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z« 2448 II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1929.)

(Vom 30. Mai 1929.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten über nachstehende weitere 13 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

101. Carlo Zerboni, geb. 1878, Maurermeister, Nieder-Rohrdorf (Aargau Jj 102. Johann Kocher, geb. 1883, Zimmermeister, Bern, 103. Otto Otter, geb. 1878, Bauunternehmer, Laufen (Bern) (Unfallversicherung, Prämienhinterziehung.)

Gemäss den Art. 64 und 66 des Bundesgesetzes über die Krankenund Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 sind verurteilt worden: 101. Carlo Z e r b o n i , verurteilt am 29. Januar 1929 vom Bezirksgericht Baden zu 14 Tagen Gefängnis und Fr. 400 Busse.

Zerboni hat der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt als Maurermeister in den Jahren 1918 bis 1927 falsche Lohnerklärungen eingereicht.

Die Prämienhinterziehung belief sich auf Fr. 6336. 20. Zerboni führte zweierlei Lohnbücher.

Zerboni ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Als Ausländer habe er die Tragweite der Verfehlungen nicht genügend überblickt. Er sei ein geplagter Arbeitsmann, den der Strafvollzug schwer beeinträchtigen würde.

Der Bericht des Gemeinderates Nieder-Rohrdorf lautet günstig ; Zerboni wird zur Begnadigung empfohlen. Das Bezirksgericht Baden beantragt teilweise Begnadigung. Die Unfallversicherungsanstalt beantragt Abweisung.

Unserseits bemerken wir, dass die Bundesversammlung als Begnadigungsbehörde bereits in einer Anzahl gleichartiger Fälle entschieden hat; für die antragsgemäss erfolgte A b w e i s u n g einschlägiger Gesuche wird namentlich auf die Anträge 76 bis 79 des II. Begnadigungsberichtes vom 22. November 1927 (Bundesbl. II, 473 ff.) Bezug genommen. Grund-

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sätzliche Ausführungen enthält vor allem die Antragebegrttndung zum Falle Schwab, wo betont wird, das systematische Treiben des Beschuldigten, die jahrelang fortgesetzte Verfehlung bewirke, dass sich die Angelegenheit zu einer Begnadigung wenig eigne; persönliche Verhaltnisse des Gesuchstellers hätten vor der unbedingten Notwendigkeit zurückzutreten, dem Überhandnehmen derartiger Machenschaften wirksam zu begegnen, d. h.

mit Verurteilungen zu Freiheitsstrafen. Die UnfaUversicherungsanstalt beruft sich demgemäss mit Grund auf die bisherige, strenge Praxis der Begoadigungsbehörde, von der jedenfalls nur abgewichen werden kann, sofern die Verumständuugen eiues Einzelfalles dies zwingend nahelegen.

Solche Umstände liegen hier nicht vor.

Wir b e a n t r a g e n Abweisung.

102. Johann K o c h e r , verurteilt am 14. März 1928 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu 20 Tagen Gefängnis und Fr. 200 Busse.

Johann Kocher, Teilhaber eines Zimmereigeschäftes, hat der Unfallversicherungsanstalt seit 1923 falsche Lohnerklärungen eingereicht. Die Prämienhi'nterziehung macht Fr. 4670.85 aus. Einzelne Lohnbücher wurden doppelt geführt. Es bestanden fiktive Kassabücher, Journale usw.

Kocher ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Der eine der Geschäfteteilhaber sei inzwischen verunglückt und arbeitsunfähig geworden.

Die ganze Verantwortung laste nunmehr auf dem Verurteilten. Der Strafvollzug bedeute den Konkurs der Firma. Die Begnadigungsbehörde möge berücksichtigen, dass das Amtsgericht Bern in zwei neueren Fällen, unter Heranziehung kantonalen Rechts, den bedingten Strafvollzug gewährt habe.

Die Begnadigung verhindere den Ruin der beteiligten Familien und des Geschäftes.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern schreibt, Kocher gemesse keinen unbescholtenen Leumund ; weder die Art des Vergehens noch die Person des Gesuohstellers rechtfertige eine Begnadigung. Der Regierungsstatthalter l des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen desgleichen Abweisung.

Mit der Unfall Versicherungsanstalt b e a n t r a g e n wir ebenso, das Gesuch abzuweisen. Was dabei die Durchführung des Strafvollzuges anbetrifft, so kann es den Kantonsbehörden überlassen werden, die Verhältnisse Kochers tunlichst zu berücksichtigen.

Eine besondere Erörterung legt im übrigen der Hinweis nahe, das Amtsgericht Bern habe
in zwei seitherigen Fällen auf Grund kantonalen Rechtes den bedingten Strafvollzug gewährt. Diese bis anhin vereinzelt stehenden Urteile erscheinen unseres Erachtens in zwiefacher Richtung als auffällig: Einmal drängt sich die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen neben dem S p e z i a l S t r a f t a t b e s t a n d des Bundesgesetzes den kantonalen Strafbestimmungen betreffend Betrug eine selbständige Bedeutung zukommen könne. Die einschlägigen Rechtsfragen erBundesblatt. 81. Jahrg. Bd. I.

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054 örtert ein Urteil des Obergerichtes dea Kantons Zürich, III. Kammer, i. S.

Peter vom 20. Oktober 1921 (hierzu Schweiz. Juristen-Zeitung, 1921/22, 8. 242 ff., Nr. 49), dem die Rechtsprechung der Kantone bisher entsprochen hat. Da sich im Kanton Bern eine hiervon abweichende Rechtsprechung anzubahnen scheint, wird es Sache der Unfallversicherungeanstalt sein, zunächst einen Entscheid des Bernischen Obergerichtes herbeizuführen ; dies ist übrigens in den zwei, vom Amtsgericht Bern beurteilten Fällen bereits angestrebt worden, die Appellation der kantonalen Staatsanwaltschaft wurde aber aus anderweitigen Gründen nicht aufrechterhalten.

Vorausgesetzt, es sei bundesrechtlich zulässig, auf Gesamtstrafen zu erkennen, hierbei das kantonale Recht zugrundezulegen und demgemäss den bedingten Strafvollzug auszusprechen, so wäre immer noch geltend zu machen, dass ein in j a h r e l a n g e r F o r t s e t z u n g begangenes Vergehen den bedingten Strafvollzug in der Regel nicht nahelegen wird. In der hier zur Entscheidung stehenden Angelegenheit Kocher kann diesbezüglich auf die Urteilserwägungen verwiesen werden, wonach Kocher auf den bedingten Strafvollzug offenbar n i c h t hätte rechnen können.

103. Otto O t t e r , verurteilt am 11. Mai 1928 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern, in Abänderung des Urteils in erster Inatanz, zu einem Monat Gefängnis und zirka Fr. 7000 Kosten.

Die beim Bundesgericht eingereichte Kassationsbeschwerde hat der Kassationshof am 5. November 1928 abgewiesen.

Otter hat der Unfallversicherungsanstalt als Inhaber eines Baugeschäftes in den Jahren 1921 bis 1924 falsche Lohnerklärungen eingereicht bzw.

von Angestellten einreichen lassen. Die nachzuzahlenden Prämien betrugen Fr. 18,000.

Otter ersucht um gänzlichen oder doch bedingten Erlass der Gefängnisstrafe. Er beruft sich auf das erstinstanzliche Urteil des Amtsgericntes Laufen, wonach die Absicht unrichtiger Lohnlistenführung nicht vorgelegen habe. Der Gesuchsteller habe sich vom Steinhauer zum Inhaber eines Baugeschäftes hinaufgearbeitet. Mangels Zeit, zudem wegen fehlender Vorbildung, könne er sich mit der Buchhaltung nicht befassen. Die damit betrauten Angestellten seien ihrer Aufgabe ebenfalls nicht gewachsen gewesen; im Laufe des Strafverfahrens hätten sie dann ihn belastet, um nicht selbst
verantwortlich erklärt zu werden. Diese Verhältnisse habe das Amtsgericht Laufen richtig würdigen können, während die obere Instanz nur anhand der Akten geurteilt habe.

Im übrigen wird geltend gemacht, der Strafvollzug bedeute den Ruin des Gesuchstellers. Die Beanstandung der, allerdings sehr hohen, Kostensumme erfolgt mit dem Hinweis, der Untersuchungsrichter, ein ausgesprochener politischer Gegner, habe eine unnötige, in der Durchführung verfehlte Expertise angeordnet. Für weitere Einzelheiten beziehen wir uns auf das Gesuch selbst.

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Ein Polizeibericht äussert sich über die Familienverhältnisse Otters.

Der Regierungsstattbalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung. Der auf seinen Wunsch angefragte Staatsanwalt des Jura befürwortet das Gesuch im Sinne der bedingten Begnadigung. Die Unfallversicherungsanstalt beantragt Abweisung.

Unserseits ziehen wir in Erwägung, dass jedenfalls dem Gesuch von vornherein nicht Folge geleistet werden kann, soweit neuerdings die strafrechtliche Verantwortlichkeit Otters verneint werden will ; diesbezüglich muse es bei den Ausführungen der kantonalen Oberinstana und dee Bundesgerichtes schlechterdings sein Bewenden haben. Darnach steht fest, dass die Angestellten die Lohnlisten nach den Weisungen Otters aufzustellen hatten, dass sie zur Unterdrückung von Lohnauszahlungen angehalten worden sind. Sind aber die Verfehlungen durch Otter vorsätzlich begangen worden, woran sich die Begnadigungsbehörde zu halten hat, so ist unseres Erachtens wie in den zwei anderen und früheren Fällen zu sagen, dass die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe durchaus gerechtfertigt war. Bei Machenschaften, die zu Prämiennachzahlungen von Fr. 18,000 nötigen, ist aber auch im Begnadigungsweg kein besonderes Entgegenkommen am Platze, mag auch Otter, was glaubhaft ist, im übrigen unbescholten sein. Scbliesslich bemerken wir noch, dass jedenfalls keinerlei Gründe bestehen, die verschiedentlich angetönten politischen Verhältnisse des Verurteilten und seiner Umgebung irgendwie mit der hierin Betracht kommenden Verurteilung durch die kantonale Oberinstanz in Zusammenhang zu bringen.

Wir b e a n t r a g e n , das Gesuch abzuweisen.

104. Fritz Renier, geb. 1886, Marktkrämer, Lengnau (Bern).

(Verkehr mit Gebrauchsgegenständen,) 104. Fritz R e n fer ist am 11. Februar 1929 vom Gerichtspräsidenten von Balsthal gemäss den Art. 41, Abs. 2, 44 und 53 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und G-ebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905, in Verbindung mit Art. 350 der zudienenden Verordnung mit Fr. 10 Busse bestraft worden.

Renfer hielt in seinem Marktstand vier hernach beschlagnahmte Mundharmoniken feil, deren sogenannte Schutzbleche aus Zink bestanden, was der Verordnung zuwiderläuft.

Renfer ersucht um Erlass der Busse. Er macht geltend, dass ihm kein Verschulden zur Last falle, und bezieht sich auf das freisprechende Erkenntnis eines Amtsgerichtes, dieselbe Warengattung betreffend. Er sei ohne Vorstrafe.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt Abweisung.

856 Mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt b e a n t r a g e n wir desgleichen Abweisung. Der Richter hat die Angelegenheit in zutreffender Weise als geringfügig behandelt, wobei es um so eher sein Bewenden haben kann, als Renfer bei seinen persönlichen Verhältnissen von den Urteilsfolgen keineswegs übermässig betroffen wird. Derartige Gesuche sollten unterbleiben.

105.

106.

107.

108.

Adolf Dätwyler, geb. 1907, Fabrikarbeiter, Unterentfelden (Aargau), Gottfried Müller, geb. 1872, Landwirt, Kirchleerau (Aargau), Hermann Beyeler, geb. 1890, Gelegenheitsarb., Guggisberg (Bern), Johann Hochstrasser, geb. 1877, Landwirt und Spengler, OberMettmenstetten (Zürich), 109. Walter Hochstrasser, geb. 1911, Landwirt, Sohn des Johann, 110. Josef Schulder, geb. 1888, Taglöhner, Hirt, Fluhli (Luzern), 111. Charles Berat, geb. 1892, Taglöhner, Buix (Bern).

(Jagdvergehen.)

Gemäss Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 bzw. dem früheren Bundesgesetz vom 24. Juni. 1904 sind verurteilt worden : 105. Adolf D ä t w y l e r , verurteilt am 19. März 1929 vom Bezirksgericht Kulm gemäss Art. 39, Abs. 3, des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse.

Dätwyler hat im Verlaufe einer Schlittenfahrt einen Steinkauz eingefangen.

Dätwyler ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Busse. Er habe den halb erfrorenen Vogel aus Mitleid an sich genommen.

Das Bezirksgericht Kulm empfiehlt die Begnadigung, Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt Herabsetzung der Busse bis Fr. 10.

Wir b e a n t r a g e n , die Busse gänzlich zu erlassen. Die Gesetzesübertretung ist geringfügiger Art. Die Gesuchsdarstellung erscheint glaubwürdig. Das Tierchen wurde in der Folge wieder in Freiheit gesetzt.

106. Gottfried M ü l l e r , verurteilt am 19, März 1929 vom Bezirksgericht Kulm gemäss Art. 43, Ziffer 2, des Bundesgesetzes und zudienenden Vollzugsbestimmungen zu Fr. 300 Busse.

Müller ist wegen Verwendung von Fuchsfallen verurteilt worden.

Müller ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Busse.

Er sei Mitglied der Jagdgesellschaft. Das nunmehrige Erfordernis einer Bewilligung zum Fallenstellen habe er nicht gekannt; das neue Bundesgesetz sei ihm nicht ausgehändigt worden. Der Weg zum Gericht, hingestellt als Jagdfrevler, sei für ihn ein schwerer Gang gewesen.

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Der Gemeinderat von Kirchleerau befürwortet das Gesuch. Das Bezirksgericht Kulm empfiehlt teilweise Begnadigung.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei b e a n t r a g e n wir Herabsetzung der Busse um die Hälfte. Muller hätte die Jagdvorschriften von den Kantonsbehörden ohne weiteres erhalten sollen ; statt dessen ist bloss mitgeteilt worden, dass jeder Jäger sie beziehen könne. Die Gesuchsanbringen sind glaubwürdig, immerhin vermögen sie bloss die teilweise Begnadigung zu rechtfertigen; denn als Jäger ist Müller schlechthin verpflichtet, die Jagdvorschriften zu kennen.

107. Hermann B e y e l e r , verurteilt am 8. Februar 1929 von der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern gemäss den Art. 21, Ziffer 36, und 23, Ziffer 2, des früheren Bundesgesetzes von 1904 zu Fr. 200 Busse und dreijährigem Ausschluss von der Jagdberechtigung.

Beyeler hat im Sommer 1925 im kantonalen Bannbezirk Stockhorn eine Gemse erlegt; er bewahrte innerhalb des Banngebietes eine Jagdwaffe auf.

Beyeler ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Busse oder Ermässigung um die Hälfte, nebst Gewährung von Strafaufschub. Bei der vorhandenen Armut und den in Betracht kommenden schweren Familienlasten müsse Beyeler die Umwandlungsstrafe auf sich nehmen; die an Stelle der Bussenhälfte tretenden 10 Tage Gefängnis könnte er im Verlaufe des nächsten Winters verbüssen, Der Gemeinderat vou Guggisberg befürwortet das Gesuch. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes kann die Begnadigung nicht empfehlen. Die Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern beantragen Herabsetzung der Busse um die Hälfte, zwecks Ermässigung der zu gewärtigenden Umwandlungsstrafe.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei b e a n t r a g e n wir Abweisung, mit dem Beifügen, dass beim Vollzug der Umwandlungsstrafe auf die Verhältnisse Beyelers Rücksicht genommen werden soll. Beyeler ist in der Dezemberseesion 1924 in einer Jagdfrevelsache teilweise begnadigt worden (Bundesblatt III, 730/31); massgebend war die Rücksichtnahme auf die Familienlasten. Da aber Beyeler als bekannter Jagdfrevler bezeichnet wird, was des Näheren den Akten entnommen werden kann, ist eine erneute Begnadigung heute nicht mehr am Platze.

108 und 109. Johann und Walter H o c h s t r a s s e r , durch
Verfügung des Statthalteramtes des Bezirkes Winterthur am 12. März 1929 gemäss Art. 48, Abs. l bzw. 2, des Bundesgesetzes wie folgt bestraft: Johann Hochstrasser mit Fr. 300, Walter Hochstrasser mit Fr, 100 Busse.

Die beiden Hochstrasser, Vater und Sohn, waren bei der Verheimlichung einer gefrevelten Rehgeiss behilflich. Walter Hochstrasser trug

858 das von einem Dritten abgeschossene Tier in die Nähe des väterlichen Heimwesene; Johann Hochstrasser und der Dritte verwursteten das Fleisch in der Folge mit Kuhfleisch.

Die beiden Hochstrasser ersuchen um bedingten Erlaas der Bussen. Sie seien ohne Vorstrafe und befanden sich finanziell in etwas gedrückter Lage.

In den Akten befindet sich ein Polizeibericht, Das Statthalteramt Winterthur hält dafür, die ßussenansätze des Bundesgesetzes seien für derartige Fälle hoch, weshalb bei Hochstrasser, Vater, Ermässigung um Fr. 100 befürwortet werde; bei Hochstrasser, Sohn, seien keinerlei stichhaltige Begnadigungsgriinde vorhanden.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei b e a n t r a g e n wir in beiden Fällen Abweisung, Nach den vorhandenen Berichten über die Verhältnisse der Gesuchsteller kann ihnen die Entrichtung der Bussen durchaus zugemutet werden. In allgemeiner Weise sei betont, dass der Bundesrat bis anhin grundsätzlich davon Umgang genommen hat, den bedingten Erlass von Bussen zu beantragen.

110. Josef S c h n i d e r , verurteilt am 23. Oktober 1928 vom Amtsgericht Entlebuch, gemäss Art. 39, Abs. 2, des Bundesgesetzes zu Fr, 400 Busse und solidarisch mit zwei andern zu Fr. 200 Wertersatz.

Schnider ist zusammen mit Bmmenegger verurteilt worden, zu dessen Gesuch im ersten Bericht ein Abweisungsantrag gestellt wird (Nr. 57).

Schnider nahm im Februar 1928 mit einer Flinte an der Jagd auf Gemsen teil.

Schnider ersucht in nicht selbstverfasster Eingabe, ihm einen Teil der Busse zu erlassen. Er sei von einem andern in die Angelegenheit hineingezogen worden. Die Bezahlung der Busse falle ihm bei seinen Familienlasten außerordentlich schwer.

Das Statthalteramt Entlebuch äussert sich über die ärmlichen Verhältnisse des Gesuchstellers. Das Justizdepartement des Kantons Luzern empfiehlt die teilweise Begnadigung; die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei hält dafür, falls die Begnadigungsbehörde die Verhältnisse Schniders berücksichtigen wolle, so sei die Busse jedenfalls nicht um mehr als einen Viertel, mithin bis Fr. 300 zu ermässigen.

Wie bei Emmeuegger machen wir geltend, dass es sich um einen schweren Jagdfrevel handelt. Ein Teilerlass, bevor die Busse in namhafter Weise abbezahlt ist, sollte aus allgemeinen Erwägungen, namentlich aber
auch im Hinblick auf die Mitverurteilten, unterbleiben. Da sich aber die Verhältnisse Schniders in letzter Zeit verschlimmert haben, b e a n t r a g e n wir, das Gesuch lediglich zurzeit abzuweisen, mit dem Beifügen, Schnider seien zunächst erträgliche Teilzahlungen zuzubilligen.

111. Charles Ré r a t , verurteilt am 14. Februar 1929 vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut gemäss Art. 43, Ziffer l und 2, Abs. 2, des Bundesgesetzes zu Fr. 450 Busse.

859 Rérat hat zu Jagdzwecken Gift gelegt, indem er von ihm gefangene und hernach vergiftete Vögel als Lockspeise für Füchse verwendete.

Rérat ersucht um Herabsetzung der Busse, da ihm bei seinen ärmlichen Verhältnissen die Umwandlungsstrafe drohe; 45 Tage Gefängnis seien als Härte zu bezeichnen, namentlich da er weniger aus Eigennutz gehandelt habe, als getrieben vom allgemeinen Unwillen über den durch Füchse erlittenen Schaden.

Eine grössere Anzahl Landwirte bestätigen die erlittene Schädigung.

Der Gemeinderat von Buix befürwortet das Gesuch. Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes schreibt, eine teilweise Begnadigung sei vielleicht angezeigt. Die Forstdirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung, die Polizeidirektion Ermässigung der Busse bis Fr. 100, Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei b e a n t r a g e n wir Abweisung. Das Giftlegen auf Wild ist mit besonders hoher Busse bedroht. Da Rérat bereits 4 Freiheitsstrafen aufweist, erweckt sein Gesuch kein besonderes Interesse. Günstigstenfalls hätte Abweisung zurzeit zu erfolgen.

' 112. Gaston Dietrich, geb. 1898, Gipser und Maler, Genf, 113. Jakob But, geb. 1904, Schneider, Aarau (Aargau).

(Militärpflichtersatz.)

Gemäss Ergänzungsgesetz vom 29. März 1901 über den Militärpflichtersatz sind wegen schuldhafter Nichtentriohtung des Militärpflichtersatzes verurteilt worden: 112. Gaston D i e t r i c h , verurteilt am 24. Januar 1929 vom Polizeigericht des Kantons Genf zu 6 Tagen Haft, den Militärpflichtersatz von Fr. 42. -- für 1925 betreffend.

Dietrich ersucht um Erlass der Haftstrafe, Er hat im Jahre 1925 krankheitshalber den Wiederholungskurs nicht bestanden, weshalb er ersatzpflichtig wurde. In der Folge versteifte er sich auf die Ansicht, es könne bei der spätem Nachholung des Dienstes sein Bewenden haben.

In Wirklichkeit war er zur Zahlung der Ersatzabgabe verpflichtet; holt er den Dienst nach, so steht ihm ein Anspruch auf Rückerstattung zu.

Dietrich sieht heute sein unrichtiges Verhalten ein. Er verweist auf die nachträglich erfolgte Zahlung. Die Verbüssung von 6 Tagen Haft käme ihn hart an.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf empfiehlt einen weitgehenden Teilerlass. Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Herabsetzung der Haftstrafe bis zu einem Tag.

Wir b e a n t r a g e n die Haftstrafe
gänzlich zu erlassen. Der Gesuchsteller versichert heute, seinen Fehler einzugehen. Er genügt seiner Militärdienstpflicht. Er ist ohne Vorstrafe. Der Polizeibericht lautet günstig.

860 113. Jakob R u f , verurteilt am 9. Januar 1929 vom Bezirksgericht Aarau zu 2 Tagen Gefängnis, den Militärpflichtersatz von Fr. 25. 80 für 1928 betreffend.

Ruf ersucht in nieht selbstverfasster Eingabe um bedingte Begnadigung. Er sei ohne Vorstrafe. Der Strafvollzug beeinträchtige ihn in seiner Anstellung.

Der Gemeinderat von Aarau teilt mit, dass die Auskünfte über Ruf durchwegs sehr ungünstig lauten. Der Strafvollzug gefährde seine Arbeitsstelle nicht.

, Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung b e a n t r a g e n wir ohne weiteres Abweisung. Nach den Akten bestehen drei Vorstrafen, wovon die letzte eine Freiheitsstrafe war.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 30. Mai 1929.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,

Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1929.) (Vom 30. Mai 1929.)

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05.06.1929

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