323 # S T #

2434 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung Über die Vereinigung der Abteilung für Industrie und Gewerbe und des eidgenössischen Arbeitsamtes.

(Vom 11. März 1929.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 *) ist der Geschäftskreis der Abteilung für Industrie und Gewerbe, einer Dienstabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdépartements, folgendermassen umschrieben: 1. Förderung von Industrie und Gewerbe.

2. Vorbereitung und Vollziehung der Gesetze über Industrie und Gewerbe.

3. Mitwirkung bei der Zollgesetzgebung, bei Aufstellung der Zolltarife und bei der Vorbereitung, sowie beim Abschlüsse von Handelsverträgen.

4. Schweizerische Ausstellungen.

5. Förderung der beruflichen Bildung (industrielles, gewerbliches, kaufmännisches und hauswirtsehaftliches Bildungswesen); Vorbereitung weiterer Gesetzgebung.

6. Vorbereitung und Vollziehung der Gesetze über das Arbeitsverhältnis und den Arbeiterschutz.

7. Vorbereitung von Verträgen mit dem Auslande über Arbeiterschutz, in Verbindung mit dem politischen Departemente; Überwachung ihrer Vollziehung.

8. Mitwirkung bei der Unfallversicherung in fabrik- und gewerbepolizeilicher Hinsieht.

9. Förderung des Arbeitsnachweises und weitere Gesetzgebung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

*) Gesetzsammlung, Bd. 30, S. 292.

324 Dieser Geschäftskreis hat im Laufe der Zeit verschiedene Änderungen erfahren. Mit der Zuteilung der Handelsabteilung an das Volkswirtschaftsdepartement ist die unter Ziffer 3 erwähnte Aufgabe -- Mitwirkung bei der Zollgesetzgebung, bei Aufstellung der Zolltarife und bei der Vorbereitung, sowie beim Abschluss von Handelsverträgen -- in den Hintergrund getreten. Sodann sind die unter den Ziffern 7 und 9 genannten Aufgaben ganz und die unter Ziffer 6 erwähnte teilweise auf das eidgenössische Arbeitsamt übergegangen, das durch den Eundesbeschluss vom 8. Oktober 1920*) ebenfalls als Dienstabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements ins Leben gerufen wurde und am 7, Februar 1921 seine Tätigkeit aufgenommen hat.

Die Aufgaben der beiden Ämter berühren sich in mehrfacher Hinsicht. Dies trifft insbesondere zu für die Fragen des Arbeiterschutzes und der beruflichen Ausbildung. Das Arbeitsamt hat ganz allgemein die gesetzgeberischen Erlasse aus dem Gebiete des Arbeitsrechtes vorzubereiten und bei ihrer Durchführung mitzuwirken (Art. 2, lit. 6, des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1920). Die wichtigsten zurzeit in Kraft stehenden Erlasse dieser Art sind zweifellos das eidgenössische Fabrikgesetz und das Bundesgesetz über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, deren Durchführung aber zu den Obliegenheiten der Abteilung für Industrie und Gewerbe gehört. Dagegen hat das eidgenössische Arbeitsamt sich fortwährend mit einer ganzen Reihe von Fragen zu befassen, namentlich auch solchen der internationalen Sozialpolitik, die mit diesen beiden Gesetzen und ihrem Vollzug in engem Zusammenhang stehen. Ähnlich liegen die Dinge auf andern Gebieten.

So führen die mit dem Arbeitsnachweis und der Arbeitslosigkeit im Zusammenhang stehenden Aufgaben des eidgenössischen Arbeitsamtes dieses ohne weiteres auf das Gebiet der Berufsausbildung, während das berufliche Bildungswesen wiederum in den Geschäftekreis der Abteilung für Industrie und Gewerbe fällt. Die Vorbereitung der eidgenössischen Gewerbegesetzgebung hinwiederum liegt beim eidgenössischen Arbeitsamt.

In diesem Zustand liegt die Gefahr eines gewiesen Dualismus, der bisher nur deshalb nicht zum Ausdruck kam, weil die beiden Ämter in voller Harmonie miteinander arbeiteten und gegenseitig bestrebt waren, diese Gefahr
zu vermeiden. Allein auf die Dauer ist ein derartiges Ineinanderabergehen der Aufgaben doch unzweckmässig, so dass sich aus sachlichen Gründen die Vereinigung ber beiden Dienstabteilungen ohne weiteres aufdrängt.

Den äussern Anlass zu der Zusammenlegung bietet der Umstand, dass sich der bisherige langjährige und hochverdiente Chef der Abteilung *) Gesetzsammlung, Bd. 87, S. 49.

325 für Industrie und Gewerbe auf Ende des Jahres 1929 in den Ruhestand zurückzuziehen wünscht. Formell bedarf es für die Vereinigung der beiden Abteilungen eines dem Referendum unterstellten Bundesbeschlusses. Wir legen Ihnen hiermit auf Antrag des Volkswirtschaftsdepartements einen solchen Beschlussentwurf vor und haben zu dessen Inhalt nur einige wenige erläuternde Bemerkungen beizufügen.

Die vereinigten Abteilungen werden der Leitung des Direktors des eidgenössischen Arbeitsamtes unterstellt. Der Geschäftskreis des Arbeitsamtes erfährt dadurch eine nicht unwesentliche Erweiterung. Es ist angezeigt, dies auch in der Bezeichnung des Amtes zum Ausdruck zu bringen in der Weise, dass der neue Titel heissen wird : im deutschen Wortlaut ,,Bundesamt für Gewerbe und Arbeit", im französischen Text ,,Office fédéral de l'industrie et du travail". Der Ausdruck ,,Gewerbe" ist hier im weitesten Sinne des Wortes verstanden und umfasst sowohl die eigentliche Industrie als auch das Gewerbe im engern Sinn, d. h. das Handwerk und die Handelsbetriebe. Im Französischen wird diese Bedeutung des Begriffs ,,Gewerbe" wiedergegeben durch das Wort ,,industrie", das ebenfalls alle diese Gebiete wirtschaftlicher Tätigkeit in sich schliesst. Diese Ausdrucksweise entspricht übrigens der Terminologie, wie sie an verschiedenen Stellen der Bundesverfassung zu finden ist, wo die Worte ,,Gewerbe", ,,gewerblich" im deutschen Text mit ,,industrie" im französischen übersetzt werden (Art, 31, 34, 64]. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch in der internationalen Rechtssprache die Ausdrücke ,,Gewerbe" und ,,industrie" immer mehr in diesem weitgehenden Sinn verwendet werden. Die Obliegenheiten der beiden Ämter ergeben sich nicht nur aus den grundlegenden Organisationsbeschlüssen, sondern auch aus einer Anzahl anderer Erlasse, wie z. B. dem eidgenössischen Fabrikgesetz, dem Bundesgesetz über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, den Bundesbeschlüssen über die gewerbliche, industrielle, kommerzielle und hauswirtschaftliche Berufsbildung, dem Bundesgesetz über die Beitragsleistung an die Arbeitslosenversicherung, der Vorordnung des Bundesrates .über den Öffentlichen Arbeitsnachweis und den zu diesen Erlassen gehörigen Vollzugsvorschriften. Die bisher den beiden Abteilungen zustehenden Befugnisse
gehen auf das Bundesamt für Gewerbe und Arbeit über (Art. 2). Die Organisation des neuen Amtes wird am besten dem Bundesrat überlassen, denn es wäre unzweckmässig, sie ein für allemal in einem Bundesbeschluss festzulegen (Art. 3). Die Stellung des Personals richtet sich nach dem Bundesgesetz über das Dienstverhältnis der Beamten, und es ist selbstverständlich, dass in bezug auf das Ämterverzeichnis die Genehmigung der Bundesversammlung vorbehalten bleibt.

Wir empfehlen Ihnen gestützt auf die vorstehenden Erwägungen die Annahme des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses und verbinden damit den Wunsch, es möchte die Vorlage schon in der Juni-

326

session endgültig verabschiedet werden, damit unter Einrechnung der Referendumsfrist die neue Ordnung auf Ende dieses Jahres in Kraft treten kann.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den .11. März 1929.

Im Kamen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Vereinigung der Abteilung für Industrie und Gewerbe und des eidgenössischen Arbeitsamtes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 11. März 1929, beschliesst:

Art. 1.

Die Abteilung für Industrie und Gewerbe und das eidgenössische Arbeitsamt werden zu einer einzigen Abteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vereinigt. Sie führt den Namen ,,Bundesamt für Gewerbe und Arbeit".

Art. 2.

Das Bundesamt für Gewerbe und Arbeit hat die Befugnisse, die bisher gemäss dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesverwaltung

327

vom 26. März 1914, dem Bundesbeschluss über die Errichtung des eidgenössischen Arbeitsamtes vom 8. Oktober 1920, sowie andern Erlassen der Abteilung für Industrie und Gewerbe oder dem eidgenössischen Arbeitsamt zustanden.

Art. 3.

Dem Buudesrat liegt der Vollzug dieses Bundesbeschlusses ob. Er erläset insbesondere die nähern Vorschriften über die Organisation des Bundesamtes für Gewerbe und Arbeit.

Art. 4.

Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten.

Er setzt den Zeitpunkt seines Inkrafttretens fest.

---33«-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung Über die Vereinigung der Abteilung für Industrie und Gewerbe und des eidgenössischen Arbeitsamtes. (Vom 11. März 1929.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1929

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

2434

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.03.1929

Date Data Seite

323-327

Page Pagina Ref. No

10 030 640

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.