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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft ·

(Vom 28. September 1951)

Herr Präsident!

'

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen mit folgender Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft in St. Gallen zu unterbreiten.

1. Die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft, ihre Aufgaben und ihre bisherige Finanzierung Die schwere Notlage, die zu Beginn der zwanziger Jahre über die Stickereiindustrie hereinbrach, gab den Anlass, dass durch Bundesbeschluss vom 13. Oktober 1922 die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft -- ähnlich der kurz zuvor im Dienste der notleidenden Hôtellerie gegründeten Schweizerischen HotelTreuhand-Gesellschaft -- als gemischt-wirtschaftliches Institut, in welchem Bund, Stickereikantone und Stickereiindustrie vertreten sind, ins Leben gerufen wurde. Anfänglich vor allem auf Stützung der Industrie eingestellt, musate die Genossenschaft bald dazu übergehen, den Abbau des unter den gegebenen Verhältnissen zu grossen Produktionsapparates in die Wege zu leiten und die Überführung der überschüssigen Arbeitskräfte in andere Berufe zu fördern. Bei einem Bestand von rund 5000 Schiffli- und 8000 Handmaschinen im Jahre 1920 wurden bis Ende 1939 von der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft rund 2600 Schiffli- und 6600 Handmaschinen, also im ganzen 9200 Maschinen, übernommen und zum grossen Teil demoliert, zum Teil aber auch für den Fall einer späteren Besserung der Konjunktur eingelagert. Mit diesem ausserordentlich einschneidenden Abbau des Maschinenparks ging das Bestreben Hand in Hand, den noch verbleibenden brauchbaren Bestand leistungsfähig zu erhalten und der Stickereiindustrie erträgliche Daseinsbedingungen zu sichern. Es geschah

100 dies durch die Gewährung von Beiträgen an Maschinenreparaturen, durch angemessene Hilfe bei der Anpassung von Maschinen für die Herstellung bestimmter Stiqkereiartikel und beim Umtausch von Maschinen, sodann aber namentlich auch durch die Förderung tariflicher Vereinbarungen zwischen Warenausgebern und Warenübernehmern, durch den Abschluss eines zwischenstaatlichen Abkommens mit Österreich zur Festsetzung der Stichpreise und der Arbeitszeit für die gesamte Vorarlberg-schweizerische Stickereiindustrie sowie durch die Schaffung des sogenannten «Krisenfonds der schweizerischen Schifflilohnstickerei» (des heutigen «Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei»), einer Art von Versicherungskasse für Schifflimaschinen, die infolge Arbeitsmangels vorübergehend stillgelegt werden müssen. Ebenso seien hier erwähnt die in Gestalt von Fabrikationsbeiträgen als sogenannte «Produktive Arbeitslosenfürsorge» gewährte Unterstützung, von der neben den meisten andern Exportindustrien die Stickereiindustrie in den dreissiger Jahren gleichfalls Gebrauch machte, sowie die Hilfsmassnahmen zivil- und konkursrechtlicher Natur, die in Anlehnung an die Sanierungsaktion für die Hôtellerie auch auf die Stickereiindustrie Anwendung fanden *). Bei allen diesen Massnahmen, die dazu dienten, den gesunden Kern der Stickereiindustrie zu retten und durch eine Festigung der Preis- und Arbeitsbedingungen einem verderblichen, durch die Krisenverhältnisse begünstigten Konkurrenzkampf entgegenzuwirken, hat die StickereiTreuhand-Genossenschaft als Hilfsinstitut des Bundes an erster Stelle mitgewirkt.

Im Zusammenhang namentlich mit den politischen Weltgeschehriissen erlebte die Stickereiindustrie wechselvolle Schicksale. Nachdem sie nach 1935 bei einem allerdings viel kleineren Maschinenbestand langsam wieder erstarkt war, wurde sie durch den Ausbruch des zweiten Weltkrieges erneut von einer schweren Krise betroffen, von der sie sich erst nach Kriegsende erholen konnte.

In diesen schlimmen, aber auch in den besseren Zeiten, die folgten, hat sich die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft bemüht, von einem Standpunkt aus, der stets die Gesamtinteressen zu berücksichtigen suchte, ihre zahlreichen Aufgaben zu erfüllen. Im Jahre 1947 wurde die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft gestützt auf den Bundesbeschluss vom 26. März des
genannten Jahres (AS 1947, 827) in eine Genossenschaft des öffentlichen Eechts umgewandelt. In seiner darauf bezüglichen Botschaft vom 9. Dezember 1946 (BEI 1946, III, 1269) schrieb der Bundesrat: Die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft, die ihre Tätigkeit nach den von den zuständigen Bundesbehörden genehmigten Vorschriften und unter deren Kontrolle ausübt, hat bei der Durchführung der mannigfachen Hilfsmassnahmen, aber auch bei der Behandlung und Begutachtung vieler Probleme, die sich im Laufe der Jahre in der Stickereiindustrie gestellt haben, wichtige und wertvolle Dienste geleistet. Der Bund, einzelne Kantone und die Fachverbände der Industrie selbst sind an der Verwaltung der Genossenschaft beteiligt. Sie ist die neutrale Vermittlerin bei den Tarif*) Zuletzt noch im Bundesgesetz vom 23. Juni 1950 betreffend Abänderung des Bundesgesetzes über rechtliche Schutzmassnahmen für die Hotel- Und die Stickereiindustrie (AS I960, 963).

101 Verhandlungen zwischen Warenausgebern (Exporteuren) und Warenübernehmern (Schifflistickereifabrikanten oder Handmaschinenstickern). Sie übt durch ihre Beamten die ihr übertragene Kontrolle aus über die Einhaltung der Tarife. Sie ist Gestionsstelle für den Solidaritätsfonds (früher Krisenfonds) der schweizerischen Schifflistickerei und für die Ausgleichskasse der Stickereifabrikationsbetriebe. Sie unterstützt die zuständigen Instanzen begutachtend in allen Fragen, welche die Stickerei betreffen.

:Auch bei internationalen Verhandlungen auf diesem Gebiet hat sie jeweils massgebehd mitgewirkt, und sie wird berufen sein, dies auch in Zukunft wieder zu tun.

Ihre Tätigkeit ist nicht auf Krisenperioden beschränkt. Sie ist vielmehr nach ihren gegenwärtigen Funktionen eine Institution, die auch in verhältnismässig günstigen Zeiten der Stickereiindustrie wie der jetzigen unentbehrlich ist...

Zur Durchführung ihrer Aufgaben -- neben den soeben erwähnten möchten wir vor allem auch noch die Förderung eines qualifizierten Nachwuchses sowie die Beihilfen für Instandhaltung und Erneuerung des unumgänglich notwendigen Maschinenapparates hervorheben -- hat der Bund der Stickerei-TreuhandGenossenschaft Subventionen im Betrage von 10,9 Millionen Pranken bewilligt, wovon 5 Millionen Franken bei ihrer Gründung und weitere 5 Millionen Franken, als Nachsubvention in den Jahren 1926 bis 1940. Dazu kam eine weitere Subvention des Bundes von 900 000 Franken und der Stickereikantone von 98 550 Franken durch Herabsetzung des Nominalwertes ihrer Anteile am Genossenschaftskapital. Diese Beiträge haben einer für unser Land und insbesondere für den nordöstlichen Landesteil immer noch sehr wichtigen und äusserst lohnintensiven Exportindustrie die Weiterexistenz ermöglicht, einer Industrie, die seit der Gründung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft eine Produktion im Werte von über 2000 Millionen Franken erzeugt und in letzter Zeit wiederum bis zu jährlich rund 90 Millionen Franken umgesetzt hat, wodurch auch zahlreiche andere Branchen der Textilindustrie (Spinnerei, Zwirnerei, Weberei, Ausrüsterei, Heimarbeit usw.) befruchtet worden sind.

2. Zur Frage der Weiterführung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft und der Verteilung der finanziellen Lasten Nachdem die ersten Subventionen an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft durch Bundesbeschlüsse gewahrt worden waren, hat ihr der Bundesrat zuletzt am 28. Dezember 1940 durch einen Vollmachtenbeschluss einen weiteren Beitrag von höchstens l Million Franken zugesprochen. Dieser Betrag ist im: Verlauf der letzten zehn Jahre bis auf einen Best von 100 000 Franken ausbezahlt worden und hat der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft dazu gedient, ihre vielfältigen statutarischen Aufgaben zu erfüllen. Ausser dieser Subvention flössen der Genossenschaft noch aus Zinseinnahmen und namentlich aus dem Verkauf von früher übernommenen und eingelagerten Maschinen weitere Mittel zu. Doch ist die zuletzt genannte Quelle nun fast gänzlich versiegt. Da die zur Verfügung stehenden Geldmittel zur Neige gehen, stellt sich heute die Frage der Weiterexistenz der Stickerei-Treuhand^ Genossenschaft und ihrer künftigen Finanzierung.

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Wie oben ausgeführt wurde, haben die Aufgaben der Stickerei-TreuhandGenossenschaft je nach der Konjunktur der Stickereiindustrie wohl teilweise gewechselt, das Ziel aber ist immer das gleiche geblieben. So kann die einst an erster Stelle stehende Aufgabe der Maschinenausschaltung heute als erledigt betrachtet werden. Dafür sind andere, Probleme wie die Förderung des Nachwuchses und die Mithilfe bei der Erhaltung und Erneuerung des Produktionsapparates in den Vordergrund getreten, während die Verwaltung des Solidaritätsfonds der Schifflistickerei und des Hilfsfonds für die Handmaschinenstickerei, ferner die vermittelnde Tätigkeit bei den Tarif Verhandlungen zwischen Exporteuren und Fabrikanten und die Ausgestaltung des Stichzählungsregulativs sowie die Kontrolle über die Einhaltung der Tarife und des genannten Eegulativs zu den ständigen Obliegenheiten der Genossenschaft gehören. Die Meinung, dass die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft im Interesse einer gesunden Ordnung und Weiterentwicklung der Stickereiindustrie unentbehrlich sei, wird auch von den massgebenden Kreisen dieser Industrie und den Stickereikantonen rückhaltlos anerkannt. Ohne die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft könnte sich ein vielgestaltiges und äusserst wertvolles Werk der Verständigung, der Rationalisierung und des Aufbaus, das in den letzten Jahrzehnten wesentlich zur Gesundung der Stickereiindustrie beigetragen hat, auf die Dauer nicht halten. Deshalb hat auch das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement in einem vom 16. Januar 1946 datierten ausführlichen Exposé an die Vollmachtenkommission des Nationalrates, das sich mit der Entwicklung der schweizerischen Stickereiindustrie seit 1922 befasst, erklärt, sobald einmal der Best der letzten, Ende 1940 gewährten Subvention von l Million Franken aufgebraucht sei, würden durch Bundesbeschluss neue Mittel bewilligt werden müssen, um der Genossenschaft die Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen. Auch die Umwandlung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t in eine Genossenschaft des öffentlichen Eechts auf Grund des Bundesbeschlusses vom 26; März 1947 geschah aus der Erkenntnis heraus, dass die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft aufrecht zu erhalten und zu konsolidieren sei. Schliesslich müsste das von den eidgenössischen Eäten am 23. Juni 1950 beschlossene Bundesgesetz betreffend .
Abänderung des Bundesgesetzes über rechtliche Schutzmassnahmen für die Hotel- und die Stickereiindustrie in bezug auf die Stickereiindustrie entgegen den Absichten des Gesetzgebers toter Buchstabe bleiben, falls die StickereiTreuhand-Genossenschaft ihre Tätigkeit nicht mehr fortsetzen könnte.

Besteht so über die Notwendigkeit, die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft weiterzuführen, unter allen Kennern der Verhältnisse Einstimmigkeit, so wird anderseits doch auch allgemein anerkannt, dass es bei der gefestigten Lage der Stickereiindustrie und ihrer heutigen sehr guten Beschäftigung nicht mehr angängig wäre, den Bund die Kosten für den Betrieb der Stickerei-TreuhandGenossenschaft und für die Durchführung ihrer Aufgaben zur Hauptsache allein tragen zu lassen. Abgesehen von der oben erwähnten Subvention der Stickereikantone im Betrage von 98 550 Franken und eines in den letzten Jahren der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft von der Industrie bezahlten Beitrages (von

103 zurzeit jährlich 15 000 Franken) an die Kosten für die Führung der Geschäfte des Solidaritätsfonds, war es in der Tat bis dahin der Bund, der die StickereiTreuhand-Genossenschaft allein finanziert hat. Demgegenüber handelt es sich nun darum, namentlich die Industrie in stärkerem Masse zu Beitragsleistungen heranzuziehen und die aus der Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft entstehenden Lasten in angemessener Weise auf Bund, Kantone und Industrie zu verteilen.

: 3. Das Ausgabenbudget und die künftige Finanzierung der Stickerei-TreuhandGenossenschaft

Die Ausgaben der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft setzen sich zusammen aus 1. den Verwaltungskosten und 2. den Aufwendungen für diejenigen statutarischen Aufgaben, die den Einsatz von Geldmitteln erfordern (wie z. B.

Beiträge an Kurse zur Förderung des Nachwuchses, Maschinenverbesserungen, Entschädigungen bei Übernahme von Maschinen, Lagerungskosten). Während die Verwaltungskosten, einschliesslich der Gehälter des im Aussendienst beschäftigten Kontrollpersonals, abgesehen von der durch die Teuerung verursachten Kostenerhöhung, verhältnismässig stabil geblieben sind, wiesen die Aufwendungen für die übrigen Aufgaben grosse Schwankungen auf. Es ist dies nur natürlich, wenn man bedenkt, wie sehr diese Aufgaben im Laufe der Jahre gewechselt haben und auch jetzt noch in ihrer Art und ihrem Ausmass Änderungen unterliegen. Im Durchschnitt ihrer bisherigen 28jährigen Tätigkeit betrugen die Ausgaben der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft hiefür jährlich 869 000 Franken. Dagegen belief sich der Durchschnitt der jährlichen Aufwendungen während der ersten 12 Jahre auf 647 000 Franken, während er in den letzten 12 Jahren nur noch 133 000 Franken erreichte und im Mittel der 3 letzten Jahre auf 86 000 Franken sank. Da zahlreiche wichtige Aufgaben der StickereiTreuhand-Genossenschaft ausser den Verwaltungskosten keine Aufwendungen finanzieller Art verursachen, bilden aber diese Aufwendungen à fonds perdu keinen Gradmesser für Umfang und wirtschaftliche Bedeutung der von der Genossenschaft zu verschiedenen Zeiten ausgeübten Tätigkeit.

Auf, Grund der Erfahrungen der letzten Zeit darf angenommen werden, dass die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft bei einigermassen gleichbleibenden Verhältnissen im Durchschnitt der nächsten Jahre alljährlich ohne Zinseinnahmen rund 150 000 Franken benötigen wird. Diese Summe ergibt sich aus folgender schätzungsweiser Aufstellung.

-- Verwaltung und Büro . . .

'. <· .

-- Kontrollpersonal -- Aufwendungen für verschiedene statutarische Aufgaben Insgesamt. . . . . . . . .

abzüglich Zinseinnahmen

65 000 Franken 65 000 » 30 000 » 160 000 Franken 10 000 » 150 000 Franken

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Hiezu ist zu bemerken, dass der mit 150 000 Franken geschätzte jährliche Finanzbedarf eher knapp bemessen ist. Die interne Kontrollstelle der StickereiTreuhand-Genossenschaft hat -wiederholt jede Position der Auslagen auf Sparmöglichkeiten hin geprüft und festgestellt, dass die Aufwendungen als Minimum betrachtet werden müssen und Einsparungen nicht möglich sind, ohne dass die Durchführung unerlässlicher Aufgaben dadurch beeinträchtigt würde. Die Verwaltung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft arbeitet mit ihrem auf ein Mindestmass beschränkten Personal sehr sparsam und intensiv. Auch eine Herabsetzung der Zahl der Kontrollbeamten, deren Tätigkeit grosse Fachkenntnisse voraussetzt und die nicht leicht zu rekrutieren sind, kommt nicht in Betracht, da sich eine ungenügende Kontrolle schädlich auswirken würde und nicht zu verantworten wäre. Der für verschiedene statutarische Aufgaben wie Förderung des Nachwuchses, Beiträge für wirtschaftlich notwendige Beparaturen und Erneuerungen des Maschinenparkes, Lagerhaltung von Maschinen und Maschinenbestandteilen, Abnahme von Stickmaschinen usw. eingesetzte Betrag von 30 000 Franken ist äusserst niedrig gehalten. Er würde zweifellos nur den Bedarf eines Jahres decken, in welchem die Verhältnisse in der Stickereiindustrie keine besonderen Aufwendungen erforderlich machen, während er unzureichend wäre, sobald infolge einer Krise die Anforderungen an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft steigen sollten oder sofern diese Aufgaben zu bewältigen hätte, die über das Übliche hinausgehen. Ausserdem ist es fraglich, ob die auf 10 000 Franken veranschlagten jährlichen Zinseinnahmen in Zukunft noch werden erreicht werden.

Bei,der Lösung der Frage, wie die in Betracht stehende Summe von 150 000 Franken jährlich aufzubringen sei, waren verschiedene nicht durchwegs auf einer Linie liegende Standpunkte zu berücksichtigen. Bund und Kantone wünschten angesichts ihrer Finanzlage eine erhebliche Beteiligung der Industrie, die um so gerechtfertigter erschien, als dièse am Weiterbestand der StickereiTreuhand-Genossenschaft am unmittelbarsten interessiert und zurzeit sehr gut beschäftigt ist. Die industriellen Kreise zeigten zwar volles Verständnis für diese Auffassung, wiesen aber anderseits auf die starke Konjunkturempfindlichkeit der Stickereiindustrie hin, auf die unsichere
Zukunft und auf die zahlreichen andern Aufgaben, die von den Verbänden ohnehin schon grosse Opfer verlangten. So legte die Vereinigung schweizerischer Stickereiexporteure dar, dass sie für Textilfachausbildung, Stickfachschulen, Propaganda und Ausstellungen rund 100 000 Franken, ferner Beiträge an den Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei von 140 000 Franken und an den Hilfsfonds der schweizerischen Handmaschinenstickerei von über 20 000 Franken jährlich leiste (abgesehen von einem Sonderbeitrag an den zuletzt genannten Fonds von 20 000 Franken im Jahre 1950), dass sie weitere Mittel für Forschungs- und Schulungszwecke und insbesondere auch für die Propaganda im Ausland von jährlich rund 100000-120000 Franken aufbringen sollte und dass diese Aufgaben zu kurz kommen müssten, falls von der Industrie ein zu hoher Beitrag an die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft gefordert werde. In ahn-

105 lieber Weise betonte auch der Verband schweizerischer Schifflistickerei-Fabrikanten die zunehmende finanzielle Anspannung seiner Mitglieder, die sich wohl seit einiger Zeit einer guten Beschäftigung erfreuten, vielfach aber in früheren Jahren Verluste erlitten hätten, die bei weitem noch nicht ausgeglichen seien.

Besondere Erwähnung verdient, dass Exporteure und Fabrikanten seit zweieinhalb Jahren auf Grund des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1948 die Mittel für den Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei allein, also ohne öffentliche Unterstützung, aufbringen und in dieser Zeit rund 753 000 Franken hieran geleistet haben, ein Beweis für den Willen zur Selbsthilfe der Stickereiindustrie. Nicht nur mit Bücksicht auf die sonstige starke ^Belastung käme aber ein Verteilungsplan, der die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft ausschliesslich der Industrie aufbürden würde, kaum in Betracht ; vielmehr ist dafür noch ein anderer Grund von wesentlicher Bedeutung. Der neutrale, halbamtliche Charakter der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft ist durch ihre Umwandlung in eine Genossenschaft des öffentlichen Bechts vom Jahre 1947 erneut unterstrichen worden. Eine Stickerei-Treuhand-Genossenschaft, die diesen ' Charakter nicht mehr besässe, wäre sinnwidrig und hätte keinen Bestand. Aus diesem Grunde muss die öffentliche Hand sich an der Verwaltung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t nach wie vor massgebend beteiligen. Sie kann aber auch die Finanzierung der Genossenschaft nicht einfach der Industrie überlassen. Denn dadurch würde die Stickerei-TreuhandGenossenschaft ihr unbedingt notwendiges Ansehen und Gewicht als objektive, neutrale Instanz einbüssen und die Grundlage, auf der ihr ganzes Wirken sich aufbaut, verlieren. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die StickereiTreuhand-Genossenschaft Aufgaben durchführt, die im Interesse der Allgemeinheit liegen und namentlich dem Bund Arbeiten abnimmt, die dieser sonst wohl in Weniger zweckmässiger Weise abseits vom Zentrum der Stickereiproduktion besorgen müsste, die ihm übrigens auch viel teurer zu stehen kämen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die weitere Subventionierung der StickereiTreuhand-Genossenschaft durch die öffentliche Hand gerechtfertigt.

Es ging schliesslich darum, alle diese Erwägungen richtig zu würdigen und
sich unter den Beteiligten über den Finanzierungsplan zu verständigen. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Bund, den Kantonen St. Gallen,' Appenzell A.-Bh. und Thurgau sowie den beiden Verbänden, die für die Leistung der Industrie aufzukommen haben (Vereinigung schweizerischer StickereiExporteure und Verband schweizerischer Schiffli-Stickerei-Fabrikanten), wurde einhellig folgender Lösung zugestimmt, die wir als gut abgewogen betrachten und Ihnen in beiliegendem Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Annahme empfehlen.

Danach gewähren Bund, Kantone und Industrie von 1952 bis 1956 der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft einen jährlichen Beitrag von insgesamt 150 000 Franken. Hieran leistet die Industrie je nach dem Beschäftigungsgrad der Schifflistickerei 75 000, 60 000 oder 50 000 Franken, während der Best zu gleichen Teilen vom Bund einerseits und den drei beteiligten Kantonen ander-

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seits aufgebracht wird. Hält die jetzige gute Beschäftigung an, so wird die Industrie schon im ersten Jahr einen Beitrag von 75 000 Franken leisten; für den Bund und ebenso für die drei Kantone zusammen bliebe somit noch ein Best von je 37 500 Franken zu tragen.

Zu Artikel 8, Absatz 3, des Beschlussentwurfes ist folgendes erläuternd beizufügen. Eine wichtige .Aufgabe der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft ist die Besorgung der Geschäfte für den Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei und den Hilfsfonds für die Handmaschinenstickerei. An diese Arbeiten der Genossenschaft hat der finanziell noch schwache Handmaschinenfonds bis jetzt noch keine Entschädigung bezahlt, während die gegenwärtige Gestionsvergütung des Solidaritätsfonds von 15 000 Franken jährlich dem Arbeitsaufwand zu wenig angemessen ist. Vorgesehen ist nun, dass der Solidaritätsfonds seine Vergütung auf 25 000 Franken erhöhe.. Die Frage, ob auch der Hilfsfonds für die Handrnaschinenstickerei eine bescheidene Entschädigung ausrichten solle, steht noch offen. Jedenfalls sollen solche von der Industrie aufgebrachte Gestionsvergütungen an die Beiträge angerechnet werden können, welche die Industrie nach dem vorstehenden Finanzplan der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft zu zahlen hat.

Wir bitten Sie, unsern Ausführungen und dem vorgelegten Beschlussentwurf zuzustimmen, und versichern Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. September 1951.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Ed. von Steiger Der Bundeskanzler: Leimgraber

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen Eidgenossenschaft, bls gestützt auf Artikel 31 , Absatz 2, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 28. September 1951, beschliesst :

Art. l Der Bund gewährt der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft an ihre Betriebskosten und zur Durchführung ihrer statutarischen Aufgaben für die Jahre 1952 bis 1956 einen jährlichen Beitrag.

2 Der Bundesbeitrag wird unter der Bedingung gewährt, dass die Kantone St. Gallen, Appenzell A.-Eh. und Thurgau sowie die beteiligten Ereise der Industrie ebenfalls einen jährlichen Beitrag ausrichten.

1

Art, 2 1

Der jährliche Beitrag aller Beteiligten beträgt Er. 150 000.

Eür die Aufteilung des Beitrages zwischen Bund, Kantonen und Industrie ist. der Beschäftigungsgrad sämtlicher Schifflhnaschinen im Durchschnitt der vorausgehenden 12 Monate auf Grund der Monatsausweise der StickereiTreuhand-Genossenschaft massgebend.

2

Art. 3 1

Der jährliche Beitrag der Industrie beläuft sich auf a. 75 000 Franken bei einer Beschäftigung von 85 Prozent oder mehr, i). 60 000 Franken bei einer Beschäftigung von mindestens 75 Prozent, aber weniger als 85 Prozent, c. 50 000 Franken bei einer Beschäftigung von weniger als 75 Prozent.

2 Über die Aufbringung des Beitrages der Industrie verständigen sich die beteiligten Industriekreise.

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An den Beitrag der Industrie können die Leistungen der Warenausgeber, Warenübernehmer und Fergger gemäss Artikel 4, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 28. Juni 1948 über die Organisation des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei und Artikel 3, Absatz l, lit. a bis c, des Vertrages vom 10. Juli 1947 über den Hilfsfonds der schweizerischen Handmaschinenstickerei bis zu dem Betrag angerechnet werden, der eine angemessene Vergütung für die von der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft besorgte Geschäftsführung dieser Fonds bildet. Die Höhe dieser Vergütung wird von den hiefür zuständigen Instanzen der beiden Fonds festgesetzt.

Art. 4 ' . .

1

, Die Differenz zwischen dem Beitrag der Industrie nach Artikel 3, Absatz l, und der Summe von 150 000 Franken wird zu gleichen Teilen vom Bund einerseits und den beteiligten Kantonen anderseits bestritten.

2 Über die Aufbringung der kantonalen Beiträge verständigen sich die beteiligten Kantone.

Art. 5 1

Dieser Beschluss ist gemäss Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

2 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt seines Inkrafttretens.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft (Vom 28. September 1951)

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.10.1951

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99-108

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