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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 25. März 1913 zur Fortsetzung der ordentlichen Wintersession zusammengetreten.

Als neue Mitglieder sind erschienen : im N a t i o n a l r a t : Herr Pilliod, Alfred, Landwirt in Blonay.

,, Fusoni, Antonio, Kaufmann in Lugano.

Im N a t i o n a l r a t eröffnete Herr Präsident S p ah n die Session mit folgenden Worten: Meine Herren Nationalräte!

Seit unserer letzten Tagung im Dezember vorigen Jahres hat der unerbittliche Tod ein hervorragendes Mitglied unseres Rates abberufen. Nach kurzer Krankheit ist am 31. Januar in Winterthur Herr Nationalrat Dr. S u l z e r - Z i e g l e r im Alter von erst 58 Jahren dahingeschieden. Ein reiches Leben der Arbeit und Pflichterfüllung, aber auch des Erfolges hat damit seinen nur allzufrühen Abschluss gefunden.

Als jüngster Sohn des Begründers des Sulzerschen Geschäftes ist Sulzer-Ziegler im Jahre 1854 geboren worden. Nach Absolvierung juristischer, nationalökonomischer und technischer Studien widmete er im Verein mit seinen, ihm im Tod vorangegangenen Brüdern sein Leben fortan der Leitung des mit der Zeit ins Riesenmass angewachsenen Geschäftes, zu dessen Weltruf und grosser Blüte er sein redlich Teil beitrug. Hervorragende Eigenschaften des Geistes und des Herzens, eine nie ermüdende Arbeitskraft, ein scharfes Urteil und ein kräftiger, energischer Wille, Zähigkeit und Ausdauer im Verfolgen des erwählten Zieles befähigten ihn in hohem Masse, seine Lebensaufgabe zu lösen und verschafften ihm bald unter den Vertretern der schweizerischen Grossindustrie einen massgebenden und führenden Einfluss. SulzerZiegler war ein Industrieller von grosszügigem Wesen, ein Mann,

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dessen kühner, schöpferischer G-eist vor den schwierigsten und grössten Aufgaben nie erlahmte. Als Mann der Arbeit achtete er auch die redliche Arbeit jedes ändern und war seinen vielen Mitarbeitern ein wohlwollender und väterlich fürsorgender Geschäftsherr.

So .sehr er aber auch durch die grosse Arbeit für sein Geschäft in Anspruch genommen war, so ging sein vielseitiger Geist und sein für die allgemeinen Landesinteressen warm schlagendes Herz hierin dennoch nicht auf. Unähnlich manchen seiner Berufsund Standesgenossen fühlte Sulzer den Drang und die Verpflichtung in sich, seine reichen Erfahrungen und sein vielseitiges Wissen auch in den Dienst seiner engeren und weiteren Heimat zu stellen. In schwerer Zeit nahm er sich in uneigenütziger Weise seiner Vaterstadt an, für die er bis ans Lebensende grosse Anhänglichkeit und ein lebhaftes, werktätiges Interesse an den Tag legte, sodass an seiner Bahre das schöne Wort gesprochen werden durfte, es sei kein grosses öffentliches Werk in seiner Vaterstadt erstanden, ohne dass er den lebhaftesten Anteil daran gehabt hätte.

Seit 13 Jahren gehörte Sulzer-Ziegler dem Nationalrate an.

Hier, wie in seiner anderweitigen vielfachen öffentlichen Wirksamkeit, waren es vornehmlich die sozialpolitischen und nationalökonomischen Fragen, die ihn beschäftigten, und ganz speziell die brennende Frage eines befriedigenden Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der er umfassende theoretische Studien und unausgesetzte praktische Arbeit widmete. Sein Wirken im Ratssaal war das eines erfahrenen Staatsmannes, einer kraftvollen, in sich geschlossenen Persönlichkeit, eines Mannes von bestimmten Grundsätzen und fester Prägung. Beruf und innere Überzeugung haben ihn zum Verfechter einer bestimmten sozialen Weltanschauung gemacht, zum beredten Verteidiger einer friedlichen Lösung der sozialen Fragen auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung und zum konsequenten und scharfen Gegner der gewerkschaftlichen Politik. Aber so sehr er mit Mut und Unerschrockenheit für seine politischen und sozialen Überzeugungen stritt, so fehlte ihm doch weder das Herz noch das Verständnis für die Bedürfnisse der Arbeiterschaft.

Unter mannigfachen Beweisen hierfür sei bloss auf sein energisches Eintreten zugunsten der Kranken- und Unfallversicherung hingewiesen. Und gleichviel,
ob man seine Anschauungen teilt oder nicht, Freunde und Gegner werden darin einig gehen, dass Sulzer-, Ziegler ein mutiger, offener und ehrlicher, ebenso auch ein ritter-

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licher Kämpfer war, dem auch der Gegner seine Anerkennung nicht versagen konnte.

Meine Herren Nationalräte, ich ersuche Sie, sich zu Ehren des verstorbenen Kollegen von Ihren Sitzen zu erheben.

Im S t ä n d e r a t hielt Herr Präsident K u n z bei der Sessionseröffnung folgende Ansprache: Geehrte Herren Kollegen!

Bevor wir zu unsern geschäftlichen Verhandlungen übergehen, haben wir eine Ehrenpflicht zu erfüllen, indem wir das Andenken eines Mannes ehren, der seit unserer letzten Tagung der schweizerischen Bundesversammlung durch den Tod entrissen worden ist.

Am 31. Januar abbin ist in Winterthur Nationalrat Dr. Sulzer im Alter von bloss 59 Jahren unerwartet rasch verstorben. Wir alle sind durch diese Todesnachricht nicht nur schmerzlich berührt, sondern in höchstem Grade überrascht worden; denn wenige Wochen vorher stand Sulzer, nach seinem äussern Erscheinen zu urteilen, noch in der Vollkraft seines Lebens unter uns, und es war für uns alle fast unfassbar, wie ein unerbittliches Schicksal diese kraftvolle Männergestalt im Sturme dahinraffen konnte.

Ein reiches Menschenleben hat hier unerwartet ein rasches Ende gefunden, und ein hervorragender Eidgenosse ist mit Dr. Sulzer aus dem Leben geschieden. An seinem Sarge ist von berufener Seite das Lebens- und Charakterbild dieses Mannes in ehrender Weise gezeichnet und seiner grossen Verdienste um das engere und weitere Vaterland mit begeisterten Worten Ausdruck verliehen worden.

Eine hohe Intelligenz, eine gewaltige Kraft des Willens, einen hohen Gerechtigkeitssinn, Mut und edlen Ehrgeiz sowie eine sichere Urteilskraft hat ihm das Schicksal mit auf den Weg gegeben, und mit diesen Gaben hat Sulzer nicht gegeizt, sondern sie in den Dienst der Allgemeinheit gestellt zum Wohle des gesamten Vaterlandes.

Die schweizerische Industrie, an deren Spitze Sulzer stand, verdankt ihm sehr viel; sein Name bleibt für alle Zeiten mit dem gewaltigen Bauwerk des Simplontunnels in ehrender Weise verbunden.

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Neben seiner grossen beruflichen Tätigkeit befasste sich Sulzer auch eifrig mit Politik, wo er namentlich in wirtschaftlichen Fragen eine hervorragende Stellung einnahm ; seine Voten im Nationalrat legten je und je beredtes Zeugnis ab von der Gründlichkeit und Sachkenntnis, mit der er wirtschaftliche Probleme löste und zu verteidigen wusste.

Opportunität und Konvenienz hatten geringen oder oft auch keinen Einfluss auf sein Denken und Handeln. Offen und ehrlich, stets kraftvoll strebte er dem von ihm als richtig erkannten Ziele zu, unbekümmert um der Parteien Gunst -- ein Mann ohne Furcht und Tadel, so hat er unter uns gewirkt und so wollen wir ihn in ehrendem Andenken behalten.

Auch wir legen heute einen Kranz der Anerkennung nieder auf das Grab von Nationalrat Dr. Sulzer als eines geistesmächtigen Eidgenossen, eines pflichttreuen Mitbürgers und eines vorbildlichen Arbeiters am Wohle des gesamten Vaterlandes.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 22. März 1913.)

Dem Kanton Z ü r i c h wird zuhanden der Gemeinde Oberstammheim (Bezirk Andelfingen) an die 222 Fr. 50 Rp. betragenden Kosten für Anschaffung eines Formaldehyddesinfektionsapparates System Flügge ein Bundesbeitrag von 50 % zugesichert, höchstens 111 Fr. 25 Rp., gemäss Art. 8 des Epidemiengesetzes vom 2. Juli 1886.

Dem Kanton B e r n wird an die zu 38,500 Fr. veranschlagten Kosten der Anlage eines Waldweges Monto-Brotheitere, durch die Burgergemeinde Reconvilier, ein Bundesbeitrag von 20 % oder 7700 Fr. zugesichert.

Dem Kanton G r a u b ü n d e n wird an die zu 100,000 Fr.

veranschlagten Kosten der Verbauung der Lochrüfe bei Maienfeld ein Bundesbeitrag von 50 °/o zugesichert bis zum Höchstbetrage von 50,000 Fr.

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02.04.1913

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