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2477 Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärpflichtersatz-Rekurs von Hans Reist, Lehrer in Langnàu i. E.

(Vom 6. August 1929.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen einen von Hans Eeist, Lehrer in Langnau i. E., gegen unsern Entscheid vom 22. Februar 1929 eingereichten Militärpflichtersatz-Rekurs mit nachfolgenden Ausführungen zur Beurteilung zu unterbreiten.

Der Eekurrent hat in seiner Selbsttaxation für 1928 ein Jahreseinkommen von Fr. 4550 deklariert. Das auf dem Einschätzungsformular vorgesehene Feld für den Ertrag des Frauengutes oder den Beitrag der Ehefrau an die ehelichen Lasten hat Eeist mit einem Strich ausgefüllt, -n'omit er zweifellos zum Ausdruck bringen wollte, dass kein solcher Ertrag vorliege und kein solcher Beitrag geleistet werde. Da der Einschätzungsbehörde jedoch bekannt war, dass die Ehefrau Eeists ein persönliches Erwerbseinkommen als Lehrerin besass und dieses sich amtlich feststellen liess, so wurde diese Tatsache angesichts der gesetzlichen Pflicht der Ehefrau, zur Tragung der Lasten der Ehe einen Beitrag zu leisten, bei der Einschätzung ebenfalls berücksichtigt. Das zuschlagspflichtige Einkommen des Eekurrenten wurde demgemäss von der Taxationsbehörde, im Gegensatz zu seiner Schatzungserklärung, auf Fr. 4550 eigenes Erwerbseinkommen (gemäss Angabe Eeists) zuzüglich Fr. 4240 Erwerbseinkommen seiner Ehefrau (gemäss Angabe der Gemeindebehörde), zusammen also auf Fr. 8790 angesetzt, wovon Fr. 2190 als Gegenwert für Lohn und Unterhalt einer Magd in Abzug gebracht wurden. Mit dieser Berechnungsart wurde tatsächlich bloss ein Teil, nämlich Fr. 2050 vom Erwerbseinkommen der Ehefrau Eeist dem Ehemann als Beitrag an die ehelichen Lasten angerechnet, da ein Anspruch auf Abzug des Lohnes und Unterhaltes einer Magd gesetzlich nicht begründet ist. Das tatsächlich besteuerte Einkommen Eeists beträgt somit nach Abzug der laut Gesetz steuerfreien Fr. 600, Fr. 6000.

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Im Einspracheverfahren gegen diese Einschätzung brachte der Eekurrent eine Bescheinigung seiner Ehefrau bei, in welcher diese ohne bestimmte ZeitTand andere Angaben erklärte, dass sie zu den ehelichen Lasten keine Beiträge leiste. Der Eekurrent glaubte damit sein Begehren auf Beschränkung der Ersatzabgabe auf sein persönliches Einkommen befriedigend begründet zu haben.

Die kantonale Militärsteuerbehörde mass jedoch dem eingereichten Beweismittel keine genügende Beweiskraft bei und beliess das Zuschlagspflichtige Einkommen des Ersatzpflichtigen auf dem anfänglich festgesetzten Betrage von Fr. 6000, während die ursprünglich ebenfalls vorgenommene Vermögenstaxation in Würdigung der vom Pflichtigen vorgelegten Ausweise über die von ihm geltend gemachten Schulden, gestrichen wurde. Auch gegen diese Neutaxation erhob Eeist rechtzeitig Beschwerde. Sie wurde von der kantonalen Eekursbehörde mit begründetem Entscheid vom 17. September 1928 abgewiesen. Der Eekurrent zog seine Beschwerde gegen diesen abweisenden Entscheid innerhalb der gesetzlichen Frist an den Bundesrat weiter und wurde von diesem mit Beschluss vom 22. Februar 1929 gleichfalls abgewiesen. Eeist "beschwert sich nun über den abweisenden Entscheid des Bundesrates bei der Bundesversammlung. Die Beschwerde ist datiert vom 11. April 1929 und am 13. gleichen Monats der Post aufgegeben worden. Der Eekurrent stellt das Begehren : «Es sei der Entscheid des Bundesrates vom 22. Februar 1929 aufzuheben und unter Anerkennung des eingereichten Beweismittels festzustellen, dass die Einbeziehung des persönlichen Erwerbseinkommens seiner Frau zu seinem eigenen Zuschlagspflichtigen Einkommen durch die Militärsteuerbehörde des Kantons Bern rechtswidrig sei.» «Es sei die Einkommenstaxation für 1928 entsprechend seiner Selbstschatzung auf Fr. 3950 herabzusetzen.» In formeller Beziehung sei zunächst festgestellt, dass die Beschwerde nur unter Zugrundelegung der alten Eekursfrist von 60 Tagen als rechtzeitig eingereicht gelten kann. Wurde man dagegen bei der Beurteilung der Frage der Eechtzeitigkeit von der Übergangsbestimmung des Art. 54 des neuen Bundesgesetzes iiber die Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege vom 11. Juni 1928 ausgehen, so müsste nach Analogieschluss die für die Yerwaltungsbeschwerde an den Bundesrat von 60 auf 30 Tage herabgesetzte neue Frist
auch als für die vorliegende Beschwerde massgebend angenommen werden. In diesem Falle könnte auf die Beschwerde, die erst 44 Tage nach der Zustellung des bundesrätlichen Entscheides der Post übergeben worden ist, wegen verspäteter Eingabe nicht mehr eingetreten werden. Mit dem eidgenössischen Justizdepartement, dem die Frage nach der rechtzeitigen Einreichung des Eekurses zur Beurteilung vorgelegt wurde, und das sich in seinem Bericht dahin ausgesprochen hat, dass die Einreichungsfrist im Eekursfalle Eeist infolge der besondern Verumständungen desselben nicht als verwirkt zu betrachten bzw. die Einrede der

95 Verwirkung nicht zu erheben sei, sind wir der Auffassung, dass auf die Beschwerde einzutreten sei.

Die grundsätzliche Frage, ob der Ersatzpflichtige lediglich das eigene Erwerbseinkommen oder darüber hinaus auch noch denjenigen Teil des selbständigen Arbeitseinkommens seiner Ehefrau als zuschlagspflichtiges Einkommen zu versteuern habe, der in der Form von Beiträgen an die ehelichen Lasten verwendet wird, braucht hier nicht untersucht zu werden, da der Eekurrent die grundsätzliche Berechtigung der Militärsteuerbehörde, auch die effektiven Beiträge seiner Ehefrau zu besteuern, nicht bestreitet. Übrigens ist der Grundsatz der Zugehörigkeit dieser Beiträge zum Zuschlagspflichtigen Einkommen des Ersatzpflichtigen in den nachstehend angeführten, von der Bundesversammlung bestätigten Bundesratsentscheiden mehrfach festgestellt worden.

Dagegen bestreitet der Bekurrent, dass er solche Beiträge seiner Ehefrau überhaupt erhalte. In dieser Beziehung hat aber der Bundesrat gerade mit Bücksicht auf die in Art. 192 und 246 ZGB stipulierte Verpflichtung der Ehefrau, ihren Arbeitserwerb soweit erforderlich, für die Bedürfnisse des gemeinsamen Haushaltes zu verwenden, -wiederholt entschieden, dass eine den Verhältnissen entsprechende Beitragsleistung solange zu vermuten sei, als der Nachweis dafür nicht erbracht ist, dass die Ehefrau ihren gesamten Erwerb für rein persönliche Bedürfnisse verwendet. Dieser Bechtsauffassung haben sich die eidgenössischen Bäte in zwei analogen Fällen angeschlossen. (Vgl.Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung im Militärsteuerrekursfalle Gottfried Wagner vom 3. Oktober 1913 (Bundesbl. 1913, IV, S. 342), dem die eidgenössischen Bäte mit Schlussnahme vom 5. Dezember 1913/3. April 1914 zugestimmt haben (Bundesbl. 1915, II, S. 252] : ferner Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung im Rekursfalle Fritz Brönnimann vom 16. Januar 1920 (Bundesbl. 1920, I, S. 77) Zustimmung der eidgenössischen Bäte mit Schlussnahme vom 26. Juni/l. Oktober 1920.

Von der Besteuerung des in Form von Beiträgen an die ehelichen Lasten verwendeten Arbeitseinkommens der Ehefrau kann nur dann abgesehen werden, Wenn feststeht, dass die Ehefrau auf Grund eines formellen Verzichtes des Ehemannes keine solchen Beiträge zu leisten hat und tatsächlich auch keine leistet.

Dieser Beweis kann nicht durch
die formell mangelhafte und ganz allgemein gehaltene Bescheinigung ersetzt werden, in welcher die Ehefrau erklärt, keine derartigen Beiträge zu leisten. Es ist vielmehr im angezogenen Rekursfalle Brönnimann ausdrücklich gesagt, dass die Bescheinigung der Ehefrau, keine Beiträge zu leisten, nur als Ergänzung zu einer formellen Verzichtleistung des Ehemannes einen genügenden Beweis erbringen könne, wobei die Anforderung weiterer Beweismittel, wie Haushaltungsbücher, Kassenbücher u. dgl., vorbehalten bleibt. Der Bemerkung, die der Rekurrent erst in seiner Beschwerde an den Bundesrat anbringt, nämlich, dass er so gut wie andere Kollegen, deren Ehefrauen nicht Lehrerin seien, ohne Frauenbeitrag auskomme, kann nicht die Bedeutung einer Verzichtleistung beigemessen werden, abgesehen davon, dass, wie noch zu zeigen sein wird, die Besoldung des Bekurrenten zur Be-

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streitung der ehelichen Lasten kaum hinreichen dürfte. Da dem Eekurrenten schon im kantonalen Bekursverfahren Gelegenheit gegeben worden ist, seine ungenügende Beweisführung zu ergänzen, und er dies zu tun unterlassen hat, so kann in der teilweisen Einbeziehung des Arbeitseinkommens seiner Ehefrau bei der endgültigen Pflichtersatzveranlagung des Eekurrenten keine Willkür oder Gesetzesverletzung erblickt werden. Es bestand unter diesen Umständen die durchaus berechtigte Vermutung, dass wenigstens ein Teil des Frauenerwerbs in der Form von Beiträgen an die Kosten des gemeinsamen Haushaltes dem Ehemanne zugeflossen ist. Dieser Teilbetrag des Frauenerwerbes ist nach der bestehenden Praxis dem Zuschlagspflichtigen Einkommen des Bekurrenten hinzuzurechnen. Nach den Akten steht fest, dass sich Bekurrent eine Magd hält. Mit seinem Gehalte hat er für Lohn und Unterhalt derselben aufzukommen; ferner für die Zinse und die Amortisation der Schulden, die er nach seinem Schreiben vom 28. Mai 1928 an die kantonale Militärsteuerverwaltung bei der Ersparniskasse Interlaken und bei seinem Schwiegervater hat; dazu kommen die Steuern. Bei einem Gesamterwerb von Fr. 4550 beträgt der Barlohn des Bekurrenten Fr. 3750. Zieht man hiervon die Ausgaben für die obenerwähnten Zwecke ab, so bleibt ein Betrag, der für Nahrung, Licht, Kleider, Anschaffungen, Ausgaben für Unterhaltungs- und Bildungszwecke des Bekurrenten und seiner Frau hinreichen sollte. Das dürfte jedoch bei den Ansprüchen von Personen in der Stellung des Bekurrenten kaum möglich sein. Die durch diese Überlegungen begründete Vermutung der effektiven Beitragsleistung der Ehefrau Beist wird verstärkt durch die Tatsache, dass die Ehefrau (mit Fr. 4240) über ein fast gleichgrosses Erwerbseinkommen wie ihr Ehemann (mit Fr. 4550) verfügt; bei dieser Situation ist es unwahrscheinlich, dass die Ehefrau diesen verhältnismässig erheblichen Betrag vollständig für ihre persönlichen Bedürfnisse verwendet und der Ehemann auf jeden Beitrag seiner Ehefrau zu den ehelichen Lasten in Wirklichkeit verzichtet habe. Wie hoch die Beträge der Ehefrau unter den vorliegenden Verhältnissen ziffernmässig zu bemessen waren, ist eine reine Taxationsfrage, deren Beurteilung gesetzlich in die endliche Zuständigkeit der kantonalen Behörden fällt. Da nicht das gesamte Arbeitseinkommen der Ehefrau,
sondern effektiv nur etwa die Hälfte desselben als Beitrag zu den ehelichen Lasten dem Zuschlagspflichtigen Einkommen des Ehemannes zugerechnet worden ist, kann von einer offenbar übersetzten oder gar willkürlichen Einschätzung nicht die Bede sein. Ebensowenig wie in der Einschätzung kann in der auf Beitragsvermutung gegründeten und in Anbetracht des Fehlens eines genügenden Beweises erfolgten Abweisung der Einsprache und in der Bestätigung des Einspracheentscheides durch die kantonale Militärdirektion eine Willkür oder Gesetzesverletzung erblickt werden. Es lag infolgedessen für den Bundesrat kein Grund vor, den kantonalen Bekursentscheid aufzuheben. Dem Begehren des Bekurrenten, seine Einkommenstaxation für 1928 gestützt auf seine Beweisführung und entsprechend seiner Selbstschatzung von Fr. 6000 auf Fr. 3950 herabzusetzen, kann darum nach unserer Auffassung nicht Folge gegeben werden.

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Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, es sei der von Hans Eeist gegen unsern Entscheid vom 22. Februar 1929 erhobene Eekurs als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 6. August 1929.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Dr. Haab.

Der Vizekanzler: Leimgruber.

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14.08.1929

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