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Bundesblatt

8l. Jahrgang,

Bern, den 24. April 1929.

Band 1.

Erscheint wöchentlich. Prêts 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern,

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Beitritt der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu dem am 12. Juli 1927 in Genf geschlossenen Abkommen zur Errichtung eines Welthilfsverbandes samt zugehörigen Statuten.

(Vom 2. April 1929.)

Herr Präsident l Hochgeehrte Herren !

Der Gedanke der Errichtung einer überstaatlichen Organisation zur Förderung und Zusammenfassung der Bestrebungen, die bezwecken, den von Naturkatastrophen heimgesuchten Völkern Hilfe zukommen zu lassen, stammt vom Senator Giovanni Ciraolo, dem ehemaligen Vorsitzenden des italienischen Roten Kreuzes. Unter dem Eindrucke, den auf ihn in jungen Jahren der Mangel an Zusammenarbeit und die zum Teil unwirksam geblieben Hilfe beim Erdbeben von Messina von 1908 gemacht hatten, setzte er sich zur Aufgabe, eine Einrichtung ins Leben zu rufen, die imstande sein sollte, bei Naturkatastrophen als mächtige Kundgebung der Solidarität aus allen Weltgegenden Spenden zusammenfliessen zu lassen, denen durch ihre Vereinigung in einer gemeinschaftlichen Aktion ein Höchstmass an Wirkung gesichert wäre. Er entwickelte seine Pläne vor der X. internationalen Rotkreuzkonferenz, worauf diese am 6. April 1921 eine Empfehlung annahm, in der sie den Abschluss ,,eines neuen Abkommens im Sinn einer ausgedehntere Anerkennung des Koten Kreuzes, seiner Aufgaben in Friedenszeiten und insbesondere seiner Hilfstätigkeit für die von einer Landesnot heimgesuchten Völker befürwortete. Diese Empfehlung wurde vom internationalen Komitee des Roten Kreuzes und von der Liga der Rotkreuzgesellschaften im gemeinsamen Einvernehmen der internationale Wirtschaftskonferenz, die im Mai 1922 in Genua zusammentrat, unterbreitet; die Konferenz glaubte die Prüfung dieser Frage nicht selber in Angriff nehmen zu können und überwies die ihr vorgelegte Empfehlung dem Völkerbund.

Bundesblatt 81. Jahrg, Bd. l.

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Diese Empfehlung, die inzwischen durch einen ,,Entwurf zu einem Statut für das internationale Hilfswerk zugunsten der von einer Landesnot betroffenen Völker" ergänzt worden war, wurde vom Vülkerbundsrat in seiner Session vom September 1922 einem eingehenden Studium unterworfen, auf das gestützt beschlossen wurde, die Frage der neuen rechtlichen Stellung, die dem Roten Kreuz in Friedenszeiton zuzuerkennen sei, und diejenige des Hilfswerkes zugunsten der von einer Landesnot betroffenen Völker getrennt zu behandeln. Die Frage des Hilfswerkes wurde dem Generalsekretariate des Volkerbundes zugewiesen, damit os sie auf ihre rechtliche, politische, administrative und finanzielle Bedeutung hin untersuche und einen Bericht erstatte, den der Rat wiederum prüfen und sodann der IV. Versammlung vorlegen wollte. Die Versammlung fasste am 27. September 1923 eine Entschliessung, welche die itn Ciraoloprojekte niedergelegten Grundsätze der zwischenstaatlichen Solidarität und Gemeinnützigkeit billigte und den Rat ermächtigte, den Entwurf den Regierungen zuzustellen, damit sie ihn prüfen und diejenigen Bemerkungen und kritischen Einwendungen geltend machen könnten, denen im weitern Verlaufe der Angelegenheit Rechnung zu tragen sein werde.

Die allmähliche Umgestaltung des Entwurfs.

Der erste Entwurf mit seinen bloss fünf Artikeln, wie er dem Völkerbundsrat im Jahre 1922 vorgelegt wurde, war noch sehr unbestimmt gehalten.

Er sah die Schaffung eines internationalen Hilfswerkcs für Gemeinschäden aller Art vor. Das Werk sollte von den Mitgliedstaaten des Völkerbundes gegründet werden; indessen hätten die andern Staaten sich daran beteiligen können. Das Vollzugsorgan hätten die ^im Hinblick auf diese Aulgabe zu einer internationalen Hilfsarmee organisierten Rotkreuzgesellschaften der ganzen Welt" gebildet. Jeder beteiligte Staat hätte einen seinen Verhältnissen entsprechenden Hilfsfonds anlegen müssen, um ihn beim Eintritt einer Landesnot dem internationalen Komitee des Boten Krouzes zur Verfügung zu stellen. Während dem Komitee die Aufgabe zugefallen wäre, für die Durchführung des Hilfswerkes itn allgemeinen zu sorgen, hätten die nationalen Rotkreuzgcsellschaften als eigentliche Vollzugsorgane des Werkes in ihrem Lande die ,,Kaders" des unverzüglich einzuberufenden Personals und ständige ,,Brigaden", aus denen
gegebenenfalls ,,Hilfskorps" zu bilden gewesen wären, aufzustellen gehabt.

Mit Rücksicht auf die beträchtlichen Aufgaben und die bedeutenden Geldopfer, die den beteiligten Staaten und den Rotkreuzgosellschaften zugedacht waren, wären die Schwierigkeiten bei der Verwirklichung dieses Entwurfes nicht ausgeblieben. Die Einwendungen Hessen denn auch nicht auf sich warten. Der zweite, den Regierungen 1923 vorgelegte Entwurf, zu dem sich auch der Bundesrat zu äussern hatte, bot für das in Aussicht genommene Werk einen genauer gefassten und gegenständlicheren

475 Plan und brachte gleichzeitig wesentliche Änderungen in seinem Aufbau.

Es war nicht eo sehr mehr die Bede davon, ,,Hüfskorps" eu bilden, als vielmehr ein Werk und einen Fonds ,,zwischenstaatlicher Gemeinnützigkeit^ zu begründen. Der neue Entwurf sah die Errichtung einer ,,gemeinnützigen Vereinigung der Staaten zur Hilfeleistung an die von einer Landesnot betroffenen Völker"1 vor. Diese Vereinigung sollte den einzelnen Staaten Gelegenheit geben, ,,im Kampfe gegen Unglück und Toda mitzuhelfen ; sie sollte in Tätigkeit treten, so oft eine Not in dem Mass über oin Volk hereinbräche, dass seine eigenen Mittel zur Abwehr nicht hinreichten. Zu den Fällen, in denen die Vereinigung hätte einschreiten sollen, zählten neben Naturkatastrophen jeder Art auch die Kriegs- und Re volutionsfolgen.

Das Hauptmerkmal des neuen Entwurfes lag in dem Grundsatze der Gegenseitigkeit, auf dem die internationale Organisation beruht hätte, denn diese Organisation hätte ihre Mittel zur Hauptsache aus einem internationalen Fonds gezogen, der durch jährliche Einzahlungen der einzelnen Staaten in der Höhe von 10 °/o ihrer Beiträge an die Völkerbundskosten gespeist worden wäre.

Der Schweiz gaben zu ernsthaften Vorbehalten drei Punkte dieses Programms Anlass. Es schien ihr in erster Linie nicht sehr angezeigt zu sein, dio Hilfstätigkeit auf die Fälle des Krieges, der Revolution oder der innern Wirren auszudehnen. Sodann war nicht deutlich ersichtlich, welches das einheitliche Organ des Roten Kreuzes sein sollte, das die leitende Behörde der Vereinigung bilden würde, um so mehr als damals zwischen dem internationalen Komitee des Roten Kreuzes in Genf und der Liga der Rotkreuzgesellschaften in Paris Meinungsverschiedenheiten über ihren Anteil aa der zwischenstaatlichen Tätigkeit des Roten Kreuzes herrschten. Schliesslich erwies sich das dem Entwurfe zugrunde liegende System der Gegenseitigkeit deshalb als mangelhaft, weil es den Staaten schwere Geldopfer auferlegte und trotzdem nicht ermöglichte, genügende Geldmittel zu vereinigen, um die Folgen einer grossen Naturkatastrophe wirksam zu bekämpfen.

In seiner Antwort an das Generalsekretariat des Völkerbundes glaubte der Bundesrat dennoch sich grundsätzlich zugunsten einer Vereinigung der Staaten mit dem Zwecke der Hilfeleistung an die von einer Landeanot bedrängten Gegenden
aussprechen zu können. Dagegen machte er allo Vorbehalte bezüglich der ins Auge gefasston Art der Durchführung.

An die zwanzig Regierungen Hessen dem Generalsekretariat ihre Bemerkungen zugehen, D.ie V, Volkerbundsversammlung nahm diese Antworten zur Kenntnis und stellte fest, dass sie im allgemeinen der Verwirklichung des Unternehmens günstig gesinnt waren. Sie lud den Rat daraufhin ein, eine Studienkommission zur Bereinigung des Entwurfes einzusetzen.

Diese Kommission, der mehrere Fachleute auf dem Gebiete der Hilfs- ' tätigkeit sowie Vertreter des internationalen Komitees des Roten Kreuzes und

476 der Liga der Rotkreuzgesellschaften angehörten, trug den von verschiedener Seite erhobenen Einwendungen Rechnung. Sie arbeitete einen Statutenentwurf aus, der wiederum den Regierungen zur Prüfung vorgelegt wurde und der als Verhandlungsgrundlage gedacht war für eine internationale Konferenz mit der Aufgabe, das Abkommen fertigzustellen, das die neue Einrichtung ins Leben rufen sollte.

Die Genfer Konferenz zur Errichtung eines Welthilfsverbandes.

Nach der Prüfung dieses dritten Entwurfes kam der Bundesrat zum Schlüsse, dass es sich um einen wohldurchdachten, folgerichtigen und praktisch durchführbaren Plan handle. Er lieas denn auch in Genf wissen, dass die Schweiz, wie vorher schon, dem Unternehmen wohlgesinnt und bereit sei, die Art seiner Durchführung zu besprechen. Er beschloss infolgedessen, sich an der nach Genf einberufenen Konferenz vertreten zu lassen, und bezeichnete als seinen Delegierten Herrn Minister Paul Dinichert, Chef der Abteilung für Auswärtiges.

Der Aufbau des neuen Entwurfes wich insofern von dem der frühern ab, als der Wirklichkeit besser Rechnung getragen und das ganze Räderwerk der Einrichtung, welche Katastrophenfolgen von beträchtlicher Ausdehnung beheben sollte, im einzelnen genauer festgelegt wurde. In der Form einer diplomatischen Akte schuf der Entwurf einen ,,Welthilfsverband"1, dessen Mitglieder die vertragschliessenden Staaten sein sollten und der seinen Sitz in der gleichen Stadt haben sollte wie der Völkerbund.

Die Vertragsstaaten sahen ihre finanziellen Verpflichtungen auf die Bildung eines Stamm Vermögens von 625,000 Franken beschränkt, zu dem sie im gleichen Verhältnisse beitragen sollten wie zu den Lasten des Völkerbundes. Ausserdem war die Bildung eines Betriebsfonds und einer Rücklage vorgesehen, und es wurde mit Spenden, Sammelgeldern und freiwilligen Zuwendungen der Regierungen gerechnet.

Die vorgesehenen Organe bestanden aus einem aus den Delegierten der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Gesamtrat, einem Vollzugsausschüsse von sieben Mitgliedern und einem beratenden Ausschüsse von Sachverständigen, die verschiedenen Weltgegenden angehören sollten. Die ständige und zentrale Geschäftsstelle des Welthilfsverbandes war vom internationalen Roten Kreuz unter der Leitung des Vollzugsausschusses zu besorgen.

Ausserdem sollte jeder Staat die Möglichkeit
haben, sich beim Welthilfsverband durch seine nationale Rotkreuzorganisation vertreten zu lassen.

Welche sachlichen Einwendungen hätte die Schweiz dem Entwurfe gegenüber noch erheben können? Die Punkte, die zu den kritischen Bemerkungen vom Jahre 1924 Anlass gegeben hatten, waren abgeändert worden. Obwohl die Hilfstatigkeit bei Krieg und Revolution nicht aus"drücklich ausgeschlossen war, wurde sie doch auch nicht erwähnt. Dagegen war, obschon die Gegenseitigkeit nicht mehr die Grundlage des

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Entwurfes bildete, noch beiläufig die Rede von einem A n s p r u c h der Staaten auf die internationale Hilfe sowie von etwaigen auf dem Grundsätze der Versicherung beruhenden Hassnahmen; beides waren Begriffe, deren Ausmerzung aus dem völkerrechtlichen Akt, der in Genf zur Unterzeichnung gelangen sollte, wünschenswert erschien. Andererseits übertrugen die neuen Statuten der internationalen Rotkreuzorganisation wichtige Befugnisse, ohne dass man dazu gelangt wäre, den Anteil des Komitees des internationalen Roten Kreuzes und den der Liga der Rotkreuzgeeellschaften an dieser internationalen Organisation gegenseitig abzugrenzen. Die Unsicherheit, die in dieser Beziehung herrschte, war vom Standpunkte der Schweiz aus um so bedauerlicher, als diese, die stets besonders lebhaften Anteil an allem genommen hat, was das Rote Kreuz betrifft, für wesentlich ansah, dass den zwischen beiden Organisationen schwebenden Fragen möglichst bald eine klare Regelung zuteil werde.

Die Konferenz wurde am 4. Juli 1927 unter dem Vorsitze des Herrn Külz, Reiohstagaabgeordneten und ehemaligen Reichsministers, eröffnet; sie vereinigte die Delegierten von 42 Staaten. Mit der Aufgabe, den Statutenentwurf im Sinne der von zahlreichen Delegationen eingereichten Abänderungsvorschläge umzugestalten, wurde ein Ausschuss von beschränkter Mitgliederzahl betraut, dem seinerseits ein Redaktionsausschuss zur Seite stand. Der von diesen beiden Kommissionen ausgearbeitete und von der Konferenz angenommene endgültige Wortlaut brachte zahlreiche Änderungen, die sich in ihrer Gesamtheit als bemerkenswerte Verbesserungen erwiesen.

Der Entwurf ist in zwei durchaus verschiedene Teile getrennt worden, in das eigentliche i n t e r n a t i o n a l e A b k o m m e n und in die ihm beigefügten S t a t u t e n . Diese Umgestaltung vorlieh der Urkunde grössere Klarheit, weil sie ermöglichte, die wesentlichen Bestimmungen, die nur durch eine neue Konferenz der Vertragsstaaten revidiert werden können, von denjenigen auszuscheiden, die sich gewissermassen auf die interne Organisation dea Verbandes beziehen und die von seinem obersten Organ, das aus den Delegierten aller Verbandsmitglieder besteht, mit qualifizierter Mehrheit abgeändert werden können. Auf Grund der Anträge verschiedener Delegationen beseitigte man im endgültigen Wortlaut jegliche
Anspielung auf einen Hilfsanspruch und auf Massnahmen, die auf dem Grundsatze der Versicherung beruht hätten.

Die Aufgabe des Verbandes ist nun klar umschrieben. Sie wird insbesondere darin bestehen, bei Landesnot von aussergewöhnlicher Schwere die e r s t e H i l f e zu leisten und in den andern Fällen von Landesnot, wenn erforderlich, für die Z u s a m m e n f a s s u n g der von Privatpersonen, amtlichen und privaten Organisationen ausgehenden H i l f e besorgt zu sein (Art. 2 des Abkommens). Es wird dem Verband auf diese Weise möglich sein, mit verhältnismässig bescheidenen Mitteln eine wirksame Tätigkeit zu entfalten. Es wurde deshalb vereinbart, die finanzielle Ver-

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pflichtung der Staaten auf eine einmalige Zahlung KU beschränken, Das so gebildete Stammvermögen wird sich aus Anteilen zu je 700 Schweizerfranken zusammensetzen; jeder Staat wird so viele Anteile entrichten, als sein Beitrag an den Völkerbund Einheiten zählt. Der Beitrag der Staaten, die nicht Mitglieder des Völkerbundes sind, wird festgesetzt werden, indem ihre Bevölkerungszahl und ihre finanzielle Lage nach denselben Grundsätzen in Berücksichtigung gezogen wird (Art. 9 des Abkommens).

Die Betätigung des Welthilfsverbandes ,,wird bedingt durch die freie Mitwirkung" der Landesgesellschaften des Roten Kreuzes und aller übrigen ahnlichen Organisationen (Art. 5 des Abkommens); eine glückliche Fassung, weil sie für die Initiative der privaten Organisationen freien Spielraum lässt und deren Mitarbeit daher eine grössere Wirkung zu geben vermag, als mit amtlicher Aufsicht und mit Vorschriften zu erreichen gewesen wäre.

Auf Grund einer eingehenden Erörterung wurde beschlossen, die Tätigkeit des Welthilfsverbandes grundsätzlich auf das Gebiet der Vertragsstaaten zu beschränken, mit der Möglichkeit, sie ausnahmsweise auf andere Länder auszudehnen, wenn die Landesnot, die diese trifft, das Gebiet irgendeines Mitgliedstaates in Mitleidenschaft ziehen könnte (Art. 3 des Abkommens). Diese Zurückhaltung dürfte sich aus der Überlegung rechtfertigen, dass es kaum am Platze wäre, einen Staat unter allen Umständen aus dorn Hilfswerke Nutzen ziehen zu lassen, der seinen Beitritt nicht für angezeigt erachtet hat; sie ist auch geeignet, die überaus wünschenswerte Universalität des Verbandes zu begünstigen.

Die Bestimmung des Abkommens über die friedliche Beilegung etwaiger Streitigkeiten zwischen den vertragschliessenden Teilen (Art. 14) wäre an sich nicht jeglicher Kritik enthoben, weil die Staaten grössere oder geringere Verpflichtungen Übernehmen, je nachdem sie das Statut des ständigen internationalen Gerichtshofes anerkannt haben oder nicht.

Die es nicht anerkannt haben, sind indessen in der Minderheit, und es ist erfreulich, dass das Abkommen für die andern den Grundsatz der obligatorischen Anrufung des Haager Gerichtshofes bestätigt hat.

Der früher in Aussicht genommene ständige Fachausschuss wurde als selbständiges Organ nicht beibehalten. Es schien zu genügen, wenn vorgesehen wurde, dass dem Welthilfsverband
in jeder geographischen Zone Sachverständige zur Verfügung stehen sollen, die er im Bedarfsfalle zu Rate ziehen kann (Art. 11 der Statuten).

Das Abkommen umschreibt den Begriff der Landesnot nicht; es beschrankt die Hilfeleistung durch den Welthilfsverband auf die Fälle h ö h e r e r G e w a l t , die durch ihre Schwere die Kräfte oder Mittel des betroffenen Volkes übersteigen (Art. 2, Abs. l, des Abkommens). Man vermied damit vorsichtigerweise, die Haltung festzulegen, die der Welthilfsverband

479 gegenüber den aus Krieg oder Revolution herrührenden Fällen von Landesnot einzunehmen hätte. Beigefügt sei, daas verschiedene EntschliessiiDgen, in denen die Meinung der Konferenz über gewisse im Abkommen und in den Statuten selber nicht .abschliessend geordnete Punkte zum Ausdruck kam, in einer ^Schlussakte" untergebracht wurden.

Diese Verbesserungen machten die Einwendungen der Schweiz gegenüber den vorangehenden Entwürfen hinfällig. Ein wichtiger Punkt gab indessen noch Anlass zu Vorbehalten. Dem internationalen Roten Kreuze ·wurden vom Abkommen und den Statuten verschiedene Obliegenheiten übertragen, obwohl die Frage seiner Organisation noch nicht gelöst war.

Zudem hatten sich eben einige nationale Rotkreuzgesellschaften von der Pariaer Liga zurückgezogen, und das schweizerische Rote Kreuz schien selber nicht weit davon entfernt zu sein, ein Gleiches zu tun. Es war ganz augenscheinlich, dass die erfolgreiche Betätigung des Verbandes unter einer Lage schwer gelitten hätte, die alle Anzeichen einer ernstlichen Krisis aui'wies und die am Tage, wo ein Hilfswerk unternommen worden wäre, eine Quelle für Reibungen und Kompetenzstreitigkeiten gebildet hätte.

Allerdings gaben die an die Konferenz entsandten Vertreter des internationalen Komitees und der Liga der Rotkreuzgesellschaften in dieser Beziehung beruhigende Erklärungen ab, dio in die Schlussakte aufgenommen wurden; in diesen Erklärungen gaben sie ihrem Willen zur Zusammenarbeit und ihrer Hoffnung auf eine baldige Einigung Ausdruck. Der schweizerische Delegierte sah sich dennoch veranlasst, hervorzuheben, dass diese überaus bedauerlichen Verhältnisse unser Land, das allen das Rote Kreuz betreffenden Fragen stets seine grossie Aufmerksamkeit gewidmet habe, mit Besorgnis erfüllten; er erklärte, dass die Schweiz unter diesen Umstanden, obwohl sie Ziel und Geist des Welthilfsverbandes nach wie vor aufs wärmste begrüssc, dennoch ihren Beitritt kaum werde vollziehen können, so lange die Frage der internationalen Organisation des Roten Kreuzes keine klare, dauerhafte und den Anforderungen ihrer Stellung in der Welt entsprechende Lösung gefunden habe.

Der schweizerische Delegierte nahm aus diesen Gründen davon Abstand, die von der Konferenz ausgearbeitete Akte zu unterzeichnen; diese wurde von den Delegierten von dreizehn Staaten mit ihren
Unterschriften versehen, Gemäss Artikel 15 stand das Abkommen bis zum 30. April 1928 den Staaten zur Unterzeichnung offen; seit diesem Zeitpunkte hat jeder Staat die Möglichkeit, ihm jederzeit beizutreten (^Art. 17).

Organisation und Tätigkeit des Welthilfsverbandes auf Grund des Abkommens vom 12. Juli 1927 und der zugehörigen Statuten.

Der Verband übt seine Tätigkeit durch einen G e s a m t r a t aus, der die Delegierten aller Mitgliedstaaten oder der mit deren Vertretung betrauten Vereinigungen umfasst (Art. 6 des Abkommens). Der Rat, der alle zwei

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Jahre in Genf, dem Sitze des Welthilfsverbandes, zusammentritt, ernennt mit qualifizierter Stimmenmehrheit einen V o l l z u g s a u s s c h u s s (Art, 4, Abs. l, der Statuten). Dieser besteht aus sieben Mitgliedern, die man wahrscheinlich aus der Mitte der Fachleute für die Fragen der Hilfstätigkeit auswählen wird. Zwei Vertreter der internationalen Organisationen des Roten Kreuzes (des internationalen Komitees uud der Liga) werden sich an den Arbeiten des Vollzugsausschusses mit beratender Stimme beteiligen; der Generalsekretär des Völkerbundes kann daran ebenfalls teilnehmen oder sich vertreten lassen (Art, 5 der Statuten). Der Vollzugsausschuss tagt mindestens einmal jährlich in Genf (Art. 6 der Statuten). Er ist der Vertreter des Welthilfsverbandes und der Verwalter seiner Geldmittel. Bei Katastrophen ist er ,,befugt, den Welthilfsverband in Tätigkeit zu setzen", die Durchführung der Hilfeleistungen zu organisieren und die Aufrufe für die Sammlungen anzuordnen (Art. 7 der Statuten). Es stehen ihm Sachverständige zur Seite, die aus den Bewohnern verschiedener geographischer Zonen der Erde auszuwählen sein werden und die er wird zu Rate ziehen können, sobald sich ein Bedürfnis hierfür geltend macht (Art. 11 der Statuten). Endlich werden die internationalen Organisationen des Roten Kreuzes auf ihre Kosten für den Betrieb einer s t ä n d i g e n und z e n t r a l e n G e s c h ä f t s s t e l l e , die der Leitung des Vollzugsausschusses unterstehen wird, besorgt sein (Art. 14 der Statuten).

Sobald eine Landesnot -- Hungersnot, Seuche, Überschwemmung, Ausbruch eines Vulkans, Erdbeben usw. -- auftritt, ist es Sache des Vollzugsausschusses oder vielmehr derjenigen Mitglieder, denen er für die Zeit zwischen zwei Sessionen seine Befugnisse übertragen hat (Art. 8 und 9 der Statuten), sich unverzüglich darüber schlüssig zu werden, ob eine .Hilfsaktion angezeigt sei. Eine solche kann nur unternommen werden, falls sich das Unglück auf dem Gebiet eines Mitgliedstaates des Welthilfsverbandes ereignet hat oder doch, wenn es anderswo auftritt, nach der Ansicht des Vollzugsausschusses das Gebiet eines dieser Staaten in Mitleidenschaft ziehen könnte (Art. 3 des Abkommens). Steht fest, dass ein Einschreiten angezeigt ist, so hat der Ausschuss zu prüfen, ob sich dieses Einschreiten darauf beschränken kann,
die Tätigkeit der verschiedenen Hilfsorganisationen zusammenzufassen. Dies wird von der Ausdehnung der Not abhängen. Stellt der Vollzugsausschuss fest, dass das Unglück durch seine Schwere ,,die Kräfte oder Mittel des betroffenen Volkes übersteigt1-1, so ist es Sache des Welthilfsverbandes, selber für die erste Hilfeleistung an die geschädigte Bevölkerung zu sorgen und zu diesem Zweck an die öffentliche Wohltätigkeit zu gelangen, um die erforderlichen Mittel und Beihilfen aufzubringen (Art. 2 des Abkommens). Es könnte für den Welthilfsverband wohl kaum die Rede davon sein, zum voraus ein genügend grosses Vermögen zu bilden, um bei einer Landesnot von grosser Ausdehnung selber die angemessene Hilfe gewähren zu können. Die öffentliche Wohltätigkeit kommt z\\ voller Entfaltung nur unter dem von den Ver-

481 heerungen der Landesgeissel erzeugten Eindruck und Mitgefühl, und es besteht aller Grund zur Annahme, dass ein Aufruf des Welthilfsverbandes das ihm gebührende Gehör lande. Die Hilfe in Fällen von Landesnot wird nicht mehr so beträchtliche und verhängnisvolle Verspätungen erleiden, wie dies bisher in der Regel der Fall war, weil niemand ausdrücklich berufen erschien, ibre Organisation zu übernehmen. Es wird inskünftig eine zentrale Einrichtung bestehen, um das Hilfswerk u n v e r z ü g l i c h einzuleiten und in geordnete Bahnen zu lenken. Während bis anhin die Aufrufe an die Öffentlichkeit gewissermassen aus dem Stegreif erlassen wurden, wobei der gute Wille das Fehlen von Plan und Methode kaum zu ersetzen vermochte, werden die Geber nunmehr alle Sicherheit dafür haben, dass ihre Spenden einem einzigen, ernstlich vorbereiteten Werke zufliessen werden, dessen Hilfe dank der fachmännischen Vorbereitung seiner Dienstzweige und dank der Einheitlichkeit seines Wirkens aufs vollste ausgenützt werden kann. Die zwischenstaatliche Wohltätigkeit wird dadurch gewissermassen ermutigt werden. Die öffentliche Meinung wird andererseits auch die Gewissheit haben, dass man nicht leichthin unter dem Eindrucke der ersten, ungenauen oder übertriebenen Nachrichten an sie gelangt. Nach Abschluss des Hilfswerkes wird zudem eine moralisch verantwortliche Einrichtung fortbestehen, die in der Lage ist, sich über die Verwendung der erhaltenen Spenden auszuweisen.

Ist die Landesnot nicht von solcher Schwere, dass sich die Beanspruchung der internationalen Hilfe rechtfertigte, so kann der Welthilfsverband dennoch eine fruchtbare Tätigkeit entfalten, indem er den nationalen Hilfsorganisationen seine Mitwirkung leiht; diese Organisationen können sich damit zum grossen Vorteil ihres Werkes die Erfahrung und das fachmännische Wissen seiner Dienstzweige zunutze machen.

Die bescheidenen G e l d m i t t e l , die dem Welthilfsverband unmittelbar zur Verfügung stehen, scheinen zu genügen, um ihm die eben beschriebene Tätigkeit zu ermöglichen. Sie setzen sich zusammen aus: 1. dem S t a m m v e r m ö g e n , bestehend aus Anteilen zu je 700 Franken, die von den Mitgliedstaaten in dem oben dargelegten Umfang einbezahlt werden (Art. 9 des Abkommens) ; 2. einem B e t r i e b s f o n d s , der gebildet wird aus den Einkünften aus
dem Stammvermögen und einem geringfügigen Abzüge von allen dem Welthilfsverbande zur Verfügung gestellten Beträgen : freiwilligen Zuwendungen, Sammelgeldern und andern Spenden (Art. 16, Ziff. l, der Statuten) ; 3. einer R ü c k l a g e aus dem Überschuss der für ihre besondern Zwecke nicht völlig aufgebrauchten Gelder und aus einem Abzüge von allen dem Welthilfsverband ohne besondere Zweckbestimmung übergebenen Geldern (Art. 16, Ziff. 2, der Statuten); Durch diese finanzielle Ordnung werden dem Welthilfsverband die erforderlichen Summen zur Einleitung eines Hilfswerkes zur Verfügung gestellt. Aber die für das Hilfswerk selber notwendigen Gelder werden

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immer von der öffentlichen und ganz besonders von der privaten Wohltätigkeit aufgebracht werden, ohne dass daraus für die Mitglieder dee Wôlthilfeverbandes eine Pflicht zur Übernahme weiterer finanzieller Lasten erwachsen würde.

Die Vorteile einer derartigen Weltorganisation sind augenscheinlich und dürften sich für die von einer Landesnot von außerordentlicher Schwere betroffenen Länder als eine wahre Wohltat erweisen. Nicht weniger offensichtlich ist aber auch, dass das Wirken des Welthilfsverbandes nur dann nutzbringend sein wird, wenn seine Organe einer reibungslosen Abwicklung ihrer Tätigkeit sicher sind und wenn sie stets vermögen, planmässig zusammenzuarbeiten.

Die gegenwärtige Lage.

Auf Grund seines Artikels 18 wird das Abkommen erst in Kraft treten, wenn die Ratifikations- oder Beitrittserklärungen mindestens von zwölf Staaten, deren Zeichnungen insgesamt 600 Anteile betragen würden, hinterlegt sein werden. Das Abkommen ist zwar bis heute von ungefähr dreissig Staaten unterzeichnet worden, die zusammen annähernd 600 Anteile vereinigen, aber, wie dies bei Kollektivabkommen häufig der Fall ist, können die Ratifikationen mehr oder weniger lang auf sich warten lassen. Gegenwärtig haben nur vier Staaten (Ägypten, Ecuador, Italien, Rumänien) das Abkommen ratifiziert; drei Länder, die es nicht unterzeichneten, haben ihren Beitritt erklärt (Grossbritannien und Nordirland, Neuseeland, Sudan). Diese Saumseligkeit mag unter anderem daher rühren, dass gewisse Regierungen, unabhängig davon, ob sie unterzeichnet haben oder nicht, glauben, dem Verbände gegenüber einen besondern Eifer nicht an den Tag legen zu müssen, so lange gewisse andere Länder abseitsstehen. Eine wohlwollende Haltung der Schweiz könnte vielleicht in gewissem Umfange zur Verwirklichung dieser vortrefflichen Einrichtung internationalen gegenseitigen Beistandes beitragen.

Bestehen zurzeit triftige Gründe, um den Beitritt der Schweiz zu einem internationalen Werk, das ihren schönsten Überlieferungen entspricht, noch aufzuschieben? Wie bereits gesagt, wird sich der Wortlaut des nun vorliegenden Abkommens kaum noch der Kritik ausgesetzt sehen, der die frühern Entwürfe begegnet sind. Ein politisch, sozial und religiös neutrales Werk der Menschlichkeit steht vor seiner Verwirklichung; es wird das internationale Rotkreuzwerk, dem die
Schweiz bei aller Freiheit, die sie seinen verschiedenen Einrichtungen belässt, aufs engste verbunden bleibt, in aller Form bestätigen. Der finanzielle Beitrag unseres Landes wird geringfügig sein, da er in einer einmaligen Zahlung von 11,900 Franken bestehen wird. Gerade das bescheidene Mass dieser Leistung würde offenbar vom internen Standpunkt aus an der bisherigen Lage nichts ändern, und die Schweiz hätte in Fällen von Landesnot ganz wie bis anhin zu prüfen, in welchem Umfang ihre Beteiligung an einem

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Liebeswerke zugunsten der Geschädigten angezeigt erschiene. In Wirklichkeit hat uns einzig das Fehlen einer plannlässigen und nutzbringenden Organisation des internationalen Roten Kreuzes daran verhindert, unseren Beitritt zum Abkommen zu erklären. Auch dieses letzte Hindernis ist nun beseitigt. Die XIII. Rotkreuzkonferenz, die im letzten Oktober im Haag tagte, hat nämlich die Satzungen des internationalen Roten Kreuzes anerkannt, welche die Landesgesellschaften, das internationale Komitee und die Liga der Rotkreuzgesellschaften bei aller "Wahrung der besondern Aufgaben dieser Einrichtungen in einer gemeinsamen Organisation zusammenfassen. Der Bundesrat hat diesen Satzungen durch Vermittlung seiner Delegation seine Zustimmung erteilt. Das internationale Rote Kreuz verfügt von nun an über eine konkrete, von aller Welt anerkannte Erscheinungsform ; es ist in der Lage, die wichtige ihm zufallende Aufgabe zu erfüllen. Der Augenblick seheint demnach für die Schweiz gekommen zu sein, soviel an ihr liegt, diese ständige Bekundung internationaler Solidarität, ala die sich der WelthiJfsverhand darstellt, verwirklichen zu helfen.

Obwohl das den Welthilfsverband ins Leben rufende Abkommen unter den Auspizien des Völkerbundes abgeschlossen worden ist und die Völkerbundsorgane sowohl im Abkommen als auch in den Statuten mehrmals erwähnt werden, besteht deswegen zwischen dem Verband und dem Völkerbunde doch nicht eine so weitgehende Abhängigkeit, dass sich die Anwendung von Ziffer l, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 5. Mäiz 1920 rechtfertigen würde, wonach für die Genehmigung dor mit dem Völkerbund zusammenhängenden Übereinkünfte die von der Bundesversammlung für den Erlass von ßundesgesetzen aufgestellten Bestimmungen massgebend sein sollen; da das Abkommen andererseits von jedem Staate durch einjährige Voranzeige gekündigt werden kann, braucht der Bundesbeschluss, mit dem der Bundesrat zum Beitritt ermächtigt wird, den Bestimmungen des Aitikels 89, Absatz 3, der Bundesverfassung nicht unterstellt zu werden.

Wir ersuchen Sie, das Abkommen samt zugehörigen Statuten über die Errichtung eines Welthilfsverbandes zu genehmigen, indem Sie den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesbeschlusse gutheissen, und versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 2. April 1929.

Irn Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Scheurer.

Der Bimdeskanzler : Kaeslin,

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

den Beitritt der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu dem am 12, Juli 1927 geschlossenen Abkommen zur Errichtung eines Welthilfsverbandes samt zugehörigen Statuten.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 2. April 1929, beschliesst: Artikel 1.

Der Bundesrat wird ermächtigt, dem am 12. Juli 1927 in Genf geschlossenen Abkommen zur Errichtung eines Welthilfsverbandes samt zugehörigen Statuten beizutreten.

Artikel 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

485 Übersetzung aus dem französischen und englischen Originaltext.

Abkommen und Statuten zur Errichtung eines Welthilfsverbandes.

Abkommen.

Der Präsident der Albanischen Republik ; der Deutsche Reichspräsident ; Seine Majestät der König der Belgier; der Präsident der Vereinigten Staaten Ton Brasilien ; Seine Majestät der König von Grossbritannien, Irland und der überseeischen Britischen Lande, Kaiser von Indien ; Seine Majestät der König der Bulgaren ; der Präsident der Republik Kolumbien ; der Präsident der Republik Kuba ; der Präsident der Republik Polen im Namen der Freien Stadt Danzig; Seine Majestät der König von Ägypten; der Präsident der Republik Ecuador ; Seine Majestät der König von Spanien ; der Präsident der Republik Finnland; der Präsident der Französischen Republik; der Präsident der Hellenischen Republik; der Präsident der Republik Guatemala; Seine Durchlaucht der Reichsverweser von Ungarn; Seine Majestät der König von Italien; der Präsident der Republik Lettland; Seine Durchlaucht der Fürst von Monaco ; der Präsident der Republik Nicaragua ; der Präsident der Republik Peru ; der Präsident der Republik Polen ; der Präsident der Portugiesischen Republik; Seine Majestät der König von Rumänien; die Capitani Reggenti der Republik San Marino ; der Präsident der Tschechoslowakischen Republik ; der Präsident der Türkischen Republik ; der Präsident der Republik Uruguay und der Präsident der Vereinigten Staaten von Venezuela: In Anbetracht der Präambel der Völkerbundssatzung, wonach es zur Förderung der gemeinsamen Arbeit unter den Völkern . . . . geboten ist, die internationalen Beziehungen auf die Grundlage der Gerechtigkeit ....

EU stellen", in Anbetracht des Artikels 23 (f) der Satzung, wonach die Mitglieder des Völkerbundes sich bemühen werden, auf internationalem Boden Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten zu ergreifen in Anbetracht des Artikels 25 der Satzung, wonach ,,die Mitglieder des Völkerbundes sich verpflichten, die Errichtung und die Zusammenarbeit der vorschriftsmässig anerkannten freiwilligen Landesorganisationen des Roten Kreuzes, welche die Hebung der Gesundheit, die Verhütung von Krankheiten und die Linderung der Leiden der Menschheit bezwecken, zu stützen und zu fördern in der Erwägung, dass diese Grundsätze überdies die Zustimmung aller Staaten finden,

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entschlossen, den gegenseitigen Beistand bei Landesnot immer weiter auszudehnen, die zwischenstaatliche Hilfe durch die planmässige Bereitstellung der verfügbaren Mittel zu fördern und dem Fortschritte des Völkerrechts auf diesem Gebiete den Weg zu ebnen, haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: (Es folgen die Namen der Bevollmächtigten) die nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten über folgendes übereingekommen sind: Artikel 1.

Die hohen vertragschliessenden Teile gründen einen Welthilfsverband, für den das gegenwärtige Abkommen und die beigefügten Statuten massgebend sind.

Mitglieder des Welthilfsverbandes sind diejenigen Mitglieder des Völkerbundes sowie diejenigen der nicht zum Völkerbünde gehörenden Staaten, die Vertragsparteien des gegenwärtigen Abkommens sind.

Artikel 2.

Der Welthilfsverband bezweckt: 1. bei einer auf höhere Gewalt zurückzuführenden Landesnot, die durch ihre aussergewöhnliche Schwere die Kräfte oder Mittel des betroffenen Volkes übersteigt, der heimgesuchten Bevölkerung die erste Hilfe angedeihen zu lassen und zu diesem Zwecke die Gaben, Mittel und Beihilfen jeder Art zu vereinigen, 2. bei jeder Landesnot erforderlichenfalls die Tätigkeit der Hilfsorganisationen zusammenzufassen und, im allgemeinen, die Studien und Vorkehrungen zur Verhütung eines Landesunglücks zu fördern, sowie dafür einzutreten, dass alle Völker den internationalen gegenseitigen Beistand tätig bekunden.

Artikel 3.

Der Welthilfsverband übt seine Tätigkeit zugunsten jeder heimgesuchten Bevölkerung aus ohne Ausehen ihrer Staats- oder Rassenzugehörigkeit und ohne Rücksicht auf soziale, politische oder religiöse Unterschiede.

Indessen beschränkt sich die Tätigkeit des Welthüfsverbandes auf die Fälle von Landesnot in denjenigen Gebieten der hohen vertragschliesscndun Teile, für die das gegenwärtige Abkommen anwendbar · ist, sowie auf diejenigen Fälle, die sich in andern Ländern ereignen, soweit sie nach der Ansicht des im Artikel 6 des gegenwärtigen Abkommens erwähnten Vollzugsausschusses die obgenannten Gebiete der hohen vertragschliessenden Teile in Mitleidenschaft ziehen könnten.

Artikel 4.

Die Betätigung des Welthilfsverbandes in einem Land ist von der Zustimmung der Regierung abhängig.

487

Artikel 5.

Die Bildung und die BetätiguDg des Verbandes sind bedingt durch die freie Mitwirkung: 1. der Landesgesellschaften des Roten Kreuzes gemäss Artikel 25 der VolkerbundssatzuDg sowie dei Einrichtungen und Organe, die zwischen ihnen ein rechtliches oder ideelles Band bilden oder noch bilden sollten, 2. aller übrigen öffentlichen oder privaten Organisationen, die in der Lage sind, zugunsten der heimgesuchten Bevölkerung die gleiche Tätigkeit, wenn möglich in Zusammenarbeit mit den Rotkreuzgesellschaften und don oben erwähnten Einrichtungen, auszuüben.

Artikel 6.

Der W elthilfs verband übt seine Tätigkeit durch einen Gesamtrat aus, der gemäss den im gegenwärtigen Abkommen und den beigefugten Statuten vorgesehenen Bedingungen einen Vollzugsausschuss ernennt.

Der Gesamtrat des Welthilfsverbandes setzt sich aus den Delegierten aller Mitglieder des Welthilfsverbandes zusammen, wobei jedes Mitglied einen Delegierten bezeichnet.

Jedes Mitglied des Welthilfsverbandes kann sich durch seine Landesgosellschaft des Roten Kreuzes oder durch eine der im Artikel 5 erwähnten Landcsorganisationen vertreten lassen.

Artikel 7.

Der Welthilfaverband hat seinen Sitz in der gleichen Stadt wie der Völkerbund.

Sein Verwaltungsdienst kann ganz oder zum Teil an jedem beliebigen vom Vollzugsausschusse bezeichneten Orte sich befinden.

Artikel S.

In den durch seinen Zweck gezogenen Gren/en und nach Massgabe der verschiedenen nationalen Gesetzgebungen ist der Welthilfsverband befugt, unmittelbar oder durch Vermittlung einer für ihn handelnden Person vor Gericht aufzutreten sowie unter den im Artikel 12 vorgesehenen Vorbehalten unentgeltlich oder gegen Entgelt Eigentum zu erwerben oder zu besitzen.

Artikel 9.

Jode Vertragspartei des gegenwärtigen Abkommens, ob Mitglied des Volkerbundes oder nichl, übernimmt die Verpflichtung, zur Bildung eines Stammverrnogens des Welthilfsverbandes beizutragen. Dieses Vermögen setzt sich aus Anteilen von je 700 Schweizerfranken zusammen. Jetjes Mitglied des Völkerbundes zeichnet so viele Anteile, als sein Beitrag zu den Volkerbimdsausgaben Einheiten zählt. Der Beitrag der Staaten, die

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nicht Mitglieder des Völkerbundes sind, wird vom Vollzugsausschüsse nach den für die Festsetzung der Beiträge der Völkerbundsmitglieder gellenden Grundsätzen bestimmt, Artikel 10.

Jeder der hohen vertragschlieseenden Teile wird es sich angelegen sein lassen, soweit seine Gesetzgebung es irgendwie gestattet, auf denjenigen Teilen seines Gebiets, auf die das gegenwärtige Abkommen Anwendung findet, dem Welthilfsverband und den gemäss den Bestimmungen des Artikels 5 des gegenwärtigen Abkommens und gemäss den beigefügten Statuten für ihn tätigen Organisationen alle Immunitäten, Erleichterungen und Abgabefreiheiten zu gewähren, die für ihre Einrichtung, den Verkehr ihres Personals und den Transport ihres Materials, für ihre Hilfstätigkeit sowie für die Verbreitung ihrer Aufrufe am vorteilhaftesten sind.

Artikel 11.

Abgesehen von dem im Artikel 9 vorgesehenen Stammvermögen setzen sich die Geldmittel des Wellhilfsverbandes zusammen aus : 1. den etwaigen freiwilligen Zuwendungen der Regierungen ; 2. den durch öffentliche Sammlungen aufgebrachten Geldern 5 3. den im Artikel 12 vorgesehenen Spenden.

Artikel 12.

Der Welthilfsverband kann Spenden jeder Art entgegennehmen. Die Spenden können entweder vorbehaltlos gegeben werden, oder aber vom Geber nach seiner Wahl durch Auflagen, Bedingungen oder besondere Zweckbestimmungen einem bestimmten Lande, einer besonderen Art von Landesnot oder auch einem einzelnen Landesungläck zugedacht werden.

Die Spenden dürfen jedoch nur angenommen werden, wenn sie mit dem Zwecke des Welthilfsverbandes, so wie er in den Artikeln 2 und 3 des gegenwärtigen Abkommens umschrieben ist, und mit der einschlägigen Gesetzgebung der beteiligten Staaten im Einklang stehen.

Artikel 13.

Keine Bestimmung des gegenwärtigen Abkommens darf eine Auslegung erfahren, die ia irgendeiner Weise die Freiheit der im Artikel 5 genannten Gesellschaften, Einrichtungen oder Organe beeinträchtigen könnte, wenn sie auf ihre eigene Verantwortung handeln.

Artikel 14.

Die hohen vertragschliessenden Teile kommen überein, alle Streitigkeiten, die wegen der Auslegung oder Anwendung des gegenwärtigen Abkommens zwischen ihnen entstehen könnten, dem Standigen Internationalen Gerichtshöfe zur Entscheidung zu unterbreiten, wenn sie nicht durch

489 unmittelbare Verhandlungen oder anderswie gütlich geregelt werden kennen.

Der Gerichtshof kann im gegebenen Falle durch einseitiges Begehren einer der Parteien angerufen werden. Sollten die Staaten, unter denen eine Streitigkeit entstanden ist, oder einer von ihnen am Protokolle vom 16. Dezember 1920 über den Ständigen Internationalen Gerichtshof nicht beteiligt sein, so wird dieser Streitfall nach ihrem Gutfinden und entsprechend den Verfassungsgrundsätien eines jeden von ihnen entweder dem Standigen Internationalen Gerichtshof oder einem gemäss dem Abkommen vom 18. Oktober 1907 zur friedlichen Erledigung völkerrechtlicher Streitigkeiten gebildeten Schiedsgericht oder auch irgendeinem andern Schiedsgericht unterbreitet.

Artikel 15.

.Das gegenwärtige Abkommen, dessen französischer und englischer Wortlaut in gleicher Weise massgebend sind, wird das Datum des heutigen Tages tragen und kann bis zum 30. April 1928 im Namen jedes Staates, sei er Mitglied des Völkerbundes oder nicht, unterzeichnet werden, wenn er an der Genfer Konferenz vertreten war oder wenn ihm der Völkerbundsrat zu 'diesem Zweck eine Ausfertigung des Abkommens zugestellt hat.

Artikel 16.

Das gegenwärtige Abkommen bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden sind dem Generalsekretär des Völkerbundes einzusenden, der jeden unterzeichnenden oder beitretenden Staat von der erfolgten Hinterlegung benachrichtigt.

Artikel 17.

Vom 1. Mai 1928 an kann jedes Mitglied des Völkerbundes und jeder im Artikel 15 erwähnte Staat dem gegenwärtigen Abkommen beitreten. Dieser Beitritt wird durch eine Mitteilung an den Generalsekretär des Völkerbundes vollzogen, die im Archiv des Sekretariats zu hinterlegen ist. Der Generalsekretär wird von dieser Hinterlegung alle Staaten unterrichten, die das Abkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind.

Artikel 18.

Das gegenwärtige Abkommen tritt erst dann in Kraft, wenn die Ratifikations- oder Beitrittserklärungen mindestens im Namen von zwölf Mitgliedern oder Nichtmitgliedern des Völkerbundes, deren Zeichnungen insgesamt 600 Anteile betragen würden, hinterlegt worden sind. Der Zeitpunkt seines Inkrafttretens ist der neunzigste Tag, nachdem der Generalsekretär des Völkerbundes die letzte dieser Ratifikations- oder Beitrittserklärungen erhalten hat. Späterhin erlangt das Abkommen für jeden Vertragsteil neunzig Tage nach dem Empfang einer Ratifikationsoder Beitrittserklärung Rechtskraft.

Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. I.

40

490 Zur Durchführung dieses Artikels wird der Generalsekretär des Völkerbundes eine vorläufige Schätzung der Beiträge der Vertragestaaten, die nicht Mitglieder des Völkerbundes sind, aufstellen.

Gemäss den Bestimmungen des Artikels 18 der Völkerbundssatzung ist das gegenwärtige Abkommen am Tage seines Inkrafttretens vom.

Generalsekretär einzutragen.

Artikel 19.

Jedes Mitglied des Welthilfsverbandes kann aus dem Verband austreten, indem es dem Generalsekretär des Volkerbundes seinen Entschluss ein Jahr zuvor mitteilt Ein Jahr nach Empfang dieser Ankündigung durch den Generalsekretär des Völkerbundes erlischt die Anwendbarkeit der Bestimmungen des gegenwärtigen Abkommens auf das Gebiet des in der Weise aus dem Verband ausgeschiedenen Mitgliedes.

Der Generalsekretär des Völkerbundes hat die Mitglieder des Verbandes über den Empfang der Austrittsanzeige zu benachrichtigen.

Artikel 20.

Die hohen vertragschliessenden Teile können bei der Unterzeichnung, der Ratifizierung oder dem Beitritt erklären, dass sie durch die Annahme des gegenwärtigen Abkommens keinerlei Verpflichtung bezüglich der Gesamtheit oder irgendeines Teiles ihrer Kolonien, ihrer Schutzgebiete, der unter ihrer Oberhoheit stehenden oder unter ihr Mandat gestellten Gebiete zu übernehmen gewillt sind ; in diesem Falle findet das gegenwärtige Abkommen auf die Gebiete, die Gegenstand einer solchen Erklärung sind, nicht Anwendung.

Die hohen vertragschliessenden Teile können späterhin dem Generalsekretär des Völkerbundes erklären, dass sie gewillt seien, die Anwendbarkeit des gegenwärtigen Abkommens auf die Gesamtheit oder irgendeinen Teil ihrer Gebiete auszudehnen, die Gegenstand der im vorangehenden Absätze vorgesehenen Erklärung waren. In diesem Falle wird das Übereinkommen neunzig Tage, nachdem der Generalsekretär des Völkerbundes die Erklärung erhalten hat, auf die Gebiete anwendbar, auf die sich die Erklärung bezieht.

Desgleichen können die hohen vertragschliessenden Teile jederzeit erklären, dass das gegenwärtige Abkommen seine Anwendbarkeit auf die Gesamtheit oder irgendeinen Teil ihrer Kolonien, ihrer Schutzgebiete, der unter ihrer Oberhoheit stehenden oder der unter ihr Mandat gestellten Gebiete verlieren soll ; in diesem Fall endigt die Anwendbarkeit des Abkommens auf die Gebiete, die Gegenstand einer solchen Erklärung sind, ein Jahr nachdem der Generalsekretär des Völkerbundes diese Erklärung erhalten hat.

491 Artikel 21.

Die Revision des gegenwartigen Abkommens kann jederzeit von einem Drittel der Mitglieder des Welthilfsverbandes verlangt werden.

Die dem gegenwärtigen Abkommen beigefügten Statuten können vom Gesamtrat abgeändert werden. Hierfür müssen drei Viertel der Mitglieder des Gesamtrates anwesend sein und zwei Drittel der anwesenden Mitglieder der Abänderung zustimmen.

Zu Urkund dessen haben die obgenannten Bevollmächtigten das gegenwärtige Abkommen unterzeichnet.

Ausgefertigt in Genf, am zwölften Juli eintausendneunhundertsiebenundzwanzig, in einfacher Urschrift, die im Archive des Völkerbundssekretariate hinterlegt wird; allen Mitgliedern des Völkerbundes und den ihm nicht angehörenden Staaten, die an der Konferenz vertreten waren, wird eine beglaubigte Abschrift zugestellt.

M. Libohova Dräu dt Ruppert Dr. Dünner Dr. Scheuert Belgien : A. François Brasilien *) : Raoul do Rio-Branco Indien : Atul C. Chatterjee Bulgarien : 8, N. Laftchieff Kolumbien : A. J. Restrepo Kuba : G. de Blanck . .

Freie Stadt Dornig Chod^ko Dr. Ferber Ägypten : Unter dem Vorbehalt der späteren Genehmigung des Beschlusses des Vollzugsauschusses über die Höhe des Beitrags Ägyptens durch die ägyptische Regierung.

Ahmed El Kadry Ecuador : F. Guarderas Spanien : Unter dem Vorbehalte der Ratifikation.

Luis Quer Boule

Albanien : Deutschland :

J ) Diese Unterschrift ist unter dem Vorbehalte der Genehmigung durch das brasilianische Parlament gegeben worden

492 Finnland : Frankreich : Griechenland : Guatemala : Ungarn :

Italien : Lettland : Monaco : Nicaragua : Peru : Pulen : Portugal : Rumänien : San Marino : Tschechoslowakei : Türkei: Uruguay : Venezuela :

Rudolf Holst Clauzel V, Dendramis José Castaneda M.

Bei der Unterzeichnung des gegenwärtigen Abkommens erklärt der unterzeichnete Delegierte Ungarns im Namen seiner Regierung, dass die im Artikel 10 dieses Abkommens erwähnten ,,vorteilhaftesten Immunitäten, Erleichterungen und Abgabefreiheiten a weder die Exterritorialität, noch die übrigen Rechte und Immunitäten umfassen, welche die gehörig beglaubigten diplomatischen Agenten in Ungarn geniessen.

Paul von Hevesy.

Giovanni Ciraolo Cavazzoni Stefano Charles Duzmans R. Elles F. Medina Victor Gonzalez Olaechea Chodzko A, M. Bartholomeu Ferreira N. P. Comnène Fr. Paolo Vanni Archiraf Ferdinand Veverka Mehme Munir E. E. Buero Octavio Baptista F. J. Duarte.

493

Statuten des Welthilfsverband.es.

Artikel 1.

Für jeden Delegierten im Gesamtrate kann ein Stellvertreter bezeichnet werden, der den Sitzungen beiwohnt, aber beratende und beschliessende Stimme nur in Abwesenheit des ordentlichen Delegierten hat.

Vertreter internationaler HilfsVereinigungen oder anderer berufener Organisationen und Einrichtungen können eingeladen werden, den Versammlungen des Gesamtrates mit beratender Stimme beizuwohnen.

Der Generalsekretär des Völkerbundes kann allen Versammlungen des Gesamtrates beiwohnen oder sich in ihnen vertreten lassen.

Artikel 2.

Der Gesamtrat tritt auf Einberufung durch den Vollzugsausschuss alle »wei Jahre am Sitze des Welthilfsverbandes zusammen. Während der zweilährigen Zwischenzeit kann er seine Sitzungen an jedem beliebigen vom Ausschüsse bestimmten Ort abhalten. Der Vollzugsausschuss hat den Gesamtrat auf Begehren von mindestens einem Viertel der Mitglieder desselben einzuberufen.

Zu seiner ersten Tagung wird der Gesamtrat vom Völkerbundsrat einberufen werden.

Artikel 3.

Bei der Einberufung des Gesamtrates, die mindestens drei Monate im voraus zu erfolgen hat, ist die Tagesordnung der Versammlung bekanntzugeben.

Unter Vorbehalt von Artikel 21 des Abkommens kann der Gesamtrat gültig nur verhandeln, wenn die Delegierten der Hälfte der Mitglieder des Welthilfsverbandes anwesend sind ; er fasst seine Beschlüsse in allen Fällen, wo in den gegenwärtigen Statuten eine grössere Mehrheit nicht vorgesehen ist, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Artikel 4.

Der Gesamtrat ernennt mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen die Mitglieder des Vollzugsausschusses und ihre Stellvertreter.

Mit der gleichen Mehrheit setzt er alle Verwaltungsvorschriften fest, die zum Vollzuge der gegenwärtigen Statuten erforderlich sind.

Der Gesamtrat setzt mit einfacher Stimmenmehrheit seine Geschäftsordnung fest; diese kann für die Wahl der Mitglieder des Vollzugsausschusses die absolute Mehrheit vorsehen für den Fall, dass mehrere Wahlgänge zu keinem Ergebnisse fuhren sollten.

Der Gesamtrat befindet über alle Angelegenheiten des Welthilfsververbandes.

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Artikel 5.

Der Vollzugaausschusa besteht aus sieben Mitgliedern. Diese sowie ihre Stellvertreter werden für die Dauer TOD zwei Jahren ernannt.

Wird aus irgendeinem Grund ein Sitz frei, so ergänzt sich der Ausschuss bia zum Ablaufe der Amtsdauer durch Zuziehung eines Stellvertreters.

Zwei Vertreter der internationalen Organisationen des Roten Kreuzes (des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes und der Liga der Rotkreuzgesellschaften) haben mit beratender Stimme Sitz im Ausschuss.

Der Generalsekretär des Völkerbundes kann allen Sitzungen des Vollzugsausschusses beiwohnen oder sich in ihnen vertreten lassen.

Der Vollzugsausschuss setzt seine Geschäftsordnung fest.

Artikel 6.

Der Vollzugsausschuss tagt mindestens einmal im Jahr am Sitze des Welthilfsverbandes ; er wird von seinem Vorsitzenden einberufen. Der Vorsitzende bestimmt Zeit und Ort der übrigen Tagungen.

Artikel 7.

Der Vollzugsausschuss ist der Bevollmächtigte des Welthilfsverbandes und kann die mit Auflagen, Bedingungen oder besonderen Zweckbestimmungen übergebenen Gelder zu treuen Händen verwalten. Der Vollzugsausschuss hat die umfassendsten Vollmachten zur Vornahme aller Rechtshandlungen für Rechnung des Welthilfsverbandes, die dessen Zweck entsprechen.

Der Vollzugsausschuss vertritt den Welthilfsverband gegenüber dem Völkerbund, den Regierungen, den in Artikel 5 des Abkommens erwähnten Organisationen sowie gegenüber allen natürlichen und juristischen Personen. Er kann für Rechnung des Welthilfsverbandes vor Gerieht klagen und verklagt werden. Er kann Vergleiche abschliessen.

Der Vollzugsausschuss sammelt die Gelder, verwendet sie, legt sie an, verwaltet sie als Trustée odor Treuhänder und schliesst im Namen des Welthilfsverbandes alle Bank- und Versicherungsgescbäfte ab.

Der Vollzugsausschuss tätigt und genehmigt Handelsgeschäfte jeder Art; er leitet die Verproviantierungsangelegenheilen.

Der Vollzugsausschuss stellt Vorschriften für die Anlegung der Gelder des Welthilfsverbandes auf.

Bei Eintritt einer Landesnot ist der Vollzugsausschuss befugt, den Welthilfsverband in Tätigkeit zu setzen und die Durchführung der Hilfeleistungen sowie die Aufrufe zu Geldspenden anzuordnen.

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Artikel 8.

Unter Vorbehalt der Bestimmungen des Artikels 9 kann der Vollzugsausschues seine Befugnisse ganz oder zum Teil einem oder mehreren seiner Mitglieder übertragen.

Artikel 9.

Für alle Rechtsgeschäfte, die der Vollzugsausschuss ala Trustée oder Treuhänder einer mit Auflagen, Bedingungen oder besondern Zweckbestimmungen beschwerten Zuwendung vornimmt, müssen mindestens zwei Unterschriften beigebracht werden.

Dasselbe gilt für Verfügung8gesehäfte.

Artikel 10.

Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 18 erstattet der Vollzugsausschuss alljährlich den Mitgliedern des Welthilfsverbandes über seine Tätigkeit und seine Massnahmen einen Bericht. Dieser Bericht wird ausserdem dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Bekanntgabe an den Rat und die Versammlung des Völkerbundes übermittelt. Desgleichen wird er zur Kenntnis der Öffentlichkeit gebracht.

Artikel 11.

Dem Vollzugsausschusse stehen Sachverständige zur Seite, die einzeln oder gemeinsam zu Rate gezogen werden können.

Die Sachverständigen werden vom Vollzugsausschuss ernannt, und zwar einer oder mehrere für jedes Land oder für jede mehrere Länder umfassende geographische Zone, deren Bereich vom Vollzugsaussehuss im Einvernehmen mit den beteiligten Mitgliedern festgesetzt wird.

Die Sachverständigen werden auf drei Jahre ernannt ; sie müssen in ihrer Zone wohnen. Wenn die Umstände es erfordern, kann der Vollzugsausschuss ausser den schon erwähnten Sachverständigen auch stellvertretende Sachverständige ernennen, die nicht verpflichtet sind, in ihrer Zone zu wohnen.

Die Ernennung jedes einzelnen Sachverständigen und Stellvertreters bedarf der Zustimmung der beteiligten Mitglieder.

Artikel 12.

So oft die Umstände es erfordern, beruft der Vollzugsausschuss die Sachverständigen, deren Mitarbeit notwendig erscheint, ein, oder befragt sie schriftlich um ihre Ansicht.

Artikel 13.

Die Reisekosten und Aufenthaltsentschädigungen der in den Gesamtrat entsandten Delegierten sind von denjenigen Behörden zu bestreiten, welche die Delegierten ernennen.

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Die Reisekosten und Aufenthaltsentschädigungen der Mitglieder de» Vollzugsausschusses und der Sachverständigen werden aus dem Haushalte: des Welthilfsverbandes bestritten. Mit der Tätigkeit eines Mitgliedes des Vollzugsausschusses und eines Sachverständigen ist keinerlei Gehalt verbunden^ Artikel 14.

Die internationalen Organisationen des Roten Kreuzes (InternationalesKomitee des Roten Kreuzes und Liga der Rotkreuzgesellschaften) sollen aufgefordert werden, auf ihre Kosten und im Rahmen, den sie mit ihren.

Mitteln für vereinbar halten, für den Betrieb einer ständigen und zentralen Geschäftsstelle des Welthilfsverbandes besorgt zu sein. Diese Geschäftsstelle untersteht der Leitung des Vollzugsausschusses.

Artikel 15.

Das Hilfawerk wird in jeder Zone durch die im Artikel 5 des Abkommens erwähnten Organisationen dieser Zone für Rechnung des Welthilfsverbandes durchgeführt, Umfasst eine und dieselbe Zone mehrere Staaten oder beteiligen sich' in einer Zone mehrere der obgenannten Organisationen am Hilfswerke, sotrifft der Vollzugsausschuss alle erforderlichen Massnahmen, um die Znsammenfassung der Bemühungen und die Verteilung der Unterstützungen zu regeln. Insbesondere kann er zu diesem Zwecke mit Zustimmung dieser Organisationen örtliche Ausschüsse einsetzen, wobei er bei der Auswahl ihrer Mitglieder der fachmännischen Eignung, der erworbenen Erfahrung und den Bedürfnissen der Verwaltung Rechnung trägt.

Tritt eine Landesnot ein, so haben grundsätzlich die Sachverständige» der betreffenden Zone für die Benachrichtigung des Vollzugsausschusseszu sorgen.

Artikel 16.

Der Welthilfsverhand bildet, abgesehen vom Stammvermögen und allen andern Fonds, deren Anlegung er für notwendig erachten sollte : · 1. einen Betriebsfonds aus: a. den Einkünften aus dem Stammvermögen und aus den hiernachvorgesehenen Rücklagen, b. einem Abzüge von nicht mehr als einem vom Hundert von allea Beträgen, die dem Welthilfsverbande zur Verfügung gestellt werden^ Dieser Betriebsfonds dient zur Deckung der ordentlichen und ständigen Betriebskosten des Welthilfsverbandes, wenn diese ausnahmsweise nicht von den internationalen Organisationen des Roten Kreuzes (dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes und der Liga der RotkreuzgesellSchäften) bestritten werden;

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2. eine Rücklage aus: a. dem Überschuss aller für ihre besondern Zwecke nicht aufgebrauchten Geldmittel, b. einem Abzüge von allen dem Welthilfsverband ohne besondere Zweck* Bestimmung zur Verfügung gestellten Geldern, der zusammen mit dem allfälligen Abzüge für den Betriebsfonds fünf vom Hundert nicht übersteigen darf.

Diese Rücklage hat in erster Linie der Wiederherstellung des ii> Artikel 9 des Übereinkommens vorgesehenen Stammvermögens zu dienen und sodann zur BeschaEfung oder Ergänzung der Hilfe hei einer Landesnot,, für die keine besonderen Zuwendungen bestehen.

Artikel 17.

Mit Ausnahme der für die laufenden Ausgaben erforderlichen Beträgesind die Gelder des Welthilfs verband es bei denselben Kreditanstalten wie die Gelder des Völkerbundes oder auch, mit Zustimmung des Gesamtrates» bei andern Kreditanstalten zu hinterlegen, Artikel 18.

Der Vollzugsausschuss hat alljährlich eine Bilanz des Welthilfsverbandes aufzustellen.

Diese Bilanz soll Aufschluss geben über die Aktiven und Passiven des Welthilfsverbandes sowie über die Abrechnungen, die für jede Landesnot gesondert aufzuführen sind.

Artikel 19.

Der Völkerbund ist berufen, unter den von ihm festzusetzenden Bedingungen die Rechnungsführung des Welthilfsverbandes zu überwachen, ohne dass jedoch hieraus dem Völkerbund irgendwelche Verantwortung; erwachsen soll.

498

Schlussakte.

Die auf Grund einer Entschliessung des Völkerbundsrates vom 10. Dezember 1926 einberufene internationale Konferenz zur Errichtung ·eines Welthilfsverbandes ist am 4. Juli 1927 in Genf zusammengetreten.

Zum Vorsitzenden der Konferenz hatte der Völkerbundsrat Herrn K ü l z , Reichstagsabgeordneten und ehemaligen Reichsminister, ernannt.

Zum Generalsekretär der Konferenz hatte der Generalsekretär des Völkerbundes Herrn Haas, Mitglied des Internationalen Sekretariats, ernannt, dem die Herren S m et s und P i e t r o m a r c h i beistanden.

An der Konferenz haben die Delegationen in folgender Zusammensetzung teilgenommen: (Es folgen die Namen der Delegierten folgender Länder : Afghanistan, Deutschland, Österreich, Belgien, Bolivien, Brasilien, Grossbritannien und Nordirland (sowie alle Teile des Britischen Reiches, die nicht selbständige Mitglieder des Völkerbundes sind), Bulgarien, China, Kolumbien, Kuba, Dänemark, Freie Stadt Danzig, Ägypten, Ecuador, Spanien, Äthiopien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Guatemala, Ungarn, Indien, Freistaat Irland, Italien, Japan, Lettland, Monaco, Nicaragua, Neuseeland, Paraguay, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, Schweden, Schweiz, Tschechoslowakei, Türkei, Uruguay, Venezuela.)

Mit beratender Stimme haben an der Konferenz teilgenommen : Vertreter des internationalen Komitees des Roten Kreuzes: Vertreter der Liga der Rotkreuzgesellschaften: Vom Rat eingeladene Mitglieder des vorbereitenden Ausschusses : Abgeordnet vom Souveränen Orden der Malteserritter, war ferner als Beobachter anwesend : Die Konferenz hat auf Grund der Arbeiten der Studienkommission vom 4. bis 12, Juli verhandelt. Sie hat selbst einen Ausschuss für Abänderungsani rage eingesetzt, der unter dem Vorsitze des Herrn Cavazzoni, gestützt auf den Bericht eines unter der Leitung des Herrn François stehenden Redaktionsausschusses^ den endgültigen Entwurf ausgearbeitet hat.

Die Konferenz hat in ihren Sitzungen vom 11. und 12. Juli das der gegenwärtigen Schlussakte beigefügte Abkommen sowie die dem Abkommen angeschlossenen Statuten angenommen.

Desgleichen hat sie folgende Entschliessungen angenommen: ,,Die Konferenz erklärt, daas da, wo sie im Übereinkommen und in den Statuten den Ausdruck ,,Rotes Kreuz" gebraucht, sie darunter gleichfalls die entsprechenden Gesellschaften in verschiedenen Ländern, wie insbesondere die Gesellschaften des Roten Halbmondes, versteht.

499 ,,Die Konferenz nimmt mit lebhafter Befriedigung die Erklärungen zur Kenntnis, die in ihrer Sitzung vom 11. Juli von den Vertretern des internationalen Komitees des Rote"n Kreuzes und der Liga der Rotkreuügesellschaften abgegeben worden sind. .

Bindern die Konferenz den Artikel 4 der Statuten über die Wahl der Mitglieder des Vollzugsausschusses durch den Gesamtrat annimmt, vertraut sie darauf, dass der Gesamtrat bei dieser Wahl nicht verfehlen "wird, sich in weitgehendstem Masse von der Sorge um eine gerechte Vertretung der verschiedenen Weltteile leiten zu lassen.

,,Indem die Konferenz die Bestimmung des Artikels 9 des Abkommens über den Beitrag der Staaten, die nicht Mitglieder des Völkerbundes sind, annimmt, erklärt sie sich damit einverstanden, dass diese Staaten das Abkommen unterzeichnen, es ratifizieren oder ihm beitreten unter dem Vorbehalte der späteren Genehmigung des Beschlusses des Vollzugsausschusses über die Höhe ihres Beitrages seitens der Regierung.

,,Indem die Konferenz die Artikel der Statuten annimmt, welche die Tätigkeit des Vollzugsausschusses ordnen, geht sie von der Voraussetzung aus, dass die Handlungen dieses Ausschusses keinesfalls zur Folge haben können, den Mitgliedern des Wolthilfsverbandes irgendeine finanzielle Verpflichtung aufzuerlegen, die über die auf Grund des Artikels 9 des Abkommens übernommene hinausginge.

,,Die Konferenz erklärt, dass unter den im zweiten Absätze des Artikels l der Statuten erwähnten Organisationen und Einrichtungen namentlich das Internationale Arbeitsamt, die technischen Organisationen des Völkerbundes und das Internationale Landwirtschaftliche Institut zu verstehen sind."

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Beitritt der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu dem am 12. Juli 1927 in Genf geschlossenen Abkommen zur Errichtung eines Welthilfsverbandes samt zugehörigen Statuten. (Vom 2.

April 1...

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