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Kreisschreiben des

Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten Wirtschaft (Vom 9. November 1951)

Getreue, Hebe Eidgenossen!

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In der vergangenen Herbstsession haben die eidgenössischen Bäte unsere Vorlage zu einem Bundesgesetz über die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten Wirtschaft durchberaten und ihr nach Vornahme einiger Änderungen zugestimmt. Der Gesetzestext ist im Bundesblatt Nr. 41 vom 12. Oktober 1951 veröffentlicht worden; die Beferendumsfrist läuft bis 10. Januar 1952. Da nicht anzunehmen ist, dass das Beferendum ergriffen wird, dürfte es möglich sein, das Gesetz vor Mitte Januar des nächsten Jahres in Kraft zu setzen. Unser Volkswirtschaftsdepartement ist bereits mit der Vorbereitung der erforderlichen Ausführungsvorschriften beschäftigt, und wir hoffen, den Entwurf den zuständigen kantonalen Departementen anfangs Dezember zur Vernehmlassung unterbreiten zu können.

Bei der Vorbereitung des Bundesgesetzes, wie anlässlich dessen Behandlung in den Kommissionen der eidgenössischen Räte und in den Bäten selbst, ist von berufenen Kennern der Wirtschaft wiederholt und mit Nachdruck darauf hingewiesen worden, dass die Vergütung der auf den Beserveeinlagen entrichteten eidgenössischen Wehrsteuer allein kaum genügen dürfte, eine grössere Zahl von Unternehmungen zur Beservebildung zu veranlassen. Dass solche Meinungsäusserungen die Auffassung der privaten Wirtschaft richtig wiedergegeben haben, ist kaum zu bezweifeln und lässt sich sehr wohl begreifen, wenn man die mit der Äufnung von Arbeitsbeschaffungsreserven verbundenen Vor- und Nachteile unter dem Gesichtswinkel des Unternehmers betrachtet.

Die Vergütung der Wehrsteuer allein kann es betrieblich gesehen allenfalls rechtfertigen, Gewinnteile der Arbeitsbeschaffungsreserve zuzuweisen, die sonst in eine offene Beserve geleitet oder zur Ausschüttung gelangen würden und demzufolge ohnehin hätten versteuert werden müssen. Die Zahl der Unternehmungen aber, die für eine Beservebildung solcher Art in Frage kommen, Bundesblatt: 103. Jahrg. Bd. III.

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dürfte äusserst bescheiden sein. Die Aktion des Bundes wird deshalb eine ausreichende Wirkung nur entfalten können, wenn es gelingt, den Kreis der zur Eeservebildung bereiten Unternehmungen möglichst zu erweitern und auch jene zu erfassen, die bisher den ausgewiesenen Eeingewinn niedrig hielten, indem sie allerhand an sich aufschiebbare Investitionen und andere Aufwendungen vornahmen, um auf diese Weise ihre gewinnvermindernden Unkosten und Abschreibungsbeträge zu erhöhen. Gerade solche Ausgaben, die vorwiegend mit dem Ziel getätigt werden, den Eeingewinn und damit die Steuerbelastung herabzusetzen, sollten, wie wir immer betont und besonders in unserer Botschaft zum Bundesgesetz einlässlich dargelegt haben, im Interesse einer gedeihlichen Wirtschaftsentwicklung verhindert und die dadurch zum Vorschein gelangenden Gewinnteile einer Arbeitsbeschaffungsreserve zugeleitet werden.

Hierzu bedarf es aber der Mitwirkung der Kantone und Gemeinden an der Aktion des Bundes. Keine Unternehmung wird, um der Vergütung der Wehr Steuer willen, auf gewinnschmälernde Ausgaben verzichten, wenn sie dadurch eine Vermehrung ihres Gewinnes und eine Erhöhung ihrer Steuerpflicht gegenüber Kanton und Gemeinde in Kauf nehmen muss, da diese steuerliche Mehrbelastung im allgemeinen ungefähr das Doppelte der Wehrsteuervergütung ausmachen würde.

' Aus diesen Erwägungen heraus möchten wir Euch dringend ersuchen, auch in den Kantonen und Gemeinden jene Massnahmen zu prüfen und durchzuführen, die geeignet erscheinen, in Ergänzung zum Bundesgesetz die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven zu erleichtern. An einer gedeihlichen wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes, an der Verhütung von Inflation und Krise sind Kantone und Gemeinden genau so interessiert wie der Bund.

Extreme Schwankungen der Wirtschaftstätigkeit in der einen oder andern Eichtung ziehen vor allem auch sie in Mitleidenschaft und erschweren ihnen die Erfüllung ihrer Aufgäben. Wir brauchen zur Verdeutlichung dieses Hinweises lediglich auf die ernsthafte finanzielle Mehrbelastung hinzuweisen, welche allen Stufen, der öffentlichen Hand,-beispielsweise bei den Personalausgaben und insbesondere bei der Erfüllung der öffentlichen Bauaufgaben, durch die Auswirkungen der heutigen Überkonjunktur erwächst. Wie rasch sich anderseits depressive Konjunktureinflüsse recht
ungünstig auszuwirken vermögen und welche Sorgen den Kantonen und Gemeinden daraus entstehen können, braucht hier nicht näher a'usgeführt zu werden. Die Erfahrungen aus dem Jahre 1949 und anfangs 1950 waren eine deutliche Warnung, trotz Hochkonjunktur die Vorbereitungen für die Krisenabwehr nicht erlahmen zu lassen. Die Bemühungen des Bundes, auf den Konjunktur verlauf ausgleichend zu wirken, verdienen deshalb sicher die volle Unterstützung von Kantonen und Gemeinden.

Der Bund kann bei der föderalistischen Struktur unseres Landes eine wirksame Konjunkturpolitik nicht allein betreiben. Nur durch eine solidarische Zusammenarbeit aller Stufen der öffentlichen Hand kann es gelingen, unsere Wirtschaft einigermassen heil durch die Fährnisse der konjunkturellen Ent-

583 wicklung zu bringen. Diese Überzeugung hat ihren Niederschlag auch im Artikel 31
Diese Verfassungsbestimrnung zeigt deutlich, dass der Bund die konjunkturpolitische Verantwortung nicht allein, sonderni nur zusammen mit den Kantonen zu tragen hat. Da wir;die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven in den Unternehmungen der privaten Wirtschaft als eines der wertvollsten Mittel betrachten, das uns im Bahmen unserer Wirtschaftsverfassung zur Konjunkturbeeinflussung überhaupt zur Verfügung steht, rechnen wir bestimmt darauf, dass die Kantone und Gemeinden nicht zurückstehen, sondern.im Anschluss an das Vorgehen des Bundes die Beservebildung ebenfalls durch : geeignete Massnahmen fördern werden.

Durch das Bundesgesetz wird das Vorgehen der Kantone und Gemeinden und die Art und Weise, wie sie sich der Aktion des Bundes anschliessen möchten, in keiner Weise präjudiziert. Welchen W'eg sie beschreiten wollen, um den Unternehmungen die Eeservebildung zu ermöglichen, steht ihnen völlig frei. Sie können sowohl die Methode des Bundes übernehmen und für die auf den Einlagen in die Arbeitsbeschaffungsreserve entrichteten kantonalen und kommunalen Steuern eine Vergütung gewähren oder -- was auf dem Boden des Bundes nicht angebracht erschien -- die der Eeserve zugewiesenen Gewinne direkt von der Besteuerung ausnehmen. Welcher Weg der zweckmassigere ist und am schnellsten zum Ziele führt, kann nur anhand des kantonalen Verfassungsrechtes und der bestehenden Gesetzgebung über das Steuerwesen und die Arbeitsbeschaffung entschieden werden. Dagegen möchten wir uns den Hinweis gestatten, dass dort, wo die Förderung der Eeservebildung die Schaffung von neuem Eecht erfordert, die gesetzliche Eegelung durch den Kanton, sofern sich dies mit der kantonalen Verfassung vereinbaren lässt, auch die Gemeinden einschliessen und deren Beitrag an die Aktion ordnen sollte. Auf diese Weise liesse sich vermeiden, dass nicht nur auf kantonalem Boden, sondern auch in zahlreichen Gemeinden nebeneinander, ein Gesetzgebungsverfahren in Bewegung zu setzen wäre, das sich schon deshalb unweigerlich sehr in die Länge ziehen
müsste, weil die Gemeinden kaum Beschlüsse fassen könnten, ohne vorher die definitive Eegelung im Kanton zu kennen/Da eine volle Wirksamkeit der vom Bund ausgelösten Aktion erst zu erwarten ist, wenn Kantone und Gemeinden sich angeschlossen haben, die Notwendigkeit der Konjünkturdämpfung aber dringend ist, wären solche Verzögerungen zweifellos sehr zu bedauern.

Sofern sich ein Kanton entschliesst, .den Einlagen in die Arbeitsbeschaffungsreserve sofortige Steuerfreiheit zuzubilligen, indem beispielsweise den Eeserven die Eigenschaft von geschäftsmässig begründeten Eückstellungen zuerkannt wird, dürfte dadurch die Mitwirkung der Gemeinden im allgemeinen von selbst gewährleistet sein. Aber auch bei der Wahl des Vergütungsverfahrens sollte zumeist der Einbezug der Gemeinden in die kantonale Eegelung möglich sein.

584 Mit besonderem Nachdruck möchten wir Euch ferner ersuchen, in die kantonale Regelung nicht ohne Not Bestimmungen, beispielsweise über die Höhe der Eeserveeinlagen oder über andere Einzelheiten, einzubauen, die wesentlich von den entsprechenden Bestimmungen des Bundesgesetzes abweichen. Wir halten diesen Hinweis für angebracht im Hinblick auf die in manchen Kantonen und Gemeinden zu hörende Auffassung, die Unterstützung der Beservebildung nach Massgabe des Bundesgesetzes könnte sich zu einer übermässigen finanziellen Belastung auswachsen, weshalb die Eeserveeinlagen gegenüber dem Bundesgesetz wesentlich einzuschränken seien. Solchen : Überlegungen glauben wir entgegenhalten zu dürfen, dass sie schliesslich auf eine Negierung der Möglichkeit der Kantone und Gemeinden hinauslaufen, gegen eine allfällige Arbeitslosigkeit das Nötige vorzukehren. Im Eahmen des Vergütungsverfahrens werden Kantone und Gemeinden eine finanzielle Leistung nur in einem Umfange, aufzubringen haben, als es die Arbeitsbeschaffung erfordert.

Diese Leistung wird, sofern man sich nicht mit der Arbeitslosigkeit tatenlos abfinden will, auf alle Fälle erbracht werden müssen, sei es in Form der Steuervergütungen, sei es in Form von Subventionen. Das gleiche gilt für das System der Steuerbefreiung der Eeserveeinlagen, da auch diese Befreiung nur soweit definitiv wird, als die Unternehmungen auf behördliches Geheiss Arbeitsbeschaffungsmassnahmen durchführen. Schliesslich.ist in diesem Zusammenhang erneut darauf hinzuweisen, dass die den Kantonen und Gemeinden aus der Förderung der Eeservebildung entstehende finanzielle Belastung keinesfalls den rein rechnungsmässig ermittelten, auf die Beserven entfallenden Steuerbeträgen entsprechen wird, denn ohne die Möglichkeit der Eeservebildung würde von diesen Steuerbeträgen nichts oder nur ein sehr bescheidener Teil den Kantonen und Gemeinden zufliessen. Die Unternehmungen würden, wie die Erfahrung deutlich erwiesen hat, einfach durch Investitionen und andere Aufwendungen darnach trachten, ihren steuerpflichtigen Eeingewinn entsprechend herabzusetzen. Wir glauben deshalb nicht, dass es notwendig sein könnte, in den Kantonen und Gemeinden der Eeservebildung engere Grenzen zu setzen als sie das Bundesgesetz vorsieht. Dadurch erführen lediglich die konjunkturpolitischen Wirkungen der Aktion,
insbesondere die Krisenvorsorge, eine Verminderung, weil die Mehrzahl der Unternehmungen ihre Eeserveeinlagen auf jenes Ausmass begrenzen würde, für welches sie auch der Unterstützung der Kantone und. Gemeinden teilhaftig werden.

Im Interesse einer administrativen Vereinfachung wäre es schliesslich sehr erwünscht, wenn die Kantone und Gemeinden sich auch hinsichtlich Kontrolle und Eechtsmittel dem Vorgehen des Bundes anschliessen könnten, in der Weise, dass der Befund der vom Bund mit der. Kontrolle beauftragten Organe und allfällige Entscheide der im Bundesgesetz vorgesehenen Eekurskommission, welche für die Ausrichtung oder Verweigerung der Wehrsteuervergütung massgebend sind, auch für die Gewährung der kantonalen und kommunalen Leistung als anwendbar erklärt würden. Es liesse sich dadurch vermeiden, dass eine Unternehmung die Kontrolle zweier Stellen, nämlich derjenigen des Bundes

585 und des Kantons, über sich ergehen lassen müsste. Ebenso wäre es nicht zweckmässig, für das Beschwerdeverfahren verschiedene Instanzen vorzusehen, wodurch die Unternehmung an die eine oder andere gelangen müsste, je nachdem die Leistung des Bundes oder des Kantons strittig ist. Administrative Einfachheit in jeder Beziehung wird sicher die Bereitschaft der Unternehmungen, Arbeitsbeschaffungsreserven in einem konjunkturpolitisch wirksamen Umfange zu bilden, wesentlich beeinflussen.

Wir würden es sehr begrüssen, wenn Ihr uns. über Eure Entschlüsse hinsichtlich der Unterstützung der Aktion des Bundes orientieren wolltet, und wir danken Euch für eine verständnisvolle Mitarbeit.

Wir benützen auch diesen Anlass, um Euch, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns dem Machtschutz. Gottes zu empfehlen.

Bern, den 9. November 1951.

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Ed. von Steiger

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Der Bundeskanzler: Leimgruber

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16.11.1951

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