derjenigen Inlandsbehörde zu, die mit dem Ausländer zuerst in Berührung kommt, also der Ortspolizeibehörde. Wohl kannte die Verordnung vom 29, November 1921 schon die Meldepflicht des erwerbstätigen Ausländers spätestens am achten Tage nach Grenzübertritt. Diese Vorschrift mochte unter der Herrschaft des Visums, mit dem der Ausländer, wie bereits ausgeführt, auf den Zweck des Aufenthaltes festgelegt war, genügen. Im Hinblick auf dio Verlegung des Schwerpunktes der Kontrolle auf das Inland musste diese Meldepflicht ergänzt werden durch diejenige des Arbeitgebers. Die vorberatenden Instanzen hatten zunächst ein Verbot für den Arbeitgeber, Ausländer anzustellen, die keine Bewilligung zum Stellenantritt besitzen, zur Diskussion gestellt. Nachdem an der Polizeidirektorenkonferenz von baslerischer Seite darauf aufmerksam gemacht worden war, dass im Kanton Basel bereits eine Meldepflicht des Arbeitgebers
bestehe, mit der gute Erfahrungen gemacht worden seien, wurde dieser Gedanke fallen gelassen, und wir Hessen es bei der Meldepflicht des Arbeitgebers bewenden. Zugleich haben wir Abs. 8 des Artikels 14 dahingehend ergänzt, dass wir Privaten, welche gegen Entgelt Ausländer beherbergen, die gleiche Meldepflicht auferlegten vfie den Inhabern von Hotels etc.

Da Art. 19, letzter Absatz, der Verordnung vom 29. November 1921 nur bestimmt, dass die langfristigen Erwerbstätigen eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben dürfen vor Erledigung der Einsprache, musste eine allgemeine Bestimmung aufgestellt werden, welche auch die zuwiderhandelnden kurzfristigen Erwerbstätigen (Saisonarbeiter, Dienstmädchen) trifft. Diese Bestimmung ist im neuen Art. 17M9 enthalten. Die übrigen Erwerbstätigen bedürfen einer Bewilligung, wenn die Erwerbstätigkeit länger als acht

327 Tage dauert. Damit werden auch sie nach kurzer Zeit erfasst; auch diejenigen, welche angeblich nicht zum Stellenantritt, sondern als stille Teilhaber, Gesellschafter usw. eingereist sind und deshalb glaubten, das Einreisevisum umgehen zu können. Ferner ist der Wechsel der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung untersagt. Niederlassung im Sinne des Art. 17Ws verschaffen die gemäss den eidgenössischen Verordnungen mit Zustimmung der Zentralstelle oder die.vor Geltung dieser Verordnungen nach kantonalem Hecht erteilten Bewilligungen zur Niederlassung bzw. zu langdauerndem Aufenthalt.

Der Vorwurf der Unzulänglichkeit wurde der Inländskontrolle besonders von den Arbeitsämtern gemacht, die sich über den mangelnden Kontakt zwischen den kantonalen Fremdenpolizeibchörden und den kantonalen Arbeitsämtern beklagten. Art. 17, Abs. 8, der Verordnung vom 29. November 1921 wurde deshalb neu gefasst, so dass die Verpflichtung der kantonalen Fremdenpolizeibehörden, vor Erteilung der Bewilligung die Begutachtung der kantonalen Arbeitsvermittlungsstelle einzuholen, wenn der Ausländer beabsichtigt, eine Stelle anzutreten, deutlicher zum Ausdruck kommt. Im übrigen wurden die Kantone aufgefordert, für einen engern Kontakt zwischen Fremdenpolizei und Arbeitsamt besorgt zu sein, da die persönliche Fühlungnahme zwischen den interessierten Amtsstellen weit mehr eine lückenlose Kontrolle gewährleisten kann als Detailvorschriften, die den ganzen Kontrollapparat nur erschweren müssten, ohne dass sie die Erreichung des gewollten Zweckes : Schutz des Arbeitsmarktes, fördern könnten. Die Vorschrift des dritten Absatzes des Art. 17, in Verbindung mit dem neuen Art. 17Ws genügt unseres Erachtens vollständig, wenn ihre Einhaltung strikte überwacht und sie durch die Behörden vernünftig angewandt wird.

Art. 21, Abs. 3, der Verordnung vom 29. November 1921 (Strafbestimmungen) ist entsprechend den Ergänzungen des Art. 14 und dem neuen Art. 17bi8 ergänzt worden.

In Art. 88 der Verordnung ist nicht angegeben, in welcher Frist der Eekurs einzureichen sei. Analog Art.178, Ziff.3, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 wurde bisher eine Frist von 60 Tagen angenommen. Diese ist zu lang, sie verzögert und erschwert die Abschiebung des Ausländers und wurde deshalb auf 80 Tage herabgesetzt, entsprechend
dem Bestreben, alle Eekursfristen des eidgenössischen Eechtes auf diese Frist zu vereinheitlichen. Dieselbe ist auch in Art. 49, lit. c, des Entwurfes vom 27. März 1925 zu einem Bundesgesetze über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege vorgesehen.

Österreich hat unsern Antrag, das Visum gegenseitig aufzuheben für die beiderseitigen Staatsangehörigen, die nicht zum Zwecke des Stellenantrittes einreisen wollen, angenommen. Dag Abkommen ist auf 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten. Auch mit Deutschland ist eine Einigung zustande gekommen.

Zwar konnte die deutsche Eegierung der bloss teilweisen Aufhebung des Visums, wie wir sie vorgeschlagen hatten, nicht beipflichten, und wurde das Visum

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gänzlich aufgehoben. Doch ist an Stelle des Visums zum Stellenantritt die Einholung der Bewilligung zum Stellenantritt vor der Einreise erforderlich, die in der gleichen "Weise beschafft werden muss wie das Visum, so dass praktisch an unserem Vorschlag nichts geändert wurde. Das Abkommen mit Deutschland ist auf den 20. Januar in Kraft getreten. Von Italien haben wir noch keine Antwort auf unsern Vorschlag.

Wir sind uns bewusst, dass die durch den vorliegenden Beschluss in der Verordnung vom 29. November 1921 verfügten Abänderungen nicht eine reine Abbaumassnahme darstellen. Doch ist der Ausgangspunkt -- Abbau der Visumsvorschriften mit den Nachbarländern Italien, Deutschland und Österreich -- von solcher Tragweite für die Fremdenkontrolle im Inland, namentlich was den Schutz des Arbeitsmarktes anbetrifft, dass ein .Gegengewicht geschaffen werden musste durch eine Verbesserung dieser Kontrolle.

Ein Abbau ohne diese verschärfende Ergänzung der bestehenden Bestimmungen wäre überhaupt ausgeschlossen, so dass sie wohl mit Fug als Bestandteil des Abbaues betrachtet werden körnen. Der Bundesratsbeschluss vom 7. Dezember 1925 dürfte wohl eine letzte Übergangsetappe vor der Vorlage eines Ausführungsgesetzes zum Art. 69ter der Bundesverfassung sein.

Wir beantragen, nach Art. 2, Abs 3, des Bundesbeschlusses vom 19. Oktober 1921 betreffend die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates zu beschliessen, dass der Bundesratsbeschluss vom 7. Dezember 1925 betreffend Abänderung der Verordnung vom 29. November 1921 über die Kontrolle der Ausländer weiter in Kraft bleiben solle.

Bern, den 8. Februar 1926.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Häberlin.

Der Vizekanzler: Contât.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 7.

Dezember 1925 betreffend Abänderung der Verordnung vom 29. November 1921 über die Kontrolle der Ausländer. (Vom 8. Februar 1926).

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