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No 2

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Bundesblatt

78. Jahrgang.

Bern, den 13. Januar 1926.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 2O Franken im Jahr, Ht Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Bericht des

Bandesrates an die Bundesversammlung über das Postulat des Ständerates vom 10. Juni 1925 betreffend die allfällige Abänderung des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1902 über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat, sowie über die Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Beschlüssen.

(Vom 5. Januar 1926.)

Am 10. Juni 1925 hat der Ständerat bei der Behandlung des Geschäftsberichtes des Bundesrates für das Jahr 1924 folgendes Postulat angenommen : ,,Der Bundesrat wird mit Rücksicht auf die zwischen dem Reglement des .Nationalrates und dem Reglement des Ständerates bestehenden Abweichungen in bezog auf die Definition der "Motionen" und ,,Postulate" ersucht, zu prüfen, ob es nicht angebracht wäre, die notwendige Übereinstimmung durch die Revision des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1902 über den Geschäftsverkehr, zwischen dem Nationalrat, dem Ständerat und dem Bundesrat herzustellen. Ein einschlägiger Bericht wird der Bundesversammlung vorgelegt werden. " Wir erstatten Ihnen hiermit den in diesem Postulat verlangten Bericht.

1.

Bei der Behandlung der durch das Postulat gestellten Aufgabe sind zwei Fragen auseinanderzuhalten, nämlich: 1. in welcher Form können in den Kammern Anträge gestellt werden?

2. was hat mit den Beschlüssen der Kammern zu geschehen?

Auch die parlamentarische Gesetzgebung hält diese beiden Fragen reinlich auseinander : die Formen der Antragstellung werden in den GeBundesblatt. 78. Jahrg. Bd. I.

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schäftsreglementen der Räte behandelt, die Frage, was mit den Beschlüssen der Kammern zu geschehen hat., wird im Bundesgesetz vom 9. Oktober 1902 über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat, sowie über die Form des Erlasses und die Bekanntmachung von Gesetzen und Beschlüssen beantwortet. Das entspricht durchaus dem Zweck der in Betracht fallenden Erlasse. Die Geschäftsreglemente, die von jeder Kammer selbständig aufgestellt werden, setzen den Gang der Beratungen innerhalb der einzelnen Kammer fest, müssen also auch darüber Bestimmungen aufstellen, wie diese Beratungen in Gang kommen, d. h. über die Antrag Stellung; das Geschäftsverkehrsgesetz .regelt die Beziehungen zwischen "den eidgenössischen Räten, es knüpft da an, wo die Geschäftsreglemente ihrem Zweck nach .aufhören, nämlich bei der Beschlussfassung der Kammern, und setzt fest, wie sich die Beschlüsse der Kammern in den Beziehungen der beiden Kammern zueinander und zum Bundesrat auswirken sollen.

Das Geschäftsverkehrsgesetz hat es also lediglich mit den B e s c h l ü s s e n der Kammern zu tun. Das Wort ,,Postulat" kommt denn auch im GeschäftsVerkehrsgesetz überhaupt nicht vor, und das Wort "Motion" wird in Art. +, Abs. 3, des Gesetzes lediglich gebraucht, um die auf einer Antragstellung aus dem Schoss der beschliessenden-Kammer beruhenden Gesetzes- oder Beschlussesentwürfe zu unterscheiden von den in Abs. 2 genannten, vom Bundesrat oder von, der andern Kammer ausgehenden Vorlagen. Während unter Motionen und Postulaten im allgemeinen Anträge verstanden werden, die an den Bundesrat in befehlender oder nicht befehlender Form ein Ansinnen stellen, bezeichnet "Motion1" in Art. 4, Abs. 3, des Geschäftsverkehrgesetzes einen Antrag, der auf die Fassung eines Bundesbeschlusses oder auf den Erlass eines Bundesgesetzes abzielt, ohne dass hierfür eine Antragstellung des Bundesrats gefordert würde. Die Motion ist hier gedacht als Form der Ausübung des auf Art. 93, Abs. l, der Bundesverfassung beruhenden Initiativrechtes durch die Mitglieder der Kammern.

Einer Motion in diesem Sinne entsprang beispielsweise der Bundesbeschluss vom 23. Juni 1920 über die Ruhegehalte der Mitglieder des Bundesrates.

Das Wort ,,Motion" wird somit in Art. 4, Abs. 3, des Geschäftsverkehrsgesetzes nicht im gewöhnlichen Sinn verwendet, es steht
nicht im Gegensatz zu ,,Postulat" und dient an dieser Stelle namentlich nicht etwa dem Zwecke einer Begriffsabgrenzung gegenüber dem Postulat. Aus der vereinzelten Verwendung des Wortes ,,Motion" im Geschäftsverkehrsgesetz kann somit nicht geschlossen werden, dass die Bestimmung der Begriffe ,,Motion"· und,,Postulat,"" in das Geschäftsverkehrgesetz gehöre. Vielmehr kann dieses Gesetz nicht nur, es muss seinem Zwecke nach von der Form der Antragstellung, die zu einemBeschlusss in einer Kammer führt, absehen. Dies schon aus dem sehrnaheliegendenn Grunde, dass die Form, i n , d e r e i n n Antrag ineiner' Kammer gestellt -wirrt, im Lauf derBeratung1 in dieser Kammer jederzeit vom antragstellenden Mitglied abgeändert werden kann, was gerade bei Motionen und Postulaten gar nicht selten

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geschieht. Das Geschäftsverkehrsgesetz bedarf, um seinen Zweck zu erfüllen, der Umschreibung der Begriffe ,,Motion" und ,,Postulat" durchaus nicht. Sie in das Gesetz aufzunehmen wäre somit zweckwidrig, wie denn überhaupt die Aufstellung eigentlicher abstrakter Begriffsbestimmungen in Gesetzen besser vermieden wird.

Auf Grund der vorstehenden Erwägungen kommen wir somit dazu, die im Postulat des Ständerats aufgeworfene Frage, ob es nicht angebracht wäre, die notwendige Übereinstimmung in der Umschreibung der Begriffe ,,Motion" und ,,Postulat" durch Abänderung des Geschäftsverkehrsgesetzes herbeizuführen, zu verneinen. Diese Nichtübereinstimmung kann aus der Welt geschafft werden, ohne dass dazu der ganze Gesetzgebungsapparat in Bewegung gesetzt werden müsste. Hierüber gestatten wir uns, im folgenden noch einige Bemerkungen anzubringen.

II.

Klagen über die Unsicherheit in der Behandlung von Motionen und Postulaten sind schon früher laut geworden. Doch scheint allerdings diese Unsicherheit seit der Aufstellung des neuen Geschäftsreglements des Nationalrats im Jahr 1920 noch zugenommen zu haben. Geht man den Ursachen, dieser Erscheinung nach, so zeigt sich, dass sie herrührt von der Mangelhaftigkeit der in den Gesehäftsreglementen enthaltenen Umschreibung der genannten Formen der Antragstellung überhaupt und insbesondere von der Nichtübereinstimmung dieser Begriffsbestimmungen in den Geschäftereglementen der beiden Rammern. Im einzelnen lässt sich hierüber kurz zusammengefasst folgendes sagen : In den Geschäftsreglementen des Ständerats vom 27. März 1903 und des Nationalrats vom 5. Juni 1903 decken sich nach der Begriffsbestimmung die ,, Anträge und Motionen"- des Art. 63 des ständerätlichen Reglements ungefähr mit den ,,Motionen" des Art. 41 des nationalrätlichen Reglements. Dagegen fehlt im ständerätlichen Reglement eine Umschreibung des Begriffes "Postulat" während das nationalrätliche Reglement (Art. 42) eine solche enthält. Zur Begriffsbestimmung der "Motionen" oder ,,Anträge oder Motionen" wird abgestellt auf das Merkmal, daas diese Anträge ,,neue, von den vorgelegten Beratungsgegenständen unabhängige Fragen betreffen" (Regl. des StR.), oder dass diese Anträge ,,sich nicht auf eine schon in Beratung liegende Angelegenheit beziehen" (Regl.

des NR.). Diese Begriffsbestimmungen sollten offenbar neben der Motion im gewöhnlichen Sinn auch den Sonderfall der in Art. 4, Abs. 3, des Geschäftsverkehrsgesetzes erwähnten Motion als Ausübung des Initiativrechtes der Mitglieder der Kammern gemäss Art. 93, Abs. l, der Bundesverfassung einbegreifen. Dagegen ist dieses Bestreben bei der Umschreibung der Begriffe ,,Motion" und ,,Postulat" im neuen Geschäftsreglement des Nationalrates vom 17. Dezember 1920 etwas in den Hintergrund ge-

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treten. Wohl heisst es in der deutsehen Fassung von Art. 42, Abs. l, des neuen Geschäftsreglements: ,,Motionen sind selbständige Anträge ..."; allein dasselbe Wort ,,selbständige" wird auch zur Charakterisierung der Postulate in Art. 42, Abs. 2, verwendet. Die französische Fassung beider Bestimmungen gibt übrigens das Wort ,,selbständige" nicht wieder.

AH dies lässt darauf schliessen, dass bei der neuen Begriffsumschreibung der ,,Motion1' am angeführten Orte bewusst oder unbewusst auf die Berücksichtigung der Motion im Sinne von Art. 4, Abs. 3, des Geschäftsverkehrsgesetzes verzichtet wurde. Das zeigt sich deutlich darin, dass sowohl bei der Definition der Motion als bei derjenigen des Postulats als Begriffsmerkmal die Einladung an den ßundesrat zu einem bestimmten Tun verwendet wird, welches Begriffsmerkmal der Motion im Sinn von Art. 4, Abs. 3, des Geschäftsverkehrsgesetzes gerade abgeht. Damit aber trat die Frage in den Vordergrund, was mit den in der einen Kammer angenommenen Motionen und Postulaten geschehen soll. Das Hauptbestreben bei der Umschreibung der Begriffe ,,Motion" und ,,Postulat" im neuen Geschäftsreglement des Nationalrates war daher darauf gerichtet, hierüber Klarheit zu schaffen (vgl. Art, 42, Abs. 3) und damit der im Vorstehenden erwähnten Unsicherheit der Behandlung von ,,Motionen" und ,,Postulaten" abzuhelfen, d. h.

von vornherein sicherzustellen, welche Geschäfte dieser Benennungen noch vom Ständerat zu behandeln sind, nachdem der Nationalrat darüber Beschluss gefasst hat. Dieses Ziel wurde durch starke Anlehnung an Art. 14 des Geschäftsverkehrsgesetzes erreicht, der übrigens in Art. 42. Abs. 3, des Geschäftsreglements des Nationalrats angerufen wird. Wenn dennoch mit dem Erlass des neuen Geschäftsreglements des Nationalrats die erwähnte Unsicherheit eher noch schärfer zutage trat, so liegt dies wohl daran, dass die Bezeichnung des befehlenden Antrages mit ,,Motion" und die Bezeichnung des nichtbefehlenden, den Buudesrat bloss um Bericht und Antrag ersuchenden Antrags als ,,Postulat" nicht völlig dem entspricht, 'was wahrend der Herrschaft der Geschäftsreglemeate vuii 1903, wenn auch nicht ohne Schwankungen^ Eegel geworden war und eher dahin ging, den befehlenden Antrag mit dem Namen ,,Postulat", den nichtbefehlenden Antrag mit dem Namen ,,Motion"1 zu bezeichnen. Mag dem
aber sein, wie ihm wolle, so lässt sich doch nicht leugnen, dass die Begriffsbestimmungen in Art. 42 des neuen Nationalratsreglements geeignet sind, der mehrerwähnten Unsicherheit zu steuern. Sie wird gänzlich verschwinden, wenn sich die Begriffsbestimmungen einmal völlig eingelebt haben und sich die Antragsteller in beiden Kammern streng daran halten. Es ist jedoch ohne weiteres klar, dass dieses Ziel am zweckmassigsten und am wirksamsten durch Herstellung der Übereinstimmung zwischen beiden Ratsreglementen erreicht wird, und es wäre daher sehr zu begrüssen, wenn diese Übereinstimmung bald verwirklicht würde.

Mit den vorstehenden Ausführungen glauben wir, dem eingangs erwähnten Postulat des Ständerates Genüge getan und gezeigt zu haben,

21 dass es durchaus in der Hand der gesetzgebenden Räte liegt, von sich aus den Unzukömmlichkeiten abzuhelfen, die dem Ständerat Anläse zur Aufstellung Beines Postulates gegeben haben.

Wir benützen auch diesen Anlass, Sie unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 5. Januar 1926.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Häberlin.

Der Bundeskanzler: Käslin.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 5. Januar 1926.)

In die eidgenössischen medizinischen Prüfungskommissionen für den Prüfungssitz Genf werden gewählt : als Mitglieder der Fachprüfungskommission für Ärzte : Herr Dr. Charles J u l l i a r d , ausserordentlicher Professor für Unfallmedizin; Herr Dr. Franz Na v i l l e , Dozent für gerichtliche Medizin, beide in Genf; als Ersatzmann dieser Kommission: Herr Dr. Fritz L o u p , Privatdozent der Pharmakologie, in Genf; als Mitglied der Fachprüfungskommission für Zahnärzte: Herr Dr.

Alfred V e y r a s s a t , ordentlicher Professor für allgemeine Chirurgie, in Genf; als Ersatzmann dieser Kommission: Herr Dr. Charles J u l l i a r d , ausserordentlicher Professor für Unfallmedizin, in Genf; als Mitglied der Fachprüfungskommission für Apotheker: Herr Dr.

Emil C h e r b u l i e z , ausserordentlicher Professor für pharmazeutische Chemie, in Genf.

Es werden folgende Bundesbeiträge bewilligt: 1. dem Kanton Aargaü an die auf Fr. 99,000 veranschlagten Kosten der Güterzusammenlegung auf dem "Chriesiberg", Gemeinde Zuzgen, 30 %, im Maximum Fr. 29,700 ; .

2. dem Kanton Tessin zuhanden der Corporazione gordolcse in Gordola an die zu Fr. 4900 veranschlagten Kosten einer Stallbaute auf der Alu Mognora. Gemeinde Gordola. 40 %% im Maximum Fr. 1960

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Postulat des Ständerates vom 10. Juni 1925 betreffend die allfällige Abänderung des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1902 über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat, ...

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