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Schweizerisches Bundesblatt.

65. Jahrgang.

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19. November 1913.

Band V.

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Bericht des

Bundesrates au die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1913).

(Vom

14. November 1913.)

Tit.

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen : 1. Josef Maillard, geb. 1856, gewesener Postablagehalter in Le Péca, Freibergen, Kanton Bern.

(Fälschung von Bundesakten, Urkundenfälschung, Unterschlagung und Amtspflichtverletzung.)

Die Assisenkammer des Kantons Bern, Bezirk V, verurteilte Josef Maillard am 2. Februar 1912 wegen Fälschung einer Bundesakte, Urkundenfälschung, wissentlich widerrechtlichem Gebrauch gefälschter Privaturkunden, Unterschlagung und Amtspflichtverletzung zu zwei Jahren acht Monaten Zuchthaus, abzüglich zwei Monate Untersuchungshaft, und zu Fr. 468. 85 Staatskosten.

Maillard war bereits im Jahre 1906, als ein Pli von Le Péca nach Neuchâtel, das Fr. 600 in Banknoten enthalten sollte und bei seiner Eröffnung nur noch eine Fr. 50-Banknote aufwies, in Verdacht gezogen worden und stand seit 1909, anlässlich verschiedener zweifelhafter Vorkommnisse, die ihm zur Last geschrieben wurden, unter besonderer Aufsicht der Postverwaltung.

Bei einer Revision des Postamtes Le Péca am 27. September 1910 entdeckte der Inspektionsbeamte, dass der Betrag eines Bundesblatt. 65. Jahrg. Bd. V.

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Postmandates von Fr. 657 bloss mit Fr. 157 in die Registerbogen eingetragen war, und dass der Mandatkarton mit der Unterschrift Lina Borne quittiert war. Die angehobene Untersuchung ergab, dass die Unterschrift der Lina Borne gefälscht war, dass sich zwar der Differenzbetrag von Fr. 500 in der Postkasse noch vorfand, dagegen die Fr. 157 vom Posthalter an den Adressaten nicht avisbezahlt und unterschlagen worden waren. Maillard flüchtete sich in der auf den Inspektionstag folgenden Nacht samt Frau und Kind ins Ausland.

Eine eingehendere Prüfung der Rechnungsführung der Postablage Péca ergab im weitern, dass Maillard am 22. September 1910 auch den Betrag eines Einzugsmandates mit Fr. 138 eingezogen und zu persönlichen Zwecken verwendet hatte. Um diese Veruntreuungen zu verdecken, verfälschte Maillard die bezüglichen Register in dem Sinne, als ob das Einzugsmandat am 25. September 1910 vermittelst eingeschriebenem Brief zurückgesandt worden wäre. In dem durch das Untersuchungsrichteramt Saignelégier geführten Strafverfahren gab Maillard diese beiden Fälschungen zu und im weitern auch, dass er auf zwei Wechseln auf die Volksbank Saignelégier, im Betrage von Fr. 1000 und Fr. 600, die Unterschrift seiner Brüder Jules, Léon und Eugene als Burgen gefälscht habe. Eine weitere B'älschuog der Unterschrift eines Bürgen Maître auf einer Schuldanerkennung von Fr. 2000 auf die Ersparniskasse Saignelégier, die durch die gerichtliche Expertise als- unächt erwiesen wurde, und von der Maillard behauptete, dass sie in seiner Gegenwart beigesetzt worden sei, leugnete er entschieden ab, und sie wurde vom Gerichtshof ihm gegenüber auch nicht als erwiesen angenommen.

Maillard wurde am 3. Juli 1911 in La Côte, Bezirk Lure, Haute-Saône, wo er bei Bekannten als gewöhnlicher Handlanger arbeitete, auf Ansuchen der zuständigen Schwcizerbehörden verhaftet, ausgeliefert und blieb bis zum 2. Februar 1912 in Untersuchungshaft. Gegenwärtig verbüsst er seine Freiheitsstrafe, die Anfang August 1914 zu Ende geht, in Witzwil.

Seine mit drei unmündigen Kindern in Pruntrut lebende Ehefrau ersucht um Erlaas des Restes der Strafe für ihren Ehemann, da sie in sehr küm merlichjen Verhältnissen als Tagló'hnerin lebe und nur mit Hülfe einer geringen öffentlichen Unterstützung ihr Auskommen finde. Die Stütze ihres Mannes sei ihr unbedingt
notwendig. Maillard schliesst sich diesem Gesuche an.

Die Direktion der Strafanstalt schildert ihn als fleissigen, ruhigen Menschen, und empfiehlt ihn zu einem teilweisen Straferlass. Maillard steht bereits in vorgerücktem Alter und besitzt eine schwächliche Konstitution. Zu seinen Vergehen wurde er

durch seine finanziell prekäre Lage und durch eingegangene Bürgschaftsverpflichtungen verleitet.

Es empfiehlt sich, seinem Gesuche durch Begnadigung auf den Zeitpunkt zu entsprechen, da er zwei Dritteile der Freiheitsstrafe erstanden hat.

A n t r a g : Es sei dem Maillard der letzte Drittel der ihm auferlegten Zuchthausstrafe in Gnaden zu erlassen.

2. Ulrich Zürcher, geb. 1893, Karrer in der Blaumatt bei Heimiswil, Kanton Bern.

(Übertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz.)

Ulrich Zürcher wurde Sonntag den 1. Juni 1913 in der den Polizeiorganen als Wilderergebiet bekannten Gegend der Blaumatt bei Heimiswil im Walde mit einer neuen Einläuferflinte betroffen.

Vor dem Polizeirichter von Burgdorf erklärte Zürcher bei seiner Einvernahme, er habe Krähen schiessen wollen. Der Richter verurteilte ihn sodann am 10. Juni 1913 wegen zugestandener Übertretung des Verbotes der Sonntagsjagd während zwei Sonntagen und infolge der Klagen wegen Wilderei zu Fr. 100 Geldbusse und Fr. 3. 70 Staatskosten, welches Urteil Zürcher anerkannte.

Er ersucht nun um Erlass der Strafe, da der Gemeinderat von Heimiswil im Mai 1913 Absehussgelder für das Töten schädlicher Vögel (Krähen, Elstern etc.) publiziert, er zudem von seinem Meister Auftrag zum Abschiessen von Krähen erhalten habe, und da das Verbot der Sonntagsjagd ihm nicht bekannt gewesen sei.

Er lebe in ganz ärmlichen Verhältnissen, was durch ein Zeugnis des Einwohnergemeinderates bestätigt wird, und er müsste die Strafe mit Gefängnis abverdienen, was in keinem Verhältnisse zu der begangenen Übertretung stehe.

Die Strafbarkeit der Sonntagsjagd wurde durch eine behördliche Publikation, in welcher auf das Abschiessen schädlicher Tiere Prämien ausgesetzt sind, selbstredend nicht aufgehoben.

Auch kann das Zeugnis des Meisters mit dem Auftrag zum Abschiessen von Krähen, weil sehr wahrscheinlich erst nach der Ausfällung des Urteils aus Erkenntlichkeit ausgestellt worden, nicht mehr berücksichtigt werden. Es ist auch nicht festgestellt, dass Zürcher nur Krähen gejagt habe, und die nachgewiesene Wiederholung des Deliktes rechtfertigt durchaus die Höhe der ausgesprochenen Strafe.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Ulrich Zürcher abzuweisen.

3. Ferdinand Burri, geb. 1884, Landwirt, Friedrich Rothen, geb. 1874, Landwirt, Johann Marti, geb. 1877, Remonteur, alle in Leuzigen.

(Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz.)

Die Obgenannten wurden vom Polizeirichter von Buren unterm 23./30. Juli 1913 verurteilt: Burri zu Fr. 60 Busse und Fr. 5. 40 Kosten, Rothen zu Fr. 10 Busse und Fr. 3. 40 Kosten, Marti zu Fr. 10 Busse und Fr. 3/40 Kosten, weil der erstere an einem Sonntag, die beiden letztern an einem Werktag im Laufe des Monats Juli Staren geschossen haben.

Nunmehr ersuchen sie um Erlass der Strafen, indem sie geltend machen, dass sie, wie es in andern Gemeinden auch geschehen sei, aus Notwehr gehandelt hätten, weil die Vögel der im laufenden Jahre ohnehin geringen Kirschenernte erheblichen Schaden zugefügt hätten. Die Kosten sind von den Gesuchstellern bezahlt worden.

In der gerichtlichen Einvernahme bestritten Rothen und Marti anfanglich, auf Stare geschossen zu haben und wollten nur Schreckschüsse abgegeben haben. Nachträglich unterzogen sie sich der Anzeige.

Die Gefährdung der geringen Kirschenernte vermag die Aufhebung der vom Richter im gesetzlichen Rahmen und im Mindestmasse ausgefällten Bussen nicht zu rechtfertigen.

A n t r a g : Es seien die Gesuche des Ferdinand Burri, Friedrich Rothen und Johann Marti abzuweisen.

4. Heinrich Wühler, geb. 1890, Melker im Bühl bei Unterlangenegg, Kanton Bern.

(W iderhandlung gegen das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz.)

Der Gerichtspräsident von Laupen hat am 23. Mai 1913 den Heinrich Mohler zu Fr. 40 Busse und Fr. 35. 40 Kosten verurteilt, weil derselbe laut Geständnis an seinem früheren Dienstort in Natershaus bei Neuenegg im Verlaufe des Jahres 1912 an Sonntagen mit einem Flobertgewehr Eichhörnchen und anderes Wild, nicht geschützte Vögel, jagte und tötete.

Mohler macht nun geltend, dass er als Melker in ärmlichen

Verhältnissen lebe, vermögenslos sei und eine kranke Mutter unterstützen müsse ; zudem sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er gegen das Jagdgesetz sich vergehe.

Da der Kanton Bern die Jagd und das Abschiessen von Vögeln an Sonntagen schlechthin mit Verbot belegt, war das Mindestmass der vom Richter auszusprechenden Busse gemäss Art. 21, Ziffer 4, lit. a des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz Fr. 50. In dieser Bussenhöhe war die Mehrzahl der begangenen Übertretungen des Verbotes der Sonntagsjagd noch nicht berücksichtigt. Der Richter erkannte aber auf eine Busse von Fr. 40.

Was die dürftigen Vermögensverhältnisse des Fehlbaren anbetrifft, so sind sie nicht geeignet, den Erlass einer Strafe, die auf Grund eines vom Richter objektiv und subjektiv richtig gewürdigten Tatbestandes ausgesprochen wurde, zu rechtfertigen.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Heinrich Mohler abzuweisen.

5. Berthold Schütl, geb. 1889, Kommis, Bern.

(Nichtbezahlung der Militärpflichtersatzsteuer.)

Berthold Schütz -wurde am 1. März 1913 vom Polizeirichter von Bern wegen Nichtbezahlung der Militärsteuer für 1912 zu zwei Tagen Gefängnis, sechs Monaten Wirtshausverbot und zu Fr. 12 Staatskosten verurteilt. Er ersucht um Erlass der Strafe, da er ohne eigenes Verschulden zahlungsunfähg und in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt worden sei und es ihm infolge längerer Stellenlosigkeit im Jahre 1912 unmöglich gewesen sei, seine Steuer rechtzeitig zu bezahlen. Er habe am 28. Fehruar 1913 einen Teilbetrag von Fr. 14. 80 -- die Höhe seiner Militärsteuer für das Vorjahr -- und am 19. März 1913, bevor ihm das Urteil des Polizeirichters notifiziert gewesen sei, den Rest der Steuer mit Fr. 7. 50 an das Kreiskommando Bern eingesandt.

Die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit sei sodann durch Urteil des Gerichtspräsidenten von Bern vom 30. April, weil die Zahlungsunfähigkeit ohne eigenes Verschulden eingetreten sei, aufgehoben worden.

Die erste Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern, an welche Schütz appellierte, verschloss ihm das Forum von Amtes wegen.

Schütz wurde, nachdem er ordentlicherweise zweimal ge-

mahnt worden war, erstmals am 26. Oktober 1912 vor den Richter geladen. Im Termin vom 10. Dezember 1912 blieb er sodann aus und entschuldigte sich nachträglich. Nachdem ihm vom Richter eine weitere Frist zur Zahlung seiner Steuer bis zum 1. März gewährt worden war, erklärte er demselben mit Schreiben vom 27. Februar 1913, dass er seine Steuer bezahlt habe, wobei sich aber im Termin vom 1. März ergab, dass nur die Teilzahlung erfolgt sei, da der Kreiskommandant auf sein Ansinnen um Übertragung des Restbetrages auf das Jahr 1913 nicht eingetreten war, was zur Verurteilung des Schütz führen musste. Die Bezahlung des Restes des ausstehenden Steuerbetreffnisses erfolgte erst nach der Urteilsausfällung. Zur Begnadigung liegt keine genügende Veranlassung vor.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Berthold Schütz abzuweisen.

6. Oskar Degoumois, geb. 1884, gewesener Briefträger in Biel.

(Bundesaktenfälschung, Unterschlagung von Briefen, A mtspflichtverletzung.")

Am 13. September 1912 verurteilte die Assisenkammer des Kantons Bern den Gesuchsteller wegen Fälschung von Bundesakten in 13 Fällen, wegen Unterschlagung von zwei Briefen und wegen Amtspflichtverletzung zu 16 Monaten Zuchthaus, abzüglich ein Monat Untersuchungshaft, zur Unfähigkeit zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes oder Anstellung für die Dauer von vier Jahren, zur Einstellung im Aktivbürgerrecht auf die Dauer von sechs Jahren und zu den Staatskosten. Der Verurteilte wurde zur Verbttssung der Strafe sofort abgeführt.

Degoumois war 1903 in den Dienst der eidgenössischen Postverwaltung getreten und seit 1. September 1905 Briefträger in Biel. Er verheiratete sich ein Jahr später und geriet bald darauf in Zahlungsschwierigkeiten. Um den dringendsten Forderungen gerecht zu werden, behielt er ihm zur Auszahlung übergebene Summen von Postanweisungen, zurück, indem er die Quittungen auf den Mandatkartons fälschte. Während des Zeitraumes vom 21. Dezember 1911 bis zum 13. Juni 1912 fälschte er in 13 Fällen die Privatquittungen, indem er die später veruntreuten Gelder jeweilen wiederum zur Auszahlung der vorher unterschlagenen Beträge an die Privaten verwendete, denen er gewöhnlich durch ihn fälschlich angefertigte Mandatkartons vor-

wies, oder denen er für die verspätete Auszahlung Ausreden vorbrachte und in zwei Fällen die Begleitbriefe unterschlug. Am 30. Juli 1912 wurde er verhaftet.

Mit dem 13. September 1913 hatte Degoumois ein Jahr Zuchthausstrafe, das Mindestmass dieser Strafart, erstanden und zugleich mehr als 2/s der Strafe verbüsst. Nach den bernischen Gesetzen hätte er bedingt entlassen werden können ; da aber das Bundesrecht eine solche Begünstigung nicht kennt, war er auf den Begnadigungsweg verwiesen. Er macht geltend, dass er die Verfehlungen aus Unerfahrenheit und Leichtsinn begangen, dafür bereits schwer gebüsst habe, und dass die Strafe ihren Zweck erreicht habe. Seine ehemaligen Vorgesetzten, die zuständigen Behörden der Stadt Biel, sowie die Strafanstaltsdirektion Witzwil empfehlen das Gesuch und den Erlass des Viertels der Strafe.

Da die Bedingungen zur Entsprechung des Begnadigungsgesuches gegeben waren, und die Mindestdauer der Zuchthausstrafe, ein Jahr, erfüllt war, hat das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement am 17. September 1913 einstweilen die provisorische Freilassung des Oskar Degoumois, gestützt auf Art. 203 der Bundesstrafrechtspflege, verfügt.

A n t r a g : Es sei dem Oskar Degoumois der Rest der Strafe in Gnaden zu erlassen.

'1. Jakob Bucher-Hüni, geb. 1885, Portier, in Zürich.

8. Hans Feidmann, geb. 1883, Schriftsetzer, in Bern.

9. Henri Burnod, geb. 1880, Pontonierwachtmeister in Villeneuve.

(Nichtbezahlung der Militärpflichtersatzsteuer.) j Die drei Obgenannten wurden wegen Nichtbezahlung der Militärpflichtersatzsteuer für 1912 (Bucher und Feldmann ebenfalls für 1911) verurteilt: Jakob Buch er vom Gerichtspräsidenten von Bern am 17. Februar 1913 zu zwei Tagen Gefängnis, sechs Monaten Wirtshausverbot und Fr. 12 Staatskosten ; Hans Feldmann vom Polizeirichter von Bern am 24. Dezember 1912 zu drei Tagen Gefängnis, sechs Monaten Wirtshausverbot und Fr. 7 Staatskosten; Henri Burnod vom Polizeirichter von Aigle am 12. Februar 1913 zu fünf .Tagen Gefangenschaft und zu den Gerichtskosten.

8 Sie ersuchen um Begnadigung und machen im wesentlichen* geltend, dass unverschuldete Umstände die verspätete Entrichtung des Steuerbetreffnisses veranlasst hätten. Bucher speziell erhebt den Einwand, dass er die zwei gesetzlichen Mahnungen zur Einzahlung nicht erhalten, für eine Familie zu sorgen habe, und dass die Strafe den Verlust seiner Stelle zur Folge haben könnte.

Er sei stets bereit gewesen, die Steuer zu bezahlen.

Demgegenüber stellt das Kreiskormnando Bern in seiner Anzeige vom 8. Oktober 1912 an das Regierungsstatthalteramt fest, dass Bucher zweimal gesetzlich gemalmt worden sei; der Richter erwähnt ferner in seiner Urteilsbegründung, dass Bucher in seiner Einvernahme am 6. Dezember in Zürich die Höhe der Steuer erfahren habe. Bei gutem Willen wäre es Bücher daher wohl möglich gewesen, die Steuer, die er einige Tage nach der Urteilszustellung einsandte, vor der Hauptverhandlung vom 17. Februar 1913, zu der er richtig vorgeladen war, rechtzeitig zu entrichten.

Hans Feldmann, der mit seinem Begnadigungsgesuche im Frühling abgewiesen wurde, macht nun nachträglich geltend, der Steuerbetrag sei von ihm an eine Frau Egli bezahlt worden; diese habe ihn jedoch nicht abgeliefert, sondern unterschlagen.

Aus den Quittungseinträgen im Militärdienstbüchlein, die mit den Angaben der Frau Egli insofern stimmen, als diese erklärt, Fr. 20 erhalten zu haben, ergibt sich jedoch, dass Feldmann lediglich am 22. November 1912 eine Abschlagszahlung von Fr. 18 gemacht hat und den Rest der Kosten und der Steuersumrne erst nach* dem Urteil am 5. Februar 1913 bezahlte. Feldmann hat die Bezahlung der Steuer an Frau Egli vor dem Richter nie geltend gemacht und auch keine Strafklage gegen sie erhoben.

Henri Burnod war nach Erhalt der gesetzlichen Mahnungen von seinem früheren Wohnort Aigle ohne nähere Adressangabe abgereist, so dass er auf dem Publikationswege vom Richter vorgeladen und hierauf in contumaciam verurteilt wurde. Er hatte aber bereits am 18. September 1912 den schuldigen Steuerbetrag durch seinen Dienstherrn eingesandt, der ihn irrtümlicherweise, statt an das Kreiskommando, ohne nähere Angabe über seine Bestimmung, an den Statthalter von Aigle adressierte.

Dort blieb das Geld liegen, bis nach dem Urteilsspruch der Fehler entdeckt wurde. Da Burnod die Steuer rechtzeitig und vor der gerichtlichen Verurteilung geleistet hat, ist es gerechtfertigt, ihn von den Straffolgen der Nichtbezahlung derselben zu entheben.

A n t r a g : Die Begnadigungsgesuche des Jakob Bucher und des Hans Feldmann seien abzuweisen.

Henri Burnod sei die auferlegte Strafe in Gnaden zu erlassen.

10. Albrecht Nydegger, geb. 1893, Landarbeiter im Binggeli zu Rüschegg.

(Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz.)

Albrecht Nydegger begleitete am Anfang des Jahres 1913 zwei Kameraden, die mit Schrotflinte und Flobert bewaffnet waren, auf die Eichhornjagd. Die geschossenen .Tiere wurden einem Präparator zugesandt, wodurch die Sache den Behörden zur Kenntnis gelangte. In der Folge wurden die drei Fehlbaren, gestützt auf ihr Geständnis und in Anwendung von Art. 6, lit. d, Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, zu je Fr. 50 Geldbusse und Fr. 2. 60 Staatskosten verurteilt.

Der Vater des damals noch minderjährigen Âlbrecht Nydegger ersucht nun um Erlass der über seinen Sohn verhängten Strafe ; er und sein Sohn seien arme Taglöhner und hätten für eine llköpfige Familie zu sorgen. Die Bezahlung der Busse sei ihnen unmöglich. Sohn Nydegger schliesst sich dem Gesuche an.

Der Gemeinderat von Rüschegg und der Regierungsstatthalter von Schwarzenburg empfehlen das Gesuch.

Die Strafe ist innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens und unter richtiger Würdigung des gegebenen Tatbestandes ausgefällt worden, besonders da es sich um wiederholte Jagdvergehen handelt.

Die prekäre Vermögenslage des Fehlbaren ist aber bereits durch den Richter bei der Ausfällung des Urteils in Berücksichtigunggezogen worden.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Albrecht Nydegger abzuweisen.

11. Johann Beyeler, geb. 1890, Landwirt in Guggisberg.

(Widerhandlung gegen das Lebensmittelpolizeigesetz.)

Der Käser auf dem Scheuergutshubel bei Guggisberg Hess am 28. März 1913, abends, der Milchlieferung des Johann Beyeler, den er wegen Milchfälsehung im Verdachte hatte, in der Käserei eine Probe entnehmen und bewirkte sodann am

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31. gleichen Monats eine Stallprobe bei demselben. Die schweizerische milchwirtschaftliche und bakteriologische Anstalt stellte bei der Käsereiprobe einen Wasserzusatz von zirka 35 % und der bernische Kantonschemiker einen solchen von mindestens 50 °/o fest. Vor dem Gerichtspräsidenten von Schwarzenburg gestand Beyeler seine Milchfälschung ein, und der Richter verurteilte ihn am 8. Mai 1913 zu drei Tagen Gefängnis, mit bedingtem Straferlass unter Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren, ferner zu Fr. 100 Geldbusse und zu Fr. 14. 65 Staatskosten. Betreffs des Zivilpunktes hatte sich Beyeler bereits vorher gütlich mit dem Käser abgefunden. Das Urteil wurde durch die Staatsanwaltschaft an die Erste Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern weitergezogen, durch die die Gewährung des bedingten Straferlasses am 4. August 1913 aufgehoben, und die Rekurskosten von Fr. 25 dem Angeschuldigten auferlegt wurden.

Beyeler ersucht nunmehr um Erlass der Strafe, namentlich der Gefängnisstrafe, die für ihn sehr schwer und entehrend sei.

Auch die Bezahlung der Geldbusse falle ihm wegen seiner Vermögenslosigkeit schwer.

Beyeler ist einziger Sohn einer Witwe ; er besitzt eine bedeutende Anwartschaft. Der Richter hat in seiner Urteilsbegründung den Straftatbestand hinsichtlich der Bestimmung der Strafart und hinsichtlich der Ausmessung des Strafmasses richtig festgestellt, und die besondere Schwere des Vergehens rechtfertigt einen Erlass der Strafe durch Begnadigung keineswegs.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Johann Beyeler abzuweisen.

12. Gottfried Scheidegger, geb. 1878, Rösslispielbesitzer, in Münchenbuchsee; Alexander Walther, Schiessbudenbesitzer, in Bern; Karl Weidauer, Panoramabudenbesitzer, in Bern.

(Widerhandlung gegen das Bundesgesetz betreffend die Fischerei.)

Die drei obgenannten Gesuchsteller wurden am 4. Juli 1913 vom Gerichtspräsidenten von Burgdorf in Anwendung von Art. 21, 31, Ziffer 2 und Art. 32, Ziffer 4, des ßundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 wegen Verunreinigung eines Fischgewässers jeder zu Fr. 50 Busse und zu einem Drittteil der Fr. 59. 40 betragenden Staatskosten verurteilt. Vom 18.--21. April 1913, während des Schützenfestes in Krauchtal,

11 wurden die zur Erzeugung von Azetylengas mitgebrachten Karbidapparate, teils durch die Gesuchsteller, teils durch ihre Angestellten, jeweilen am Vormittag in einen dem Festplatze nahe gelegenen Bache entleert und dort gereinigt. Die Folge davon war, dass die in diesem Bache lebenden Fische auf eine gewisse Strecke (500 bis 600 m) an Vergiftung zugrunde gingen. Mit dem Fischezenpächter, der den Schaden auf Fr. 150 berechnete, einigten sich die drei Fehlbaren vor dem Urteil gütlich auf eine Entschädigung von Fr. 50.

Nunmehr ersuchen sie um Herabsetzung der über sie verhängten Bussen, da dieselben in argem Missverhältnis zu der begangenen Straftat stünden. Das Gesetz bedroht die betreffende Polizeiübertretung mit einer Geldbusse von Fr. 50--400. Die Widerhandlung wurde gleichzeitig und gemeinsam durch mehrere Teilnehmer begangen, wobei ihnen eine böse Absicht und das Bewusstsein der Gefährlichkeit ihrer Handlung gefehlt zu haben scheint. Zudem sind es zum Teil die Geschäftsherren, welche die Verantwortlichkeit für ihre Arbeiter übernommen haben, die durch den Polizeirichter gebüsst wurden. Der Richter war gemäss dem Wortlaut des Gesetzes gezwungen, jeden Teilnehmer dieser einen Übertretung wegen mit der gesetzlich angedrohten Minimalbusse zu bestrafen; er empfiehlt selbst eine teilweise Begnadigung. Die Handlungen der Gesuchsteller erscheinen als gemeinsame Ursache des entstandenen Schadens, und es rechtfertigt sich, die gesetzlich angedrohte Busse zu gleichen Teilen auf die Fehlharen zu verteilen, was auch dem Masse ihres Verschuldens entspricht.

A n t r a g : Die dem Gottfried Scheidegger, Alexander Walther und Karl Weidauer auferlegten Geldbussen von je Fr. 50 seien auf je Fr. 15 zu ermässigen.

13. Christian Aemmer, geb. 1874, Landwirt im Heimberg, Kanton Bern.

(Widerhandlung gegen das Lebensmittelpolizeigesetz.)

Der korrektionelle Einzelrichter von Thun verurteilte den Christian Aemmer am 3. Mai 1913, in Anwendung der Art. 36 und 37 des Lebensmittelpolizeigesetzes wegen Milchfälschung zu 8 Tagen Gefangenschaft, Fr. 50 Busse und Fr. 16. 70 Kosten.

Aemmer hatte nach seinem gerichtlichen Geständnis vom Neujahr bis 13./14. Februar 1913 seiner täglich 15--17 Liter

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betragenden Milchlieferung Wasser zugesetzt. Der Kantonschemikor stellte bei der entnommenen Käsereiprobe eineu Wasserzusatz von mindestens 20 °/o fest. Aemmer zahlte darauf der Käsereigenossenschaft Heimberg, für sich und zuhanden des Milchkäufers Friedrich in Thun, obschon dem letztern von seinen Abnehmern keine Reklamationen zugekommen waren, einen Entschädigungsund Kostenbetrag von Fr. 218.

Aemmer ersucht nun um Erlass eines Teiles der Gefängnisstrafe, da er als ein sonst rechtschaffener Landwirt diese Verfehlung sich nachträglich gar nicht erklären könne und dieselbe ernstlich bereue. Er macht geltend, dass nach dein Strafrahmen des früher geltenden bernischen Gesetzes gegenüber demjenigen des eidgenössischen Lebensmittelpolizeigesetzes und einer bisherigen Praxis er mit drei höchstens vier Tagen Gefängnis bestraft worden wäre, und dass ihm nach Bernerrecht der bedingte Straferlass sicher gewährt worden wäre.

Der Gemeinderat von Heimberg stellt dem Gesuchsteller, dessen Vermögenslage nicht gar günstig sei, abgesehen von der Milchfälschung, ein gutes Leumundszeugnis aus. Es liegen keine Anhaltspunkte vor dafür, dass der Richter infolge der Würdigung des weitern Strafrahmens des eidgenössischen Lebensmittelpolizeigesetzes zu einer ausserordentlichen Höhe von Gefängnisstrafe gelangt sei ; vielmehr ist anzunehmen, dass er in freier Berücksichtigung des gesamten Tatbestandes zu der ausgefällten Höhe von Gefängnisstrafe gelangt sei. Nach Inkrafttreten des eidgenössischen Lebensmittelpolizeigesetzes ist für Fälle der vorliegenden Art der bedingte Straferlass überhaupt ausgeschlossen, und was die Höhe der Strafe anbetrifft, so erseheint dieselbe als den Verhältnissen angemessen mit Rücksicht auf die grosse Zahl der begangenen Übertretungen.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Christian Aernmer abzuweisen.

14. Lydia Buchmüller, geb. 1897; Marie Hunkeler, geb. 1894, Fabrikarbeiterinnen in Mehlsecken, Kanton Luzern.

(Widerhandlung gegen das Bahnpolizeigesetz.)

Lydia Buchmüller und Marie Hunkeler überschritten am 15. Mai 1913 aus Mutwillen das offene Bahngeleise vor der Station Reiden. Am 21. gleichen Monats erklärten sie die Annahme des ihnen eröffneten Eventualentscheides des Statthalter-

13 amtes Willisau von je Fr. 5 Geldbusse, und sie haben dieselbe nachträglich auch bezahlt. Sie ersuchen nun um Erlass der Busse, da sie beide noch minderjährig und arm seien. Der Tatbestand der Übertretung ist festgestellt und wird nicht bestritten ; die Höhe der ausgesprochenen Busse aber entspricht den Umständen und den gesetzlichen Vorschriften.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch der Lydia Buchmüller und Marie Hunkeler abzuweisen.

15. Valentin Laurent, geb. 1888, Handelsreisender in Bern.

{Widerhandlung gegen das Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen.)

Laurent wurde vom Gerichtspräsidenten von Bern am 24. Mai 1913 wegen Übertretung des Art. 2 des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden zu Fr. 100 Busse und Fr. 3. 50 Staatskosten verurteilt. Er hatte Anfang Mai 1913 bei Gärtner "Wyss in Mederscherli (Kanton Bern) als Reisender der Handlung G. Cortaillod, Bern, eine Bestellung auf Seife nachgesucht und erhalten, und da er nicht im Besitz einer roten Taxkarte war, die ihn zum geschäftlichen Besuche von Privaten berechtigte, wurde er dem Richter verzeigt, vor dem er sodann den Tatbestand als richtig anerkannte. Er ersucht nun um Erlass der ausgesprochenen Busse, da ihm die betreffenden Kunden als Inhaber von Spezereihandlungen und Wäschereien angegeben worden seien, er erst seit kurzer Zeit als Reisender tätig sei und seine ökonomische Lage ihm die Bezahlung der Busse nicht ermögliche.

Laurent, der eine grüne Ausweiskarte besass, durfte nur mit Geschäftsleuten, die den betreffenden Handelsartikel wieder verkaufen oder in ihrem Gewerbe verwenden, in Verkehr treten.

Die Behauptung irn Begnadigungsgesuch, dass Laurent, gestützt auf Mitteilungen dritter Personen, geglaubt habe, der von ihm besuchte Gärtner betreibe auch eine Spezereihandlung, ist neu und in keiner Weise glaubhaft gemacht, so dass die Gesetzesübertretung an sich als feststehend betrachtet werden muss. Dagegen erscheint die ausgesprochene Busse als zu hoch gegriffen im Verhältnis 7,u der Geringfügigkeit des strafbaren Tatbestandes, und rechtfertigt es sich, dieselbe in gewissem Umfange zu reduzieren.

A n t r a g : Es sei die dem Valentin Laurent auferlegte Busse von Fr. 100 auf Fr. 30 zu ermässigen.

14 16. Paul Gläser, geb. 1882, Kaufmann in Zürich.

(Widerhandlung gegen das Patenttaxengesetz.)

Paul Gläser besitzt in Zürich ein Versandgesehäft und ist Inhaber einer grünen Ausweiskarte für Handelsreisende, d. d.

20. Januar 1913, für Comestibles, Lebensmittel und Bureauartikel.

Dieselbe berechtigt ihn nach dem Gesetz zur Aufnahme von Bestellungen bei Geschäftsleuten, die den betreffenden Artikel wieder verkaufen oder ihn auf irgendeine Weise in ihrem Gewerbe verwenden. Am 15. April 1913 nahm Gläser in Huttwil auf dem Bureau der Langenthal-Huttwil-Bahngesellschaft nach vorgelegtem Muster eine Bestellung auf ein Stempelkissen auf und versuchte auch bei Notar Minder eine Bestellung zu erlangen. Der Dorfpolizist hielt ihn hierzu nicht für berechtigt und erhob Strafanzeige gegen ihn; er wurde dann vom Gerichtspräsidenten von Trachselwald am 5. Juni 1913 wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen, vom 24. Juni 1892, Art. l und 2 und Art. 4 der Vollziehungsverordnung vom 29. November 1912 zu Fr. 120 Geldbusse und Fr. 33. 80 Staatskosten verurteilt.

Gläser ersucht nun um Erlass der Geldbusse, da er mit seiner grünen Ausweiskarte zur Aufnahme fraglicher Bestellungen auf Stempelkissen, die im Gewerbe der betreffenden Kunden verwendet würden, berechtigt sei. Das eidgenössische Handelsdepartement bestätigt diese Auffassung mit Zuschrift vom 2. Juli 1913, da Notare und Advokaten im Sinne von Art. 4 der Vollziehungsverordnung vom 29. November 1912 zum Patontgesetz unzweifelhaft als Geschäftsleute zu betrachten seien, und es fügt bei, dass seines Erachtens Gläser daher zu Unrecht gebüsst worden sei.

Durch das Kreisschreiben des Bundesrates vom 29. November 1912 und durch die obenerwähnte Vollziehungsverordnung ist, entsprechend der frühern Praxis,- der Art. l des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen dahin interpretiert worden, dass bei der Bestimmung der Taxpflicht oder der Taxfreiheit nur zu unterscheiden ist, ob die angebotenen Artikel ,,in der Haushaltung" oder aber ,,berufsmässig im Geschäftsbetrieb verwendet werden", und dass die Worte der Vollziehungsverordnung ,,auf irgendeine Weise in ihrem Gewerbebetrieb verwenden" den Sinn haben, ,,dass von nun an jede Unterscheidung nach der Art oder dem Bedürfnis der Verwendung im Gewerbe oder Beruf dahinfallen solle."1 Gläser war demnach zweifelsohne berechtigt, die fraglichen Bestellungen auf Stempelkissen bei den erwähnten Geschäftsleuten aufzunehmen.

15 A n t r a g : Es sei die dem Paul Gläser auferlegte Geldbusse von Fr. 120 in Gnaden zu erlassen.

17. Johann Christen, geb. 1868, in Rüegsausehachen.

(Eisenbahngefährdung.)

Am 10. Mai 1912, nachmittags, ist der Burgdorf-Thun-BahnZug Nr. 66 Thun--Burgdorf beim Strassenübergang bei km 27,ooo in der Nähe der Station Hasle-Rüegsau mit einem Fuhrwerk zusammengestossen. Von den Insassen des letztern wurde Frau Anna Kunz getötet, während ihr Ehemann, der Kutscher Nikiaus Kunz, mit einigen leichten Verletzungen davonkam. Das Pferd wurde derart verletzt, dass es auf der Stelle abgetan werden musste ; das Fuhrwerk wurde vollständig zertrümmert. Am Motorwagen des Eisenbahnzuges wurden die beiden Signallaternen beschädigt.

Der Bahnarbeiter Johann Christen war an jenem Tage mit der Bedienung der Barrieren des obenerwähnten Niveauüberganges beauftragt. Nachdem die Abfahrt des Zuges 66 von der Station Hasle-Rüegsau signalisiert worden, hatte Christen die Barrieren richtig geschlossen. Als dann aber der Kutscher Kunz mit dem der Käsehandlung Mauerhofer & Cie. in Burgdorf gehörenden Fuhrwerk sich dem Übergange näherte, glaubte Christen demselben noch die Durchfahrt gewähren zu sollen und öffnete die Barrieren wieder.

Kaum war aber das Fuhrwerk mitten auf dem Geleise, nahte der Zug heran, und da weder das Fuhrwerk ausweichen, noch der Zug rechtzeitig anhalten konnte, war der Zusammenstoss unvermeidlich.

Wegen fahrlässiger Gefährdung der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs wurde Christen in Anwendung des Art. 67 des Bundesstrafrechtes unterm 18. Dezember 1912 vom Amtsgericht Burgdorf zu Fr. 50 Busse und Fr. 285. 60 Staatskosten verurteilt.

Gegen dieses Urteil erklärte' die Staatsanwaltschaft die Appellation, worauf die Erste Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern, von der Erwägung ausgehend, es handle sich hier nicht um einen ,,leichteren" Fall, der nur mit Geldbusse abgewandelt werden könne, den Christen korrektioneil zu 8 Tagen Gefängnis, zu den erstinstanzlichen Staatskosten von Fr. 285.60 und zu den Rekurskosten des Staates von Fr. 25 verurteilte.

Das erstinstanzliche Gericht hatte zugunsten des Christen unter anderai in strafmildernde Berücksichtigung gezogen, dass

16 er wohl als Streckenarbeiter und Gratnper, nicht aber als Barrierenwärter instruiert war und überdies am Unfalltage den Übergang erst zum zweiten Male bediente.

Die bernische Strafkammer trat dem von der ersten Instanz gezogenen Schlüsse, dass es sich um einen leichtern Fall handle, der im Sinne des letzten Absatzes des revidierten Art. 67 des Bundesstrafrechtes lediglich mit einer Geld busse geahndet werden könne, entgegen. Dabei wird aus den erstinstanzlichen Urteilsmotiven ganz besonders hervorgehoben : ,,Christen habe nicht nur eine reglementarische Vorschrift pflichtwidrig verletzt, sondern auch im allgemeinen eine für jedermann gültige Vorsicht ausser acht gelassen, die keine Reglementsvorschrift nötig mache, sondern als Gebot elementarer Natur jedermann geläufig sein soll, da die Unzulässigkeit einer solchen Handlung sich von selber verstehe. Die örtlichen Verhältnisse seien ihm bekannt gewesen ; er habe die kurze Fahrzeit von der Station zum Übergang gekannt, also voraussehen müssen, dass, wenn er nach dem Abläuten die Barriere wieder öffne, bei dieser kurzen Fahrzeit und der örtlichen Anlage die Gefahr einer Kollision vorliege."

Hieraus wurde gefolgert, dass die von Christen heraufbeschworene Gefahr als eine so dringende und augenscheinliche, und sein Verhalten als so unbegreiflich und unverzeihlich be-.

.zeichnet werden müsse, dass von einem leichteren Fall nicht die Rede sein könne. Dagegen spreche auch der eingetretene Erfolg -- Tötung eines Menschen und erheblicher materieller Schaden. -- Diese Erwägungen hatten dann das auf Gefängnisstrafe lautende Erkenntnis zur Folge.

Christen stellt nun das Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe, weil er es als zu hart empfindet, als bisher unbescholtener Mann ins Gefängnis wandern zu müssen, und er ohnehin schwor genug KU leiden habe durch die Tragung der grossen Kosten.

Trotz allen zugunsten des Gesuchstellers sprechenden subjektiven und objektiven Momenten kann dei1 nachgesuchte Erlass der Gefängnisstrafe doch nicht bewilligt werden. Die wegen seines Verhaltens eingetretenen Folgen können unmöglich als unerheblich qualifiziert werden, und die begehrte Aufhebung der Gefängnisstrafe würde eine vollständige Aufhebung der eigentlichen Strafe in sich schliessen. Was die allerdings aussergewöhnlich hohen Kosten anbetrifft, so kann denselben kein
Einfluss auf den Entscheid der Bundesversammlung eingeräumt werden.

Immerhin sind die tatsächlichen Verhältnisse so sehr geeignet, das Mitleid für den Gesuchsteller zu erwecken, dass eine Ermässigung der ausgesprochenen Haftstrafe geboten erscheint.

17 A n t r a g : Es sei die dem Johann Christen auferlegte Gefängnisstrafe von 8 Tagen auf 4 Tage zu ermässigen.

18. Ernst Emil Probst, geb. 1884, Landwirt in Münchenwiler, Kanton Bern.

(Nichtbezahlung der Militärpflichtersatzsteuer.)

Der Gesuchsteller, der vom Richteramt Laupen auf den 16. August 1913 wegen Nichtbezahlung der Militärsteuer für das Jahr 1913 vorgeladen worden war, schrieb am Tage vorher an ·den Vize-Gerichtspräsidenten, dass er den verlangten Betrag samt dem Dienstbüchlein ,,der Direktion" eingesandt habe und dass alles bezahlt sei. Da sich diese Mitteilung als unrichtig erwies, wurde er ein zweites Mal auf den 21. August vorgeladen, zu welchem Termin er nicht erschien. Polizeilich vorgeführt gestand er am 23. August 1913 die Unrichtigkeit seiner brieflichen Zuschrift ein, widersetzte sich aber einem sofortigen richterlichen Eventualurteil. In der Hauptverhandlung vom 29. August 1913 sodann wurde Probst in contumaciam verurteilt zu 3 Tagen Gefangenschaft, l Jahr Wirtshausverbot und zu Fr. 19. 25 Kosten.

Bin Telegramm, nach dem Probst dem Postbureau Murten für ·das Richteramt Laupen einen Betrag von Fr. 31 bezahlt habe, kam dem Richter einige Minuten nach der Urteilsfallung zu.

Der Verurteilte ersucht um Erlass der Strafen, da er nicht ·beabsichtigt habe, die Militärsteuer nicht zu bezahlen, und da er zu hoch eingeschätzt worden sei. Die Vorgänge vor der letzten Gerichtsverhandlung rechtfertigten ein strenges Vorgehen gegen Probst, und da dieser sich zum Verhandlungstermin nicht stellte und auch nicht dafür sorgte, dass der schuldige Betrag, bezw.

die Quittung, rechtzeitig vor der Verhandlung den Behörden zukam, so verdient sein Gesuch keine Berücksichtigung.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Ernst Emil Probst abzuweisen.

19. Emil Adolf Burnet, geb. 1881, Commis, Genf, Rue de Carouge 26bis.

(Nichtbezahlung der Militärsteuer.)

Burnet war bei der Rekrutierung im Jahre 1900 als untauglich befunden worden und wurde erstmals im Jahre 1905 zur Bezahlung einer Militärpfliehtersatzsteuer von Fr. 10. 50 anBundesblatt. 65. Jahrg. Bd. V.

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gehalten. Der Polizeirichter von Genf verurteilte ihn sodann am 6. August 1906 wegen Nichtbezahlung dieser Steuer zu 2 Tagen Arrest. Am 13. Dezember gleichen Jahres wurde ein Begnadigungsgesuch um Erlass dieser Strafe abgewiesen.

Im Jahre 1911 war Burnet mit der Bezahlung der Militärsteuer für die Jahre 1908, 1909 und 1910 im Ruckstand, und da er auch die Taxe von 1911 mit Fr. 10. 50 nicht bezahlte, wurde er am 16. September 1912 vom Polizeirichter von Genf zu 48 Stunden Polizeiarrest und den Kosten verurteilt. Er ersuchte auch in diesem Falle um Erlass der Strafe durch Begnadigung (Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 5. Dezember 1912), jedoch ohne Erfolg (Beschluss der Bundesversammlung vom 12. Dezember 1912).

Am 25. August 1913 wurde Burnet in contumaciam wegen Nichtbezahlung der Steuertaxe für 1912, Fr. 10. 50, und eines rückständigen Steuorbetrages von Fr. 46. 65 nebst Fr. l Kosten, zu 2 Tagen Polizeiarrest und zu den Kosten verurteilt.

Er ersucht neuerdings um Erlass eventuell Ermässigung dieser Strafe durch Begnadigung, da ihm vom Militärdepartement keine Ratenzahlungen gewährt worden seien wie andern Bürgern, und er sich i nun er an den Schwierigkeiten der Bezahlung seiner Militärsteuer im Gesamtbetrage gestossen habe.

Dem gegenüber ist daran festzuhalten, dass Burnet bereits 1905 wöchentliche Ratenzahlungen von Fr. 2 gewährt worden waren, dass er aber nicht eine einzige Rate bezahlt hat. Im weitern haben die Verwaltungs- und Gerichtsbehörden ihm zur Bezahlung der Steuer stets das weitgehendste Entgegenkommen gezeigt. Er hat aber wohl in der Absicht, überhaupt keine Militärsteuer zu bezahlen, diese Erleichterungen nicht benutzt.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Emil Adolf Burnet abzuweisen.

20. Josef Delaqua, geb. 1887, Maurer, in Orbe.

(Widerhandlung gegen das Fischereigesetz.)

Am 15. April 1913, vormittags, wurde Delaqua an der Einmündung des Talent in die Orbe durch einen Polizisten beobachtet, wie er an einer Fischrute zwei grosse, nicht mit Köder versehene Angeln kreuz und quer durchs Wasser zog. Der Statthalter von Orbe erachtete den Delaqua einer Übertretung des Fischereigesetzes nicht für schuldig. Auf erfolgte Anfrage sprach

19 sich jedoch das Landwirtschaftsdepartement des Kantons Waadt dahin aus, dass die beiden Angeln aller Wahrscheinlichkeit nach durch ihren Besitzer nur als ,,Juckschnur", harpon, benutzt worden seien, und es wurde infolgedessen Delaqua am 12. Mai 1913 durch den Statthalter von Orbe in Anwendung von Art. 5, Ziffer 5, Art. 31, Ziffer 2, verurteilt zu Fr. 50 Geldbusse und den Kosten.

Nun ersucht Delaqua um Ermässigung der Busse durch Begnadigung, da er Taglöhner und armer Familienvater sei. Das Landwirtschaftsdepartement des Kantons Waadt empfiehlt das Gesuch mit Rücksicht auf die Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und dem Präfekten von Orbe über die Strafbarkeit der Handlung.

Das eidgenössische Oberforstinspektorat bezeichnet in einer eingeholten Vernehmlassung das von Delaqua angewandte Fanggerät als ,,Juckschnur11 im Sinne des Art. 5, Ziffer 5, des Bundesgesetzes über die Fischerei. Der Gebrauch der ,,Juckschnur" wird in Art. 31, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei nicht besonders aufgezählt und unter Strafe gestellt.

Er fällt daher nicht unter die Strafandrohung der Ziffer 2, sondern der Ziffer l dieses Artikels mit einer Strafandrohung von Fr. 5 bis Fr. 400 Geldbusse. Wir halten dafür, es sei vom Richter zu Unrecht eine Minimalstrafe von Fr. 50 angenommen worden ; die Minimalbusse betrug vielmehr Fr. 5.

Das eidgenössische Oberforstinspektorat empfiehlt eine angemessene Reduktion der ausgefällten Busse.

Delaqua ist nicht vorbestraft und seine Handlungsweise erscheint mit Fr. 20 genügend geahndet.

A n t r a g : Es sei die dem Josef Delaqua auferlegte Geldbusse von Fr. 50 auf Fr. 20 zu ermässigen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. November

1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Scbatzmann.

^SK>^

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1913). (Vom 14. November 1913.)

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