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z* 2097 II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung üf>er Begnadigungsgesuche (Junisession 1926).

(Vom 25. Mai 1926.)

"Wir beehren uns, unter Torlage der Akten, Ihnen über weitere 21 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

61. Paul Herrmann, geb. 1879, Stationsvorstand, Bohrbach (Bern).

(Eisenbahngefährdung.)

61, Paul Herrmann ist am 4. April 1924 von der ersten Strafkammer ·des Obergerichts des Kantons Bern gestützt auf Art. 67, Abs. 2, des Bundesetrafrechtes wegen fahrlässiger, erheblicher Gefährdung des Eisenbahnverkehrs zu 2 Tagen Gefängnis und Fr. 50 Busse verurteilt worden.

Stationsvorstand Herrmann hat am 14. August 1922 einem durch Glockensignal gemeldeten Zug die Einfahrt in die Station Bohrbach freigegeben, obschon ein anderer Zug noch ein Manöver auszuführen hatte; in der Folge konnte der einfahrende Zug rund 60 Meter vom manöverierenden entfernt zum Stehen gebracht werden. Das Manövrierpersonal war vom öffnen des Einfahrtssignals nicht verständigt worden. Ferner fällt Herrmann zur Last, am 10, Dezember 1922 einem Zuge die Einfahrt freigegeben zu haben, ohne vorher die Stellung der Weichen zu überprüfen. Im letzten Augenblick erkannte er die falsche Weichenstellung, worauf es ihm gelang, den Zug wenige Meter vor einer Wagenreihe zu stellen.

Mit Eingabe vom 19. Februar 1926 wird für Herrmann um Erlass der Gefängnisstrafe ersucht und hierzu im wesentlichen angebracht, Herrmann empfinde das Schimpfliche der Freiheitsstrafe als eine übermässig harte Ahndung seiner Verfehlungen. Die Fälle hätten, namentlich da nicht der geringste Schaden eingetreten sei, als leichter Art erklärt und mit einer Busse erledigt -werden sollen. Am 14. August habe Herrmann, der mit Arbeit überhäuft gewesen sei, annehmen können, das Manövrierpersonal werde dem einfahrenden Gegenzug Bechnung tragen. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass Herrmann keine Vorstrafen aufweise, dass seine Verfehlungen nahezu vier Jahre zurücklägen und schliesslich, dass er sich seither keine Unregelmässigkeiten mehr habe zuschulden kommen lassen.

Die Eisenbahn- and die Polizeidirektion des Kantons Bern, ebenso dio Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndeparternentes, beantragen -einhellis Abweisung.

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Die eidgenössische Polizeiabteilung hat im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft Strafaufschub erteilt bis zur Erledigung des Gesuches durch die Bundesversammlung.

Wir beantragen mit den Vorinstanzen Abweisung. Die Eisenbahnbehörden bemerken zutreffend, dass Herrmann in beiden Fällen wichtige Dienstvorschriften missachtet habe und dass sich ein besonderes Entgegenkommen nicht rechtfertige ; in den Einzelheiten verweisen wir auf die Vernehnv lasBungen selbst. Die Niehtanordmmg des Strafvollzuges während zweier Jahre gab den Bundesbehörden Anlass, sich über die auffällige Unterlassung besonders zu erkundigen, worauf Bericht einlangte. Herrmann habe seinerzeit die sofortige Einreichung eines Begnadigungsgesuches in Aussicht gestellt.

Bei dieser Sachlage muss es verwundern, dass das endlich eingereichte Gesuch unter anderem mit dem langen Zeitablauf begründet werden will. In Wirklichkeit ergibt sich, dass Herrmann keineswegs zu hart bestraft worden ist und dass der Strafvollzug .längst hätte durchgeführt werden sollen. Eine Begnadigung wäre hier eine verfehlte Massnahme.

62. Robert Hächler, geb. 1885, Schmied, Eohr (Aargau).

(Bahnpolizei.)

62. Eobert Hächler ist am 9. September 1925 vom Bezirksgericht Aarau gestützt auf die Art. 5 und 8 des Bundesgesetzes betreffend die Handhabung der Bahnpolizei vom 18. Februar 1878 zu Fr. 40 Busse verurteilt worden; die Staatsgebühr und übrigen Kosten betragen Fr. 36. 70.

Hächler hat im Juni letzten Jahres zwischen Aarau und Rupperswil Wegübergangsschranken der. S. B. B. eigenmächtig geöffnet und sich den Weg über die Bahn erzwungen, wobei er einen Bahnangestellten, der abmahnte, in gröblicher Weise beschimpfte.

Hächler ersucht um Erlass der Busse, da er für sieben Personen zu sorgen habe, durch Krankheiten in Rückstand gekommen sei und die Busse unmöglich aufbringen könne.

Das Bezirksgericht Aarau enthält sich eines Antrages mit dem ausdrücklichen Bemerken, es werde auf die Akten verwiesen.

Wir beantragen Abweisung, in Erwägung, dass das Vorgehen Hächlers, insbesondere angesichts seines Verhaltens gegenüber dem Bahnangestellten, «ine fühlbare Busse rechtfertigt und dass er sich die Höhe der Gerichtskosten selbst zuzuschreiben hat, indem er gegen den Strafbefehl gänzlich unbegründet Einspruch erhob.

68. Josef Thommer, geb. 1874, Landwirt,- Lengnau (Aargau),
64. Georg Eggler, geb. 1904, Gärtnergehilfe, Meggen '(Luzern), 65. Alexander Walter, geb. 1884, Landwirt, Mühledorf (Solothurn).

(Lehensmittelpolizei.)

Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. I.

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Gestützt auf Art, 86 ff. des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensrnitteln und Gebrauchsgegenständen vom, 8. Dezember 1905 sind verurteilt -worden: 63. Josef Thommer, verurteilt am 21: Mai 1924 vom Bezirksgericht Zurzach zu 2 Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse.

Thommer hat am 5. April 1924 Milch in den Verkehr gebracht, die mit 14 bis 18 % gewässert war.

Thommer ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er neuerdings beteuert, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Da die Ehefrau seit Jahren krank darniederliege, besorge er den landwirtschaftlichen Betrieb mit den drei noch schulpflichtigen Kindern, was zu vielerlei Ungemach führe. Auch heute könne er nicht anders, als Unachtsamkeit eines Kindes vermuten. Er habe jahrelang die Milch ohne jede Beanstandung an einen Polizeiposten geliefert.

Der Gemeindeschreiber von Lengnau hält dafür, dass die Verhältnisse Thommers eine Begnadigung entschieden rechtfertigen. Das eidgenössische Gesundheitsamt kann das Gesuch zur Berücksichtigung empfehlen. Thommer wird als unbescholtener Bürger bezeichnet, den schwere Familienverhältnisse bedrängen und dem zugute gehalten werden könne, dass ihm eine einmalige Fahrlässigkeit zur Last falle.

Da Kommiserationsgründe vorliegen und Thommer neben der Freiheitsstrafe noch mit Fr. 100 Busse bestraft worden ist, beantragen wir den Erlass der Gefängnisstrafe.

64. Georg Eggler, verurteilt am 8. März 1926 vom Bezirksgericht Bremgarten zu 5 Tagen Gefängnis und Fr. 50 Busse.

Eggler ist verurteilt worden, weil die von ihm als Knecht in die Käserei verbrachte Milch sich als mit rund 29 % gewässert erwies; das Gericht hielt dafür, Eggler habe die Milch vorsätzlich verfälscht.

Eggler ersucht um Erlass von Gefängnisstrafe und Busse. Er bestreitet neuerdings jegliches Verschulden, ferner schreibt er, der Vollzug der Gefängnisstrafe bringe ihn um seine Stelle und die Busse treffe ihn, da er die elterliche Familie unterstütze, übermässig schwer.

Das urteilende Gericht hat beschlossen, das Gesuch nicht zu empfehlen.

Das eidgenössische Gesundheitsamt beantragt Abweisung.

Wir beantragen desgleichen Abweisung, in der Meinung, es sei auf die 'Schuldfrage nicht einzutreten und die Begnadigung hege nicht besonders nahe.

65. Alexander Walter, gemäss Straf Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten von Bucheggberg-Kriegstetten
vom 9. April 1926 mit Fr. 20 gebüsst, weil die am 21. Oktober 1925 aus seinem Betrieb in Verkehr gebrachte Morgenmilch deutlich sichtbare Mengen von Schmutz aufwies.

Walter ersucht um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse; da sein Knecht gemolken habe, falle ihm selbst kein Verschulden zur Last.

Die Käsereigesellschaft Mühledorf befürwortet das Gesuch, da Walter sonst einwandfreie Milch liefere.

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Wir beantragen mit dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn> das Gesuch abzuweisen. Ohne auf die Schuldfrage einzutreten, mag bemerkt werden, dass für die Ablieferung einwandfreier Milch in erster Linie der Landwirt und nicht der Knecht verantwortlich ist, ferner weist Walter bereits eine Busse, auf und schliesslich ergibt sich, dass er durchaus in der Lage ist, die keineswegs übersetzte Busse zu bezahlen. Bas Begnadigungsgesuch wäre besser unterblieben.

66. Hans Bachmann, Metzgermeister, Brittnau (Aargau).

(Lebensmittelpolizei.)

66. Hans Bachmann ist am 22. August 1925 vom Bezirksgericht Zofingen in Anwendung der Art. 29,80 und 44 der Verordnung betreffend das Schlachten, die Fleischschau und den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren vom 29. Januar 1909 zu Fr. 20 Busse verurteilt worden. Ein Wiederherstellungsgesuch wurde vom Bezirksgericht am 6. März 1926 abgewiesen, jedoch der Gesuchsteller hierbei in den Motiven des Entscheides zur Begnadigung empfohlen.

Bachmann hat im Juni 1925 frisch geschlachtetes Fleisch in kleinen Stücken von Brittnau aus in Zofingen verkauft, ohne die für derartige Verkäufe erforderliche Bewilligung eingeholt zu haben.

Bachmann ersucht um Erlass von Busse und Kosten im Gesamtbeträge von Fr. 61. In der nicht gelbst verfassten Eingabe wird geltend gemacht, der Vorbesitzer der von Bachmann im Frühjahr 1925 käuflich erworbenen Metzgerei habe seit Jahren unbeanstandet Fleisch in andere Gemeinden geliefert, bis ein Kreisschreiben der Kantonsbehörden von 1924, das in der Folge wider-' rufen worden sei, diea gänzlich untersagt habe. Auf Grund des nunmehrigen Kreisschreibens sei Bachmann die nachgesuchte Bewilligung ohne weiteres erteilt worden. Da die Verurteilung, wie das Wiederherstellungsverfahren, mit dem widerrufenen Kreisschreiben zusammenhange, erweise sich die Begnadigung als angemessen,.

Das Bezirksgericht von Zofingen erneuert die Befürwortung des Gesuches, und das eidgenössische Veterinäramt erklärt, sich der Stellungnahme des Gerichtes anschliessen zu können.

Auf Grund der Gesuchsanbringen und namentlich in Erwägung, .dass Bachmann infolge der beiden Verfahren ohnehin mit Fr. 41 Kosten belastet bleibt, beantragen wir, die Busse von Fr. 20 zu erlassen.

67. Anna Maria Meier, geb. 1887, Ehefrau des Franz, Laupersdorf (Solothurn).

(Fis chereipòlizoi.)
67. Anna Maria Meier ist am 2, März 1926 vom Amtsgericht Balsthal in Anwendung der Art. 21 und 81, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 und Art. l der Verordnung vom 17. April

720 1925 zu Fr. 50 Busse verurteilt worden, weil sie in ein Fischgewässer ein ver: endetes Huhn geworfen hat.

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Frau Meier ersucht um Erlass von Busse und Kosten, da deren Betrag siff bei den vorhandenen Familienverhältnissen überaus empfindlich treffe.

Angesichts der Geringfügigkeit des Vorfalles und der durch den. Polizeibericht mitgeteilten Kommiserationsgründe beantragen wir mit dem urteilenden Gericht, dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn und der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, die Busse gänzlich zu erlassen. Mit der Kostenauflage kann sich die Begnadigungsbehörde nicht befassen.

., 68.

.69.

70.

71.

72.

Fritz König, geb. 1864, Landwirt, Aarwangen (Bern), .

Gottfried Schwab, Wirt, Aarberg (Bern), Gottfried Schott, Metzger, Kappelen (Bern), Theodor Geeler, geb. 1895, Holzarbeiter, Berschis (St. Gallen), Joseî Schneider, geb. 1907, Landarbeiter, Hilfikon (Aargau).

(Jagdpolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904, zum Teil in Verbindung mit kantonalen Erlassen, sind verurteilt worden: 68. Fritz König, verurteilt am 20. April 1925 vom Amtsgericht Balsthal in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, 23, Ziffer 2, des Bundesgesetzes zu Fr. 80 Busse und Entzug der Jagdberechtigung im Kanton Solothurn auf die Dauer von 8 Jahren.

König, Inhaber des bernischen Jagdpatentes, wurde im November 1924 zwischen Niederbipp und önsingen mit schussbereiter Flinte auf Önsingergebiet betroffen, ohne im Besitze des solothurnischen Jagdpatentes zu sein.

: König ersucht um Aufhebung des Jagdberechtigungsentzuges. Hierzu erörtert er sowohl die vom Gerichtspräsidenten von Wangen am 6. Februar 1924 erkannte Busse von Fr. 50 wie die erneute Verurteilung, um darzutun, dass in beiden Fällen kaum von vorsätzlichem Jagdfrevel gesprochen werden könne.

·.

.

.: - Der Gemeinderat von Aarwangen und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfehlen das Gesuch, ferner beantragen das Polizeidepartement des Kantons Solothurn und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei in längeren Vernehmlassungen, den Jagdberechtigungsentzug aufzuheben.

In Berücksichtigung dieser Stellungnahmen, auf die wir in Einzelheiten verweisen, machen wir geltend, dass jedenfalls die zweite Gesetzesübertretung, die unmittelbar zum Jagdberechtigungsentzug geführt hat, kein schwerwiegendes : Jagdvergehen darstellt. Wie das Polizeidepartement des .Kantons Solothurn bemerkt, ist eine Grenzüberschreitung in dem offenen Gelände zwischen Niederbipp und önsingen leicht möglich, ferner kann mit der eidgenössischen

·78* Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei auf die Erledigung der ähnlichen Begnadigungsangelegenheit Goumaz (Nr. 29 des I. Berichtes vom 7. November 1924, Bundesbl. Ili,' 17S) verwiesen werden. Das Amtsgericht Balsthal hat den Entzug auf den Kanton Solothurn beschränkt, :was dem Bun* desgesetz nicht entspricht; denn dieses setzt voraus, dass der Entzug jeweils das ganze Gebiet der Schweiz betreffe.

, ; Wir beantragen Aufhebung'des Jagdberechtigungsentzuges vom Zeitpunkt des Entscheides der Bundesversammlung an.

69 und 70. Gottfried Schwab und Gottfried Schott, verurteilt am 14. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Nidau in Anwendung voii Art. 21, Ziffer 8, lit. b, des Bundesgesetzes je zu Fr. 100 Busse.

Gottfried Schwab und Gottfried Schott' haben am 29. Oktober 1925 auf der St. Petersinsel gejagt, trotzdem die kantonale Jagdverordnung das betreffende Gebiet bis zum 31. Oktober als Banngebiet erklärt hatte.

Für Schwab und Schott wird ersucht, die Bussen ganz oder doch teilweise zu erlassen. Die beiden hätten das erstmals geltende Jagdverbot übersehen; Schwab sei überhaupt nicht zum Schuss gekommen, Schott habe ein einziges Kaninchen geschossen. Beide seien weidgerechte Jäger, welche die Busse unbillig treffe.

· ' ' '.

Der Präsident dea kantonalen Jagdschutzvereins befürwortet die Eingaben. Die kantonalen Forst- und Polizeidirektionen und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Abweisung.

Die Gesuche erfordern dieselbe Erledigung wie die gleich gearteten Fälle der beiden Kocher im. I. Bericht. Wir verweisen auf unsere Anträge 40 und 41 und beantragen, mit derselben Begründung, auch die Gesuche Schwab und Schott abzuweisen.

71. Theodor Geeler, verurteilt am 28. Oktober 1928 von der Gerichts* kommission Sargans in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit. b, des Bundesgesetzes zu Fr. 100 Busse.

Geeler war mit andern bei zwei Jagdfreveln beteiligt ; in einem Fall sind drei Gemsen, im andern eine erlegt worden.

Geeler ersucht um teilweisen Erlass der Busse, da ihm ihre Bezahlung bei unbeständiger Arbeit und infolge von Auslagen für die kränkliche Ehefrau äusserst schwer falle. Er sei kein Berufswilderer und habe sich lediglich aus Nahrungssorgen vergangen.

Das Bezirksamt Sargans empfiehlt, die Busse mindestens um die Hälfte zu ermässigen, da sich
Geeler wirklich in bedrängten Verhältnissen befinde und er immerhin an die Kosten bereits mehrere Teilzahlungen geleistet habe.

Die kantonale Staatsanwaltschaft kann sich den Ausführungen des Bezirks; amtes anschh'essen.

;; .

Demgegenüber beantragen wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, das Gesuch abzuweisen. Die Akten und Urteilserwägungen ergeben offensichtlich, dass Jagdfrevel schwerer Art in Betracht

722 kommen, so dass die Zubilligung von Teilzahlungen ein genügendes Entgegenkommen darstellt.

72. Josef Schneider, verurteilt am 14. Oktober 1925 vom Bezirksgericht Bremgarten in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit. b, des Bundesgesetzes zu Fr. 200 Busse.

Schneider hat -wiederholt gejagt und jedenfalls sechs Eehe geschossen.

Er ersucht um Erlass der Busse, die er als junger Knecht unmöglich aufbringen könne; man möge ihm den «Jugendfehler» zugute halten.

Das Bezirksgericht Bremgarten hat beschlossen, den Gesuchsteller nicht zur Begnadigung zu empfehlen.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei halten wir dafür, dass eine Begnadigung bei der Schwere des Falles nicht in Frage kommen könne und beantragen ohne weiteres Abweisung.

73. Jakob Ischi, geb. 1894, Handlanger, zurzeit unbekannten Aufenthaltes.

(Militärpflichtersatz, Widerruf der bedingten Begnadigung.)

78. Jakob Ischi ist am 81. Dezember 1924 vom Amtsgericht SolothurnLebern wegen schuldhafter Nichtentrichtung der Militärsteuer von Fr. 24. 60 für 1924 zu 4 Tagen Gefängnis und Wirtshausverbot auf die Dauer eines Jahres verurteilt worden. Diese Gefängnisstrafe hat die Bundesversammlung dem Bestraften auf sein Gesuch hin in der Junisession 1925 bedingt erlassen (Nr. 42 des I. Berichtes vom 1. Mai 1925, Bundesbl. II, 366). Laut Mitteilung des schweizerischen Zentralpolizeibureaus vom 8. Dezember 1925 ist Ischi am 16, September 1925 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern wegen Betrugsversuchs und Wirtshausverbotsübertretung mit 14 Tagen Gefängnis bestraft worden.

Die Verurteilung vom 16. September 1925 macht es notwendig, den Widerruf der bedingten Begnadigung in Erwägung zu ziehen.

Angesichts der Vorstrafen und der erneuten Verurteilung beantragen wir mit dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn, die in der Junisession 1925 gewährte bedingte Begnadigung zu widerrufen.

74. Ludwig Gürtler, geb. 1886, Gipser, Allschwil (Basellandschaft), 75. Ernst Neeser, geb. 1894, Dachdecker, zurzeit Schwamendingen (Zürich), 76. Gottlieb Häfelin, geb. 1898, Strassenarbeiter, zurzeit Zuchwil (Solothurn), , . / ' . ' .' .

77. Giovanni Donada, geb. 1896, Muzzano (Tessin), 78. Max L'Heureux, geb. 1904, Kommis, Oberwil (Basellandschaft), · 79. Christian Nydegger, geb. 1891, Dachdecker, Thun (Bern), 80. Friedrich Bauer, geb. 1889, Vertreter, Bern.

(Militärsteuer.)

... . . : .. ;

723 Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden: 74. Ludwig Gürtler, verurteilt am 4. März 1926 vom Polizeigericht Arlesheim zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 11.25 für 1925 betreffend.

Gürtler, der die Steuer zwei Tage nach der Verurteilung entrichtet hat, ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Er achreibt, er sei nach 478 Aktivdiensttagen wegen eines Herzfehlers zu den Ersatzpflichtigen versetzt worden und habe die Steuerpflicht als unbillig empfunden.

Die Militärdirektion des Kantons Basellandschaft und die eidgenössische Steuerverwaltung befürworten die Begnadigung. Zwar wird betont, die Erkrankung Gürtlers stehe mit dem Militärdienst nicht im Zusammenhang, weshalb die Steuerpflicht zutreffe, hinwiederum könne berücksichtigt werden, dass Gürtler beträchtliche Militärdienstleistungen aufweise und ein unbescholtener Bürger sei.

Da der Ausgang des Strafverfahrens den Gesuchsteller über seine irrtümliche Auffassung belehrt haben dürfte, mag ihm aus den von den Militärsteuferbehörden geltend gemachten Erwägungen entsprochen werden.

Wir beantragen den Erlass der Gefängnisstrafe.

75. Ernst Neeser, verurteilt am 15. Dezember 1924 vom Amtsgericht Ölten-Gösgen zu 5 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 45. 60 für 1924 betreffend.

Neeser, der die Steuer am 29. März 1926 entrichtet hat, ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Die. längere Krankheit der seither verstorbenen Ehefrau nnd die daherigen grossen Auslagen hätten ihm die rechtzeitige Steuerbegleichung verunmöglicht. Bei Kenntnis dieses Sachverhaltes wäre das Kontumazurteil nicht erfolgt. Neeser sei ohne Vorstrafen.

In den Akten befinden sich Berichte der Kantonspolizei von Solothurn und Zürich.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt Abweisung, wozu u. a. geschrieben wird, Neeser, der bis zum September 1924'in Schönenwerd wohnte, habe sich seinerzeit als Dachdecker selbständig gemacht, seine leichte Lebensart, der Hang zUm Alkohol und die dadurch bedingte Unzuverlässigkeit hätten ihn aber gehindert, geschäftlich emporzukommen. Nach dem Zürcher Polizeibericht scheine sich sein Verhalten seither gebessert zu hbaen.

Unserseits bemerken wir, dass Neeser,
entgegen den Gesuchsanbringen, zwei zeitlich allerdings zurückliegende Freiheitsstrafen aufweist, ferner ergeben die Akten einwandfrei, dass die Verurteilung durchaus zu Becht erfolgt ist.

Die Abweisung des Gesuches liegt deshalb nahe. Immerhin können wir auf ·Grund der Angaben des Zürcher Polizeiberichtes, der Neeser als solid bezeichnet, und dem zu entnehmen ist, dass er dermalen für seine Kinder sorgt nnd regelmässig arbeitet, beantragen, die Gefängnisstrafe bis zu zwei Tagen zu err

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mässigen. Die gänzliche Begnadigung wäre offensichtlich eine zu weitgehende Massnahme.

'. .

· ·.

.

76. Gottlieb Häfelin, verurteilt am 17. Januar 1925 vom Kreisgerichtsausschuss Chur zu 6 Tagen Gefängnis, die Militärsteuern von Fr. 123 für die Jahre 1919/24 betreffend.

".

.

Für Häfelin wird um Erlass der Gefängnisstrafe ersucht. Der Verfasser des Gesuches bezeichnet die Unterlassung ordnungsgemässer Bezahlung als.

unverschuldet. In Chur und zunächst auch in Solothurn habe sich Häfelin mit seiner Ehefrau in misslichen Verhältnissen befunden; sobald sich diese etwas gebessert hätten, seien Ratenzahlungen erfolgt. Das S traf erkenn tnis erweise sich als unrichtig und die gänzliche Begnadigung werde zum Gebot der Billigkeit.

Die Behörden des Kantons Graubünden äussern sich in verschiedener Weise. Das Kreisamt Chur bezeichnet das Gesuch als völlig unbegründet, wogegen das kantonale Armen- sowie das Justiz- und Polizeidepartement die Begnadigung befürworten, weil Häfelin, der noch seine Mutter erhalte, die Steuern tatsächlich nicht habe aufbringen können. Nach den neuesten.Erhebungen der Kantonspolizei von Solothurn führt sich Häfelin klaglos auf.

Unserseits ziehen wir in Erwägung, dass es nicht angehen kann, auf di» Schuldfrage im Sinne einer Urteilsüberprüfung einzutreten. Hinwiederum möchten wir auch hier wie im Falle Neeser einigermassen berücksichtigen, dass.

die neuesten Erhebungen über Häfelin günstig lauten, wozu noch kommt, dass zwei Regierungsdepartemente des Kantons Graubünden das Gesuch bereitsauf Grund der f r ü h e r e n Verhältnisse unterstützen. Die gänzliche Begnadigung können wir allerdings nicht beantragen; denn es muss- Gewicht darauf gelegt werden, dass Steuerbeträge für sechs Jahre in Betracht kommen, auch fehlt der Beweis, dass Häfelin ausserstande gewesen wäre, die Steuerrückstände bis zur Gesuchseinreichung völlig zu tilgen. Im April 1926 war Häfelin noch immer im Rückstand.

Wir beantragen Herabsetzung der Freiheitsstrafe bis zu drei Tagen unter Aufläge der Bedingung, dass Häfelin bis Ende Jahres seinen Verpflichtungen gänzlich nachkommt. Damit ist. den besondern Verumständungen des Falles in genügender Weise Rechnung getragen.

77. Giovanni Donada, verurteilt am 26. Juni 1925 vom Pretore del Distretto di Lugano-Campagna zu l Tag Haft, die Militärsteuern für 1923/24
betreffend. Donada ersucht um Erlass der Haftstrafe, da die Steuerangelegenheit heute geregelt sei. Ein Verschulden falle ihm nicht zur Last, indem er ständig abwesend gewesen sei und zur Zahlung der Steuern rechtzeitig Auftrag erteilt habe.

· ' . ' ' - .

: ; Das Justizdepartement des Kantons Tessin erhebt gegen die Begnadigung keinerlei Einwendungen.

.Wir beantragen Abweisung, da entgegen den Gesuchsanbringen feststeht, dass Donada Ende Mai 1925 der Strafbehörde erklärte, nicht zahlen zu wollen. In Betracht kommen zwei Steuerbeträge, die schliesslich vom

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Vater des Bestraften entrichtet wurden. Besondere Begnadigungsgründ& liegen nicbt vor.

78. Max L'Heureux, verurteilt am 4,März 1926 vom Polizeigericht Arles^ heim zu 8 Tagen Gefängnis, die Militärsteuern von Fr. 80 für 1925 betreffend..

L'Heureux ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Er verweist auf die Bescheinigung des Gemeindepräsidenten, die den Gesuchsteller als seit dem September 1924 gänalich arbeitslos bezeichnet, und schreibt femer, der Strafvollzug bringe ihn um eine anzutretende Anstellung.

.. : . .

Die Polizeidirektion des Kantons Basellandschaft beantragt Abweisung.

Die eidgenössische Steuerverwaltung erachtet eine Begnadigung lediglich ala zulässig, sofern die weitere Prüfung des Falles die Befürchtung des Stellenverlustes erwahre und L'Heureux nicht überhaupt als der Begnadigung unwürdig erscheine.

L'Heureux ist im Jahre 1925 wegen Unterschlagung zu dreieinhalb Monaten Gefängnis verurteilt worden. Laut dem nachträglich beschafften Polizeibericht vom 27. April 1926 sind die Angaben des Gesuchstellers unzutreffend.

Auf Grund der Vorstrafe, da L'Heureux sich im Taxationsverfahren um die Steuersache'hätte kümmern sollen und da der Strafvollzug ihn .nicht in ausserordentlicher Weise beeinträchtigt, beantragen wir Abweisung.

79. Christian Nydegger, verurteilt am 8. Februar 1926 vom Gerichtspräsidenten von Thun zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 19. 60 für 1925 betreffend.

Nydegger, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe, wozu er geltend macht, infolge von Arbeitslosigkeit und Krankheit nicht früher haben zahlen zu können.

Der Stadtpräsident von Thuh und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Mit den Kantonsbehörden beantragen wir deshalb Abweisung, weil Nydegger zwei Vorstrafen aufweist und insbesondere wegen Nichtentrichtung der Militärsteuer vorbestraft ist. Ini übrigen beziehen wir uns auf die Urteilserwägungen.

, 80. Friedrich Bauer, verurteilt am 7. Mai 1925 vom Gerichtspräsidenten von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 79. 60 für 1924 betreffend.

Für Bauer wird um Erlass der Haftstrafe ersucht. Der Verfasser des.

Gesuches nimmt zunächst Bezug auf das Taxationsverfahren, um u. a. darzutun, dass der Steuerbetrag den wirklichen Verhältnissen nicht entspreche, ferner wird auf die nachträgliche
Begleichung der Steuer hingewiesen und schliesslich geltend gemacht, Bauer habe im Jahre 1914 freiwillig Dienst getan, ferner sei er gut beleumdet und ohne Vorstrafe.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern befürwortet die gänzliche, der Kegierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonale Polizeidirektion beantragen die bedingte Begnadigung. Die kantonale Militärsteuerverwaltung und die eidgenössische Steuerverwaltung äussern sich eingehend zum Taxationsverfahren.

726 Wir beantragen Abweisung, indem die Akten ergeben, dass Bauer um die Regelung der Steuerangelegenheit wenig besorgt war, namentlich, aber, weil er es trotz hängigem Gesuch dazu kommen liess, dass ihn der Gerichtspräsident von Bern am 21. April 1926 wegen schuldhafter Nichtentrichtung der Militärsteuer neuerdings, diesmal zu 2 Tagen Haft, verurteilte.

81. Johann Blum, geb. 1893, Landwirt, Höchst (Vorarlberg), zurzeit in der Strafanstalt St. Gallen, (Pulverregal- und Zollvergehen.)

81. Johann Blum ist in Anwendung der Bundesgesetze über das Pulverregal vom 30. April 1849 und über das Zollwèsen vom 28. Juni 1893 wie folgt bestraft worden: a. gemäss Strafentscheid der Kriegsmaterialverwaltung zu Fr. 1687. 50 Busse; b, gemäss Strafentscheid des Zolldepartementes vom 27. Dezember 1922 zu Fr. 637. 80 Busse.

Die Strafentscheide betreffen einen komplottmässig betriebenen Munitionsschmuggel.

Blum, dem gegenüber der Vollzug der Umwandlungsstrafen angeordnet wurde, ersucht um Erlass der Reststrafe, die am 30. Juni beendigt sein wird. Die Bezahlung der Bussen sei ihm unmöglich gewesen, Überdies sei er in Wirklichkeit am Schmuggel nicht beteiligt.

Die Zollbehörden beantragen, eine Unterbrechung des Strafvollzuges abzulehnen, bzw. das Begnadigungsgesuch abzuweisen. In den Akten befindet sich ausser den Berichten der Zollbehörden eine Vernehmlassung der Direktion der Strafanstalt St. Gallen, die für Blum durchaus ungünstig lautet. DieBundesanwaltschaftt hat auf Grund dieser Stellungnahmen davon abgesehen, eine Unterbrechung des Strafvollzuges anzuordnen.

Wir b e a n t r a g e n , das Gesuch, soweit es nicht bereits gegenstandslos geworden ist, abzuweisen. Blum erweist sich als vorbestrafter und gefahrlicher Schmuggler, der die Strafen sehr leicht nimmt, weshalb ein Gnadenakt keineswegs nahe liegt.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 25. Mai 1926.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : ;

Häberlin.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1926). (Vom 25. Mai 1926.)

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