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B u nde sblatt 103. Jahrgang

Bern, den 20. September 1951

Band III

Erscheint wöchentlich. Preis US Franken im Jahr, 18 Franken im Haltjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr ", Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum.-- Inserate franko au Stämpfli & Oie, in Bern

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die 33. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Vom 14. September 1951) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wie erstatten Ihnen hiemit Bericht über die 33. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

I. Einleitung 1. Allgemeines und Zusammensetzung der schweizerischen Delegation Die Internationale Arbeitskonferenz hielt ihre 33. Tagung, die vom 7. Juni bis 1. Juli 1950 dauerte, in Genf ab. Daran nahmen 52 Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation mit über 500 Delegierten und technischen Ratgebern teil. Seit der letzten Tagung sind die Republik der Vereinigten Staaten von Indonesien und der Viet-Nam in die Organisation aufgenommen worden, wodurch sich die Gesamtzahl der Mitgliedstaaten auf 62 erhöhte.

Die Westdeutsche Bundesrepublik und Japan entsandten Beobachter, die von Vertretern der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland und des Oberkommandierenden der Alliierten in Japan begleitet waren. An der Eröffnungssitzung beantragten die Vertreter von Polen, der Tschechoslowakei und von Ungarn, die Delegierten von National-China seien von der Konferenz auszuschliessen. Nach der Ablehnung dieses Antrages blieben die Vertreter der drei genannten Staaten den Arbeiten der Konferenz fern.

Zu ihrem Vorsitzenden wählte die Konferenz den Regierungsdelegierten und Arbeitsminister Indiens, Jagjivan Barn.

Die schweizerische Delegation wurde vom Bundesrat gleich wie in den vorhergehenden Jahren folgendennassen bestellt: Regierungsvertreter : Dr.

Bundesblatt. 103. Jahrg. Bd. III.

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William Eappard, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Genf und Direktor des Institut universitaire de hautes études internationales, und Fürsprech Max Kaufmann, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit; Arbeitgebervertreter: Charles Kuntschen (Zentralverband schweizerischer Arbeitgeberorganisationen); Arbeitnehmervertreter: Jean Möri (Schweizerischer Gewerkschaftsbund). Dazu kamen einige technische Berater.

2. Tagesordnung der Konferenz 1. Bericht des Generaldirektors; 2. Finanz- und Budgetfragen; 3. Mitteilungen und Berichte über die Anwendung der Übereinkommen undEmpfehlungen ; 4. Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, einschliesslich der Gesamtarbeitsverträge, des Schlichtungs- und Schiedswesens und der Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeverbänden (erste Beratung); 5. Gleicher Lohn für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit (erste Beratung); 6. Landwirtschaftliche Arbeit: Allgemeiner Bericht; 7. Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen in der Landwirtschaft (erste Beratung) ; 8. Berufliche Ausbildung Erwachsener, einschliesslich der Invaliden (einfache Beratung).

Die Überlastung der Traktandenliste, die wir jedes Jahr feststellen müssen, hat gegen das Ende der Konferenz jeweils eine fühlbare Zeitnot zur Folge, die den oft in allzu grosser Eile gefassten Beschlüssen keineswegs zuträglich ist.

Unsere Vertreter haben nicht verfehlt, an einer Plenarsitzung einmal mehr auf diesen Übelstand hinzuweisen.

u. Verhandlungen und Hauptbeschlüsse der Konferenz 1. Bericht des Generaldirektors

Während der Generaldirektor im letzten Bericht das Hauptgewicht auf das weiterhin bedeutsame Problem der Unterstützung wirtschaftlich rückständiger Länder gelegt hätte, stellte er diesmal die nicht weniger wichtige Frage der Erhöhung des Standes der Lebenshaltung durch Steigerung des Arbeitsertrages in den Vordergrund. Die Aussprache über den Bericht, an der dessen Verfasser wegen Erkrankung nicht teilnehmen konnte, war zu einem guten Teil diesem zentralen Problem und den damit zusammenhängenden Fragen der Vollbeschäftigung und der Arbeitslosigkeit gewidmet. Es beteiligten sich daran 89 Eedner, worunter mehrere Staatsminister, die in ihren Ausführungen darauf hinwiesen, wie notwendig es sei, die Produktivität zu steigern, ran die Wirtschaft zu beleben und ein wahres soziales Gleichgewicht herbei-

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zuführen. Gleichzeitig verbreiteten sich die Redner über eine Eeihe weiterer bei der Durchführung der in ihren Ländern befolgten Sozial- und Wirtschaftspolitik maßgebenden Gesichtspunkte. Diese Aussprache, der ein grosser Teil der Plenarsitzungen gewidmet war, vermittelte wie jedes Jahr einen Überblick über die allgemeine Wirtschaftslage und die Tendenzen der Sozialpolitik in der ganzen Welt.

, 2. Finanz- und Budgetfragen Die Konferenz genehmigte einstimmig das Budget der Internationalen Arbeitsorganisation für das Jahr 1951 in der Höhe von 6 219 506 Dollars und die Verteilung dieses Betrages auf die Mitgliedstaaten. Die Erhöhung des Budgets gegenüber demjenigen des Jahres 1950 im Betrage von 5 983 526 Dollars ist vor allem auf die Vergrösserung des Aufgabenkreises der Internationalen Arbeitsorganisation zurückzuführen. Auf die Schweiz entfällt ein Beitrag von 106567.19 Dollars (1950: 113202.84 Dollars).

3. Mitteilungen und Berichte über die Anwendung der Übereinkommen (Art. 19 und 22 der Verfassung) Die Konferenz prüfte wie jedes Jahr die Berichte der Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung der von ihnen ratifizierten Übereinkommen. Erstmals hatte sie sich auch mit den Berichten der Mitgliedstaaten über den Stand der Gesetzgebung und der Praxis in Fragen zu befassen, welche nicht ratifizierte Übereinkommen und ; Empfehlungen betreffen. Vorher waren die Berichte wie immer eingehend von einer Expertenkommission behandelt worden, deren Aufgabe darin besteht, die Übereinstimmung der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten mit den Normen der von ihnen ratifizierten Übereinkommen und, soweit sie dazu in der Lage ist, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überprüfen.

Das Internationale Arbeitsamt erhielt von 806 fälligen Jahresberichten, die sich auf die Anwendung der insgesamt 55 zu Beginn der Berichtsperiode in Kraft stehenden Konventionen bezogen -- diese Periode umfasste die Zeit vom 1. Oktober 1948 bis zum 30. Juni 1949--, bis zum 30. März 1950 nur 666.

Verschiedene Mitgliedstaaten haben überhaupt keine Berichte eingereicht.

Dieser Übelstand wiederholt sich bedauerlicherweise jedes Jahr und verunmöglicht es der Konferenz, die tatsächliche Einhaltung der Übereinkommen in den betreffenden Ländern nachzuprüfen.

: Wie gross die Arbeit geworden ist, die
jedes Jahr von den zuständigen Kommissionen bewältigt werden muss, ergibt sich daraus, dass im Jahre 1926 nur 181 Berichte über die damals geltenden 16 Übereinkommen fällig waren, wogegen im Jahre 1950 beim Internationalen Arbeitsamt insgesamt 2200 Berichte eingegangen sind, nämlich die Berichte über die Anwendung von 55 Übereinkommen und über die Anwendung dieser Übereinkommen in den über-

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seeischen Gebieten und, zum ersten Mal. die Berichte über die nicht ratifizierten Übereinkommen sowie über die Empfehlungen und über deren Anwendung in den überseeischen Gebieten. Nach wie vor bleibt die Prüfung dieser Berichte eine der wichtigsten Aufgaben der Internationalen Arbeitskonferenz, indem sie die tatsächliche Lage auf sozialem Gebiet in den einzelnen Ländern, die Lücken der nationalen Gesetzgebung und deren mangelnde Übereinstimmung mit den von der Konferenz angenommenen internationalen Vereinbarungen erkennen lässt.

Das internationale Arbeitsgesetzbuch umfasste am Schiusa der Konferenz 98 Übereinkommen und 88 Empfehlungen.

4. Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einschliesslich der Gesamtarbeitsverträge, des Schlichtungs- und Schiedswesens und der Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Arbeitgeber- und Arbeitnehihenerbänden Diese Frage hatte an den Konferenzen von 1948 und 1949 zusammen mit der Frage der Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechts und des Eechts zu Kollektivverhandlungen, über die im Jahre 1949 ein Übereinkommen abgeschlossen worden ist (vgl. BB1 1950 II 854), einen einzigen Verhandlungsgegenstand gebildet. Die Konferenz von 1950 war ebenfalls nicht in der Lage, das Gesamtproblem der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu behandeln. Sie hatte sich zunächst über zwei Entwürfe.zu Empfehlungen über die Gesamtarbeitsverträge einerseits und das Schlichtungs- und Schiedswesen anderseits auszusprechen, die beide verschiedene wichtige Seiten der gleichen Frage betreffen und mit dem Übereinkommen über das Vereinigungsrecht und das Becht zu Kollektivverhandlungen eng zusammenhängen.

Die Konferenz beschloss einstimmig, der Tagung von 1951 den Entwurf zu einer Empfehlung über Begriff, Wirkungen, Geltungsbereich und Auslegung von Gesamtarbeitsverträgen zur abschliessenden Behandlung vorzulegen. An der gleichen Tagung soll auch der Entwurf zu einer Empfehlung über das freiwillige Schlichtungs- und Schiedswesen behandelt werden.

Da es der. Konferenz an Zeit mangelte, die Frage der Musammenarbeit zwischen den Behörden und den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zu behandeln, beschloss sie mit 114 gegen 21, Stimmen bei 14 Enthaltungen, diesen Gegenstand zur ersten Beratung auf die Tagesordnung der nächsten Konferenz zu setzen.

Im gleichen
Zusammenhang fasste die Konferenz zwei Beschlüsse, durch die der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes eingeladen wird, das Amt mit der Prüfung der Massnahmen zum Schutze des Vermögens von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie der nationalen Gesetzgebung und deren Vollzug über die Beendigung von Einzeldienstverträgen zu beauftragen.

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5. Gleicher Lohn jür Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit Bei der Frage des gleichen Lohnes für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit handelt es sich um eine Teilfrage des allgemeinen Lohnproblems, über das der Konferenz von 1948 vom Internationalen Arbeitsamt ein ausführlicher Bericht erstattet worden war. Der vorliegende Gegenstand kam an der 33. Konferenz zur ersten Beratung. Die Aussprache ergab so grosse Meinungsverschiedenheiten, dass nicht einmal eine Einigung darüber erzielt .wurde, ob die Frage in einem Übereinkommen oder in einer Empfehlung zu regeln sei, so dass der Beschluss hierüber der 34. Tagung vorbehalten wurde.

Immerhin hat die Konferenz einer Eeihe von Grundsätzen zugestimmt, nach denen die in Aussicht genommene internationale Regelung gestaltet werden soll.

Mit 117 gegen 0 Stimmen bei 21 Enthaltungen wurde beschlossen, den Gegenstand auf die Tagesordnung der nächsten Konferenz zu setzen. Unsere Delegierten stimmten diesem Beschluss ebenfalls zu, ohne sich in bezug auf die Form und den Inhalt der künftigen Eegelung irgendwie festzulegen.

6. Landivirtschaftliche Arbeit: Allgemeiner Bericht Die Konferenz nahm von einem allgemeinen Bericht über die Fragen der landwirtschaftlichen Arbeit Kenntnis. Es handelte sich darum, abzuklären, welche Teilfragen nacheinander an den kommenden Tagungen behandelt werden sollen.

In einer einstimmig gefassten Resolution wurde beschlossen, zunächst die wichtigen Fragen des Ausbaus der sozialen Sicherheit in der Landwirtschaft, der beruf liehen ; Ausbildung, der Arbeitszeit, der Beschäftigung von Arbeitskräften, der Unfallverhütung und Arbeitshygiene sowie der Lebens- und Arbeitsbedingungen in unterentwickelten Gebieten in Angriff zu nehmen.

Damit wurde jedoch die Reihenfolge der zu behandelnden Teilfragen keineswegs festgelegt, , > !

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7. Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen in der Landwirtschaft

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Die Konferenz nahm die Prüfung einer Teilfrage aus dem Gebiet der landwirtschaftlichen Arbeit auf, der Frage von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen. Es wurde in Aussicht genommen, der internationalen Regelung die Form eines Übereinkommens über die allgemeinen Grundsätze und weiterhin einer Empfehlung zu geben, die das Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen im einzelnen zu behandeln hätte. Die Konferenz beschloss mit 116 gegen 0 Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen, den Gegenstand zur end-!

gültigen Beschlussfassung auf die Tagesordnung der nächsten Konferenz zu setzen. Angesichts der besondern Lage und der verschiedenartigen Verhältnisse der schweizerischen Landwirtschaft könnte unser Land einem derartigen "Übereinkommen nicht beitreten. Unsere Delegierten enthielten sich deshalb der Stimme.

42 8. Berufliche Ausbildung Erwachsener, einschliesslich der Invaliden Der Behandlung dieser Frage an der Konferenz war anfangs 1950 eine vorberatende technische Konferenz in Genf vorausgegangen, an der die Schweiz ebenfalls teilgenommen hat. Der Entwurf der vorberatenden Konferenz wurde mit wenigen Änderungen, die den allgemeinen Aufbau und den Inhalt der Begelung nicht berühren, angenommen. Im endgültigen Text wird eine Reihe von Grundsätzen aufgestellt, auf denen die berufliche Ausbildung beruhen soll und die in unserem Lande schon bisher befolgt worden sind.

Einstimmig bescbloss die Konferenz eine Empfehlung (Nr. 88) betreffend die berufliche Ausbildung der Erwachsenen, einschliesslich der Invaliden.

Wir behandeln diese Empfehlung, deren Wortlaut im Anhang (S. 46) wiedergegeben ist, im nachstehenden Abschnitt III.

9. Sonstige Beschlüsse Ausser den bereits erwähnten Eesolutionen nahm die Konferenz wie jedes Jahr noch eine Eeihe weiterer Eesolutionen an, die nicht im Zusammenhang mit der Tagesordnung standen und die wir hier kurz erwähnen.

In einer Eesolution über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden verschiedene für diesen Zweck .geeignete staatliche Massnahmen empfohlen. In einer andern Eesolution wird der Wunsch ausgesprochen, dass die Internationale Arbeitsorganisation die Schulung der Arbeitnehmer fördere. Ferner stimmte die Konferenz auf Grund einer im Jahre 1948 angenommenen Eesolution der Einsetzung einer internationalen Untersuchungs- und Schlichtungskommission zur Wahrung des Vereinigungsrechts zu. Wegen der immer grösseren Bedeutung der asiatischen Länder und zum Teil auch der Länder Lateinamerikas innerhalb der Internationalen Arbeitsorganisation erwies es sich als notwendig, die Tätigkeit der Organisation durch Abhaltung von Eegionalkonferenzen in diesen Ländern im gewissen Sinne zu dezentralisieren. Die Konferenz erteilte den entsprechenden Bestrebungen ihre Genehmigung.

10. Reglement der Konferenz Die Konferenz nahm an ihrem Eeglement einige geringfügige Änderungen

vor.

m. Die Empfehlung der Konferenz und die Stellungnahme der Schweiz Empfehlung betreffend die berufliche Ausbildung der Erwachsenen, einschliesslich der Invaliden a. V o r b e m e r k u n g Wir erinnern daran, dass die Internationale Arbeitskonferenz bereits an ihrer 25. Tagung im Jahre 1939 eine Empfehlung über die berufliche Ausbildung angenommen hat, die sich hauptsächlich mit den Erwachsenen befasste.

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In der Empfehlung betreffend Regelung des Arbeitsraarktes beim Übergang vom Krieg zum Frieden, die an der 26. Tagung im Jahre 1944 angenommen ·wurde, forderte die Konferenz den Ausbau der beruflichen Schulung der Jugendlichen, der Erwachsenen und der Invaliden. Diese Beschlüsse beweisen, wie sehr diese Frage die Internationale Arbeitsorganisation schon seit Jahren be. schäftigt und welche Bedeutung sie vor allem seit Kriegsende in den meisten Ländern erlangt hat. Es überrascht daher nicht, dass die Konferenz ihre Arbeiten auf diesem Gebiet fortgesetzt und an ihrer 83. Tagung eine neue Empfehlung angenommen hat betreffend die berufliche Ausbildung der Erwachsene^ einschliesslich der Invaliden.

Ì). Inhalt der Empfehlung Im Abschnitt I (Ziff. 1) werden die Begriffe «berufliche Ausbildung» und «ausführendes Personal» umschrieben. Abschnitt II (Ziff. 2-4) stellt die Grundsätze der beruflichen Ausbildung auf, bei deren Studium und Ausgestaltung auf die Lage und die voraussichtliche Entwicklung des Arbeitsmarktes Bedacht genommen werden soll. Zu diesem Zweck ist die Mitwirkung der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer erforderlich. Die berufliche Ausbildung soll auch die Wiedereingliederung der Arbeitslosen erleichtern. Abschnitt III (Ziff. 5-8) umschreibt den Anwendungsbereich der beruflichen Ausbildung. Die berufliche Ausbildung der Erwachsenen soll entweder durch entsprechende Anpassung der für die Jugendlichen bestimmten Ausbildungsmöglichkeiten oder durch die Schaffung neuer besonderer Möglichkeiten oder auf beide Arten erfolgen. Diese Ausbildung hat auch die Personengruppen der aus dem Kriegsdienst Entlassenen und der Kriegsopfer, der Invaliden, der erwachsenen Arbeitslosen, der Erwachsenen, die ihren Beruf zu wechseln wünschen oder dazu gezwungen sind, sowie der Aus- und Einwanderer zu umfassen. Der Zutritt zu den Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung soll auch den Frauen offenstehen. Abschnitt IV (Ziff. 9-25), welcher die Methoden der beruflichen Ausbildung regelt, enthält die wichtigsten Empfehlungen. Die berufliche Auswahl,; die der Ausbildung vorangeht, soll bezwecken, den Beruf zu ermitteln, für den sich der Arbeitnehmer am besten eignet. Die Mitwirkung der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ist auch notwendig für die Aufstellung der Ausbildungspläne für die
einzelnen Berufe. Die Dauer der beruflichen Ausbildung ist unter Berücksichtigung des Grades der beruflichen Befähigung, der mit dem Ende der Ausbildung erreicht werden soll, und der Notwendigkeit, Erwachsene so rasch wie möglich auf eine wertschaffende Tätigkeit vorzubereiten, festzusetzen. Die Ausbildung kann im Betrieb oder ausserhalb des Betriebes erfolgen. Im ersten Fall sollen die Arbeitgeber veranlasst werden, Massnahmen zu treffen, um die Ausbildung der Erwachsenen entsprechend den Bedürfnissen der auszubildenden Personen und in dem mit dem 'Gang der Betriebe technisch zu vereinbarenden Umfang sicherzustellen. Im zweiten Fall soll die zuständige Behörde vor allem veranlassen, dass die berufliche Ausbildung unter Bedingungen vermittelt wird, die den in

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den Betrieben bestehenden Bedingungen möglichst nahekommen. Erwachsene, die kein Arbeitsentgelt beziehen, sollen während der Dauer der Ausbildung von der zuständigen Behörde angemessene Geldleistungen erhalten. Die Empfehlung verlangt ferner, dass die zuständige Behörde unter Mitwirkung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Lehrpläne für die berufliche Ausbildung des Personals in gehobener Stellung und des Aufsichtspersonals ausarbeitet und dass sie die erforderlichen Massnahmen zur Gewinnung und Ausbildung des Lehrpersonals trifft. Die berufliche Ausbildung der Invaliden wird im Abschnitt V (Ziff. 26-34) behandelt. Die Grundsätze der Empfehlung sollen, soweit die medizinischen .und pädagogischen Voraussetzungen dafür, gegeben sind, auf alle Invaliden angewendet werden, denen auch weitere Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen sind. Abschnitt VI (Ziff. 35-40) betrifft die Organisation und Durchführung der beruflichen Ausbildung. Die zuständige Behörde soll gemeinsam mit den beteiligten Berufsverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer die weitere Entwicklung der Tätigkeit von öffentlichen und privater Seite auf dem Gebiet der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen einheitlich ordnen. Zwischen der öffentlichen Arbeitsmarktverwaltung, den Stellen für berufliche Ausbildung und den beteiligten Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer soll eine enge, dauernde Zusammenarbeit bestehen zu dem Zweck namentlich, die in Frage kommenden Erwachsenen auszubilden und sie nach dem Abschluss der Ausbildung in Arbeitsstellen unterzubringen. Beratende Ausschüsse, zusammengesetzt aus Vertretern der beteiligten Behörden und Anstalten, einschliesslich der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, sollen dabei mitwirken. Im letzten Abschnitt (Ziff. 41) werden die Mitgliedstaaten eingeladen, bei Massnahmen zur Förderung der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen, gegebenenfalls mit Hilfe des Internationalen Arbeitsamtes, zusammenzuarbeiten.

c. Stellungnahme der Schweiz In der Schweiz wird die berufliche Ausbildung durch das Bundesgesetz vom 26. Juni 1930 und die zugehörigen Verordnungen I vom 23. Dezember 1932, II vom 11. September 1936 und III vom 14. Februar 1951 geregelt.

Methoden, Organisation und Ziel der beruflichen Ausbildung entsprechen nach der
schweizerischen Gesetzgebung in vollem Umfang den Anforderungen der Empfehlungen von 1939 und 1950. Die berufliche Ausbildung der Erwachsenen spielt eine weniger grosse Eolle als in gewissen andern Ländern, ,in denen die Grundlage dieser Ausbildung, nämlich die Lehrlingsausbildung, entweder fehlt oder ungenügend ist. Selbst während der Krisenjahre hat sich unsere Verordnung vom 28. Mai 1940 über Massnahmen zur Eegulierung des Arbeitsmarktes und zur beruflichen Förderung von Arbeitslosen sehr gut bewährt.

Die Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes bieten alle Gewähr für einen wirksamen Ausbau der beruflichen Ausbildung in unserem Lande und tragen den Grundsätzen der Empfehlung von 1950 vollkommen Eechnung. Im übrigen

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obliegt der Vollzug dés Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 den Kantonen.

Wir können nach allem von neuen Massnahmen zur Verwirklichung der Empfehlung Umgang nehmen.

IV. Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Artikel 19, Absätze 5 und 6, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation Nach Artikel 19, Absätze 5 und 6, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die von der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellten Übereinkommen und Empfehlungen ein Jahr oder keinesfalls später als 18 Monate nach Schluss der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Behörde zu unterbreiten. Durch den vorliegenden Bericht erfüllen wir wie immer diese Verpflichtung. Wenn wir auch diesmal von der verlängerten Frist von 18 Monaten Gebrauch gemacht haben, so geschah dies deshalb, weil die vom Internationalen Arbeitsamt besorgte offizielle deutsche Übersetzung der Empfehlung betreffend die berufliche Ausbildung der Erwachsenen, einschliesslich der Invaliden, erst vor kurzem fertiggestellt werden konnte.

Wir empfehlen Ihnen, unsern .Ausführungen zuzustimmen, und versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 14. September 1951.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Ed. von Steiger 313

Der Bundeskanzler : Leimgruber

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Dreiunddreissigste Tagung der

Internationalen Arbeitskonferenz (Geni, 7. Juni bis 1. Juli 1950)

Empfehlung Der nachstellend abgedruckte deutsche Text bildet die in Übereinstimmung mit Artikel 42 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz, angefertigte offizielle Übersetzung des französischen und englischen Urtextes.

Empfehlung (Nr. 88) betreffend die berufliche Ausbildung der Erwachsenen einschliesslich der Invaliden Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen ·wurde und am 7. Juni 1950 zu ihrer dreiunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat festgestellt, dass die Konferenz bereits Bestimmungen betreffend die Frage der beruflichen Ausbildung sowohl in allgemeiner Hinsicht als auch von bestimmten besonderen Gesichtspunkten aus angenommen hat.

Sie hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen, betreffend die berufliche Ausbildung der Erwachsenen einschliesslich der Invaliden, eine Frage, die den neunten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 30. Juni 1950, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend .die berufliche Ausbildung (Erwachsene), 1950, bezeichnet wird.

I. Begriffsbestimmungen 1. In dieser Empfehlung gelten folgende Begriffsbestimmungen: a. Der Ausdruck «berufliche Ausbildung» bezeichnet alle Formen der Ausbildung, die im Hinblick auf eine Beschäftigung erfolgt und die den Erwerb oder die Erweiterung technischer oder beruflicher oder für Personal in gehobener Stellung und Aufsichtspersonal erforderlicher Kenntnisse

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und Fähigkeiten ermöglicht, gleichviel ob diese Ausbildung innerhalb oder ausserhalb eines Betriebes stattfindet, einschliesslich der beruflichen Nach- oder Umschulung.

b. Der Ausdruck «ausführendes Personal» umfasst alle Personen, die in irgendeinem Wirtschaftszweig beschäftigt oder in der Ausbildung im Hinblick auf eine solche Beschäftigung begriffen sind, unter Ausschluss von Personal in gehobener Stellung, Aufsichtspersonal oder leitendem Personal.

; II. Grundsätze der beruflichen Ausbildung

2. (1) Bei dem Studium, dem Aufbau und der weiteren Ausgestaltung der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen sollte; auf die Lage und die voraussichtliche Entwicklung des Arbeitsmarktes, die Bestrebungen zur Verbesserung oder Steigerung der Gütererzeugung und die Möglichkeiten der Unterbringung der Praktikanten in geeigneten Beschäftigungen Bedacht genommen werden.

(2) Das Studium, der Aufbau und die weitere Ausgestaltung der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen sollte unter Mitwirkung der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer erfolgen, vorausgesetzt, dass solche bestehen und sich geeignete Vereinbarungen über eine Zusammenarbeit treffen lassen.

.3. Die berufliche Ausbildung sollte soweit wie möglich den Erwachsenen die Grundkenntnisse vermitteln, deren sie im Hinblick auf den zu erlernenden Beruf und den Wirtschaftszweig, dem sie sich zuwenden: wollen, bedürfen, namentlich zu dem Zweck, ihnen den beruflichen Aufstieg zu erleichtern.

4. Die berufliche Ausbildung arbeitsloser Erwachsener sollte nicht als Ersatz von Einrichtungen der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge verwendet werden, sondern als Mittel zur Erleichterung der Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsprozess, sofern sie einer Ausbildung bedürfen, um eine angemessene Beschäftigung zu finden. .

: III. Anwendungsbereich der beruflichen Ausbildung

5. (1) Soweit es irgendwie angeht, sollten den Erwachsenen geeignete Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung zur Verfügung gestellt werden, entweder durch Anpassung der für die Jugendlichen bestimmten Ausbildungsmöglichkeiten oder durch die Schaffung besonderer Möglichkeiten oder auf beide Arten.

(2) Diese Möglichkeiten sollten nach den in dieser Empfehlung dargelegten Grundsätzen und Methoden geschaffen werden, wobei die in den einzelnen Ländern bestehenden Verhältnisse, die Bedürfnisse der verschiedenen Wirtschaftszweige und die Belange der Arbeitnehmer gebührend zu berücksichtigen sind.

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(8) Diese Möglichkeiten sollten so weit ausgebaut sein, dass sie geeignete Vorkehrungen für die Erstausbildung, die Auffrischung und Ergänzung des Gelernten sowie die für den beruflichen Aufstieg notwendige Vervollkommnung umfassen.

(4) Diese Möglichkeiten sollten insbesondere zweckdienliche Massnahmen zur beruflichen Ausbildung folgender Personengruppen umfassen: a. aus dem Kriegsdienst Entlassene und Kriegsopfer, die einer Ausbildung bedürfen, um eine angemessene Beschäftigung zu finden; fe. Invalide, die einer Ausbildung bedürfen, um eine angemessene Beschäftigung zu finden; c. arbeitslose Erwachsene, die wenig Aussicht haben, in ihrem eigenen Beruf wieder unterzukommen, oder die dazu einer beruflichen Ausbildung bedürfen; d. Erwachsene, die einen Beruf zu erlernen wünschen, in dem dauernder Mangel an Arbeitskräften herrscht; e. Arbeitnehmer, die infolge technischer Fortschritte in ihrem Beruf entbehrlich geworden sind; /. Erwachsene, die Berufen mit einem Überschuss an Arbeitskräften angehören und sich für eine Beschäftigung in anderen Berufen vorzubereiten wünschen; g. Erwachsene, die auf Grund staatlich geförderter Wanderungsaktionen auszuwandern beabsichtigen und zur Anpassung ihrer beruflichen Kenntnisse an die Beschäftigungslage im Einwanderungsland einer Ausbildung bedürfen; h. als Arbeitnehmer zugelassene Einwanderer, die zur Anpassung ihrer beruflichen Kenntnisse an die Beschäftigungslage im Einwanderungsland einer Ausbildung bedürfen.

6. Der Vortritt bei der Zulassung zu den ausserhalb des Betriebes bestehenden Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung für Erwachsene sollte soweit erforderlich den Interessen der Allgemeinheit entsprechend geregelt werden.

7. Dem ausführenden Personal ebenso wie dem Personal in gehobener Stellung und dem Aufsichtspersonal sollten geeignete Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung zur Verfügung gestellt werden.

8. Der Zutritt zu den Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung für Erwachsene sollte Frauen und Männern in gleicher Weise offenstehen.

IV. Methoden der beruflichen Ausbildung Ausbildung des ausführenden Personals 9. (1) Der Zulassung zur Ausbildung sollte eine berufliche Auswahl vorangehen.

49 (2) Diese Auswahl sollte darauf abzielen, den Beruf zu ermitteln, für den sich der Arbeitnehmer am besten eignet; sie sollte ferner, je nach den Bedürfnissen des Einzelfalles und unter den für den betreffenden Arbeitnehmer gebotenen Sicherungen, eine Untersuchung seiner körperlichen und geistigen Eignung und seiner beruflichen Erfahrungen, Fähigkeiten und Neigungen umfassen.

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,: 10. Die Ausbildungspläne für die einzelnen Berufe sollten in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, wo solche bestehen, auf Grund einer planmässigen Untersuchung der Arbeitsvorgänge in dem betreffenden Beruf, der erforderlichen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten und der für den Beruf in Frage kommenden Sicherheitsmassnahmen aufgestellt werden.

' 11. Die Dauer der beruflichen Ausbildung sollte festgesetzt werden unter Berücksichtigung : a. des Grades der beruflichen Befähigung, der mit dem Ende der Ausbildung erreicht werden soll, oder o. der Notwendigkeit, Erwachsene so rasch wie möglich auf eine wertschaffende Tätigkeit vorzubereiten, oder c. des einen wie des anderen dieser beiden Gesichtspunkte.

12. Da eine planmässige Überwachung der Praktikanten für eine wirksame berufliche Ausbildung von hoher Bedeutung ist, sollte durch geeignete Massnahmen eine solche Überwachung sichergestellt werden.

Ausbildung im Betriebe 13. (1) Die Arbeitgeber sollten veranlasst werden, einzeln oder gemeinsam Massnahmen zu treffen, um die Ausbildung der Erwachsenen entsprechend ihren eigenen Bedürfnissen und in dem Umfang sicherzustellen, der mit dem technischen Gang der Betriebe vereinbar ist.

(2) Die in Unterabsatz l genannte Ausbildung sollte linsbesondere vermittelt werden a. während der Arbeit, b. an der Arbeitsstätte, aber ausserhalb der Arbeit, c. in Sonderwerkstätten, : d. ausserhalb der Arbeitsstätte oder der Werkstatt, wenn die Ausbildung dadurch erleichtert wird, oder e. durch eine Verbindung dieser verschiedenen Methoden, entsprechend der Art und dem Ziel der Ausbildung und den technischen Möglichkeiten des Betriebes.

14. Wird die berufliche Ausbildung während der Arbeit vermittelt, so sollten

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a. die den Praktikanten übertragenen Betriebsarbeiten auch wirklich ihrer Ausbildung dienen und 6. die Praktikanten Aufsichtspersonen oder gelernten Arbeitern unterstellt werden, die zur Vermittlung einer solchen Ausbildung fähig sind.

15. Wird die berufliche Ausbildung nicht 'während der Arbeit vermittelt, so sollte sie, nach Abschluss der erforderlichen ersten Anleitung, unter Bedingungen vonstatten gehen, die den normalen Beschäftigungsbedingungen möglichst nahekommen und nach Möglichkeit zum Produktionsprozess gehörige Arbeiten oder Arbeiten der gleichen Art umfassen.

16. (1) Kann die theoretische Unterweisung, die zum Erwerb der für.die Ausübung des Berufes erforderlichen beruflichen Fähigkeiten notwendig ist, nicht im Betrieb erteilt werden, so sollte den Praktikanten Gelegenheit geboten werden, diese Unterweisung ohne Lohneinbusse ausserhalb des Betriebes zu empfangen.

(2) In diesem Fall sollten der Betrieb und die Anstalt, welche die Unterweisung erteilen, eng zusammenarbeiten.

17. Den in der Ausbildung begriffenen erwachsenen Arbeitnehmern sollte nach Massgabe näherer im Wege der Gesetzgebung, eines Gesamtarbeitsvertrages oder einer Sonderregelung des betreffenden Betriebes erlassener Vorschriften ein angemessenes Arbeitsentgelt gewährt werden.

Ausbildung ausserhalb des Betriebes 18. (1) Wird den Bedürfnissen nach beruflicher Ausbildung nicht in den Betrieben entsprochen, so sollte die zuständige Behörde die nötigen Massnahmen treffen, damit anderwärts Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden.

(2) In diesem Fall sollte die berufliche Ausbildung a. unter Bedingungen vermittelt werden, die den in den Betrieben bestehenden Bedingungen möglichst nahekommen; 6. soweit dies den Erfordernissen der Ausbildung entspricht, zum Produktionsprozess gehörige Arbeiten oder Arbeiten ähnlicher Art umfassen,.

wobei jedoch ein für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer unannehmbarer Wettbewerb wirksam zu verhüten wäre.

(3) Zwecks Anpassung der Methoden und des Lehrstoffes der beruflichen Ausbildung an die Bedürfnisse der Wirtschaft und die Entwicklung der Technik sollte eine enge Zusammenarbeit zwischen den Ausbildungszentren oder anderen Anstalten, den beteiligten Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und den für die Beschäftigung der Praktikanten in Frage kommenden Betrieben hergestellt
werden.

(4) Die, berufliche Ausbildung sollte den Praktikanten ermöglichen, das für die Arbeit erforderliche Mindestmass an Schnelligkeit und Geschicklichkeit zu erwerben; ein der praktischen Einarbeitung gewidmeter Zeitabschnitt, in

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dem die Praktikanten Gelegenheit haben, sich die normale Schnelligkeit und Geschicklichkeit bei der Arbeit anzueignen, sollte in der Ausbildung Inbegriffen sein oder ihr folgen.

19. (1) Wird die berufliche Ausbildung von der zuständigen Behörde oder mit ihrer Zustimmung vermittelt, so sollten Erwachsene, die kein Arbeitsentgelt beziehen, während der Dauer dieser Ausbildung von;der zuständigen Behörde angemessene Geldleistungen erhalten, berechnet unter gebührender Berücksichtigung a. von Arbeitslosenunterstützungen oder sonstigen Geldleistungen, die sie etwa beziehen; '&. sonstiger Umstände, wie Alter, Unterhaltspflichten, Kosten der Lebenshaltung in den betreffenden Gegenden und persönlicher Sonderaufwendungen, die durch die Ausbildung verursacht werden, wie Eeiseund Unterkunftskosten; c. der Notwendigkeit, die Erwachsenen anzuspornen, sich einer beruflichen Ausbildung entsprechend den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes zu unterziehen und diese Ausbildung abzuschliessen.

(2) In befücksichtigenswerten Fällen sollten Erwachsene, die, ohne einer finanziellen Unterstützung zu bedürfen, eine berufliche Ausbildung zu empfangen wünschen, zu einer solchen Ausbildung zugelassen werden.

Berufliche Ausbildung des Personals in gehobener Stellung und des Aufsichtspersonals 20. Die zuständige Behörde sollte unter Mitwirkung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer durch zweckdienliche und wünschenswerte Massnahmen den Ausbau möglichst wirksamer Methoden der beruflichen Ausbildung fördern.

21. Die öffentliche und die private Tätigkeit auf dem Gebiet der beruflichen Ausbildung d.es Personals in gehobener Stellung und des Aufsichtspersonals sollten eng koordiniert werden.

22. Lehrpläne für die berufliche Ausbildung des Personals in gehobener Stellung und des Aufsichtspersonals sollten auf der Grundlage einer planmässigen Untersuchung der Aufgaben dieser Personengruppen ausgearbeitet werden.

23. (1) Denjenigen Personen, die Posten dieser Art bekleiden oder zu bekleiden berufen sind, sollte Gelegenheit geboten werden, eine berufliche Ausbildung zu empfangen, die sich insbesondere erstrecken sollte auf a. die Arbeitsverfahren, ' 6. die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden menschlichen Beziehungen, c. die Koordinierung auf den verschiedenen Betriebsstufen, ·'d. die Unterrichtsmethoden, e. die Vorbereitung zur Übernahme verantwortungsvoller Posten, die ein gegenseitiges Vertrauen in beruflichen Angelegenheiten voraussetzen.

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(2) Diese berufliche Ausbildung sollte hauptsächlich durch Anwendung einzelner oder sämtlicher nachstehend angeführter Mittel sichergestellt werden : a. Diskussiohsgruppen mit Vorführung und Untersuchung bestimmter Einzelfälle, b. Ausbildung bei der Arbeit, c. Vorträge, d. schulmässige Lehrgänge.

(3) Diese berufliche Ausbildung sollte insbesondere durch die nachstehenden Vorkehrungen oder einzelne dieser Vorkehrungen ausgestaltet und ausgebaut werden: a. Sonderkurse in Fach- und Hochschulen, .

6. Anstalten, die eigens diese Ausbildung zu vermitteln haben, o. sachdienliche Ausbildung in den Betrieben, ' .

d. Verfahren zur Beschleunigung der Ausbildung.

Gewinnung und Ausbildung des Lehrpersonals 24. (1) Die zuständige Behörde sollte unter Mitwirkung der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie aller übrigen beteiligten Stellen alle erforderlichen Massnahmen treffen zur Festsetzung von Mindestnormen für die Eignung der in öffentlichen oder privaten Fachzentren oder Fachanstalten mit der beruflichen Ausbildung Erwachsener betrauten Personen.

(2) Diese Normen sollten sich hauptsächlich erstrecken auf a. den Grad der Fachkenntnisse und der Allgemeinbildung, fr. die praktische Erfahrung in dem den Gegenstand des Unterrichts bildenden Beruf, c. das Alter, d. die persönliche Eignung zur beruflichen Ausbildung Erwachsener.

(3) Die zuständige Behörde sollte die Anwendung dieser Normen in den von den Trägern der öffentlichen Gewalt errichteten, beaufsichtigten oder durch Zuschüsse geförderten Zentren und Anstalten für berufliche Ausbildung überwachen und deren Anwendung in allen anderen Zentren und Anstalten empfehlen.

25. (1) Das mit der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen betraute Lehrpersonal sollte zur Vervollkommnung seiner technischen und pädagogischen Fähigkeiten eine Sonderausbildung empfangen, die eine theoretische und technische Unterweisung sowie auch eine,Unterweisung in den menschlichen Beziehungen zum Gegenstand hat.

(2) Diese Ausbildung sollte nach Bedarf insbesondere umfassen a. eine Grundausbildung, o. Wiederholungs- und Fortbildungskurse, c. in regelmässigen Zeitabständen praktische Arbeit im Betrieb.

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(8) Die zuständige Behörde sollte durch zweckdienliche Massnahmen diese Ausbildung fördern1 und ausbauen.

V. Berufliche Ausbildung der Invaliden 26. Die in dieser Empfehlung dargelegten Grundsätze, Massnahmen und Methoden der beruflichen Ausbildung sollten, soweit die medizinischen und pädagogischen Voraussetzungen dafür gegeben sind, auf alle Invaliden angewendet werden.

, ; 27. (1) Es sollte dafür gesorgt werden, dass die invaliden Erwachsenen Zutritt zu zweckdienlichen und geeigneten Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung haben.

(2) Die Invaliden sollten, ohne Bücksicht auf Art und Ursache ihrer Invalidität und auf ihr Alter, Zutritt zu diesen Möglichkeiten haben, soweit zweckentsprechende Ausbildungs- und Beschäftigungsgelegenheiten bestehen.

28. (1) Die berufliche Ausbildung der Invaliden sollte die in Präge kommenden Personen soweit wie möglich in die Lage versetzen, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, die ihnen im Bahmen der Beschäftigungsaussichten Gelegenheit bietet, von ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten Gebrauch : zu machen.

. . .

(2) Zu diesem Zweck sollte die Ausbildung a. mit einer Arbeitsvermittlung koordiniert werden, welche nach ärztlichem Befund ausgewählte Personen in Beschäftigungen unterbringt, die mit der Art ihres Gebrechens vereinbar sind und in denen dieses Gebrechen die Ausführung der Arbeit möglichst wenig behindert: b. soweit wie möglich in dem von dem Invaliden früher ausgeübten Beruf oder in einem verwandten Beruf vermittelt werden; c. fortgesetzt werden, bis der Invalide fähig ist, normalerweise unter den gleichen Bedingungen wie körperlich unbehinderte Arbeitnehmer zu arbeiten, wenn er dazu imstande ist.

i 29. (1) Der beruflichen Ausbildung der Invaliden sollten erforderlichenfalls zweckdienliche Massnahmen zu ihrer körperlichen Umstellung und der Wiedergewöhnung an den Gebrauch ihrer Kräfte vorausgehen.

: (2) Diese Massnahmen sollten die Möglichkeit schaffen, die spätere berufliche Ausbildung der betreffenden Invaliden zu erleichtern, und sollten nach Bedarf die Versorgung mit künstlichen Gliedern und Ersatzteilen, psychotherapeutische Behandlung, Physiothérapie und Therapie durch Arbeit umfassen.

(3) Soweit die Voraussetzungen dazu gegeben sind, sollte die berufliche Ausbildung der Invaliden bereits während ihrer körperlichen Umstellung
und der Wiedergewöhnung an den Gebrauch ihrer Kräfte einsetzen.

80. Soweit die Voraussetzungen dazu gegeben sind, sollten die Invaliden !

während ihrer Ausbildung ärztlicher Überwachung unterstehen.

Bundesblatt. 103. Jahrg. Bd. III.

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31. Die Invaliden sollten nach Möglichkeit gemeinsam mit körperlich unbehinderten Arbeitnehmern und unter denselben Bedingungen wie diese ausgebildet werden.

32. Soweit Invalide infolge der Art ihres Gebrechens nicht gemeinsam mit körperlich unbehinderten Arbeitnehmern ausgebildet werden, können, sollten für die berufliche Ausbildung solcher Invaliden besondere Möglichkeiten geschaffen und ausgebaut werden.

83. Die Arbeitgeber sollten angespornt werden, für die berufliche Aus-, bildung der Invaliden zu sorgen; diese Massnahmen sollten, je nach den Umständen, Beihilfen finanzieller, technischer, medizinischer oder beruflicher Art umfassen.

34. Die allgemeine Planung der beruflichen Ausbildung der Invaliden sollte auf der Grundlage eines engen Zusammenwirkens zwischen den verschiedenen Organen, die sich mit der körperlichen Umstellung der Invaliden und der Wiedergewöhnung an den Gebrauch ihrer Kräfte sowie mit der sozialen Sicherheit, der Berufsberatung, der Ausbildung und der Beschäftigung der Invaliden befassen, und in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entworfen und durchgeführt werden.

VI. Organisation und Durchführung 35. (1) Von der zuständigen Behörde oder auf ihr Betreiben sollten in Zusammenarbeit mit den die beteiligten Wirtschaftszweige vertretenden Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zweckdienliche und koordinierte Lehrpläne für die berufliche Ausbildung der Erwachsenen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des betreffenden Landes oder einzelner Gebiete oder Orte ausgearbeitet, ausgebaut und regelmässig überprüft werden.

(2) Die Lehrpläne für Erwachsene sollten mit den übrigen für den allgemeinen Lehrplan der beruflichen Ausbildung geltenden Gesichtspunkten in Einklang gebracht werden.

36. (1) Die zuständige Behörde sollte in Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit den beteiligten Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer alle Massnahmen ergreifen, die notwendig und wünschenswert sind, um die öffentliche und die private Tätigkeit auf dem Gebiet der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen in ihrer weiteren Entwicklung zu fördern und zu koordinieren.

(2) Diese Massnahmen sollten je nach den Umständen. bezwecken a. die Ermittlung des Umfangs und der Art der bestehenden Bedürfnisse nach beruflicher Ausbildung sowie
der dafür vorhandenen Möglichkeiten, 6. die Ausarbeitung von Normen bezüglich der Bedingungen und der Methoden der beruflichen Ausbildung, c. die Aufstellung von Schulungsplänen für die verschiedenen Wirtschaftszweige und Berufe,

55 ,d. die technische Unterstützung der die berufliche Ausbildung vermittelnden Verbände und Betriebe, e. die finanzielle Unterstützung dieser Verbände und Betriebe.

37. (1) Die Zuständigkeit der Behörden in Fragen der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen sollte klar umschrieben sein.

(2) Mit dieser Zuständigkeit sollten betraut werden a. entweder eine einzige Behörde, oder o. mehrere Behörden, deren Aufgabenkreis eng zu koordinieren wäre.

38. Zwischen der öffentlichen Arbeitsmarktverwaltung, den Stellen für berufliche Ausbildung und den beteiligten Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sollte eine enge, dauernde Zusammenarbeit bestehen namentlich zu dem Zweck, die für eine berufliche Ausbildung in Frage kommenden Erwachsenen einer solchen Ausbildung zuzuführen und sie nach deren Abscbluss in Arbeitsstellen unterzubringen.

39. (1) Der Ausbau der beruflichen Ausbildung sollte unter Mitwirkung beratender Ausschüsse erfolgen, die nach Bedarf auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestellt werden und Vertreter der beteiligten Behörden und Anstalten, einschliesslich der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, umfassen sollten.

(2) Diese Ausschüsse sollten insbesondere zu Eate gezogen werden : a. auf nationaler Ebene hinsichtlich der grundsätzlichen Gestaltung der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen und hinsichtlich der Lehrpläne, i>. auf regionaler und örtlicher Ebene hinsichtlich der Anwendung der auf nationaler Ebene getroffenen Massnahmen und ihrer Anpassung an die Bedürfnisse einzelner Landesteile und Orte sowie hinsichtlich der Koordinierung der in den einzelnen Landesteilen und Orten entfalteten Tätigkeit.

40. (1) Die zuständige Behörde sollte die Bestellung beratender beruflicher Ausschüsse fördern mit der Aufgabe, bei der Durchführung der für die berufliche Ausbildung der Erwachsenen getroffenen Massnahmen in dem von ihnen vertretenen Wirtschaftszweig mitzuwirken.

(2) Es sollten Massnahmen getroffen werden, um .die Beteiligung der Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer an der Durchführung der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen sicherzustellen, zum Beispiel durch Beiziehung ihrer Vertreter in ausführender oder beratender Eigenschaft zu den mit der Leitung der Anstalten oder Zentren für die berufliche Ausbildung der Erwachsenen oder
deren technischen Überwachung betrauten Organen.

(3) Die zuständige Behörde sollte die Arbeitgeber anspornen, bei der Durchführung der Lehrpläne in ihren Unternehmungen mit den Vertretern der in den betreffenden Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten.

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Vu. Internationale Znsammenarbeit in Fragen der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen 41. (1) Die Mitgliedstaaten sollten, soweit dies notwendig und möglich ist, bei Massnahmen zur Förderung der beruflichen Ausbildung der Erwachsenen, gegebenenfalls mit Hilfe des Internationalen Arbeitsamtes, zusammenarbeiten.

(2) Zu einer solchen Zusammenarbeit sollte beispielsweise gehören eine von den beteiligten Staaten in gegenseitigem Einvernehmen zu beschliessende Aktion zur Förderung der beruflichen Ausbildung im Wege a. tder Bereitstellung von Ausbildungsmöglichkeiten in einem Land für eine ausgewählte Gruppe von Arbeitnehmern aus einem anderen Land, sofern diese Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit haben, sich die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen in ihrer Heimat anzueignen, &. der leihweisen Abtretung erfahrener Lehrkräfte durch ein Land an ein anderes Land zu dem Zweck, diesem die Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten zu erleichtern, c. der Herstellung und Lieferung von Lehrbüchern und anderen der beruf^ liehen Ausbildung dienenden Behelfen, · ;, d. des Austausches gelernter Arbeitskräfte, · e. des planmässigen Austausches von Auskünften über Prägen der beruflichen Ausbildung,

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 33. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Vom 14. September 1951)

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1951

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20.09.1951

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