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Botschaft des

Bandesrates an die Bundesversammlung betreffend die Erklärung zwischen der Schweiz und Estland über die gegenseitige Anwendung der Haager Zivilprozesskonvention.

(Vom 20. Dezember 1926.)

Im Herbst 1925 äusserte die Regierung von Estland den Wunsch, mit der Schweiz ein Abkommen über die Rechtshilfe im Sinne der Art. l--24 der Haager Zivilprozesskonvention zu treffen. Estland, das am 14. Oktober 1925 eine Handelsübereinkunft mit der Schweiz abgeschlossen hat, gehört der Haager Zivilprozesskonvention nicht an, hat aber mit einigen Staaten vereinbart, dass im Verkehr mit ihnen die Art. l--24 der erwähnten Konvention Anwendung linden sollen. Eine solche Regelung hat Estland mit Lettland und Litauen durch einen Vertrag vom 12, Juli 1921, mit Schweden durch eine Erklärung vom 27. November 1923 und mit Finnland durch eine Erklärung vom 18. März 1924 getroffen.

Wir stimmten dieser Anregung zu, da es wünschbar ist, den Rechtshilfeverkehr auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Auch in bezug auf dag Armenrecht und die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozesskosten erscheint es als zweckmässig, zwischen der Schweiz und Estland die gleichen Regeln als massgebend zu erklären, die auf Grund der Zivilprozesskonvention zwischen der Schweiz und einer ganzen Reihe von Staaten des europäischen Pestlandes gelten.

Der einfachste Weg liegt im Abschluss eines schweizerisch-estnischen Abkommens, wonach -- in Anlehnung an die von Estland mit andern Staaten getroffenen Vereinbarungen -- die Art. l--24 der Zivilprozeaskonvention Anwendung finden sollen. Dies geschieht durch die am 29. Oktober 1926 in Tallinn (Reval) unterzeichnete Erklärung, die wir Ihnen nun zur Genehmigung unterbreiten. Da diese Erklärung ein Staatsvertrag (Rechtshilfevertrag) ist, bedarf sie der Genehmigung der Bundesversammlung.

Im einzelnen bemerken wir zum Inhalt der Erklärung : Von der Zivilprozesskonvention werden nur die Art. l--24 zitiert; diese betreffen folgende Materien: Zustellung von Akten (Art. l--7), Rogatorien (Art. 8--16), Sicherheitsleistung für Prozesskosten und Vollstreckung von Kostenentscheidungen (Art. 17--19), Armenrecht (Art. 20 bis 23) und Personalhaft (Art. 24). Ausser Betracht fallen die Art. 25--29 der Konvention, die nur Schluös- und Übergangsbestimmungen enthalten.

Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. II.

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Die Erklärung enthält noch zwei besondere Bestimmungen, die sich einerseits auf Art. l und 9, anderseits auf Art. 18 der Konvention beziehen : a. In Art. l, Abs. 4, und Art. 9, Abs. 4, der Konvention ist ausdrücklich vorbehalten, dass sich zwei Vertragsstaaten über die Zulassung des unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen ihren beiderseitigen Behörden verständigen können. Die Erklärung macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, indem für Zustellungen und Rogatorien der unmittelbare Geschäftsverkehr zwischen der Polizeiabteilung unseres Justiz- und Polizeidepartements und dem estnischen Justizministerium eingeführt wird.

b. Der Art. 18 der Konvention sichert die Vollstreckung der Kostenentscheidungen zu, die gegen einen von der Kaution befreiten Kläger oder Intervenieren ergehen, und sieht als Regel vor, dass ein Begehren um Volletreckbarerklärung auf diplomatischem Wege gestellt wird. Der Abs. 3 des Art. 18 macht aber den ausdrücklichen Vorbehalt, dass zwei Vertragsstaaten übereinkommen können, auch der beteiligten Partei selbst zu gestatten, die Vollstreckbarkeitserklärung au beantragen. Die schweizerisch-estnische Erklärung sichert den Parteien selbst die Befugnis zu, die Vollstreckung zu beantragen. Diese Vereinfachung gilt bei uns ohnehin für die Vollstreckung von Kostenentscheidungen aua Vertragsstaaten, da im Rechtsöffnungsverfahren -- ohne vorgängige Einholung eines Exequaturs auf diplomatischem Wege -- über die Vollstreckbarkeit entschieden werden kann. Die lit. 6 der Erklärung bewirkt, dass man den diplomatischen Weg auch dann nicht einzuschlagen braucht, wenn es sich um eine schweizerische Kostenentscheidung handelt, die in Estland vollstreckt werden soll.

Die Erklärung soll mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft treten; sie wird nach einer allfälligen Kündigung, die jederzeit zulässig ist, noch sechs Monate in Kraft bleiben.

Wir beantragen Ihnen die Annahme des nachstehenden Beschlussentwurfes.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. Dezember 1926.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Häberlin.

Der Vizekanzler :

Leimgruber.

915 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Erklärung zwischen der Schweiz und Estland über die gegenseitige Anwendung der Haager Zivilprozesskonvention.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 20. Dezember 1926, b eschl est : 1. Die der Schweiz Übereinkunft 2. Der tragt.

am 29. Oktober 1926 unterzeichnete Erklärung zwischen und Estland über die gegenseitige Anwendung der Haager betreffend Zivilprozessrecht wird genehmigt.

Bundesrat wird .mit dem Vollzüge dieses Beschlusses beauf-

Übersetzung.

Erklärung zwischen

der Schweiz und Estland über die gegenseitige Anwendung der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht.

In der Absicht, den Rechtsverkehr zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Estland mit bezug auf mehrere Fragen zu regeln, geben die Unterzeichneten, von ihren Regierungen gehörig bevollmächtigt, im gemeinsamen Einverständnis folgende Erklärung ab: Die Art. l--24 der am 17. Juli 1905 im Haag zwischen mehreren Staaten abgeschlossenen Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht sollen sowohl in Estland zugunsten der Schweiz und der schweizerischen Staatsangehörigen als in der Schweiz zugunsten Estlands und der estnischen Staatsangehörigen Anwendung finden. Vorbehalten bleiben folgende Bestimmungen betreffend die Art. l, 9 und 18:

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a. Die zuzustellenden Urkunden und die Ersuchsschreiben (Art. l und 9) werden von der Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements in Bern unmittelbar dem estnischen Justizministerium in Tallinn und vom estnischen Justizministerium in Tallinn unmittelbar der Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements in Bern übermittelt.

b. Die Beteiligten sind befugt, selbst die Vollstreckung der im Art. 18 erwähnten Entscheidungen zu beantragen.

Die gegenwärtige Erklärung soll ratifiziert werden, und die Ratifikationsurkunden sollen in Berlin ausgetauscht werden. Die Erklärung tritt · mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und soll nach Kündigung, die jederzeit zulässig ist, noch sechs Monate in Kraft bleiben.

Zu Urkund desson haben die Bevollmächtigten, nämlich Herr Carl Bosshardt, Schweizerkonsul in Tallinn, und Herr Friedrich Akel, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten von Estland, die gegenwärtige Erklärung unterzeichnet.

Geschehen in T a l i i n , in doppelter Ausfertigung, am 29. Oktober 1926.

(L. S.)

(gez.) Carl Bosshardt.

(gez.)

·^-oe

Fr. Akel.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Erklärung zwischen der Schweiz und Estland über die gegenseitige Anwendung der Haager Zivilprozesskonvention. (Vom 20. Dezember 1926.)

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1926

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2175

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22.12.1926

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913-916

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