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( Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die schweizerische Beteiligung an der internationalen Ausstellung in Lüttich im Jahre 1930.

(Vom 2, Dezember 1929.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die schweizerische Beteiligung an der im Jahre 1930 stattfindenden internationalen Ausstellung der Grossindustrie und der reinen und angewandten Wissenschaften in Lüttich zu unterbreiten.

Belgien nimmt die Jahrhundertfeier seiner Unabhängigkeit zum Anlass verschiedener grosser Veranstaltungen. Die in Antwerpen stattfindende Kolonial- und Schiffahrtsausstellung bietet für die Schweiz kein direktes Interesse. Die Ausstellung in Lüttich soll Ende April 1930 eröffnet werden und sechs Monate dauern. Die belgische Eegierung hat das Ausland zur Teilnahme eingeladen. Zahlreiche europäische und aussereuropäische Staaten haben ihre Teilnahme bereits zugesagt, worunter Frankreich, Italien, Holland, die Tschechoslowakei, Polen, Spanien. Japan usw. Deutschland und Grossbritannien scheinen nicht offiziell teilzunehmen, aber doch durch ihre Industrie, Deutschland namentlich auch durch diejenige der Elektrizitätsbranche vertreten zu werden. Die belgische Eegierung legt grossen Wert darauf, dass sich auch die Schweiz beteiligt.

Die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung, in deren Aufgabenkreis bekanntlich nach dem von uns gemäss Bundesbeschluss betreffend Subventionierung der Zentrale genehmigten Organisationsreglement auch das Ausstellungswesen fällt, hat die Wünschbarkeit und Zweckmässigkeit einer schweizerischen Beteiligung mit den in Betracht fallenden Industriekreisen einlässlich geprüft. Eine Entschliessung war vorerst gehemmt nicht nur durch die mit grossen Aufwendungen verbundene Teilnahme der Industrie an der diesjährigen internationalen Ausstellung in Barcelona, sondern, und zwar vornehmlich durch die Ungewissheit über die künftige Gestaltung der belgischen Zölle. Als dann mit dem am 26. August erfolgten Abschluss der

417 Handelsvertragsunterhandlungen die Lage soweit abgeklärt war, dass für einige Industrien (besonders für Uhren, Stickereien, Elektrotechnik und Maschinen) gewisse Vorteile und allgemein wenigstens eine Sicherung des bestehenden handelspolitischen Zustande» angenommen werden durfte, machte sich ein vermehrtes Interesse an der Beschickung der Ausstellung geltend.

Obschon unsre Handelsbilanz mit Belgien nach wie vor passiv ist, so ist doch die schweizerische Ausfuhr von nicht zu unterschätzender Bedeutung und hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Im Jahre 1926 betrug sie rund 29, 1927 rund 34 und 1928 rund 43 Millionen Franken. Wie wir in unsrer Botschaft vomi20. September 1929 über den neuen Handelsvertrag erwähnten, darf man erwarten, dass dieser Vertrag die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Belgien und insbesondere die schweizerische Ausfuhr fördern werde, und kann das Zustandekommen des Vertrages als ein Zeichen der traditionell freundschaftlichen Beziehungen, welche von jeher zwischen den beiden Staaten bestanden haben, betrachtet werden. Wir sind daher aus ·wirtschaftlichen wie auch allgemeinen Erwägungen der Auffassung, dass die Schweiz dem Wunsche der belgischen Eegierung nach Teilnahme an der bevorstehenden Lütticher Ausstellung entsprechen sollte.

Das Programm der Ausstellung Lüttich sieht in der Abteilung Grossindustrie Gruppen für Mechanik, Elektrizität, Textilindustrie usw. vor. Eine ·weitere Abteilung erfasst das Verkehrswesen. Eine besondere wissenschaftliche Abteilung enthält eine Gruppe für angewandte technische Wissenschaften.

Nach den bei der Zentrale für Handelsförderung eingegangenen Anmeldungen wird eine schweizerische kollektive Beteiligung von repräsentativer Wirkung gewährleistet namentlich durch eine reichhaltige, umfassende Gruppe der Uhrenindustrie, eine ebenfalls geschlossene Gruppe der Elektrizitätsund Präzisionsinstrumentenindustrie. der sich einige bedeutende Firmen der Maschinenindustrie anschliessen, und eine eindrucksvolle Textilgruppe.

Dazu kommt eine Verkehrsgruppe, beschickt durch die Schweizerische Verkehrszentrale und die Bundesbahnen, sowie eine wissenschaftliche Abteilung, dargestellt durch die Eidgenössische Technische Hochschule. Für die Kosten der Beteiligung der Eidgenössischen Technischen Hochschule an der Ausstellung wird
ein Nachtragskreditbegehren gestellt werden. Das kollektive Vorgehen ermöglicht mit verhältnismässig bescheidenen Mitteln eine Beteiligung, die für unser Land eine gute repräsentative Wirkung verspricht und durch besondere Berücksichtigung der am Handel mit Belgien namentlich interessierten Teile unsrer Volkswirtschaft als zweckdienlich betrachtet werden darf. Eine solche Beteiligung wird zweifellos auch von belgischer Seite als eine Bereicherung der Veranstaltung und als eine würdige Bekundung der freundschaftlichen Beziehungen gewertet werden.

Die nach ihrer Zusammensetzung aus allen volkswirtschaftlich wichtigen Kreisen kompetente Aufsichtskommission der Zentrale für Handelsförderung befürwortet nach reiflicher Überlegung einhellig die schweizerische Beteiligung im soeben skizzierten Eahmen. Sie sieht in dieser Beteiligung ein Mittel, Bundesblatt. 81. Jahrg. Bd. III.

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418 die Entwicklung des Exporthandels nach Belgien weiter zu fördern. Sie weist auch darauf hin, dass sich andere Staaten vielleicht gerade im Hinblick auf die schweizerischerseits gegenüber Belgien erreichten handelspolitischen Sicherungen, die infolge der Meistbegünstigung auch ihnen zugute kommen, in grosszügiger Weise an der Ausstellung beteiligen.

Nach den Ergebnissen einer gründlichen Prüfung, die die Zentrale an Ort und Stelle hat vornehmen lassen, ist schon mangels geeigneten Baumes in den allgemeinen Hallen die Errichtung eines eigenen Ausstellungspavillons nicht zu umgehen; sie zwinge sich auch durch die vorgesehene kollektive Gruppierung der schweizerischen Ausstellungsgegenstände auf, die nur in einem eigenen Gebäude eine zweckdienliche Lösung ermögliche. Übrigens sei es ein Charakteristikum der Lütticher Ausstellung, dass alle bedeutendem Staaten ihre eigenen Bauten errichten. Zur Erreichung des Zwecks, eine wirklich repräsentative schweizerische Schau zu schaffen, benötige man einen Bau von ungefähr 1500 Quadratmeter Grundfläche. Diese Fläche entspricht in der Grosse den durch die übrigen mittlern und kleinern Staaten belegten Plätze, während verschiedene Grossstaaten sich ein Vielfaches dieses Baumes gesichert haben. Der genannte Platz ermögliche die Erstellung eines Baues, der auch gegenüber den grössern Gebäuden immer noch architektonisch zur Geltung kommen werde.

Für die Durchführung der nach den vorstehenden Darlegungen als zweckmässig und notwendig erachteten schweizerischen Beteiligung ist gemäss den Berechnungen der technischen Organe der Zentrale, denen die Aufsichtskommission nach eigener Prüfung zugestimmt hat, ein Bundesbeitrag von Fr. 250,000 erforderlich, wenn nach bisheriger Übung ausser den Kosten der Erstellung und Inneneinrichtung des Pavillons die übrigen allgemeinen Aufwendungen, namentlich für Organisation. Transport, Versicherung. Aufsicht sowie für das Auskunftsbureau und die durch dieses betriebene kollektive Propaganda vom Bunde übernommen werden, wobei den teilnehmenden Firmen u. a. immer noch die oft bedeutenden Belastungen durch die Herstellung und Immobilisierung der Ausstellungsmodelle sowie für besondere Vertretung und individuelle Propaganda aufliegen werden. Es besteht kein Grund, von dieser übungsgemässen Kostenverteilung abzuweichen, und zwar um
so weniger, als, wie betont, für eine würdige Beschickung gerade der Ausstellung in Lüttich nicht nur privatwirtschaftliche Interessen der Exportindustrie ausschlaggebend sind, sondern in hohem Masse auch allgemeine Gründe sprechen. Übrigens hält sich der gewünschte Kredit durchaus im Eahmen der frühern Subventionen (Ausstellung 1906 in Mailand Fr. 600,000; Ausstellung 1911 in Turin, nur für die Maschinenindustrie, Fr. 220,000; Ausstellung 1925 in Paris, Kunstgewerbe, Fr. 300,000; Ausstellung 1929 in Barcelona Fr. 400,000).

Der Betrag von Fr. 250,000 setzt sich nach dem Voranschlag der Zentrale für Handelsförderung aus folgenden Posten zusammen: 1. Eohbau des Pavillons, Konstruktion, Dach, Boden, Verkleidung (40 Fr. per Quadratmeter

419 benutzter Fläche) = Fr. 60,000. -- 2. Innenausbau, Beleuchtungsanlage, allgemeine Dekoration, Standinstallation, Vitrinen, Beschriftung, Mobiliar gemäss Erfahrungsrechnungen = Fr. 100,000. -- 3. Licht und Kraft = Fr. 10,000. -- 4. Transport und Versicherungen gemäss Kostenvoranschlägen und Erfahrungsrechnungen = Fr. 25,000. -- 5. Aufsicht, Bewachung und Reinigung = Fr. 8,000. -- 6. Informationsbureau, Beamte = Fr. 22,000. -- 7. Allgemeine Verwaltung, Eeise, Eepräsentation = Fr. 13,000. -- 8. Verschiedenes (5 % der übrigen Beträge) = Fr. 12.000.

Die Aufsichtskommission der Zentrale für Handelsförderung hat die Bereitschaft erklärt, die Durchführung der schweizerischen Kollektivbeteiligung zu übernehmen, wobei sie grossen Wert darauf legt, dass die bereitzustellenden Mittel wirklich eine für die Schweiz repräsentative Ausstellung ermöglichen. Wir werden daher, wenn Sie den Ihnen unterbreiteten Antrag genehmigen, die Zentrale mit der Durchführung beauftragen und ihr zu diesem Zwecke den Kredit zur Verfügung stellen.

Leider war es nicht möglich. Ihnen den Antrag früher zu unterbreiten.

Während den Handelsvertragsunterhandlungen wäre es, wie dargelegt, nicht angezeigt gewesen, eine schweizerische Beteiligung vorzubereiten, da man der Industrie angesichts der Ungewissheit über die künftige handelspolitische Lage nicht hätte zumuten können, sich dafür zu entsohliessen. Die Vorarbeiten sind aber sofort nach Abschluss des Vertrages an die Hand genommen und möglichst gefördert worden. Da die Ausstellung schon Ende April nächsten Jahres eröffnet werden soll, ist die Organisation der Beteiligung dringlich geworden. Mit dem Bau des Pavillons sollte spätestens anfangs des Jahres begonnen werden können.

Zum Schlüsse möchten wir noch darauf hinweisen, dass in Zukunft mit weniger rasch aufeinanderfolgenden internationalen Ausstellungen gerechnet werden kann, da begründete Hoffnung besteht, dass die am 22. November 1928 in Paris von mehr als 30 Staaten unterzeichnete Übereinkunft über die internationalen Ausstellungen, deren Genehmigung wir Ihnen mit Botschaft vom 25. Juli 1929 beantragt haben, in absehbarer Zeit ihren Zwedk, die Zahl der internationalen Ausstellungen zu beschränken, erreichen werde.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 2. Dezember 1929.

Namens des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die schweizerische Beteiligung an der internationalen Ausstellung in Lüttich im Jahre 1930.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 2. Dezember 1929, beschliesst:

Art. 1.

Für die schweizerische Beteiligung an der internationalen Ausstellung in Lüttich im Jahre 1980 wird dem Bundesrat ein Kredit im Betrage von Fr. 250,000 zur Verfügung gestellt, der in den Voranschlag der Eidgenossenschaft pro 1930 aufzunehmen ist.

Art. 2.

Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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