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Bundesblatt

8l. Jahrgang.

Bern, den 18. September 1929.

Band II.

Erscheint wöchentlcih. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Kappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. ;';; Bern.

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2481

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege.

(Vom 10. September 1929.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege mit folgender Botschaft vorzulegen.

Einleitung.

I. Die Ref ormbedürftigkeit des geltenden Rechtes und die Revisionsbestrebungen.

1. Das geltende S t r a f p r o z e s s r e c h t des Bundes ist in folgenden Gesetzen enthalten: im Bundesgesetz betreffend das Verfahren bei "Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. Juni 1849 (AS. l, 87 ff.), im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851 (AS. 2, 743 ff.), das sich auf die von den Bundesassisen -- dem damals einzigen eidgenössischen Strafgerichtshof -- zu beurteilenden Bundesstrafsachen bezieht, im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 (AS. n. F. 13, 455 ff.), mit Abänderungsgesetzen vom 6. Oktober 1911 und 25. Juni 1925. Dieses Gesetz ordnet die Organisation der Gerichtsbehörden des Bundes, mit Neuschaffung des Bundesstrafgerichts, erklärt einzelne Teile des Bundesstrafprozesses, insbesondere die Voruntersuchung, auch für die vom Bundesstrafgericht zu beurteilenden Strafsachen anwendbar und enthält Bestimmungen über das Verfahren vor den kantonalen Gerichten in Bundesstrafsachen, sowie über die Weiterziehung solcher kantonaler Entscheidungen an den Kassationshof des Bundesgerichts.

Bestimmungen über die Zuständigkeit des Bundesgerichts in Strafsachen enthalten auch die Art. 112 und 114 der Bundesverfassung; ebenso enthalten die Art. 73, 75 und 76 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853 Kompetenzbestimmungen.

Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. II.

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576 Die Hauptquelle für das Verfahren bildet der Bundesstrafprozess von 1851. Dieses Gesetz, das sich in vielen Bestimmungen an das vom nämlichen Tage datierende Bundesgesetz über die Strafrechtspflege für die eidgenössischen Truppen anlehnt, galt lange als eine der fortgeschrittensten Prozessordnungen der Schweiz und diente mehreren kantonalen Gesetzen als Vorbild. Als selbständige Fortbildung gegenüber dem damaligen Prozessrecht, das fast überall auf den französischen code d'instruction criminelle von 1808 zurückgeht, ist namentlich zu nennen: die selbständige Stellung des Untersuchungsrichters, das abgekürzte Untersuchungsverfahren, das nicht die vollständige Urteilsgrurdlage erbringen, sondern die Anklage vorbereiten und die Beweismittel vorläufig sammeln soll, die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Hauptverhandlung. Heute aber ist das bald achtzig Jahre alte Gesetz nach Form und Inhalt revisionsbedürftig.

2. Einen Übelstand bedeutet schon das Nebeneinanderbestehen mehrerer Prozessgesetze für Bundesstrafsachen. Schwierigkeiten sind insbesondere daraus entstanden, dass das Organisationsgesetz für das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht viele Bestimmungen des Bundesstrafprozesses kurzerhand als anwendbar erklärt. Bereits in der Botschaft zum Organisationsgesetz wurde bemerkt: «Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht, die im Entwurf aufgenommen werden mussten, stimmen, soweit möglich, überein mit denjenigen des Gesetzes über die Bundesstrafrechtspflege, namentlich bezüglich der Voruntersuchung und des vorbereitenden Verfahrens überhaupt. Änderungen sind nur getroffen, soweit es mit Bücksicht auf die besondere Art der gerichtlichen Beurteilung nötig erschien. Diese Vorschriften haben übrigens lediglich provisorischen Charakter, da bei Anlass der in Aussicht genommenen Revision des Gesetzes über die Bundesstrafrechtspflege das gesamte Strafprozessverfahren geregelt werden soll.» (Bundesbl. 1892, II, 885.)

In den Jahren 1865 und 1891 gaben Bundesassisenfälle Anlass zur Kritik einzelner Prozessbestimmungen. Zum Strafverfahren wegen der Wahlunruhen in Genf vom 22. August 1864 äusserte sich die Kommission des Nationalrates in ihrem Bericht über die Geschäftsführung des Bundesgerichts (Bundesbl. 1865, II, 780) dahin, dass die im Verlauf der Assisenverhandlungen gemachten
Erfahrungen die Bevisionsbedurftigkeit mehrerer Bestimmunger: dargetan hätten, namentlich der Art. 48 (öffentliche Beratung der Kriminalkammer), 70 (Kreuzverhör) und 108 (qualifizierte Mehrheit für den Wahrspruch). Zur Strafuntersuchung betreffend die Unruhen im Tessin vom März 1889 bemerkte das Bundesgericht in seinem Geschäftsberichte, es sei kein befriedigender Zustand, dass die Einstellung der Untersuchung gemäss Art. 29 ohne Mitwirkung der Anklagekammer erfolge, wenn der Untersuchungsrichter und der Bundesanwalt die Einstellung als geboten erachten (Bundesbl. 1891, II, 98). Am 29. Juli 1891 stellten die Ständeräte Wirz, Muheim und Baisin im Hinblick auf die Verhandlungen der Bundesassisen betreffend die Tessinerrevolution vom September 1890 die Motion: «D er Bundesrat wird eingeladen, einen Gesetzesentwurf

577 für Eevision des eidgenössischen Strafrechtsverfahrens einzubringen.» Ständerat Th. Wirz machte zur Begründung der Motion geltend: das Geschworneninstitut habe sich nicht bewährt. Öffentlichkeit und Mündlichkeit vor einem ständigen und erfahrenen Bichterkollegium biete in einem geordneten Freistaat zweifellos für eine gute Eechtsprechung die besten Sicherheiten. Wolle man aber die weitere Garantie von sogenannten Männern aus dem Volke, so verdiene das Schöffengericht den Vorzug. Wirz rügte insbesondere die absolute Passivität, zu der das Gesetz die Zivilpartei verurteile. Die Bestimmung des Art. 108 betreffend die Stimmenmehrheit für den Wahrspruch sei unhaltbar, weil die Möglichkeit bestehe, dass überhaupt kein Wahrspruch zustande komme. Ständerat Eaisin erörterte die Stellung des Bundesanwaltes im Prozesse und verlangte, dass er vom Bundesrat unabhängiger sein solle. Er wies ferner auf die fehlende Umschreibung der Organe der gerichtlichen Polizei und die Lückenhaftigkeit der Bestimmungen über die Voruntersuchung hin. Er vermisste namentlich Vorschriften über die Eechte des Angeschuldigten und des Verteidigers und empfahl die fakultative kontradiktorische Voruntersuchung, sowie mündliche Verhandlung vor der Anklagekammer. Eaisin beanstandete ebenfalls die Öffentlichkeit der Beratung der Kriminalkammer, das Kreuzverhör sowie die qualifizierte Mehrheit für den Wahrspruch. Bundesrat Euchonnet nahm die Motion entgegen, mit der Erklärung, dass die Eevision des Bundesstrafprozesses in Angriff genommen werde, sobald das Organisationsgesetz den Eäten vorgelegt sei, wobei viele Anregungen der Motionäre berücksichtigt werden können. Der Chef des Justiz- und Polizeidepartements betonte, dass der Bundesrat keineswegs das Schwurgericht abschaffen wolle, das ja in der Bundesverfassung verankert sei. (Sten. Bull. 1891/92, S. 454--465.)

Nach dem Inkrafttreten des Organisationsgesetzes wurde von der Eevision des Bundesstrafprozesses nicht mehr gesprochen, offenbar deshalb nicht, weil die Bundesassisen sich mit keinem Palle zu befassen hatten und auch die Zahl der vor das Bundestrafgericht gelangenden Strafsachen nicht bedeutend war.

Bei Anlass der durch das Inkrafttreten des schweizerischen Zivilgesetzbuches notwendigen Abänderung des Organisationsgesetzes wurde auch die Bevision der für das Verfahren vor
dem Bundesstrafgericht geltenden Bestimmungen ins Auge gefasst. Der von Bundesrichter Jäger im September 1909 dem Jnstizund Polizeidepartement vorgelegte Entwurf mit Motiven hat jene Verfahrensbestimmungen ebenfalls einer Eevision unterworfen. Das Ergänzungsgesetz von 1911 zum Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege beschränkte sich dann aber auf Änderungen zur Zivilrechts- und Staatsrechtspflege. Für den heute vorliegenden Entwurf sind die damaligen Vorschläge von Bundesrichter Jäger in Berücksichtigung gezogen worden.

Als seit dem Kriegsbeginn die Zahl der vom Bundesstrafgericht zu behandelnden Fälle (Spionagesachen, Sprengstoffvergehen etc.) immer anwuchs, wurden wieder Klagen über das veraltete Untersuchungsverfahren laut. Verteidiger beschwerten sich über das Fehlen von Parteirechten des Beschuldigten. Das Bundesgericht sprach in den Geschäftsberichten der Jahre 1917

578 bis 1919 mehrmals den Wunsch nach einer Eeform aus (Bundesbl. 1918,1, 434; 1919, I, 448; 1920, I, 624). Im Geschäftsbericht für das Jahr 1918 bemerkt das Gericht: «Wie schon im Jahr 1917, so hat die Anklagekammer auch in diesem Jahre neuerdings wieder konstatieren müssen, dass in vielen Fällen die von den Angeklagten ausgestandene Untersuchungshaft eine übermässig lange war und in keinem Verhältnis stand zu der im Urteil ausgesprochenen Strafe. Dieser Übelstand ist hauptsächlich eine Folge unseres veralteten Strafverfahrens, dessen Vorschriften auf ganz andere Verhältnisse zugeschnitten sind als diejenigen der Jetztzeit. Die Bundesstrafprozessordnung steht nicht mehr im Einklang mit den modernen Anschauungen unserer Generation; ihre Abänderung und Ergänzung drängt sich geradezu auf. Insbesondere wäre es angezeigt, Bestimmungen zu treffen, welche die Hechte des Angeklagten im Stadium der Voruntersuchung besser wahren.» Im folgenden Geschäftsbericht führt das Bundesgericht aus : «Wir möchten an dieser Stelle die Aufmerksamkeit des Bundesrates und der Bundesversammlung neuerdings auf die dringende Notwendigkeit hinlenken, das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851 im Sinne einei den heutigen Anschauungen entsprechenden Erweiterung der Verteidigungsrechte zu revidieren. Der Angeschuldigte sollte schon zu Beginn der Untersuchung einen Verteidiger beiziehen dürfen, der, wie der Bundesanwalt (Art. 22), von allen Untersuchungsakten Kenntnis zu nehmen, den Verrichtungen des Untersuchungsrichters beizuwohnen und jederzeit mit seinem Klienten zu verkehren das Hecht hätte.» Die Geschäftspriifungskommission des Nationalrates bemerkte zu diesem Bericht: «Das Gesetz ist veraltet, insbesondere entspricht die darin enthaltene Einengung des Verteidigungsrechtes den heutigen Anschauungen nicht mehr. Die Kommission pflichtet in allen Teilen den für die Eevision in dieser und anderer Richtung geltend gemachten Wünschen des Bundesgerichtes bei und empfiehlt beförderliche Anhandnahme der Eevisionsarbeiten.» Nationalrat Maunoir trat als Berichterstatter über die Geschäftsführung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes für das Jahr 1919 lebhaft für diese Eevision ein. Er führte aus, dass der Bundesstrafprozess von 1851 den heutigen Anschauungen nicht mehr entspreche und rügte,
dass der Beschuldigte auf unbestimmte Zeit in Haft gesetzt werden könne und erst nach der Überweisung vor das urteilende Gericht eigentliche Parteirechte ausüben dürfe (Akteneinsicht, Verkehr mit dem Verteidiger). Er verlangte namentlich eine Eeform des Haftrechtes und die Einführung von Parteirechten schon in der Voruntersuchung. Wie schon Ständerat Eaisin schlug er -- im Anschluss an die Genfer Strafprozessordnung -- die fakultative kontradiktorische Voruntersuchung und eine mundliche Verhandlung vor der Anklagekammer vor. Der Nationalrat stimmte dein Eevisionsantrage der Geschäftsprüfungskommission zu.

3. Diese Wünsche, die in der Hauptsache auf eine Besserstellung des Angeschuldigten in der Voruntersuchung abzielen, veranlassten unser Justizund Polizeidepartement noch im gleichen Jahre, Herrn Professor Dr. Carl Stooss in Wien, später in Graz, mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfes zu

579 einem Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege zu beauftragen, das die bundesrechtlichen Bestimmungen strafgerichtsorganisatorischen und strafprozessualen Inhalts sammelt, ordnet und revidiert (Bundesbl. 1921, II, 399).

Im September 1922 reichte Professor Stooss seinen Entwurf mit Motiven ein (vgl. Stooss, Zum Vorentwurf einer Bundesstrafgericbtsordnung, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 35, 217 f.).

Im Dezember 1922 begründete Nationalrat Hub er seine im Oktober eingereichte Motion: «Der Bundesrat wird eingeladen, Bericht und Antrag vorzulegen über die Frage der Eevision der Bundesgesetzgebung über das Bundesstrafprozessverfahren.» Er wies ebenfalls auf den Mangel an Parteirechten des Beschuldigten in der Voruntersuchung hin, zeigte die Bevisionsbedürftigkeit auch des Fiskalstrafprozesses und des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten vom 9. Dezember 1850 und äusserte noch folgende Wünsche für die Eevision: das Verantwortlichkeitsgesetz sei in die Eevision des Strafprozesses einzubeziehen ; die Amnestie, die Begnadigung und die bedingte Verurteilung sei ebenfalls im Prozessgesetz zu regeln; bei der Untersuchung und Beurteilung von Bundesstrafsachen durch kantonale Behörden seien Bestimmungen aufzunehmen, die die Parteirechte des Beschuldigten und die richtige Anwendung des materiellen Bundesrechtes sicherstellen sollen. Der Chef des Justiz- und Polizeidepartementes nahm diese Motion, wie auch diejenige von Nationalrat Zurburg auf Einfuhrung des bedingten Straferlasses entgegen, nachdem ihnen die Form von Postulaten gegeben worden war. Er konnte darauf hinweisen, dass der Vorentwurf im Departement geprüft werde.

Wegen der starken Inanspruchnahme des Departementes durch andere dringende Gesetzesvorlagen musste die Eevision des Bundesstrafprozesses in den Jahren 1923 und 1924 zurücktreten. Im Jahre 1925 wurden die Vorarbeiten wieder aufgenommen. Im September wurde der Vorentwurf mit dem Verfasser besprochen. Im April 1926 erschien der Vorentwurf des Justiz- und Polizeidepartementes in deutscher und französischer Sprache. Gleichzeitig ernannte das Departement zur Beratung des Vorentwurfes eine aus folgenden Herren zusammengesetzte Expertenkommission: Josef A n d e r m a t t , Staatsanwalt und Ständerat in Baar; Ernest Béguin, Staatsrat
und Ständerat in Neuenburg; Léon Blanchod, Untersuchungsrichter in Lausanne; Bixio Bossi, Advokat in Lugano; Eaymond E v é q u o z , Advokat und Nationalrat in Sitten; Dr. Ernst H a f t e r , Professor in Kilchberg bei Zürich; Johannes Hub er, Advokat und Nationalrat in St. Gallen; Dr. Adolf Im H o f , Eegierungsrat in Basel; Dr. Hans K ü h n , Chef der Justizabteilung, in Bern; Dr. Paul Logo z, Professor und Nationalrat in Genf; Ernest Perrier, Staatsrat und Nationalrat in Freiburg; Hans Bohr, Oberrichter in Aarau;

580 Franz Stampili, Bundesanwalt in Bern; Dr. Hans Sträuli, Stadtpräsident und Nationalrat in Winterthur; Dr. Philipp Thormann, Professor in Bern; Dr. Theodor Weiss, Bundesrichter in Lausanne.

Als Sachverständige für das Fiskalstrafverfahren wurden Oberzollinspektor S. Häusermann und Frl. Dr. I. Steiner beigezogen. Die Bestimmungen des Vorentwurfes über das Fiskalstrafverfahren waren allen Fiskalverwaltungen des Bundes zur Meinungsäusserung unterbreitet worden.

Die Kommission hat unter dem Vorsitz des Chefs des Justiz- und Polizeidepartementes, Bundesrat Häberlin, den Vorentwurf in drei Sessionen durchberaten, die im August 1926, April und August 1927 stattfanden. Die Berichterstattung besorgten Bundesanwalt Stämpfli- und Professor Hafter. Das Protokoll führten die Adjunkten Dr. von Segesser und lie. jur. Guex. Zur Bereinigung der Beschlüsse trat nach den einzelnen Sessionen die Eedaktionskommission zusammen, die aus Dr. Kühn (Präsident), den Professoren H a f t e r , Logoz und Thormann, sowie Bundesanwalt Stämpfli bestand.

II. Die Grundzüge der Reform.

Der Entwurf vereinigt alle bundesrechtlichen Bestimmungen strafgerichtsorganisatorischen und strafprozessualen Inhaltes, die bisher im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege, im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege und im Bundesgesetz betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze enthalten waren.

Er bringt eine Beform und systematische Anordnung dieser organisatorischen und prozessualen Bestimmungen. Für das System war die Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889 wegleitend. Der Entwurf enthält 7 Teile: I. Die Strafgerichtsverfassung des Bundes. II, Das Bundesstrafverfahren. III. Das Verfahren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind. IV. Das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze. V. Die Strafverfügung bei Übertretungen anderer Bundesgesetze. VI. Eehabilitation und bedingter Strafvollzug. VII. Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Die Eevision bezieht sich in der Hauptsache auf das Verfahren, wie ja auch die Beformbewegung bei uns ausgegangen ist von Härten und Unbilligkeiten, die sich in einzelnen Prozessen gezeigt haben. Die organisatorischen Bestimmungen konnten ohne wesentliche Änderungen aus dem Organisationsgesetze übernommen werden, womit die Aufgabe bedeutend erleichtert wird.

Bei der Beform des Verfahrens handelt es sich, entsprechend den vom Bundesgericht und vom Nationalrat, sowie der literarischen Kritik geäusserten Wünschen, vorab um eine Umgestaltung der Voruntersuchung. Die Eechte des Beschuldigten in der Voruntersuchung sind erweitert worden. Er soll, soweit es mit dem Untersuchungszweck vereinbar ist, als Subjekt, nicht als Objekt des Verfahrens behandelt werden. Es sind die nötigen Sicherheiten des Bürgers gegen ungerechtfertigte Massnahmen der Behörden getroffen worden. Es

581 musste aber dafür gesorgt werden, dass durch den Schutz der persönlichen Interessen der Beschuldigten das Interesse der Gesamtheit : die Ermittlung der Wahrheit und die Bestrafung des Schuldigen nicht beeinträchtigt wird. Neben der Eeform der Voruntersuchung sind noch folgende grundsätzliche Neuerungen hervorzuheben : Die Eeform des Haftrechts, die Ausgestaltung der Verteidigungsrechte, Wahrung der Interessen des Geschädigten, erhöhter Schutz der Zeugen, Abschaffung des Zeugeneides, Ausbau der Eechtsmittel, insbesondere der Eevision, Verbesserung des Schwurgerichtsverfahrens, Einführung des bedingten Strafvollzuges, die Anpassung des Fiskalstrafverfahrens an die Bedürfnisse der Gegenwart.

Bei der Neugestaltung des Verfahrens sind die geäusserten Wünsche wie auch die Erfahrungen der Praxis und die Ergebnisse der Wissenschaft gebührend berücksichtigt worden. Es sind auch die neuern kantonalen Prozessgesetze und Entwürfe zu Bat gezogen worden, insbesondere die Zürcher Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919, das Freiburger Stiafprozessgesetz von 1927, sowie die Entwürfe von Bern (in Kraft getreten am 1. Oktober 1928) und Baselstadt. Bereits erwähnt wurde die Heranziehung der Militärstrafgerichtsordnung, die sich als neuzeitliches Prozessgesetz bewährt hat. Auch neuere ausländische Gesetze und Entwürfe sind herangezogen worden. Es konnten selbstverständlich die in kantonalen und ausländischen Gesetzen und Entwürfen enthaltenen Eegeln und die Vorschläge der literarischen Kritik nicht unbesehen übernommen werden, es musste vielmehr den besondern Verhältnissen unseres Landes Eechnung getragen werden. Es sind vorab die eigenartigen Verhältnisse unseres Bundesstaates zu berücksichtigen: der Bund hat keine eigene Kriminalpolizei und keine eigenen Strafanstalten; er überlässt in den meisten Fällen die Untersuchung und Beurteilung von Bundesstrafsachen den Kantonen. Die eidgenössischen Untersuchungsrichter sind keine ständigen eidgenössischen Beamten, sondern üben ihre Funktionen nur im Nebenamt aus. Die Mitglieder der Strafgerichtshöfe des Bundes sind im Hauptamt im Zivil- und Staatsgerichtshof tätig. Der Bimdesamvalt erfüllt neben geriehtspolizeilichen und gerichtlichen Punktionen verwaltungsrechtliche Aufgaben.

Wir haben es im Bundesstrafprozess mit Verbrechen gegen die Interessen des Bundes und der
Allgemeinheit und nicht gegen private Eechtsgüter zu tun.

In der Eegel handelt es sich um tatbeständüch schwierige und stofflich stark belastete Prozesse. Die Beurteilung erfolgt im eigentlichen Bundesstrafprozesse immer durch Kollegialgerichte, nie durch Einzelrichter. Diese und andere Besonderheiten dürfen bei der Ausgestaltung des Verfahrens nicht unberücksichtigt bleiben.

Der Entwurf hat das Bundesgesetz über die V e r a n t w o r t l i c h k e i t der eidgenössischen Behörden und Beamten vom 9. Dezember 1850 nicht in die Eevision einbezogen. Über die Eeformbedürftigkeit dieses Gesetzes besteht allerdings kein Zweifel. Die Eevision ist schon im Jahre 1912 vom schweizerischen Juristenverein beantragt worden (vgl. Zeitschrift für schweize-

582 risches Eecht 53, 599 f.) und erweist sich nach der Abänderung durch das Beamtengesetz als notwendig. Die Eevision kann aber nicht in einem Strafprozessgesetz, sondern nur in einem Spezialgesetz, das die Voraussetzungen der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit regelt, ausgeführt ·werden.

Der Bundesrat legt den Bäten diesen Prozessentwurf vor, bevor das schweizerische Strafgesetzbuch in Kraft getreten oder auch nur von den eidgenössischen Bäten durchberaten ist. Nachdem er vom Nationalrat mit der dringenden Anhandnahme der Bevision des Prozesses beauftragt worden ist, kann er eine weitere Verzögerung dieser Beform nicht verantworten. Da das Strafgesetz erst nach dem Erlass der kantonalen Ausführungsgesetze in Kraft treten wird, wurde die Prozessreform, die auf diesen Zeitpunkt abstellen will, auf mindestens fünf Jahre hinausgeschoben. Zwischen der Bevision des bestehenden Bundesstrafverfahrens und der Strafrechtsvereinheitlichung besteht kein enger Zusammenhang, so dass das veraltete Prozessgesetz schon jetzt den Anforderungen der Zeit angepasst werden kann. Bin dem Strafgesetz vorgängiges Inkrafttreten der neuen Prozessordnung hat zudem den Vorteil, dass einige mit dem Prozess in Zusammenhang stehende Bestimmungen des Strafgesetzbuches, wie diejenigen über die Einziehung (Art. 55. 56), die örtliche Zuständigkeit (Art. 365 f.), die Behabilitation (Art. 73 f.) und den bedingten Strafvollzug (Art. 39) schon mit dem Prozessgesetz wirksam werden könnten.

Dies ist insbesondere für den bedingten S t r a f v o l l z u g von Bedeutung, dessen Einführung in das Bundesrecht seit der Motion Thélin vom September 1907 in den Bäten immer und immer wieder verlangt worden ist. Es sei erinnert an die Motion Petrig vorn 24. Juni 1918, die Motion Bossi und Bertoni von 1920 und das Postulat Zurburg vom Dezember 1922. Bei Entgegennahme dieses Postulates, wie auch bei der Behandlung des Geschäftsberichtes des Justiz- und Polizeidepartementes für das Jahr 1924 im Ständerat erklärte der Chef des Justiz- und Polizeidepartementes, ein Sondergesetz, das bloss den bedingten Strafvollzug ordne, empfehle sich nicht, dagegen solle dieses Institut als Übergangsrnassnahme bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuches in die neue Bundesstrafprozessordnung aufgenommen werden.

L Teil.

Die Strafgerichtsverfassung des Bundes.

I. Allgemeine Bemerkungen.

Der Entwurf bringt keine grundsätzlichen Änderungen an der bestehenden Gerichtsorganisation. Die durch das Organisationsgesetz von 1898 geschaffene Ordnung hat sich bewährt und ist nicht Gegenstand der Beformwünsche.

Der I. Teil des Entwurfes vereinheitlicht die bisher im Organisationsgesetz, im Bundesstrafprozess, im Bundesstrafrecht und im Bundesgesetz über die Bundesanwaltschaft vom 28. Juni 1889 enthaltenen organisatorischen Bestimmungen, nämlich: aus dem Organisationsgesetz die Art. 10 (Untersuchungs-

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richter), 11 (Bundesanwalt), 18 und 19 (eidgenössische Strafgerichtsbehörden), 105 und 106 (Zuständigkeit des Bundesgerichts in Strafsachen), 107 f. (Zuständigkeit und Organisation der Bundesassisen), 125 (Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts), 145 (Zuständigkeit des Kassationshofes), aus dem Bundesstrafprozess die Art. 6 (Bundesanwalt), 11 und 12 (gerichtliche Polizei), aus dem Bundesstraf recht die Art. 73 (Zuständigkeit der Bundesassisen) und 76 (Zuständigkeit für die Beurteilung zusammenhängender Strafsachen, die teils der Bundesstrafgerichtsbarkeit, teils der kantonalen Gerichtsbarkeit unterliegen) und aus dem Bundesgesetz über die Bundesanwaltschaft den Art. 5 (Stellvertretung). Das neue Gesetz bringt also in erster Linie eine systematische Zusammenfassung des geltenden, einer einheitlichen Quelle entbehrenden Bechtes.

Es hält aber die bestehende Organisation der eidgenössischen Strafgerichte (Anklagekammer, Bundesassisen, Bundesstrafgericht, Kassationsgericht), der Untersuchungsrichter und der Bundesanwaltschaft mit wenigen materiellen Änderungen, wie die Erhöhung der Zahl der Untersuchungsrichter, genauere Umschreibung der Zuständigkeit der Bundesassisen und des Bundesstrafgerichts, aufrecht.

Die in der Wissenschaft, in der Beformbewegung anderer Staaten und auch bei der Kritik am Bundesstrafprozess (1891) aufgeworfene Frage nach der Beibehaltung oder Abschaffung des Schwurgerichts kann bei der vorliegenden Eevision nicht berührt werden, weil die Bundesverfassung (Art. 112) die Beurteilung bestimmter Strafsachen in die ausschliessliche Zuständigkeit der Bundesassisen gelegt hat. Die Aufhebung des eidgenössischen Geschwornengerichts wäre also nur auf dem Wege einer Verfassungsrevision zu erzielen.

Der Bundesrat hat übrigens, viie schon in der Botschaft zum Organisationsgesetz von 1898, keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Bäte oder das Volk mehrheitlich eine Verfassungsrevision im Sinne der Aufhebung des Geschwornengerichts wünschen.

Die Teilrevision des Organisationsgesetzes, insbesondere die Übernahme seiner strafgerichtsorganisatorischen und strafprozessualen Bestimmungen in die neue Bundesstrafgerichtsordnung hat den Nachteil, dass das Organisationsgesetz selbst nur noch die Organisation der Zivil- und Staatsrechtspflege des Bundes enthalten wird, seine allgemeinen Bestimmungen
jedoch mit wenigen Ausnahmen auch für die Strafgerichtsbehörden weiter gelten werden. Diese Nachteile lassen sich nicht vermeiden. Die strafprozessrechtlichen Bestimmungen, die von vornherein nur als provisorisch gedacht waren, gehören auf alle Fälle in die neue Prozessordnung. Die Gerichtsorganisation steht mit dem Strafverfahren in sehr engem Zusammenhange und muss mit den verfahrensrechtlichen Bestimmungen revidiert werden. In vielen in- und ausländischen Gesetzen (z. B. in der Militärstrafgerichtsordnung) sind die organisatorischen und prozessualen Bestimmungen in einem Gesetzbuch vereinigt. Es ist jedenfalls besser, mit der gegenwärtigen Eevision etwas Vollständiges zu schaffen, auch wenn dabei das Organisationsgesetz zum Torso wird, als die Bevision nur halb durchzuführen, um das ältere Gesetz als Ganzes zu retten. Bei einer

584 spätem Bevision des Organisationsgesetzes können der Vollständigkeit halber die eidgenössischen Strafgerichtsbehörden aufgezählt werden mit einem Hinweis auf die organisatorischen Bestimmungen der neuen Bundesstrafprozessordnung.

Im I. Teil ist geregelt: 1. die Organisation der eidgenössischen Strafgerichte (Art. l--10); 2. die Zuständigkeit der Strafgerichte (Art. 11--17); 3. Wahl des Untersuchungsrichters und seines Schriftführers (Art. 13); 4. Wahl und prozessuale Aufgaben des Bundesanwaltes (Art. 19--2]); 5. die gerichtliche Polizei (Art. 22).

II. Die Organisation der Strafgerichte (Art. 1--10).

Art. l--3 regeln die Bestellung der Strafkammern des Bundesgerichts: Anklagekammer, Kriminalkammer, Bundesstrafgericht und Kassationshof.

Art. l stimmt mit Art. 18 OG überein, die Art. 2 und 3 entsprechen den Art. 19 und 20, Abs. 2 OG.

Art. 4--10 handeln vom Bestand und der Zusammensetzung des eidgenössischen Geschwornengerichts. Sie stimmen im wesentlichen mit den Art. 108--114 OG überein.

Bei Art. 3 sahen wir uns nicht verarlasst, die Zahl der Geschwornen nach dem Beispiel anderer Gesetzgebungen herabzusetzen. Es muss in Betracht gezogen werden, dass jeder der drei eidgenössischen Geschwornenbezirke aus mehreren Kantonen besteht (Art. 5). Die hohe Zahl von Geschwornen bietet eine Sicherheit dafür, dass die Geschwornenbank aus Angehörigen aller Kantone des Geschwornenbezirkes zusammengesetzt werden kann.

In Art. 6 ist die Wahlziffer von einem Geschwornen auf 1000 Einwohner in dem Sinne abgeändert worden, dass nur noch auf 3000 Einwohner ein Geschworner zu wählen ist. Der Wahlkoeffizient ist seit 1848 immer gleich geblieben, obschon durch das Organisationsgesetz von 1893 die fünf Assisenbezirke auf drei herabgesetzt wurden und die Bevölkerung sich beinahe verdoppelt hat. Jetzt entfallen auf einen Geschwornenbezirk über tausend Geschworne; da für die engere Geschwornenliste bloss 40 herausgelost werden (Art. 144), genügt auch eine kleinere Zahl von Geschwornen auf der Urliste.

Der nämliche Vorschlag ist schon im Entwurf Jäger enthalten (Art. 143). Die wenigen Kantone, die die Geschwornen gemeindeweise wählen, müssen die Gemeinden, die nicht 3000 Einwohner zählen, zu diesem Zwecke zusammenlegen. Bei den nicht wählbaren Bürgern wurden der Deutlichkeit halber neben den Beamten und Angestellten
auch die Arbeiter der eidgenössischen und kantonalen Verwaltungen besonders genannt.

In Art. 7 wurde nach dem Vorgang des Bundesgesetzes betreffend die Wahl des Nationalrates vom 14. Februar 1919 (Art. 22) die stille Wahl aufgenommen. Diese Vereinfachung, die viel Zeit und Kosten erspart, ist bei

585 den Geschwornenwahlen um so mehr am Platze, als diese in der Eegel nach dem gemeinsamen Vorschlage der Parteien getroffen werden.

Die Bestimmungen über die Zusammensetzung der engern Geschwornenliste, die Verwerfung und die Zusammensetzung der Verhandlungsliste sind als Verfahrensvorschriften unter den hesondern Bestimmungen für das Verfahren vor den Bundesassisen aufgenommen worden (Art. 144--146).

m. Die Zuständigkeit der Strafgerichte (Art. 11--17).

Art. 11 und 12 entsprechen den Art. 105 und 106 OG. Zum letzten Artikel sind zwei Anwendungsfälle anzuführen: 1. Durch Bundesheschluss vom 21. März 1898 wurde die Beurteilung der Verbrechen des Hochverrates gegen den Kanton N e u e n b u r g , des Aufruhrs und der Gewalttat gegen die neuenburgisehen Staatsbehörden der eidgenössischen Strafgerichtsbarkeit unterstellt, auch wenn eine bewaffnete eidgenössische Intervention nicht stattgefunden hat (AS. 13, 330).

2. Durch Bundesbeschluss vom 30. Januar 1914 wurde die Novelle vom 27. April 1908 zu § 79 des zürcherischen Strafgesetzbuches genehmigt, wonach die Strafverfolgung wegen öffentlicher Aufforderung zum Aufruhr, zur Widersetzung gegen amtliche Verfügungen oder zu einer mit Zuchthaus bedrohten Handlung dem Bunde übertragen wird, sofern zugleich eine Bestimmung des Bundesstrafrechts verletzt wird und darüber von Bundes wegen eine Strafverfolgung eingeleitet wird (AS. 30, 43; Bundesbl. 1913, III, 17).

Art. 13 ordnet die ordentliche Zuständigkeit der Bundesassisen. Es ist dies eine Ausführungsbestimmung zu Art. 112 der Bundesverfassung, der lautet : «Das Bundesgericht urteilt mit Zuziehung von Geschwornen, welche über die Tatfrage absprechen, in Straffällen: 1. über Hochverrat gegen die Eidgenossenschaft, Aufruhr und Gewalttat gegen die Bundesbehörden; 2. über Verbrechen und Vergehen gegen das Völkerrecht; 3. über politische Verbrechen und Vergehen, die Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst wird, und 4. in Fällen, wo von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten ihm zur strafrechtlichen Beurteilung überwiesen werden.» Die Bundesverfassung von 1848, deren Art. 104 fast wörtlich gleich lautete wie Art. 112, wies in Art. 107 die Bundesgesetzgebung an, das Nähere zu bestimmen über die Verbrechen und Vergehen, die in die Kompetenz des Bundesgerichtes fallen. Das Bundesstrafrecht von 1853 hat diesen Auftrag in Art. 73 wie folgt ausgeführt:

586 «Die Bundesassisen sind ausschliesslich zuständig: a. für Hochverrat gegen die Eidgenossenschaft (Art. 36--38 und 45); b. für Aufruhr und Gewalttat gegen die Bundesbehörden (Art. 46--50); c. für Verbrechen (Vergehen) gegen das Völkerrecht (Art. 39, 41--43); d. für politische Verbrechen, welche Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch die eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst worden ist (Art. 52).» Art. 74 -- der jetzt durch Art. 125 OG ersetzt ist -- bestimmte: «Die andern durch gegenwärtiges Gesetz vorgesehenen Verbrechen werden in der Eegel sowohl zur Untersuchung als zur Beurteilung an die Kantonalbehörden gewiesen. Doch steht es dem Bundesrate frei, dieselben nach dem eidgenössischen Prozessverfahren untersuchen und durch die Bundesassisen beurteilen zu lassen. Auf jeden Fall sind von den urteilenden Gerichten die Bestimmungen dieses Gesetzbuches anzuwenden.

Immerhin aber bleibt der Bundesversammlung das Begnadigungsrecht vorbehalten.» Das Organisationsgesetz von 1893 übernahm in Art. 107 wörtlich den Art. 112 BV. In der Botschaft wird gesagt: «Art. 104 enthält die wörtliche Wiedergabe des Art. 112 BV. Die Kompetenz der Bundesassisen wird auf die dort angeführten Fälle beschränkt.» Aus dieser Sachlage sind in der Praxis verschiedene Schwierigkeiten entstanden. Es ist insbesondere die Frage streitig, ob durch Art. 107 OG die Hinweise des Art. 73 BStB dahingefallen und der Eichter frei bestimmen könne, welche Verbrechen und Vergehen des Bundesstrafrechts nach der Bundesverfassung und dem Bundesstrafrecht in die ausschliessliche Zuständigkeit der Assisen fallen. Ferner war streitig, ob die Beamtenvergehen in die ausschliessliche Kompetenz der Assisen fallen oder ob die fehlbaren Beamten dem Bundesstrafgericht oder den kantonalen Gerichten überwiesen werden können (BGE 45, I, 102: Heiner, Bundesstaatsrecht, 270). Um diese und andere Streitfragen aus dem. Wege zu räumen, zahlt der Entwurf in Art. 13 die in die ausschliessliche Zuständigkeit der Assisen fallenden Verbrechen und Vergehen des Bundesstrafrechts einzeln auf, unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Eechtsanwendung. Er stellt naturgemäss auf das geltende Bundesstrafrecht ab, das auch in dieser Zuständigkeitsordnung durch das schweizerische Strafgesetzbuch abgelöst werden wird (Art. 358). Zu den Neuerungen
gegenüber Art. 73 BStE ist nun zu bemerken: 1. In Ziffer l ist entsprechend der heutigen Entwicklung der Strafrechtswissenschaft nicht mehr bloss von Hochverrat, sondern von Landesverrat und Hochverrat die Eede. Als Landesverrat werden die Vergehen der Art. 36 bis 39 verstanden.

2. In Ziffer 2 werden die Wahldelikte (Art. 49) entsprechend der Praxis nicht mehr aufgeführt (vgl. BGE 48, I, 442 f.; Bundesbl. 1871, II, 416; 1911,

587 I, 462, 468). Auch die Aufreizung zu Hochverrat und Aufruhr (Art. 48) wird nicht mehr aufgenommen, weil die Verfassung hierzu nicht verpflichtet und weil die Novelle zum Bundesstrafrecht vom 30. März 1906 (AS. 22, 418) die Aufreizung zu anarchistischen Verbrechen (Art. 52bls BStE) nicht der Zuständigkeit der Assisen unterstellt.

3. Das Vergehen des Art. 39 BStR (Verletzung des schweizerischen Gebietes oder eine andere völkerrechtswidrige Handlung gegen die Schweiz) wird besser in Ziffer l aufgeführt.

4. In Übereinstimmung mit der Auslegung des Art. 112 B V durch den Bundesrat und das Bundesgericht und mit der Fassung des Art. 358 des Strafgesetzentwurfes besteht die Zuständigkeit der Assisen für Beamtenvergehen nur dann, wenn die Wahlbehörde den fehlbaren Beamten ausdrücklich den Bundesassisen -- nicht allgemein dem Bundesgericht -- überweist.

A r t . 14 führt die Fälle an, in denen die Bundesassisen an Stelle der an sich zuständigen kantonalen Gerichte urteilen (ausserordentliehe Zuständigkeit).

Es betrifft dies die politischen Verbrechen oder Vergehen, die Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst wird, zweitens die in Art. 12 erwähnten Verbrechen und Vergehen des kantonalen Rechts. Die Zuständigkeit für die Beurteilung der erstgenannten Fälle ist in Art. 112 Ziff. 3 der Bundesverfassung begründet.

Die Zuständigkeit der Assisen für die kantonalrechtlichen Fälle war schon in Art. 107 Schlussalinea OG aufgestellt. Die Neuerung des Entwurfes besteht einmal darin, dass die beiden Verbrechenskategorien von den übrigen Assisenfällen (Art. 13) gesondert behandelt werden, womit die ausserordentliche Natur der Zuständigkeit zum Ausdruck gebracht werden soll. Sodann hat der Entwurf die Bestimmung aufgenommen, dass das Bundesgericht das kantonale Strafrecht anzuwenden habe. Für die in Ziff. l angeführten kantonalen Strafsachen ist schon nach dem geltenden Becht das materielle Strafrecht der Kantone massgebend. Dagegen gilt heute für die politischen Vergehen in Interventionsfällen nach Art. 73 lit. d des Bundesstrafrechts das analoge Bundesstrafrecht des Art. 52, der bestimmt: «Wenn eine der in den Artikeln 45--50 bezeichneten Handlungen -- Hochverrat, Aufruhr, Widersetzung, Aufforderung zu Hochverrat und Aufruhr, Wahlvergehen,
Gefangenenbefreiung -- gegen eine durch den Bund garantierte Kantonalverfassung oder gegen eine Behörde oder einen Beamten eines Kantons gerichtet wird, oder auf Wahlen, Abstimmungen u. dgl. sich bezieht, welche durch die Gesetzgebung eines Kantons vorgeschrieben wird, so finden die benannten Artikel analoge Anwendung, sofern die betreffenden Handlungen Ursache oder Folge von Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst worden ist.» Nach dieser Bestimmung gilt also bei Angriffen auf die kantonalen Verfassungen, Behörden etc., sobald eine bewaffnete eidgenössische Intervention stattgefunden hat, nicht mehr das kantonale Becht, sondern ein besonderes Bundesrecht. Das Gesetz ging bei dieser Eegelung von der Auffassung aus,

588

dass die Intervention eine Bundesangelegenheit ist und dass die Verfolgung von strafbaren Handlungen, die Ursache oder Folge der Intervention sind, auch diesen Charakter annehme (vgl. Botschaft zum Bundesstrafrecht, Bundesbl.

1852, II, 586). Die nationalrätliche Kommission wollte das Bundesstrafrecht nur auf die während der Intervention begangenen Verbrechen, auf die vorher begangenen aber das kantonale Eecht zur Anwendung bringen; sie hielt u. a.

Erwägungen dafür, dass es eine unzulässige Euckwirkung des eidgenössischen Strafrechts bedeute, wenn Handlungen, die nach der Kantonalgesetzgebung nicht strafbar sind, nach Eintritt der Intervention in strafbare Handlungen umgewandelt wurden (Bundesbl. 1853, I, 14). Es ist im Laufe der letzten 40 Jahre mehrmals versucht worden, die ausserordentliche Gerichtsbarkeit der Bundesassisen in Interventionsfällen zu erweitern. Nach den Genfer Wahlunruhen von 1864, die eine eidgenössische Intervention zur Folge hatten, schlug Ständerat Ed. Häberlin in einer Motion vor, «entweder das Bundesstrafrecht durch eine Eeihe von Bestimmungen zu ergänzen, um den Begriff derjenigen Handlungen festzustellen, welche als Verbrechen gegen die innere Sicherheit der Kantone zu gelten haben, oder in den Fällen dieser Art die Bundesassisen nach der kantonalen Strafgesetzgebung Eecht sprechen zu lassen.» Der Bundesrat legte am 24. April 1867 folgenden Entwurf zur Eevision des Bundesstrafrechts vor: «Art. 1. Der Art. 9 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht soll folgende Fassung erhalten: Bei Beurteilung von politischen oder gemeinen Verbrechen, welche entweder nach Art. 104 lit. d der Bundesverfassung oder nach Art. 76 des gegenwärtigen Gesetzes an die Bundesassisen gelangen, haben diese das Strafrecht des Kantons, in welchem das Verbrechen verübt worden ist, anzuwenden... Art. 2. Art. 52 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht wird gestrichen.» Der Entwurf wurde aber von der Bundesversammlung nicht angenommen (Bundesbl. 1864, II, 740; 1865, I, 119; II, 26, 214; 1866, II, 292; 1867, I, 889, 893; 1883, I, 37/38).

Als das Bundesgericht seine Zuständigkeit zur Beurteilung der blutigen Vorgänge in Stabio vom 22. Oktober 1876 ablehnte (BGE 5, 479, 480) stellte Ständerat Brosi am 19. Juni 1880 die Motion: «Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Eäten Bericht und
Antrag zu hinterbringen über die Eevision des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 im Sinne einer Erweiterung des Begriffs der politischen Verbrechen und Vergehen, welche in die Kompetenz der Bundesassisen fallen.» Die Eäte nahmen am 19. Dezember 1883 folgende Zusatzbestimmung zum Bundesstrafrecht an: «Art. 74bis. "Wenn infolge politischer Aufregung das Vertrauen in die Unabhängigkeit oder Unbefangenheit kantonaler Gerichte in bezug auf eine ihrer Beurteilung unterstellte, auf ein Verbrechen gerichtete Strafklage als beeinträchtigt angesehen werden muss,.

so ist der Bundesrat berechtigt, die Untersuchung und Erledigung einer solchen Klage an das Bundesgericht zu überweisen, auch wenn das Verbrechen in dem gegenwärtigen Gesetz nicht vorgesehen ist. Das Bundesgericht urteilt in dem letzteren Falle nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem das Verbrechen begangen wurde,» Diese Novelle zum Bundesstrafrecht (Stabioartikel) ist

589 aber in der Beferendumsabstimmung vom 11. Mai 1884 verworfen worden (Bundesbl. 1882,1, 117; 1884, I, 25; Burckhardt, Kommentar 782, 783). Zu der vorliegenden Frage nahm auch der Entwurf des Justiz- und Polizei départements von 1889 zu einer Eevision des Bundesstrafrechts Stellung. In diesem Entwurfe wurde in Art. 73 die Verweisung auf Art. 52 gestrichen und bestimmt: «Als politische Verbrechen und Vergehen im Sinne des Art. 112 Abs. 3 der Bundesverfassung und Art. 73 lit. d Bundesstrafrecht werden alle im Bundesstrafrecht und den kantonalen Strafgesetzen vorgesehenen rechtswidrigen Handlungen betrachtet, welche zu einem politischen Zweck begangen worden sind oder mit politischen Verhältnissen im Zusammenhang stehen.» Ein Art. 73bis bestimmte: «Ausnahmsweise kann das Bundesgericht auf Antrag des Bundesrates die Untersuchung und Entscheidung eines Falles den Bundesstrafgerichtsbehörden übertragen, wenn von der Verhandlung vor dem an sich zuständigen kantonalen Gerichte eine Gefährdung des öffentlichen Friedens zu besorgen steht. Die Bundesstrafgerichtsbehörde beurteilt den Fall nach kantonalem Straf recht.» Vgl. über die ganze Frage Stooss, Die Bundesgerichtsbarkeit für politische Vergehen in Interventionsfällen (Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, 36, 46 f.).

Wir erachten es als zweckmässig, bei der vorliegenden Eevision der Zuständigkeitsordnung für die eidgenössischen Strafgerichtsbehörden das analoge Bundesstrafrecht des Art. 52 abzuschaffen und der Vorschrift des Art. 112 Ziff. 3 der Bundesverfassung ihre ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben.

Mit der Einführung einer ausserordentlichen Zuständigkeit der Bundesassisen für politische Vergehen an Stelle der kantonalen Gerichtsbarkeit sollte einzig eine Sicherheit für eine unparteiische Bechtsprechung in politisch aufgeregten Zeiten geschaffen werden. Da die Bundesassisen die Strafgerichtsbarkeit ausüben, die dem an sich zuständigen kantonalen Strafgericht zukommt, so haben sie auch dasselbe Strafrecht anzuwenden wie das kantonale Gericht. Es ist das kantonale Strafrecht verletzt worden. Das analoge Bundesstrafrecht (Art. 52 BStE) kann aber trotzdem nicht vollständig aufgehoben werden.

Einige Kantone haben mit Bücksicht auf die Strafbestimmung des Art. 52 keine oder nur ungenügende Strafdrohungen gegen Hochverrat und Aufruhr aufgenommen
(z. B. Appenzell A.-Eh. und Zug). Bis zum Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches muss deshalb Art. 52 weiter angewendet werden, wenn das kantonale Strafrecht keine einschlägigen Bestimmungen enthält.

Art. 15 enthält die wichtige Zuständigkeitsbestimmung für das Bundesstraf gericht. Er tritt an die Stelle des jetzigen Art. 125 OG und bringt eine redaktionelle und eine materielle Änderung. Die redaktionelle Änderung besteht darin, dass nicht mehr allgemein von den «der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstellten Bundesstrafsachen», sondern von den durch das Bundesstrafrecht oder durch andere Bundesgesetze der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstellten Verbrechen und Vergehen die Eede ist. Eine nähere Prüfung der heutigen

590 Zuständigkeitsumschreibung hat nämlich ergeben, dass sie insofern eine Lücke aufweist, als mit der Aufhebung des Art. 74 BStE durch Art. 125 und 227 Oft eine Bestimmung fehlt, die die Beurteilung der Verbrechen und Vergehen des Bundesstrafrechts der Bundesstrafgerichtsbarkeit zuweist, abgesehen von den in die ausschliessliche Zuständigkeit der Bundesassisen fallenden Strafsachen (vgl. C. Stooss, Die Zuständigkeit der eidgenössischen Strafgerichte, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 35, 187, 188). Die materielle Abänderung besteht darin, dass nicht mehr der Kassationshof, sondern das Bundesstrafgericht über Eehabilitationsgesuche bei Urteilen entscheidet, die ein eidgenössisches Strafgericht erlassen hat. Es erscheint natürlicher, dass das Gericht, das den Angeschuldigten und die Akten kennt, die Entscheidung über das Eehabilitationsgesuch trifft, wo die Kenntnis der Persönlichkeit des Gesuchstellers von grosser Bedeutung ist. Da sich das Eehabilitationsgesuch nicht gegen einen Fehler des urteilenden Gerichtes richtet, darf auch die Entscheidung über ein Eehabilitationsgesuch gegen ein Urteil des Bundesstrafgerichts selbst dieser Behörde übertragen werden.

In Art. 16 werden die Punktionen der Anklagekammer aufgezählt: sie ist Aufsichtsbehörde für die Voruntersuchung (vgl. Art. 57, 58, 60, 73, 111, 112, 113, 114, 121, 122, 124, 127), beurteilt die Beschwerden gegen den Untersuchungsrichter (Art. 217 f.) und entscheidet über die Anklagezulassung (Art. 128 f.). Neben diesen hauptsächlichen Funktionen sind ihr noch folgende Aufgaben zugewiesen: sie entscheidet zwischen dem Bund und den Kantonen über Anstände bei der Kostenvergütung für den Unterhalt der Gefangenen (Art. 242), ferner im Verfahren betreffend die von den kantonalen Gerichten zu beurteilenden Bundesstrafsachen über den Gerichtsstand (Art. 265) und über Anstände zwischen dem Bund und den Kantonen über die Kosten (Art. 258).

Art. 17 ordnet die Zuständigkeit des Kassationshofes.

Sie ist gegenüber dem geltenden Eecht (Art. 145 OG) in vier Punkten eingeschränkt worden: Gegen Beschlüsse der Anklagekammer wird die Nichtigkeitsbeschwerde nicht mehr vorgesehen (Art. 223), über die Eehabilitationsgesuche bei Urteilen, die ein eidgenössisches Strafgericht erlassen hat, entscheidet das Bundesstrafgericht (Art. 15), über Eehabilitationsgesuche
im Verfahren vor den kantonalen Gerichten in Bundesstrafsachen entscheiden die zuständigen kantonalen Behörden (Art. 336), die Zuständigkeit für die Entscheidung der Eekurse gegen Strafurteile, die gemäss Art. 59 des Bundesgesetzes über Zivilstand und Ehe ergangen sind, ist schon mit dem Inkrafttreten des schweizerischen Zivilgesetzbuches dahingefallen.

591 Die Zuständigkeit ist dagegen erweitert worden durch die Übertragung des Entscheides über die Zuständigkeit der Bundesassisen oder des Bundesstrafgerichts, wenn die Frage zwischen diesen Behörden streitig ist.

In Art. 18 ist eine Vermehrung der eidgenössischen U n t e r s u c h u n g s r i c h t e r in dem Sinne vorgesehen, dass für alle drei Sprachgebiete je ein Untersuchungsrichter und zugleich zwei Ersatzmänner gewählt werden sollen.

Nach Art. 10 0G sind bloss zwei Untersuchungsrichter für die ganze Schweiz zu bestellen. Die Vermehrung entspricht einem praktischen Bedürfnis, das sich namentlich in der Kriegszeit gezeigt hat. Wenn ein eidgenössischer Untersuchungsrichter wegen Krankheit, Abwesenheit, Inanspruchnahme durch kantonale Funktionen oder weitere eidgenössische Untersuchungen oder wegen «ines Eekusations- oder Unfähigkeitsgrundes an der Übernahme einer Untersuchung gehindert ist, sollte sofort ein Ersatzmann mit der Untersuchung beauftragt werden können, ohne dass zuerst das Gesamtbundesgericht auf ein begründetes Gesuch des Bundesanwaltes und auf Antrag der Anklagekarnmer einen ausserordentlichen Untersuchungsrichter bezeichnen muss; bei diesem Verfahren geht viel Zeit verloren, was zu Beginn der Untersuchung für den Beschuldigten und den Untersuchungszweck nachteilig sein kann. Mit der Neuerung wird auch der italienischen Schweiz ein besonderer Untersuchungsrichter gegeben, während bisher ein gemeinsamer Untersuchungsrichter für die deutsche und die italienische Schweiz oder für Untersuchungen aus dem italienischen Sprachgebiet ein ausserordentlicher Untersuchungsrichter bezeichnet worden ist. Durch die Vermehrung entsteht keine Belastung der Bundeskasse, da die Untersuchungsrichter für ihre Tätigkeit durch Taggelder entschädigt werden.

Die Art. 19--21 regeln Wahl, Stellung, Aufgaben und Stellvertretung des Bundesanwaltes. Grundsätzliche Änderungen gegenüber dem geltenden Eecht bestehen nicht.

Art. 19 wiederholt die Bestimmung des Art. l des Bundesgesetzes über die Bundesanwaltschaft. Wie schon Art. 6 BStP bestimmt, steht der Bundesanwalt als Beamter der Justizverwaltung unter der Aufsicht und Leitung des Bundesrates. Er hat deshalb -- abgesehen von den politischen Prozessen (Art. 106) -- Weisungen des Bundesrates oder des Chefs des Justiz- und Polizeidepartements über Einleitung
oder Nichteinleitung von Strafverfolgungen, Einlegung oder Nichteinlegung von Kechtsmitteln entgegenzunehmen. Dagegen kann ihm nicht vorgeschrieben werden, welche Anträge er vor Gericht zu stellen hat. Dies würde gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstossen und in den meisten Fällen überhaupt nicht möglich sein. Der Entwurf hat ·deshalb, entsprechend der bestehenden Praxis, die in Art. 46 des Organisationsgesetzes von 1849 enthaltenen Grundsätze wieder aufgenommen, wonach der Bundesanwalt die Anträge vor Gericht nach freier Überzeugung stellt.

Bundesblatt. 81. Jahrs. Bd. II.

43

592

·

Art. 20 fasst die prozessualen Aufgaben des Bundesanwaltes zusammen.

Die Bestimmung entspricht den heutigen Art. 6 und 12 BStP und Art. 19 des Fiskalstrafverfahrens. Der Entwurf verzichtet auf eine Vorschrift, wonach der Bundesanwalt das Becht hätte, jederzeit im kantonalen Verfahren aufzutreten. Eine solche Bestimmung war in den Vorentwürfen zum vorliegenden Gesetz und zum Organisationsgesetz von 1893 enthalten. Wie in der Botschaft zum letztgenannten Gesetz (Bundesbl. 1892, II, 360) vertreten wir auch heute die Auffassung, dass die Kompetenzen genau ausgeschieden sein sollen, damit man weiss, wer zu handeln und die Verantwortlichkeit zu tragen hat. Eine solche Bestimmung erscheint auch nicht als notwendig, da der Bundesanwalt die Eechtsmittel des eidgenössischen und des kantonalen Hechts ergreifen kann (Art. 268, 271) und die kantonalen Behörden verpflichtet sind, den Amtsklagen von Bundesbehörden Folge zu geben (Art. 259). Anders ist es im Fiskalstrafverfahren, wo es sich um die Fiskalinteressen des Bundes handelt. Zur besondern Wahrung dieser Interessen muss der Bundesanwalt, wie seit 1849,, zum Auftreten vor den kantonalen Gerichten berechtigt sein. Wie schon jetzt, wird er sich meistens durch einen kantonalen Staatsanwalt vertreten lassen,, der in seinem Auftrag handelt und seine Weisungen entgegennimmt.

Die Ordnung der Stellvertretung in Art. 21 entspricht der Eegelung in Art. 6 des Bundesanwaltschaftsgesetzes und imi Bundesratsbeschluss betreffend Vertretung der Bundesanwaltschaft durch besondere Bevollmächtigte vom 26. Februar 1909 (AS. 25, 297), mit der Neuerung, dass der Bundesanwalt sich auch durch seinen Adjunkten vertreten lassen kann. Diese Vertretung, die den Bund am billigsten zu stehen kommt, ist namentlich für kleinere Straffälle, insbesondere für die Teilnahme der Buadesanwaltschaft an einzelnen Prozesshandlungen (Augenschein, Zeugeneinvernahmen) vorgesehen.

Art. 22 stimmt inhaltlich mit Art. 12 BStP überein, doch wird ausdrücklich, der Bundesanwalt als Leiter der gerichtlichen Polizei und das Justizund Polizeidepartement als Aufsichtsbehörde bezeichnet, Avas schon unter dem geltenden Eecht (Aufsicht und Leitung des Bundesrates, in erster Linie des Justiz- und Polzieidepartementes) den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.

Eine nähere Organisation der gerichtlichen Polizei
kann nicht aufgenommen werden, da die Kantone über die Organisation ihrer Polizeiorgane zu bestimmen haben. Der Entwurf hat davon abgesehen, den in der Bundesversammlung schon aufgeworfenen Gedanken der Schaffung einer B ü n d e s k r i m i n a l p o l i z e i aufzunehmen. Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass eine eigene Bumiespolizei (ständige Bundespolizeikonmiissäre oder ein eigenes Polizeikorps) zur Verfolgung bestimmter Vergehen, die sich über das Gebiet mehrerer Kantone erstrecken (Fälschung von Banknoten oder Pässen, Mädchenhandel, Vergehen an und auf der Eisenbahn, Fiskalvergehen) oder zur Ausübung administrativer' und gerichtspolizeilicher Aufgaben an der Grenze von grossein Nutzen wäre, was sich namentlich während der Kriegszeit gezeigt hat. Ein allgemeines.

Bedürfnis nach einer eigenen Bundespolizei besteht aber gegenwärtig nicht.

593 in dem Masse, class die grossen Ausgaben hierfür gerechtfertigt werden könnten.

Die gemeinsame Verfolgung von Vergehen der genannten Art muss vorläufig der Verständigung unter den zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone überlassen bleiben. Es muss aber bei einer Revision der Bundesverfassung die Frage geprüft werden, ob nicht der Bundesrat ermächtigt werden sollte, in ausserordentlichen Zeiten eigene Bundespolizeiorgane zu schaffen, wie es bei der Heerespolizei und der Grenzpolizei der Fall war.

Die Aufgaben der gerichtlichen Polizei sind in den Art. 101 f. umschrieben.

Art. 23 behält das Verantwortlichkeitsgesetz und das Garantiegesetz vor, weil sie in das Bundesstrafverfahren stark eingreifen (Verfolgung von Behörden und Beamten des Bundes, Immunität der Mitglieder der eidgenössischen Bäte). Die Bieformbedürftigkeit dieser Gesetze ist schon in der Einleitungo hervorgehoben worden.

o

II. Teil, Das Bimdesstrafverfahren.

I. Vorbemerkung.

Der Entwurf regelt in seinem II. Teil das Bundesstrafverfahren, nämlich das Verfahren vor den eidgenössischen Strafgerichtsbehörden, während der III. Teil das Verfahren in Bundesstrafsachen behandelt, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind.

Zur Systematik dieses Teils ist zu bemerken: Der 1. A b s c h n i t t enthält allgemeine Bestimmungen, die nicht bloss für einzelne Prozesstadien, sondern für das gesamte Bundesstrafverfahren gelten.

Die bisher im Organisationsgesetz, im Bundesstrafprozess und im Bundesstrafrecht enthaltenen allgemeinen Bestimmungen werden hier in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst, in einen innern Zusammenhang gebracht und durch einige neue Vorschriften ergänzt. Der 2. A b s c h n i t t regelt die Durchführung des Verfahrens. Im 3. Abschnitt sind die Rechtsmittel geordnet.

Im 4. A b s c h n i t t sind einige Bestimmungen über die Vollziehung der Urteile und Entscheidungen der eidgenössischen Strafgerichte enthalten. Der S.Abschnitt befasst sich mit den Prozesskosten.

II. Allgemeine Bestimmungen.

1. Die Z u s t ä n d i g k e i t hat bei den Bundesstrafgerichten keine so grosse Bedeutung, wie bei den kantonalen Gerichten. Die Kompetenzen des Bundesstrafgerichts und der Bundesassisen sind so fest voneinander abgegrenzt, dass Streitigkeiten hierüber sehr selten sind. Über Kompetenzkonflikte hat gegebenenfalls der .Kassationshof zu entscheiden (Art. 17 Ziff. 3).

Die Art. 24 und 25 regeln die Verschiebung der sachlichen Z u s t ä n d i g keit wegen der Verbindung der Bundesstrafsache mit zusammenhängenden Verbrechen oder Vergehen. Nach Art. 24 haben die Bundesassisen auch zu-

594 sammentref fende Vergehen des Beschuldigten zu beurteilen, für die an sich das Bundesstrafgericht zuständig ist, sofern der Bundesrat die Verfolgung nicht gemäss Art. 15 Abs. 2 den kantonalen Behörden überwiesen hat. Art. 25 sieht, in Übereinstimmung mit dem schon in Art. 76 BStE enthaltenen Grundsatz, die Möglichkeit vor, dass die wegen einer Bundesstrafsache eingeleitete Untersuchung auch auf kantonale Strafsachen ausgedehnt werden kann, sofern die Vergehen in einem Zusammenhang miteinander stehen. Mit dieser Vorschrift soll eine mehrfache Verurteilung vermieden werden. Das kantonale Vergehen ist nach dem Strafrecht des Kantons zu beurteilen, in dem die Tat begangen wurde.

In Art. 26 ist, in Anlehnung an Art. 65 des Strafgesetzentwurfes und Art. 33 BStE, für die Strafausmessung beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (Eealkonkurrenz) oder mehrerer Strafbestimmungen (Idealkonkurrenz) die Gesamtstrafe aufgenommen worden.

Nach Art. 27 ist das Gericht, das den Täter beurteilt, auch für die Teilnehmer zuständig. Eine gesonderte Verhandlung gegen einzelne Teilnehmer kann aber durch Besohluss des urteilenden Gerichts verfügt werden (Art. 143).

Art. 34 enthält eine Vorschrift über die örtliche Gerichtsbarkeit.

Da die eidgenössischen Strafgerichte ihre Gerichtsbarkeit für die ganze Schweiz ausüben, so fällt eine Ausscheidung nach örtlicher Zuständigkeit weg, ausser bei den Bundesassisen : die Haupfo erhandlung findet in dem Assisenbezirke statt, wo die Tat begangen wurde. Der Verhandlnngsort des Bundesstrafgerichts wird durch den Präsidenten nach Zweckmässigkeitserwägungen bestimmt.

2. Die Ö f f e n t l i c h k e i t ist in Art. 29 gleich geordnet wie in Art. 36 OG, mit der Abänderung, dass auch die Beratung der Kriminalkammer geheim sein soll, weil die Beratung über die Strafe und das Strafmass sich für die Öffentlichkeit nicht eignet.

3. Die Sitzungspolizei ist in den Art. 30 und 31 im wesentlichen gleich geordnet wie in Art. 66 der Militärstrafgerichtsordnung.

4. Für die Eechtshilf e (32) bringen die Art. 32--34 gegenüber dem geltenden Eecht (Art. 122--124, 140 OG, 143 f. BStP) keine materiellen Änderungen.

5. Protokolle und Vorladungen.

Art. 35 enthält allgemeine Grundsätze für die Protokollführung, die die Eichtigkeit des Protokolls sichern sollen. Einzelheiten über den Inhalt
des Protokolls für bestimmte Prozesshandlungen bestimmen die Art. 49, 52, 78, 87, 90, 116,183, 185). Über das geltende Eecht vgl. Art. 24 lit. e, 27, 128 f. BStP, 139 OG.

Über die Vorladung enthielt das geltende Eecht keine Bestimmungen.

Art. 36 regelt den Inhalt, Art. 37 die Zustellung der Vorladung und Art. 38

595

die öffentliche Ladung. Aus dem Inhalt der Vorladung ist die Angabe der Eigenschaft des Vorgeladenen (vgl. Art. 45) und der Hinweis auf die Folgen des Nichterscheinens hervorzuheben. Die Vorladung kann durch die Post (vgl. Art. 22 B G betreffend den Postverkehr vom 2. Oktober 1924 und § 46 der Postordnung vom 8. Juni 1925) oder durch die Polizei zugestellt werden.

Bei Abwesenheit des Vorgeladenen muss die Vorladung verschlossen einem Hausgenossen übergeben werden.

6. Parteien und Verteidigung.

In Art. 39 werden die im Bundesstrafverfahren als Parteien anerkannten Prozessbeteiligten aufgezählt. Ist in den nachfolgenden Bestimmungen von den Parteien die Eede, so sind darunter immer der Beschuldigte, der Bundesanwalt und der Geschädigte verstanden.

Die Art. 40--44 handeln von der Verteidigung. Das geltende Bundesstrafprozessrecht sieht eine Verteidigung des Beschuldigten nur für die Hauptverhandlung vor. Der Assisenpräsident fordert den Angeklagten auf, einen Verteidiger zu wählen, nötigenfalls bestimmt er den Verteidiger selbst (Art. 49 BStP); der Präsident des Bundesstrafgerichts macht den Angeklagten auf sein Eecht, einen Verteidiger beizuziehen, aufmerksam und bezeichnet ihm auf sein Verlangen einen Verteidiger (Art. 129 OG), -- Die Ausgestaltung der Verteidigung bildet einen Hauptgegenstand der Eeformbewegung. Die Verteidigung soll in folgender Hinsicht verstärkt werden: 1. die Voraussetzungen, unter denen dem Beschuldigten ein Verteidiger beigegeben werden muss, sind zu erweitern, 2. die Verteidigung muss auf das ganze Strafverfahren ausgedehnt werden, 3. die Befugnisse des Verteidigers sind soweit zu bemessen, als es der Untersuchungszweck zulässt. Die Bestimmungen der Art. 40 f. erfüllen die zwei ersten Postulate. Die prozessualen Rechte des Verteidigers im Verfahren sind im folgenden Abschnitt geregelt.

Art. 40 stellt den Grundsatz auf, dass der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger bestellen kann, worauf ihn der Eichter schon bei der ersten Einvernahme aufmerksam machen soll. Über den Verkehr des Verhafteten mit dem Verteidiger vgl. Art. 119. Da zurzeit noch kein einheitliches eidgenössisches Anwaltspatent besteht und nach Art. 5 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung die Eechtsanwälte, die in einem Kanton den Ausweis der Befähigung erlangt haben, ihren
Beruf in der ganzen Eidgenossenschaft ausüben dürfen, ist als Verteidiger jeder Anwalt zugelassen, der in einem Kanton seinen Beruf ausübt. Ferner werden ohne weiteres die Eechtslehrer an schweizerischen Hochschulen zugelassen, gleichgültig, ob sie Schweizer oder Ausländer sind. Nicht zugelassen werden dagegen ausländische Anwälte, da für ihre Mitwirkung kein allgemeines Interesse besteht und die Disziplinarmassnahmen des Art. 44 ihnen gegenüber nicht zur vollen Wirksamkeit gelangen können. Ausnahmsweise können in der Hauptverhandlung mehrere Verteidiger für einen Beschuldigten zugelassen werden. -- Der Schlussabsatz

596 enthält eine Vorschrift über die Ausübung der Prozessrechte des Beschuldigten durch den Verteidiger.

Art. 41 ordnet die amtliche oder notwendige Verteidigung. Der Entwurf geht von der Auffassung aus, dass die Verteidigung den öffentlichen Interessen dient. In Assisenfällen ist die Verteidigung immer notwendig. In den übrigen Fällen ist die Verteidigung notwendig, wenn der Beschuldigte verhaftet ist oder wenn er wegen seiner Jugend, Unerfahrenheit, Bedürftigkeit oder aus andern Gründen nicht imstande ist, sich zu verteidigen. Ein gemeinschaftlicher Verteidiger für mehrere Beschuldigte ist zulässig. Der Entwurf teilt die Auffassung der Wissenschaft, dass der Beschuldigte durch die Haft an der Ausübung seiner Parteirechte, insbesondere an der Sammlung des Entlastungsmaterials nicht gehindert werden darf. Auch nach Art. 126 der Militärstrafgerichtsordnung ist jedem Angeklagten, der keinen Verteidiger beigezogen hat, ein amtlicher Verteidiger zu bestellen.

Art. 42 bezeichnet die Behörde, die den amtlichen Verteidiger zu bestellen hat. Art. 43 regelt die Entschädigungsfrage. Art. 44 enthält Disziplinarmassnahmen.

7. Die Vernehmung des Beschuldigten.

Art. 45 verpflichtet den Beschuldigten, sich dem Eichter zu stellen, und zwar in erster Linie auf eine Vorladung hin (Art. 36 f.) oder im Falle der Nichtbefolgung der Ladung durch polizeiliche Vorführung. Mit der Angabe der Eigenschaft als Beschuldigter in der Ladung wird auf die Parteistellung des Beschuldigten hingewiesen.

Nach Art. 46 Absatz l ist der Beschuldigte verpflichtet, über seine persönlichen Verhältnisse (Name, Alter, Heimat, Beruf, Wohn-, Geburtsund Aufenthaltsort, Vermögensverhältnisse, früherer Lebenslauf, allfällige Vorstrafen) Auskunft zu geben. Der Eichter kann hierüber Erhebungen anordnen, z. B. Straf- und Leumundszeugnisse einholen, anthropometrische und daktyloskopische Messungen vornehmen lassen.

Der 2. Absatz enthält die Grundsätze für die Vernehmung des Beschuldigten. Der Entwurf geht, gemäss den ihn beherrschenden akkusatorischen Grundsätzen, davon aus, dass der Beschuldigte als Partei nicht verpflichtet ist, gegen sich selbst auszusagen. Der Beschuldigte kann entscheiden, ob er Auskunft geben will oder nicht. Deshalb teilt ihm der Eichter zunächst mit, welcher Tat er beschuldigt ist, veranlasst ihn, sich über die Beschuldigung
auszusprechen und seine Verteidigungsmittel anzuführen. Hierauf stellt der Eichter Fragen zur Ergänzung, Erläuterung oder Berichtigung der Aussage und zur Beseitigung von Widersprüchen. Der Entwurf steht mit dieser Auffassung in Übereinstimmung mit den neuern Prozessgesetzen: Militärstrafprozessordnung (Art. 77), Zürich (§151), Bern (Art. 105), Basler Entwurf (§ 25). Übrigens bestimmt schon Art. 24 lit. d BStP, dass bei Verweigerung des Beschuldigten auf die an ihn gestellten Fragen zu antworten, die Untersuchung weiterzuführen sei.

597

Nach Art. 47 soll der Bichter in keiner T\ ei»e ein Geständnis zu erzwingen «uchen, sondern die Wahrheit loyal erforschen. Ein glaubwürdiges, aus freien Stücken abgelegtes Geständnis hat Beweiskraft. Der Pächter hat die Pflicht, solche Geständnisse völlig abziiklären (Art. 48).

Art. 49 enthält Vorschriften über den Inhalt des Abhörungsprotokolls.

8. Untersuchungs- und S i c h e r u n g s h a f t .

Das geltende Eecht regelt die Untersuchungshaft sehr summarisch. Die Art. 13 BStP und 148 OG ermächtigen die gerichtliche Polizei, nötigenfalls den «Schuldigen» festzunehmen, der Verhaftete soll längstens binnen 48 Stunden nach Eintreffen der Akten bei der Bundesanwaltschaft dem eidgenössischen Untersuchungsrichter oder der kantonalen Gerichtsbehörde zur Verfügung gestellt werden (Art. 16 BStP). Der Untersuchungsrichter kann während der Untersuchung die Haft des Beschuldigten anordnen: er verfügt bei geringern Vergehen die einstweilige Freilassung, bei schwerern Vergehen nur mit Zustimmung des Bundesanwaltes : er überwacht die Untersuchungshaft (Art. 23).

Bestimmungen zum Schutze des Bürgers kennt das Gesetz nicht. Es hat denn auch gerade diese Eegelung der Untersuchungshaft Anlass zur Kritik gegeben. Die Neuordnung dieses staatlichen Zwangsmittels, das am tiefsten in die Freiheit und in die Gesamtinteressen des Burgers einschneidet, ist auch in den Kantonen, im Ausland und in der Wissenschaft ein Hauptziel der Beformbewegung. Der Entwurf trägt der Kritik am geltenden Haftverfahren insoweit Bechnung, als sie sich gegen die oft schematische und mechanische Haftverhängung und unverhältnismässig lange Dauer der Haft wendet. Er umschreibt in einlässlicher Weise die Haftgründe (Art.50), bindet den Haftbefehl an strenge Formen (Art. 52), legt dem Beamten, der den Haftbefehl erlassen hat, die Pflicht auf, den Verhafteten spätestens am Tage nach der Zuführung über den Grund der Verhaftung einzuvernehmen und den Entscheid über die Haftbelassung schriftlich zu begründen (Art. 53), und verpflichtet alle Bichter, auf die Abkürzung der Haft hinzuwirken (Art. 57). Der Entwurf sieht eine besondere Kontrolle über die Verhängung der Untersuchungshaft in folgender Weise vor: jede Verhaftung oder Haftentlassung ist der Anklagekammer mitzuteilen, die Kollusionshaft darf nur mit besonderer Bewilligung jener Aufsichtsbehörde
länger als 14 Tage dauern (Art. 57), der Beschuldigte kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen und gegen die Abweisung bei der Anklagekammer Beschwerde (Haftbeschwerde) führen (Art. 58). Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist Vorsorge getroffen, dass die Freiheit nicht weiter beschränkt wird, als es der Untersuchungszweck erfordert; die Überwachung wird dem Bichter und der kantonalen Vollzugsbehörde zur Pflicht gemacht (Art. 54, 55). Eingehend ist die Haftentlassung gegen Sicherheit geordnet (Art. 59--65).

Der Entwurf will mit dieser Begelung auch hier einen Ausgleich schaffen zwischen den Zwangsmassnahrnen des Staates zur Sicherung des Strafanspruchs und dem Becht der Persönlichkeit auf Freiheit. Auf die Kollusionshaft hat

598

dagegen der Entwurf in Übereinstimmung mit den neuern Gesetzen und Gesetzesentwürfen nicht verzichten können.

Im einzelnen ist zu. bemerken: Art. 50 stellt die V o r a u s s e t z u n g e n für die V e r h ä n g u n g der U n t e r s u c h u n g s h a f t auf. Die Untersuchungshaft als schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit soll nur bei unbedingter Notwendigkeit angewendet werden.

Diese Natur als Ausnahmemassregel ergibt sich daraus, dass das Gesetz die Untersuchungshaft für keinen Fall als zwingende Massnahme aufstellt («darf nur») und dass nach Art. 59 der Beschuldigte, der wegen Fluchtverdachts in Haft zu setzen wäre, gegen Sicherheitsleistung auf freiem FUSS belassen werden darf. Voraussetzungen der Haft sind : der dringende Verdacht eines Vergehens, d. h. ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Vergehen begangen worden ist und dass der zu Verhaftende der Täter ist und dazu entweder ein dringender Fluchtverdacht oder bestimmte Umstände, die den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte Spuren der Tat vernichten oder Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder sonst den Untersuchungszweck gefährden werde (Kollusionsgefahr). Der Verhaftete ist freizulassen, sobald der Grund der Verhaftung wegfällt (Art. 56). Auch, bei den besondern Fällen der Fluchtgefahr (Anschuldigung wegen eines Verbrechens im engern Sinn, Unmöglichkeit des Ausweises über die Person des Beschuldigten, Fehlen eines Wohnsitzes in der Schweiz) hat der Kichter die Notwendigkeit der Verhaftung zu prüfen. Das Gesetz nennt diese Falle ausdrücklich, weil hier in der Regel eine Fluchtgefahr besteht, es stellt aber keine unwiderlegliche Vermutung des Fluchtverdachtes auf. Für die Kollusionshaft verlangt der Entwurf das Vorliegen bestimmter Umstände, aus denen sich die Verdunkelungsgefahr ergibt. Die blosse Möglichkeit, dass der Beschuldigte Beweismittel beseitigen oder gefährden werde, genügt nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass er solche Handlungen bereits vorgenommen hat.

Mit dieser Regelung ist eine schematische Verhängung der Kollusionshaft ausgeschlossen. Ähnliche Lösungen enthalten § 49 der Zürcher Strafprozessordnung, Art. 111 des neuen Berner Strafprozesses, § 52 des Basler Entwurfes.

Art. 51 bestimmt die Zuständigkeit zum Erlass des Haftbefehls.

Während der Voruntersuchung
ist der Untersuchungsrichter und nach Abschluss der Untersuchung (für die Sicherungshaft) das Gericht, bei dem die Sache hängig ist, oder dessen Präsident zuständig (Art. 148). Im Ermittlungsverfahren erlassen, wie schon jetzt, der Bundesanwalt als Leiter der eidgenössischen gerichtlichen Polizei und die nach kantonalem Recht hierfür zuständigen Beamten der gerichtlichen Polizei (Staatsanwalt, Untersuchungsrichter, Bezirksamtmann, Eegierungsstatthalter, Polizeikommandant etc.) den Haftbefehl. Neu ist die Vorschrift, dass auch die kantonalen Beamten die Vorschriften des Bundesstrafverfahrens und nicht des kantonalen Prozesses anzuwenden haben. Damit soll im Interesse des Schutzes des Beschuldigten ein einheitliches Verfahren erzielt werden.

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Bei A r t . 52 ist der Schlussabsatz betreffend den H a f t b e s c h l u s s hervorzuheben. Durch die Verpflichtung, im Protokoll die Tatsachen anzuführen, auf die sich der Haftbefehl stützt, soll bewirkt werden, dass die Gründe für die Notwendigkeit einer Verhaftung genau erwogen werden müssen, wodurch eine voreilige Inhaftnahme ausgeschlossen wird.

Beim H a f t p r ü f u n g s v e r f a h r e n der Art. 57 und 58 musste den besondern Verhältnissen unseres Bundesstaates, namentlich dem Umstände Rechnung getragen werden, dass die für das ganze Gebiet der Schweiz bestehende Anklagekammer des Bundesgerichts dem Prozessbetrieb ferner steht als eine kantonale Aufsichtsbehörde. Es konnte deshalb der Gedanke einer mündlichen Verhandlung über die Aufrechterhaltung der Haft von vornherein nicht aufgenommen werden. Ebensowenig konnte das in Genf (Art. 148) und Zürich (§ 51) bestehende System eingeführt werden, wonach die Haft von 8 oder 14 Tagen nur auf Entscheid der Anklagekammer verlängert werden darf.

Auch eine periodische Kon trolle der Untersuchungshaft durch die Anklagekammer, wie sie in Genf (Ari. 176) und Freiburg (Art. 24) besteht, konnte nicht ohne weiteres übernommen werden. Der Entwurf sieht deshalb wohl eineBekanntgabe aller Plaftverfügungen und Haftentlassungen an die Anklagekammer zur Kontrolle vor, beschränkt aber einzig die Dauer der Kollusionshaft auf 14 Tage, mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch die Anklagekammer.

Die Nachprüfung über das Fortbestehen des Kollusionsverdachtes dürfte der Anklagekammer weniger Schwierigkeiten bereiten, als die Entscheidung über das Vorliegen der Fluchtgefahr. Eine zeitliche Beschränkung der Dauer der Haft wegen Fluchtgefahr erscheint übrigens einigermassen willkürlich. Die Verdunkelungsgefahr wird mit dem Fortschreiten der Untersuchung immer geringer. Der Entwurf gibt dem Beschuldigten zudem das Eecht, jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einzureichen und gegen die Abweisung durch den Untersuchungsrichter bei der Anklagekammer Beschwerde zu führen. Da nach Art. 41 jeder Verhaftete durch einen Verteidiger verbeiständet sein muss, so besteht für die Wahrung der Interessen des Verhafteten alle Gewähr. -- Im Hauptverfahren ist das Haftentlassungsgesuch an den Präsidenten des Gerichtes, bei dem die Sache hängig ist, zu richten. Gegen die vom Bundesanwalt
verhängte Haft kann beim Justiz- und Polizeidepartement Eekurs erhoben werden. Für die Anfechtung des von kantonalen Beamten verfügten Verhaftes, sind die kantonalen Bestimmungen massgebend.

Die Art. 59--65 bringen eine eingehende Regelung der Freilassung gegen Sicherheitsleistung, mit Bestimmungen über Voraussetzungen und Verfall (Art. 59), Art und Höhe (Art. 60), Freiwerden (Art. 62) und Verwendung (Art. 64) der Sicherheitsleistung, sowie Bestimmungen über die zur Freigabe oder Verfallserklärung zuständige Behörde (Art. 65), die Befreiung des Bürgen (Art. 63) und die Verhaftung trotz Sicherheitsleistung (Art. 61). Bei der Verwendung der Kaution ist hervorzuheben, dass sie in erster Linie zur Bezahlung der Kosten, sodann zur Deckung des Schadens und endlich zur Bezahlung der Busse dienen soll (gleich § 82 der Zürcher Strafprozessordnung). Der Ent-

'600 wuri will damit den Interessen des Geschädigten einen besondern Schutz gewähren.

Art. 66 bezieht sich auf die v o r l ä u f i g e Festnahme. Diese Massnahme -«oll erfolgen zur Herbeiführung eines förmlichen Haftbefehls. Voraussetzungen sind das Vorliegen von Verdachtsgründen für die Täterschaft eines Vergehens und der Gefahr, dass bei einer Verzögerung der Festnahme bis zum Brlass eines Haftbefehls der Täter flüchtig werde oder Verdunkelungshandlungen vorgenommen habe. Zuständig für die Festnahme sind die Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei. Für den Bürger besteht eine Beistandspf licht.

Art. 67 gibt den Privatpersonen das Eecht der Ergreifung, wenn sie ·den Täter auf frischer Tat betreffen, sofern es sich um ein schweres Vergehen bandelt.

Art. 68 betrifft die Fahndung und den Steckbrief.

9. Beschlagnahme und Durchsuchung.

An Stelle der summarischen Vorschrift des Art. 23 Abs. 6 und 7 BStP ·stellt der Entwurf in den Art. 69--75 fest, inwieweit die eidgenössische Strafjustiz in die Verfügungsgewalt der Bürger über Sachen und in sein Hausïecht eingreifen darf, um Beweisgegenstände zu erlangen und um sich der Person des Verdächtigen zu versichern. Der Entwurf schliesst sich im wesentlichen an die Militärstrafgerichtsordnung an.

Im einzelnen ist zu bemerken: In Art. 70 wird die Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen besonders geregelt. Die Bestimmung steht mit Art. 6 des Postgesetzes und § 6 der Postordnung in Verbindung.

Bei der H a u s s u c h u n g (Art. 7l) wird ausdrücklich bestimmt, dass ·auch eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten zulässig ist. Nach der eingehenden Kegelung in Art. 78 sollen bei der Durchsuchung von P a p i e r e n die persönlichen Eechte des Inhabers möglichst geschont werden. Es soll insbesondere das Berufsgeheimnis (vgl. Art. 79) gewahrt werden. Im An·schluss an den St. Galler Strafprozess (Art. 51) ist deshalb bestimmt worden, ·dass bei einem Einspruch des Inhabers gegen die Durchsuchung die Papiere versiegelt und der Entscheid über die Zulässigkeit der Durchsuchung der Anklagekammer oder dem Gericht, bei dem die Sache hängig ist, übertragen wird, je nachdem die Massnahme im Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren ·oder nach Abschluss der Voruntersuchung getroffen wird. Auch der Basler Entwurf (§ 67) bestimmt, dass die
Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte in Berufsgeheimnisse nicht durch Beschlagnahme von Aufzeichnungen eindringen dürfen, die sich im Gewahrsam des zur Zeugnisverweigerung Berechtigten befinden. Vgl. auch § 103 Schlussabsatz der Zürcher Strafprozess·ordnung.

601

Da im polizeilichen Brmittlungs\ erfahren ein Richter nicht zur Verfügung steht, sind, wie bisher, der Bundesanwalt und die nach kantonalem Recht hierfür zuständigen Beamten der gerichtlichen Polizei zu Beschlagnahme und Haussuchung berechtigt (Art. 75). Xeu ist die Vorschrift, dass auch die kantonalen Beamten das eidgenössische Recht anzuwenden haben.

10. Zeugen.

Es ist auf folgende N e u e r u n g e n hinzuweisen: Art. 78. Die Personen, denen wegen ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zum Beschuldigten dasRechtder Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g zukommt (Art. 77), sind auf dieses Recht besonders aufmerksam zu machen, hiervon ist im Protokoll Vormerk zu nehmen. Der Zeuge, der sich zur Aussage bereit ·erklärt hat, kann diese Erklärung noch während der Vernehmung widerrufen (vgl. Art. 86 der Militärstrafgerichtsordnung), die bereits gemachten Aussagen aber bleiben bestehen.

Art. 79. Während andere Gesetze (z. B. Art. 86 MStPO, § 130 des Zürcher Prozesses) den Personen, denen ein B e r u f s g e h e i m n i s anvertraut worden ist, das Recht der Zeugnisverweigerung geben, verbietet der Entwurf dem Richter, diese Personen zum Zeugnis anzuhalten, solange sie nicht von der Geheimhaltungspflicht befreit worden sind. Wenn der Staat die Verletzung des Berufsgeheimnisses mit Strafe bedroht (vgl. Art. 285 des Strafgesetzentwurfes), so darf er ein Zeugnis über den Gegenstand solcher Geheimnisse nicht zulassen.

Während Art. 75 des Bundesstrafprozesses den Geistlichen, Sachwaltern, Ärzten und Wundärzten das Zeugnisverweigerungsrecht zuerkennt, bestimmt der Entwurf den Kreis der Berufstätigen, die die anvertrauten Geheimnisse bewahren dürfen, gleich wie Art. 285 des Strafgesetzentwurfes. Eine Ausdehnung auf die Redaktoren erwies sich als unzweckmässig, da damit die in Art. 26 des Strafgesetzentwurfs geordnete Verantwortlichkeit für Pressvergehen berührt wird. Die Personen, zu deren Gunsten das Berufsgeheimnis aufgestellt ist, können die Inhaber der Berufe, die zur Geheimhaltung verpflichtet sind, hiervon befreien. Die Berufsinhaber können alsdann, wie die andern Bürger, als Zeugen einvernommen werden.

Art. 80. Das Organisationsgesetz und der Bundesstrafprozess ordnen die Einvernahme von B e a m t e n über Tatsachen, die sie bei Ausübung ihres Amtes wahrgenommen haben, nicht. Der Entwurf lässt die
Einvernahme zu, \\enn die zuständige Oberbehörde ihre Zustimmung hierzu gegeben hat. Für die Bundesbeamten sind Art. 28 de? Bundesgesetzes über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten vom 30. Juni 1927 und die zudienenden Ausführungsvorschriften, für die Beamten der Kantone und Gemeinden die bezüglichen kantonalen Vorschriften massgebend.

Art. 81. Viele Strafprozessgesetze geben dem Zeugen das Recht, die Beantwortung von Fragen zu verweigern, die ihn oder einen Angehörigen strafrechtlicher Verfolgung oder einer Benachteiligung der Ehre aussetzen

602

kann (vgì.'Art. 87 MStPO, § 131 der Zürcher Strafprozeßordnung, §§ 54 und 55 des deutschen Beichsstrafprozesses, Art. 141 Ziff. 2 des bernischen Strafverfahrens, § 39 des Basler Entwurfes). Die Pflicht, Zeugnis abzulegen, darf nicht zu dem Zwange gegen den Zeugen führen, die eigene Schuld oder Schande zu gestehen oder einem Angehörigen derart zu schaden. Anstatt den Zeugen zu veranlassen, in seinem Gewissenskonflikt unwahre Angaben zu machen, ist es besser, ihn von der Z e u g n i s p f l i c h t überhaupt zu b e f r e i e n . Da die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes wegen des darin liegenden Geständnisses unter Urnständen die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung und der Unehre geradezu herbeiführen kann, so schreibt der Entwurf dem Eichter ausdrücklich vor, wissentlich keine solchen Fragen zu stellen (vgl. Stooss, Bundesstrafgerichtsordnung, a. a. 0. 221; Stooss, Meineid, Vergleichende Darstellung des deutschen und des ausländischen Strafrechts, besonderer Teil, Bd.3, S. 274f.).

Art. 85. Die wichtigste Neuerung beim Zeugenbeweis ist die A b s c h a f fung des Zeugeneides. In Übereinstimmung mit der Militärstrafgerichtsordnung, den Strafprozessgesetzen von Zürich, Bern, Schaffhausen und Solothurn, der bernischen Zivilprozessordnung, sowie mit dem Basler Entwurf hat der Entwurf von der Beeidigung der Zeugen Umgang genommen, wie auch Art. 271 des Strafgesetzentwurfes nicht mehr die Eidesverletzung, sondern die falsche Beweisaussage unter Strafe stellt. Art. 49 der Bundesverfassung gewährleistet die Gewissensfreiheit. Eine religiöse Eidesformel kann somit nicht von jedermann gefordert werden. Auf den ungläubigen Zeugen macht der Eid keinen Eindruck und bildet nur eine leere Formel; der Gläubige empfindet den Eid oftmals als einen Zwang. Soll der Eid nicht durch eine bürgerliche Bestätigungsformel (Handgelübde) ersetzt werden, wie sie im Kanton Thurgau und im Basler Entwurf (§ 44) besteht ? Wir haben davon Umgang genommen, obwohl die psychologische Wirkung einer gewissen Solennitätsform auf viele Zeugen nicht bestritten werden soll. Aber auch die bürgerliche Bestätigungsformel «beglaubigt» die Aussage ebensowenig wie der Eid. Die freie Beweiswürdigung besteht auch für die unter einem Handgelübde abgegebene Aussage. Der Staat darf vom Zeugen auch ohne eine Bestätigungsformel eine wahrheitsgetreue
Aussage verlangen. Um den Zeugen zur Wahrhaftigkeit anzuspornen, soll ihn der Eichter nach dem Entwurf zur Wahrheit ermähnen und auf die Strafe des falschen Zeugnisses aufmerksam machen.

11. Augenschein und Sachverständige.

Art. 23 Abs. 3 BStP bestimmt: «Der Untersuchungsrichter ernennt die Sachverständigen und begibt sich selbst, wenn es nötig ist, an Ort und Stelle.» Nach Art. 83 BStP sind Sachverständige wie Zeugen zu behandeln, was übrigens ihrer Aufgabe nicht entspricht. Der Entwurf bringt in den Art. 89--97, in Übereinstimmung mit den neuern Strafprozessordnungen und entsprechend der Bedeutung der durch die Kriminalistik hochentwickelten Wahrheit serforschungsmittel, eingehende formale Vorschriften über Augenschein und Sachverständige.

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12. Gerichtssprache.

Nach Art. 9 BStP sollen die Verhandlungen in der Eegel in der Sprache des Bezirkes geführt werden, wo das Verbrechen verübt worden ist. Art. 98 des Entwurfes bestimmt deutlicher, das? vor den Bundesassisen in der Sprache der Geschwornen und weiter, dass vor dem Bundesstrafgericht in der Sprache des Angeklagten verhandelt werden soll, wenn er eine der drei Landessprachen spricht. Mitunter ist vor dem Bundesstrafgericht eine andere Anordnung zweckmässiger, z. B. wenn mehrere Angeklagte mit verschiedenen Sprachen zu beurteilen sind; hierzu wird die Möglichkeit geschaffen.

13. Ausschliessung und A b l e h n u n g von G e r i c h t s p e r s o n e n , Fristen, Wiedereinsetzung.

Hierfür sind die Art. 12, 27. 28, 29. 30, 31, 32, 41, 42 und 43 des Organisatioiisgesetzes massgebend.

III. Die Durchführung des Verfahrens.

Das Bundesstrafverfahren gliedert sich wie bisher in die sechs Abschnitte : 1. Ermittlungen der gerichtlichen Polizei; 2. Voruntersuchung; 3. Versetzung des Beschuldigten in den Anklagezustand : 4. Vorbereitung der Hauptverhandlung; 5. Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht; 6. Hauptverhandlung vor den Bundesassisen. Den Schluss des 2. Teiles bilden gemeinsame Bestimmungen über privatrechtliche Ansprüche.

1. Die Ermittlungen der gerichtlichen Polizei.

Wie das geltende Eecht (Art. 11--16 BStP, 148 OG) enthält auch der Entwurf nur einige grundsätzliche Bestimmungen über den Umfang der gerichtspolizeiliehen Ermittlungen. Der Bund hat gegenwartig, von den Zollorganen abgesehen, keine eigene gerichtliche Polizei. Die kantonalen Beamten wirken nach der ihnen gemäss dem kantonalen Eecht zukommenden Zuständigkeit an den Ermittlungen im Bundesstrafverfahren mit, stehen aber nicht in einem eigentlichen Dienstverhältnis zum Bunde. Die Organisation der kantonalen gerichtlichen Polizei kann und will das Bundesgesetz nicht regeln. Das Zusammenwirken der kantonalen gerichtlichen Polizei mit dem Bundesanwalt und dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement ist je nach der Organisation der kantonalen Polizei und der Lage des einzelnen Falles so verschiedenartig, dass eine eingehende Eegelung des Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen ist.

Die vorliegenden Bestimmungen über die Ermittlungen der gerichtlichen Polizei betreffen nur solche Bundesstrafsachen, für die die
Zuständigkeit eines eidgenössischen Strafgerichts in Frage kommt. Das Verfahren für Bundesstrafsachen, deren Verfolgung und Beurteilung die einschlägigen Bundesgesetze von vornherein den Kantonen zuweisen, ist in den Art. 249 f. geregelt.

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Folgende Bestimmungen geben Anlass zu Bemerkungen: Art. 108 umschreibt den Z w e c k der Ermittlungen: Auffindung und Sicherung der Spuren des Verbrechens, sowie vorsorgliche Massnahmen.

Art. 104 bestimmt grundsätzlich, dass bei den Ermittlungen der gerichtlichen Polizei die Vorschriften dieses Gesetzes zu beachten sind, auch wenn sie durch kantonale Beamte vorgenommen werden. Anwendungen dieses Grundsatzes sind in den Art. 51 (Untersuchungshaft) und 71 (Durchsuchung und Beschlagnahme) enthalten.

Im Ermittlungsverfahren kann der Verkehr des verhafteten Beschuldigten mit dem Verteidiger gestattet werden, wenn und soweit dadurch der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird.

Art. 105. Die Ermittlungen sollen den B u n d e s a n w a l t in den Stand setzen, zu entscheiden, ob er die Pflicht hat, ein Bundesstrafverfahren zu veranlassen und eine Voruntersuchung zu beantragen. Er hat deshalb die gerichtspolizeilichen Ermittlungen zu leiten. In dieser Leitung liegt auch die Befugnis, die Erhebungen unter Umständen selbst durchzuführen, z. B. bei Verbrechen von Bundesbeamten. Die Beamten und Angestellten der kantonalen Polizei haben dem Bundesanwalt auf dem durch das kantonale Eecht vorgeschriebenen Dienstweg (durch Vermittlung der Polizeidirektion, der Staatsanwaltschaft, des Polizeikommandos, etc.) oder direkt über ihre Ermittlungen Bericht zu erstatten. Diese Eegelung entspricht dem geltenden Eecht.

Art. 106. Wie im heutigen Eecht (Art. 4, 14, Abs. 3 BStP, 44 BStE) steht die Entscheidung über die gerichtliche Verfolgung von politischen Verbrechen dem Bundesrat zu. Vgl. auch Art. 112.

Art.107.Das geltende Eecht sagt nicht ausdrücklich, wer zur E i n s t e l l u n g zuständig ist. Nach der Praxis stellt das Justiz- und Polizeidepartement das Ermittlungsverfahren ein, wenn es die Erhebungen angeordnet hat oder wenn es sich um wichtige Fälle handelt, im übrigen die Bundesanwaltschaft. Nach dem Entwurf stellt der Bundesanwalt die Ermittlungen ein, da sie zuhanden des Anklägers erhoben werden. Eine Benachrichtigung des Beschuldigten ist bloss für den Fall vorgesehen, wo jemand als solcher eim ernommen worden ist, nicht aber für die vielen Anzeigen, die sich schon nach einer kurzen polizeilichen Feststellung als haltlos erweisen.

Der 2. Absatz enthalt eine Bestimmung über die K o s t e n des
Ermittlungsverfahrens. Das geltende Eecht hat keine Bestimmung über die Tragung der Kosten bei einem Dahinstellungsbeschluss. Nach der Praxis haben die Kantone die Kosten der von ihnen durchgeführten Ermittlungen zu tragen, da Voraussetzung der Kostenübernahme durch den Bund die Delegation zur Untersuchung und Beurteilung sei ( S a l i s 4 Xr. 1713, Entscheid des Bundesgerichts i. S.

Bundesanwaltschaft gegen Schwyz vom 1. Juni 1928, BGE 54, I, 182). Der Bund hat aber ausnahmsweise die Kosten ganz oder teilweise übernommen, wenn grosse Kosten (z. B. für eine Expertise) entstanden ^aren oder wenn

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die kantonale Polizei im ausdrücklichen Auftrag des Bundesanwaltes gehandelt hat. Der Entwurf überbindet die Tragung solcher ausserordentlicher Kostendem Bunde.

' Über die Entschädigung an den Beschuldigten vgl. Art. 124.

Art. 109. Die Entscheidung über die Delegation der Untersuchung und Beurteilung von Bundesstrafsachen an die Kantone steht als staatsrechtlicher' Akt grundsätzlich dem Bundesrat zu, der diese Zuständigkeit gemäss Art. 23 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März.

1914 und Art. 12 Ziff. 9 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen miterstellten Amtsstellen zur selbständigenErledigung von Geschäften vom 17. November 1914 dem Justiz- und Polizeidepartement übertragen hat.

2. Voruntersuchung.

Die Reform der Voruntersuchung ist das Hauptziel der RevisionsvorlageHier haben die Revisionsbestrebungen sowohl im Bunde, in mehreren Kantonen und in ausländischen Staaten, als auch in der Wissenschaft eingesetzt..

In der Einleitung ist über die für den Bundesstrafprozess geltend gemachte» Reformwünsche berichtet worden.

Nach dem geltenden Recht gestaltet sich die Voruntersuchung wie* folgt: Der Untersuchungsrichter beginnt seine Tätigkeit auf Antrag des Bundesanwaltes (Art. 19 BStP). Bei politischen Vergehen tritt die Verfolgung nur auf Verfügung des Bundesrates ein (Art. 4, 14). Der Bundesanwalt nimmt von.

allen Untersuchungsakten Kenntnis und wohnt den Verrichtungen des. Untersuchungsrichters bei, so oft er es für nötig findet (Art. 22). Er richtet an den, Untersuchungsrichter und nötigenfalls an die Anklagekammer alle Requisitionen, die er für notwendig hält (Art. 21). Als Zweck der Voruntersuchung nennt; Art. 17: «o. Ausmittlung des Tatbestandes und des Täters bis zu einem solchen Grade von Wahrscheinlichkeit, dass gegen den Verdächtigen vor Gericht Anklage erhoben werden kann; b. vorläufige Sammlung der Beweismittel, soweit diese nötig ist, um dem Hauptverfahren seinen Fortgang als einer ununterbrochenen Handlung zu sichern.» Die Voruntersuchung ist zu schliessen, wenn dieser Zweck erreicht ist oder die Mittel, ihn zu erreichen, erschöpft sind (Art. 28)...

Die Untersuchung ist nicht öffentlich (Art. 18). Der Untersuchungsrichter ist mit der nötigen Gewalt ausgerüstet, um das Untersuchungsverfahren vorzunehmen
(Art. 23). Die Überwachung und Leitung wird von der Anklagekammer ausgeübt. Sie kann dem Untersuchungsrichter verbindliche Weisungen entweder auf Requisition des Bundesanwaltes oder auf Rekurs des Angeschuldigten oder von Amtes wegen erteilen (Art. 20).

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass der Beschuldigte, abgesehen vom Rekurs an die Anklagekanimer, keine Parteirechte hat und erst nach, Erhalt des Überweisungsbeschlusses und der Anklageschrift in die Lage kommt,.

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die Akten einzusehen und Verteidigungsrechte auszuüben. Der Beschuldigte kann seine Interessen während der Untersuchung nicht richtig wahren. Diese Vernachlässigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten hat mit Eecht der Kritik gerufen.

Der E n t w u r f ist bestrebt, die Stellung des Beschuldigten in der Voruntersuchung gemäss den Zielen des neuern Strafprozessrechtes zu verbessern.

Es kann sich aber bei unserer Reform nicht um eine völlige Umgestaltung des bisherigen Systems des Vorverfahrens, sondern nur um die Schaffung eines bessern Rechtsschutzes für den Beschuldigten durch Gewährung von Verteidigungsrechten und durch Aufstellen besonderer Schutzbestimmungen bei den Untersuchungsmassnahmen handeln. Es kann insbesondere keine Rede davon sein, die Voruntersuchung überhaupt zu beseitigen und die Ermittlung des Sachverhaltes völlig dem Staatsanwalt zu überlassen, was in der Wissenschaft vielfach befürwortet wird und im Zürcher Prozess sowie im deutschen und baselstädtischen Entwurfe ganz oder teilweise verwirklicht ist. Die Übertragung der Untersuchung an den Bundesanwalt ist schon deshalb nicht möglich, weil er neben seinen übrigen Aufgaben unmöglich alle Bundesstrafprozesse ·durchführen könnte und weil keine eidgenössischen Richter zur Stelle sind, die im Laufe des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens die sogenannten richterlichen Handlungen (Verhaftung, Haussuchung, Augenschein) vornehmen oder nachprüfen könnten. Die Überlassung des gesamten Ermittlungsverfahrens an den Bundesanwalt würde zudem ein enges Zusammenwirken mit der Kriminalpolizei voraussetzen; der Bund hat aber gar keine eigene Sicherheitspolizei.

Wird die Untersuchung durch den Untersuchungsrichter geführt, so kommt auch besser zum Ausdruck, dass der Bundesanwalt und der Beschuldigte sich als Parteien vor einem unparteiischen, vom Ankläger unabhängigen Untersuchungsorgan gegenüberstehen. Wir zweifelnüberhaupt daran, dass die Übertragung der Untersuchung an den Ankläger, unter Beseitigung des Untersuchungsrichters, der Auffassung unseres Volkes entspreche. Unsern Verhältnissen dient am besten eine durch den Untersuchungsrichter unter der Kontrolle des Bundesanwaltes und des Beschuldigten geführte Untersuchung. Es kann sich auch nicht darum handeln, in der Voruntersuchung einen reinen Parteienprozess einzuführen, da die
völlige Gleichstellung des Beschuldigten mit dem Ankläger dem Zusammenbruch aller Strafrechtspflege gleichkäme. Es genügt zur Wahrung der Interessen des Beschuldigten, wenn für ihn eine parteiähnliche Stellung geschaffen wird, die ihm und seinem Verteidiger ermöglicht, die Untersuchungsmassnahmen auf ihre Gesetzmässigkeit zu kontrollieren und seine Verteidigungsrechte geltend zu machen. Das Gesetz hat hier die schwierige Aufgabe zu lösen, zwischen dem allgemeinen Sicherheitsbedürfnis und den persönlichen Rechten des Beschuldigten einen Ausgleich zu schaffen.

Der Entwurf sieht folgende Erweiterung der Verteidigungsrechte in der Voruntersuchung vor: 1. das Recht des Beschuldigten, in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger zu bestellen (Art. 40) und mit ihm, auch während der Untersuchungshaft, mündlich und schriftlich zu verkehren (Art. 104, 119).

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2. Das Becht auf Akteneinsicht und auf Stellung von Beweisanträgen. Der Beschuldigte und der Verteidiger können die Untersuchungsakten jederzeit einsehen, soweit dies mit dem Zwecke der Voruntersuchung vereinbar ist.

Sie können jederzeit Untersuchungshandlungen beantragen. Sie haben das uneingeschränkte Eecht auf Akteneinsicht, sobald der Untersuchungsrichter den Zweck der Untersuchung als erreicht erachtet und den Parteien Frist zu Begehren auf Aktenergänzung setzt (Art. 117, 118, 122). 3. Die Parteien sind berechtigt, den Beweisaufnahmen beizuwohnen, die voraussichtlich in der Hauptverhandlung nicht vorgenommen werden können (Art. 120); beim Augenschein sind sie womöglich immer beizuziehen (Art. 89). Über die einzelnen Verteidigungsrechte wird, soweit sie nicht schon bei den allgemeinen Bestimmungen besprochen worden sind, bei den bezüglichen Artikeln näher berichtet werden, insbesondere auch über die mit Eücksicht auf den Untersuchungszweck nötig werdenden Einschränkungen. Von den Kautelen zugunsten des Beschuldigten seien hervorgehoben: Schonung der Eechte des Beschuldigten bei der Haussuchung und der Durchsuchung von Papieren, Beschränkung der Haftgründe und der Haftzeit, Eecht des Beschuldigten, bei der Einvernahme zu schweigen, Verbot des Geständniszwanges. Durch diese Gestaltung der Voruntersuchung wird erreicht, dass der Beschuldigte die Gesetzmässigkeit der Untersuchungshandlungen überwachen und in Kenntnis des Ergebnisses der Untersuchung vor deren Abschluss seine Entlastungsbeweise erbringen kann. Eine solche Mitwirkung des Beschuldigten liegt auch im Interesse der Strafrechtspflege selbst, weil dadurch das Misstrauen gegen das in grossier Heimlichkeit arbeitende Untersuchungsorgan, sowie Verdächtigungen gegen den Untersuchungsrichter in der Hauptverhandlung verschwinden werden und weil bei einer allseitigen Abklärung des Sachverhaltes schon in der Voruntersuchung die Hauptverhandlung überflüssig werden kann.

Zu einzelnen Bestimmungen ist zu bemerken: A r t. 110. Gemäss dem Anklageprinzip beantragt der B u n d e s a n w a l t die Voruntersuchung, Im Antrag ist die Person des Beschuldigten und seine Tat zu bezeichnen; es ist jedoch nicht erforderlich, den Antrag auf einen einzigen gesetzlichen Tatbestand zu beschränken. Die Untersuchung muss auch gegen unbekannte Täter beantragt werden
können, da bei schweren, weitverzweigten, namentlich komplottmässigen Verbrechen (z. B. Sprengstoffverbrechen), die sich über das Gebiet mehrerer Kantone erstrecken, die Ermittlung des Täters oft längere Zeit beansprucht und zweckmässiger der einheitlichen Leitung des eidgenössischen Untersuchungsrichters unterstellt wird, der in allen Kantonen selbständig Untersuchungshandlungen vornehmen kann. Untersuchungen gegen unbekannte Täterschaft wurden schon unter dem geltenden Eecht, das hierüber nichts vorschreibt, eingeleitet. Sie sind ausdrücklich zugelassen im bernischen Strafprozess (Art. 90).

A r t . 111. Die Mitteilung an die A n k l a g e k a m m e r i s t erforderlich, um sie in die Lage zu setzen, ihre Aufsichtstätigkeit auszuüben. Vgl. Art. 57.

Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. II.

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608

Art. 112. Die P r ü f u n g des U n t e r s u c h u n g s r i c h t e r s bezieht sich darauf, ob die Untersuchung gesetzlich zulässig sei, nicht darauf, ob der Beschuldigte der Tat verdächtig sei.

Der Entscheid über die Einleitung einer gerichtlichen Verfolgung wegen politischer Vergehen steht gemäss Art. 106 demBundesrat zu. Dieser Beschluss ist für den Untersuchungsrichter und die Anklagekammer verbindlich. Der Bundesrat hat gemäss Art. 102 Ziff. 8, 9 und 10 BV für die innere und äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu sorgen ; er hat die Übersicht über die dem Lande drohende Gefahr und trägt deshalb auch die Verantwortung für die Einleitung der Untersuchung.

Art. 114. Der Entwurf lässt eine Voruntersuchung gegen A b w e s e n d e grundsätzlich zu. Mit Zustimmung des Bundesanwaltes, der an der Portführung oder Einstellung ein Interesse hat, kann die Untersuchung eingestellt werden. Bei Meinungsverschiedenheit entscheidet die Anklagekammer. Vgl.

die grundsätzlichen Ausführungen über das Kontumazialverfahren bei Art. 150.

Art. 115 umschreibt den Zweck der Voruntersuchung. Der Untersuchungsrichter hat den Sachverhalt nur so weit festzustellen, dass der Bundesanwalt entscheiden kann, ob er nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet ist, den Beschuldigten anzuklagen, oder ob die Untersuchung einzustellen sei. Die Untersuchung soll nicht die Grundlage für das Urteil schaffen, da das Gericht im wesentlichen gestützt auf die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Beweise urteilt (Art. 171). Der Entwurf will damit den bloss vorbereitenden Charakter der Voruntersuchung wahren. Um eine ununterbrochene Durchführung der Hauptverhandlung zu ermöglichen, hat der Untersuchungsrichter im weitem die Beweismittel für die Hauptverhandlung zu sammeln und zu sichern, insbesondere auch die Beweise aufzunehmen, die vor dem Gericht nicht mehr aufgenommen werden können (Befund, Augenschein).

Mit Art. 117 beginnt die Umschreibung der dem Ankläger, dem Beschuldigten und seinem Verteidiger, sowie dem Geschädigten zustehenden besondern Parteirechte. Art. 117 betrifft das Eecht auf Stellung von Beweisanträgen. Nach dieser Bestimmung ist der Untersuchungsrichter verpflichtet, über diese Anträge zu entscheiden ; er darf nicht einfach stillschweigend über die Parteibegehren hinwegschreiten. Den Parteien steht gegen den
Entscheid die Beschwerde an die Anklagekammer zu.

Art. 118 regelt das mit dem Becht auf Stellung von Beweisanträgen in engem Zusammenhang stehende Eecht der Akteneinsicht. Der Entwurf erachtet die Aktenöffentlichkeit für die Durchführung der prozessualen Aufgaben des Beschuldigten und seines Verteidigers als notwendig. Da der Bundesanwalt darüber entscheidet, ob er gestützt auf das Untersuchungsergebnis Anklage erheben soll und jederzeit von der Verfolgung zurücktreten kann, so muss er vom Stande der Untersuchung Kenntnis nehmen können. Es liegt in der Natur der Sache begründet, dass dem Beschuldigten im Laufe der

609 Untersuchung die Einsichtnahme verweigert werden kann, wenn eine Gefährdung der Untersuchung zu befürchten ist. Es kann aus diesem Grunde sowohl die Einsicht in die gesamten Akten als auch in einzelne Aktenstücke versagt werden. Gegen die Verweigerung können der Beschuldigte und der Verteidiger bei der Anklagekammer Beschwerde führen. Pur die Wahrung der Interessen des Geschädigten erscheint eine unbegrenzte Einsichtnahme während der Untersuchung nicht als notwendig. Ein uneingeschränktes Eecht der Akteneinsicht steht dagegen allen Parteien beim Schluss der Untersuchung zu (Art. 122). Ein Verlust oder Missbrauch der Akten soll dadurch verhütet werden, dass dem Beschuldigten die Akteneinsicht nötigenfalls nur unter Aufsicht gewährt wird. Die erwähnte Einschränkung der Akten einsieht für den Beschuldigten und den Verteidiger mit Eücksicht auf den Untersuchungszweck findet sich in den meisten neuern kantonalen Strafprozessordnungen, die ein solches Parteirecht gewähren. § 17 der Zürcher Strafprozessordnung bestimmt: «Während der Untersuchung ist dem Verteidiger die Einsicht in die Akten insoweit zu gestatten, als dies ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes geschehen kann. Die Einsicht der Protokolle über das Verhör des Angeschuldigten, das Gutachten der Sachverständigen und der Protokolle über diejenigen Untersuchungshandlungen, denen der Verteidiger beizuwohnen befugt ist, darf ihm nicht verweigert werden. -- Nach durchgeführter Untersuchung ist der Verteidiger zu unbeschränkter Akteneinsicht befugt.» Der B er n er Prozess gewährt die Einsichtnahme wie auch die andern Parteirechte von dem Zeitpunkt ab, da der Untersuchungsrichter die wesentlichen Untersuchungshandlungen als vorgenommen erachtet. Sofern keine Beeinträchtigung der Untersuchung zu befürchten ist, kann der Untersuchungsrichter die Einsichtnahme schon früher gestatten (Art. 95, 96). Ebenso kann nach dem Freiburger Strafprozess (Art. 22 Ziff. 8) der Untersuchungsrichter dem Verteidiger die Einsichtnahme gestatten, sofern dies nach seinem Ermessen ohne Nachteil für die Untersuchung geschehen kann. Der Basler Entwurf gestattet die Einsicht in die Akten im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren erst nach der Ankündigung der Anklage und in der richterlichen Untersuchung vor dem Abschluss der Untersuchung; die Staatsanwaltschaft trifft
die erforderlichen Massnahmen zur Sicherung der Akten, die dem Angeschuldigten oder seinem Verteidiger zur Einsicht vorgelegt oder übergeben werden. Während des Ermittlungsverfahrens ist jedoch die Staatsanwaltschaft und während der richterlichen Untersuchung der Untersuchungsrichter befugt, Auskunft und Einsicht in die Akten zu gewähren, wenn hierfür besondere Umstände sprechen (§§ 110, 133, 144). Weiter geht einzig das G e n f e r Eecht, das dem Angeschuldigten uneingeschränkte Akteneinsicht gewährt, sobald er verhaftet ist (Art. 59). Nach dem f r a n z ö s i s c h e n Eecht sind die Akten dem Verteidiger vor jeder Einvernahme des Beschuldigten zur Verfügung zu stellen (Art. 10 der Strafprozessnovelle vom 8. Dezember 1897).

In Art. 119 wird der freie Verkehr des Beschuldigten mit dem Verteidiger geregelt. Der freie mündliche und schriftliche Verkehr zwischen dem

610 verhafteten Beschuldigten und dem Verteidiger ist grundsätzlich zugelassen.

Der Entwurf vertritt die Auffassung, dass ein solcher Verkehr zu einer wirksamen Verteidigung erforderlich ist und deshalb auch im Interesse der Eechtspflege liegt. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung (durch Anordnung von Kontrollmassregeln) ist nur als Ausnahme und auf bestimmte Zeit statthaft, wenn es der Zweck der Untersuchung unbedingt erfordert. Gegen die Verweigerung des Verkehrs kann bei der Anklagekammer Beschwerde geführt werden. Einschränkungen sind auch in den neuern Strafprozessgesetzen der Kantone vorgesehen. Nach dem Berner Eecht ist der freie Verkehr erst nach Vornahme der wesentlichen Untersuchungshandlungen gestattet. Sofern keine Beeinträchtigung der Untersuchung zu befürchten ist, kann der Untersuchungsrichter den Verkehr mit dem Verteidiger ausnahmsweise unter den von ihm festzusetzenden Bedingungen auch früher gestatten. Er ist berechtigt, den Verkehr einzuschränken oder aufzuheben, wenn diese Bestimmungen missbraucht, z.B. Kollusionen hervorgerufen, Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht oder unbefugt mitgeteilt, die Untersuchung nachteilig beeinflusst oder Beweismittel zerstört oder beseitigt werden (Art. 95, 97, 99). Das Zürcher Eecht gestattet dem verhafteten Angeschuldigten den schriftlichen und mündlichen Verkehr mit dem Verteidiger. Sobald die Untersuchungshaft über 14 Tage gedauert hat, soll dem Angeschuldigten der freieVerkehr ohne besondere Gründe nicht verweigert werden. Nach Abschluss der Untersuchung steht dem Angeschuldigten dieses Eecht unbeschränkt zu (§ 18). Nach dem Basler Entwurf ist im Ermittlungsverfahren des Staatsanwaltes der unbeschränkte Verkehr erst von der Ankündigung der Anklage an gestattet. Bei der richterlichen Untersuchung ist der Verkehr gestattet, auch wenn keine Parteienöffentlichkeit besteht; immerhin hat der Untersuchungsrichter das Eecht, die Korrespondenz zu überwachen und den Unterredungen beizuwohnen, sofern die Haft wegen Kollusionsgefahr angeordnet worden ist (§§ 132, 143). Die Strafprozessordnung des Kantons Genf lässt einen Ausschluss oder eine Beschränkung des unbeaufsichtigten Verkehrs nur auf acht Tage zu.

Art. 120 bezieht sich auf die Teilnahme der Parteien an der Beweisaufnahme. Die Teilnahme des Verteidigers an der Einvernahme des Beschuldigten
und die Beiziehung der Parteien und des Verteidigers zu den Beweisaufnahmen in der Voruntersuchung (die sogenannte Parteienöffentlichkeit) bildet ein wichtiges Postulat in der Beformbewegung. Die Parteienöffentlichkeit wird in der Literatur von vielen Seiten befürwortet. Die Gesetzgebung verhält sich eher zurückhaltend. Am weitesten geht auch hier die Genfer Strafprozessordnung. Sie sieht eine kontradiktorische Voruntersuchung vor, die auf Antrag des Generalprokurators oder des Beschuldigten angeordnet werden kann. Die Partei, die mit der Zulassung der Parteienöffentlichkeit nicht einverstanden ist, kann an die Anklagekammer rekurrieren. Der Staatsanwalt, der Beschuldigte und sein Verteidiger, sowie der Geschädigte dürfen allen Untersuchungshandlungen beiwohnen, mit dem Eecht, an die Zeugen Fragen zu stellen und Beweismassnahmen zu beantragen. Der Untersuchungs-

611 richter ist befugt, die Parteienöffentlichkeit aufzuheben, wenn es die Wichtigkeit des Falles verlangt (Art. 65 f.). Der Grundsatz der Parteienöffentlichkeit wurde schon im Jahre 1869 in die Staatsverfassung des Kantons Zürich aufgenommen. Die Strafprozessordnung führt ihn wie folgt aus: Dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger ist Gelegenheit zu geben, den Einvernahmen von Zeugen und Sachverständigen vor dem Untersuchungsbeamten beizuwohnen und Fragen zu stellen. War die rechtzeitige Benachrichtigung des Angeschuldigten und seines Verteidigers ohne Verzögerung des Verfahrens oder aus einem andern Grunde nicht möglich, so ist dies im Protokoll vorzumerken. Dem Angeschuldigten ist bei nächster Gelegenheit das Protokoll zu verlesen, mit der Anfrage, ob er die Wiederholung der Einvernahmen verlange oder andere Begehren zu stellen habe. Die Nichtbeobachtung dieser Vorschrift macht die Einvernahmen, soweit sie den Beschuldigten belasten, nichtig. Der 'Untersuchungsbeamte kann dem Verteidiger gestatten, den Einvernahmen des Angeschuldigten beizuwohnen (§§ 14, 15, 17). Nach der aargauischen Strafprozessordnung von 1858 steht es dem Untersuchungsrichter frei, den Angeschuldigten und einen allfällig Beteiligten der Zeugeneinvernahme beiwohnen zu lassen; der «Sachwalter» des Angeschuldigten darf von den 'Untersuchungshandlungen niemals ausgeschlossen werden (§§ 283, 129). Nach dem W a a d t länder Kecht ist der Verteidiger zu den Einvernahmen des Zeugen und des Angeschuldigten zuzulassen, sobald der Staatsanwalt daran teilnimmt. Im übrigen ist, wie im Tessiner Eecht, die Teilnahme des Verteidigers auf Augenschein und Haussuchung beschränkt. Nach dem Neuenburger Strafprozess kann der Untersuchungsrichter nach seinem Ermessen die Untersuchung geheim oder öffentlich führen. Die Möglichkeit einer öffentlichen Untersuchung scheint bis jetzt toter Buchstabe gebheben zu sein. Der B er n er Prozess gestattet den Parteien und ihren Anwälten, der Abhörung von Zeugen und Sachverständigen und dem Augenschein, die voraussichtlich in der Hauptverhandlung nicht wiederholt werden, beizuwohnen und Erläuterungsfragen zu stellen (Art. 98).

Die Erläuterungen lehnen eine weitergehende Teilnahme der Parteien an der Sammlung des Prozessstoffes mit folgender Begründung ab: «Für die Voruntersuchung ist im wesentlichen am
Untersuchungs- (oder Inquisitions-) prinzip festgehalten, da mit Eücksicht auf die Organisation der Staatsanwaltschaft sich schon in diesem Stadium ein kontradiktorisches Verfahren nicht durchführen lässt.» (S. 5.) Der Basler Entwurf gestattete in seiner ersten Fassung dem Angeschuldigten die Teilnahme an Augenscheinen oder Zeugenvernehmungen, die voraussichtlich in der Hauptverhandlung nicht wiederholt werden können.

Die Beiziehung zur Beweisaufnahme kann unterbleiben, wenn der Verdacht besteht, dass er sein Becht missbrauchen könnte oder wenn die Beiziehung die öffentliche Ordnung gefährdet; in diesem Falle ist dem Angeschuldigten Gelegenheit zu geben, die Zeugenfragen zu Protokoll zu geben und Anträge in bezug auf Augenscheine zu stellen (§ 114). Der Eatschlag des Eegierungsrates bemerkt hierzu: «Freilich erscheint es nicht möglich, den Angeschuldigten im Vorverfahren zur Teilnahme an allen Beweisaufnahmen zuzulassen. Dadurch

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würde das Anklageinteresse in manchen Fällen auf das Empfindlichste geschädigt. Der Anspruch auf eine derartige Beteiligung darf verweigert werden, sobald dem Angeschuldigten die Möglichkeit gewährt wird, vor dem Entscheide über die Überweisung seine Einwendungen gegen die Untersuchungsergebnisse vorzubringen...» (S. 28/29). Nach der Passung der Grossratskommission ist für die richterliche Untersuchung die Parteienöffentlichkeit in folgender Form vorgesehen: Der Untersuchungsrichter hat auf Antrag einer Partei sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Angeschuldigten die Anwesenheit bei den Beweiserhebungen zu gestatten. Er kann die Parteienöffentlichkeit ausschliessen, sofern und solange sie für das Verfahren von erheblichem Nachteil wäre oder zur Störung der öffentlichen Ordnung führen könnte (§ 142). Die Anwesenheit des Verteidigers und des Staatsanwaltes bei den Einvernahmen des Angeschuldigten durch den Untersuchungsrichter ist, soweit damit nicht eine Konfrontation mit Zeugen oder Sachverständigen oder die Vornahme eines Augenscheins verbunden wird, ausgeschlossen (§ 143). In den übrigen Strafprozessrechten der Kantone ist ein Teilnahmerecht der Parteien nicht vorgesehen. Nach Art. 115 der M i l i t ä r s t r a f g e r i c h t s o r d n u n g kann der Beschuldigte zu der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen und zur Vornahme des Augenscheins beigezogen werden, sofern dies zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich erscheint. -- Nach der f r a n z ö s i s c h e n Strafprozessnovelle vom 8. Dezember 1897 darf der Beschuldigte nur in Anwesenheit des Verteidigers einvernommen werden, sofern er nicht selbst darauf verzichtet; der Verteidiger ist im übrigen noch zu den Konfrontationen beizuziehen. Im deutschen Entwurf von 1908 war die Parteienöffentlichkeit in folgender Weise anerkannt: Bei der Vernehmung des Beschuldigten kann der Bichter dem Verteidiger die Anwesenheit gestatten; in diesem Falle ist auch der Staatsanwalt zur Teilnahme berechtigt. Bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen hat der Bichter dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit zu gestatten, soweit nicht eine Gefährdung des Untersuchungszweckes zu befurchten ist. Wird ihnen die Anwesenheit versagt, so ist auch die Staatsanwaltschaft zur Anwesenheit nicht berechtigt. Bei der Vernehmung von Zeugen oder
Sachverständigen, deren Erscheinen in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht möglich oder besonders erschwert sein wird, darf dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit nicht versagt werden.

Der Beschuldigte kann stets von der Anwesenheit bei der Vernehmung eines Zeugen ausgeschlossen werden, wenn zu befürchten ist, dass in seiner Gegenwart der Zeuge die Wahrheit nicht sagen werde. Die Prozessbeteiligten dürfen dem Zeugen oder Sachverständigen Fragen vorlegen lassen, soweit diese nach dem Ermessen des Eichters zur Aufklärung der Sache dienlich sind (§§ 167, 168).

Der Entwurf von 1920 regelt das Teilnahmerecht des Beschuldigten in ähnlicher Weise (§ 28), gibt aber dem Verteidiger ein weitergehendes Eecht: er darf von Vernehmungen nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil zu befürchten ist, dass der zu Vernehmende in seiner Gegenwart nicht aussagen werde. Die Anwesenheit bei Vernehmungen zur Sicherung der Beweise und bei Vernehmungen

613 des Beschuldigten darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden (§ 171).

Die Frage, ob und in welchem Umfange die Parteienöffentlichkeit in unsern E n t w u r f aufgenommen werden könne, ist eingehend geprüft worden.

Der Vorentwurf von Prof. Stooss schlug im Anschluss an das Genfer Eecht folgende Bestimmungen vor: «Art. 167. Die Parteien sind berechtigt, den Beweisaufnahmen beizuwohnen, die in der Hauptverhandlung nicht vorgenommen werden können, namentlich dem Augenschein des Untersuchungsrichters und der Untersuchung durch Sachverständige, doch darf die Untersuchung dadurch nicht verzögert werden. Art. 168. Beantragen die Parteien gemeinsam, zu der Einvernahme der Zeugen und des Beschuldigten beigezogen zu werden, so ordnet es der Biohter an. Widersetzt sich eine Partei dem Antrag der andern, so entscheidet der Untersuchungsrichter mit Rücksicht auf den Zweck der Voruntersuchung. Werden die Parteien zur Einvernahme beigezogen, so haben sie das Becht, an die Personen, die einvernommen werden, Fragen zu stellen.» In der Expertenkommission wurde beantragt, die Parteienöffentlichkeit in folgender Form in den Entwurf aufzunehmen: «Der Untersuchungsrichter kann dem Bundesanwalt, dem Verteidiger und dem Geschädigten gestatten, der Vernehmung des Beschuldigten beizuwohnen.

Werden die Parteien eingeladen, der Vernehmung beizuwohnen, so haben sie das Eecht, an die Personen, die einvernommen werden, Fragen zu stellen.

Die Parteien und der Verteidiger sind berechtigt, der Beweisaufnahme beizuwohnen, sofern damit die Untersuchung nicht beeinträchtigt wird.» Dieser Antrag ist mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt worden.

Wir verkennen die Vorteile, die die Parteienöffentlichkeit bietet, durchaus nicht. Es ist namentlich nicht zu bestreiten, dass durch die Mitwirkung an der Beweissammlung der Sachverhalt oftmals rasch abgeklärt werden kann.

Wir halten aber dafür, dass eine derartige Umgestaltung wegen unserer Gerichtsorganisation schwere Nachteile für die Wahrheitsermittlung nach sich ziehen wird. Ein Prozesssystem, das in einem kleinen Städtekanton, wo Verteidiger, Untersuchungsrichter, Eekursbehörde, Zeugen, Sachverständige und Beschuldigte in nächster Nähe wohnen, oder in einem Staate mit einer festen Organisation der Strafjustizbehörden, Vorteile bietet, kann nicht ohne weiteres auf
den Bundesstrafprozess übertragen werden. Es muss, wie schon früher hervorgehoben, berücksichtigt werden, dass der eidgenössische Untersuchungsrichter kein ständiger Bundesbeamter ist, dass die Mitglieder der Anklagekammer ihre strafrechtlichen Aufgaben nur im Nebenamt ausüben und dass die Anklagekammer, sowie der Bundesanwalt für Untersuchungen aus dem ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft zuständig sind. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Bewegungsfreiheit des Untersuchungsrichters zum Nachteil der Untersuchung in hohem Masse eingeschränkt würde, wenn er sich vor der Anordnung von Beweisaufnahmen mit den weit auseinander wohnenden Parteien verständigen müsste. Ebenso steht fest, dass die Weiterziehung von Verfügungen

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des Untersuchungsrichters über die Zulassung oder gegen die Ausschliessung der Parteienöffentlichkeit an die Anklagekammer in Lausanne sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde, was die Wahrheitsermittlung, insbesondere zu Beginn der Untersuchung, erheblich erschweren muss. Nach unserm Dafürhalten wird bei der kontradiktorischen Voruntersuchung das Schwergewicht des Verfahrens auf das Vorverfahren verlegt, während hier bloss die Beweise gesammelt und gesichert, in der Hauptverhandlung dagegen ihre Erheblichkeit erörtert werden sollte. Die Einführung der Parteienöffentlichkeit würde zu einer Eechtsungleichheit führen, da die weniger bemittelten Beschuldigten ausserstande sind, sich bei allen Beweismassnahmen durch einen Verteidiger verbeiständen zu lassen. Die Erfahrungen in Genf und Zürich sind nicht derart, dass sie die Übernahme ihres Prozesssystems durch den Bund als unbedingte Notwendigkeit erscheinen lassen würden. Es ist auffallend, dass nur in wenigen Fällen vom Parteirecht der Teilnahme an den Beweisaufnahmen und der Vernehmung des Beschuldigten Gebrauch gemacht wird. Die Teilnahme der Verteidiger hat nach der Wahrnehmung von Untersuchungsorganen nicht immer zu einer Förderung, sondern zu einer Verlangsamung und Störung der Untersuchung geführt. Andere Untersuchungsbeamte erachten die Mitwirkung bei der ersten Einvernahme des Beschuldigten als nachteilig. Wir können aus diesen und andern Erwägungen die Verantwortung für die der Untersuchung nachteiligen Folgen, die sich aus der Einführung der Parteienöffentlichkeit in den Bundesstrafprozess ergeben müssten, nicht übernehmen. Nach unserm Dafürhalten genügt es zur wirksamen Wahrung der Parteiinteressen des Beschuldigten, wenn ihm und dem Verteidiger so früh wie möglich die Akteneinsicht und das Kecht auf Stellung von Beweisanträgen gegeben und der freie Verkehr zwischen dem verhafteten Beschuldigten und dem Verteidiger gewährt wird. Auf eine aktive Mitwirkung der Parteien bei der Sammlung des Prozessstoffes darf um so mehr verzichtet werden, als das urteilende Gericht grundsätzlich den Entscheid nur auf Vorgänge abstellen soll, die sich in der Hauptverhandlung abgespielt haben (Mündlichkeitsprinzip). Die Teilnahme der Parteien wird deshalb auf die Beweisaufnahmen beschränkt, die in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht vorgenommen werden
können (Augenschein, Befund, Einvernahme von Zeugen, die voraussichtlich vor dem urteilenden Gerichte nicht erscheinen können). Da diese Beweismassnahmen einen vorausgenommenen Teil der Hauptverhandlung bilden, stehen der Anwesenheit der Parteien keine Bedenken entgegen.

Art. 121 und 123. Es entspricht dem Anklage verfahren, dass der Ankläger von der Verfolgung zurücktreten kann, wenn er sich im Laufe oder nach Schluss der Untersuchung von der Unbegründetheit der Anklage überzeugt hat. In diesem Fall hat der Untersuchungsrichter die Untersuchung ohne weiteres einzustellen.

Art. 122. Über das in dieser Bestimmung enthaltene Eecht der Parteien auf uneingeschränkte Akteneinsicht ist schon bei Art. 118 gesprochen

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worden. Der Untersuchungsrichter ist verpflichtet, den Parteien Gelegenheit zur Stellung von Aktenergänzungsanträgen zu geben und über diese Anträge zu entscheiden. Bei dieser Möglichkeit, an der Beweissammlung mitzuwirken, wird vermieden, dass der Beschuldigte in der Hauptverhandlung mit einem ihm bisher vorenthaltenen Aktenmaterial überrascht wird.

Art. 124 ordnet die E n t s c h ä d i g u n g an den Beschuldigten im Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren. Art.39 BStP bestimmt lediglich: «Die Anklagekammer erkennt ebenfalls über eine allfällige, dem freigelassenen Angeschuldigten gebührende Entschädigung.» Der Entwurf bestimmt die Anklagekammer als entscheidende Behörde sowohl im Untersuchungs- als im Ermittlungsverfahren. Eine Entschädigung kann nicht nur für unschuldig erlittene Haft, sondern auch für andere Nachteile, die der Beschuldigte durch das Verfahren erlitten hat, ausgesprochen werden, z. B. für Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Nachteile durch Beschlagnahmungen und Hausdurchsuchungen, erhebliche Verteidigungskosten. Der Entwurf gibt dem unschuldigen Beschuldigten nicht einen Rechtsanspruch auf Entschädigung, sondern gewährt die Entschädigung für den erlittenen Schaden aus Gründen der Billigkeit. Es ist deshalb im einzelnen Falle zu prüfen, ob nach den Verumständungen Billigkeitsgründe für die Ausrichtung einer Entschädigung sprechen. Vgl. auch Art. 202 bern. StV, § 43 zürch. StPO, § 81 des Basler Entwurfes, Art. 122 Abs. 3 Militärstrafgerichtsordnung. Für die Entschädigung im Hauptverfahren vgl. Art. 180.

Art. 125 regelt die K o s t e n f r a g e im Untersuchungsverfahren. In Übereinstimmung mit den meisten Strafprozessgesetzen der Kantone (vgl. § 42 zürch. StPO, Art. 200 bern. StV, § 129 des Basler Entwurfes) können die Untersuchungskosten ganz oder teilweise dem Beschuldigten auferlegt werden, wenn der Beschuldigte die Verdachtsgründe schuldhaft erregt oder die Untersuchung durch sein Verschulden erschwert hat. Art. 121 BStP kennt eine Kostenauflage an den Angeschuldigten nur im Hauptverfahren, was in der Praxis oftmals als Lücke empfunden worden ist.

In Art. 127 ist die Einsichtnahme in die Akten einer eingestellten Untersuchung gemäss der Praxis der Anklagekammer geregelt worden. Vgl. auch BGE 53, I, 20 f.

3. Die Versetzung des Beschuldigten in den Anklagezustand.
Nach dem geltenden Eecht gestaltet sich das Überweisungsverfahren wie folgt: Sind der Untersuchungsrichter und der Bundesanwalt der Ansicht, dass die Sache auf sich beruhen bleiben soll, so kann die Verfolgung sofort aufgegeben werden; bei politischen Vergehen ist die Weisung des Bundesrates einzuholen (Art. 29 BStP). Bei Meinungsverschiedenheit zwischen dem Untersuchungsrichter und dem Bundesanwalt und in den Fällen, wo die beiden Beamten übereinstimmend Überweisung beantragen, hat die Anklagekammer zu entscheiden, ob eine Anklage stattzufinden habe. Der Bundesanwalt sendet die Akten, die ihm der Untersuchungsrichter mit einem Gutachten zugestellt hat,

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mit einem schriftlichen, motivierten Antrag dem Präsidenten der Anklagekammer. Die Anklagekammer hat namentlich die Frage der Zuständigkeit und des objektiven Tatbestandes zu untersuchen (Art. 30 und 81). Im Falle der Überweisung hat der Bundesanwalt die Anklageschrift und den Überweisungsbeschluss dem Beschuldigten zu eröffnen (Art. 37 BStP, 127 OG).

Dieses System erwies sich als schwerfällig. Es hat namentlich den Nachteil, dass der Beschuldigte keine Gelegenheit hat, sich zur Überweisung zu äussern, sondern erst nach dem Beschluss der Anklagekammer hiervon Kenntnis erhält.

Der Entwurf bringt manche Verbesserungen. Der Bundesanwalt als öffentlicher Ankläger hat gemäss dem Legalitätsprinzip Anklage zu erheben, wenn er die Verdachtsgründe als hinreichend erachtet (Art. 128). Vgl. Art. 122 MStGO. Für diese Entscheidung des Anklägers ist der Schlussbericht des Untersuchungsrichters von Bedeutung. Die Anklageschrift des Bundesanwaltes ist auch dem Angeklagten zuzustellen, der in der Frist von fünf Tagen bei der Anklagekammer eine Verteidigungsschrift einreichen und zu diesem Zwecke die Akten einsehen und eine Fristverlängerung verlangen kann (Art. 130).

Eine mündliche Verhandlung vor der Anklagekammer konnte nicht eingeführt werden, weil für das ganze Gebiet der Schweiz nur eine Anklagekammer besteht und das Erscheinen vor dieser Behörde für die Angeklagten, die nicht in deren Nähe wohnen oder in Haft sitzen, mit Schwierigkeiten verbunden ist, und weil eine mündliche Verhandlung der Überweisung zu grosses Gewicht verleihen würde und dem Angeklagten auch Nachteile bringen könnte. Die Anklagekammer hat in allen Fällen, wo der Bundesanwalt Anklage erhebt, über die Zulassung dieser Anklage zu entscheiden. Die Vorentwürfe von Prof. Stooss und des Justiz- und Polizeidepartementes hatten dagegen das sogenannte Einspruchsverfahren vorgesehen, wie es im tessinischen und österreichischen Prozess sowie im Basler Entwurf besteht. Nach diesem System hat die Anklagekammer nur auf Einspruch des Angeklagten über die Anklage zu entscheiden.

Das Einspruchsverfahren, das geeignet ist, in vielen Fällen das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, wurde deshalb nicht in den vorliegenden Entwurf aufgenommen, weil es mit Eücksicht auf die geringe Zahl der vor die Bundesassisen und das Bundesstrafgericht gelangenden
Strafsachen nicht angängig erscheint, zwei verschiedene Arten von Anklagen zu schaffen. Die Geschwornen könnten auch geneigt sein, einer Anklage, die von der Anklagekammer unter Abweisung des Einspruchs begründet erklärt worden ist, mehr Gewicht beizulegen, als einer Anklage des Bundesanwaltes. Das Einspruchsverfahren kann dem Angeklagten insofern Nachteil bringen, als für ihn die Frage, ob er Einspruch erheben soll oder nicht, oft schwer zu entscheiden ist und die Unterlassung des Einspruchs unter Umständen als Schuldpräsumtion ausgelegt werden kann.

Zu einzelnen Bestimmungen ist zu bemerken: Nach Art. 129 soll die Anklageschrift möglichst kurz gehalten werden und sich auf die Angaben beschränken, die zur deutlichen Bezeichnung des

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Angeklagten und der ihm zur Last gelegten Tat nach ihren tatsächlichen und rechtlichen Merkmalen notwendig sind. Ausserdem hat sie das zuständige Gericht und die Belastungs- und Entlastungsbeweise zu bezeichnen, die nach der Auffassung des Anklägers zur Durchführung der Hauptverhandlung erfordern ch sind. " Es steht dem Ankläger frei, bei einem umfangreichen Prozesse die Beweismittel in einem besondern Verzeichnis anzuführen.

Art. 131 umschreibt die Aufgabe der Anklagekammer. Sie hat sowohl die Hinlänglichkeit des Beweises, als auch die in Absatz 2 und 3 besonders angeführten Eechtsfragen zu prüfen.

Nach Art. 135 fasst die Anklagekammer nicht einen eigentlichen Überweisurjgsbeschluss, sondern beschliesst lediglich die Zulassung der Anklage.

Der Bundesanwalt hat entsprechend dem Anklageprinzip seine eigene Anklage zu vertreten. Der Anklagekammer kommt das Kontrollrecht zu.

4. Vorbereitung der Hauptverhandlung.

a. Die gemeinsamen Bestimmungen beziehen sich auf die Bezeichnung des Präsidenten des Bundesstrafgerichts, der Kriminalkammer oder der Bundesassisen (Art. 137), die Bestellung eines Verteidigers (Art. 138), die Beweiseingaben (Art. 139), die Beweisverfügung des Präsidenten (Art. 140), die Beweisaufnahme vor der Hauptverhandlung (Art. 141), den Umlauf der Akten, die Ansetzung der Hauptverhandlung und die Ladungen (Art. 142), sowie auf die gesonderte Verhandlung gegen einzelne Teilnehmer am Vergehen (Art. 143).

Hier sind die bisher in den Art. 127--132 OG und Art. 49--51 BStP enthaltenen Vorschriften vereinigt und verbessert worden.

Neu ist die B e weis auf nähme vor der Hau p t V e r h a n d l u n g (Art. 141).

Sie ist in Ausnahmefällen zulässig, nämlich 1. in den Fällen, wo die sofortige Beweiserhebung zur Sicherung des Beweises notwendig ist (Krankheit von Zeugen oder Sachverständigen; bevorstehende Abreise ins Ausland; wenn sich die Spuren des Verbrechens bis zur Hauptverhandlung verlieren), 2. in Fällen, wo es im Interesse der ununterbrochenen Durchführung der Hauptverhandlung zweckmässig erscheint. Die antizipierte Beweisaufnahme kann durch den Präsidenten oder das Gericht, auf Antrag der Parteien oder von Amtes wegen angeordnet werden. Sie wird entweder durch das gesamte Gericht oder ein abgeordnetes Mitglied des Gerichts oder durch einen beauftragten Richter (kantonaler Richter,
eidgenössischer oder kantonaler Untersuchungsrichter) vorgenommen.

Die gesonderte Verhandlung gegen einzelne Teilnehmer am Vergehen (Art. 143) ist in solchen Fällen zweckmässig, wo die Vereinigung konnexer Strafsachen für einzelne Angeschuldigte nachteilig sein kann, z. B. bei der Einbeziehung von Angeschuldigten mit untergeordneter Bedeutung (Begünstiger, Gehilfen) in eine mehrere Tage dauernde und teure Verhandlung.

fe. Unter den besondern Bestimmungen für das Verfahren vor den Bundesassisen (Art. 144--147) sind zunächst die bisher in Art. 115--118 OG

618 enthaltenen Vorschriften über die Bildung der engern Geschwornenliste und der Liste der einzuberufenden Geschwornen mit einigen Abänderungen aufgenommen worden. Da die Geschwornen hauptsächlich politische Verbrechen zu beurteilen haben, rechtfertigt es sich, das freie Verwerfungsrecht der Parteien beizubehalten, zumal dadurch ein Bekusationsverfahren gemäss Art. 28 und 29 OG in der Eegel vermieden wird. Für die engere Geschwornenliste genügen 40 statt 56 Geschworne (Art. 144). Die Zahl der Geschwornen, die ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden können, wird für jede Partei von 20 auf 10 herabgesetzt.

Neu ist die in Art. 147 aufgenommene Beurteilung des geständigen Angeklagten durch die K r i m i n a l k a m m e r ohne Zuziehung der Geschwornen.

Dieses im Interesse des Angeklagten und der Eechtspflege liegende Verfahren besteht in verschiedenen Kantonen (Art. 198 des bernischen Strafverfahrens, § 202 der zürcherischen Strafprozessordnung) und hat sich in jeder Beziehung' bewährt. Art. 112 B V steht dieser Eegelung nicht entgegen, weil die Zuständigkeit der Assisen zum Schutze des Angeklagten geschaffen worden ist, und weil es im Ermessen des Angeklagten steht, auf die Beiziehung der Geschwornen zu verzichten. Als weitere Sicherheit für den Angeklagten besteht die Vorschrift, dass die Kriminalkammer entscheiden soll, ob sie nach der Art des Geständnisses die Beurteilung übernehmen kann, sowie die Möglichkeit des Eückzuges des Geständnisses, mit der Folge, dass alsdann die Geschwornen zu urteilen haben. Als wesentliche Tatsachen gelten alle Momente, die zum Wesen des eingeklagten Vergehens gehören, gleichgültig, ob es sich um Vorgänge in der Aussenwelt oder um innere, nicht wahrnehmbare Vorgänge handelt (vgl. Sträuli, Komm. z. zürch. StPO, S. 118).

·5. Die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht.

Im geltenden Eecht ist die Hauptverhandlung vor den Assisen im Bundesstrafprozess und diejenige vor dem Bundesstrafgericht im Organisationsgesetz geregelt. Das Organisationsgesetz enthält mehrere Verweisungen auf den Bundesstrafprozess (Art. 133, 139, 140, 141, 144). Wie schon in der Einleitung bemerkt, sind durch dieses Nebeneinanderbestehen zweier Prozessgesetze Unklarheiten entstanden. Das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht ist etwas summarisch geregelt. Es fehlen z. B. Vorschriften über
Vorfragen, die ununterbrochene Anwesenheit von Eichtern und Parteien, Unterbrechung der Verhandlung, die Zulässigkeit von Eeplik und Duplik etc.).

Der Entwurf stellt in diesem Abschnitte zunächst Bestimmungen über die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht auf und bringt im folgenden Abschnitt die besondern Vorschriften für das Assisenverfahren. Soweit diese besondern Vorschriften nichts anderes bestimmen, gelten die Bestimmungen über die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht auch für das Verfahren vor den Bundesassisen (Art. 186). Der Entwurf ordnet den Gang der Verhandlung vor dem urteilenden Gericht in 'eingehender Weise. Das Verfahren ist, wie schon bisher, auf dem Anklageprinzip und dem Grundsatz

619

der Mündlichkeit aufgebaut. Dieser Grundsatz ist im Entwurf konsequenter durchgeführt (ununterbrochene Anwesenheit der Eichter und Parteien, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). In dieser Botschaft kann nur zu den wichtigsten Neuerungen des Entwurfes Stellung genommen werden. Manche dieser Neuerungen, insbesondere die Schutzbestimmungen für den Angeklagten, sind schon jetzt in der Praxis des Bundesstrafgerichts beobachtet worden (vgl. A. Stooss, Das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 30, 41 f.).

Bei Ar 1.149 ist die Befreiung von der Erscheinungspflicht des Angeklagten als Ausnahme hervorzuheben.

Art. 150 regelt das V e r f a h r e n gegen Abwesende. Das Kontumazialverfahren ist im g e l t e n d e n Eecht wie folgt geordnet: Das Gericht urteilt auf Grund der Untersuchungsakten, Parteivorträge werden nicht zugelassen.

Es darf nur ein verurteilendes Erkenntnis gegen den Abwesenden ausgesprochen werden. Das Verfahren muss verschoben werden, wenn das Gericht die Gründe für die Verurteilung nicht als genügend erachtet. Wird der Verurteilte ergriffen oder stellt er sich freiwillig, so soll auf sein Verlangen das Kontumazialurteil aufgehoben und das gewöhnliche Verfahren gegen ihn eingeleitet werden (Art. 130 f. BStP, 140 OG). -- Die neuern Strafprozessgesetze schränken die Zulässigkeit des Verfahrens gegen Abwesende ein, sei es, dass sie es nur für einfache Fälle zulassen, sei es, dass sie die Wiedereinsetzung in weitem Masse vorsehen oder die Vertretung der Abwesenden durch den Verteidiger anerkennen. Sie gehen davon aus, dass ein auf dem Anklage- und Mündlichkeitsprinzip beruhendes Strafverfahren die Gegenwart des Angeklagten in der Hauptverhandlung erfordere. Der Entwurf hat das Kontumazialverfahren grundsätzlich beibehalten, dem Gericht aber die Vertagung anheimgestellt, wenn es das persönliche Erscheinen als notwendig erachtet. Er ist im weitern den Wünschen der Keform insofern entgegengekommen, als er im Kontumazialverfahren den Verteidiger zulässt und die Wiedereinsetzung ohne Einschränkung anerkennt.

In Art. 156 ist das Verlesen der Anklageschrift beibehalten. Eine Beeinflussung von Eichtern und Geschwornen zum Nachteil des Angeklagten ist ernstlich nicht zu befürchten. Auf die Anklageschrift als die prozessuale Grundlage des Verfahrens, muss immer
zurückgegriffen werden, wenn darüber gestritten wird, was Gegenstand der Anklage sei.

Art. 157 befasst sich mit den Prozessvoraussetzungen, den Vor- und Zwischenfragen. Es ist den Parteien zu Beginn der Verhandlung Gelegenheit zur Stellung von Vorfragen zu geben. Ob das Gericht diese Vorfragen, insbesondere die Prozessvoraussetzungen auch von Amtes wegen zu prüfen hat, sagt diese Vorschrift nicht ausdrücklich. Dies hängt von der Natur der Prozessvoraussetzung, der Mängel und der Hindernisse des Verfahrens ab. So sind die sachliche Zuständigkeit, Ausschliessungs- und bestimmte Ablehnungsgründe (vgl. Art. 29 OG), besondere Prozessvoraussetzungen, wie Antrag, Ermächti-

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gung, Vorentscheid von Behörden (vgl. Art. 41 des Verantwortlichkeitsgesetzes), die Verjährung der Strafverfolgung und das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in der nämlichen Strafsache auch von Amtes wegen zu prüfen.

Mängel und Hindernisse des Verfahrens, die erst während des Verfahrens auftreten, sind als Zwischenfragen geltend zu machen. Die Einrede der beurteilten Sache und die Verjährung, deren Voraussetzungen mitunter erst nach der Beweisaufnahme feststehen, können als besondere Zwischenfragen oder mit der Hauptsache selbst geltend gemacht werden. Je nach der Natur der Vorfrage kann sie durch eine einfache Prozessverfügung oder durch Einstellung (Art. 170) oder Freisprechung erledigt werden. Die Beweisergänzungsanträge sind nicht Vorfragen im eigentlichen Sinne. Vgl. Art. 160.

Die Vorschriften über die Einvernahme des Angeklagten gemäss Art. 158 sind durch die Art. 45 f. zu ergänzen. Es handelt sich bei diesem Verhör nicht darum, den Angeklagten zu einem Geständnis zu veranlassen, sondern ihm Gelegenheit zur Äusserung über die Anklage zu geben. Nur im Falle der Abweichung von frühern Aussagen dürfen ihm diese vorgehalten werden.

Nach Art. 159 darf bei einem glaubwürdigen Geständnis aus Gründen der Zeit- und Kostenersparnis von der Beweisaufnahme ganz oder teilweise abgesehen werden. So auch Art. 144 MStGO. Da das Gericht von der Glaubwürdigkeit dieses Geständnisses überzeugt sein muss und die Zustimmung des Angeklagten und des Bundesanwaltes erforderlich ist, sind die Verteidigungsinteressen des Angeklagten gewahrt.

Bei den Art. 161 und 162, die von den Befugnissen des Präsidenten bei der Beweisaufnahme und vom Fragerecht der Richter und Parteien handeln, ist hervorzuheben, dass der Entwurf in der Streitfrage, ob die Einvernahmen durch den Vorsitzenden oder durch die Parteien vorgenommen werden sollen, sich für das Präsidialverhör entschieden hat.

Nach dem geltenden Eecht besteht das Präsidialverhör im Verfahren vor dem Bundesstrafgericht, während der Bundesstrafprozess für das Assisenverfahren das Kreuzverhör nach dem englischen Vorbilde eingeführt hat. Der Bundesanwalt verhört die Zeugen der Anklage, der Verteidiger oder der Angeklagte die Zeugen der Verteidigung; die andere Partei stellt Erläuterungsfragen. Zum Schiusa verhört der Bundesanwalt den Angeklagten. Der Präsident
beaufsichtigt die Zeugeneinvernahme und schützt die Zeugen vor Ungebühr (Art. 70, 71, 72, 84 BStP.).

In der heutigen Eeformbewegung wird die Einführung der Parteieinvernahme angestrebt : das Anklageprinzip verlange, dass der Ankläger dem Gericht die Schuldbeweise vorführe; mit der Einvernahme durch die Parteien werde die Hauptverhandlung von der Einwirkung der Voruntersuchung befreit und die Unbefangenheit des Gerichtes gesichert. Das Parteiverhör hat im Schwurgerichtsverfahren des Kantons Zürich und im Tessiner Strafprozess Eingang gefunden und wird auch im deutschen Entwurf vorgeschlagen. Dieses System hat gewisse Vorteile. Andererseits ist aber nicht zu verkennen, dass die Ein-

621 vernähme durch die Parteien zu einer Belästigung der Zeugen und Sachverständigen und zu einem tumultuarischen Verfahren führen kann. Nach unserm Dafürhalten ist es für die Erbringung der materiellen Wahrheit von Vorteil, wenn die Beweisaufnahme in der Hand des unparteiischen Vorsitzenden ruht.

Die Ungleichheit der Parteistellung würde vermehrt, wenn das Gesetz die Abhörung des Angeklagten dem Ankläger übertrüge. Da sich zudem die Fragestellung durch den Vorsitzenden im bisherigen Verfahren vor dem Bundesstrafgericht bewährte, hat der Entwurf diese Einrichtung für das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht beibehalten und auch für das Assisenverfahren eingeführt.

In den Art. 163 Abs. 2, Art. 166 Abs. 2 und Art. 158 Abs. 2 wird ausdrücklich festgestellt, was aus den Untersuchungsakten verlesen werden kann. Es sind dies Einschränkungen des in Art. 171 Abs. 2 enthaltenen Mündlichkeitsprinzips. Im weitern dürfen auch die frühern Aussagen des Zeugen verlesen werden, der in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigert (Art. 78 Abs. 2).

Art. 167 erklärt, wie schon Art. 100 BStP, die Ausdehnung der Anklage auf eine andere Tat des Angeklagten als zulässig, sofern der Angeklagte zustimmt und das Gericht zur Beurteilung sachlich zuständig ist. Mit der Einbeziehung der neuen Tat in die Verhandlungen und das Urteil wird eine Kostenersparnis und die Augfällung einer einzigen Strafe (Art. 33 BStE, Art. 26 dieses Entwurfes) ermöglicht.

Art. 168 betrifft die Berichtigung der Anklage, im Gegensatz zur Änderung der Anklage durch das Gericht (Art. 172). Diese praktische Neuerung ist eine Auswirkung des Anklagegrundsatzes. Auf die Wahrung der Verteidigungsinteressen ist Bedacht genommen.

In Art. 169 (Parteivorträge) ist in Ausfüllung der heute bestehenden Lücke (Art. 136 OG) ausdrücklich bestimmt, dass die Parteien zu einem zweiten Vortrag berechtigt sind. Neu ist auch die Vorschrift, dass der Bundesanwalt den Geschädigten mit dessen Zustimmung vertreten kann.

Die Art. 170 f. stellen Grundsätze für das Urteil auf.

Art. 170 bestimmt den Inhalt und das Zustandekommen des Urteilsspruchs. Die Anklage muss nach Eröffnung der Hauptverhandlung durch ein Urteil erledigt werden. Die Parteien haben das Recht auf ein Urteil. Das Gericht kann nur freisprechen oder verurteilen und beim Fehlen der Prozessvoraussetzungen das
Verfahren einstellen.

Art. 171 enthält die schon im geltenden Bundesstrafverfahren anerkannten wichtigsten Grundsätze für die Urteilsfindung : Gegenstand des Urteils ist die Tat, die die Anklage bezeichnet (Identität der Tat); das Gericht hat nur auf die in der Hauptverhandlung gemachten Feststellungen Bücksicht zu nehmen (Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit) ; es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Art. 134 und 137 OG, 103 BStP).

622 In Art. 172 ist der schon in Art. 138 OG enthaltene Grundsatz übernommen, wonach das Gericht an die rechtliche Würdigung der Tat in der Anklage nicht gebunden ist und unter Wahrung der Verteidigungsinteressen auch wegen eines andern Vergehens oder auf Grund schärferer Strafbestimmungen verurteilen kann.

Art. 178 regelt im Anschluss an Art. 66 des Strafgesetzentwurfes die Anrechnung der Untersuchungshaft im Urteil. Das geltende Eecht sagt über diese Anrechnung nichts, das Bundesstrafgericht wendet sie in weitem Masse an.

Der Entwurf kommt den bei der Reform der Untersuchungshaft geäusserten Wünschen entgegen und bestimmt ausdrücklich, dass die Untersuchungshaft ganz oder teilweise angerechnet werden könne. Eine obligatorische Anrechnung kann nicht vorgeschrieben werden, weil darauf Eücksicht genommen werden muss, ob der Verurteilte die Untersuchungshaft durch sein Verhalten herbeigeführt oder verlängert hat. Nach dem gleichen Grundsatz bestimmt sich die Anrechnung der Einweisung in eine Krankenanstalt.

Die Art. 174 und 175 betreffend die Einziehung gefährlicher Gegenstände und den Verfall von Geschenken und andern Zuwendungen entsprechen den Art. 55 und 56 des Strafgesetzentwurfes. Da mit dem Ausserkrafttreten des Art. 202 BStP im Bundesrecht eine Bestimmung über die Einziehung fehlen würde, solange das schweizerische Strafgesetzbuch nicht in Kraft getreten ist, müssen dessen Art. 55 und 56 schon hier aufgenommen werden (vgl. Art. 845 und Einleitung S. 582 hiervor).

Die Art. 176--179 und 181 ordnen das Kostenwesen. Der Entwurf ergänzt die lückenhaften Bestimmungen des geltenden Eechts und beseitigt die Härten, die sich aus der bisherigen Lösung ergeben haben. Art. 120 BStP bestimmt, dass die Verurteilung zu einer Strafe immer die Verurteilung zu den Kosten des Prozesses und der Untersuchungshaft nach sich ziehe. Nach Art. 121 BStP können dem freigesprochenen Angeklagten die Kosten auferlegt werden, die er durch eigene Handlungen mutwillig verursacht hat. Der Entwurf ergänzt diese Kostenbestimmungen durch Vorschriften über die Tragung der Prozesskosten bei der Verurteilung mehrerer Angeklagten (Art. 176 Abs. 2), beim Zuspruch und bei der Abweisung des privatrechtlichen Anspruchs (Art. 178), sowie durch Bestimmungen über die Parteikosten (Art. 179) und die Verurteilung des Anzeigers zum Ersatz
der Prozesskosten (Art. 181). Er beseitigt im weitern die starre Eegel des Art. 120 BStP und sieht vor, dass das Gericht den Verurteilten aus besondern Gründen ganz oder teilweise von der Kostentragung befreien kann. Eine solche Befreiung kann namentlich eintreten bei offenkundiger Bedürftigkeit des Verurteilten, bei einer bloss teilweisen Gutheissung der Anklage und in Fällen, wo sich eine kostspielige Untersuchungsmassnahme als überflüssig erweist oder die Auslage eine Untersuchungshandlung betrifft, die sich gegen einen Mitverurteilten gerichtet hat (vgl. auch § 188 der Zürcher Strafprozessordnung, Art. 163 MStGO und den deutschen Entwurf). -- Art. 177 sieht eine Kostenauflage an den Freigesprochenen nicht nur bei seinem Aus-

623 bleiben in der Verhandlung, sondern auch für den Fall vor, dass er die Einleitung der Untersuchung verschuldet oder das Verfahren durch sein trölerisches Verhalten wesentlich verzögert hat (so z. B. auch Zürich § 189, Bern, Art. 262).

Art. 180 sieht, wie Art. 122 BStP, eine Entschädigung an den freigesprochenen Angeklagten für die Untersuchungshaft und andere Nachteile vor.

Art. 181 bezieht sich auf die Haftbarkeit des schuldhaften Anzeigers für Prozesskosten und Entschädigung.

Art. 182 bringt gegenüber dem geltenden Eecht (Art. 139 0G, 127 BStP) die Neuerung, dass nicht mehr das vollständige Urteil mit dem Urteilsspruch und sämtlichen Entscheidungsgründen, sondern nur noch der Urteilsspruch mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet werden muss. Die vollständige Verlesung des Urteils hat sich als lästig und umständlich erwiesen.

So schon Entwurf Jäger, Art. 175.

A r t. 18 3 bestimmt den Inhalt der Urteilsausfertigung, A r t. 18 5 den Inhalt des Verhandlungsprotokolls (vgl. Art. 139 OG, 125, 128 BStP).

Art. 184 bringt die Neuerung, dass die Urteilsausfertigung dem Bundesanwalt und auf ihr Begehren auch den übrigen Parteien kostenlos zuzustellen ist.

6. Die Hauptverhandlung vor den Bundesassisen.

In Art. 187 ist die Beurteilung durch die Kriminalkammer vorgesehen, sofern der Angeklagte im Laufe der Hauptverhandlung ein Geständnis ablegt.

Vgl. Art. 147.

Art. 188 behandelt die Bildung der Geschwornenbank. Nach Art. 55 BStP kann die Verhandlung auch stattfinden, wenn von den 14 Geschwornen bloss 11 oder zehn erscheinen. Der Entwurf sieht beim Ausbleiben von Geschwornen eine Ergänzung der Geschwornen aus Geschwornen der engern Liste vor, die zuerst zur Stelle sein können.

Art. 189 ersetzt die Eidesformel des Art. 56 BStP durch ein einfaches Gelöbnis. Aus dem Gelöbnis der Geschwornen ist das Versprechen hervorzuheben, sich an das Gesetz zu halten und die Stimme in Würdigung des Gesetzes abzugeben. Die Geschwornen sollen wissen, dass sie als Pachter urteilen. Sie sollen sich nicht über das Gesetz stellen, sondern das Gesetz wie andere Bichter anwenden.

Das in Art. 191 enthaltene Erfordernis der ständigen Anwesenheit der Geschwornen ist eine Folge des Unmittelbarkeitsprinzipes.

Die dem geltenden Becht unbekannte Erläuterung der Beweisaufnahme durch den Präsidenten in Art. 194
dürfte die Aufgabe der Geschwornen erleichtern.

Die Art. 195--200 regeln die für das Geschwornenverfahren wichtige Fragestellung.

Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. II.

45

624

'

Nach Art. 112 B V sprechen die Geschwornen über die Tatfrage ab. Hierunter ist die Schuldfrage, d. h. die Frage nach dem Vorliegen der rechtlich ·wesentlichen Handlungsmerkmale zu verstehen. Mit der H a u p t f r a g e werden die Geschwornen gefragt, ob der Angeklagte die Tat begangen habe und ob sie die allgemeinen und besondern Merkmale des ihm vorgeworfenen Vergehens, enthalte. Die Tat ist zu individualisieren, d. h. durch ihre besondern tatsächlichen Merkmale zu kennzeichnen (Art. 197). Für den Fall, dass die Hauptfrage verneint wird, sind B v e n t u a l f r a g e n zulässig, die auf einen andern Tatbestand oder auf Versuch oder Beihilfe gerichtet sind (Art. 199). Der Entwurf sieht wie das geltende Eecht (Art. 101 BStP) im weitem eine Z u s a t z oder N e b e n f r a g e in bezug auf das Vorliegen von Schuld- und Strafausschliessungsgründen (Geisteskrankheit, Zwang, Irrtum, Notwehr, Notstand; berechtigte Selbsthilfe, Berufsrecht, Wahrung berechtigter Interessen, etc.) vor (Art. 198). An sich wird mit der Frage nach den gesetzlichen Merkmalen der Tat auch gefragt, ob ein Schuld- oder Strafausschliessimgsgrund vorliegt. Aus.

praktischen Gründen, insbesondere um die Geschwornen zur Prüfung dieser Gründe zu verpflichten, nahm aber der Entwurf die besondere Zusatzfrage auf.

Die Z u s a t z f r a g e des Art. 200 bezieht sich auf das Vorliegen besonderer Umstände, die nach dem Gesetz ein anderes Höchst- oder Mindestmass der Strafe oder eine andere Strafart begründen (freiwilliger Kücktritt vom Vergehen, Auszeichnungsgründe). Nicht darunter fallen die allgemeinen Milderungs- und Schärfungsgründe, die auf die Ausmessung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens Einfluss haben oder die Frage, ob das Vergehen besonders leicht oder schwer sei.

Bei Art. 201 ist hervorzuheben, dass, im Gegensatz zum geltenden Becht,, auch der Geschädigte Anträge zur Schuldfrage stellen kann. Da mit der Bejahung oder der Verneinung der Schuldfrage auch über das Schicksal des privatrechtlichen Anspruches entschieden wird, erscheint es gerechtfertigt, auch den Geschädigten hierüber zum Worte kommen zu lassen. Das Fehlen dieses Parteirechtes ist in der Praxis als Lücke empfunden worden (Assisenfälle i. S. Tessiner Eevolution und i. S. Justh).

Art. 202 führt die Bechtsbelehrung des Präsidenten ein, um den Geschwornen
die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern. Der Präsident erläutert den Geschwornen ihre Aufgabe : er macht sie auf ihre Pflichten im allgemeinen und auf die Vorschriften über Beratung und Abstimmung aufmerksam und erläutert ihnen die Fragen, die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Tat, sowie die Schuld- und Strafausschliessungsgründe und die im Gesetz besonders erwähnten strafändernden Umstände. Das Gesetz verpflichtet ihn, sich jedes eigenen Urteils über die Beweis- und Schuldfrage zu enthalten.

Art. 203 enthält die wichtigste Neuerung des Assisenverfahrens: die Teilnahme des Präsidenten an der Beratung der Geschwornen.

Diese Teilnahme besteht darin, dass der Präsident der Beratung beiwohnt um Aufklärungen zu geben, die von ihm erbeten werden. Er beteiligt sich weder

625

an der Leitung der Beratung noch an der Abstimmung: er steht einfach den Geschwornen zur Verfügung, um ihnen im Laufe der Beratung Aufklärungen zu geben, wenn sie solcher bedürfen. Diese Aufklärungen haben sich im Eahmen der Eechtsbelehrung des Art. 202 zu halten; der Präsident hat sich eines eigenen Urteils zu enthalten. Der Entwurf will mit dieser Lösung nicht die Unabhängigkeit der Geschwornen antasten, sondern die Mängel des bisherigen Schwurgerichtsverfahrens mildern. Die Geschwornen haben bei der Beantwortung der Fragen immer Eechtsbegriffe anzuwenden, die ihnen oft nicht geläufig sind. Die Eechtsbelehrung des Präsidenten nach den Parteivorträgen bringt gewiss Aufklärung. Es ist aber nicht sicher, ob alle Geschwornen ihr haben folgen und sie auch anwenden können. Der Präsident kann auch nicht alle irrtümlichen Auffassungen der Geschwornen über Eechtsbegriffe vorausgehen. Schwierigkeiten können übrigens erst im Laufe der Beratung auftreten, insbesondere über das Verhältnis der Fragen unter sich. Die kurzen Erklärungen, die der Präsident sofort auf Anfrage bei auftauchenden Zweifeln und Schwierigkeiten abgibt, nützen mehr, als die allgemeine Eechtsbelehrung in der öffentlichen Verhandlung oder eine ergänzende Belehrung, zu der sich die Geschwornen in den Sitzungssaal zurückbegeben müssten. Es ist auch damit zu rechnen, dass die Geschwornen ihre Unkenntnis in Eechtsfragen nicht gerne zugestehen und nur selten eine Ergänzung der öffentlichen Eechtsbelehrung verlangen werden. Die im Entwurf vorgesehene Teilnahme des Assisenpräsidenten an der Beratung der Geschwornen ist geeignet, unvollständige, unklare und widerspruchsvolle Wahrsprùche zu verunmöglichen.

Die Mängel, die sich aus der getrennten Beurteilung der Tat- und Schuldfrage durch die Geschwornen und der Straffrage durch das Eichterkollegium ergeben, haben in Bern, Tessin und in Deutschland dazu geführt, die Geschwornen und die Eichter zu einem einheitlichen Gerichtshof zu vereinigen.

Eine so weitgehende Eeform des eidgenössischen Geschwornenverfahrens ist nach der Bestimmung des Art. 112 BV ausgeschlossen. Dagegen erschien es zweckmässig, bei unserer Eevision die Erfahrungen, die die Kantone Genf und Neuenburg mit ihren Neuerungen gemacht haben, zu berücksichtigen. Nach der G e n f e r Novelle vom 1. Oktober 1890 nahm der Assisenpräsident
an der Beratung der Geschwornen über die Schuldfrage mit beratender Stimme teil. Wird der Angeklagte schuldig erklärt, so beraten und entscheiden der Gerichtshof und die Geschwornen gemeinsam über die Strafe. Seit der Novelle vom 10. Februar 1904 beschränkt sich die Mitwirkung des Präsidenten darauf, den Geschwornen die Auskunft zu erteilen, die sie wünschen. Diese Eeform hat sich in Genf bewährt. Die Anwesenheit des Präsidenten bei der Geschwornenberatung sichert die Buhe der Beratung und die Gesetzlichkeit des Verfahrens.

Offenbare Fehlsprüche der Geschwornen, die das Volksbewusstsein verletzen und die öffentliche Meinung empören, sind nicht mehr vorgekommen (vgl.

E. Picot, La nouvelle loi genevoise sur le jury dans son application, Schweizerische Zeitschrift für Straf recht 6, 62; Logoz, Notes sur quelques problèmes de procédure pénale, in der nämlichen Zeitschrift 40, 125 f.). Nach Art. 444

626

des neuenburgischen Strafprozesses kann der Präsident auf Wunsch der Gesehwornen in das Beratungszimmer gerufen werden, um ihnen neue Aufklärungen zu erteilen. Auch diese Neuerung hat gute Früchte getragen.

Gegen die Neuerung des Entwurfes ist eingewendet worden, dass sie die Unabhängigkeit der Geschwornen von der Eichterbank gefährde und dass die unkontrollierbare Eechtsbelehrung des Präsidenten nicht im Interesse der Parteien liege. Das erste Bedenken erscheint uns nicht stichhaltig, weil der Präsident nur auf besondere Anfrage der Geschwornen in bestimmtem Eahmen Aufklärung gibt und weil die Geschwornen im übrigen unter der Leitung eines eigenen Obmanns stehen. Es ist übrigens darauf hinzuweisen, dass nach englischem Eechte der Präsident den Geschwornen bindende Weisungen geben kann und dass nach italienischem Eecht der Präsident die Beratung der Geschwornen leitet und ihnen Rechtsbelehrung erteilt, allerdings in Gegenwart des Staatsanwaltes, des Verteidigers und des Gerichtsschreibers (Art. 455, 458).

Weder in Genf noch in Neuenburg ist jemals darüber geklagt worden, dass die Geschwornen durch die Eechtsbelehrung des Präsidenten ihre Unabhängigkeit gegenüber der Eichterbank verlieren. In bezug auf das zweite Bedenken ist zu bemerken: Es bedeutet zweifellos einen gewissen Nachteil, dass der Präsident seine Aufklärung ohne Kontrolle der Parteien und der andern Eichter abgibt. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Präsident nur im gleichen Sinne Aufklärung geben kann wie in der öffentlichen Verhandlung, und dass er an jene Eechtsbelehrung gebunden ist. Es darf auch in Betracht gezogen werden, dass ein Mitglied des Bundesgerichtes jene Aufklärung zu erteilen hat.

Die in Aussicht genommene Teilnahme des Präsidenten an der Geschwornenberatung steht mit der Verfassungsbestimmung nicht im Widerspruch, indem sie sich lediglich auf die Ausgestaltung des von der Verfassung dem Grundsatze nach vorgesehenen Geschwornenverfahrens bezieht.

Der Entwurf regelt die Frage, ob die Prozessakten während der Beratung verwendet werden dürfen, im Gegensatz zu andern Prozessordnungen nicht ausdrücklich (vgl. Art. 103 BStP, § 260 zürch. StPO). Ausgeschlossen ist jedenfalls, dass das Verdikt auf eine in der Hauptverhandlung nicht bekannt gegebene Urkunde oder Aussage abstellt.

Nach Art. 205 stimmen die Geschwornen
mit einfacher Stimmenmehrheit. Damit ist eine Eigentümlichkeit des geltenden Eechts beseitigt, die sich als unzweckmässig erwiesen hat. Gemäss Art. 108 BStP fassen die Geschwornen jeden Wahrspruch --· nicht bloss das Schuldig, sondern auch das Nichtschuldig ·-- mit Stimmenmehrheit. Bei der Anwesenheit von 12 Geschwornen ist eine Stimmenmehrheit von 10, und wenn weniger als 12 Geschworne anwesend sind, eine Mehrheit von je 2 weniger als sämtliche Anwesende erforderlich (vgl.

Bundesbl. 1851, I, 662; 1879, II, 693; 1880, II, 645).

In den Art. 209 und 210 sind die Urteilsfällung der Kriminalkammer und die Parteivorträge geregelt. Art. 209 behandelt die Stellung der Parteien und des Gerichts bei einer Verneinung der Schuldfrage oder bei Annahme eines

627 Schuld- oder Strafausschliessungsgrundes, Art. 210 die Aufgabe von Parteien und Gericht bei Bejahung der Haupt- oder Eventualfrage. In diesem Falle -hat die Kriminalkammer in erster Linie über die Anwendung des Gesetzes (Subsumtionsfrage) und die Bemessung der Strafe zu entscheiden. Art. 209 erwähnt noch den Fall der Einstellung aus prozessrechtlichen Gründen.

Unter den in Art. 211 genannten Entscheidungsgründen sind die Erwägungen der Kriminalkammer und nicht der Geschwornen zu verstehen.

7. Privatrechtliche Ansprüche.

Der Entwurf beschränkt sich auf wenige grundsätzliche Bestimmungen über die Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche im Bundesstrafverfahren.

Im Verfahren vor den Bundesstrafgerichten ist, entsprechend der Natur der hier zu beurteilenden Vergehen, selten über privatrechtliche Ansprüche zu entscheiden. Art. 213 regelt die Zulässigkeit der Geltendmachung der Zivilklage aus strafbarer Handlung im Strafverfahren. Eine Verweisung der einmal im Strafverfahren angebrachten Zivilklage an das Zivilgericht ist nur zulässig, wenn die Beurteilung zu ausserordentlichen Schwierigkeiten, insbesondere zu umfangreichen Beweisaufnahmen führen würde. Art. 214 bestimmt den Zeitpunkt der Geltendmachung der Zivilklage, Art. 215 betrifft das Schicksal der Zivilklage bei einer Bevision oder Kassation des Strafurteils. Art. 216 sieht die Erteilung des Armenrechts an den Geschädigten vor. Bestimmungen über einzelne Parteirechte des Geschädigten sind in den Art. 39, 117, 120, 121, 122, 139, 141, 160, 162, 169, 201, 209, 210, 234, 242, 252 enthalten. Über die den privatrechtlichen Anspruch betreffenden Kosten vgl. Art. 178 und 179.

IV. Rechtsmittel.

1. Die Beschwerde ist das Anfechtungsmittel gegen Amtshandlungen und Säumnis des Untersuchungsrichters. Im geltenden Recht ist der Rekurs des Angeschuldigten kurz bei den Aufgaben der Anklagekammer erwähnt (Art. 20 und 25 BStP). Der Entwurf bringt ein eigentliches Beschwerdeverfahren. Er gibt nicht nur den Parteien, sondern jedem, der sich durch eine Verfügung oder die Säumnis des Untersuchungsrichters verletzt glaubt, das Recht zur Beschwerde. Die Amtshandlung kann wegen Unzulässigkeit oder wegen Unangemessenheit angefochten werden (Art. 217). Eine besondere Beschwerde ist vorgesehen in den Art. 58 (Haftbeschwerde), 73 (Beschwerde gegen die Durchsuchung
von Papieren) und 127 (Verweigerung der Einsichtnahme in die Akten einer eingestellten Untersuchung). Die Bestimmungen der Art. 218 Abs. 2 und Art. 219 sichern die Ausübung des Beschwerderechtes eines Verhafteten.

2. Die Nichtigkeitsbeschwerde. Das geltende Recht kennt im Verfahren vor den Bundesstrafgerichten drei verschiedene Arten von Kassationsbeschwerden : l. Die Kassationsbeschwerde gegen Beschlüsse der Anklagekammer wegen Verletzung wesentlicher Formen und bei Nichtzulassung der

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Anklage (Art. 135 BStP, 144 OG): 2. die Kassationsbeschwerde gegen Urteile des Bundesstrafgerichts (Art. 142 OG), init Einschluss der Entscheide in Fiskalstrafsachen (vgl. BGE 30, I, 388), 3. die Kassationsbeschwerde gegen Urteile der Bundesassisen und der Kriminalkâmmer (Art. 136 f. BStP).

Der Entwurf hat die Kassationsbeschwerde gegen Beschlüsse der Anklagekammer gestrichen, weil sie keinem praktischen Bedürfnis entspricht. Er hat im weitern die Nichtigkeitsbeschwerden gegen Entscheide der Bundesassisen, der Kriminalkâmmer und des Bundesstrafgerichts vereinheitlicht (Art. 223).

Die Mchtigkeitsgründe beschränken sich auf prozessuale Mängel. Einzig gegen Urteile der Kriminalkammer ist wie im geltenden Eecht die Nichtigkeitsbeschwerde noch wegen Verletzung materieller Gesetzesvorschriften zulässig.

Weggefallen ist dagegen der Nichtigkeitsgrund des Art. 149 lit. d BStP (unrichtige Würdigung einer Antwort der Geschwornen durch die Kriminalkammer), weil bei der Teilnahme des Präsidenten an der Geschwornenberatung ein solcher Verstoss nicht mehr eintreten wird.

Zu einzelnen Nichtigkeitsgründen des Art. 223 ist zu bemerken: Nach Z i f f e r 2 kann das Urteil angefochten werden, wenn sich das Gericht mit Unrecht für unzuständig erklärt hat. Nach bisherigem Eecht konnten die Bundesstrafgerichte über ihre Zuständigkeit weder von Amtes wegen noch auf Einsprache der Parteien entscheiden. Da ihnen der Entwurf diese Prüfungsmöglichkeit gibt (Art. 157), müssen die Parteien auch einen Unzuständigkeitsentscheid anfechten können.

Der in Z i f f e r 3 genannte Nichtigkeitsgrund (ungesetzliche Besetzung) bezieht sich namentlich auf Entscheide, an denen eine unfähige oder eine auf Begehren in Ausstand kommende Gerichtsperson teilgenommen hat (Art. 34 0 G).

In Z i f f e r 5 ist nicht mehr bloss von der Verletzung der Eechte der Verteidigung, sondern der Parteien die Eede. Diese Erweiterung des Nichtigkeitsgrundes ergibt sich aus der Gleichstellung der Parteien in der Hauptverhandlung.

In den Art. 224--231 ist das Verfahren geregelt. Die umständlichen Verfahrensbestimmungen der Art. 136 f. BStP wurden vereinfacht und der Praxis angepasst. Soweit möglich wurde auch eine Übereinstimmung mit dem Verfahren bei der Nichtigkeitsbeschwerde gegen kantonale Entscheide (Art. 270 f.) hergestellt. Der Kassationshof hat,
wie nach geltendem Eecht (Art. 154 BStP), einen Entscheid in der Sache selbst nur bei Verletzung materieller Gesetzesvorschriften durch die Kriminalkammer zu fällen (vgl. auch Art. 194 MStGO, Art. 334 bern. StV, § 437 zürch. StPO). Über die Kostenbestimmung des Art. 231 vgl. die Bemerkungen zu Art. 280. Die Verurteilung des Nichtigkeitsklagen, der leichtfertig ein Kassationsgesuch eingereicht hat, zu einer Busse (Succumbenzgeld, Art. 156 BStP) ist weggefallen.

3. Bevisi on. Art. 159 BStP zählt folgende Eevisionsgründe auf: «a. wenn die Falschheit eines Zeugnisses erhoben ist, welches auf das Urteil Einfluss haben konnte;

629

b. wenn ein erhebliches Aktenstück, das gegen den Angeklagten angebracht wurde, seit der Beurteilung durch ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil für falsch erklärt worden ist; c. wenn seit der Beurteilung ein Urteil ausgefällt wurde, welches mit dem ersten unvereinbar ist: A. wenn durch ein Urteil anerkannt und ausgesprochen wird, dass einer der Richter oder Geschwornen bestochen worden sei.» Der E n t w u r f fasst die Revisionsgründe viel weiter. Art. 232 nennt nicht mehr einzelne Fälle, sondern stellt allgemeine Grundsätze auf: Herbeiführen eines Urteils durch strafbare Handlung, Vorliegen entscheidender neuer Tatsachen und Beweismittel. Eine andere Erweiterung gegenüber dem geltenden Recht besteht darin, dass die Revision auch verlangt werden kann, wenn die neuen Tatsachen und Beweismittel die Verurteilung nach einem mildern oder strengern Strafgesetz begründen. Der Entwurf unterscheidet, ob die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten oder zuungunsten eines Freigesprochenen verlangt wird. Die Revision zugunsten des Verurteilten kann jederzeit, diejenige zuungunsten des Freigesprochenen aber nur verlangt werden, solange das Vergehen nicht verjährt ist.

Zu einzelnen R e v i s i o n s g r ü n d e n (Art. 232) ist zu bemerken: Z i f f e r la und 2a. Es wird das Vorliegen entscheidender neuer Tatsachen oder Beweismittel verlangt. Sie müssen für sich allein oder in Verbindung mit früher festgestellten Tatsachen die Unschuld oder Schuld, ein leichteres oder ein schwereres Vergehen dartun. Bei der Revision zugunsten des Verurteilten genügt es, wenn die neuen Tatsachen oder Beweismittel ergeben, dass ein begründeter Verdacht nicht mehr besteht. Als neue Tatsachen oder Beweismittel sind solche zu verstehen, die dem urteilenden Gericht nicht unterbreitet wurden, gleichgültig, ob sie dem Gesuchsteller damals bekannt waren oder erst nachträglich zur Kenntnis gelangten.

Z i f f e r l c und 2 fr. Die Einwirkung einer strafbaren Handlung auf das Urteil kann der Revisionsrichter anhand aller geltend gemachten Tatsachen selbständig prüfen. Die Feststellung der strafbaren Handlung durch ein Urteil ist nicht erforderlich. Das geltende Recht setzt, verschieden nach den einzelnen Revisionsgründen, entweder eine Verurteilung oder eine amtliche Feststellung voraus (s. Art. 159, lit. a, b, d, BGE 45, I, 98). Das
Erfordernis eines verurteilenden Straferkenntnisses hat den Aachteil, dass die Voraussetzung der Revision beim Vorliegen eines Schuld- oder Strafausschliessungsgrundes oder beim Fehlen eines Strafantrages entfallen würde.

Nach Art. 233 kann auch der Geschädigte in bezug auf den privatrechtlichen Anspruch die Revision nachsuchen.

Das Verfahren (Art. 284--237) ist, soweit möglich, dem Kassationsverfahren angepasst worden.

630 Wie im geltenden Becht (Art. 165 BStP) entscheidet das Eevisionsgericht über den Fall selbst, wenn das Gesuch zugunsten eines verstorbenen Verurteilten gestellt worden ist (Art. 238. vgl. auch Art. 355 bern. StV).

In Art. 239 werden eingehender als im geltenden Eecht (Art. 165 BStP} die Folgen einer Freisprechung im wiederaufgenommenen Verfahren geregelt, insbesondere die Entschädigung an den Freigesprochenen oder die Hinterbliebenen geordnet.

Eine Bestimmung, wonach die Wiederholung des Revisionsgesuches als unzulässig erklärt wird, enthält der Entwurf, im Gegensatz zu andern Gesetzen (vgl. Art. 168 BStP, Art. 360 bern. StV), nicht.

V. Vollziehung.

Die Bestimmungen über die Vollziehung (Art. 241--245) fassen das geltende Eecht zusammen. Mehrere Vorschriften des Bundesstrafprozesses (Art. 193 f.) konnten weggelassen werden, weil auch in Art. 44 OG und in Art. 32 f. dieses Entwurfes (Eechtshilfe) Grundsätze über den Vollzug enthalten sind. Weitere Bestimmungen über den Vollzug wird das schweizerische Strafgesetzbuch bringen (vgl. insbesondere Art. 395 f., 406 f. des Entwurfs).

Art. 241 ist zu ergänzen durch Art. 31, III, 7 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung.

Art. 242 überträgt die Entscheidung über Anstände zwischen dem Bund und den Kantonen in bezug auf die Kosten für den Unterhalt der Gefangenen vom Bundesgericht auf die Anklagekarnmer.

Unter den besondern Umständen, die nach Art. 243 eine Verschiebung der Vollziehung rechtfertigen, ist in erster Linie die Einreichung eines Begnadigungsgesuches zu nennen.

Art. 244, der den Bussenvollzug regelt, enthält keine Bestimmung über die Umwandlung, da sie eine.Frage des materiellen Eechts ist. Der Strafgesetzentwurf hat die Bussenumwandlung abgeschafft (Art. 46) und enthält eine Strafbestimmung gegen das Nichtzahlen der Bussen aus Böswilligkeit, Arbeitsscheu, Liederlichkeit oder Nachlässigkeit (Art. 260 8eptie8). Bis zum Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzes -wird also Art. 8 BStE und das Bundesgesetz betreffend die Umwandlung der Geldbusse in Gefängnis vom 1. Juli 1922 weitergelten.

VI. Prozesskosten.

In diesem Abschnitt sind Vorschriften über die Ansätze von Kosten, Gebuhren und Entschädigungen, sowie über die Bestimmung der Gebühren und Auslagen durch die Bundesstrafgerichte enthalten. Die Grundsätze
über die Kostentragung selbst sind in den Abschnitten über die Durchführung des Verfahrens geregelt.

Der Entwurf hat die im Bundesgesetz betreffend die Abänderung deg.

Organisationsgesetzes vom 25. Juni 1921 aufgestellten Ansätze übernommen.

Eine Erhöhung wurde einzig für die Gerichtsgebühr im Assisenverfahren vorgenommen.

631

III, Teil.

Das Verfahren in Bundesstrafsachen, die ron kantonalen Gerichten zu beurteilen sind.

Der II. Teil des Entwurfes handelt vom Verfahren vor den Strafgerichten des Bundes, der III. Teil vom Verfahren in Bundesstrafsachen, die von den kantonalen Gerichten zu beurteilen sind. Mit dem Anwachsen der Zahl der Bundesstrafgesetze, insbesondere der Bundespolizeigesetze, haben auch die bezüglichen Verfahrensvorschriften an Bedeutung gewonnen. Dieses vom Organisationsgesetz von 1893 geschaffene Verfahren (Art. 146--174) hat sich im allgemeinen bewährt, doch sind einige Ergänzungen und Abänderungen wie auch redaktionelle Verbesserungen angezeigt.

I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 249 enthält die Grundlagen des V e r f a h r e n s . Er stellt zunächst, wie bisher Art. 146 OG, den Grundsatz auf, dass die Kantone verpflichtet sind, die ihnen durch Bundesgesetz oder durch Beschluss des Bundesrates übertragenen Bundesstrafsachen zu verfolgen und zu beurteilen. Für diese zwei verschiedenen Arten von Bundesstrafsachen sind in den nachfolgenden Abschnitten besondere Bestimmungen aufgestellt, während die allgemeinen Bestimmungen sich auf beide Kategorien beziehen. Materiell gilt für die Bundesstrafsachen das Bundesstrafrecht, formell das kantonale Strafprozessrecht, soweit das Bundesrecht nicht anders bestimmt. Solche besondern Verfahrensvorschriften des Bundes sind in den nachfolgenden Artikeln und in einzelnen Bundesgesetzen enthalten. So bestimmen z. B. : das Bundesgesetz betreffend die Werbung und den Eintritt in den fremden Kriegsdienst vom 30. Juli 1859, dass die Bundesgerichtsbarkeit in Wirksamkeit tritt, wenn die Kantone dem Gesetz nicht gehörige Nachachtung verschaffen (Art. 4); das Bundesgesetz über die Krankenund Unfallversicherung vom 13. Juni 1911, dass die kantonalen Behörden die Übertretungen auf Antrag der Direktion der Anstalt untersuchen und beurteilen (Art. 66); die Verordnung betreffend das bei Gefährdungen oder Unfällen im Bahn- oder Schiffsbetriebe zu beobachtende Verfahren vom 11. November 1925, dass die kantonalen Behörden nach Durchführung einer polizeilichen Voruntersuchung die Akten der Eisenbahnabteilung zu übersenden haben (Art. l und 7). Auch der Strafvollzug richtet sich, unter Vorbehalt besonderer Bundesvorschriften (Art. 257, 258), nach kantonalem Eecht.

Die Oberaufsicht
des Bundes, die sich aus Art. 102 Ziff. 2 BV sowie daraus ergibt, dass der Bund Inhaber des Strafanspruchs ist, wird sich, wie bisher, namentlich auf die Delegationsfälle erstrecken (vgl. Art. 156 0G); bei den Fällen, die den Kantonen durch Bundesgesetz zugewiesen werden, vor allem bei den Polizeifällen, hat der Bund etwa bei Einreichung eines Begnadigungsgesuches ein unmittelbares Interesse an der Strafvollstreckung.

Art. 250 entspricht 149 OG.

Art. 251 will den im neuern Strafprozessrecht allgemein anerkannten Grundsatz der f r e i e n B e w e i s w ü r d i g u n g auch für die im kantonalen Ver-

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fahren zu erledigenden Fälle zur Anwendung bringen und eine gleichmässige Handhabung des materiellen Bundesstrofrechts in allen Kantonen ermöglichen.

Der Kassationshof des Bundesgerichts, der nur Rechtsfragen entscheidet, hat ein Interesse daran, dass der Tatbestand der Übertretungen, soweit möglich, nach gleichen Grundsätzen festgestellt wird. Auch das Zivilgesetzbuch hat zur Sicherung der einheitlichen Handhabung des materiellen Eechts Beweisregeln aufgestellt (vgl. Art. 8--10, 158).

Nach Art. 252 soll beim Zusammentreffen von eidgenössischen und kantonalen Strafsachen nicht eine gesonderte Strafe für jedes Vergehen, sondern eine Gesamtstrafe ausgesprochen werden (vgl. BGE 84, I, 118; 40, I, 443, Kreisschreiben des Bundesrates vom 21. Mai 1909, Bundesbl. 1909, III, 707).

Art. 253 regelt die E r ö f f n u n g der Entscheide in der Hauptsache gleich wie Art. 152 OG. Weggefallen ist die Bestimmung, dass die Parteien auf Verlangen unentgeltlich schriftliche Urteilsausfertigungen erhalten. Mit Rücksicht auf die grosse Zahl von Urteilen in Bundesstrafpolizeifällen (Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes, Lebensmittelpolizei-, Jagd- und Fischereiübertretungen) und die Verschiedenheit der kantonalen Prozesse (schriftliches oder rein mündliches Verfahren, Strafbefehlsverfahren, Beurteilung durch Verwaltungsbehörden) nahm der Entwurf davon Umgang, bundesrechtlich eine Eröffnimg mit Entscheidungsgründen vorzuschreiben. Es wird auch in dieser Beziehung auf das kantonale Recht abgestellt. Die schriftliche Urteilsausfertigung ohne Angabe der Entscheidungsgrunde hat für die Parteien keinen Wert. Die Parteien haben übrigens höchst selten solche Ausfertigungen verlangt. Neu ist dagegen die Angabe der Rechtsmittelfristen und der Behörde, an die der Entscheid weitergezogen werden kann.

Art. 254 regelt, im Anschluss an Art. 32, die Rechtshilfe der kantonalen Behörden in Bundesstrafsachen ausfuhrlicher als Art. 150 OG. Die eingehende Ordnung der Rechtshilfe in Art. 371 f. des Strafgesetzentwurfes kann erst mit dem einheitlichen Recht übernommen werden.

In bezug auf die U m w a n d l u n g nichterhältlicher Bussen in Gefängnis ^gl. die Bemerkung zu Art. 244.

II. Besondere Bestimmungen für Bundesstrafsachen, die der Bundesrat den kantonalen Behörden überweist.

Art. 255 bestimmt, dass mit der Überweisung einer an sich in die Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts fallenden Bundesstrafsache (Art. 109) an einen Kanton dieser Kanton allein zur Verfolgung berechtigt und verpflichtet ist, so dass weder die interessierten Kantone noch die Parteien gegen die Zuständigkeit des Kantons Einspruch erheben können. Der Bundesrat und das Justizdepartement haben schon unter dem geltenden Recht mehrfach die Auffassung vertreten, dass in den Delegationsfällen die Kantonsgrenzen ausser Betracht fallen, da die Eidgenossenschaft als einziger Gerichtskreis anzusehen sei und dass für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts die Inter-

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essen einer zweckrnässigen Strafjustiz massgebend seien (Salis IV, Nr. 1689.

1690, 1691, 1693. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1921. S. 383 und 387, für 1922, S. 869). Die neue Bestimmung bezieht sich auf den Fall, \vo mehrere Kantone für die örtliche Zuständigkeit in Betracht kommen können: der Begehungsort und der Wohnort des Beschuldigten liegen in verschiedenen Kantonen; die Tat ist von mehreren in verschiedenen Kantonen -wohnenden Mittätern begangen worden ; die Teilnehmer wohnen in einem andern Kanton als der Täter. In der Delegation des Justiz- und Polizeidepartemente« (vgl. Art. 23 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 und Art. 12 Ziff. 9 des zudienenden Bundesratsbeschlusses vom 17. November 1914) wird nur ein bestimmter Kanton als zuständig bezeichnet. Über die sachliche und örtliche Zuständigkeit der kantonalen Gerichtsbehörden entscheidet das kantonale Prozessrecht.

Art. 256 entspricht Art. 153 OG.

Art. 257 und 258 entsprechen dem Art. 156 OG. Neu ist. dass nicht alle Gerichtsgebühren, sondern bloss die Stempelgebuhren von der Kostentragung durch den Bund ausgenommen sind. Zur Vereinfachung des Verfahrens wird als entscheidende Behörde bei Anständen über die Kostentragung nicht mehr das Bundesgericht (Staatsgerichtshof), sondern die Anklagekammer des Bundesgerichts eingesetzt (zu vgl. BGE 54, I. 66).

III. Besondere Bestimmungen ïiir Bundesstraîsachen, die nach Bundesgesetz von kantonalen Behörden zu beurteilen sind.

Art. 259 enthalt, wie Art. 147 Abs. 3 OG. eine Bestimmung über die Amtsklage der Bundesbehörden. Er verdeutlicht die Vorschrift, entsprechend den Bedürfnissen der Praxis dahin, dass die Amtsklage zulässig ist in bezug auf Widerhandlungen gegen Bundesgesetze, die dem Bunde ein besonderes Oberaufsichtsrecht übertragen. In solchen Fällen sind auch besondere Bundesorgane mit der Oberaufsicht beauftragt (Gesundheitsamt, Versicherungsamt, Fabrikinspektoren, Amt für Mass und Gewicht, Arbeitsamt).

Art. 259 verpflichtet die kantonalen Behörden, auf Amtsklage des Bundes hin das Verfahren einzuleiten und mindestens bis zu einem Einstellungsbeschluss durchzufuhren, damit der Bund hiergegen ein Eechtsmittel ergreifen kann.

Die Bestimmung ist wichtig für die einheitliche Handhabung der Bundesstrafpolizeigesetze.

Nach Art. 260 kann
der B u n d e s a n w a l t bei Widerhandlungen gegen die in Art. 259 genannten Bundesgesetze Ermittlungen anordnen oder anordnen lassen, wenn die strafbaren Handlungen ganz oder teilweise im Auslande oder in mehreren Kantonen begangen wurden. Der Entwurf geht, wie das geltende Bechi, vom Grundsatze aus. dass im kantonalen Verfahren mir die Behörden der Kantone zu handeln haben, abgesehen von der Einlegvmg der Eechtsmittel (Art. 268 f., 270 f.). In der Praxis hat sich aber das Bedürfnis gezeigt, dass bei den genannten Widerhandlungen vor der Anhandnahme der Verfolgung durch

634

einen Kanton eine zentrale Amtsstelle Ermittlungen anordnet. Solche Ermittlungen (z. B. die Postsperre nach Art. 6 des Postgesetzes) haben sich namentlich bei Widerhandlungen gegen die Bundesgesetze über Betäubungsmittel, betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten und betreffend den Frauen- und Kinderhandel und die unzüchtigen Veröffentlichungen als notwendig erwiesen. In dringenden Fällen hat der Bundesanwalt solche Ermittlungen veranlagst, obschon nach dem geltenden Eecht seine Zuständigkeit nicht bei allen Widerhandlungen gegeben ist.

In den Art. 261--265 sind die Bestimmungen des Strafgesetzentwurfes über die Gerichtsstände des Begehungsortes (Art. 365), bei strafbaren Handlungen im Ausland (367), der Teilnehmer (368), beim Zusammentreffen mehrerer Vergehen (369) und über den streitigen Gerichtsstand (370) mit wenigen Abänderungen übernommen worden, in der Meinung, dass diese Artikel mit dem Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches wegfallen. Schon jetzt sind in einzelnen Bundesgesetzen Bestimmungen über den Gerichtsstand der Teilnehmer und beim Zusammentreffen mehrerer Vergehen enthalten (Art. 50 bis 52 des Lebensmittelpolizeigesetzes, Art. 21 f. Bundesgesetz betreffend Betäubungsmittel vom 2. Oktober 1924, Art. 49 Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst vom 7. Dezember 1922, Art. 9 f. Bundesgesetz betreffend die Bestrafung des Frauen- und Kinderhandels sowie der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen vom 30. September 1925). Ähnliche Bestimmungen waren im Bundesratsbeschluss vom 13. Juni 1916 betreffend den Vollzug der Verordnung vom 10. August 1914 und des Bundesratsbeschlusses vom 18. April 1916 gegen die Verteuerung von Nahrungsmittel und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen vorgesehen. Wenn auch bei Widerhandlungen gegen andere als die soeben genannten Bundesgesetze interkantonale Gerichtsstandsstreitigkeiten weniger häufig sind, so rechtfertigt sich doch die Aufnahme allgemeiner Gerichtsstandsbestimmungen in das Prozessgesetz, weil die einheitliche Beurteilung im Interesse des Beschuldigten und eines raschen Prozessganges liegt.

Während gegenwärtig bei Gerichtsstandsstreitigkeiten zwischen Kantonen der Weg des staatsrechtlichen Eekurses (negativer oder positiver Kompetenzkonflikt) beschritten
werden muss (vgl. BGE 40, I. 8), können nach der Einführung von allgemeinen Gerichtsstandsbestimmungen Gerichtsstandsstreitigkeiten durch eine Verfügung der Anklagekammer des Bundesgerichtes entschieden werden. Für die Bestimmung des Gerichtsstandes innerhalb eines einzigen Kantons sind die kantonalen Vorschriften massgebend.

An den Gerichtsstandsbestimmungen des Strafgesetzentwurfes wurden folgende Abänderungen vorgenommen: 1. Beim Gerichtsstand der Teilnahme (Art. 263) ist auch der Begünstiger erwähnt, da er im geltenden Strafrecht (Art. 18 BStB), im Gegensatz zum Strafgesetzentwurf, noch als Teilnehmer erscheint. 2. Bei den Gerichtsständen der Teilnehmer (Art. 263) und beim Zusammentreffen mehrerer Vergehen (Art. 26-4) ist die Möglichkeit vorgesehen, dass die Anklagekammer des Bundes-

635 gerichts eine getrennte Verfolgung verfügen kann, wenn die Einbeziehung aller Teilnehmer in das Verfahren gegen den Täter oder wenn die einheitliche Beurteilung aller Vergehen desselben Täters zu prozessualen Schwierigkeiten führen würde (Massenprozess, sprachliche Schwierigkeiten). 3. Der Entscheid über den streitigen Gerichtsstand steht aus den bereits erwähnten Gründen der Anklagekammer zu.

Art. 266 regelt in Übereinstimmung mit Art. 155 OG die Einsendungspflicht. Vgl. den Bundesratsbeschluss betreffend Einsendung kantonaler Strafentscheide in Bundesstrafsachen vom 12. Dezember 1927 (A. S. 43, 544) und das bez. Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen vom nämlichen Tage (Bundesbl. 1927, II, 629). Die Entscheide sind unmittelbar der Bundesanwaltschaft einzusenden, die die Rechtsmittel einlegen kann (Artikel 268 f., 270 f.) oder in Verbindung mit andern Aufsichtsorganen des Bundes (Gesundheitsamt usw.) und den kantonalen Behörden für die einheitliche Handhabung der Bundesstrafpolizeigesetze sorgt.

Art. 267 entspricht Art. 157 OG. Von den Bundesgesetzen, die den Bussenanfall anders regeln (Anzeigeranteil), seien erwähnt: Bundesgesetz betreffend die Oberaufsicht über die Porstpolizei vom 11. Oktober 1902 (Art. 46 Ziff. 9), Bundesgesetz betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 (Art. 32 Ziff. 5), Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 (Art. 61).

IV. Kantonale Rechtsmittel.

Wie schon das Organisationsgesetz von 1893 (Art. 158) gibt Art. 268 den Bundesbehörden die Möglichkeit, zur Erreichung einer einheitlichen Rechtsprechung bestimmte kantonale Entscheide selbständig an die obern kantonalen Instanzen weiterzuziehen, und zwar nicht durch ein besonderes bundesrechtliches Rechtsmittel, sondern durch die Rechtsmittel, die das kantonale Recht dagegen zulässt.

Der Entwurf bringt folgende N e u e r u n g e n : 1. Nach Art. 158 OG hat der Bundesrat das Rechtsmittel der Berufung bloss in Straffällen, die er den Kantonen zur Beurteilung überwiesen hat. Der Entwurf zum Organisationsgesetz gewährte dem Bundesrat «im Interesse der richtigen Anwendung bundesgesetzlicher Vorschriften, sowie einer wirksamen Betätigung des Oberaufsichtsrechtes» (Botschaft Bundesbl. 1892, II, 362) das Rechtsmittel auch in den Fällen, wo er Klage erhoben hat oder wo ihm die Urteile regelmässig einzusenden sind. In der Beratung wurde die Berufung auf Delegationsfälle beschränkt, offenbar in der Annahme, dass das Recht der Weiterziehung durch die kantonale Staatsanwaltschaft genüge. J ä g e r nimmt in den Motiven zu seinem Entwurf (S. 99) an, dass die Nichterwähnung dieser Straffälle in Art. 158 auf einem Versehen beruhen müsse, da Art. 161 dem Bundesrat ja auch für diese Fälle die Befugnis gibt, die Kassationsbeschwerde zu ergreifen, die aber illusorisch ist, wenn für ihn das Recht der Weiterziehung an die obere kantonale Instanz nicht besteht. Diese in der Praxis fühlbare

636

Lücke füllt der Entwurf dadurch aus, dass er dem Bundesanwalt das Eecht der Weiterziehung auch in den Straffällen gibt, die nach einem Bundesgesetz oder nach einem allgemeinen Beschluss des Bundesrates (Art. 266) dem Bundesrat einzusenden sind.

2. Die Bechtsmittel des kantonalen Bechts werden der Bundesbehörde in jedem. Falle zugestanden, also auch dann, wenn nach dem kantonalen Becht nur der Angeschuldigte, nicht aber der Staatsanwalt zur Appellation berechtigt ist (Solothurn; Baselstadt in Polizeisachen). Sobald das kantonale Becht das Recht der Weiterziehung zulässt, soll es auch den Bundesbehörden zukommen.

3. Zur Einreichung des kantonalen Rechtsmittels ist der Bundesanwalt und nicht mehr der Bundesrat oder das Justiz- und Polizeidepartement (Artikel 12 Ziff. 9 des Zuständigkeitsbeschlusses) berechtigt. Diese Lösung ist prozessualisch einfacher und staatsrechtlich unbedenklich. Der Bundesanwalt kann schon jetzt selbständig Rechtsmittel einlegen gegen Entscheide der Bundesstrafgerichte und gegen Entscheide der kantonalen Gerichte in Eiskalstrafsachen.

Nach Art. 269 ist das Rechtsmittel bei der nach dem kantonalen Becht hierfür zuständigen Behörde und nicht mehr bei der Kantonsregierung einzureichen, was viele unnötige Kanzleiarbeit verursacht hat.

V. Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts.

Die durch das Organisationsgesetz von 1893 zur Erreichung einer einheitlichen Rechtsprechung in Bundesstrafsachen eingeführte Kassationsbeschwerde und das Kassationsverfahren haben sich bewährt. Der Entwurf bringt denn auch keine grundsätzlichen Abänderungen, sondern lediglich Vereinfachungen und Verbesserungen nach den Erfahrungen der Praxis.

Immerhin wird es sich fragen, ob nach Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches noch ein derart unbeschränktes Rechtsmittel am Platze sein wird oder ob nicht eine Einschränkung erfolgen soll. Zu diesen Fragen kann aber der Entwurf selbst nicht Stellung nehmen.

Art. 270 umschreibt die durch die Nichtigkeitsbeschwerde a n f e c h t baren Entscheide einfacher als das geltende Recht. Das bundesrechtliche Rechtsmittel schliesst sich an 25 verschiedene kantonale Prozessordnungen an. Es ist deshalb für das Bundesrecht schwierig, die anfechtbaren kantonalen Entscheide einheitlich zu bezeichnen. Art. 160 OG spricht von den Endurteilen der kantonalen Gerichte und den Entscheiden der kantonalen 'Überweisungsbehörden in Strafsachen, die nach eidgenössischen Gesetzen zu beurteilen sind. Art. 162 erklärt die Beschwerde zulässig gegen die zweitinstanzlichen, sowie gegen diejenigen Urteile, in bezug auf welche nach der kantonalen Gesetzgebung das Rechtsmittel der Berufung (Appellation), im französischen Text «recours en réforme (appel)», nicht stattfindet und gegen ablehnende Entscheide der letztinstanzlichen kantonalen Überweisungsbehörde.

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Nach dieser Passung war nicht klar, ob die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig sei gegen Entscheide von obern kantonalen Gerichten, die auf einen recours en réforme oder auf ein ähnliches Rechtsmittel hin ergangen sind.

Das Bundesgericht nimmt an, dass kantonale Kassationsentscheide, die bloss über Aufhebung oder Nichtaufhebung des erstinstanzlichen Urteils erkennen, ohne an dessen Stelle zu treten, keine zweitinstanzlichen Entscheide seien, so dass die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das erstinstanzliche Urteil zu richten ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den auf einen recours en réforme ergangenen oberinstanzlichen Entscheid wird dagegen zugelassen, wenn die obern kantonale Instanz selbst ein Urteil fällt, das an Stelle des erstinstanzlichen Erkenntnisses tritt. (BGE 34, I, 800 f.; 50, I, 134 f.; 51, I, 352 f.; 54, I, 370; ferner Entscheid des Kassationshofes i. S. Eavre vom 27. September 1921.)

Der Entwurf lässt nunmehr die Nichtigkeitsbeschwerde gegen alle letztinstanzlichen Urteile in Strafsachen eidgenössischen Rechts zu, also gegen die erstinstanzlichen Entscheide, die nicht dnrch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts an eine obere Instanz gezogen werden können, und gegen alle auf ein solches Rechtsmittel hin ergangenen Entscheide der obern Instanz, gleichgültig, ob diese in der Sache selbst urteilen oder das erstinstanzliche Urteil aufheben und zur bessern Entscheidung zurückweisen.

Bei dieser Lösung fällt für die Parteien die Unsicherheit in der Entscheidung, ob sie gegen den erst- oder den oberinstanzlichen Entscheid die bundesrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde einzureichen haben, weg. Diese Vereinfachung war anch in Art. 204 des Jägerschen Entwurfes vorgesehen. Die Kantone können natürlich nicht gehindert werden, eine Nichtigkeitsklage oder ein ähnliches kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung des materiellen Rechts für die Fälle auszuschliessen, in denen die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben ist (vgl. Art. 828 Ziff. 3 bern. St V). Die mit der Regelung des Entwurfes beabsichtigte Verhütung einer Überflutung des Bundesgerichts mit Nichtigkeitsbeschwerden wird nicht restlos erreicht werden können. Es ist auch zu erwägen, dass die Stellung des eidgenössischen Kassationshofes in der Frage der richtigen Rechtsanwendung freier ist als diejenige
einer kantonalen Kassationsinstanz (z. B. in bezug auf die Schuldfrage).

Der Entwurf verwendet im weitern den Begriff des Endurteils nicht mehr.

Im französischen und italienischen Text des Organisationsgesetzes ist er unrichtig als jugement au fond und sentenza di merito wiedergegeben, während darunter Urteile, die über den Strafanspruch oder über die Strafklage (das Verfahren, die Prozessache) rechtskräftig entscheiden, zu verstehen sind (Näheres bei Weiss, Die Kassationsbeschwerde in Strafsachen eidgenössischen Rechtes, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 13, 113 f., insbesondere 132 f.). Es soll der Praxis überlassen bleiben, zu entscheiden, welche Erkenntnisse über die Prozessache der Rechtskraft unterliegen und als Urteile angesehen werden können (vgl. BGE 25, I, 282 f.: 29, I, 346 f.; Praxis 16. Nr. 179).

Die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde gegen Verwaltungsentscheide, die nicht an die Gerichte weit ergezogen werden können (Art. 174 OG), wurde

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beibehalten, um den Beteiligten die Garantie der gerichtlichen Beurteilung zu geben. Die Gefahr einer Überlastung des Kassationshofes mit solchen Nichtigkeitsbeschwerden scheint uns nach den Erfahrungen seit Inkrafttreten des Lebensmittelpolizeigesetzes und mit Rücksicht auf die Kostenfolge für den unterliegenden Nichtigkeitsklage!' nicht zu bestehen. (A. A. Jäger, S. 105.)

Nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches wird vielleicht gerade hier eine Einschränkung des Rechtsmittels angezeigt sein.

Art. 271 regelt die Legitimation zur Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt. Art. 161 OG ordnete die Legitimationsfrage nicht erschöpfend.

Nach dieser Bestimmung steht das Rechtsmittel der Kassation in den Fällen, in denen die Strafverfolgung vom Antrag des Verletzten abhängig ist, nur den durch die Entscheidung betroffenen Prozessbeteiligten, in den Fällen, wo die Erkenntnisse dem Bundesrat einzusenden sind, auch diesem zu. Von allen übrigen Fällen spricht das Organisationsgesetz nicht, enthält namentlich keine Bestimmung darüber, ob auch der kantonale öffentliche Ankläger und andere Prozessbeteiligte im Verfahren betreffend Offizialdelikte zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt seien. Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung den Kreis der Berechtigten weitgezogen und neben den in Art. 161 erwähnten Beteiligten und dem Bundesrat alle Prozessparteien als legitimiert angesehen: den Angeklagten, die kantonale Staatsanwaltschaft und den Geschädigten, sofern ihm nach kantonalem Recht oder einer besondern bundesrechtlichen Bestimmung Parteirechte zukommen, sei es als Privatstrafkläger, als PopulärMager oder als adhäsionsweise auftretende Zivilpartei (BGE 85, I, 188; 42, I, 400; 43, I, 132; 46, I, 76). Die staatsrechtliche Abteilung des Bundesgerichts will bei Offizialdelikten sogar den beteiligten eidgenössischen Verwaltungen neben dem Bundesrat oder dem Justiz- und Polizeidepartement die Legitimation zuerkennen (BGE 49, I, 285, a. A. Weiss, 148, Anm. 1). Der Entwurf gibt das Recht zur Beschwerdeführung dem Angeklagten, dem öffentlichen Ankläger und bei Antragsdelikten dem Antragsteller. Hierzu kommt die Berechtigung des Bundesanwaltes in Délégations- und einsendepflichtigen Fällen. Aus den bei Art. 268 genannten Gründen ist an Stelle des Bundesrates der Bundesairn alt getreten. Der Geschädigte wird
zur Beschwerdefùhrung im Strafpunkt nicht als berechtigt erklärt, weil er im Strafverfahren einzig seine privatrechtlichen Ansprüche zu wahren hat. Vorbehalten bleibt die Ordnung der Legitimationsfrage in besondern Bundesgesetzen. So erklärt Art. 66 Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 die Unfallversicherungsanstalt zur Einlegurag der Rechtsmittel als berechtigt. Nach der bundesgerichtlichen Praxis sind die Kreisdirektionen der S. B. B. auf Grund der ihnen durch die eidgenössische Eisenbahngesetzgebung (Art. 32 Abs. l des Eisenbahngesetzes von 1872, Art. 35 Ziff. 6 des Eisenbahnrückkaufgesetzes vom 15. Oktober 1897) eingeräumten Stellung als Träger der Bahnpolizei auch zur Einreichung der Kassationsbeschwerde berechtigt, da die der Bahnverwaltung zustehenden polizeilichen Befugnisse sich auch auf die Durchsetzung der Strafansprüche bei den zuständigen Behörden beziehen

639

(B GB 35, I, 187; 46, I, 76). Diese Auslegung ist auch im Kahmen des Entwurfes möglich.

In Art. 272 ist das Recht zur Beschwerdeführung in bezug auf den Zivilpunkt und das Verhältnis der Nichtigkeitsbeschwerde zur Berufung geordnet.

Wie Art. 161 Abs. 2 OG, so sieht auch der Entwurf die Möglichkeit einer Nichtigkeitsbeschwerde in bezug auf den Zivilpunkt -- allein oder in Verbindung mit der Strafsache -- vor. Während das geltende Eecht über die Legitimation nichts sagt, ist nach dem Entwurf der Geschädigte und der Angeklagte hierzu berechtigt. Art. 161 Abs. 2 OG erklärte in seinem Schlussatze die Berufung als ausgeschlossen, wenn der Geschädigte die Kassationsbeschwerde einlegt. Der Entwurf hat diese missverständliche Fassung beseitigt und die Berufung für jede Prozesspartei ausgeschlossen, die die Nichtigkeitsbeschwerde erklärt.

Es steht den Parteien die Wahl zwischen den beiden Eechtsmitteln zu, sofern wenigstens der für die Berufung notwendige Streitwert gegeben ist. Für die Gegenpartei ist dagegen die Beruf ung nicht ausgeschlossen (vgl. BGE 54,1, 298).

Art. 273 enthält die für das Wesen des Bechtsmittels wichtige Bestimmung über die Begründung des Rechtsmittels, die dem Art. 163 OG entspricht.

In den Art. 274--276 ist das bisherige K a s s a t i o n s v e r f a h r e n beibehalten, aber nach den Erfahrungen der Praxis verbessert worden. Neu ist, dass sowohl die Rechtsmittelerklärung als auch die begründende Rechtsschrift bei der kantonalen Instanz einzureichen ist, damit diese die vollständigen Akten dem Kassationshof einsenden kann; die Frist ist auf insgesamt 30 Tage ausgedehnt worden. (So schon Art. 209 und 211 des Jägerschen Entwurfes.) In Anlehnung an die Praxis wurde die Möglichkeit einer nachträglichen Ergänzung der Beschwerdeschrift für den Fall vorgesehen, dass der kantonale Entscheid bloss mündlich eröffnet und erst später in schriftlicher Ausfertigung zugestellt wird. Die Parteien sind oft erst nach Kenntnis der Urteilserwägungen in der Lage, das Rechtsmittel begründen zu können. -- Neu ist auch die Vorschrift, dass die Akten den Parteien vor Einreichung des Rechtsmittels offen zu halten sind. -- Von der Einreichung der Nichtigkeitsbeschwerde des Bundesanwaltes bei der Kantonsregierung (vgl. Art. 165 OG) wurde abgesehen, um unnötige Schreibereien zu verhüten. Nach Art. 275 ist
auch der Behörde, die die Entscheidung erlassen hat, Gelegenheit zur Anbringung von Gegenbemerkungen zu geben. Es handelt sich dabei nicht um eine Rechtfertigung der kantonalen Behörde, was der Natur des Rechtsmittels nicht entsprechen würde. -- Art. 276 ordnet das Verhältnis zwischen den Nichtigkeitsbeschwerden und kantonalen ausserordentlichen Rechtsmitteln gleich wie Art. 170 OG. Unter der kantonalen Kassationsbeschwerde ist eine solche verstanden, die formelle Mängel des kantonalen Verfahrens oder Verletzungen des materiellen kantonalen Rechts rügt.

In Art. 277 sind die Grundsätze des Art. 171 OG über die Stellung des K a s s a t i o n s h o f e s zur Beschwerdeschrift übernommen. Wie das geltende Recht bestimmt der Entwurf, dass der Kassationshof nicht über die Anträge Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. II.

46

640

des Beschwerdeführers hinausgehen darf, aber an die Eechtsbegründung des Eechtsmittels nicht gebunden ist. Eine Bindung an die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Nichtigkeitsgründe wäre eine dem Eechtsmittel nicht entsprechende Einengung, die für den Bürger um so verhängnisvoller wäre, als wir einen Anwaltszwang nicht haben. (Vgl. BGE 52, I, 331.) Neu ist einzig die ausdrückliche Vorschrift, dass das Gericht an eine tatsächliche Feststellung des kantonalen Entscheides dann nicht gebunden ist, wenn sie mit den Akten in Widerspruch steht. Die Aktenwidrigkeit soll natürlich nicht einen selbständigen Kassationsgrund bilden. Es wird lediglich gesagt, dass der Eiehter nicht an aktenwidrige Feststellungen gebunden sein soll. Wo das kantonale Prozessrecht den Eiehter für die Findung seines Urteils einzig auf die mündliche Hauptverhandlung verweist und dabei eine Protokollierung dieser Vorgänge, insbesondere der Zeugenaussagen ausschliesst, darf nicht aus den Voruntersuchungsakten auf Aktenwidrigkeit geschlossen werden (vgl. BGE 54, I, 355 f., Erw. 1). Die bisherige Praxis hat sich nicht mit Bestimmtheit darüber ausgesprochen, ob der Kassationshof Aktenwidrigkeiten nachprüfen dürfe, doch hat sie vorwiegend betont, dass das Gericht an offenkundige Aktenwidrigkeiten nicht gebunden sein könne (vgl. BGE 32, I, 554, Erw. 5, 681, Erw. 6, 693, Erw. 3 und 701, Erw. 1; 34, I, 392; 51, I, 281, Erw. 2; 52, I, 272; 54,1, 355 f.).

Art. 278 bezieht sich auf den Inhalt des Urteils des Kassationshofes.

Der Entwurf hält am bisherigen System der reinen Kassation fest. Der Kassationshof kann also das vorinstanzliche Urteil bloss aufheben und die Sache an das kantonale Gericht zurückweisen, nicht aber selbst freisprechen oder schuldig erklären. Würde dem Kassationshof Urteilsbefugnis übertragen, so müssten auch Bestimmungen über Wiederaufnahme und Eevision aufgenommen werden. Nachdem aber die Verfolgung durch Gesetz oder Beschluss des Bundesrates bzw. des Justiz- und Polizeidepartementes den Kantonen übertragen worden ist, würde eine solche Eegelung zu tief in das kantonale Prozessrecht eingreifen (Art. 64Ms BV). Gleicher Auffassung sind Hafner (Motive zu seinem Entwurf Organisationsgesetz, S. 135), Jäger (105).

Art. 279 betrifft die Eückweisung wegen Nichtnachprüfbarkeit der Gesetzesanwendung und entspricht Art. 173 OG.
In Art. 280 wird eine Lücke des geltenden Eechtes in bezug auf die Kostentragung ausgefüllt. Art. 220 OG enthält einen Ansatz für die Gerichtsgebühr beim Kassationshof und bestimmt im weitern: «Bezieht sich die Kassationsbeschwerde ausschliesslich auf den Zivilpunkt, so sind die Gebühren von der unterliegenden Partei zu bezahlen.» Nach Art. 183 BStP sind die Prozesskosten dem verurteilten Angeklagten aufzuerlegen. Für die Kassation in bezug auf Urteile der1 Bundesassisen und Beschlüsse der Anklagekammer bestimmt Art. 156 BStP, dass beim Zuspruch der Kassationsbeschwerde der Bund alle Kosten zu tragen habe, die seit der Handlung, die die Kassation veranlasste, entstanden sind, andernfalls der Beschwerdeführer, der im weitern zu einer Busse bis zu Fr. 200 (Sukkumbenzgeld) verurteilt werden kann.

641 Diese Begelung war für den Kassationshof ungenügend. Die Praxis ist darüber hinweggegangen. Bei Antrags- und Privatstrafdelikten (gewerbliches und geistiges Urheberrecht, Markenrecht) werden die bei der zivilrechtlichen Berufung geltenden Kostenbestimmungen angewendet und zwar sowohl für die Gerichtskosten als auch für die Parteientschädigung. Schwankend ist die Praxis der Kostenverteilung in den Fällen, wo die Kassationsbeschwerde des Bundesanwaltes oder eines kantonalen Staatsanwaltes abgewiesen oder die Beschwerde des Verurteilten gutgeheissen wird. In Fiskalstrafsachen wurden früher dem Bunde, wenn er unterlag, Kosten und oft auch Parteientschädigungen auferlegt.

Später wurden die Kosten auf die Gerichtskasse übernommen. Die neuere Praxis neigt eher zur Überbindung der Kosten an den Bund. Ähnlich ist die Eechtsprechung bei den Bundesstrafpolizeigesetzen. Den kantonalen Behörden, die mit der Kassationsbeschwerde unterlagen, wurden früher regelmässig Kosten auferlegt. Seit mehreren Jahren ist die Praxis schwankend.

Art. 280 regelt die Kostentragung im Xicbtigkeitsverfahren gegen Entscheide kantonaler Behörden gleich wie Art. 246 im Kassationsverfahren gegen Entscheide der Bundesstrafgerichte. Grundsätzlich hat die unterliegende Partei die Kosten zu bezahlen. Von einer Kostenauflage an die Bundeskasse oder die kantonale Staatskasse oder unmittelbar an die Bundesanwaltschaft oder an eine kantonale Staatsanwaltschaft wird abgesehen, weil die letztern Behörden ausschliesslich im öffentlichen Interesse die Strafsache an den Kasäationshof weiterziehen. Die gleiche Auffassung vertrat H a f n e r in seinem Entwurf (Art. 146. Motive S. 159). Anders Jäger (Art. 279, Motive S. 134). Für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung angeordnet wird, kann dem Angeklagten, Geschädigten oder Antragsteller eine Entschädigung aus der Gerichtskasse zugesprochen werden. Ist einzig der Zivilanspruch Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde, so hat die unterliegende Partei die Entschädigung zu bezahlen.

Für die Kostenregelung im Fiskalstrafverfahren vgl. Art. 815.

IV. Teil.

Das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze, I. Vorbemerkung.

Die E e f o r m b e d ü r f t i g k e i t des Bundesgesetzes betreffend das Verfahrea bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. JunL 1849 (FStP) steht ausser Frage. Dieses älteste Bundesstrafprozessgesetz ist in vielen Teilen veraltet. Es ist in bezug auf die Untersuchung und Entscheidung der Verwaltung sowie den Vollzug von neuern Fiskalgesetzen abgeändert worden, insbesondere durch das Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 4. Oktober 1917 (A. S. 34, 59), die zudienende Vollziehungsverordnung vom 20. Februar 1918 (A. S. 34, 247), das Bundesgesetz betreffend die Stempelabgabe auf Coupons vom 25. Juni 1921 (A. S. 37, 697), das Bundesgesetz, über das Zollwesen (ZG) vom 1. Oktober 1925 (A. S. 42, 287) und die zudienende Vollziehungsverordnung (ZV) vom 10. Juli 1926 (A. S. 42, 339). Einschnei-

642 dende Änderungen in bezug auf die Entscheidung über die Abgabe-, Monopol- und Begalpflicht hat endlich das Bundesgesetz über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege vom 11. Juni 1928 (A. S. 44, 779) gebracht. -- Als schweren Fehler empfand die Praxis die Lückenhaftigkeit in der Eegelung des gerichtlichen Verfahrens. Dieses Verfahren ist in einem einzigen Artikel geregelt. Es ist deshalb nicht zu verwundern, dass das Gesetz Mühe hatte, in den Kantonen durchzudringen und noch heute auf Schwierigkeiten stösst. -- Das Fiskalstrafgesetz ist auch gesetzestechnisch mangelhaft.

Der Bundesrat hat schon im Jahre 1853 die Notwendigkeit einer Eevision anerkannt (Bundesbl. 1854, I, 51, 137; Leo Weber, Die Entwicklung der Bundesstrafgeriehtsbarkeit, Schweizerische Zeitschrift für Strafreeht l, 371 f.)

In seinem Geschäftsbericht für das Jahr 1892 weist das Bundesgericht auf die Eeformbedürftigkeit des 3. Abschnittes des PStP (gerichtliches Verfahren) hin und bemerkt : « . . . dass es namentlich sehr wünschbar wäre, dass über die Anhängigmachung derartiger Strafsachen, in welchen der Angeklagte die gerichtliche Beurteilung verlangt, bei den kantonalen Gerichten, über die Vertretung der Bundesverwaltung und die Eechte ihrer Vertreter vor diesen Gerichten einheitliche bzw. klarere Vorschriften als die gegenwärtig in Kraft bestehenden erlassen würden. Auch bezüglich der Kassationsgründe lässt das Gesetz nicht nur an Zweckmässigkeit, sondern auch an Klarheit zu wünschen übrig, so dass sich, trotz seines mehr als 40jährigen Bestandes, keine feste Praxis über seine Auslegung und Anwendung hat bilden können.» (Bundesbl.

1893, II, 341.)

Die Einbeziehung der Eevision des Eiskaistrafverfahrens in den vorliegenden Entwurf ist gegeben, da er alle bundesrechtlichen Bestimmungen strafgerichtsorganisatorischen und strafprozessualen Inhalts vereinigt, und weil trotz der selbständigen Natur des Fiskalstrafprozesses doch Beziehungen zwischen dem Bundesstrafverfahren und dem Eiskaistrafverfahren bestehen (vgl. Art 310, 314).

Der E n t w u r f ordnet das Eiskaistrafverfahren in 7 Abschnitten: 1. Allgemeine Bestimmungen; 2. Die Untersuchung der Verwaltung; 3. Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde; 4. Das gerichtliche Verfahren; 5. Die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht; 6. Die Vollziehung von
Strafverfügungen und von Straf urteilen ; 7. Die Kosten. Das administrative Vorverfahren ist ausgestaltet und verbessert worden, namentlich auch durch Schaffung von Schutzbestimmungen für den Beschuldigten. Den besondern Bedürfnissen einzelner Verwaltungen ist Eechnung getragen worden durch den Vorbehalt der in einigen Fiskalgesetzen enthaltenen prozessualen SpezialVorschriften.

Besonders geregelt wurde das Verhältnis der Verwaltungsgerichtsentscheide zu den Urteilen der Gerichte. Der Entwurf bringt namentlich ein einheitliches gerichtliches Verfahren und ordnet die Ergänzung dieser Bestimmungen durch das kantonale Eecht oder das vorliegende Bundesstrafverfahren. Der Wahrung der Interessen des Beschuldigten ist in hohem Masse Eechnung getragen worden.

643

U. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 281 ordnet das A n w e n d u n g s g e b i e t des Fiskalstrafverfahrens.

Der Entwurf hebt die im geltenden Gesetz enthaltene Generalklausel (K ... und anderer fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze »), die zu vielen Schwierigkeiten Anlass gab, auf und zählt die Fiskalgesetze, deren Übertretungen nach seinen Bestimmungen verfolgt werden sollen, einzeln auf. Selbstverständlich bleibt es spätem Fiskalgesetzen vorbehalten, das Strafverfahren nach dem vorliegenden Fiskalstrafprozess zu richten. Bei den hier aufgezählten sieben Fiskalgesetzen ist noch eine Ausnahme zu machen, indem die Ordnungsverletzungen nicht nach dem besondern Fiskalstrafverfahren verfolgt werden (vgl. Art. 104 f. ZG, Art. IX des Anhanges zum B G über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege).

Art. 281 behält die in den Fiskalgesetzen und ihren Ausfuhrungsverordnungen enthaltenen besondern Verfahrensbestimmungen ausdrücklich vor.

Wie der gegenwärtige Eechtszustand zeigt, entspricht es den praktischen Bedürfnissen am besten, wenn das allgemeine Gesetz die Grundsätze des administrativen Fiskalstrafverfahrens aufstellt, insbesondere Schutzbestimmungen für den Beschuldigten schafft, dagegen die Ausführung der grundsätzlichen Bestimmungen und die Einzelheiten, die sich aus den Besonderheiten der Verwaltungsabteilungen oder der Verschiedenartigkeit der Widerhandlungen ergeben, den Fiskalgesetzen überlässt. Eine vorläufige Festnahme muss z. B.

bei der Verfolgung von Zollvergehen vorgesehen werden (Art. 90 ZG), während eine solche Massregel bei Verletzung des Postregals nicht in Frage kommen kann. Die Vollziehungsverordnung zum Stempelgesetz lässt ein verschiedenes administratives Untersuchungsverfahren zu, je nachdem eine Anzeige von Poststellen, Notaren oder Protestbeamten ausgeht oder ein Beamter der Bundesverwaltung bei der Überprüfung der Abgabedeklaration oder ein Beamter der Steuerverwaltung bei der Prüfung der Stempelregister oder der Geschäftsbücher im Betriebe einer abgabepflichtigen Bank die Übertretung wahrnimmt. Die im Fiskalstrafverfahren vorgesehene Protokollaufnahme findet nur in den letztgenannten Fällen statt, während in den übrigen Fällen der sich aus der Anzeige ergebende Tatbestand auf einem Formular kurz umschrieben und dem Beschuldigten zur Rückäusserung
durch die Post zugestellt wird, unter Beilage eines Posteinzahlungsscheines. Es besteht kein Grund, für die kleinen Stempelvergehen dieses vereinfachte Verfahren aufzugeben. -- Andere Besonderheiten einzelner Fiskalgesetze betreffen den Verleideranteil, die Verjährungsfristen, die Nichtumwandlung der Bussen, die Haftung Dritter. Diejenigen Besonderheiten der einzelnen Fiskalgesetze, die auf das alte Fiskalstrafprozessgesetz zurückzuführen sind, werden durch den Entwurf aufgehoben und ersetzt.

Art. 282 enthält eine allgemeine Bestimmung über das Anzeigeverfahren. Die Anzeige ist der geschädigten Verwaltung einzureichen, entweder direkt oder durch Mitteilung an eine kantonale Polizeistelle. Der erste Absatz

644

bezieht sich auf die Anzeige von Privaten, der zweite Absatz auf die Anzeige von Beamten und Angestellten der Bundesverwaltung und der kantonalen Polizei. Eingehendere Bestimmungen über das Anzeigeverfahren enthalten die Vollziehungsverordnungen zum Stempelgesetz (Art. 111) und zum Zollgesetz (Art. 116), sowie die Ausführungsbestimmungen zum Postverkehrsgesetz vom 10. Juni 1925 (Ziff. 911). In einzelnen Fiskalgesetzen und ihren Vollziehungsverordnungen ist der Kreis der anzeigepflichtigen Beamten noch erweitert (vgl. Art. 6 des Stempelgesetzes,, Art. 81 der Vollziehungsverordnung zum Alkoholgesetz).

Art. 283 bezieht sich auf die sachliche Zuständigkeit zur Beurteilung der Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze. Die Verwaltung ist zuständig, wenn nicht auf Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Diese Bestimmung ist zu ergänzen durch die Vorschriften einzelner Fiskalgesetze über die nähere Zuständigkeitsordnung, insbesondere über die Übertragung der Beurteilung von geringern Übertretungen an die den Departementen unterstellten Behörden (vgl. Art. 91 ZG, Art. 65 des Postverkehrsgesetzes, Ziff. 910 der zudienenden Ausführungsbestimmungen, Art. 44 des Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetzes, Art. 87 der Vollziehungsverordnung zum Alkoholgesetz, Art. 114 der VollziehungsVerordnung zum Stempelgesetz). Vorbehalten bleibt die Befugnis des Beschuldigten, die gerichtliche Beurteilung zu verlangen oder gegen die Entscheidung über die Abgabepflicht die Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu ergreifen (Art. 300 und 301). Erachtet das beteiligte Departement die Voraussetzungen zur Verhängung einer Gefängnis- oder Haftstrafe für gegeben, so überweist es die Akten dem zuständigen kantonalen Gericht. Es kann nicht Aufgabe einer Bundesverwaltungsbehörde sein, Freiheitsstrafen zu verhängen. So auch § 419 der deutschen Strafprozessordnung. Die Bestimmung des Art. 87 der Vollziehungsverordnung zum Alkoholgesetz, wonach der Bundesrat zur Verhängung von Gefängnisstrafen zuständig ist, wird dahinfallen (vgl.

Art. 344). Es steht dem Bundesrat, wie bisher, frei, Bundesfiskalstrafsachen dem Bimdesstrafgericht zu übertragen, gleichgültig, ob eine Gefängnisstrafe oder eine Busse in Frage kommt. Vgl. Art. 15 Abs. 3 des Entwurfes.

Art. 284, der von den Funktionen des B u n d e s a n w a l t e s im gerichtlichen Fiskalstrafverfahren
handelt, entspricht Art. 19 des geltenden Fiskalstrafprozesses.

Art. 285 enthält eine besondere eidgenössische G e r i c h t s s t a n d s bestimmung, die namentlich für die Fälle Bedeutung hat, wo der Begehungsort und der Wohnort in verschiedenen Kantonen liegen. Es bedeutet für den Beschuldigten eine Kosten- und Zeitersparnis, wenn er nicht, wie im geltenden Eecht, bloss am Begehungsort, sondern nach Wahl der Verwaltung auch am Wohnort belangt werden kann. Vgl. Art. 96 ZG. Eine besondere Gerichtsstandsbestimmung für die im Ausland begangenen Übertretungen erschien nicht als notwendig, weil es sich hierbei meistens um Zollvergehen handelt, für die Art. 96 ZG und 129 ZV massgebend sind, und weil nach allgemeiner

64S

Auffassung die Tat sowohl dort begangen ist, \vo der Täter gehandelt hat, als auch dort, wo der Erfolg eintritt.

Art. 286 regelt die Verfolgungs- und Art. 287 die Vollstreckungsv e r j ä h r u n g im Anschluss an die Art. 83 und 84 ZG und Art. 67 f. des Strafgesetzentwurfes. Nach Art. 20 des geltenden Eechts verjährte das Verfahren: «a. nach Ahlauf von einem Jahre seit der Begehung, wenn die Übertretung nicht entdeckt worden; b. nach vier Monaten, vom Tage an gerechnet, an welchem das Protokoll oder der Bericht erstattet worden ist, wenn die Klage während dieser Frist bei dem kompetenten Gericht nicht angebracht wird.» Diese Frist erwies sich als zu kurz, namentlich in den Fällen, wo gegen den Entscheid über die Abgabepflicht bei der obern Verwaltungsbehörde Beschwerde erhoben wurde, so dass die administrative Untersuchung mitunter auf Kosten der Gründlichkeit beschleunigt w'erden musste. Eine Bestimmung über die Unterbrechung und über die Vollstreckungsverjährung fehlte.

Die abweichende Eegelung der Verjährung in Art. 59 des Stempelgesetzes bleibt gem. Art. 281 vorbehalten.

m. Die Untersuchung der Verwaltung.

Der Entwurf sieht, wie das geltende Eecht und die Fiskalgesetzgebung vieler Staaten, das a d m i n i s t r a t i v e S t r a f a n k ü n d i g u n g s v e r f a h r e n vor. Die Verwaltung ermittelt in einem kurzen Untersuchungsverfahren den Tatbestand, sichert die Ansprüche des Fiskus und erlässt, wenn der Tatbestand einer Übertretung festgestellt ist, eine Straf verfugung, unter Vorbehalt der gerichtlichen Beurteilung und der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Abgabepflicht im Falle der Nichtunterziehung des Beschuldigten (Art. 300 und 301). Die Fiskalubertretung ist nicht eine eigentliche Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung, sondern die Nichterfüllung einer im Fiskalgesetz zur Erreichung von Finanzzwecken aufgestellten Verbindlichkeit. Der Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit erhält hier eine besondere Bedeutung. Auf diese Natur der Übertretung ist die Besonderheit des Verfahrens in erster Linie zurückzuführen. Das administrative Strafankündigungsverfahren bietet sowohl für den Staat als auch für den Beschuldigten Vorteile. Die Untersuchung der Piskalubertretungen setzt die Kenntnis der Gesetze, Verordnungen und Réglemente, sowie des ganzen Verwaltungsganges voraus. Über
diese Kenntnis verfügen die kantonalen Polizeiorgane nicht. Die Durchführung der Untersuchung und der Erlass einer Strafverfolgung bedeutet zudem eine grosse Entlastung der Gerichte. Die Zahl der Fiskalubertretungen geht in die Tausende, wovon die Gerichte nur einen verschwindend kleinen Teil zu beurteilen haben. Für den Beschuldigten würde es eine grosse Härte und ein kostspieliges Verfahren bedeuten, wenn wegen einer Fiskalübertretung ohne weiteres ein Verfahren vor dem Strafrichter durchgeführt werden musste.

In diesem Unterabschnitt wird die Untersuchung der Verwaltung geregelt. Der Entwurf begnügt sich, wie das geltende Recht, mit der Aufnahme

646

von Bestimmungen über den Zweck der Untersuchung, die Unterstützung durch die kantonale Polizei, die Protokollaufnahme, die besondern Untersuchungsmassnahmen (Beschlagnahme, Durchsuchung, Gewaltanwendung bei Widerstand) und die Anerkennung des Straftatbestandes. Nähere Vorschriften über das Untersuchungsverfahren enthalten die Vollziehungsverordnung zum Zollgesetz (Art. 117 f.), zum Alkoholgesetz (Art. 81 f.) und zum Stempelgesetz (Art. 111 f.), sowie die Ausführungsbestimmungen zum Postverkehrsgesetz (Ziff. 912 f.).

Art. 288 umschreibt im ersten Absatz den Zweck der Untersuchung: Erforschung des Sachverhaltes und Sicherung des Beweises. Als Mittel der Erforschung nennt der Entwurf nur die besondern Massnahmen der Art. 290 f.

ausdrücklich. Andere Beweismittel, wie Zeugen und Sachverständige, gelten selbstverständlich auch hier. Nach dem zweiten Absatz haben die Beamten und Angestellten der kantonalen Polizei die Bundesverwaltung in ihren Ermittlungen zu unterstützen. Eine Mitwirkung der übrigen Bundesverwaltungszweige und der kantonalen Polizei ist im Postverkehrsgesetz (Art. 66), Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetz (Art. 45), im Zollgesetz (Art. 139, 140) und in der Yollziehungsverordnung zum Alkoholgesetz (Art. 81 f.) und zum Zollgesetz (Art. 117) für das ganze Untersuchungsverfahren vorgesehen. Die Bezeichnung des Beamten, der die Untersuchung durchzuführen hat, ist der Organisation der beteiligten Verwaltung überlassen.

Art. 289 regelt die Protokollierung der Untersuchungshandlungen, also der in Art. 290--293 besonders genannten, wie auch anderer Untersuchungsmassnahmen (Zeugeneinvernahme, Augenschein). Es handelt sich um die Spezialprotokolle über Untersuchungsmassnahmen, Im Gegensatz hierzu ordnet Art. 294 das Strafprotokoll, das nach Abschluss der Untersuchung das Vorliegen einer Fiskalübertretung rechtsförmlich feststellt. Ein solches Strafprotokoll ist auch die im Schlussabsatz des Art. 289 erwähnte Tatbestandsfeststellung. die stattfindet, wenn keine besondern Untersuchungshandlungen notwendig sind, wie bei den zahlreichen kleinern Stempelvergehen und Verletzungen des Post-, Telegraphen- und Telephonregals. Diese Tatbestandsfeststellung entspricht dem Bericht des Art. 3 PStP. (Vgl. Art. 111 der Vollziehungsverordnung zum Stempelgesetz, Ziff. 916 der Ausführungsbestimmungen zum
Postverkehrsgesetz.)

Die Protokollaufnahme ist im geltenden Recht höchst unklar geordnet, so dass in der Praxis viele Schwierigkeiten entstanden sind. Das Gesetz hält die Spezialprotokolle über die einzelnen Untersuchungshandlungen und das Schlussprotokoll nicht auseinander. (Vgl. Art. 2 Abs. 8 und 4; 4, 7,17, Abs. 8, 20, lit. 6.) Nach Auffassung des Bundesgerichts handelt es sich um ein einheitliches Protokoll über die Durchführung der besondern Untersuchungshandlungen und über die rechtsförmliche Feststellung einer entdeckten Fiskalübertretung (BGE 18, Nr. 110; 22, Nr. 74, Erw. 4; 32, I, Nr. 19, Erw. 4; Irene Steiner, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtes in Zollsachen, Vierteljahresschrift für schweizerisches Abgaberecht, Bd. 4, S. 291, 292). Die gleiche'Auffassung

647

enthalten die Vollziehungsverordnung zum Alkoholgesetz (Art. 85 lit. e und h) und die Ausführungsbestimmungen zum Postverkehrsgesetz (Ziff. 914 lit. d, f, g). Die Zollverordnung (Art. 117 f., 122) hält dagegen, wie der vorliegende Entwurf, die Spezialprotokolle über die einzelnen Untersuchungshandlungen und das Strafprotokoll auseinander. Bei der Annahme, dass der Begriff des Protokolls in den erwähnten Bestimmungen des Fiskalstrafprozesses identisch sei, war namentlich der Zeitpunkt der Aufnahme des Protokolls und der Beginn der Verjährung streitig (vgl. die bei I. Steiner angeführten nichtpublizierten Entscheide des Bundesgerichts). Schwierigkeiten entstanden auch daraus, dass das Gesetz den Unterschied zwischen Protokoll und Bericht nicht feststellte. -- Ferner gab die Frage der Wirkung des formrichtig aufgenommenen Protokolls Anlass zu Meinungsverschiedenheiten. Nach Art. 7 FStP bilden die rechtsförmlichen Protokolle und Berichte vollen Beweis für ihren Inhalt bis zum Beweis des Gegenteils. Nach Art. 17 lässt aber das Gericht den Gegenbeweis nur insoweit zu, als der Beschuldigte das Protokoll bei dessen Abfassung nicht als richtig anerkannt hat; andernfalls gestattet das Gericht die Herbeischaffung von andern Beweismitteln und die Abhörung von Zeugen, wenn dem Protokoll eine der gesetzlich oder reglementarisch vorgeschriebenen Bedingungen fehlt oder wenn der Übertreter mildernde Umstände beweisen will oder wenn er eine förmliche Klage auf Fälschung anbringt. Die privilegierte Beweiskraft der Protokolle bezieht sich nach der bundesgerichtlichen Praxis nur auf die sinnlichen Wahrnehmungen des protokollierenden Beamten selbst (vgl. die bei I. Steiner mitgeteilten Entscheide). Nicht formgerechte Protokolle sind trotz Art. 4, der sie als nichtig erklärt, in der Praxis gemäss Art. 7 Abs. 2 als gewöhnliche Beweismittel, ohne die privilegierte Beweiskraft öffentlicher Urkunden, anerkannt worden.

Durch die Eegelung des E n t w u r f e s sind diese und andere Schwierigkeiten behoben worden, insbesondere mit der Auseinanderhaltung der Spezialprotokolle und des Feststellungsprotokolls und dem Wegfall der privilegierten Beweiskraft der Protokolle. Über den letzten Punkt ist noch zu bemerken: Art. 305 bestimmt für das gerichtliche Verfahren, dass die Akten der Verwaltung als Beweismittel dienen, dass das
Gericht von sich aus oder auf Antrag der Parteien die Aufnahme weiterer Beweise anordnen könne und dass es die Beweise frei würdige. Damit ist die gesetzliche Vermutung der Eichtigkeit der Protokolle weggefallen; nachdem Art. 251 den kantonalen Gerichten für die Beurteilung der ordentlichen Bundesstrafsachen die freie Beweiswürdigung vorschreibt, kann nicht für die Entscheidung der Fiskalstrafsachen eine gesetzliche Vermutung aufgestellt werden. Ein formrichtiges Protokoll verdient aber auch nach der freien Beweiswürdigung vollen Glauben, sofern nicht bestimmte Umstände dagegen sprechen und eine Beweisergänzung nötig machen. Diese Eegelung dürfte den Bedürfnissen der Eechtsprechung und der Verwaltung genügen. Durch die strengen Vorschriften für die Protokollaufnahme soll die Glaubwürdigkeit des Inhalts sichergestellt werden. Eine sorgfältige Protokollierung liegt im Interesse des Angeschuldigten, zumal im Fiskalstrafver-

648 fahren, wo die Protokolle bei der administrativen Strafverfügung und bei der gerichtlichen Entscheidung von grundlegender Bedeutung sind.

Art. 290 verdeutlicht die bisherigen Bestimmungen des Art. 2 FStP über die Beschlagnahme. Als Objekt der Beschlagnahme nennt der Entwurf: die Beweisgegenstände (z. B. Geschäftsbücher), die Gegenstände der Übertretung (z. B. die Schmuggelware) und die Mittel der Übertretung (z. B.

die Transportmittel). Die im geltenden Recht enthaltene Einschränkung: «ausgenommen, wenn man sich zu diesem Zwecke eines dem Bunde angehörenden Gegenstandes bedient hat» wurde als überflüssig gestrichen. Voraussetzung der Beschlagnahme ist die Notwendigkeit zur Beweissicherung, zur Verhinderung neuer Übertretungen (letzteres namentlich wichtig bei verbotenen Radiostationen) und zur Sicherung von Busse und Kosten. Der Beschlagnahme unterliegen nicht nur Gegenstände des Beschuldigten, sondern auch solche, die im Eigentum Dritter stehen oder an denen Pfandrechte bestehen. Massgebend für die Beschlagnahme sind einzig die Beziehungen des Gegenstandes zur Übertretung. Eine Möglichkeit der Vindikation für den Dritteigentümer ist in den Art. 317 und 318 enthalten. -- Die Beschlagnahme steht im engsten Zusammenhang mit der Verwertung. Siehe die Art. 316--318.

Als formelle Voraussetzung der Beschlagnahme nennt der Entwurf die Beiziehung des Beschuldigten, der mitverantwortlichen Person, sowie eines Richters, Bezirks- oder Gemeindebeamten. Diese Amtspersonen haben darüber zu wachen, dass sich die Beschlagnahme nicht von ihrem Zweck entfernt. Im Gegensatz zum geltenden Recht ist aber die Beiziehung der Amtspersonen nicht mehr als unbedingtes Erfordernis aufgestellt. In geringfügigen Fällen, wie auch bei Verzicht des Beschuldigten darf von der Beiziehung Umgang genommen werden. (Vgl. auch Art. 72 und 291.) Selbst auf die Beiziehung des Beschuldigten und der mitverantwortlichen Person (siehe die Ausführungen hierüber bei Art. 296) darf verzichtet werden, wenn sie auf besondere Schwierigkeiten stossen würde (Abwesenheit).

Die weitergehenden Bestimmungen der Zollverordnung (Art. 119) über die Beschlagnahme bleiben gemäss Art. 281 vorbehalten.

Die in den Art. 291 und 292 geordnete Hausdurchsuchung spielt namentlich bei der Verfolgung von Zollvergehen, von Übertretungen des Alkoholgesetzes,
sowie bei der unerlaubten Einrichtung von Radiostationen eine grosse Rolle. Gegenüber dem bisherigen Recht sind folgende materiellen Neuerungen hervorzuheben : Die Beiziehung der Amtspersonen kann mit Zustimmung des Beschuldigten, der mitverantwortlichen Person und des Inhabers der Wohnung unterbleiben. Vgl. Art. 72 des Entwurfs, Art. 88 ZG.

Zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit des Haussuchungsprotokolls wird die sofortige Aufnahme verlangt. Die zum Schutze des Beschuldigten in Art. 73 aufgenommene Vorschrift für die Durchsuchung von Papieren wird hier wiederholt. Weggelassen ist die Bussandrohung gegen den Missbrauch des Haussuchungsrechtes, in der Annahme, dass die Bestimmungen des Veraritwortlichkeitsge^etzes genügen.

6-49 Die weitergehenden Bestimmungen des Zollgesetzes (Art. 88) und der Zollverordnung (Art. 118) sind vorbehalten.

Art. 293 sieht, wie Art. 6 FStP, zur Sicherung der Durchführung von Beschlagnahme und Haussuchung das Eecht zur Gewaltanwendung im Falle von Widerstand vor.

Art. 294 behandelt Aufnahme, Inhalt und Eröffnung des S t r a f p r o t o kolls. Das Straf-, Schluss-oder Feststellungsprotokoll steht im Gegensatz zu den in Art. 289 erwähnten Spezialprotokollen über einzelne Untersuchungshandlungen. Das Strafprotokoll stellt den durch die Untersuchung ermittelten Tatbestand der Fiskalübertretung fest. Um die Glaubwürdigkeit dieses Protokolls und die rasche Durchführung des Verfahrens sicherzustellen, wird die Abfassung innerhalb 48 Stunden nach Abschluss der Untersuchung verlangt. Im Gegensatz zum Fiskalstrafprozessgesetz schreibt der Entwurf ausdrücklich vor, dass dem Beschuldigten vom Strafprotokoll Kenntnis zu geben und ihm die auf die Übertretung angedrohte Strafe mitzuteilen ist. Die Eröffnung des Strafprotokolls ist auch in Art. 122 ZV vorgesehen. Die Kenntnis des Tatbestandes und der Strafandrohung ist für den Beschuldigten namentlich beim Entschluss, ob er sich der zu erwartenden Strafverfügung unterziehen soll, wichtig.

IV. Die Entsclieidtrng der Verwaltungsbehörde.

Art. 295 enthält eine allgemeine Bestimmung über die Entscheidung der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e . In diesem Gesetze kann die zuständige Behörde nicht bezeichnet werden. Vgl. die Ausführungen zu Art. 283. Über die Strafverfügung enthalten die Art. 296 f. eingehende Bestimmungen. Liegt der Tatbestand einer Übertretung nicht vor, so wird die Untersuchung eingestellt.

Diese Dahinstellung hat nicht die Bechtskraft einer Freisprechung, so dass die Untersuchung bei neuen Verdaohtsgründen ohne weiteres wieder aufgenommen werde kannn.

Art. 296 regelt Inhalt und Eröffnung der S t r a f v e r f ü g u n g .

Die Strafverfügung hat in jedem Falle festzustellen: die Tat, die anzuwendende Strafbestimmung, die Strafe und die besondern Massnahmen (z. B.

Einziehung, Nachlass), sowie die Kosten. Hierzu kommt die solidarische Haftung Dritter, sofern sie in dem zur Anwendung kommenden Gesetze vorgesehen ist, und unter der gleichen Voraussetzung die Angabe des geschuldeten Abgabebetrages.

Über die S o l i d a r h a f t u n g D
r i t t e r ist zu bemerken: Art. 24 FStP sieht eine Verantwortlichkeit der Ehemänner und Eltern hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen für Ehefrau und Kinder vor, insofern nachgewiesen wird, dass sie das Aufsichtsrecht nicht gehörig ausgeübt haben.

Eine weitgehende Solidarhaft für Bussen, Ersatzgeldstrafen und Kosten besteht nach Art. 9 und 100 ZG für den Dienstherrn und das Familienhaupt. Auch nach Art. 27 des Alkoholgesetzes sind die Geschäftsinhaber für die ihren Angestellten auferlegten Geldstrafen persönlich und solidarisch haftbar, wenn sie nicht

650 nachweisen, dass sie alle erforderliche Sorgfalt angewendet haben, um die Übertretung zu verhüten. Art. 55 des Stempelgesetzes sieht eine Solidarhaft der juristischen Personen und Handelsgesellschaften vor. Der Entwurf stellt eine Solidarhaft Dritter nicht auf. Es ist Sache des materiellen Fiskalstrafrechts, d. h. der einzelnen Fiskalgesetze und nicht des Verfahrens, zu entscheiden, ob eine Mithaftung von Drittpersonen für die vermögensrechtlichen Folgen des Straferkenntnisses notwendig sei. Das Fiskalstrafverfahren hat lediglich die prozessrechtliche Stellung einer solchen mitverantwortlichen Person zu ordnen.

Der vorliegende Artikel bestimmt deshalb in erster Linie, dass die Schuldpflicht der solidarisch mithaftenden Drittpersonen in der Strafverfugung festgestellt werden muss. Diese Feststellung ist notwendig, damit die Verwaltung gestützt auf eine unangefochtene Strafverfügung Vollstreckung verlangen kann und die Drittpersonen Gelegenheit haben, die Feststellung der Mithaftung anzufechten.

Der Entwurf gibt ihnen sowohl die Beschwerde an das Verwaltungsgericht als auch die Einsprache, d. h. die Befugnis, die gerichtliche Beurteilung zu verlangen (Art. 300 und 301). Er anerkennt sie im gerichtlichen Verfahren als Partei (Art. 302 f.) und gesteht ihnen sogar in der administrativen Untersuchung gewisse Eechte zu (Art. 290, 291, 297, 300, 301). Das Zollgesetz gibt dem Mithaftenden bloss die Beschwerde gegen die Feststellung (Art. 100 Abs. 4), weil die Mithaftung keine strafrechtliche, sondern ausschliesslich eine verwaltungsrechtliche sei, und weil die Beschwerde an die Zollverwaltungsbehörden zur Wahrung der Interessen des Mithaftenden genüge (vgl. Blumenstein, Die subjektive Seite der Zollhaftung im schweizerischen Eecht, S. 11). Die deutsche Eeichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 gibt den Mithaftenden als Nebenbeteiligten im administrativen Strafverfahren Gelegenheit, ihre Interessen wahrzunehmen (§408), und die Befugnis, auf gerichtliche Entscheidung anzutragen (§ 420). Wenn auch die mitverantwortlichen Personen an der Übertretung selbst nicht beteiligt sind und deshalb nicht als Beschuldigte in Betracht kommen, so treffen sie doch die vermögensrechtlichen Folgen der administrativen Strafverfügung und des gerichtlichen Urteils. Die ihnen vom Entwurf zuerkannten Parteirechte sind deshalb
gerechtfertigt. Die Sonderregelung des Zollgesetzes bleibt gemäss Art. 281 vorbehalten.

Über die Angabe des A b g a b e b e t r a g e s ist zu bemerken: Die Strafverfügung hat an sich einzig die Übertretung und die Strafsanktion, nicht aber die geschuldete Abgabe festzustellen. Die Feststellung des Betrages der geschuldeten Abgabe bildet allerdings bei den Übertretungen, die in der Nichtentrichtung einer Abgabe liegen, die Grundlage für das Straferkenntnis, nicht aber einen Bestandteil der Strafverfügung selbst. Sie bildet eine besondere Verfügung, gegen die sich denn auch einzig die Beschwerde an das Verwaltungsgericht richtet. Eine solche selbständige, der Strafverfügung vorgängige Festsetzung der geschuldeten Abgabe ist nur im Zollgesetz (Art. 101 Abs. 3) und im Stempelgesetz (Art. 8 rev.) ausdrücklich vorgesehen. Das Alkoholgesetz enthält in den Strafbestimmungen die Vorschrift: «Ausser der Busse haben die Übertreter auch die dem Staate unterschlagene Summe zu

651 bezahlen.» Die geschuldete Abgabe ist in der Strafverfolgung nur anzugeben, -wenn ein Fiskalgesetz dies besonders vorsieht.

Der zweite Absatz handelt von der E r ö f f n u n g . Die Strafverfolgung ist auch den mitverantwortlichen Personen zu eröffnen, um ihnen Gelegenheit zur Wahrung ihrer Eechte zu geben. Nähere Vorschriften über die Art der Eröffnung werden den Ausfuhrungsverordnungen zu den Fiskalgesetzen überlassen (vgl. Art. 128 ZV, Ziff. 921 der Ausfuhrungsbestimmungen zum Postverkehrsgesetz). Wie das Zollgesetz (Art. 93) legt auch der Entwurf Gewicht darauf, dass der Beschuldigte wie auch die mitverantwortlichen Personen über die ihnen zu Gebote stehenden Anfechtungsmittel unterrichtet werden.

Die Art. 297--299 regeln die U n t e r z i e h u n g unter die Straf verfugung.

Die Unterziehung mit Anspruch auf Nachlass der Busse ist eine Eigentümlichkeit des Fiskalstrafverfahrens. Der Strafnachlass ist ein Mittel zur raschen Erledigung des Verfahrens. Ungefähr 95 % aller Fiskalubertretungen werden auf diesem Wege erledigt. Wie das geltende Eecht (Art. 12) sieht der Entwurf zwei Arten von Unterziehungen vor: die Unterziehungen vor und nach Erlass der administrativen Strafverfolgung. Gestützt auf die Erfahrungen der Praxis sind mehrere Neuerungen aufgenommen worden : Es wird bei der der Strafverfugung vorgängigen Unterziehungserklärung nicht bloss auf den Zeitpunkt, in dem das Protokoll abgefasst wird, abgestellt; während der Nachlass nach dem geltenden Fiskalstrafprozess in das Ermessen des Bundesrates gestellt, bei der nachträglichen Unterziehung sogar vom Vorliegen mildernder Umstände abhängig gemacht wird, gibt der Entwurf dem Beschuldigten ohne weiteres einen Anspruch auf den Nachlass von einem Drittel bei der vorgängigen und von einem Viertel bei der nachträglichen Unterziehung ; bei der antizipierten Unterziehung bleibt es dem Beschuldigten oder der mitverantwortlichen Person (vgl. Art. 301) vorbehalten, gegen den Betrag der Busse Beschwerde bei der obern Verwaltungsbehörde zu führen (so auch Art. 92 ZG). Das Zollgesetz (Art. 94) und Art. 117 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung zum Stempelgesetz lassen sogar bei der nachträglichen Unterziehung eine Beschwerde gegen den Bussenansatz zu, in der Erwägung, dass es sowohl für die Verwaltung als für den Beschuldigten angenehmer sei, wenn
letzterer sich grundsätzlich der Strafverfugung unterziehen, den Nachlass beanspruchen, zugleich aber die Bedenken gegen die Höhe der ausgefällten Busse bei der obern Verwaltungsbehörde geltend machen kann. Der Entwurf gibt in diesem Falle nur die Wahl zwischen der vorbehaltlosen Unterziehung und der Anrufung der gerichtlichen Entscheidung. Die besondere Ordnung des Zollgesetzes wie auch des Stempelgesetzes (vgl. auch Art. 51 lit. b des Verwaltungsgerichtsgesetzes) bleiben vorbehalten.

-- Neu ist auch die Bückfallverjährung von 5 Jahren. Nicht mehr verlangt wird die förmliche Beglaubigung der Unterziehungserklärung (vgl. Art. 14 FStV), weil dieser Erklärung im Strafbescheidsverfahren nicht mehr die nämliche Bedeutung zukommt, und iveil die Art und Weise, wie die Erklärung aktenkundig gemacht werden soll, der Praxis überlassen werden darf. Die übrigen Abweichungen sind redaktioneller Natur. Die besondern Bestimmungen der

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Fiskalgesetze und ihrer Ausführungsbestimmungen (Art. 123 ZV, Art. 117 Stempelverordnung) sind auch hier vorbehalten.

Die Bestimmung des Art. 15 FStP über den Entschädigungsanspruch bei unbegründeten Massnahmen ist nicht mehr aufgenommen worden.

Bis zu einer allgemeinen Begelung dieser Frage ist das Verantwortlichkeitsgesetz massgebend.

Art. 300 führt im Anschluss an die Art. 95 ZG und 62Ms des Stempelgesetzes (Art. 51 lit. b des Verwaltungsgerichtsgesetzes) das S t r a f b e s c h e i d s v e r f a h r e n ein, wonach die Verwaltung nach Feststellung des Tatbestandes eine Strafverfügung erlässt, gegen die der Beschuldigte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen kann. Nach dem geltenden Eecht muss die Verwaltung, wenn sich der Beschuldigte nicht ausdrücklich unterzieht, die gerichtliche Entscheidung anrufen und innerhalb der kurzen Verjährungsfrist des Art. 20 FStP beim zuständigen Gericht eine Klage einreichen (Unterwerfungsverfahren). Es ist natürlicher, dass der Beschuldigte, der mit der Strafverfügung nicht einverstanden ist, selbst die Entscheidung des Gerichts anruft.

Diese Ordnung entspricht auch dem in den kantonalen Prozessen bestehenden Strafverfügungsverfahren. Erhebt der Beschuldigte Einsprache, so überweist die Verwaltung die Akten dem zuständigen Gericht, sei es direkt oder durch Vermittlung der Bundesanw altschaft. Erhebt der Beschuldigte oder die mitverant-R ortliche Person weder Einsprache noch Beschwerde, so wird die Strafverfügung rechtskräftig.

Nach Art. 301 kann gegen die Entscheidung über die Abgabepflicht die Beschwerde nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes erklärt werden, gleichgültig, ob diese Entscheidung vorgängig oder mit der Strafverfügung erlassen wird.

Die Absätze 2 und 3 regeln das Verhältnis zwischen dem Entscheid des Verwaltungsgerichts und der administrativen Strafverfügung. Da die Feststellung des Abgabebetrages die Grundlage für die Strafbemessung bildet, so hat sich die Verwaltung beim Erlass der Strafverfolgung an den Beschwerdeentscheid zu richten. Ist die Beschwerde vor Erlass der Strafverfügung eingereicht, so ist er bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichtes aufzuschieben, andernfalls ist die Strafe erfügung aufzuheben oder abzuändern (vgl. Art. 63 rev. des Stempelgesetzes). Die Sonderregelung des Zollgesetzes (Art. 101) bleibt
vorbehalten. Über das Verhältnis zwischen dem Verwaltungsgerichtsentscheid und dem Urteil der Gerichte in Fiskalstrafsachen vgl. Art. 307.

V. Das gerichtliche Verfahren.

Wie bereits in der Vorbemerkung dargetan ist, haben sich die wenigen Bestimmungen des FStP als unzulänglich erwiesen. Es ist gerade dieser Abschnitt des Verfahrens, der am meisten Anlass zu Schwierigkeiten und zu Kritik gegeben hat. Der E n t w u r f hat das gerichtliche Verfahren ausgebaut, unter Berücksichtigung der Erfahrung der Praxis und der Neuerungen, die der Entwurf bei der Untersuchung und der Straf Verfügung der Verwaltung auf genommen hat.

653

Eine gerichtliche Beurteilung der Fiskalubertretungen findet statt: 1. wenn das beteiligte Departement die Voraussetzungen zur Verhängung einer Gefängnis- oder Haftstrafe als gegeben erachtet (Art. 283); 2. wenn der Beschuldigte gegen die administrative Strafverfügung Einsprache erhebt (Art. 300).

Zuständig zur Beurteilung sind die kantonalen Gerichte (Art. 285) und das Bundesstrafgericht (Art. 15, 283).

Die Verfahrensvorschriften des Entwurfes gelten sowohl für die kantonalen Gerichte als auch für das Bundesstrafgericht. Es handelt sich dabei um Normativbestimmungen, die sich aus der besondern Natur der Fiskalübertretungen und des Fiskalstrafprozesses ergeben und für die einheitliche Handhabung des Fiskalverfahrens notwendig sind. Daneben gelten für das A7erfahren vor dem Bundesstrafgericht die bezüglichen Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes und für das Verfahren vor den kantonalen Gerichten die Vorschriften des kantonalen ßechts (Art. 310). Diese Ordnung des ergänzenden Eechtes entspricht dem Grundsatz, dass das urteilende Forum auch für die zu beobachtenden Prozessformen massgebend sei, wie auch den Bedürfnissen der Praxis. Mit dieser Ordnung sind zahlreiche Streitfragen über die Ergänzung des lückenhaften Fiskalstrafprozesses aus der Welt geschafft.

Art. 302 bezieht sich auf die Einleitung des gerichtlichen. Verfahrens.

Hat der Beschuldigte Einsprache gegen die Strafverfugung erhoben oder hält das beteiligte Departement die Voraussetzungen zur Verhängung der Gefängnisstrafe als gegeben, so überweist die zuständige Verwaltungsbehörde die Angelegenheit direkt oder durch die Vermittlung der Bundesanwaltschaft den zuständigen Behörden der Kantone oder auf Beschluss des Bundesrates dem Bundesstrafgericht. Lässt das kantonale Prozessrecht die direkte Überweisung der Strafklage an das urteilende Gericht nicht zu, so sind die Akten der Staatsanwaltschaft oder einer andern nach kantonalem Eecht zuständigen Behörde zu überweisen. Eine förmliche Klage oder Anklageschrift ist nicht notwendig; immerhin wird sich namentlich in den Fallen, wo keine Strafverfügung ergangen ist, eine Klageschrift empfehlen.

Eine gerichtliche Voruntersuchung findet, wie schon im geltenden Fiskalstrafverfahren, nicht statt, weil bereits die Verwaltung den Tatbestand festgestellt und -- abgesehen von der direkten Überweisung
des Art. 283 Abs. 3 -- eine Strafverfügung erlassen hat. Die an die Gerichte überwiesenen Fiskalstrafsachen sind durch Urteil zu erledigen. Eine neue Klage oder Anklage durch die kantonale Anklagebehörde oder eine Anklageschrift durch die Bundesanwaltschaft im bundesstrafgerichtlichen Verfahren ist nicht notwendig, die Überweisung gilt als Anklage. Es ist sofort die Hauptverhandlung anzuordnen.

Der Fiskalstrafprozess ist in diesem Sinne ein abgekürztes Verfahren. Die kantonale Behörde, an die der Fall überwiesen worden ist, hat für die Anordnung der Hauptverhandlung zu sorgen. Das Gericht hat den Parteien das Einlangen der Akten mitzuteilen, um ihnen Gelegenheit zum Anbringen von Beweisanträgen zu geben. Es hat zu prüfen, ob die Einsprache als Anrufung der gerichtlichen Entscheidung zu gelten hat und ob sie rechtzeitig eingereicht

654

i worden ist. Das Gericht kann vorgängig der Hauptverhandlung die administrative Untersuchung selbst ergänzen oder vervollständigen lassen (Erheben von Urkunden, Einholen von Berichten der Verwaltung, Erhebungen über den Täter und die Tatumstände.. Ernennung eines Sachverständigen). Durch diese vorgängige Ergänzung soll eine Erschwerung oder eine Verschiebung der Hauptverhandlung vermieden werden.

Art. 303 enthält eine Bestimmung über Eechte und Pflichten der Parteien. Als Parteien werden anerkannt: der Beschuldigte, die mitverantwortliche Person, die Verwaltung und der Bundesanwalt. Die Bestimmungen des kantonalen Hechtes über die Beteiligung der kantonalen Staatsanwaltschaft am Verfahren bleiben vorbehalten. Der Verwaltung wird, entsprechend der Praxis (vgl. BGE 18, 707, 711; 19, 53), ausdrücklich das Kecht eingeräumt, sich durch einen besondern Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Da vielfach geringfügige Übertretungen Gegenstand des Fiskalprozesses bilden, muss das persönliche Erscheinen des Vertreters der Bundesanwaltschaft und der Verwaltung in ihr Ermessen gestellt werden (vgl. Art. 19 FStP). Andererseits darf das Gericht auch den Beschuldigten oder die mitverantwortliche Person vom Erscheinen befreien, wenn es ihre Anwesenheit für die Beweisaufnahme nicht als notwendig erachtet und ihnen dadurch Kosten erspart werden können (vgl. Art. U9).

Art. 304 regelt das K o n t u m a z i a l v e r f a h r e n . In Übereinstimmung mit dem geltenden Recht wird das Verfahren gegen Abwesende in weiterem Umfang zugelassen als im ordentlichen Verfahren (vgl. Art. 150). Während aber Art. 17 EStP die Wiedereinsetzung nur bei höherer Gewalt gestattet, ein Ausbleiben wegen Krankheit also nicht als genügend erachtet, kann nach dem Entwurf die Wiedereinsetzung bei jeder Abhaltung durch ein unverschuldetes Ereignis anbegehrt werden.

Art. 305 enthält den Grundsatz der Unmittelbarkeit und der f r e i e n Beweiswürdigung. Die privilegierte Beweiskraft der Protokolle ist weggefallen (s. die Bemerkungen zu Art. 289). Gemäss der amtlichen Wahrheitserforschungspflicht kann das Gericht auch von Amtes wegen die Aufnahme neuer Beweise anordnen.

Art. 306 lässt den Eückzug der Strafverfügung durch die Verwaltung und der Einsprache durch den Beschuldigten oder die mitverantwortliche Person zu. Die Bundesanwaltschaft ist
schon unter dem geltenden Eecht öfters in die Lage gekommen, die Klage zurückzuziehen, sei es, dass der Beschuldigte nach der Vorladung Busse und Abgabe bezahlt hat, sei es, dass sich die Verwaltung nach dem Beweisergebnis von der Aussichtslosigkeit der Klage überzeugt hat. Die Gerichte haben den Bückzug in Anbetracht auf die besondere Natur der Fiskalübertretung zugelassen, zumal dadurch oft grosse Kosten vermieden werden konnten. , Nach dem Strafbescheidsverfahren des Entwurfes ist es möglich, dass der Beschuldigte schon in seiner Einsprache die

655

Begründtmg der Strafverfügung erschüttern kann. Es entspricht einem praktischen Bedürfnis, dass das Gesetz die Möglichkeit hietet, unter den genannten Umständen von der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens abzusehen.

Da das gerichtliche Verfahren nicht gestützt auf einen Überweisungsbesobhiss der Anklagekammer, sondern durch einfache Überweisung der Verwaltung eröffnet worden ist, stehen dem Bückzug keine prozessrechtlichen Bedenken entgegen (vgl. §§ 426 und 480 der deutschen Reichsabgabeordnung, 423 des Eeichsstrafprozesses, 426 des deutschen Strafprozessentwurfes).

Die Bestimmungen der Art. 307 und 308 über den Inhalt des Urteils, das Verhältnis zur S t r a f v e r f ü g u n g und zum Beschwerdeentscheid des Verwaltungsgerichtes sind von grundsätzlicher Bedeutung. Die Anrufung der gerichtlichen Entscheidung durch den Beschuldigten oder die mitverantwortliche Person ist nicht ein Bechtsmittel im engern Sinn. Mit ,der Einsprache fällt die Strafverfügung, die eine vorläufige Erledigung der Strafsache darstellt und erst durch die ausdrückliche oder stillschweigende Unterziehung rechtskräftig werden kann, dahin. Der Eichter ist gegenüber der Strafverfügung frei, sowohl in bezug auf die rechtliche Würdigung des Tatbestandes als auch in der Strafausmessung. Das Urteil kann deshalb unter Umständen für den Beschuldigten schlechter ausfallen als der Strafbescheid.

Das Gericht hat sich über die Abgabepflicht nicht auszusprechen. Der Beschuldigte, der sich durch die Feststellung der Verwaltung über die Abgabepflicht beschwert fühlt, hat gemäss Art. 301 Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu ergreifen, gleichgültig ob diese Entscheidung selbständig oder in Verbindung mit der administrativen Strafverfügung getroffen worden ist. (Vgl. Art. 101 des Zollgesetzes, Art. 63 rev. des Stempelgesetzes). Die Frage, ob und in welchem Betrage die Abgabepflicht besteht, ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Die neuere Eechtsprechung des Bundesstrafgerichtes hat übrigens schon unter der Herrschaft des geltenden Fiskalstrafprozesses angenommen, dass sich das Gericht nicht über die Verpflichtung zur Bezahlung des umgangenen Zolles auszusprechen habe, da diese Abgabe auf Grund von fiskalrechtlichen und nicht von strafrechtlichen Vorschriften geschuldet werde (Urteile i. S. Botta vom 6. Februar 1922 und
Miller vom 27. Januar 1923).

Die Frage, ob und in welchem Betrage die Abgabepflicht besteht, ist aber bei den reinen Finanzdelikten für die richterliche Entscheidung über das Vorliegen des objektiven Tatbestandes und die Strafausmessung von Bedeutung. Wie für die Strafverfügung der Verwaltung wird deshalb auch für den Eichter der Beschwerdeentscheid des Verwaltungsgerichts über die Abgabepflicht als verbindlich erklärt (Art. 307 Abs. 2). Andererseits ist das Strafverfahren einzustellen, wenn die Feststellung der Abgabepflicht durch Beschwerde angefochten worden ist. Die Gerichte sind damit der für sie oft schwierigen Prüfung verwaltungsrechtlicher Fragen enthoben.

Die wesentlichen Entscheidungsgründe sind in die schriftliche Urteilsausfertigung aufzunehmen, damit die Parteien sich in Kenntnis der richterlichen Erwägungen über die Weiterziehung des Urteils schlüssig machen können. Beim Bundesblatt.

81. Jahrg.

Bd. II.

47

656 Fehlen einer solchen bundesrechtlichen Vorschrift würden nach dem Prozessrecht einiger Kantone die Entscheide in Bundesfiskalstrafsachen nicht motiviert werden. Die Eröffnung an die Verwaltung ist besonders hervorgehoben, weil sie Vollzugsbehörde ist.

Art. 309 erklärt, in Übereinstimmung mit Art. 126 Abs. 2 OG, das besondere Fiskalstrafverfahren auch für das Verfahren in Fiskalstrafsachen vor dem Bundesstrafgericht anwendbar. Da dieses Verfahren eingehender geordnet ist als im geltenden Eecht, werden die Schwierigkeiten, die sich aus dem Nebeneinanderbestehen des besondern Fiskalstrafverfahrens und des ordentlichen Verfahrens ergeben (vgl. BGE 20, 845; 30, 1,105, 390, Bundesbl.

1895, II, 589, SchZStB 7, 240 f.), nicht weiterbestehen. Die Protokollierung der Beweisaussagen ist, gleich wie im ordentlichen Verfahren vor dem Bundesstrafgericht, nicht obligatorisch, da eine materielle Überprüfung des Entscheides durch den Kassationshof oder eine Eevision ausgeschlossen ist.

Über die in Art. 310 vorgesehene Ergänzung des F i s k a l s t r a f v e r fahrens durch das kantonale Eecht für das Verfahren vor den kantonalen Gerichten oder die Bestimmungen über das ordentliche Verfahren vor dem Bundesstrafgericht ist im Eingang zu diesem Unterabschnitt gesprochen worden.

Der Eechtsmittelweg des kantonalen Eechts gilt nach Art. 311 auch in Fiskalstrafsachen. Das Bundesrecht gibt dem Bundesanwalt zwecks Wahrung der Interessen der Verwaltung ausdrucklich das Eecht zur Ergreifung des kantonalen Eechtsmittels, ebenso der mitverantwortlichen Person.

VI. Die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bandesgericht.

Art. 18 FStP sieht eine selbständige Kassationsbeschwerde gegen Urteile in Bundesfiskalstrafsachen vor. Als Kassationsgründe werden genannt: Unzuständigkeit des urteilenden Gerichts, Verstoss gegen bestimmte gesetzliche Vorschriften und wesentliche Formfehler. Art. 160 OG behält diese Kassationsbeschwerde ausdrucklich vor. In der Praxis war die Frage streitig, ob diese Kassationsbeschwerde auch gegen Urteile des Bundesstrafgerichts geltend gemacht werden könne oder ob hierfür die Kassationsgründe des Art. 142 OG massgebend seien; der Kassationshof vertritt die letztere Auffassung (BGE 30, I, 390 f.).

Der Entwurf bringt auch im Kassationsverfahren eine Vereinfachung, indem er die Nichtigkeitsbeschwerde gleich gestaltet wie im ordentlichen Verfahren. Art. 312 lässt die Nichtigkeitsbeschwerde zu: 1. gegen Urteile des Bundesstrafgerichts, aber, wie im ordentlichen Verfahren, nur gegen ungesetzliches Zustandekommen und formelle Unrichtigkeit, nicht auch wegen Verletzung materieller Gesetzesvorschriften; 2. gegen kantonale Urteile, die letztinstanzlich in Anwendung eidgenössischen Eechts entschieden haben und

657

zwar, wie im ordentlichen Verfahren, wegen Verletzung eidgenössischen Rechts (Art. 273).

Art. 318 berechtigt zur Nichtigkeitsbeschwerde: den Beschuldigten, die mitverantwortliche Person, soweit sie selbst verurteilt worden ist, sowie den Bundesanwalt. Da der Bundesanwalt auch die Interessen der Verwaltung vertritt, ist es nicht nötig, das Rechtsmittel auch der Verwaltung zu geben.

Für das Kassationsverfahren sind im übrigen nach Art. 314 die Vorschriften über die Nichtigkeitsbeschwerde im ordentlichen Verfahren massgebend.

VII. Die Vollziehung von Strafverfügongen und von Strafurteilen.

Der Entwurf regelt den Vollzug nicht abschliessend. Die Art. 316 f. sind zu ergänzen durch die Bestimmungen der Piskalgesetze und ihrer Ausführungsbestimnxungen über die Zuständigkeit (Art. 131 ZV), die Zahlungsaufforderung (Art. 132 ZV, 9Ì der Vollziehungsverordnung zum Alkoholgesetz), die Schuldbetreibung (Art. 119 ZG), die Eeihenfolge der Haftung der beschlagnahmten Gegenstände (Art. 120 ZG), die Solidarhaft mehrerer Angeschuldigter (Art. 99 ZG) und andere Ausführungs Vorschrift en für das Vollstreckungsverfahren.

Über die Solidarhaft der Mi t schul di gen für die Bussen bestimmt Art. 23 Abs. 2 FStP: «Wenn mehrere Mitschuldige zu einer Geldstrafe gemeinsam verurteilt werden, so haften sie ebenfalls solidarisch für dieselbe.» Während das Bundesgericht in dieser Bestimmung die materiellrechtliche Grundlage für eine gemeinsame Verurteilung unter solidarischer Haftbarkeit erblickt (vgl. BGB 30,1,120), wird in der Literatur die Meinung vertreten, Art. 23 habe bloss prozessualen Charakter. Die gemeinsame Verurteilung mehrerer Mitschuldiger zu einer Geldstrafe mit solidarischer Haftbarkeit könne aber nur durch die materielle Fiskalgesetzgebung vorgesehen werden (Blumenstein, Zur Frage einer solidarischen Verurteilung mehrerer Mitschuldiger bei Zolldelikten, Vierteljahresschrift für schweizerisches Abgaberecht 4, l f., I. Steiner, 202 f.).

Der Entwurf hat die gemeinsame Verurteilung und die solidarische Haftbarkeit mehrerer Mitschuldiger weder bei der Strafverfügung und dem Urteil noch beim Vollzug vorgesehen, sondern den einzelnen Fiskalgesetzen vorbehalten, da die Notwendigkeit einer solchen außergewöhnlichen Massnahme nicht bei allen Fiskalübertretungen besteht.

Zu den einzelnen Artikeln ist zu bemerken:
Vollzugsbehörde ist nach Art. 315, wie schon im geltenden Eecht, die beteiligte Verwaltung. Ihr sind deshalb gemäss Art. 308 auch die Entscheide mitzuteilen. Das Stempelgesetz (Art. 58), das Pulverregalgesetz (Art. 6), das Alkoholgesetz (Art. 29), die Vollziehungsverordnung hierzu (Art. 96, 97), das Zollgesetz (Art. 103) und die Zollverordnung (Art. 134) enthalten besondere Bestimmungen über die Verwendung der Bussen, insbesondere über den Anteil der Anzeiger.

658 Art. 316 schafft, wie Art. 21 FStP, an den beschlagnahmten Gegenständen, an denen oder mit denen die Übertretung begangen worden ist, ein gesetzliches P f a n d r e c h t des Bundes. Im 2. Absatz ist in Übereinstimmung mit Art. 22 FStP die Freigabe gegen Sicherstellung vorgesehen.

Die Art. 317 und 318 regeln die Verwertung der beschlagnahmten Gegenstände, und zwar Art. 317 Abs. l die ordentliche Verwertung als Vollstreckung der Strafverfügung oder des Urteils, Art. 317 Abs. 2 und 319 die vorzeitige Verwertung bei rascher Wertverminderung und unbekannter Täterschaft. Bei der vorzeitigen Verwertung handelt es sich, wie bei Art. 124 SchKG, um eine Sicherheitsmassnahme im Interesse des Beschuldigten und der Verwaltung, die nicht ein Urteil oder eine anerkannte Strafverfügung zur Voraussetzung hat. -- Wie in Art. 21 FStP ist dem Dritteigentümer in den Art. 317 Abs. l und 318 die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Verwertung gegeben. Durch diese Einsprache gegen die Verwertung -- die wegen der Aufbewahrungskosten nicht auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden kann -- wird die Geltendmachung des Eigentums auf dem Wege der Verwaltungsbeschwerde oder der Zivilklage nicht ausgeschlossen. Erbringt der Eigentümer nach der Verwertung den Nachweis, dass der beschlagnahmte und verwertete Gegenstand sein Eigentum sind und dass er an der Übertretung unbeteiligt war, so wird ihm der Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten ausgehändigt. Die einlässlichen Bestimmungen des Zollgesetzes (Art. 122), der Zollverordnung (Art. 185 und 145) und der Vollziehungsverordnung zum Alkoholgesetz (Art. 94) über das Verwertungsverfahren bleiben vorbehalten.

Art. 319 sieht, wie Art. 28 PStP, die Umwandlung der nicht erhältlichen Bussen in Gefängnis vor. Während das Zollgesetz (Art. 98) die Umwandlung unter Berufung auf Art. 28 FStP zulässt, schliessen das Stempel- und das Gouponstempelgesetz (Art. 57) sie aus. Wie im Verfahren für die ordentlichen Bundesstrafsachen soll auch hier das schweizerische Strafgesetzbuch über die endgültige Beibehaltung oder Abschaffung der Umwandlungsstrafe entscheiden.

Vor dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches kann jedenfalls auf die Umwandlungsstrafe nicht verzichtet werden, weil gegenwärtig keine dem Art. 346 entsprechende Bestimmung gegen das Nichtzahlen der Bussen besteht. Die
Oberzolldirektion weist zudem darauf hin, dass das Fehlen der Umwandlungsstrafe die Durchführung des Fiskalstrafverfahrens lahmen würde, namentlich deshalb, weil oft Leute zum Schmuggel veranlasst werden, die nicht in der Lage sind, die Bussen zu bezahlen. Nach Art. 281 ist die Umwandlung in den Fiskalgesetzen ausgeschlossen, die sie ausdrücklich als nicht zulässig erklären. Die Umwandlung muss durch den Echter ausgesprochen werden. Zuständig ist das Gericht, das die Übertretung beurteilt hat oder hierzu nach Einsprache des Beschuldigten zuständig gewesen wäre. Der Ansatz für die Umwandlung und die Einschränkung auf drei Monate ist dem B G betreffend Umwandlung der Busse in Gefängnis vom 1. Juli 1922 entnommen.

Die Vorschrift des Art. 320 über den Vollzug der G e f ä n g n i s s t r a f e entspricht dem Art. 30 FStP.

659 Vili. Die Kosten.

Nach Art. 321 ist die solidarische Haftbarerklärung der Mitschuldigen nicht mehr obligatorisch wie in Art. 23 FStP.

In Art. 322 ist die Kostenvergütung gleich geregelt worden wie in Art. 258.

V, Teil, Die Strafverfügnng der Verwaltung bei Übertretungen anderer Bandesgesetze.

Eine Strafverfügung der Bundesverwaltung mit der Möglichkeit der Anrufung der Gerichte war bisher nur im Fiskalstrafverfahren bekannt. Seit einigen Jahren zeigte sich das Bedürfnis nach einem administrativen Strafankündigungsverfahren auch bei der Verfolgung anderer Übertretungen. So bestimmt Art. 15 der gestützt auf Art. 7 ZG erlassenen Ursprungszeugnisverordnung vom 13. Dezember 1926 (AS 42, 745) : « . . . Widerhandlungen, bei denen die Voraussetzung zur Verhängung von Gefängnisstrafe nicht als erfüllt erachtet wird, werden im Wege der administrativen Strafverfugung durch das Volkswirtschaftsdepartement beurteilt... ». Nach Art. 65 des Postverkehrsgesetzes vom 2. Oktober 1924 werden nicht nur bei eigentlichen Fiskalubertretungen, sondern auch bei den in Art. 60 unter Strafe gestellten Gefährdungen «die Bussen auf dem Verwaltungswege durch das Postdepartement ausgesprochen». Nach Art. 22 der gestutzt auf den Bundesbeschluss vom 7. Juni 1927 erlassenen Verordnung betreffend die vorläufige Ordnung der Getreideversorgung vom 3. August 1927 (AS 43, 337) wird «die Strafverfolgung in der Eegel, soweit nicht Gefängnisstrafe in Frage kommt, von der Getreideverwaltung administrativ durchgeführt.... Will sich der Angeschuldigte dem Entscheide der Getreideverwaltung nicht unterziehen, so hat er binnen 8 Tagen... schriftliche Einsprache zu erheben und gerichtliche Beurteilung zu verlangen...».

Die nämliche Regelung wird auch in der neuen Gesetzgebung über die Getreideversorgung enthalten sein. Eine Strafverfügung der Verwaltung ist auch in dem bei den eidgenossischen Räten liegenden Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Edelmetallkontrolle (Bundesbl. 1925, III, 128f.) vorgesehen (Art. 46 und 47). Auch in spätem Bundesgesetzen kann eine Strafverfügung der Bundesverwaltung enthalten sein. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, das administrative Strafankundigungsverfahren im vorliegenden Entwurf einheitlich zu regeln. Es kann nicht einfach auf das Fiskalstrafverfahren verwiesen werden, weil dieses viele Eigentümlichkeiten aufweist,
die mit der Natur der Fiskalubertretung im Zusammenhang stehen (z. B. die ünterziehung, Zusammenhang mit der Abgabepflicht). WTegen der Ähnlichkeit der Prozesse können aber Bestimmungen des Fiskalstrafverfahrens herubergenommen und darf auch auf solche Bestimmungen verwiesen werden.

Nach der grundsätzlichen Bestimmung des Art. 323 kommt das hier geordnete Verwaltungsstrafverfahren nur zur Anwendung, wenn das Bundesrecht

660

(Gesetz oder Verordnung) ausdrücklich eine Verwaltungsbehörde zum Brlass einer Strafverfügung ermächtigt. Es -wird sich, "wie die eben genannten Gesetze und Verordnungen zeigen, immer um Übertretungen handeln, die mit der Aufsicht der Bundesverwaltung in engem Zusammenhang stehen. Die vorläufige Entscheidung durch eine administrative Strafverfügung liegt, wie bei den Fiskalübertretungen, im Interesse des Beschuldigten und der Verwaltung.

Die Eechte des Beschuldigten erleiden keine Binbusse, sobald die Möglichkeit der Weiterziehung an die Gerichte besteht. Die zuständige Verwaltungsbehörde wird durch den bundesrechtlichen Erlass bezeichnet, der auch die Zulässigkeit der Strafverfügung schafft. Um den besondern Bedürfnissen der einzelnen Verwaltungsabteilung Rechnung zu tragen, werden die Verfahrensvorschriften jener Gesetze und Verordnungen vorbehalten.

Art. 324 regelt die Voraussetzungen für die Strafverfügung gleich wie Art. 285 für das Fiskalstrafverfahren. Die Möglichkeit einer Überweisung an das Bundesstrafgericht ist ebenfalls vorgesehen.

Art. 325 regelt die Ermittlungen der Verwaltung. Als Zwangsmassnahmen sind einzig Beschlagnahme und Durchsuchung vorgesehen, die sich nach den Vorschriften der Art. 290--292 zu richten haben. Vor Erlass der Verfügung ist dem Beschuldigten Gelegenheit zur Verteidigung zu geben.

Art. 326 bestimmt den Inhalt der S t r a f v e r f ü g u n g (vgl. Art. 246) und sieht das Eecht des Beschuldigten, die gerichtliche Entscheidung anzurufen, vor.

Art. 327 bezieht sich auf die Überweisung an die Gerichte und die Kechtskraft der unangefochten gebliebenen Strafverfügung. Es steht der Verwaltungsbehörde frei, die Strafsache direkt oder durch Vermittlung der Bundesanwaltschaft bei den Gerichten anhängig -^0*0 'zu machen.

Für das gerichtliche Verfahren verweist Art. 328 im übrigen auf das Verfahren bei Bundesstrafsachen, die der Bundesrat den kantonalen Behörden überweist, sowie auf die Art. 306 und 315.

VI. Teil.

Rehabilitation und bedingter Strafvollzug.

In den Vorentwürfen waren in diesem Teil auch noch Bestimmungen über die Begnadigung und die Amnestie enthalten. Die Bestimmungen über die Begnadigung sind mit Eücksicht auf die Art. 417 f. des Strafgesetzentw'urfes fallen gelassen worden, in der Meinung, dass dort auch die Bestimmungen über das Verfahren (Art. 349--351 des Vorentwurfes) aufgenommen werden sollten. Nachdem die Begnadigung im vorliegenden Entwurf nicht aufgenommen war, erschien auch die Eegelung der Amnestie nicht mehr als notwendig.

661

I. Rehabilitation.

Die in den Art. 329--882 enthaltenen Bestimmungen über die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in die bürgerliche Ehrenfähigkeit (329), in die Wählbarkeit zu einem Amte (330), die Aufhebung des Gewerbeverbotes (331) und die Nichterneuerung des Gesuches stimmen mit den Art. 73 f. des Strafgesetzbuches überein und ersetzen die Art. 175,176 und 180 des Bundesstrafprozesses.

Mit dem Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches werden die Art. 329--332 durch die Art. 73, 74, 76 und 78 jenes Gesetzes ersetzt werden (Art. 345).

Die Art. 333--335 regeln das Verfahren und werden auch nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches Geltung haben. Sie ersetzen die Art. 177 bis 182 BStP und 145, Ziff. 3 und 4 OG.

In Art. 333 ist das Bundesstrafgericht als zuständige Behörde bezeichnet.

Die Gründe für die Übertragung dieser Zuständigkeit vom Kassationshof i auf das Bundesstrafgericht sind bei Art. 15 erörtert worden.

Die Verfahrensbestimmungen geben im übrigen nicht Anlass zu Bemerkungen. Vgl. auch Art. 228 f. M St GB.

Nach Art. 336 hat die zuständige kantonale Behörde über das Behabilitationsgesuch zu entscheiden, wenn das Urteil von einem kantonalen Gerichte erlassen worden ist. Nach Art. 145Ziff. 4 OG hat bisher der Kassationshof des Bundesgerichts auch über Wiedereinsetzungsgesuche in Delegationsfällen entschieden. Die Entscheidung durch die kantonalen Behörden ist zweckmässiger, weil sie die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers besser kennen.

II. Bedingter Strafvollzug.

Die Bestimmungen über den bedingten Strafvollzug (Art. 337--340) werden mit dem Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches wegfallen (Artikel 345). Sie,sind in das Prozessgesetz aufgenommen worden, weil seit der Ablehnung der Motion Thélin vom September 1907 (Bundesbl. 1910, V, 4 f.)

immer wieder Anstrengungen zur Einführung des bedingten Strafvollzuges in das Bundesstrafrecht vor dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches gemacht wurden, weil das vorliegende Gesetz möglicherweise vor dem Strafgesetzbuch in Kraft treten wird und weil der bedingte Strafvollzug nicht durch ein Spezialgesetz, sondern nur in einem umfassenden Gesetzeswerk in das Bundesrecht eingeführt werden kann.

Die Bestimmungen dieses Entwurfes über den bedingten Strafvollzug (Voraussetzungen, Schutzaufsicht, Weisungen, Wirkungen
bei Bewahrung und Nichtbewährung) stimmen in der Hauptsache mit den Art. 39, 382 und 401 des Strafgesetzentwurfes uberein. Sie werden in der parlamentarischen Beratung noch den endgültigen Beschlüssen zum Strafgesetzbuch angepasst werden können.

Art. 337 weicht in der Eegelung der Voraussetzungen des bedingten Strafvollzuges vom Strafgesetzentwurf in zwei Punkten ab : einmal hat er --

662

aus den bei der Beratung des Strafgesetzentwurfes im Nationalrat vom Vertreter des Bundesrates angeführten Gründen -- die Ausdehnung des bedingten Strafvollzuges auf Bussen zwar abgelehnt, aber den Aufschub des Vollzuges bei Umwandhingsstrafen vorgesehen; sodann gibt er dem Bichter die Möglichkeit, mit der Freiheitsstrafe auch den Vollzug der Nebenstrafen aufzuschieben.

Die in Art. 341 enthaltene Bestimmung, dass die Bestimmungen des Entwurfes über den bedingten Strafvollzug auch für das Verfahren vor den kantonalen Gerichten in Bundesstrafsachen gelten, wird mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches nur noch für die nicht im Strafgesetzbuch enthaltenen Bundesstrafsachen Geltung haben.

Der bedingte Strafvollzug wurde für Fiskalstrafsachen ausgeschlossen, weil die Anwendung dieser Eechtswohltat als eine Lähmung des Fiskalstrafverfahrens empfunden wird.

Art. 342 stellt für die gleichzeitige Beurteilung von eidgenössischen und kantonalen Strafsachen den Grundsatz auf, dass sich die Anwendung des bedingten Strafvollzuges nach den Bestimmungen des auf die schwerste Tat anwendbaren Gesetzes richtet. Diese Begelung folgt aus dem den Art. 26 und 252 zugrunde liegenden Grundsatze und wird schon jetzt in der Praxis gestützt auf das Kreisschreiben des Bundesrates vom 21. Mai 1909 betreffend die Strafausmessung beim Zusammentreffen von eidgenössischen und kantonalen Strafsachen (Bundesbl. 1909, III, 707) befolgt. Diese Vorschrift verliert, gleich wie Art. 341, erster Satz, mit dem Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches an Bedeutung.

VII. Teil.

Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Keine Bemerkungen.

Dem Gesetzestexte ist zur bessern Übersicht ein Inhaltsverzeichnis beigefügt. Die eidgenössischen Eäte werden zu entscheiden haben, ob es einen Bestandteil des Gesetzes bilden soll oder ob daraus Marginalien zu den einzelnen Artikeln zu entnehmen sind.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des vorliegenden Gesetzesentwurfes.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 10. September 1929.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Eaeslin.

663 (EntwurD

Bundesgesetz über

die Bundesstrafrechtspflege.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 106, 112 und 114 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 10. September 1929, heschliesst:

L Teil.

Die Strafgerichtsverfassung des Bundes.

I. Organisation der Strafgerichte.

Art. 1.

Pur die Strafrechtspflege bestellt das Bundesgericht aus seiner Mitte folgende Strafgerichtsbehórden : 1. eine Anklagekammer von drei Mitgliedern; 2. eine Kriminalkammer von drei Mitgliedern, welche die drei Nationalsprachen vertreten; 3. ein Bundesstrafgericht, bestehend aus den drei Mitgliedern der Kriminalkammer und zwei weitern Mitgliedern des Bundesgerichts; 4. einen Kassationshof von fünf Mitgliedern.

Vorbehaltlich der Bestimmung von Ziff. 3 kann kein Richter mehr als einer Strafgerichtsbehörde angehören.

Art. 2.

Das Bundesgericht bestellt seine Strafgerichtsbehörden für die Dauer von zwei Jahren vom 1. Januar an.

664

Für die gleiche Dauer ernennt es die Präsidenten der Anklagekammer und des Kassationshofes.

Den Präsidenten der Kriminalkammer und den Präsidenten des Bundesstrafgerichts bezeichnet das Bundesgericht für jeden Straf fall besonders.

Art. 3.

Das Bundesgericht bezeichnet für die Strafgerichtsbehòrden je auf 1. Januar für die Dauer von zwei Jahren aus seinen Mitgliedern zwei ordentliche und aus der Zahl der Bundesgerichtssuppleanten zwei ausserordentliche Ersatzmänner.

Art. 4.

Die Bundesassisen bestehen aus der Kriminalkammer und zwölf Geschwornen.

Art. 5.

Das Gebiet der Eidgenossenschaft wird in drei Assisenbezirke eingeteilt, umfassend : Der erste Bezirk: die Kantone Genf, Waadt, Freiburg (mit Ausnahme der Gemeinden, in denen die deutsche Sprache vorherrscht), Neuenburg, diejenigen Gemeinden der Kantone Bern und Wallis, in denen die französische Sprache das Übergewicht hat, Tessin und die italienisch redenden Gemeinden des Kantons Graubünden.

Der zweite Bezirk: den Kanton Bern (mit Ausnahme der dem ersten Bezirk zugewiesenen Gemeinden), die deutsch sprechenden Gemeinden der Kantone Freiburg und Wallis, die Kantone Solothurn, Basel (Stadt und Landschaft), Aargau, Luzern, Uri, Schwyz und Unterwaiden (Ob- und Nidwaiden).

Der dritte Bezirk: die Kantone Zürich, Glarus, Zug, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell (Ausser- und Innerrhoden), Graubünden (mit Ausnahme der Gemeinden, in denen die italienische Sprache vorherrscht).

Art. 6.

Die Geschwornen werden vom Volke in Wahlkreisen, welche die Kantone feststellen, auf die Dauer von sechs Jahren mit der relativen Mehrheit der Stimmenden gewählt.

Auf je dreitausend Einwohner wird ein Geschworner gewählt.

Wählbar ist jeder nach Art. 74 der Bundesverfassung stimmberechtigte Schweizerbürger.

Nicht wählbar sind die Mitglieder der obersten eidgenössischen und kantonalen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden, die Gerichtspräsidenten, Verhörrichter und Staatsanwälte, sowie die Beamten, Angestellten und Arbeiter aller eidgenössischen und kantonalen Verwaltungen, mit Ausnahme der Gemeindebeamten, und die Geistlichen.

665

Die Kantonsregierung entscheidet im Zweifelsfall, ob jemand als Geschworner wählbar ist.

Art. 7.

Ist in einem Wahlkreis für die Wahl der eidgenössischen Geschwornen nur eine Liste aufgestellt worden oder überschreitet die Gesamtzahl der Vorgeschlagenen aller Listen nicht die Zahl der zu wählenden Geschwornen, so erklärt die Kantonsregierung alle Vorgeschlagenen ohne Wahlverhandlung als gewählt.

Die Kantone erlassen die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

Art. 8.

Die Kantonsregierungen veröffentlichen das Wahlergebnis in den kantonalen Amtsblättern.

Art. 9.

Jeder Bürger ist verpflichtet, die Wahl anzunehmen.

Wer das sechzigste Altersjahr zurückgelegt hat oder durch Krankheit · oder Gebrechen dauernd verhindert ist, die Pflichten eines Geschwornen zu erfüllen, kann die Wahl ablehnen. Die Ablehnung der Wahl ist innert zehn Tagen seit der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses der Kantonsregierung anzuzeigen.

Die Kantonsregierung entscheidet über die Verpflichtung zur Annahme der Wahl.

Art. 10.

Die Kantonsregierungen senden dem Bundesgericht die bereinigten Listen der Gewählten. Das Bundesgericht stellt aus diesen Listen für jeden Bezirk eine Geschwornenliste zusammen.

Die Geschwornenlisten werden im Bundesblatt veröffentlicht.

Die Kantonsregierungen zeigen dem Bundesgericht an, wenn ein Geschworner wegfällt.

II. Zuständigkeit der Strafgerichte.

Art. 11.

Das Bundesgericht urteilt als Strafgerichtsbehörde in allen Strafsachen, deren Beurteilung ihm durch die Bundesgesetzgebung zugewiesen ist.

Art. 12.

Das Bundesgericht ist verpflichtet, auch andere Straffälle zu beurteilen, wenn deren Beurteilung durch die Verfassung oder Gesetzgebung eines Kantons ihm zugewiesen wird und die Bundesversammlung hierzu ihre Zustimmung erteilt hat.

666

Art. 13.

Die Bundesassisen urteilen: 1. über Landesverrat und Hochverrat gegen die Eidgenossenschaft (Art. 86 bis 39, 45 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853) ; 2. über Aufruhr und Gewalttat gegen die Bundesbehörden (Art. 46, 47, 50 des Bundesstrafrechts) ; 3. über Vergehen gegen das Völkerrecht (Art. 41, 42 und 43 des Bundesstrafrechts) ; 4. über Straffalle, in denen eine Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten den Bundesassisen überweist.

Art. 14.

Die Bundesassisen urteilen anstatt des zuständigen kantonalen Gerichts: 1. über politische Verbrechen und Vergehen, die Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst wird : 2. über Hochverrat gegen einen Kanton und über Aufruhr und Gewalttat gegen die kantonalen Behörden, wenn die Verfassung oder die Gesetzgebung des Kantons dem Bundesgericht die Beurteilung dieser Verbrechen zuweist und die Bundesversammlung hierzu ihre Zustimmung erteilt hat.

Das Bundesgericht wendet das kantonale Strafrecht an. In den Fällen der Ziffer l ist Art. 52 des Bundesstrafrechts anzuwenden, wenn das kantonale Eecht keine Bestimmung enthält.

Art. 15.

Das Bundesstrafgericht urteilt, unter Vorbehalt der Zuständigkeit der Bundesassisen, über die im Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 mit Strafe bedrohten oder durch andere Bundesgesetze der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstellten Verbrechen und Vergehen.

Der Bundesrat kann einen Fall, für den das Bundesstrafgericht zuständig ist, den kantonalen Behörden zur Untersuchung und Beurteilung übertragen.

Das Bundesstrafgericht beurteilt überdies die Übertretungen der Fiskalgesetze des Bundes, die der Bundesrat seiner Beurteilung unterstellt.

Das Bundesstrafgericht urteilt über Kehabilitationsgesuche bei Urteilen, die ein eidgenössisches Strafgericht erlassen hat.

Art. 16.

Die Anklagekammer führt die Aufsicht über die Voruntersuchung.

Sie entscheidet über Beschwerden gegen den Untersuchungsrichter.

Sie entscheidet über die Anklagezulassung.

667 Art. 17.

Der Kassationshof entscheidet: 1. über Nichtigkeitsbeschwerden a. gegen Urteile der Bundesassisen und der Kriminalkarnmer; b. gegen Urteile des Bundes straf gerichts ; c. gegen Urteile kantonaler Strafgerichte, Strafbescheide kantonaler Verwaltungsbehörden und gegen Einstellungsbeschlüsse kantonaler Überweisungsbehörden in Bundesstrafsachen; 2. über Gesuche um Eevision von Urteilen des Bundesstrafgerichts und der Bundesassisen ; 3. über die Zuständigkeit der Bundesassisen oder des Bundesstrafgerichts, wenn die Frage zwischen diesen Behörden streitig ist.

III. Der Untersuchungsrichter.

Art. 18.

Das Bundesgericht wählt in geheimer Abstimmung für eine Amtsdauer von sechs Jahren je einen Untersuchungsrichter und je zwei Ersatzmänner für das deutsche, französische und italienische Sprachgebiet.

Das Bundesgericht ernennt nötigenfalls ausserordentliche Untersuchungsrichter.

Der Untersuchungsrichter bezeichnet für jede Untersuchung den Schriftführer selbst.

IV. Der Bundesanwalt.

Art. 19.

Der Bundesanwalt wird vom Bundesrat gewählt; er steht unter der Aufsicht und Leitung des Bundesrates.

Die Anträge vor Gericht stellt der Bundesanwalt nach freier Überzeugung.

Art. 20.

Der Bundesanwalt leitet die Ermittlungen der gerichtlichen Polizei. Er ist der öffentliche Ankläger. Er vertritt das öffentliche Interesse vor den Strafgerichten des Bundes. Er kann in Fiskalstraffällen auch vor den Strafgerichten der Kantone auftreten.

Art. 21.

Der Bundesanwalt kann sich durch seinen Adjunkten vertreten lassen.

Im Fiskalverfahren vor den eidgenössischen und kantonalen Gerichten kann er die Vertretung besondern Bevollmächtigten übertragen.

Der Bundesrat kann für besondere Fälle weitere Vertreter der Bundesanwaltschaft bezeichnen.

668 V. Die gerichtliche Polizei.

Art. 22.

Die gerichtliche Polizei steht unter der Leitung des Bundesanwaltes und unter der Aufsicht des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements.

Die gerichtliche Polizei üben aus: die Beamten und Angestellten der Polizei des Bundes und der Kantone; die Staatsanwälte der Kantone; die Beamten und Angestellten der Verwaltungen des Bundes und der Kantone in ihrem Wirkungskreis.

VI. Vorbehaltene Gesetze.

Art. 23.

Vorbehalten bleiben: das Bundesgesetz über die politischen und polizeilichen Garantien der Eidgenossenschaft vom 23. Dezember 1851; das Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten vom 8. Dezember 1850.

II, Teil, Das B andesstrafy erfahren.

1. Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen.

I. Zuständigkeit.

Art. 24.

Wird jemand, der eines Vergehens beschuldigt wird, für das die Bundesassisen zuständig sind, auch eines Vergehens beschuldigt, für das das Bundesstrafgericht zuständig ist, so beurteilen -die Bundesassisen auch dieses Vergehen, wenn der Bundesrat es nicht den kantonalen Gerichten zur Untersuchung und Beurteilung überwiesen hat.

Art. 25.

Wird jemand eines Vergehens beschuldigt, für das die Bundesassisen oder das Bundesstrafgericht zuständig sind, so kann die Untersuchung auf Vergehen des Beschuldigten ausgedehnt werden, für die die kantonalen Gerichte zuständig sind, sofern die Vergehen in einem Zusammenhang zueinander stehen.

669 Die Anklagekammer entscheidet, ob solche Vergehen den Bundesstrafgerichten oder den kantonalen Gerichten zu überweisen seien. Sie gibt dem Bundesanwalt und dem Beschuldigten Gelegenheit, sich hierüber zu äussern.

Das eidgenössische Gericht beurteilt kantonale Vergehen nach dem Strafrecht des Kantons, in dem die Tat begangen wurde.

Art. 26.

Hat das eidgenössische Gericht beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen oder mehrerer Strafbestimmungen gleichzeitig Bundesstrafrecht und kantonales Strafrecht anzuwenden, so spricht das Gericht die Strafe des schwersten Verbrechens oder Vergehens aus und erhöht die Dauer der Freiheitsstrafe angemessen. Es kann jedoch das höchste Mass der angedrohten Freiheitsstrafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an die gesetzliche Dauer der Strafart gebunden.

Hat der Täter mehrere Bussen verwirkt, so verurteilt das Gericht ihn zu der Busse, die seinem Verschulden entspricht.

Art. 27.

Das Gericht, das den Täter beurteilt, ist auch für die Teilnehmer an dem Vergehen zuständig.

Art. 28.

Die Hauptverhandlung vor den Bundesassisen findet in dem Assisenbezirk statt, in dem die Tat begangen wurde, die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht an dem Orte, den der Präsident bestimmt.

D. Öffentlichkeit.

Art. 29.

Die Verhandlungen vor den Strafgerichten des Bundes sind öffentlich.

Die Beratung und Abstimmung des Bundesstrafgerichts, der Anklagekammer, der Kriminalkammer und der Geschwornen ist nicht öffentlich.

Die Eichter des Kassationshofes beraten und stimmen öffentlich.

Das Gericht kann die Öffentlichkeit der Verhandlung oder Beratung ausschliessen, wenn und soweit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sittlichkeit zu besorgen ist.

m. Sitzungspolizei.

Art. 30.

Der Vorsitzende hält die Ordnung in der Sitzung aufrecht. Er kann jeden, der seinen zur Aufrechthaltung der Ordnung erlassenen Befehlen nicht Folge leistet, aus der Sitzung wegweisen und ihn für höchstens 24 Stunden in Haft setzen lassen.

Der Untersuchungsrichter hat die gleichen Befugnisse.

Die Parteien, Zeugen und Sachverständigen stehen unter ihrem Schutz.

670

Art. 31.

Macht sich jemand eines ungebührlichen Verhaltens schuldig, so kann ihn das Gericht oder der Untersuchungsrichter zu einer Ordnungsstrafe von höchstens 300 Franken oder bis zu 24 Stunden Haft verurteilen und die Haftstrafe sofort vollstrecken lassen.

Strafgerichtliche Verfolgung bleibt vorbehalten.

IV. Rechtshilfe.

Art. 32.

Die Strafgerichte und alle andern Behörden der Kantone haben den Strafgerichtsbehörden des Bundes Bechtshilfe zu leisten.

Die Eechtshilfe ist unentgeltlich zu leisten. Jedoch werden Auslagen für Sachverständige und Zeugen und für die Einrichtung von Sitzungs- oder Untersuchungsräumen sowie die Verpflegungskosten von Untersuchungsgefangenen aus der Gerichtskasse vergütet.

Über Anstände wegen Verweigerung der Eechtshilfe oder wegen der Vergütungen entscheidet der Bundesrat.

Art. 33.

Der Kanton, in dem eine Sitzung der Bundesassisen oder des Bundesstrafgerichts stattfindet, stellt hierfür angemessene Bäume zur Verfügung.

Ebenso sind dem eidgenössischen Untersuchungsrichter Bäume für seine Amtstätigkeit zur Verfügung zu stellen.

Die Behörde des Kantons, in dem ein eidgenössisches Strafverfahren stattfindet, stellt auf Ersuchen des Präsidenten des eidgenössischen Gerichts oder des eidgenössischen Untersuchungsrichters Wachen, Bedeckungen und Gefängniswärter.

Art. 34.

Die Verhafteten werden in den kantonalen Untersuchungsgefängnissen untergebracht.

Für ihre Behandlung und Bewachung hat der Gefängniswärter die Befehle des Präsidenten des eidgenössischen Gerichtes oder des eidgenössischen Untersuchungsrichters zu befolgen.

V. Protokolle und Vorladungen.

Art. 35.

Das Protokoll wird während der Gerichtssitzung oder der Verhandlung niedergeschrieben. Es enthält die Bezeichnung des Ortes und der Zeit der Verhandlung, die Namen aller Personen, die an der Verhandlung mitgewirkt haben, die Anträge der Parteien, die richterlichen Entscheidungen und Verfügungen und einen Bericht über die Verhandlung und die Beobachtung der gesetzlichen Formen.

671 Der Siebter oder Beamte, der die Verhandlung leitet, und der Schriftführer unterzeichnen das Protokoll.

Art. 36.

Die Vorladung soll enthalten: die möglichst deutliche Bezeichnung der Person, für die sie bestimmt ist, nach Namen, Beruf und Wohnort, Zeit und Ort des Erscheinens, die Angabe, ob der Vorgeladene als Beschuldigter, Zeuge oder Sachverständiger zu erscheinen hat, den Zeitpunkt der Ausstellung und die Unterschrift der Behörde, von der die Vorladung ausgeht, den Hinweis auf die Folgen des Nichterscheinens.

Art. 37.

Die Vorladungen werden durch die Post in der für die Zustellung gerichtlicher Akten vorgeschriebenen Weise oder durch die Polizei zugestellt.

Der Polizeiangestellte übergibt dem Vorgeladenen ein Doppel der Vorladung und verurkundet auf dem andern Doppel die Zustellung.

Bei Abwesenheit des Vorgeladenen ist die Vorladung einem Hausgenossen verschlossen zu übergeben.

Art. 38.

Wenn der Vorgeladene keinen bekannten Wohnsitz in der Schweiz hat oder wenn die Vorladung dem Vorgeladenen aus einem andern Grunde nicht auf dem ordentlichen Wege zugestellt werden kann, so wird die Vorladung im Bundesblatt und nach Ermessen der vorladenden Behörde auch in andern Zeitungen veröffentlicht.

VI. Parteien und Verteidigung.

Art. 39.

Parteien im Bundesstrafverfahren sind: Der Beschuldigte, der Bundesanwalt und der Geschädigte. Der Geschädigte ist Partei, wenn er privatrechtliche Ansprüche aus der strafbaren Handlung geltend macht (Art. 213 f.).

Art. 40.

Der Beschuldigte hat das Eecht, in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger zu bestellen. Der Eichter soll den Beschuldigten bei der ersten Vernehmung darauf aufmerksam machen.

In der Hauptverhandlung kann der Präsident des urteilenden Gerichts ausnahmsweise mehrere Verteidiger für einen Beschuldigten zulassen.

Als Verteidiger werden Eechtsanwälte zugelassen, die ihren Beruf in einem Kanton ausüben, und die Eechtslehrer an schweizerischen Hochschulen.

Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. II.

48

672 Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, können die Bechte des Beschuldigten sowohl von ihm persönlich als vom Verteidiger ausgeübt werden, vom Verteidiger jedoch nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Beschuldigten.

Art. 41.

Wählt der Beschuldigte keinen Verteidiger, so bestellt ihm der Eichtet unter tunlicher Berücksichtigung seiner Wunsche einen amtlichen Verteidiger, wenn er verhaftet ist oder wenn er wegen seiner Jugend, Unerfahrenheit oder Bedürftigkeit oder aus anderen Gründen nicht imstande ist, sich zu verteidigen.

Für mehrere Beschuldigte kann ein gemeinschaftlicher Verteidiger bestellt werden, soweit dies mit der Aufgabe der Verteidigung vereinbar ist.

In Assisenfällen ist die Verteidigung notwendig.

Art. 42.

In der Voruntersuchung ernennt der Untersuchungsrichter den amtlichen Verteidiger.

Dieser behält seinen Auftrag in der Eegel auch im weitern Verfahren bei.

Ausnahmsweise kann der Präsident des Gerichtshofes einen neuen amtlichen Verteidiger ernennen, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.

Art. 48.

Über die Entschädigung des amtlichen Verteidigers entscheidet das Gericht und im Falle der Einstellung der Untersuchung der Untersuchungsrichter.

Ist der Beschuldigte vermögend, so hat er die Kosten der amtlichen Verteidigung zu bestreiten, andernfalls trägt sie der Staat.

Art. 44.

Verletzt ein Verteidiger seine Pflichten, so kann ihn der Eichter zu einer Ordnungsstrafe bis zu Fr. 300 verurteilen. Er kann ihn überdies der Aufsichtsbehörde über die Anwälte seines Wohnsitzkantons überweisen.

VII. Vernehmung des Beschuldigten.

Art. 45.

Der Beschuldigte wird in dieser Eigenschaft zu der Vernehmung schriftlich vorgeladen. Erscheint der gehörig Vorgeladene nicht, so kann er polizeilich vorgeführt werden.

Art. 46.

Bei der ersten Vernehmung ermittelt der Eichter die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten und ordnet darüber nötigenfalls Erhebungen an.

673

Der Eichter teilt dem Beschuldigten mit, welcher Tat er beschuldigt wird.

Er veranlagst ihn, sich über die Beschuldigung auszusprechen und Tatsachen und Beweismittel zu seiner Verteidigung anzuführen. Er stellt Prägen zur Ergänzung, Erläuterung oder Berichtigung der Aussage und zur Beseitigung von Widersprüchen.

Art. 47.

Zwang, Drohung, unwahre Angaben und verfängliche Fragen sind dem Eichter untersagt. Der Eichter soll namentlich nicht durch solche Mittel ein Geständnis zu erwirken suchen,

Art. 48.

Gesteht der Beschuldigte die Tat, so veranlagst ihn der Eichter, die nähern Umstände und seine Beweggründe anzugeben.

Art. 49.

Aus dem Protokoll soll sich ergeben, wie der Beschuldigte den Sachverhalt darstellt, welche Tatsachen er anerkennt, bestreitet oder behauptet.

Seine Beweismittel sind im Protokoll anzuführen.

Die Aussagen des Beschuldigten sind in direkter Eede zu protokollieren Die an ihn gestellten Fragen sind nur insoweit ins Protokoll aufzunehmen, als es im Interesse der Klarheit erforderlich ist.

Via. Untersucflungs- und Sicherungshaft.

Art. 50.

Der Beschuldigte darf nur verhaftet werden, wenn er eines Vergehens dringend verdächtig ist, und wenn ausserdem eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft: 1. dringender Fluchtverdacht; dieser kann insbesondere angenommen werden, wenn dem Beschuldigten eine mit Zuchthaus bedrohte Tat vorgeworfen wird oder wenn er sich über seine Person nicht ausweisen kann oder in der Schweiz keinen Wohnsitz hat; 2. bestimmte Umstände, die den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte Spuren der Tat vernichten oder Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder sonst den Untersuchungszweck gefährden werde^

Art. 51.

In den der Voruntersuchung erlässt der Untersuchungsrichter den Haftbefehl, im weitern Verfahren das Gericht, bei dem die Sache hängig ist, oder dessen Präsident.

Vor Einleitung der Voruntersuchung sind zum Erlasse eines Haftbefehles der Bundesanwalt und die Beamten der gerichtlichen Polizei berechtigt, die nach kantonalem Eechte hierfür zuständig sind. Sie haben die Vorschriften, dieses Gesetzes zu befolgen.

674

Art. 52.

Der Haftbefehl ist schriftlich zu erlassen.

In dem Haftbefehl ist der Beschuldigte genau zu bezeichnen. Die Tat, deren er beschuldigt wird und der Grund der Verhaftung sind anzugeben.

Der Haftbefehl -wird dem Beschuldigten bei der Verhaftung oder ohne Verzug nach der Verhaftung mitgeteilt.

Im Protokoll sind die Tatsachen, auf die sich der Haftbefehl stützt, anzuführen.

Art. 53.

Der verhaftete Beschuldigte ist spätestens am Tage nach der Zuführung über den Grund der Verhaftung einzuvernehmen. Die Gründe für eine Aufrechterhaltung der Haft sind ihm mitzuteilen.

Der Entscheid über die Aufrechterhaltung der Haft ist in den Akten schriftlich zu begründen.

Art. 54.

Der Verhaftete soll von Strafgefangenen getrennt sein. Er darf in seiner Freiheit nicht weiter beschränkt werden, als es der Zweck der Haft und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis erfordert.

Der Verhaftete ist berechtigt, sich auf seine Kosten zu verpflegen.

Art. 55.

Der Eichter hat für die richtige Vollziehung der Untersuchungshaft zu sorgen. Ausserdem hat auch die zuständige kantonale Behörde die Vollziehung zu überwachen.

Art. 56.

Der Verhaftete ist freizulassen, sobald der Grund der Verhaftung wegfällt. Er kann mit seiner Unterschrift verpflichtet werden, jeder Vorladung Folge zu leisten, die ihm an dem Orte, den er bezeichnet, zugestellt wird.

Art. 57.

Jede während der Voruntersuchung verfügte Verhaftung oder Haftentlassung ist der Anklagekammer mitzuteilen.

Die Untersuchungshaft wegen drohender Beseitigung oder Gefährdung von Beweismitteln darf nur mit besonderer Bewilligung der Anklagekammer länger als vierzehn Tage dauern.

Alle Eichter haben auf die Abkürzung der Haft hinzuwirken.

Art. 58.

Der Beschuldigte kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen.

Gegen die Abweisung des Haftentlassungsgesuches durch den Untersuchungsrichter kann bei der Anklagekammer Beschwerde geführt werden.

675 Art. 59.

Dem Beschuldigten, der wegen Fluchtverdachts verhaftet ist oder in Haft zu setzen wäre, kann die Verhaftung erlassen werden gegen Bestellung einer Sicherheit dafür, dass er sich jederzeit vor der zuständigen Behörde oder zur Erstehung einer allfälligen Strafe stellen werde.

Art. 60.

Die Sicherheit wird durch Hinterlegung von barem Gelde oder von Wertgegenständen bei der Bundesgerichtskasse oder durch Bürgschaft geleistet.

Den Betrag und die Art der Sicherheit bestimmt der Eichter mit Eücksicht auf die Schwere der Beschuldigung und auf die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten. Die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft unterliegt der Genehmigung der Anklagekammer.

Art. 61.

Trifft der Beschuldigte Anstalten zur Flucht, bleibt er auf Vorladung ohne genügende Entschuldigung aus, oder erfordern neue Umstände seine Verhaftung, so wird er trotz der Sicherheitsleistung verhaftet. Die Sicherheit wird frei.

Art. 62.

Die Sicherheit wird frei, wenn der Grund der Verhaftung weggefallen ist, wenn die Untersuchung eingestellt wird, wenn der Angeklagte freigesprochen wird oder wenn er die Strafe antritt.

Art. 63.

Der Bürge, der den Eichter rechtzeitig benachrichtigt, dass der Beschuldigte die Flucht vorbereitet, wird von der Bürgschaft befreit.

Art. 64.

Die verfallene Sicherheit wird zunächst zur Bezahlung der Kosten, sodann zur Deckung des Schadens und endlich zur Bezahlung der Busse verwendet. Der Überschuss fällt in die Bundesgerichtskasse, ist jedoch dem Beschuldigten zurückzuerstatten, sobald er sich vor Ablauf der Verjährungsfrist stellt.

Art. 65.

Über die Freigabe oder den Verfall der Sicherheit entscheidet die Behörde, bei der die Sache Mngig ist oder zuletzt hängig war.

Art. 66.

Die Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei sind berechtigt, einen Verdächtigen vorläufig festzunehmen, wenn Gefahr im Verzug ist.

676

Leistet der zu Verhaftende Widerstand, so ist nötigenfalls der Beistand von Bürgern in Anspruch zu nehmen. Der Bürger ist verpflichtet, dieser Aufforderung Folge zu leisten.

Der Festgenommene ist ohne Verzug einem zum Erlass eines Haftbefehls berechtigten Eichter oder Beamten zuzuführen. Dieser verhört den Verdächtigen sofort und er entscheidet, ob der Festgenommene zu verhaften oder freizulassen sei.

Art. 67.

Wer Zeuge eines schweren Vergehens ist oder unmittelbar nach der Tat dazu kommt, ist berechtigt, den Täter zu ergreifen. Er soll ihn sofort der Polizei übergeben.

Art. 68.

Kann der Haftbefehl nicht vollzogen werden, so ist die Fahndung anzuordnen. Der Haftbefehl kann öffentlich bekannt gemacht werden. Der Beschuldigte ist so genau als möglich zu bezeichnen. Es ist anzugeben, wem der Verhaftete zuzuführen sei.

IX. Beschlagnahme und Durchsuchung.

Art. 69.

Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind mit Beschlag zu belegen und zu verwahren oder auf besondere Weise kenntlich zu machen. Der Inhaber einer solchen Sache ist verpflichtet, sie auf Verlangen der zuständigen Behörde herauszugeben.

Art. 70.

Die P ost- und Telegraphenbehörden haben Postsachen und Telegramme die an den Beschuldigten gerichtet sind oder offenbar von ihm herrühren, und die für die Untersuchung von Bedeutung sein können, auf Anordnung des, Eichters anzuhalten und ihm auszuliefern.

Der Eichter hat die Sachen dem Adressaten herauszugeben, sobald es der Zweck der Untersuchung zulässt.

Soweit der Inhalt von Briefen und Telegrammen, die zurückbehalten werden, unbedenklich ist, wird dem Adressaten eine Abschrift davon mitgeteilt.

Art. 71.

Der Eichter ist berechtigt, eine Wohnung oder andere Eäume zu durchsuchen, wenn es wahrscheinlich ist, dass der Beschuldigte sich darin verborgen hält, oder dass sich Beweisgegenstände oder Spuren des Vergehens darin befinden. Der Beschuldigte darf nötigenfalls durchsucht werden.

Die Durchsuchung darf nur bei dringender Gefahr zur Nachtzeit stattfinden.

677

Art. 72.

Zu der Durchsuchung ist der Inhaber der Wohnung beizuziehen, wenn er abwesend ist ein Verwandter, Hausgenosse oder Nachbar des Inhabers der Wohnung. Überdies kann ein Gemeindebeamter zugezogen werden.

Art. 73.

Die Durchsuchung von Papieren ist mit grösster Schonung und unter Wahrung des Berufsgeheimnisses (Art. 79) durchzuführen.

Insbesondere sollen Papiere des Beschuldigten oder einer andern Person nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.

Dem Inhaber der Papiere ist womöglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über deren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einspruch, so werden die Papiere versiegelt und aufbewahrt.

Über die Zulässigkeit der Durchsuchung entscheidet im Vorverfahren die Anklagekammer, im Hauptverfahren das Gericht.

Art. 74.

Über Gegenstände, die mit Beschlag belegt oder verwahrt werden, ist ein genaues Verzeichnis aufzunehmen. Die Beteiligten erhalten auf Verlangen eine Abschrift davon. Die verwahrten Gegenstände sind durch amtliche Siegel oder in anderer Weise kenntlich zu machen.

Art. 75.

Vor Einleitung der Voruntersuchung sind zur Beschlagnahme und zur Durchsuchung der Bundesanwalt und die Beamten der gerichtlichen Polizei berechtigt, die nach kantonalem Eecht hierfür zuständig sind. Sie haben die Vorschriften dieses Gesetzes zu befolgen.

X. Zeugen.

Art. 76.

In der Eegel ist jedermann verpflichtet, Zeugnis abzulegen.

Art. 77.

Berechtigt, das Zeugnis zu verweigern, sind: die Verwandten und Verschwägerten des Beschuldigten in gerader Linie, die Geschwister, der 'Schwager und die Schwägerin, der Ehegatte und der Verlobte des Beschuldigten, seine Adoptiveltern und Adoptivkinder.

Art. 78.

Der Eichter soll den Zeugen auf sein Eecht, das Zeugnis zu verweigern, aufmerksam machen. Hiervon ist im Protokoll Vormerk zu nehmen.

678

Erklärt sich der Zeuge bereit, auszusagen, so kann er diese Erklärung auch während der Vernehmung widerrufen. Die bereits gemachten Aussagen bleiben bestehen.

Art. 79.

Geistliche, Eechtsanwälte, Notare, Ärzte, Apotheker, Hebammen und ihre beruflichen Gehilfen dürfen über Geheimnisse, die ihnen in ihrem Amte oder Berufe anvertraut worden sind, nicht zum Zeugnis angehalten werden, wenn sie von der Pflicht der Geheimhaltung nicht befreit worden sind.

Art. 80.

Bin Beamter darf nur mit Zustimmung seiner vorgesetzten Behörde über ein Amtsgeheimnis als Zeuge einvernommen werden.

Art. 81.

Der Zeuge darf die Beantwortung von Fragen, die ihn oder einen Angehörigen (Art. 77) strafrechtlicher Verfolgung oder einer schweren Benachteiligung der Ehre aussetzen kann, verweigern. Der Eichter soll wissentlich keine solchen Fragen stellen.

Art. 82.

Die Zeugen werden in der Eegel schriftlich geladen und auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hingewiesen.

Art. 88.

Erscheint ein Zeuge auf Ladung nicht, so kann ihn der Eichter polizeilich vorführen lassen.

Der unentschuldigt ausbleibende Zeuge hat die Kosten zu bezahlen, die er durch sein Ausbleiben verursacht. Der Eichter kann ihn überdies zu einer Ordnungsstrafe bis zu Fr. 300 verurteilen.

Art. 84.

Die Zeugen werden einzeln vernommen. Sie können andern Zeugen oder dem Beschuldigten gegenübergestellt werden.

Art. 85.

Der Eichter erinnert den Zeugen an seine Pflicht, nach bestem Wissen die Wahrheit zu sagen und nichts zu verschweigen. Er verweist ihn auf die Strafe des falschen Zeugnisses.

Art. 86.

Der Eichter stellt die persönlichen Verhältnisse des Zeugen fest, soweit sie für dessen Glaubwürdigkeit von Bedeutung sein können, insbesondere auch seine allfälligen Beziehungen zum Beschuldigten oder zum Geschädigten.

679 Die Frage nach "Vorstrafen ist nicht gestattet. Wird eine bestimmte Vorstrafe behauptet, so kann der Richter den Zeugen darüber befragen, wenn er es zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit für unerlässlich hält.

Art. 87.

Der Zeuge soll im Zusammenhang berichten und genau unterscheiden, was er von der Sache aus eigener Wahrnehmung weiss und was er etwa von anderen darüber erfahren hat.

Ist die Aussage des Zeugen unvollständig, undeutlich oder widersprechend, so stellt der Richter besondere Fragen.

Die Fragen des Richters sollen die Antwort des Zeugen nicht beeinflussen.

Verfängliche Fragen sind untersagt.

Die Zeugenaussagen werden nach ihrem wesentlichen Inhalt protokolliert.

Art. 88.

Der Richter kann den Zeugen, der die Aussage ohne gesetzlichen Grund verweigert, in Haft setzen, um ihn zur Aussage anzuhalten, jedoch nicht länger als 24 Stunden. Die Zwangshaft hört auf, wenn ihr Zweck erreicht ist.

Verweigert ein Zeuge die Aussage ohne gesetzlichen Grund, so verurteilt ihn der Richter zu einer Ordnungsstrafe bis zu 300 Franken oder zu Haft bis zu zehn Tagen. Der Zeuge hat die Kosten zu bezahlen, die er durch seine Weigerung verursacht.

XI. Augenschein und Sachverständige.

Art, 89.

Kann der Sachverhalt durch Augenschein aufgeklärt werden, so ordnet ihn der Richter an.

Ist anzunehmen, dass sich am Ort der Tat Spuren des Vergehens finden, so ist er ohne Verzug zu besichtigen.

Der Beschuldigte, der Bundesanwalt und der Geschädigte werden zum Augenschein womöglich beigezogen.

Art. 90.

Das Protokoll über den Augenschein soll ein möglichst genaues Bild von dem Gegenstande des Augenscheines geben.

Zeichnungen, Pläne, Photographien sind, wenn nötig, beizugeben.

Art. 91.

Kann der Sachverhalt durch Befund oder Gutachten von Sachverständigen aufgeklärt werden, so sind Sachverständige zu ernennen.

Sachverständige sind insbesondere beizuziehen, wenn über die Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten Zweifel bestehen. Der Beschuldigte kann

680

auf das Gutachten eines Arztes hin zur Beobachtung in eine Irrenanstalt eingewiesen werden.

Art. 92.

Der Eichter ernennt unter tunlicher Berücksichtigung der Vorschläge des Beschuldigten einen oder mehrere Sachverständige und teilt ihre Namen den Parteien mit.

In der Eegel ist niemand verpflichtet, den Auftrag anzunehmen. Der Eichter kann den Sachverständigen ausnahmsweise zur Annahme verpflichten, wenn die Bedürfnisse es erfordern.

Art. 93.

Die Sachverständigen legen das Versprechen ab, ihre Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen.

Art. 94.

Der Eichter bezeichnet den Sachverständigen den Gegenstand der Untersuchung. Er legt ihnen die Frage vor, die sie zu begutachten haben, und kann ihnen Einblick in die Akten gewähren.

Er kann den Sachverständigen das Eecht einräumen, unter seiner Leitung zur Aufklärung des Sachverhaltes Fragen an die Zeugen und den Beschuldigten zu stellen.

Art. 95.

Es steht dem Eichter und den Parteien frei, Erläuterungsfragen an die Sachverständigen zu richten.

Stimmen die Sachverständigen in ihren Wahrnehmungen oder in ihren Schlüssen nicht ùberein, ist der Befund oder das Gutachten mangelhaft oder liegen andere Gründe vor, so kann der Eichter von Amtes wegen oder auf Antrag der Parteien eine neue Untersuchung oder Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen.

Art. 96.

Die Sachverständigen geben den Befund über ihre Wahrnehmungen womöglich sogleich zu Protokoll. Das Gutachten ist in der Eegel schriftlich auszuarbeiten.

Art. 97.

Erfüllt ein Sachverständiger seine Pflicht nicht, bleibt er auf Vorladung ohne genügenden Grund aus, untersucht er den Gegenstand nicht, liefert er das schriftliche Gutachten nicht oder nicht rechtzeitig ab, so hat er die durch sein pflichtwidriges Verhalten verursachten Kosten zu bezahlen. Der Eichter kann ihn überdies zu einer Ordnungsstrafe bis zu Fr. 300 verurteilen. Er kann ihn durch einen andern Sachverständigen ersetzen.

681 XII. Gerichtssprache.

Art. 98.

Vor den Assisen wird in der Sprache der Geschwornen verhandelt, vor dem Bundesstrafgericht in der Sprache des Angeklagten, wenn er deutsch, französisch oder italienisch spricht.

Für die Verhandlungen vor dem Bundesstrafgericht kann der Präsident im Einverständnis mit den Parteien eine andere Anordnung treffen.

Art. 99.

Wird mit Personen verhandelt, die der Gerichtssprache nicht mächtig sind, so ist in der Eegel ein Dolmetscher beizuziehen. "Wichtige Aussagen sind auch in der Sprache, in der die Person ausgesagt hat, in das Protokoll aufzunehmen.

Zu Verhandlungen mit tauben oder stummen Personen ist ein Dolmetscher beizuziehen, wenn schriftlicher Verkehr nicht genügt.

XIII. Ausschliessung und Ablehnung von Gerichtspersonen, Fristen, Wiedereinsetzung.

Art. 100.

Pur die Ausschliessung und Ablehnung von Gerichtspersonen, sowie für die Fristen und die Wiedereinsetzung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege.

Die Bestimmungen über Ausschliessung und Ablehnung von Gerichtspersonen gelten auch für den Sachverständigen und den Dolmetscher.

2. Abschnitt.

Verfahren.

I. Ermittlungen der gerichtlichen Polizei.

Art. 101.

Jedermann hat das Eecht, Vergehen, die von Bundes wegen verfolgt werden, anzuzeigen.

Strafanzeigen sind der Bundesanwaltschaft oder einem Beamten oder Angestellten der gerichtlichen Polizei schriftlich oder mündlich zu Protokoll zu geben.

Art. 102.

Die Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei erforschen die Vergehen, die von Bundes wegen zu verfolgen sind.

Ist die Verfolgung vom Antrag des Verletzten abhängig, so ist dessen Antrag abzuwarten. In dringenden Fällen können schon vor der Stellung des Antrages sichernde Massnahmen getroffen werden.

682

Art. 103.

Die Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei stellen die Spuren der Vergehen fest und sichern sie. Sie nehmen die Untersuchungshandlungen vor, die keinen Aufschub erleiden.

Sie versichern sich nötigenfalls der Person des Verdächtigen.

Art. 104.

Die Verrichtungen der gerichtlichen Polizei, insbesondere die Verhaftung und die Hausdurchsuchung, unterstehen diesem Gesetz, auch wenn sie durch Organe der kantonalen Polizei vorgenommen werden.

Der Verkehr des verhafteten Beschuldigten mit dem Verteidiger kann gestattet werden.

Art. 105.

Der Bundesanwalt leitet die Ermittlungen.

Die Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei berichten auf dem Dienstweg dem Bundesanwalt unverzüglich über ihre Ermittlungen und holen seine Weisungen ein.

Art. 106.

Über die gerichtliche Verfolgung politischer Vergehen entscheidet der Bundesrat. Der Bundesanwalt trifft in Verbindung mit den Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei bis zum Entscheid des Bundesrates die nötigen sichernden Massnahmen.

Art. 107.

Liegt zur Einleitung der Voruntersuchung kein Grund vor, so stellt der Bundesanwalt die Ermittlungen ein. Ist jemand als Beschuldigter vernommen worden, so benachrichtigt ihn der Bundesanwalt von der Einstellung.

Sind durch das Ermittlungsverfahren ausserordentliche Kosten entstanden, so trägt sie die Bundeskasse. Über Anstände entscheidet das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.

Art. 108.

Erscheint die kantonale Gerichtsbarkeit als begründet, so weist der Bundesanwalt den Fall an die zur Einleitung der Strafverfolgung zuständige kantonale Behörde.

Art. 109.

Fälle, für die das Bundesstrafgericht zuständig ist, kann der Bundesrat den kantonalen Behörden zur Untersuchung und Beurteilung übertragen.

u. Voruntersuchung.

Art. 110.

Der Bundesanwalt beantragt bei dem zuständigen eidgenossischen Untersuchungsrichter die Voruntersuchung. Er bezeichnet in dem Antrag die Person

683 des Beschuldigten und die Tat, deren dieser beschuldigt wird. Er stellt dem Untersuchungsrichter die Akten über die Ermittlungen und die Beweisgegenstände zu.

Der Bundesanwalt kann auch eine Untersuchung gegen unbekannte Täter beantragen.

Art. 111.

Verfügt der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung, so teilt er es der Anklagekammer mit.

Art. 112.

Hat der Untersuchungsrichter gegen die Zulässigkeit einer Voruntersuchung Bedenken, so holt er die Entscheidung der Anklagekammer ein. Die Anklagekammer entscheidet nach Anhörung des Bundesanwalts.

Bei politischen Vergehen ist der Beschluss des Bundesrates auf Eröffnung einer Voruntersuchung verbindlich.

Art. 113.

Der Untersuchungsrichter kann die Voruntersuchung von Amtes wegen oder auf Antrag des Bundesanwaltes auf weitere Taten und Personen ausdehnen. Er hat die Ausdehnungsverfügung in den Akten zu begründen und der Anklagekammer mitzuteilen.

Art. 114.

Hat sich der Beschuldigte geflüchtet oder befindet er sich sonst ausser dem Bereich des Untersuchungsrichters, so kann dieser die Voruntersuchung mit Zustimmung des Bundesanwaltes vorläufig einstellen. Bei Meinungsverschiedenheit entscheidet die Anklagekammer.

Art. 115.

Der Untersuchungsrichter stellt den Sachverhalt soweit fest, dass der Bundesanwalt entscheiden kann, ob er eine Anklage erheben soll oder ob die Untersuchung einzustellen sei.

Er sammelt die Beweismittel für eine Hauptverhandlung.

Art. 116.

Das Protokoll wird den Personen, die an den Verhandlungen mitgewirkt haben, vorgelesen. Sie unterzeichnen es mit den Berichtigungen und Erläuterungen, die sie bei der Verlesung des Protokolls angebracht haben.

Ergeben sich bei der Verlesung des Protokolls Zweifel über die Eichtigkeit der Niederschrift, so ist die Vernehmung zu wiederholen.

Weigert sich jemand, das Protokoll zu unterschreiben, so ist die Weigerung und deren Begründung anzumerken.

684

Art. 117.

Es steht dem Beschuldigten und dem Bundesanwalt frei, dem Untersuchungsrichter Untersuchungshandlimgen zu beantragen. Der Geschädigte hat das Eecht, im Laufe der Untersuchung Anträge zur Wahrung seiner privatrechtlichen Ansprüche zu stellen.

Der Untersuchungsrichter entscheidet über die Anträge der Parteien.

Art. 118.

Der Bundesanwalt hat das Eecht, die Akten einzusehen. Der Untersuchungsrichter gewährt dem Verteidiger und dem Beschuldigten Einsicht in die Untersuchungsakten, soweit dies mit dem Zwecke der Voruntersuchung vereinbar ist, dem Beschuldigten allenfalls unter Aufsicht.

Art. 119.

Der Beschuldigte darf, auch wenn er verhaftet ist, mit seinem Verteidiger mündlich und schriftlich verkehren. Ausnahmsweise kann der Untersuchungsrichter den Verkehr für bestimmte Zeit beschränken oder ausschliessen, wenn es der Zweck der Untersuchung erfordert.

Art. 120.

Zu der Vernehmung des Beschuldigten werden der Verteidiger, der Bundesanwalt und der Geschädigte nicht beigezogen.

Die Parteien sind berechtigt, den Beweisaufnahmen beizuwohnen, die in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht vorgenommen werden können.

Art. 121.

Tritt der Bundesanwalt im Laufe der Voruntersuchung von der Verfolgung zurück, so stellt der Untersuchungsrichter die Untersuchung ein. Er teilt dies der Anklagekammer, dem Bundesanwalt, dem Beschuldigten sowie gegebenenfalls dem Geschädigten mit.

Art. 122.

Findet der Untersuchungsrichter, der Zweck der Voruntersuchung sei erreicht, so bestimmt er den Parteien eine Frist, in der sie eine Ergänzung der Akten beantragen können. Er entscheidet über die Anträge.

Der Verteidiger, der Beschuldigte und der Geschädigte haben das Eecht, die Akten vollständig einzusehen, der Beschuldigte allenfalls unter Aufsicht.

Stellen die Parteien keine weiteren Anträge oder sind diese erledigt, so schliesst der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung. Er teilt dies der Anklagekammer mit. Der Untersuchungsrichter stellt dem Bundesanwalt die Akten mit seinem Schlussbericht zu.

685

Art. 123.

Tritt der Bundesanwalt nach Schluss der Voruntersuchung von der Verfolgung zurück, so stellt der Untersuchungsrichter das Verfahren ein.

Art. 124.

Findet der Bundesanwalt oder der Untersuchungsrichter, es gebühre dem Beschuldigten, gegen den die Untersuchung eingestellt wird, eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, oder beansprucht der Beschuldigte eine Entschädigung, so legt der Untersuchungsrichter die Akten der Anklagekammer zur Entscheidung vor.

Die Frage, ob und in welchem Masse dem Beschuldigten eine Entschädigung gebühre, ist nach Billigkeitsrücksichten zu entscheiden.

Die Anklagekammer kann den Anzeiger und den Geschädigten, die das Verfahren durch Arglist oder grobe Fahrlässigkeit veranlasst haben, dem Bunde gegenüber zum ganzen oder teilweisen Ersatz der Entschädigung verurteilen.

Diese Bestimmung ist auch auf das Ermittlungsverfahren anzuwenden.

Art. 125.

Die Kosten der eingestellten Untersuchung trägt die Bundeskasse. Sie können ganz oder teilweise dem Beschuldigten auferlegt werden, wenn er die Einleitung der Untersuchung durch schuldhaftes Benehmen verursacht oder das Verfahien durch trölerisches Verhalten wesentlich verzögert hat.

Art. 126.

Der Bundesanwalt kann das eingestellte Verfahren wieder aufnehmen, wenn neue Beweismittel oder neue Tatsachen entdeckt werden.

Art. 127.

Der Bundesanwalt hat die Akten der eingestellten Untersuchung aufzubewahren. Die Einsichtnahme ist nur zum Schutze eines rechtlich anerkannten Interesses gestattet. Verweigert der Bundesanwalt die Einsichtnahme, so entscheidet die Anklagekammer.

m. Die Versetzung des Beschuldigten in den Anklagezustand.

Art. 128.

Ist der Beschuldigte eines Vergehens hinreichend verdächtig, so erhebt der Bundesanwalt Anklage.

686

Art. 129.

Die Anklageschrift bezeichnet: 1. den Angeklagten, 2. das Vergehen, das ihm vorgeworfen wird, nach seinen tatsächlichen und gesetzlichen Merkmalen, 8. die Bestimmungen des Strafgesetzes, die anzuwenden sind, 4. die für die Hauptverhandlung notwendigen Beweismittel, 5. das zuständige Gericht.

Art. 130.

Der Bundesanwalt sendet die Anklageschrift mit den Akten und einem erläuternden Bericht an die Anklagekammer. Er stellt jedem Angeklagten eine Abschrift der Anklageschrift zu.

Der Angeklagte kann bei der Anklagekammer in der Frist von fünf Tagen eine Verteidigungsschrift einreichen. Der Bundesanwalt macht ihn bei der Mitteilung der Anklageschrift auf dieses Eecht aufmerksam.

Der Angeklagte und der Verteidiger haben das Hecht, die Akten vollständig einzusehen, der Beschuldigte allenfalls unter Aufsicht. Der Präsident der Anklagekammer kann die Frist verlängern.

Art. 131.

Die Anklagekammer prüft, ob die Ergebnisse der Voruntersuchung die Erhebung der Anklage rechtfertigen. Dabei hat sie zu untersuchen: ob die Tat, die den Gegenstand der Anklage bildet, mit Strafe bedroht sei, ob ihre Strafbarkeit aufgehoben oder ihre Verfolgbarkeit ausgeschlossen sei, ob das in der Anklageschrift bezeichnete Gericht zuständig sei.

Art. 182.

Ist eine bessere Aufklärung des Sachverhalts notwendig, so ordnet sie die Anklagekammer an. Sie weist die Akten an den Untersuchungsrichter zurück.

Wird der Sachverhalt durch die Ergänzung der Voruntersuchung wesentlich verändert, so hat der Bundesanwalt das Eecht, die Anklage zurückzuziehen und eine neue Anklage einzubringen.

^

Art. 133.

Lässt die Anklagekammer die Anklage nicht zu, so stellt sie das Verfahren ein. Sie begründet die Nichtzulassung. Sie entscheidet darüber, ob dem Angeklagten eine Entschädigung gebühre.

Gegebenenfalls überweist die Anklagekammer die Sache an die zur Einleitung einer Strafverfolgung zuständige kantonale Behörde.

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Art. 134.

Ist nach Beschluss der Anklagekammer die Anklage abzuändern, so hat der Bundesanwalt eine neue Anklageschrift einzureichen.

Art. 135.

Lässt die Anklagekammer die Anklage zu, so übermittelt sie die Akten dem Präsidenten des Bundesgerichts zur Weiterleitung an das zuständige Gericht.

Art. 136.

Der Beschluss der Anklagekammer über die Zulassung oder Nichtzulassung wird dem Bundesanwalt, dem Angeklagten und dem Geschädigten mitgeteilt.

IV. Vorbereitung der Hauptverhandlung.

I. Gemeinsame Bestimmungen.

Art. 137.

Wird ein Angeklagter vor das Bundesstrafgericht oder vor die Bundesassisen verwiesen, so bezeichnet das Bundesgericht den Präsidenten des Bundesstrafgerichts oder der Bundesassisen für diesen Straffall. Der Präsident des Bundesgerichts stellt dem Präsidenten des Strafgerichtshofes die Akten zu.

Art. 138.

Hat der Angeklagte noch keinen Verteidiger, so weist der Präsident des erkennenden Gerichts ihn auf sein Eecht hin, einen solchen beizuziehen. Er ·ernennt gegebenenfalls einen amtlichen Verteidiger.

Art. 139.

Der Präsident des erkennenden Gerichts bestimmt dem Angeklagten und dem Geschädigten eine Frist zur Einreichung von Beweiseingaben. Sie haben die Tatsachen anzugeben, für die sie Beweismittel anführen. Der Geschädigte hat sich auf die Beweismittel für seinen Anspruch zu beschränken.

Der Präsident teilt dem Bundesanwalt die Beweiseingaben der andern Parteien mit und bestimmt ihm eine Frist, in der er die in der Anklageschrift aufgeführten Beweismittel ergänzen kann.

Art. 140.

Der Präsident kann von sich aus die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen verfügen oder andere Beweismassnahmen für die Hauptverhandlung anordnen.

Er kann die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen oder die Anordnung anderer Beweismassnahmen wegen Unerheblichkeit ablehnen. In diesem Ealle haben die Parteien das Eecht, ihre Begehren an den Gerichtshof zu stellen.

Der Präsident teilt seine Beweisverfügung den Parteien mit.

Bimdesblatt. 81. Jahrg. Bd. II.

49

688

Art. 141.

Ist eine Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, z. B. wegen Krankheit eines Zeugen, voraussichtlich nicht möglich oder ist es zweckmässig, vor der Hauptverhandlung einen richterlichen Augenschein vorzunehmen, so kann der Präsident oder das Gericht eine Beweisaufnahme vor der Hauptverhandlung durch das Gericht oder durch einen abgeordneten oder beauftragten Eichter anordnen. Den Parteien ist womöglich Gelegenheit zu geben, der Beweisaufnahme beizuwohnen. Sind sie nicht erschienen, so ist ihnen das Protokoll vor der Hauptverhandlung vorzulegen.

Art. 142.

Der Präsident setzt die Akten bei den Mitgliedern des Bundesstrafgerichtsoder der Kriminalkammer in Umlauf.

Er bestimmt Ort und Zeit der Hauptverhandlung.

Er erlässt die Ladungen. Diese sollen spätestens sieben Tage vor dem Tage der Hauptverhandlung zugestellt werden. Vorbehalten bleibt Art. 140^ Absatz 1.

Der nicht verhaftete Angeklagte wird unter der Drohung vorgeladen, dass.

er, wenn er ohne genügende Entschuldigung ausbleibt, polizeilich vorgeführt werden kann.

Art. 143.

Wenn es zweckmässig ist, kann das Bundesstrafgericht oder die Kriminalkammer die gesonderte Verhandlung gegen einzelne Teilnehmer am Vergehen anordnen.

II. Besondere Bestimmungen für das Verfahren vor den Bundesassisen.

Art. 144.

Die Kriminalkammer bildet wenigstens drei Wochen vor der Assisenverhandlung die engere Geschwornenliste in öffentlicher Sitzung.

Die Namen der Geschwornen des Bezirkes werden in eine Urne gelegt; von diesen werden vierzig Namen ausgelost, verlesen und verzeichnet.

Die Kriminalkammer teilt dem Bundesanwalt und dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine Abschrift der engern Geschwornenliste mit.

Art. 145.

Der Bundesanwalt und der Angeklagte können je zehn Geschworne ohne Angabe von Gründen ablehnen.

Mehrere Angeklagte üben das Ablehnungsrecht gemeinsam aus. Können sie sich darüber nicht einigen, so bestimmt der Präsident der Kriminalkammer, wie viele Geschworne jeder Angeklagte ablehnen kann.

689 Die Ablehnung von Geschwornen ist dem Präsidenten der Krimiaalkammer innert zehn Tagen nach dem Empfang der engern Geschwornenliste schriftlich mitzuteilen. Wer die Frist versäumt, verzichtet auf die Ablehnung.

Art. 146.

Sofort nach Ablauf der Frist für die Ablehnung von Geschwornen bezeichnet die Kriminalkammer in öffentlicher Sitzung durch das Los aus den nicht abgelehnten Geschwornen zwölf als Urteiler und zwei als Ersatzmänner.

Der Präsident der Kriminalkammer teilt unverzüglich dem Bundesanwalt und dem Angeklagten eine Abschrift der Liste der einzuberufenden Geschwornen mit.

Die Geschwornen und Ersatzmänner werden wenigstens sieben Tage vor der Sitzung einberufen.

Art. 147.

Hat- der Angeklagte in der Voruntersuchung alle oder die wesentlichen Tatsachen der Anklage in glaubwürdiger Weise zugestanden, so fragt ihn der Präsident vor der Bildung der engern Geschwornenliste an, ob er sich der Beurteilung durch die Kriminalkammer unterziehe.

Unterzieht sich der Angeklagte der Beurteilung durch die Kriminalkammer, so entscheidet diese, ob sie die Beurteilung übernehmen solle. In diesem Falle gelten die Vorschriften über das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht.

Haben von mehreren Teilnehmern nur einzelne die Beurteilung durch die Kriminalkammer begehrt, so werden alle Beteiligten den Bundesassisen überwiesen.

Nimmt der Angeklagte nachträglich sein Geständnis ganz oder teilweise zurück, so ist er von den Bundesassisen zu beurteilen.

V. Die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht.

Art. 148.

Der Präsident leitet die Verhandlung.

Der Präsident und das Gericht sind verpflichtet, die Erforschung der Wahrheit mit allen gesetzlichen Mitteln zu fördern.

Der Präsident trifft die Verfugungen, die nicht dem Gerichte vorbehalten sind.

Art. 149.

Die Kichter müssen der ganzen Hauptverhandlung beiwohnen. Der Angeklagte darf sich nur mit Erlaubnis oder auf Anordnung des Präsidenten aus der Hauptverhandlung entfernen.

690

Das Gericht kann ausnahmsweise den Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen befreien und ihm gestatten, sich durch einen Verteidiger vertreten zu lassen.

Art. 150.

Kann der Angeklagte nicht vor Gericht gestellt werden, so findet die Hauptverhandlung gleichwohl statt. Der Verteidiger ist zuzulassen.

Das Gericht vertagt ausnahmsweise die Verhandlung, wenn es das persönliche Erscheinen des Angeklagten als notwendig erachtet. Es nimmt die Beweise auf, die keinen Aufschub erleiden.

Wenn der in Abwesenheit Verurteilte sich stellt oder ergriffen wird, so ist das Urteil auf sein Verlangen aufzuheben. Es findet hierauf eine neue Hauptverhandlung statt.

Art. 151.

Ist der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausgeblieben, so vertagt sie das Gericht.

MUSS die Hauptverhandlung wegen Verschuldens des Verteidigers vertagt werden, so hat er die Kosten, die er verursacht hat, zu bezahlen. Das Gericht kann dem schuldhaft ausgebliebenen Verteidiger überdies eine Ordnungsbusse bis zu 300 Eranken auferlegen.

Art. 152.

Die Hauptverhandlung ist ohne Unterbrechung durchzufuhren.

Präsident kann sie jedoch für kurze Zeit unterbrechen.

Der

Art. 153.

Nach Eröffnung der Hauptverhandlung befragt der Präsident den Angeklagten über Namen, Alter, Beruf, Wohnort und Heimat.

Art. 154.

Nach dem Aufruf der Zeugen und Sachverständigen ladet der Präsident die Zeugen ein, sich in das Zeugenzimmer zu begeben. Er untersagt ihnen, die Sache miteinander zu besprechen.

Die Sachverständigen wohnen der Hauptverhandlung bei.

Der Präsident kann Zeugen oder Sachverstandige nach dem Aufruf auf "bestimmte Zeit entlassen.

Art. 155.

Das Gericht kann Zeugen und Sachverständige, die unentschuldigt ausbleiben, vorführen lassen. MUSS die Verhandlung wegen ihres Ausbleibens vertagt werden, so verurteilt sie das Gericht zu den Kosten, die sie schuldhaft verursacht haben, und entscheidet über die Disziplinarmassnahmen der Art. 88 und 97.

691 Art. 156.

Nach dem Zeugenaufruf lässt der Präsident durch den Gerichtsschreiber die Anklageschrift verlesen.

Art. 157.

Hierauf gibt der Präsident den Parteien Gelegenheit, Einwendungen gegen die Zuständigkeit oder die Besetzung des Gerichtes geltend zu machen oder andere Vorfragen auf zuwerf en.

Vorbehalten bleibt das Eecht der Parteien, bis zum Schluss der Hauptverhandlung die Einreden der beurteilten Sache und der Verjährung sowie die erst im weitern Verlaufe der Hauptverhandlung auftretenden Mängel des Verfahrens als Zwischenfragen geltend zu machen.

Art. 158.

Sind die Vorfragen erledigt, so fragt der Präsident den Angeklagten, was er auf die Anklage zu sagen habe.

Setzt sich der Angeklagte mit früheren Aussagen in Widerspruch, so dürfen ihm diese vorgehalten werden.

Art. 159.

Gesteht der Angeklagte die ihm in der Anklage zur Last gelegte Tat zu und ist das Geständnis glaubwürdig, so kann das Gericht mit Zustimmung des Bundesanwaltes und des Angeklagten von einem Beweisverfahren ganz oder teilweise absehen.

Art. 160.

Ist ein Beweisverfahren notwendig, so gibt der Präsident den Parteien zunächst Gelegenheit, eine Ergänzung der vor der Verhandlung bezeichneten Beweismittel zu beantragen.

Das Gericht kann während der ganzen Hauptverhandlung von Amtes wegen oder auf Antrag neue Beweise anordnen. Jedoch sorgt das Gericht dafür, dass die Verhandlung nicht unnötig verlängert wird.

Art. 161.

Der Präsident bestimmt die Reihenfolge der Beweise. Er verhört die Zeugen und die Sachverständigen.

Art. 162.

Die Eichter, der Bundesanwalt, der Verteidiger, der Angeklagte und der Geschädigte haben das Eecht, an die Zeugen und Sachverständigen durch den Präsidenten Fragen stellen zu lassen, die zur Aufklärung des Sachverhalts dienen können. In gleicher Weise können Fragen an den Angeklagten gestellt werden.

Wird die Zulässigkeit einer Frage bestritten, so entscheidet das Gericht.

692

Art. 163.

Die Zeugen werden nach den Bestimmungen der Art. 84 bis 87 vernommen. Das Gericht entscheidet, ob und inwieweit Beweisaussagen zu protokollieren sind.

Erinnert sich ein Zeuge an eine Wahrnehmung, über die er früher berichtet hat, nicht mehr genau oder besteht ein Widerspruch mit seiner frühern Aussage, so darf diese insoweit vorgelesen werden.

Art. 164.

Die Sachverständigen geben ihren Befund und ihr Gutachten mündlich ab.

Sie dürfen ihre schriftlichen Berichte benützen.

Art. 165.

Der Präsident entlässt Zeugen und Sachverständige nur mit Zustimmung der Parteien vor dem Schluss der Verhandlung.

Art. 166.

Urkunden und das Protokoll über einen Augenschein werden verlesen.

Ist ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein Mitangeklagter gestorben oder kann er aus einem andern zwingenden Grunde in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden, so darf seine Aussage verlesen werden.

Art. 167.

Erhebt der Ankläger im Laufe der Hauptverhandlung noch wegen einer andern Tat des Angeklagten Anklage, so kann das Bundesstrafgericht mit Zustimmung des Angeklagten diese Tat mit der andern beurteilen, wenn es sachlich zuständig ist.

Art. 168.

Überzeugt sich der Ankläger im Laufe der Hauptverhandlung, dass die Tat ein anderes Vergehen begründet oder schwerer strafbar ist, als er angenommen hatte, so kann er die Anklage berichtigen. Das Gericht gibt den Parteien Gelegenheit, sich dazu zu äussern. Erfordert die Verteidigung gegen die berichtigte Anklage eine weitere Vorbereitung, so kann das Gericht die Verhandlung ausnahmsweise auf Antrag oder von Amtes wegen aussetzen.

Art. 169.

Nach dem Schluss des Beweisverfahrens stellt und begründet der Bundesanwalt seine Anträge über Schuld und Strafe.

Sodann steht dem Geschädigten das Wort zu. Der Bundesanwalt ist berechtigt, den Geschädigten mit dessen Zustimmung zu vertreten.

Hierauf folgt die Verteidigung.

693

Jede Partei hat das Eecht zu einem zweiten Vortrag. Der Angeklagte hat das letzte Wort.

Art. 170.

Die Hauptverhandlung schliesst mit dem Urteil.

Das Gericht spricht den Angeklagten frei oder es verurteilt ihn. Erweist sich die Beurteilung des Angeklagten aus prozessrechtlichen Gründen als unzulässig, so wird das Verfahren eingestellt.

Das Urteil wird mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst.

Art. 171.

Das Gericht hat nur die Tat zu beurteilen, auf die sich die Anklage bezieht.

Es hat dabei nur auf die in der Hauptverhandlung gemachten Feststellungen Bücksicht zu nehmen.

Die Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der Beweismittel würdigt das Gericht nach bestem Wissen und Gewissen.

Art. 172.

Findet das Gericht, die Tat stelle ein anderes Vergehen dar oder sie sei schwerer strafbar, als die Anklage angenommen hat, so macht der Präsident den Angeklagten darauf aufmerksam und gibt ihm Gelegenheit, sich dagegen zu verteidigen. Erfordert die Verteidigung eine weitere Vorbereitung, so kann das Gericht die Verhandlung ausnahmsweise auf Antrag oder von Amtes wegen aussetzen.

Art. 173.

Das Gericht rechnet dem Verurteilten die Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe an, soweit der Täter die Untersuchungshaft nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt hat. Lautet das Urteil nur auf Busse, so kann es die Dauer der Untersuchungshaft in angemessener Weise berücksichtigen.

Als Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs- und Sicherungshaft sowie die Einweisung in eine Krankenanstalt zu verstehen.

Art. 174.

Das Gericht verfügt ohne Bücksicht auf die Strafbarkeit des Angeklagten die Einziehung von Gegenständen, die zu der Verübung eines Vergehens gedient haben oder bestimmt waren oder durch ein Vergehen hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.

Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbargemacht oder vernichtet werden.

694

Diese Bestimmungen finden auch bei der Einstellung der Ermittlungen und der Voruntersuchung Anwendung.

Art. 175.

Geschenke oder andere Zuwendungen, die dazu gedient haben, ein Vergehen zu veranlassen oder zu belohnen, verfallen dem Bunde. Sind sie nicht mehr vorhanden, so schuldet der Empfänger dem Bunde deren Wert.

Art. 176.

Dem Verurteilten werden in der Kegel die Kosten des Prozesses auferlegt.

Das Gericht kann ihn aus besondern Gründen ganz oder teilweise von der Kostentragung befreien.

Das Gericht bestimmt, ob und inwieweit mehrere Verurteilte solidarisch haften.

Wird das Verfahren eingestellt, so trägt in der Eegel der Bund die Kosten.

Art. 177.

Der Freigesprochene kann zu den Kosten verurteilt werden, die er durch sein Ausbleiben bei einer Verhandlung verschuldet hat.

Er kann auch zur Tragung von Kosten verurteilt werden, wenn er die Einleitung der Untersuchung durch schuldhaftes Benehmen verursacht oder das Verfahren durch trölerisches Verhalten wesentlich verzögert hat. Dieser Grundsatz ist auch im Falle der Einstellung anwendbar.

Art. 178.

Wird der Geschädigte mit dem privatrechtlichen Ansprüche abgewiesen, so kann er zu den Prozesskosten verurteilt werden, die aus der Behandlung dieses Anspruches entstanden sind.

Wird der privatrechtliche Anspruch zugesprochen, so hat der Angeklagte auf Verlangen des Geschädigten dessen Parteikosten ganz oder teilweise zu ersetzen.

Wird der Geschädigte abgewiesen, so hat er auf Verlangen des Angeklagten einen angemessenen Anteil an die Verteidigungskosten zu bezahlen.

Art. 180.

Dem freigesprochenen Angeklagten kann eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, zuerkannt werden. Das Gericht kann den Betrag der Entschädigung später festsetzen.

695

Art. 181.

Der Anzeiger, der das Verfahren durch Arglist oder grobe Fahrlässigkeit veranlagst hat, kann dem Bunde gegenüber zum ganzen oder teilweisen Ersatz der Prozesskosten und der Entschädigung verurteilt werden.

Art. 182.

Der Präsident eröffnet das Urteil in der öffentlichen Verhandlung. Er verliest den Urteilsspruch und teilt den wesentlichen Inhalt der Entscheidungsgründe mit.

Art. 183.

Der Gerichtsschreiber fasst das Urteil ab. Es soll enthalten: 1. den Ort und die Zeit der Verhandlung, 2. die Namen der Eichter, des Vertreters der Bundesanwaltschaft, des Gerichtsschreibers, des Angeklagten und seines Verteidigers, des Geschädigten und seines Eechtsbeistandes oder Vertreters, 3. das Vergehen, das die Anklage bezeichnet, 4. die Anträge der Parteien.

Das Urteil stellt fest: 1. im Falle der V e r u r t e i l u n g : a. welche die einzelnen Merkmale des Vergehens begründenden Tatsachen erwiesen sind, b. welche Umstände die Strafzumessung bestimmt haben, o. welche Bestimmungen des Gesetzes angewendet worden sind, d. den Urteilsspruch.

2. Im Falle der Freisprechung: a. dass die dem Angeklagten vorgeworfene Tat nicht erwiesen oder nicht strafbar sei, 6. den Urteilsspruch.

3. Im Falle der Einstellung: a. welche Umstände die Einstellung begründen, b. den Urteilsspruch.

In allen drei Fällen enthält das Urteil die Entscheidung über die Kosten und den privatrechtlichen Anspruch, sowie die Begründung dazu.

Art. 184.

Das Urteil mit den Entscheidungsgründen soll in der Eegel in zehn Tagen nach der Eröffnung ausgefertigt sein.

Dem Bundesanwalt und auf ihr Begehren auch den andern Parteien ist eine beglaubigte Urteilsausfertigung durch die Post gemäss den Bestimmungen des Art. 37 kostenlos zuzustellen.

696

Art. 185.

Das Protokoll über die Hauptverhandlung gibt an: den Ort und die Zeit der Verhandlung, die Namen der Eichter, des Vertreters der Bundesanwaltschaft, des Gerichtsschreibers, des Angeklagten und seines Verteidigers, des Geschädigten und seines Eechtsbeistandes oder Vertreters, das Vergehen, das die Anklage bezeichnet. Es stellt den Gang der Hauptverhandlung sowie die Beobachtung der Formen fest; ferner die Anträge der Parteien, die Entscheidung darüber und den Urteilsspruch.

Der Präsident kann ausnahmsweise anordnen, dass noch anderes in das Protokoll aufgenommen werde.

VI. Die Hauptverhandlung vor den Bundesassisen.

Art. 186.

Die Bestimmungen über die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgerichte finden auf das Verfahren vor den Bundesassisen insoweit Anwendung, als dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

Art. 187.

· Gesteht der Angeklagte im Laufe der Hauptverhandlung alle oder die wesentlichen Tatsachen der Anklage und ist das Geständnis glaubwürdig, so kann die Beurteilung mit Zustimmung des Bundesanwalts und des Angeklagten der Kriminalkammer übertragen werden.

Art. 188.

Bei Eröffnung der Hauptverhandlung teilt der Präsident die Namen der Geschwornen mit, die als Urteiler und als Ersatzmänner anwesend sind. Sie nehmen ihre Sitze in der Reihenfolge ein, in der sie ausgelost worden sind.

Sind zwölf Geschworne und zwei Ersatzmänner anwesend und werden keine Unfähigkeits- oder Ablehnungsgründe geltend gemacht, so genügt diese Besetzung. 'Ist nur ein Ersatzmann anwesend, so entscheidet die Kriminalkammer, ob ein zweiter einzuberufen sei. Müssen weitere Geschworne einberufen werden, so bezeichnet der Präsident nach Anhörung des Bundesanwalts und des Angeklagten die Geschwornen aus der engern Liste, die zuerst zur Stelle sein können.

Art. 189.

Der Präsident nimmt den Geschwornen und den Ersatzmännern das Gelöbnis ab. Sie geloben: sich an das Gesetz zu halten.

den Verhandlungen aufmerksam zu folgen, die Beweise sorgfältig zu prüfen,

697

nach bestem. Wissen und Gewissen und auf Grund der Verhandlungen, in Würdigung des Gesetzes ihre Stimme als unparteiische Eichter abzugeben, vor der Eröffnung des Wahrspruches mit niemandem, als mit andern Geschwornen über die Sache zu sprechen.

Art. 190.

Die Geschwornen wählen ihren Obmann in geheimer Wahl mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet das höhere Alter.

Art. 191.

Die Geschwornen und die Ersatzmänner müssen der ganzen Verhandlung beiwohnen.

Die Geschwornen haben dasselbe Fragerecht wie die Eichter.

Art. 192.

Der Gerichtshof kann einen Geschwornen, der ohne Entschuldigung ausbleibt, das Gelöbnis oder die Stimmabgabe verweigert, zu einer Ordnungsbusse bis zu 500 Pranken und zu den Kosten, die er durch sein Ausbleiben oder seine Weigerung verursacht, verurteilen.

Art. 193.

Über Vor- und Zwischenfragen entscheidet die Kriminalkammer.

Art. 194.

Nach der Verlesung der Anklageschrift erklärt der Präsident den Geschwornen, worauf es für den Beweis hauptsächlich ankommt und in welcher Eeihenfolge die Beweise geführt werden.

Art. 195.

Ist das Beweisverfahren geschlossen, stellt der Präsident die Fragen an die Geschwornen nach Beratung mit den Mitgliedern der Kriminalkammer fest und verliest sie.

Der Präsident übergibt dem Bundesanwalt, dem Angeklagten und dem Obmann der Geschwornen Abschriften der Fragen. Er kann die Sitzung zur Prüfung der Fragen auf kurze Zeit unterbrechen.

Der Bundesanwalt und der Angeklagte können Einwendungen gegen die Fragen erheben und Anträge auf Ergänzung oder Abänderung der Fragen stellen. Die Kriminalkammer entscheidet hierüber.

Art. 196.

Die Fragen sind so zu stellen, dass sie mit «ja» oder «nein» beantwortet werden können.

Für jeden Angeklagten und für jede Tat sind besondere Fragen zu stellen.

698

Art. 197.

Den Geschwornen wird die Hauptfrage vorgelegt, ob der Angeklagte die Tat begangen habe und ob sie die gesetzlichen Merkmale des Vergehens enthalte, das ihm die Anklage vorwirft. Die Tat ist durch ihre besondern Umstände, namentlich nach Zeit, Ort und Gegenstand zu kennzeichnen.

Art. 198.

Kann es sich nach der Sachlage fragen, ob ein besonderer Umstand vorliegt, der nach dem Gesetz die Schuld oder die Strafe ausschliesst, so ist eine besondere Frage zu stellen.

Art. 199.

Kann es sich nach der Sachlage fragen, ob die Tat des Angeklagten die gesetzlichen Merkmale eines andern Vergehens enthält, als die Anklage annimmt, oder ob nur Versuch oder Beihilfe vorliegt, so ist für den Fall, dass die Hauptfrage verneint wird, eine Eventualfrage zu stellen.

Art. 200.

Kann es sich nach der Sachlage fragen, ob ein besonderer Umstand vorliegt, der nach dem Gesetz ein anderes Höchst- oder Mindestmass der Strafe oder eine andere Strafart begründet, so ist für den Fall, dass die Hauptfrage bejaht wird, eine besondere Frage zu stellen.

Art. 201.

Sind die Fragen an die Geschwornen endgültig festgestellt, folgen die Vorträge und Anträge des Bundesanwalts, des Geschädigten und des Verteidigers über diese Fragen. Jede Partei hat das Eecht zu einem zweiten Vortrag. Der Angeklagte hat das letzte Wort. Der Bundesanwalt ist berechtigt, den Geschädigten mit dessen Zustimmung zu vertreten.

Art. 202.

Auf die Parteivorträge folgt eine Eechtsbelehrung des Präsidenten. Er erläutert darin den Geschwornen ihre Aufgabe.

Fragt es sich, ob die Schuld oder die Strafe des Angeklagten durch besondere Umstände, wie Unzurechnungsfähigkeit oder Notwehr ausgeschlossen sei, oder liegen andere zu berücksichtigende Umstände vor, so gibt der Präsident die erforderlichen Erläuterungen.

Er äussert sich nicht darüber, ob die Tat erwiesen sei oder ob ein besonderer Umstand, der die Schuld oder die Strafe ausschliesst, vorliege.

Art. 203.

Die Geschwornen begeben sich in das Beratungszimmer. Der Obmann leitet die Beratung und Abstimmung der Geschwornen. Über jede Frage wird besonders beraten und offen abgestimmt.

699

Der Präsident des Gerichts wohnt der Beratung bei, um Aufklärungen, die von ihm erbeten werden, im Eahmen der Rechtsbelehrung (Art. 202) zu geben.

Art. 204.

Wünschen die Geschwornen eine Abänderung oder Ergänzung der ihnen gestellten Fragen, so ist die Verhandlung wieder aufzunehmen.

Über die Abänderung oder Ergänzung der Fragen beschliesst die Kriminalkammer nach Anhörung des Bundesanwalts und des Angeklagten.

Art. 205.

Die Geschwornen entscheiden mit einfacher Stimmenmehrheit.

Stimmengleichheit gilt die dem Angeklagten günstigere Lösung.

Bei

Art. 206.

Der Obmann der Geschwornen trägt das Ergebnis der Abstimmung: ja oder nein, und die Mahl der Stimmen in den Fragebogen ein. Der Obmann unterzeichnet den Fragebogen.

Art. 207.

Nach Wiederaufnahme der Verhandlung durch den Präsidenten eröffnet der Obmann den Wahrspruch. Er verliest jede Frage mit der Antwort der Geschwornen.

Art. 208.

Ist der Wahrspruch der Geschwornen undeutlich oder unvollständig oder enthält er Widerspruche, so weist ihn die Kriminalkammer an die Geschwornen zurück. Sie entscheidet, welche Teile des Wahrspruchs aufgehoben werden.

Art. 209.

Verneinen die Geschwornen die Hauptfrage, so spricht die Kriminalkammer den | Angeklagten frei.

Bejahen die Geschwornen die Hauptfrage und zugleich die besondere Frage, ob ein Umstand die Schuld oder die Strafe ausschliesst, so spricht die Kriminalkammer den Angeklagten frei.

Erweist sich die Beurteilung des Angeklagten aus prozessrechtlichen Gründen als unzulässig, so wird das Verfahren eingestellt.

War der Angeklagte verhaftet, so Wird er auf freien FUSS gesetzt, sofern er nicht aus andern Gründen in Haft bleiben muss oder verwahrt werden soll.

Die Kriminalkammer entscheidet hierauf nach Anhörung der Parteien über den privatrechtlichen Anspruch des Geschädigten, die Kosten, den Entschädigungsanspruch des Angeklagten und über andere Nebenpunkte.

700

Art. 210.

Bejahen die Geschwornen die Haupt- oder die Eventualfrage, so beantragt der Bundesanwalt die Anwendung des Gesetzes und die Strafe. Der Geschädigte begründet den privatrechtlichen Anspruch. Hierauf folgt die Verteidigung. Jede Partei hat das Eecht zu einem zweiten Yortrag. Der Angeklagte hat das letzte Wort.

Die Parteien dürfen den durch den Wahrspruch festgestellten Tatbestand nicht anfechten.

Die Kriminalkammer entscheidet über die Anwendung des Gesetzes, die Bemessung der Strafe, den privatrechtlichen Anspruch, die Kosten und andere Nebenpunkte.

Art. 211.

Der Präsident eröffnet das Urteil der Kriminalkammer mit den wesentlichen Entscheidungs gründen.

Art. 212.

In die Urteilsausfertigung sind die Fragen an die Geschwornen und der Wahrspruch aufzunehmen.

VII. Privatrechtliche Ansprüche.

Art. 213.

Privatrechtliche Ansprüche aus strafbaren Handlungen können im Bundesstrafverfahren geltend gemacht und von den eidgenössischen Strafgerichten beurteilt werden. Jedoch kann das eidgenössische Strafgericht den Geschädigten an den Zivilrichterweisen, wenn die Beurteilung der privatrechtlichenAnsprüche zu ausserordentlichen Schwierigkeiten führt.

Art. 214.

Der privatrechtliche Anspruch kann bis zum Schluss der Hauptverhandlung geltend gemacht werden.

Art. 215.

Wird das Strafurteil infolge Eevision oder Nichtigkeitsklage aufgehoben, so fällt auch der Entscheid über den privatrechtlichen Anspruch dahin.

Wird die Strafsache neu verhandelt, so kann auch der privatrechtliche Anspruch wieder geltend gemacht werden.

Art. 216.

Der Untersuchungsrichter und der Präsident des eidgenössischen Strafgerichts können dem Geschädigten das Armenrecht bewilligen und einen Bechtsanwalt beigeben (Art. 212 des Bundesgesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege).

701

3. Abschnitt.

Rechtsmittel.

I. Beschwerde.

Art. 217.

Beschwerde ist gegen Amtshandlungen und wegen Säunmis des Untersuchungsrichters zulässig.

Die Beschwerde steht den Parteien und einem jeden zu, der durch eine Verfügung oder durch die Säumnis des Untersuchungsrichters einen ungerechtfertigten Nachteil erleidet.

Art. 218.

Der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten kann selbständig Beschwerde fuhren.

Ist der Beschuldigte verhaftet, so soll ihm die Gefängnisleitung Gelegenheit zur Ausübung des Beschwerderechts geben.

Art. 219.

Die Beschwerde ist dem Präsidenten der Anklagekammer schriftlich einzureichen. Ein Verhafteter kann sie der Gefängnis!eitung übergeben. Diese ist verpflichtet, sie sofort dem Präsidenten der Anklagekammer durch die Post zukommen zu lassen.

Art. 220.

Ist die Beschwerde gegen eine Amtshandlung des Untersuchungsrichters gerichtet, so ist sie innert drei' Tagen, nachdem der Beschwerdeführer von der Amtshandlung Kenntnis erhalten hat, einzureichen.

Art. 221.

Die Beschwerde hemmt die Vollziehung der angefochtenen Verfügung nur wenn die Anklagekammer oder deren Präsident es anordnet.

Art. 222.

Stellt sich die Beschwerde nicht sofort als unzulässig oder unbegründet dar, so teilt der Präsident der Anklagekammer sie dem Untersuchungsrichter zur Äusserung mit. Nach deren Eingang fällt die Anklagekammer den Entscheid.

II. Nichtigkeitsbeschwerde.

Art. 223.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist gegen Urteile der Bundesassisen, der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichts aas folgenden Gründen zulässig : 1. wenn das Gericht nicht zuständig war, 2. wenn sich das Gericht mit Unrecht für unzuständig erklärt hat,

702 3. wenn das Gericht nicht gesetzmässig besetzt war, 4. wenn wesentliche Vorschriften des Verfahrens verletzt worden sind, sofern dem Nichtigkeitskläger dadurch ein Rechtsnachteil erwachsen ist, 5. wenn die den Parteien zustehenden Rechte verletzt worden sind.

Gegen Urteile der Kriminalkammer ist die Nichtigkeitsbeschwerde ausserdem wegen Verletzung materieller Gesetzesvorschriften zulässig.

Art. 224.

Die Nichtigkeitsbeschwerde steht dem Bundesanwalt und dem Angeklagten oder Verurteilten zu; dem Geschädigten steht sie in bezug auf den privatrechtlichen Anspruch zu.

Der Artikel 218 findet entsprechende Anwendung.

Art. 225.

Die Nichtigkeitsbeschwerde muss dem Präsidenten des Kassationshofes innert zehn Tagen nach der Zustellung der Urteilsausfertigung schriftlich eingereicht werden.

Sie muss die genaue Angabe der Gründe, aus denen sie erhoben wird, und die Tatsachen, auf die sie sich stützt, enthalten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde hemmt die Vollziehung des Urteils nur, wenn der Kassationshof oder sein Präsident es verfügt.

Art. 226.

Ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht rechtzeitig einger acht oder wird sie nicht begründet, so tritt der Kassationshof darauf nicht ein.

Andernfalls teilt der vom Präsidenten mit der Instruktion des Falles betraute Richter die Beschwerdeschrift den andern Parteien mit und bestimmt ihnen eine Frist zu Gegenbemerkungen ; er lässt die Akten bei dem Gericht, das geurteilt hat, erheben.

Nötigenfalls ordnet der Präsident oder das Gericht Erhebungen über Tatsachen an, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Art. 227.

Auf Begehren einer Partei kann der Präsident eine mündliche Verhandlung anordnen. Es steht den Parteien frei, zu erscheinen oder dem Gerichte schriftliche Bemerkungen einzureichen.

Art. 228.

In der Verhandlung teilt der Präsident das Ergebnis von Ermittlungen mit.

Der Nichtigkeitskläger begründet seine Beschwerde. Ist er weder anwesend noch vertreten, so verliest der Gerichtsschreiber die Nichtigkeitsbeschwerde und gegebenenfalls die schriftlichen Bemerkungen.

703

Die andern Parteien antworten oder ihre Gegenbemerkungen werden verlesen.

Art. 229.

Der Kassationshof entscheidet, inwieweit die Nichtigkeitsgründe, die der Niehtigkeitskläger in seiner Beschwerde schriftlich angeführt hat, erwiesen sind.

Insoweit hebt er das angefochtene Urteil und das Verfahren auf:.

War da's Gericht sachlich nicht zuständig, so verweist er die Sache an das zuständige Gericht. Hat sich das Gericht mit Unrecht als unzuständig erklärt, so verweist er die Sache an dieses Gericht.

Wird ein Urteil der Kriminalkammer wegen falscher Anwendung des Gesetzes aufgehoben, so fällt der Kassationshof das neue Urteil.

In den andern Fällen verweist er die Sache an das Gericht, das geurteilt hat. Pur dieses Gericht ist die rechtliche Begründung des Urteils des Kassationshofes massgebend.

Haben die Geschwornen einen Wahrspruch zu fällen, so bestimmt der Kassationshof, ob dieselben oder andere Geschworne einberufen werden sollen.

Art. 230.

Erhebt der Bundesanwalt die Nichtigkeitsbeschwerde, so kann das Urteil auch zu gunsten des Angeklagten oder Verurteilten aufgehoben oder abgeändert werden.

Erhebt eine andere Partei die Nichtigkeitsbeschwerde, so kann das Urteil nicht zu ihren Ungunsten aufgehoben oder abgeändert werden.

Art. 231.

Die Kosten werden der unterliegenden Partei auferlegt.

Wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten begründet oder diejenige des Bundesanwaltes unbegründet erklärt, so werden keine Kosten auferlegt.

Ist eine mundliche Verhandlung angeordnet worden, so kann dem Angeklagten, Verurteilten oder Geschädigten, wenn ihre Nichtigkeitsbeschwerde begründet erklärt wird, eine Entschädigung zugesprochen werden.

Betrifft die Nichtigkeitsbeschwerde einzig den privatrechtlichen Anspruch, so ist die Entschädigung von der unterliegenden Partei zu bezahlen.

III. Revision.

Art. 232.

Die Eevision eines rechtskräftigen Urteils der Bundesassisen, der Kriminalkammer oder des Bundesstrafgerichts kann nachgesucht werden: 1. z u g u n s t e n des Verurteilten jederzeit: a. wenn entscheidende neue Tatsachen oder Beweismittel gegen die Schuld des Angeklagten sprechen oder ein leichteres Vergehen begründen, als wegen deren er verurteilt wurde, Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. II.

60

704

6. wenn seit der Verurteilung ein Strafurteil ausgefällt wurde, das mit dem frühern in unverträglichem Widerspruche steht, c. wenn das Urteil durch strafbare Handlungen herbeigeführt worden ist.

2. z u u n g u n s t e n des Freigesprochenen oder Verurteilten, solange das Vergehen nicht verjährt ist: a. wenn entscheidende neue Tatsachen oder Beweismittel seine Schuld oder ein schwereres Vergehen begründen, als wegen deren er verurteilt wurde, namentlich wenn er nach dem Urteil ein glaubwürdiges Geständnis ablegt, fe. wenn das Urteil durch strafbare Handlungen herbeigeführt worden ist.

Art. 233.

Die Eevision können nachsuchen: der Bundesanwalt, der Verurteilte, nach dessen Tod seine Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie, seine Geschwister und der Ehegatte, der Geschädigte in bezug auf den privatrechtlichen Anspruch.

Art. 234.

Das Eevisionsgesuch ist dem Präsidenten des Kassatioiishofes schriftlich einzureichen.

Im Gesuche sind die neuen Tatsachen und Beweismittel anzugeben.

Das Gesuch hemmt die Vollstreckung des Urteils nicht. Das Gericht kann jedoch die Vollstreckung aufschieben.

Art. 235.

Entspricht das Gesuch den gesetzlichen Vorschriften, so stellt der Präsident des Kassationshofes es den übrigen Parteien zu und bestimmt ihnen eine Frist zu Erklärungen.

Art. 236.

Der Kassationshof ordnet eine Beweisaufnahme an, wenn es erforderlich ist. Er kann ein Mitglied des Gerichts damit betrauen oder kantonale Behörden darum ersuchen. Der Kassationshof gibt den Parteien Gelegenheit, der Beweisaufnahme beizuwohnen.

Art. 237.

Nach dem Schiusa der Beweisaufnahme gibt der Präsident den Parteien Gelegenheit zu schriftlichen Erklärungen und bestimmt ihnen hierfür eine Frist.

Auf Begehren einer Partei hat der Präsident eine mündliche Verhandlung anzuordnen. Es steht den Parteien frei zu erscheinen oder dem Gerichte schriftliche Erklärungen einzureichen.

Art. 238.

Ist das Eevisionsgesuch begründet, so hebt der Kassationshof das Urteil auf und verweist den Angeklagten an das zuständige Gericht, das eine neue

705 Hauptverhaudlung anordnet. Bezieht sich die Eevision nur auf den privatrechtlichen Anspruch, so wird das Urteil nur insoweit aufgehoben.

Ist das Gesuch zugunsten eines gestorbenen Verurteilten gestellt, so entscheidet der Kassationshof in jedem Falle selbst.

Art. 239.

Wird der Verurteilte im wiederaufgenommenen Verfahren freigesprochen oder lautet das neue Urteil auf Einstellung des Verfahrens, so wird er in alle Rechte wiedereingesetzt. Die bezahlten Bussen und Kosten werden zurückerstattet. Auf seinen Antrag wird ihm eine angemessene Entschädigung zugesprochen und das Urteil im Bundesblatt oder nach Ermessen des Kassationshofes auch in andern Zeitungen auf Kosten des Bundes veröffentlicht.

Ist der Verurteilte gestorben, so hat der Kaesationshof den Personen, denen gegenüber er zur Unterstützung verpflichtet war oder die durch die Verurteilung eine besondere Unbill erlitten haben, auf ihr Begehren eine angemessene Entschädigung zuzusprechen.

Art. 240.

Wird das Gesuch abgewiesen, so hat der Gesuchsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Abschnitt.

Vollziehung.

Art. 241.

Der Bundesrat sorgt für die Vollziehung der rechtskräftigen Urteile und Entscheidungen der eidgenössischen Strafgerichte.

Art. 242.

Freiheitsstrafen werden in dem Gefängnis oder in der Strafanstalt vollzogen, die in dem Urteile bezeichnet sind.

Der Bund vergütet dem Kanton die Kosten für den Unterhalt der Gefangenen. Über Anstände entscheidet die Anklagekammer.

Art. 243.

Die Vollziehung der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben, wenn der Gesundheitszustand des Verurteilten oder besondere Verhältnisse es unbedingt erfordern.

Art. 244.

Bussen werden von den kantonalen Behörden eingezogen und der Bundeskasse abgeliefert.

Stirbt der Verurteilte, so fällt die Busse weg.

Art. 245.

Prozesskosten, die der Verurteilte nicht binnen anberaumter Frist bezahlt, sind auf dem Betreibungswege geltend zu machen.

706

5. Abschnitt.

Prozesskosten.

Art. 246.

Die Kosten des Verfahrens bestehen: 1. in den Barauslagen, 2. in der Gerichtsgebühr.

Die Gerichtsgebühr beträgt: im Assisenverfahren 200 bis 10,000 Franken, im Verfahren vor dem Bundesstrafgericht und vor der Kriminalkammer 50 bis 2000 Franken, im Verfahren vor dem Kassationshof 25 bis 300 Franken.

3. in der Kanzleigebühr für Ausfertigungen und Abschriften, die Folioseite zu Fr. 1. --.

Das Zeugengeld beträgt 5 bis 80 Franken für den Tag. Der Eichter kann den Zeugen für Mehrauslagen entschädigen.

Die Entschädigung der Sachverständigen bestimmt das Gericht.

Neben den Taggeldern erhalten die Zeugen und Sachverständigen eine Entschädigung von 8 bis 12 Franken für jedes auswärtige Übernachten, sowie die Vergütung ihrer nötigen Eeiseauslagen.

Art. 247.

Der Gerichtsschreiber führt über die Auslagen für das Verfahren fortlaufende Rechnung.

Art. 248.

Das Gericht bestimmt die Gerichtsgebühr in jedem Fall bei der Urteilseröffnung. Es bestimmt in der Eegel gleichzeitig die Barauslagen. Ist dies nicht möglich, so setzt der Präsident des Gerichtshofes den Betrag der Auslagen ohne Verzug nach der Urteilseröffnung fest. Das genehmigte Kostenverzeichnis wird in das Protokoll und in die Ausfertigung des Urteils aufgenommen; es bildet einen vollstreckbaren Titel.

III, Teil.

Das Verfahren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind.

I. Allgemeine Bestimmungen., Art. 249.

Die kantonalen Behörden verfolgen und beurteilen die Bundesstrafsachen, für die sie nach Bundesgesetz zuständig sind oder die ihnen der Bundesrat überweist.

707

Sie wenden dabei Bundesstrafrecht an.

Das Verfahren und der Strafvollzug richten sich nach kantonalem Eecht, soweit nicht Bundesrecht anders bestimmt. Der Bund hat die Oberaufsicht über den Strafvollzug.

Art. 250.

Kann der Geschädigte nach kantonalem Strafprozessrecht einen privatrechtlichen Anspruch im Anschluss an das Strafverfahren geltend machen, so gilt dies auch für Bundesstrafsachen.

Art. 251.

Die entscheidende Behörde soll die Beweise frei würdigen; sie ist nicht an gesetzliche Beweisregeln gebunden.

Art. 252.

Hat das Gericht beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen oder mehrerer Strafbestimmungen gleichzeitig Bundesstrafrecht und kantonales Strafrecht anzuwenden, so bemisst es die Strafe nach Art. 26 dieses Gesetzes.

Art. 253.

Die Entscheide sind den Parteien mündlich oder schriftlich zu eröffnen.

Erfolgt mündliche Eröffnung, so ist im Verhandlungsprotokoll zu bemerken, wann sie stattgefunden hat.

In jedem Falle sollen die Eechtsmittelfristen und die Behörde, an die der Entscheid weitergezogen werden kann, angegeben werden.

Art. 254.

Die kantonalen Behörden haben sich in Bundesstrafsachen im Verfahren und bei der Urteilsvollstreckung Eechtshilfe zu leisten.

Die Eechtshilfe ist unentgeltlich zu leisten. Jedoch werden Auslagen für Sachverständige und Zeugen, sowie die Verpflegungskosten von Untersuchungsgefangenen vergütet.

Über Anstände wegen Verweigerung der Eechtshilfe oder wegen der Vergütungen entscheidet die Anklagekammer des Bundesgerichts.

u. Besondere Bestimmungen für Bundesstraìsachen, die dee Bundesrat den kantonalen Behörden fiberweist.

Art. 255.

Überweist der Bundesrat eine Bundesstrafsache einem Kanton, so ist dieser Kanton allein zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet.

708

Art. 256.

Dem Bundesrat sind alle Entscheide ohne Verzug in vollständiger Ausfertigung mitzuteilen.

Art. 257.

Der Bundesrat sorgt für die Vollziehung der rechtskräftigen Urteile.

Die Bussen fallen in die Bundeskasse, sofern ein Bundesgesetz nicht anders bestimmt.

Art. 258.

Die Bundeskasse vergütet dem Kanton die Prozess- und Vollziehungskosten, zu denen der Angeklagte nicht verurteilt wird oder die der Verurteilte nicht bezahlen kann. Besoldungen und Taggelder von Gerichtspersonen, sowie Stempelgebühren sind ausgenommen.

Anstände zwischen dem Bund und einem Kanton über die Vergütung der Kosten entscheidet die Anklagekammer des Bundesgerichts.

m. Besondere Bestimmungen für Bundesstrafsachen, die nach Bundesgesetz von kantonalen Behörden zu beurteilen sind.

Art. 259.

Wenn bei Widerhandlungen gegen Bundesgesetze, die dem Bunde ein besonderes Oberaufsichtsrecht übertragen, die zuständige Bundesbehörde Strafanzeige bei kantonalen Behörden erstattet, so sind diese verpflichtet, das Verfahren einzuleiten und durchzuführen.

Art. 260.

Bei der Verfolgung von Widerhandlungen gegen Bundesgesetze, die dem Bunde ein besonderes Oberaufsichtsrecht übertragen, kann der Bundesanwalt Ermittlungen anordnen lassen, wenn die strafbaren Handlungen ganz oder teilweise im Ausland oder in mehreren Kantonen begangen wurden.

Art. 261.

Für die Verfolgung und Beurteilung einer strafbaren Handlung sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die strafbare Handlung ausgeführt wurde.

Liegt nur der Ort, wo der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig.

Ist die strafbare Handlung an mehreren Orten ausgeführt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde.

Art. 262.

Ist die strafbare Handlung im Auslande begangen worden oder ist der Ort der Begehung der Tat nicht zu ermitteln, so sind die Behörden des Ortes zu-

709 ständig, wo der Täter wohnt. Hat der Täter keinen Wohnort in der Schweiz, so sind die Behörden des Heimatortes, bei mehrfachem Bürgerrecht die des letzten Heimatortes, zuständig. Hat der Täter in der Schweiz weder Wohnort noch Heimatort, so ist der Gerichtsstand an dem Orte, wo der Täter betreten wird, begründet.

Ist keiner dieser Gerichtsstände begründet, so sind die Behörden des Kantons zuständig, der die Auslieferung veranlasst hat. Die kantonale Eegierung bestimmt in diesem Fall die örtlich zuständige Behörde.

Art. 263 Zur Verfolgung und Beurteilung der Anstifter, Gehilfen und Begünstiger sind die Behörden zuständig, denen die Verfolgung und Beurteilung des Täters obliegt.

Sind an der Tat mehrere als Mittäter beteiligt, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde.

Die Anklagekammer des Bundesgerichts kann die Zuständigkeit anders bestimmen.

Art. 264.

Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten begangener strafbarer Handlungen verfolgt, so sind die Behörden des Ortes, wo die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist, auch für die Verfolgung und die Beurteilung der anderen Taten zuständig.

Sind die mehreren strafbaren Handlungen mit der gleichen Strafe bedroht, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird.

Die Anklagekammer des Bundesgerichts kann die Zuständigkeit anders bestimmen.

Ist jemand entgegen der Vorschrift über Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen von mehreren Gerichten zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden, so setzt das Gericht, das die schwerste Strafe ausgesprochen hat, auf sein Gesuch eine Gesamtstrafe fest.

Art. 265.

Ist der Gerichtsstand unter den Behörden -mehrerer Kantone streitig/ so bezeichnet die Anklagekammer des Bundesgerichts den Kanton, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist.

Art. 266.

Der Bundesrat kann durch Beschluss für bestimmte Zeit anordnen, dass ihm Urteile, Einstellungsbeschlüsse und Strafbescheide der Verwaltungsbehörden in Bundesstrafsachen ohne Verzug nach deren Erlass in vollständiger Ausfertigung unentgeltlich mitzuteilen sind.

710

Dem Bundesanwalt ist in allen Fällen auf sein Verlangen ein Urteil oder ein EinstelLungsbeschluss in vollständiger Ausfertigung unentgeltlich mitzuteilen.

Art. 267.

Der Bund vergütet den Kantonen keine Kosten.

Die Bussen fallen dem Kanton zu, wenn ein Bundesgesetz nicht anders bestimmt.

IV. Kantonale Rechtsmittel.

Art. 268.

Hat der Bundesrat einen Straffall den kantonalen Gerichten zur Beurteilung überwiesen oder ist die Entscheidung nach allgemeinem Beschluss des Bundesrates (Art. 266) oder nach einem Bundesgesetz dem Bundesrat mitzuteilen, so stehen dem Bundesanwalt gegen das Urteil des kantonalen Gerichts oder den Strafbescheid der kantonalen Verwaltungsbehörde und gegen einen Einstellungsbeschluss der kantonalen Uberweisungsbehörde die Rechtsmittel, die das kantonale Becht dagegen zulàsst, in jedem Falle zu.

Art. 269.

Der Bundesanwalt hat das Rechtsmittel in der Frist von zehn Tagen nach Mitteilung des Urteils oder des Beschlusses an den Bundesrat bei der nach dem kantonalen Recht hierfür zuständigen Behörde schriftlich geltend zu machen.

V. Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts.

Art. 270.

Die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ist zulässig: gegen letztinstanzliche Urteile der Gerichte, die nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechtes angefochten werden können, gegen Einstellungsbeschlüsse letzter Instanz, gegen die Strafbescheide der A7erwaltungsbehörden, die nicht an die Gerichte weitergezogen werden können.

Art. 271.

Die Nichtigkeitsbeschwerde steht dem Angeklagten und dem öffentlichen Ankläger zu. In den Fällen, die nur auf den Antrag des Verletzten verfolgt werden, steht sie auch dem Antragsteller zu.

Dem Bundesanwalt steht die Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn der Bundesrat den Straffall den kantonalen Behörden zur Beurteilung überwiesen hat, sowie in den Fällen, in denen nach allgemeinem Beschlüsse des Bundesrates oder nach einem Bundesgesetz die Entscheidung dem Bundesrat mitzuteilen ist.

711 Art. 272.

Hat der Geschädigte seinen Anspruch vor dem kantonalen Gerichte geltend gemacht und ist nach eidgenössischem Eecht darüber zu entscheiden, so kann die Nichtigkeitsbeschwerde wegen des Zivilpunktes vom Geschädigten und vom Angeklagten ergriffen werden.

Wird die Nichtigkeitsbeschwerde in bezug auf den Zivilpunkt ergriffen,, so ist die Berufung für den Beschwerdeführer ausgeschlossen.

Art. 273.

Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung eidgenössischen Eechtes beruhe.

Der Beschwerdeführer hat in der Frist von zehn Tagen seit der Eröffnung der angefochtenen Entscheidung bei der Behörde, die die Entscheidung erlassen hat, die Nichtigkeitsbeschwerde durch Einreichung einer schriftlichen Erklärung einzulegen und sie in einer weitern Frist von zwanzig Tagen schriftlich, unter Stellung der Anträge, zu begründen. Die kantonale Behörde übersendet nach Eingang der Beschwerdeschrift diese und die Erklärung samt dem Entscheide und den Akten unverzüglich dem Präsidenten des Kassationshofes.

Wird die Entscheidung mündlich eröffnet und der Partei erst nachträglich eine schriftliche Ausfertigung zugestellt, so kann ihr auf Verlangen der vom Präsidenten mit der Instruktion des Falles betraute ßichter eine einmalige Frist zur Ergänzung der Beschwerdeschrift gewähren.

Für den Bundesanwalt beginnt die Frist an dem Tage, an dem die angefochtene Entscheidung der zustandigen Bundesbehòrde in vollständiger Ausfertigung zugekommen ist.

Die Akten sind den Parteien vor Einreichung der Beschwerdeschrift zur Einsicht offen zu halten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde hemmt die Vollziehung des Urteils nur, wenn der Kassationshof oder sein Präsident es verfügt.

Art. 275.

Ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht rechtzeitig eingereicht oder wird sie nicht begründet, so tritt der Kassationshof darauf nicht ein.

Andernfalls teilt der Instruktionsrichter die Beschwerdeschrift den Beteiligten mit und bestimmt ihnen eine Frist zu Gegenbemerkungen. Er gibt auch der Behörde, die die Entscheidung erlassen hat, Gelegenheit zur Anbringung von Gegenbemerkungen.

Ausnahmsweise kann ein doppelter Schriftenwechsel oder eine mündliche Verhandlung zugelassen werden.

712 Art. 276.

Ist gegen die angefochtene Entscheidung bei der zuständigen kantonalen Behörde gleichzeitig ein Kassations- oder Bevisionsbegehren angebracht, so setzt der Kassationshof seine Entscheidung bis zur Erledigung des kantonalen Bechtsmittelverfahrens aus.

Art. 277.

Der Kassationshof darf über die Anträge des Beschwerdeführers nicht hinausgehen. Er ist an die tatsächliche Feststellung der kantonalen Behörde gebunden, es -«-are denn, dass eine Feststellung mit den Akten im Widerspruch stände.

Die Eechtsbegründung der Nichtigkeitsbeschwerde ist für den Kassationshiof nicht bindend.

Art. 278.

Hält der Kassationshof die Beschwerde für begründet, so hebt er die angefochtene Entscheidung auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück.

Diese hat die rechtliche Begründung der Kassation auch ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.

Art. 279.

Der Kassationshof kann die kantonale Entscheidung auch dann aufheben und die Sache an die kantonale Behörde zurückweisen, wenn die Entscheidung an derartigen Mängeln leidet, dass der Gerichtshof die Gesetzesanwendung nicht nachprüfen kann.

Art. 280.

Die Kosten werden der unterliegenden Partei auferlegt. Sie sind nach Art. 246 zu bestimmen.

Wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten begründet oder diejenige des öffentlichen Anklägers oder des Bundesanwaltes unbegründet erklärt, so werden keine Kosten auferlegt.

Ist eine mündliche Verhandlung angeordnet worden, so kann dem Angeklagten, Geschädigten oder Antragsteller, wenn ihre Nichtigkeitsbeschwerde begründet erklärt wird, eine Entschädigung zugesprochen werden.

Betrifft die Nichtigkeitsbeschwerde einzig den privatrechtlichen Anspruch, so ist die Entschädigung von der unterliegenden Partei zu bezahlen.

IV. Teil.

Das Yerfahren bei Übertretungen fiskalischer Bund'esgesetze.

I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 281.

Für die Übertretungen der Bundesgesetze über das Pulverregal, gebrannte Wasser, den Postverkehr, den Telegraphen- und Telephonverkehr, das Zoll-

713

·wesen, die Stempelabgaben und die Stempelabgabe auf Coupons gelten die nachfolgenden Vorschriften, soweit nicht diese Bundesgesetze oder ihre Ausführungsverordnungen besondere Bestimmungen enthalten.

Art. 282.

Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze sind einem Beamten der beteiligten Verwaltung oder einer kantonalen Polizeistelle anzuzeigen.

Die Beamten und Angestellten der Bundesverwaltung und der kantonalen Polizei, die in ihrer dienstlichen Tätigkeit eine Übertretung wahrnehmen oder davon Kenntnis erhalten, sind verpflichtet, sie der beteiligten Bundesverwaltung mitzuteilen.

Art. 283.

Für die Beurteilung der Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze ist die Verwaltung zuständig, wenn nicht auf Freiheitsstrafe zu erkennen ist.

Die zur Ausfällung der Hauptstrafe zuständige Verwaltungsbehörde erkennt auch über die Nebenstrafen und die Kosten, sowie über den Bussennachlass.

Hält das beteiligte Departement die Voraussetzungen zur Verhängung einer Gefängnis- oder Haftstrafe für gegeben, so überweist es die Akten dem Gericht.

In allen Fällen steht jedoch dem Bundesrat die Überweisung an das Bundesstrafgericht frei.

Art. 284.

Der Bundesanwalt kann in jedem gerichtlichen Verfahren auftreten und auch neben dem kantonalen Ankläger Anträge stellen.

Art. 285.

Der Gerichtsstand ist bei dem kantonalen Gericht begründet, in dessen Bezirk die Tat begangen worden ist oder in* dessen Bezirk der Beschuldigte wohnt. Die Verwaltung hat die Wahl zwischen diesen Gerichtsständen.

Für Teilnehmer und Begünstiger gilt der Gerichtsstand des Täters.

Art. 286.

Die Verfolgung von Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze verjährt in zwei Jahren.

Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an dem der Täter die strafbare Handlung ausführt und, wenn er sie zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit démêlage, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt.

Sie wird durch jede gegen den Täter gerichtete Verfolgungshandlung unterbrochen,

714

Art. 287.

Die Strafen verjähren in fünf Jahren.

Die Verjährung beginnt mit der Eechtskraft der Strafverfügung der Verwaltung oder des gerichtlichen Urteils.

Sie wird durch den Vollzug und durch jede auf Vollstreckung gerichteteHandlung der Behörde, der die Vollstreckung obliegt, unterbrochen.

II. Die Untersuchung der Verwaltung.

Art. 288.

Die zuständigen Beamten und Angestellten der beteiligten Bundesverwaltung erforschen den Sachverhalt und sichern den Beweis.

Die Beamten und Angestellten der kantonalen Polizei unterstützen die Bundesverwaltung in ihren Ermittlungen.

Art. 289.

Über jede Untersuchungshandlung ist sobald als möglich, spätestens am folgenden Tag, ein Protokoll aufzunehmen. Im Protokoll sind Ort und Zeit dieser Handlung und die Xamen der Beteiligten anzugeben. Ferner ist kenntlich zu machen, was auf eigener Wahrnehmung des untersuchenden Beamten und was auf Mitteilung Dritter beruht.

Der Beschuldigte und alle übrigen an der Untersuchungshandlung beteiligten Personen unterschreiben das Protokoll, nachdem es ihnen zur Genehmi-gung vorgelesen worden ist, mit dem untersuchenden Beamten. Fehlt eine Unterschrift, so ist der Grund dieses Mangels anzugeben.

Sind besondere Untersuchungshandlungen nicht nötig, so stellt der untersuchende Beamte den Tatbestand der Übertretung in den Akten fest.

Art. 290.

Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, sind mit Beschlag zu belegen, ebenso Gegenstände, an denen oder mit denen die Übertretung begangen worden ist, wenn es im Interesse der Untersuchung, zur Verhinderung neuer Übertretungen oder zur Sicherung von Busse und Kosten erforderlich ist.

Der Inhaber eines solchen Gegenstandes ist verpflichtet, ihn auf Verlangen dem zuständigen Beamten herauszugeben.

Die beschlagnahmten Gegenstände sind zu verzeichnen und zu verwahren.

Zur Beschlagnahme sind wenn möglich ein Eichter, Bezirks- oder Gemeindebeamter, der Beschuldigte und die mitverantwortliche Person beizuziehen.

Art. 291.

Der zuständige Beamte ist berechtigt, eine Wohnung oder andere Bäume zu durchsuchen, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich Beweisgegenstände oder

715

Gegenstände, an denen oder mit denen die Übertretung begangen worden ist, ·darin befinden. Der Beschuldigte darf nötigenfalls durchsucht werden.

Zu der Durchsuchung sind der Beschuldigte, die mitverantwortliche Person und der Inhaber der Wohnung, wenn sie anwesend sind, beizuziehen.

An Stelle des abwesenden Inhabers der Wohnung ist ein Verwandter, Hausgenosse oder Nachbar beizuziehen. Im weitern ist ein Eichter, Bezirks- oder Gemeindebeamter beizuziehen, der darüber wacht, dass sich die Haussuchung nicht von ihrem Zweck entfernt. Mit Zustimmung des Beschuldigten und des Inhabers der Wohnung kann die Beiziehung von Amtspersonen unterbleiben.

Eine Haussuchung darf nur in wichtigen Fällen und bei dringender Gefahr nachts stattfinden.

Das Protokoll über die Haussuchung wird im Beisein der Beteiligten sofort aufgenommen.

Art. 292.

Die Durchsuchung von Papieren ist mit grösster Schonung durchzufuhren.

Insbesondere sollen Papiere des Beschuldigten oder einer andern Person nur ·dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.

Dem Inhaber der Papiere ist womöglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über deren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einspruch, so werden die Papiere versiegelt und aufbewahrt.

Über die Zulässigkeit entscheidet das beteiligte Departement.

Art. 293.

Wird dem Beamten, der eine Beschlagnahme oder eine Haussuchung gesetzmässig vornimmt, Widerstand geleistet, so darf er Gewalt anwenden und nötigenfalls polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Art. 294.

Wird durch die Untersuchung eine Übertretung festgestellt, so ist darüber spätestens 48 Stunden nach Abschluss der Untersuchung ein Strafprotokoll aufzunehmen. Dieses stellt die Personalien des Beschuldigten und den Tatbestand der Übertretung fest.

Der untersuchende Beamte gibt dem Beschuldigten, wenn er anwesend ist, vom Strafprotokoll Kenntnis und teilt ihm mit, mit welcher Strafe die Übertretung bedroht ist. Er veranlasst ihn, sich über die Beschuldigung auszusprechen.

Ist der Beschuldigte abwesend und hat er keinen Vertreter, so wird ihm, wenn er in der Schweiz einen dem untersuchenden Beamten bekannten Wohnsitz hat, die Beschuldigung schriftlich zur Äusserung mitgeteilt.

716

III. Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde.

Art. 295.

Die Verwaltungsbehörde erlässt eine Strafverfolgung gegen den Beschuldigten oder stellt die Untersuchung ein.

Art. 296.

Die Straf verfugung stellt fest: die Tat, die Strafbestimrnung, die angewendet wird, die Strafe und die besondern Massnahmen, die Kosten, die solidarische Haftung Dritter, soweit sie in den Fiskalgesetzen vorgesehen ist.

Die Strafverfugung ist dem Beschuldigten und den mitverantwortlichen Personen schriftlich zu eröffnen. Mit der Eröffnung wird die Frist für die Einsprache und die Behörde, an die die Einsprache zu richten ist, angegeben.

Wird mit der Strafverfügung die Festsetzung des geschuldeten Abgabebetrages verbunden, so ist zugleich die Frist für die Beschwerde an das eidgenössische Verwaltungsgericht anzugeben.

Art. 297.

Anerkennt der Beschuldigte bei seiner Einvernahme oder später, aber bevor die Verfügung eröffnet ist, förmlich und unbedingt den ihm vom untersuchenden Beamten vorgelegten Übertretungstatbestand, so hat die zuständige Verwaltungsbehörde die nach Gesetz auszufällende Busse um einen Drittel herabzusetzen.

Der Beschuldigte und die mitverantwortliche Person können den Betrag der Busse binnen vierzehn Tagen seit deren Eröffnung durch Beschwerde an die obere Verwaltungsbehörde anfechten.

Art. 298.

Unterzieht sich der Beschuldigte förmlich und unbedingt der Strafverfügung binnen vierzehn Tagen nach deren Eröffnung, so wird die Busse um einen Viertel herabgesetzt.

Art. 299.

Ist gegen den Beschuldigten in den letzten fünf Jahren auf Grund des gleichen Fiskalgesetzes eine Strafe ausgefällt worden, so darf die Busse nicht herabgesetzt werden.

Art. 300.

Wollen sich der Beschuldigte oder die mitverantwortliche Person der Strafverfügung nicht unterziehen, so haben sie in der Frist von vierzehn Tagen seit der Mitteilung der Verfugung bei der Eröffnungsbehörde Einsprache zu erheben und gerichtliche Beurteilung zu verlangen.

717 Wird die gerichtliche Entscheidung in der gesetzlichen Frist nicht angerufen, so steht die Strafverfolgung einem rechtskräftigen Urteil gleich.

Art. 301.

Gegen die Entscheidung über die Abgabepflicht steht dem Beschuldigten oder der mitverantwortlichen Person die Beschwerde an das Verwaltungsgericht nach Massgabe des Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungsund Disziplinarrechtspflege offen.

Hat der Beschuldigte oder die mitverantwortliche Person die Abgabepflicht durch Beschwerde beim Verwaltungsgericht bestritten, so ist bis zu dessen Entscheid der Erlass der Strafverfügung aufzuschieben.

Ist die Strafverfugung bereits erlassen und stellt der Beschwerdeentscheid fest, dass der Abgabeanspruch nicht begründet ist, so fällt sie dahin ; schützt er den Abgabeanspruch nur zum Teil, so erlässt die Verwaltung eine neue StrafVerfügung.

IV. Das gerichtliche Verfahren.

Art. 802.

Die Verwaltung sendet die Akten dem zuständigen Strafgericht oder an die nach kantonalem Eecht zuständige Behörde.

Die Überweisung zur gerichtlichen Beurteilung gilt als Anklage.

Das Gericht gibt den Parteien vom Eingang der Akten Kenntnis. Es prüft, ob die Einsprache als Anrufung der gerichtlichen Entscheidung zu gelten habe und ob die Einsprache rechtzeitig erfolgt sei.

Das Gericht kann von sich aus oder auf Antrag der Parteien vor der Hauptverhandlung die Akten ergänzen oder ergänzen lassen.

Art. 303.

Der Bundesanwalt, der Beschuldigte, die mitverantwortliche Person und die Verwaltung sind rechtzeitig von der Hauptverhandlung zu benachrichtigen.

Es steht der Verwaltung frei, sich durch einen besondern Bevollmächtigten vertreten zu lassen.

Das persönliche Erscheinen des Vertreters der Bundesanwaltschaft und der Verwaltung ist nicht erforderlich.

Der Beschuldigte und die mitverantwortliche Person können auf ihr Ersuchen vom Erscheinen befreit werden.

Art. 304.

Die Hauptverhandlung findet auch statt, wenn der Beschuldigte oder diemitverantwortliche Person trotz richtiger Ladung nicht erschienen sind und ihr Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist.

718 Gegen das Urteil können der Beschuldigte und die mitverantwortliche Person, sofern sie verurteilt worden sind, in der Frist von zehn Tagen, seitdem es ihnen zur Kenntnis gelangt ist, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anbegehren, wenn sie durch ein unverschuldetes Ereignis abgehalten worden sind, zu erscheinen.

Art. 305.

Die Beweisaufnahme findet vor dem Gerichte statt. Die Akten der Verwaltung dienen als Beweismittel. Das Gericht kann jedoch von sich aus oder auf Antrag der Parteien die Aufnahme weiterer Beweise anordnen. Es würdigt die Beweise frei.

Die Beweisaussagen werden kurz protokolliert.

Art. 306.

Die Verwaltung kann die Strafverfolgung mit Zustimmung des Bundes.anwaltes bis zur Urteilseröffnung zurückziehen.

Bis zu diesem Zeitpunkte können auch der Beschuldigte oder die mitverantwortliche Person ihre Einsprache gegen die Strafverfugung zurückziehen.

Das Gericht stellt das Verfahren ein.

Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt die Partei, die den Eückzug erklärt.

Art. 307.

Hat der Beschuldigte oder die mitverantwortliche Person die Abgabepflicht durch Beschwerde beim Verwaltungsgericht bestritten, so ist bis zu ·dessen Entscheid das Strafverfahren einzustellen.

Der Beschwerdeentscheid des Verwaltungsgerichts ist für das Gericht verbindlich.

Art. 308.

Das Urteil stellt fest: die Tat.

die Strafbestimmung, die angewendet wird, die Strafe und die besondern Massnahmen, die Kosten, die solidarische Haftung Dritter, soweit sie in den Fiskalgesetzen vorgesehen ist.

Das Urteil ist mit den wesentlichen Entscheidungsgründen den Beteiligten, mit Einschluss der Verwaltung, schriftlich zu eröffnen.

Art. 309.

Die Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren gelten auch für das Verfahren vor Bundesstrafgericht. Dieses Gericht entscheidet, ob und inwieweit Beweisaussagen zu protokollieren sind.

719

Art. 310.

Im übrigen gelten für das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht die Bestimmungen dieses Gesetzes und für das Verfahren vor den kantonalen Gerichten die Vorschriften des kantonalen Hechtes.

Art. 811.

Lässt das kantonale Gesetz ein Bechtsmittel zu, so gilt dies auch für Urteile in Fiskalstrafsachen.

Das Eechtsmittel steht auch dem Bundesanwalt und der mitverantwortlichen Person zu.

V. Die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht.

Art. 312.

Die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ist zulässig: gegen Urteile des Bundesstrafgerichts, gegen kantonale Urteile, die letztinstanzlich in Anwendung eidgenössischen Eechts entschieden haben.

Art. 313.

Die Nichtigkeitsbeschwerde steht dem Beschuldigten, der mitverantwortlichen Person, sofern sie verurteilt worden ist, und dem Bundesanwalt zu.

Art. 314.

Für die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile des Bundesstrafgerichts gelten im übrigen die Bestimmungen der Art. 223 f., für die Nichtigkeitsbeschwerde gegen kantonale Urteile die Bestimmungen der Art. 270 f.

VI. Die Vollziehung von Strafverîtigungen und von Strafurteilen.

Art. 315.

Die von der Verwaltung und von den Gerichten erkannten Bussen werden von der beteiligten Verwaltung eingezogen. Soweit ein Fiskalgesetz nichts anderes bestimmt, fallen die Bussen in die Bundeskasse.

Art. 816.

An den mit Beschlag belegten Gegenständen, an denen oder mit denen die Übertretung begangen worden ist, besteht ein gesetzliches Pfandrecht dea Bundes, das allen dinglichen Eechten an der Sache vorgeht. Die Gegenstände haften für Busse und Kosten.

ßundesblatt.

81. Jahrg. Bd. II.

51

720 Die zur Sicherung von Busse und Kosten beschlagnahmten Gegenstände können gegen Sicherstellung freigegeben werden.

Art. 317.

Werden die rechtskräftig gewordenen Bussen und Kosten auf Aufforderung nicht innert vierzehn Tagen bezahlt, so kann die Verwaltung die mit Beschlag belegten Gegenstände öffentlich versteigern lassen und den Erlös zur Deckung von Busse und Kosten verwenden, wenn nicht auf öffentliche Ausschreibung hin in der nämlichen Frist jemand nachweist, dass die Gegenstände sein Eigentum sind und dass er an der Übertretung unbeteiligt ist. Wird dieser Nachweis nach der Verwertung erbracht, so wird der Erlös unter Abzug der Verwertungskosten dem Eigentümer ausgehändigt.

Sind die mit Beschlag belegten Gegenstände schneller Wertverminderung ausgesetzt oder erfordern sie einen kostspieligen Unterhalt, so kann die Verwaltung sie jederzeit öffentlich versteigern lassen und in dringenden Fällen aus freier Hand verkaufen.

Die Betreibung für den nicht gedeckten Betrag von Busse und Kosten bleibt vorbehalten.

Art. 318.

Bleibt der Täter unbekannt, so kann die Verwaltung die mit Beschlag belegten Gegenstände öffentlich versteigern lassen, wenn nicht auf öffentliche Ausschreibung hin, in der Frist von vierzehn Tagen, jemand nachweist, dass die Gegenstände sein Eigentum sind und dass er an der Übertretung unbeteiligt ist.

Wird dieser Nachweis nach der Verwertung erbracht, so wird der Erlös unter Abzug der Verwertungskosten dem Eigentumer ausgehändigt.

Art. 319.

Wenn und soweit eine Busse nicht eingebracht werden kann, wird sie vom Eichter auf Antrag der beteiligten Verwaltung in Gefängnis umgewandelt.

Zehn Franken Busse sind einem Tag Gefängnis gleichzuachten, doch darf die Gefängnisstrafe nicht länger als drei Monate dauern.

Art. 320.

Die Kantone vollziehen die Gefängnisstrafen. Der Bund hat die Oberaufsicht über den Strafvollzug.

Vu. Die Kosten.

Art. 321.

Mitschuldige haften, wenn die Strafverfügung oder das Urteil nicht anders; bestimmt, solidarisch für die Kosten.

Art. 322.

Die Bundeskasse vergütet dem Kanton die Prozess- und Vollziehungskosten, zu denen der Beschuldigte nicht verurteilt wird oder die der Verurteilte^

721 nicht bezahlen kann. Besoldungen und Taggelder von Gerichtspersonen sowie Stempelgebühren sind ausgenommen.

Anstände zwischen dem Bund und einem Kanton über die Vergütung der Kosten entscheidet die Anklagekammer des Bundesgerichts.

V. Teil, Die Strafverfolgung der Yerwaltung bei Übertretungen anderer Bundesgesetze.

Art. 323.

Ist die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen durch das Bundesrecht einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen, so gelten die folgenden Bestimmungen, soweit nicht Bundesgesetze oder ihre Ausführungsverordnungen besondere Vorschriften enthalten.

Art. 324.

Für die Beurteilung ist die Verwaltung zuständig, wenn nicht auf Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Die zuständige Verwaltungsbehörde erkennt auch über die Nebenstrafen und die Kosten.

Hält die Verwaltungsbehörde die Voraussetzungen zur Verhängung einer Gefängnis- oder Haftstrafe für gegeben, so überweist sie die Akten dem Gericht.

In allen Fällen steht jedoch dem Bundesrat die Überweisung an das Bundesstrafgericht frei.

Art. 325.

Die Verwaltungsbehörde stellt den Sachverhalt fest.

Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, dürfen mit Beschlag belegt werden. Die Verwaltungsbehörde ist auch berechtigt, eine Wohnung oder andere Bäume zu durchsuchen, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich Beweisgegenstände darin befinden ; der Beschuldigte darf nötigenfalls durchsucht werden. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften der Art. 290, 291 und 292.

Die Beamten und Angestellten der kantonalen Polizei haben die Bundesverwaltung bei ihren Ermittlungen zu unterstützen.

Die Verwaltungsbehörde gibt dem Beschuldigten vor dem Erlass der Strafverfügung Gelegenheit zur Verteidigung.

Art. 326.

Die Strafverfugung stellt fest: die Tat, die Straibestimmung, die angewendet wird, die Strafe und die besondern Massnahmen, die Kosten.

Die Strafverfügung ist dem Beschuldigten schriftlich zu eröffnen. Er wird darauf aufmerksam gemacht, dass er in der Frist von vierzehn Tagen seit

722 der Mitteilung der Verfügung bei der Behörde, die sie ihm mitgeteilt hat, die gerichtliche Entscheidung anrufen kann.

Art. 327.

Wird die gerichtliche Entscheidung angerufen, so sendet die Verwaltungsbehörde die Akten an das zuständige kantonale Gericht.

Wird die gerichtliche Entscheidung in der gesetzlichen Frist nicht angerufen, so steht die Strafverfügung einem rechtskräftigen Urteil gleich.

Art. 328.

Im übrigen sind für das Verfahren die Art. 249--258, 268--280, 306 und 315 massgebend.

VI. Teil, Rehabilitation und bedingter Strafvollzug.

I. Rehabilitation.

Art. 329.

Ist jemand in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt worden und ist das Urteil seit mindestens zwei Jahren vollzogen, so kann ihn die zuständige Behörde auf sein Gesuch in die bürgerliche Ehrenfähigkeit wieder einsetzen, wenn sein Verhalten dies rechtfertigt und wenn er den gerichtlich oder vergleichsweise festgestellten Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat.

Art. 330.

Ist ein Beamter zur Amtsentsetzung verurteilt worden und ist das Urteil seit mindestens zwei Jahren vollzogen, so kann ihn die zuständige Behörde auf sein Gesuch zu einem Amte wieder wählbar erklären, wenn sein Verhalten dies rechtfertigt und wenn er den gerichtlich oder vergleichsweise festgestellten Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat.

Art. 331.

Ist jemandem die Ausübung eines Berufes, eines Gewerbes oder eines Handelsgeschäftes untersagt worden und ist das Urteil seit mindestens zwei Jahren vollzogen, so kann ihn die zuständige Behörde auf sein Gesuch zu der Ausübung des Berufes, des Gewerbes oder des Handelsgeschäftes wieder zulassen, wenn ein weiterer Missbrauch nicht zu befürchten ist und wenn der Verurteilte den gerichtlich oder vergleichsweise festgestellten Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat.

723

Art. 332.

Weist die zuständige Behörde ein Gesuch um Wiedereinsetzung ab, so kann es verfugen, dass das Gesuch binnen einer Frist, die zwei Jahre nicht übersteigen soll, nicht erneuert werden darf.

Art. 333.

Ist das Urteil von einem eidgenössischen Gericht erlassen worden, so ist das Gesuch dem Bundesstrafgericht einzureichen.

Der Präsident des Bundesstrafgerichts zieht die nötigen Erkundigungen ein.

Er teilt das Gesuch mit den Akten dem Bundesanwalt zur Begutachtung mit.

Art. 334.

Beschliesst das Bundesstrafgericht die Wiedereinsetzung, so wird der Eegierung des Kantons, in dem der Behabilitierte wohnt, eine Abschrift des Beschlusses mitgeteilt. Auch der Eehabilitierte erhält eine Abschrift davon.

Art. 335.

Der Beschluss des Bundesstrafgerichts kann auf Wunsch des Behabilitierten im Bundesblatt veröffentlicht und auch in andern öffentlichen Blättern bekannt gemacht werden.

Der Gesuchsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Sie können ihm, wenn er seine Bedürftigkeit dartut, erlassen werden.

Art. 336.

Ist das Urteil von einem kantonalen Gerichte erlassen worden, so entscheidet die zuständige kantonale Behörde über das Behabilitationsgesuch nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

II. Bedingter Strafvollzug.

Art. 337.

Der Bichter kann den Vollzug einer Gefängnisstrafe von nicht mehr als einem Jahre, einer Haftstrafe oder einer Umwandlungsstrafe aufschieben: wenn der Verurteilte innerhalb der letzten fünf Jahre vor Verübung der Tat weder in der Schweiz noch im Auslande wegen eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens eine Freiheitsstrafe erstanden hat, wenn überdies sein Vorleben und sein Charakter erwarten lassen, er werde durch diese Massnahme von weitern Verbrechen und Vergehen abgehalten, und wenn er den gerichtlich oder vergleichsweise festgestellten Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat.

Schiebt der Bichter den Strafvollzug auf, so bestimmt er dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.

724

Der Eichter kann mit der Freiheitsstrafe auch den Vollzug der Nebenstrafen aufschieben,

Art. 338.

Der Eichter kann den Verurteilten unter Schutzaufsicht stellen. Er kann ihm für sein Verhalten in der Probezeit bestimmte Weisungen erteilen, z. B. die Weisung, einen Beruf zu erlernen, an einem bestimmten Orte sich aufzuhalten, sich geistiger Getränke zu enthalten, den Schaden innert bestimmter Frist zu ersetzen.

Die Umstände, die den bedingten Strafvollzug rechtfertigen, und die Weisungen des Eichters sind im Urteil festzustellen.

Die Kantone haben die Schutzaufsicht für die gesetzlich vorgesehenen Fälle einzurichten. Sie können die Schutzaufsicht freiwilligen Vereinigungen übertragen, die die erforderlichen Garantien bieten. Ausgeschlossen ist die Ausübung der Schutzaufsicht durch Polizeiorgane.

Art. 339.

Bewahrt sich der Verurteilte bis zum Ablaufe der Probezeit, so ist ihm die Strafe erlassen. Ist das Urteil in ein Strafregister eingetragen, so wird es geloscht.

Eine gelöschte Vorstrafe darf nur Untersuchungsàmtern und Strafgerichten unter Hinweis auf die Loschung mitgeteilt werden, und wenn die Person, über die Auskunft verlangt wird, in dem Strafverfahren Beschuldigter ist.

Art. 340.

Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen oder handelt er ungeachtet förmlicher Mahnung einer richterlichen Weisung zuwider oder entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht, so verfugt der Eichter durch einen schriftlich zu begründenden Beschluss die Vollziehung der erkannten Strafe.

Art. 341.

Die Bestimmungen über den bedingten Strafvollzug gelten auch für das Verfahren vor den kantonalen Gerichten in Bundesstrafsachen, dagegen nicht für das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze.

Art. 342.

Hat das Gericht gleichzeitig Bundesstrafrecht und kantonales Strafrecht anzuwenden, so richtet sich der bedingte Strafvollzug nach den Bestimmungen des auf die schwerste strafbare Handlung anwendbaren Gesetzes.

725

VIL Teil, Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Art. 343.

Dieses Gesetz tritt am

in Kraft.

Art. 344.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sind die damit in Widerspruch stehenden Vorschriften des Bundes und der Kantone aufgehoben.

US-besondere sind aufgehoben: l'. Das Bundesgesetz vom 30. Juni 1849 betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze; 2. Das Bundesgesetz vom 27. August 1851 über die Bundesstrafrechtspflege; 3. Die Art. 73 und 76 des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft; 4,. Die Art. 10, 11, 18, der III. Abschnitt (Art. 105--174) und Art. 220, Ziffer 2, des Bundesgesetzes vom 22. März 1893/25. Juni 1921 über die Organisation der Bundesrechtspflege.

5. Art. 87 der Vollziehungsverordnung vom 24. Dezember 1900 zum Bundesgesetze über gebrannte Wasser vom 29. Juni 1900, soweit der Bundesrat zur Ausfällung von Gefängnisstrafen zuständig erklärt wird.

Art. 345.

Mit dem Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches werden die Bestimmungen über die Einziehung (Art. 174 und 175), den Gerichtsstand (Art. 261--264), die Eehabilitation (Art. 329--334) und den bedingten Strafvollzug (Art. 337--340) durch die entsprechenden Bestimmungen jenes. Gesetzes ersetzt.

726

Inhaltsverzeichnis, L Teil.

Die Strafgerichtsverfassung des Bundes.

I. Organisation der Strafgerichte.

Eidg. Strafgerichtsbehörden Bestellung Ersatzmänner Bundesassisen Assisenbezirke Wahl der Geschwornen Stille Wahl Wahlveroffentliohung Amtszwang Gesohwornenliste

Artikel l 2 3 4 5 6 7 8 9 10

II. Zuständigkeit der Strafgerichte.

Begründung der Bundesgerichtsbarkeit Bundesgerichtsbarkeit für kantonale Strafsachen Ordentliche Zuständigkeit der Bundesassisen Ausserordentliche Zuständigkeit Bundesstrafgericht Anklagekammer Kassationshof

11 12 13 14 15 16 17

III. Der Untersuchungsrichter.

Untersuchungsrichter

18 IV. Der Bundesanwalt.

Wahl und Stellung Befugnisse Stellvertretung

19 20 21 V. Die gerichtliche Polizei.

Gerichtliche Polizei

22 VI. Vorhehaltene Gesetze.

Vorbehaltene Gesetze

23

II. Teil.

Das Bundesstrafverfahren.

1. Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen.

I. Zuständigkeit.

Ausdehnung der Zuständigkeit der Bundesassisen Ausdehnung der Zuständigkeit der Bundesstrafgeriohte

24 25

727 Artikel

Zusammentreffen von Strafsachen des eidg. und des kantonalen Rechts . .

Gerichtsstand der Teilnehmer Verhandlungsort

26 27 28

II. Öffentlichkeit.

Öffentlichkeit

29 III. Sitzungspolizei.

Ungehorsam Ungebührliches Verhalten

SO 31

IV. Rechtshilfe.

Rechtshilfe Sitzungslokal und Bedienung Untersuchungshaft V. Protokolle und Vorladungen.

Inhalt und Form des Protokolls Inhalt der Vorladung Zustellung Öffentliche Ladung

32 33 34 35 36 37 38

VI. Parteien und Verteidigung.

Parteien Bestellung des Verteidigers Notwendige Verteidigung Zuständigkeit zur Bestellung Entschädigung des amtlichen Verteidigers Ordnungsstrafen VII. Vernehmung des Beschuldigten.

Vorladung und Vorführung Erste Vernehmung Verbotene Mittel Geständnis Protokoll VIII. Untersuchungs- und Sicherungshaft.

Haftgründe Zuständige Behörde Haftbefehl Einvernahme des Verhafteten Haftvollzug Aufsicht über den Vollzug Freilassung Haftprüfungsverfahren Haftentlassungsgesuch und Haftbeschwerde Freilassung gegen Sicherheitsleistung Art und Hohe der Sicherheit Verhaftung trotz Sicherheitsleistung Freiwerden der Sicherheit Erloschen der Bürgschaft Verfall der Sicherheit Zuständige Behörde Vorläufige Festnahme Ergreifung durch Private Fahndung und Steckbrief

39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 * 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

728

IX. Beschlagnahme und Durchsuchung.

Beschlagnahme Beschlagnahme von Postsendungen Durchsuchung Anwesende Personen Durchsuchung von Papieren , Verzeichnis Zuständige Behörden im Ermittlungsverfahren

Artikel 69 70 71 72 , . . . 73 74 75

X. Zeugen.

Zeugnispflicht Zeugnisverweigerung wegen Verwandtschaft Hinweis auf das Verweigerungsrecht. Nachträgliches Geltendmachen des Verweigerungsrechtes Berufsgeheimnis Amtsgeheimnis Gefahr strafrechtlicher Verfolgung und Benachteiligung der Ehre Ladung Vorführung. Ordnungsstrafe gegen ausbleibende Zeugen Einzeleinvernahme Ermahnung Persönliche Verhältnisse der Zeugen Inhalt der Einvernahme " . . ' . . . .

Ordnungsstrafen gegen widerspenstige Zeugen

78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

XI. Augenschein und Sachverständige.

Anordnung des Augenscheins ' Protokoll !

Beiziehung von Sachverständigen Ernennung der Sachverständigen Gelöbnis Gegenstand der Untersuchung Ergänzung von Befund oder Gutachten. Neue Sachverständige Protokoll. Form des Gutachtens Säumnis des Sachverständigen

89 90 91 92 93 94 95 96 97

76 77

XII. Gerichtssprache.

Gerichtssprache Dolmetscher

98 99

XIII. Ausschliessung und Ablehnung von Gerichtspersonen, Fristen, Wiedereinsetzung.

Anwendbarkeit des Organisationsgesetzes 100 2. Abschnitt.

Verfahren.

I. Ermittlungen der gerichtlichen Polizei.

Strafanzeige Erforschung der Vergehen Umfang der Ermittlungen Form Leitung Politische Vergehen Einstellung

101 102 103 104 105 106 107

729 Artikel

Kantonale Gerichtsbarkeit Delegation

108 109

II. Voruntersuchung.

Einleitung der Untersuchung Mitteilung an die Anklagekammer Entscheid über die Zulässigkeit der Untersuchung Ausdehnung Verfahren gegen Abwesende Zweck der Untersuchung Protokoll Antragsrecht der Parteien Akteneinsicht Verkehr mit dem Verteidiger Teilnahme der Parteien an der Beweisaufnahme Rücktritt von der Verfolgung während der Untersuchung Schluss der Untersuchung , Bücktritt von der Verfolgung nach Schluss der Untersuchung Entschädigung Kosten Wiederaufnahme Aufbewahrung der Akten

110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127

III. Die Versetzung des Beschuldigten in den Anklagezustand.

Erhebung der Anklage Anklageschrift . . , , , , Verfahren Aufgabe der Anklagekammer Ergänzung der Untersuchung , . , , . . , . , Nichtzulassung der Anklage Abänderung der Anklage Zulassung der Anklage Mitteilung des Beschlusses IV. Vorbereitung der Hauptverhandlung.

J. Gemeinsame Bestimmungen, Bezeichnung des Präsidenten Bestellung des Verteidigers Beweiseingaben · Beweisverfügung des Präsidenten Beweisaufnahme vor der Hauptverhandlung Aktenumlauf. Ansetzung der Hauptverhandlung. Ladungen. · Gesonderte Verhandlung

128 129 130 131 132 133 134 135 136

137 138 139 140 141 142 143

II. Besondere Bestimmungen für das Verfahren vor den Bundesassisen.

Bildung der engern Geschwornenliste 144 Ablehnung von Geschwornen 145 Liste der einzuberufenden Geschwornen - . . . . . - . · 146 Beurteilung ohne Zuziehung der Geschwornen 147 V. Die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht.

Rechte und Pflichten des Präsidenten Anwesenheit der Richter und der Angeklagten Verfahren gegen Abwesende ·

148 149 150

730 rtikel

Ausbleiben des Verteidigers Unterbrechung Befragung des Angeklagten zur Person Anwesenheit der Zeugen und Sachverständigen Ausbleiben der Zeugen und Sachverständigen Verlesen der Anklageschrift Vor- und Zwischenfragen Abhòrung des Angeklagten Geständnis Ergänzung der Beweismittel Befugnisse des Präsidenten im Beweisverfahren Fragerecht der Richter und Parteien Einvernahme der Zeugen Einvernahme der Sachverständigen Entlassung der Zeugen und Sachverständigen Verlesen der Urkunden und Protokolle Ausdehnung der Anklage Berichtigung der Anklage Parteivorträge Inhalt und Zustandekommen des Urteilsspruchs Grundsätze der Urteilsfindung Freie Anwendung des Strafrechts Anrechnung der Untersuchungshaft Einziehung gefahrlicher Gegenstände Verfall von Geschenken und andern Zuwendungen Prozesskosten Kostenauflage an den Freigesprochenen Prozesskosten wegen des privatrechtlichen Anspruchs Parteikosten Entschädigung des Freigesprochenen Haftbarkeit des Anzeigers Urteilseroffnung Inhalt der Urteilsausfertigung Frist und Zustellung Verhandlungsprotokoll

151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185

VI. Die Hauptverhandlung vor den Bundesassisen.

Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht Beurteilung durch die Kriminalkammer Bildung der Geschwornenbank Gelöbnis Wahl des Obmanns Anwesenheit und Fragerecht der Geschwornen Disziplinarmassnahmen gegen Geschworne Vor- und Zwischenfragen Erläuterung der Beweisaufnahme durch den Präsidenten Fragestellung Form der Frage Hauptfrage Zusatzfrage Eventualfrage Zusatzfrage betreffend strafändernde Umstände Parteivorträge

186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201

731 Artikel

Rechtsbelehrang des Präsidenten Geschwornenberatung. Teilnahme des Präsidenten Abänderung und Erläuterung der Fragen Abstimmung Eintragung in den Fragebogen Eröffnung des Wahrspruches Berichtigung des Wahrspruches Parteivorträge und Urteilsfällung bei Verneinung der Hauptfrage oder Bejahung der Zusatzfrage. Einstellung Parteivorträge und Urteilsfällung bei Bejahung der Haupt- oder Eventualfrage Eröffnung des Urteils Urteilsausfertigung

202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212

VII. Privatrechtliche Ansprüche.

Zulässigkeit Zeitpunkt der Geltendmachung Aufhebung des Strafurteils Annenrecht

213 214 215 216 3. Abschnitt.

Rechtsmittel.

I. Beschwerde.

Mulässigkeit. Legitimation Beschwerderecht des gesetzlichen Vertreters und des Verhafteten Einreichung Frist Aufschiebende Wirkung Entscheid

217 218 219 220 221 222

II. Nichtigkeitsbeschwerde.

Nichtigkeitsgründe Legitimation Einreichung, Frist. Aufschiebende Wirkung Instruktion Begehren um mündliche Verhandlung Verhandlung Entscheid Wirkung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die andern Parteien . . . . . . .

Kosten

223 224 225 226 227 228 229 230 231

HI. Revision.

Revisionsgründe Legitimation Einreichung. Form. Aufschiebende Wirkung Stellungnahme der andern Parteien Beweisaufnahme Parteierklärungen. Mündliche Verhandlung Entscheid Freisprechung im wiederaufgenommenen Verfahren Kosten

232 233 234 235 236 237 238 239 240

732 4. Abschnitt.

Artikel

Vollziehung.

Oberaufsicht des Bundesrates Freiheitsstrafen Aufschiebung Bussen Prozesskosten

241 242 243 244 245 5. Abschnitt.

Prozesskosten.

Ansätze Rechnungsführung Kostenbestimmung

246 247 248

III. Teil.

Das Verfahren in Bnndesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind.

I. Allgemeine Bestimmungen.

Voraussetzungen des kantonalen Verfahrens 249 Geschädigter 250 Freie Beweiswurdigung 251 Zusammentreffen von Strafsachen des eidg. und des kantonalen Rechts . . 252 Eröffnung 253 Rechtshilfe 254 II. Besondere Bestimmungen für Bundesstrafsachen, die der Bundesrat den kantonalen Behörden überweist.

Verfolgungspflicht der Kantone 255 Mitteilung der Entscheide an den Bundesrat 256 Vollziehung 257 Kostenvergütung 258 III. Besondere Bestimmungen für Bundesstrafsachen, die nach Bundesgesetz voa kantonalen Behörden zu beurteilen sind.

AmtsHage der Bundesbehórden ' 259 Ermittlungen des Bundesanwaltes 260 Gerichtsstand des Begehungsortes 261 Gerichtsstand bei strafbaren Handlungen im Ausland 262 Gerichtsstand der Teilnehmer 263 Gerichtsstand beim Zusammentreffen mehrerer Vergehen 264 Streitiger Gerichtsstand 265 Mitteilung der Entscheide 266 Kosten und Bussen 267 IV. Kantonale Rechtsmittel.

Voraussetzungen des Rechtsmittels Verfahren

268 269

V. Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts.

Anfechtbare Entscheide Legitimation im Strafpunkt

270 271

733 Artikel

Legitimation im Zivilpunkt 272 Begründung 273 Frist und Wirkung 274 Vorprüfung und Instruktion 275 Einstellung des Entscheides wegen ausserordentlicher kantonaler Rechtsmittel 276 Stellung des Kassationshofes zur Beschwerdeschrift 277 Inhalt des Urteils 278 Ruckweisung 279 Kosten 280

IV, Teil.

Das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze.

I. Allgemeine Bestimmungen.

Anwendungsgebiet Anzeigeverfahren Sachliche Zuständigkeit Bundesanwalt Gerichtsstand Verfolgungsverjährung Vollstreckungsverjährung

281 282 283 284 285 286 287

II. Die Untersuchung der Verwaltung.

Zweck der Untersuchung. Kantonale Polizei Protokollierung der Untersuchungshandlungen Beschlagnahme Haussuchung Durchsuchung von Papieren Gewaltanwendung Strafprotokoll

288 289 290 291 292 293 294

III. Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde.

Entscheidungen Strafverfolgung Unterziehung vor der Strafverfügung Unterziehung nach der Strafverfügung Ausschluss des Nachlasses Einsprache Beschwerde an das Verwaltungsgericht

295 296 297 298 299 300 301

IV. Das gerichtliche Verfahren.

Einleitung des gerichtlichen Verfahrens 302 Parteien 303 Verfahren gegen Abwesende 304 Unmittelbarkeit und freie Beweiswürdigung 305 Ruckzug der Strafverfügung und der Einsprache 306 Einstellung wegen Einreichung der Beschwerde. Verbindlichkeit des Entscheides des Verwaltungsgerichts 307 Inhalt des Urteils 308 Verfahren vor dem Bundesstrafgericht 309 Ergänzendes Recht 310 Kantonale Rechtsmittel 311

734 V. Die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht.

Zulässigkeit Legitimation Nichtigkeitsverfahren VI. Die Vollziehung von Strafverfügungen und von Strafurteilen.

Vollziehungsbehörde. Verwendung der Bussen Gesetzliches Pfandrecht des Bundes Verwertung Verwertung bei unbekannter Taterschaft Umwandlung Vollziehung der Gefängnisstrafe VII. Die Kosten.

Solidarhaftung Kostenvergütung

Artikel 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322

V. Teil.

Die Strafverfügung der Verwaltung bei Übertretungen anderer Bundesgesetze.

Zulässigkeit Sachliche Zuständigkeit Ermittlungen Inhalt der Strafverfügung. Einsprache Einleitung des gerichtlichen Verfahrens Verfahren

, . . . 323 324 325 326 327 328

VI. Teil.

Rehabilitation und bedingter Strafvollzug.

I. Rehabilitation.

Wiedereinsetzung in die bürgerliche Ehrenfähigkeit 329 Wiedereinsetzung in die Wählbarkeit zu einem Amte 330 Aufhebung des Verbotes, einen Beruf, ein Gewerbe oder ein Handelsgeschäft auszuüben 331 Nichterneuerung des Gesuches 332 Verfahren vor dem Bundesstrafgericht 333 Mitteilung 334 Veröffentlichung und Kosten 335 Kantonale Behörde 336 H. Bedingter Strafvollzug.

Voraussetzungen 337 Schutzaufsicht, Weisungen 338 Erlass der Strafe, Löschung 339 Vollziehung der Strafe 340 Kantonales Verfahren. Fiskalstrafverfahren 341 Bundesstrafrecht und kantonales Strafrecht 342

VII. Teil, Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Inkrafttreten Aufhebung von Gesetzen Ersetzung durch das Strafgesetzbuch

343 344 345

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege. (Vom 10. September 1929.)

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1929

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

38

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2481

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.09.1929

Date Data Seite

575-734

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