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Abkommen zwischen

der Schweiz und Deutschland betreffend die Ausschreibung von Justizflüchtlingen.

Note der schweizerischen Gesandtschaft in Berlin an das Auswärtige Amt des Deutschen Reiches vom 13. April 1929.

Die schweizerische Gesandtschaft beehrt sich, mit Beziehung auf den vorangegangeneu Schriftwechsel festzustellen, dass zwischen der Schweizerischen und Deutschen Eegierung Einverständnis über folgendes besteht: 1. Die schweizerischen Behörden, d, h. die Untersuchungs-, Gerichtsund Strafvollzugsbehörden, sowie die Staatsanwaltschaften oder, im Auftrage dieser Behörden, die kantonalen Polizei- und Landjägerkommandos, sodann die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements sind berechtigt, zur Vorbereitung der Auslieferung straffälliger Personen die Schriftleitungen der deutschen Fahndungsblätter zu ersuchen, die Ausschreibung eines Verfolgten zu veröffentlichen.

Deutsche Falmdungsblatter, an die solche Ersuchen gerichtet werden können, sind: das Deutsche Kriminalpohzeiblatt in Berlin 0. 27, Marsiliusstrasse 19, das Bayerische Polizeiblatt in München, das Württembergische Fahndungsblatt in Stuttgart, Landeskriminalpolizeiamt, .

das Badische Fahndungsblatt in Karlsruhe, Landespolizeiamt, und das Hessische Fahndungsblatt, herausgegeben vom Polizeiamt in Darmstadt.

Die Ersuchen können schriftlich oder telegraphisch oder durch Vermittlung der Schriftleitung des Schweizerischen Polizeianzeigers unmittelbar bei der Schriftleitung des Fahndungsblattes gestellt werden, in dessen Verbreitungsbozirk der Verfolgte vermutet wird. Um die Veröffentlichung soll nur in wichtigen Fällen ersucht werden. Wird um die Wiedergabe eines Lichtbildes ersucht, so soll tunlichst der Druckstock beigefügt werden.

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2. Die deutschen Gerichtsbehörden, d. h. die Gerichte (einschliesslich der Untersuchungsrichter), sowie die Staatsanwaltschaften und die deutschen Zentralpolizeibehörden sind berechtigt, zur Vorbereitung der Auslieferung straffälliger Personen die Schriftleitung des Schweizerischen Polizeianzeigers in Bern zu ersuchen, die Ausschreibung eines Verfolgten zu veröffentlichen.

Die Ersuchen können schriftlich oder telegraphisch unmittelbar bei der Schriftleitung des Schweizerischen Polizeianzeigers gestellt werden, wenn vermutet wird, dass sich der Verfolgte in der Schweiz befindet. Um die Veröffentlichung soll nur in wichtigen Fällen ersucht werden. Wird um die Wiedergabe eines Lichtbildes ersucht, so soll tunlichst der Druckstock beigefügt werden.

8, In den Ersuchen der schweizerischen und der deutschen Behörden ist ausser den zur Feststellung der Persönlichkeit erforderlichen Mitteilungen anzugeben: a. was über die Staatsangehörigkeit des Verfolgten bekannt ist, b. dass die Ausschreibung wegen einer Straftat beantragt wird, wegen der die Auslieferung nach dem schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrag vom 24. Januar 1874 oder nach den zu seiner Ergänzung ausgetauschten Gegenseitigkeitserklärungen in Frage kommt, c. dass gegen den Verfolgten ein Straf urteil, ein Beschluss auf Versetzung in den Anklagezustand oder ein Haftbefehl ergangen ist, d. dass für den Fall der Ermittlung des Verfolgten dessen vorläufige Festnahme zum Zwecke der späteren Auslieferung beantragt wird.

4. Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung besteht nur, wenn der Verfolgte nicht die Staatsangehörigkeit des ersuchten Teiles besitzt und die Voraussetzungen unter Nr. l bis 3 gegeben sind. Im Falle der Ablehnung ist die ersuchende Behörde unverzüglich zu benachrichtigen.

5. Wird auf Grund einer Ausschreibung der Verfolgte ermittelt, so soll er vorläufig festgenommen werden, sofern sich die Festnahme nicht aus besonderen Gründen erübrigt. Von der Festnahme oder Ermittlung wird die Behörde, welche die Ausschreibung veranlasst hat, unverzüglich unmittelbar benachrichtigt. Das weitere Verfahren bestimmt sich nach den Vorschriften des schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages vom 24. Januar 1874.

6. Auf Ersuchen der schweizerischen Behörden, d. h. der Untersuchungs-, Gerichts- und Strafvollzugsbehörden, sowie der Staatsanwaltschaften
oder, im Auftrage dieser Behörden der kantonalen Polizei- und Landjägerkommandos, sodann der Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements werden in den deutschen Fahndungsblättern (Nr. l, Abs. 2), auf Ersuchen der deutschen Gerichtsbehörden, d. h. der Gerichte (einschliesslich der Untersuchungsrichter), sowie der Staatsanwaltschaften und der deutschen Xentralpolizeibehörden werden im Schweizerischen Polizeianzeiger auch andare

794 wichtige Bekanntmachungen strafrechtlicher Art in geeigneten Fällen veröffentlicht. Die Übermittlung der Ersuchen kann auf den in Nr. l, Abs. 3, und in Nr. 2, Abs. 2, bezeichneten Wegen erfolgen.

-" 7. Die Ersuchen um Ausschreibung straffälliger Personen und um Veröffentlichung anderer wichtiger Bekanntmachungen strafrechtlicher Art sind in der Sprache der ersuchenden Behörde abzufassen. Die Veröffentlichung selbst erfolgt in der Sprache des ersuchten Staates.

8. Für die Veröffentlichung werden Kosten nicht berechnet; auch trägt jede Behörde die ihr durch den Schriftwechsel entstehenden Kosten.

9. Bei Zurückziehung der Ersuchen ist entsprechend zu verfahren.

10. Der Schweizerische Polizeianzeiger wird den Sohriftleitungen der deutschen Fahndungsblätter (Nr. l, Abs. 2), die deutschen Fahndungsblätter (Nr. l, Abs. 2) werden der Schriftleitung des Schweizerischen Polizeianzeigers in je einem Stück kostenlos unmittelbar übersandt werden.

11. Die Vereinbarung tritt in Kraft vier Wochen nach Ablauf des Tages, .an dem der Notenaustausch zwischen der Schweizerischen Gesandtschaft in Berlin und dem Deutschen Auswärtigen Amt über die Vereinbarung, stattgefunden hat.

Notiz.

Zur Stellung von unmittelbaren Anträgen im Sinne von Nr. l und 6 des Abkommens sind ermächtigt:

l. Kantonale Behörden: Zürich

Bern

Luzern

Als Untersuchungsbehörden amten und sind zum Erlass von Haftbefehlen zuständig:

Als StrafvollstreckungsbehOrden amten und sind zum Erlass von Haftbefehlen zuständig:

die Staatsanwaltschaft, die Be- die gleichen Behörden, zirksanwaltschaften und Jugendanwaltschaften.

die Gerichtspräsidenten (als Unter- die Begierungsstatthalter, die suchungsrichter, Präsidenten der kantonale Polizeidirektion und die Direktionen der Amtsgerichte, Polizei- und korStrafanstalten.

rektionelle Eichter), sowie die Präsidenten der I. und II. Strafkammer des Obergerichtes, die Begierungsstatthalter.

die Staatsanwaltschaft, die Statt- das kantonale Justizdeparternerit.

halterämter, das Obergericht, die Kriminal- und Anklagekammer des Obergerichtes, das Kriminalgericht und die Amtsgerichte.

795!, Kantonale Behörden:

Als Untersuchungsbehörden amten und sind zum Erlass von Haftbefehlen zuständig:

Uri

das kantonale Verhöramt.

Schwyz. . . . die Bezirksämter, das Verhöramt als kantonale Stelle, die Staatsanwaltschaft.

Als Stralvollstreckungsbehörden amten und sind zum Erlass von Haftbefehlen zuständig: die kantonale Polizeidirektion, der Begierungsrat.

die Bezirksämter, der Begierungsrat.

die kantonale Untersuchungs- und der Begierungsrat und die kantonale Justizdirektion.

Überweisungsbehörde, die kantonale Justizdirektion.

Nidwalden . . die regierungsrätliche Justizkom- der Regierungsrat, mission.

· · der Regierungsrat und die Glarus . . . . das kantonale Verhöramt.

kantonale Polizeidirektion.

Obwalden. . .

die kantonale Polizeidirektion und die kantonale Polizeidirektion.

das Verhöramt.

Zug

Freiburg . . . les juges d'instruction et les préfets les préfectures (die Präfekdes districts (Untersuchungsturen).

richter und Präfekten in den Bezirken).

Solothurn. . . die Gerichtspräsidenten.

das kantonale Polizeidepartement.

Baselstadt. . . die Abteilung für Strafsachen des das kantonale Polizeidepartement.

Polizeidepartements, die Untersuchungsrichter, die Staatsanwaltschaft und die Präsidenten des Strafgerichts, Baselland . . . die Statthalterämter und die Staats- die kantonale anwaltschaft, der Verhörrichter tion.

des Strafgerichts Baselland.

Polizeidirek-

Schaffhausen

Polizeidirek-

.

das kantonale Verhöramt, die kan- die kantonale tonale Polizeidirektion, der Kantion.

tonsgerichtspräsident, das .Kantonsgericht, der Obergerichtspräsident und das Obergericht.

Âppenzell A.-Bh. das kantonale Verhöramt.

das Kantonspolizeiamt.

Appenzell I.-Rh, die Polizeidirektion Appenzell, das die gleichen Behörden.

Bezirkshauptmannamt Oberegg.

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I. Kantonale Behörden: St. Gallen, .

Graubünden.

Aargau . . .

Thurgau . ,

Tessin . . .

Waadt . ,

Wallis . .

Neuenburg

Genf

II. Eidgenössische Behörden:

Als Untersuchungsbehörden amten und sind zum Erlass von Haftbefehlen zuständig:

Als Strafvollstreckungsbehörden amten und sind zum Erlass von Haftbefehlen zuständig:

die Bezirksämter und die Staatsanwaltschaft.

die Kreisämter, der Verhörrichter, der Kantonsgerichtspräsident.

die Staatsanwaltschaft, die Bezirksamtmänner, die Untersuchungsrichter, die Anklagekammer und das Kriminalgericht, die Direktion der Polizei und Justiz.

die Bezirksämter (Bezirksstatthalter), das kantonale Verhörrichteramt.

die gleichen Behörden.

i Procuratori publici, i Giudici istruttori, il Presidente della Camera Criminale, il Presidente della Camera Correzionale, i Pretori dei Distretti quali Presidenti delle rispettive Assise Pretoriali.

le juge d'instruction du canton de Vaud, les juges informateurs à Lausanne et Montreux, (dans les autres cercles) les juges de paix.

les juges-instructeurs des arrondissements.

les juges d'instruction, le procureur général, les présidents des tribunaux correctionnels et le président de la cour d'assises.

le procureur général, les juges d'instruction, le département de justice et police.

il Dipartimento Cantonale di Giustizia. . -

der kleine Rat (Regierungsrat).

die kantonale Justizdirektion und die Staatsanwaltschaft,

die Bezirksämter (BezirksStatthalter), das kantonalePolizeidepartement.

les préfets.

le département cantonal de justice et police.

les départements de justiceou de police. . .

le procureur général.

eidgenössischer Untersuchungsrich- Polizeiabteilung des Eidgenöster und Bundesanwaltschaft.

sischen Justiz- und Polizeidepartements.

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Als deutsche Zentralpolizeibehörden, die gemäss Nr. 2 und Nr. 6 bei der Schriftleitung des Schweizerischen Polizeianzeigers unmittelbar die Ausschreibung straffälliger Personen sowie die Veröffentlichung anderer wichtiger Bekanntmachungen strafrechtlicher Art beantragen können, kommen in Frage:; für für für für für für für für für

Preussen: Bayern: Sachsen : Württemberg:

das Polizeipräsidium, Landeskriminalpolizeiamt, Berlin., die Polizeidirektionen München und Nürnberg-Fürth.

das Landeskriminalamt in Dresden.

das Polizeipräsidium (Landeskriminalpolizeiamt) in Stuttgart.

das Landespolizeiamt in Karlsruhe.

das Thüringische Landeskriminalamt in Weimar.

das Polizeiamt in Darmstadt (Kriminalzentrale für Hessen) die Polizeibehörde in Hamburg.

Baden: Thüringen : Hessen: Hamburg: MecklenburgSchwerin: das Landeskriminalamt in Schwerin.

für Oldenburg: das Oldenburgische Ministerium des Innern in Oldenburg i. 0.

.

für Braunschweig: das Polizeipräsidium in Braunschweig.

für Anhalt: die Anhaltische Regierung, Abteilung des Innern, in Dessaufür Bremen: die Polizeidirektion in Bremen.

für Lippo: die Lippische Landesregierung, Abteilung des Innern in.

Detmold.

für Lübeck: das Polizeiamt in Lübeck.

für MecklenburgStrelitz : die Leitung der Staatspolizei in Neustrelitz.

für SchaumburgLippe : die Schaumburg-Lippische Landesregierung in Bückeburg-

Das Deutsche Auswärtige Amt hat unter dem 13. April 1929 eineentsprechende Note an die Schweizerische Gesandtschaft in Berlin gerichtet.

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Anmerkung. Ähnliche Abkommen sind vereinbart worden zwischen der :Schweiü und Österreich durch Notenaustausch vom 8./19, Februar 1925, publiziert im Schweizerischen Pohzeianzeiger vom 6. März gleichen Jahres (Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements an die Kantonsregierungen vom 27. Februar 1925), Frankreich durch Notenaustausch vom 11. Mai 1925, publiziert im Schweizerischen Polizeianzeiger vom 27. Mai gleichen Jahres (Kreissohreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements an die Kantonsregierungen vom 22. Mai 1925), und Belgien durch Notenaustausch vom 4. Mai 1928, publiziert inv Schweizerischen Poh'zeianzeiger vom 11. Juni gleichen Jahres (Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements an die Justiz- und Polizeidirektionen der Kantone vom 8. Juni 1928).

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend die Ausschreibung von Justizflüchtlingen.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1929

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

22

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

29.05.1929

Date Data Seite

792-798

Page Pagina Ref. No

10 030 709

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