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Wir beehren uns, Ihnen gemäss Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren betreffend Revision der Bundesverfassung das Begehren nebst den dazu gehörenden Akten zuzuleiten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 28. November 1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1913).

(Vom 28. November 1913.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten, und über deren Erledigung Antrag zu stellen : 21. Fritz Steiner, Landwirt, und Ernst Beutler, Knecht, beide wohnhaft im Boden bei Zofingen.

(Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz.)

Fritz Steiner und Ernst Beutler wurden infolge dringenden Verdachtes von Jagdfrevel und infolge unerlaubten Anbringens von Selbstschüssen, sogenannte ,,Schärenbüffeln", durch die Polizeiorgane den Behörden des Kantons Luzern verzeigt. Die Anklage wegen Jagdfrevels musste infolge mangelnden Beweises fallen gelassen werden.

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Steiner gab bei seiner gerichtlichen Einvernahme unumwunden zu, dass er auf seinem, grösstonteils im Kanton Luzern gelegenen Lande, zur Vertilgung der massenhaft auftretenden Maulwürfe ,,Schären", sogenannte ,,Schärenbüffel*, Selbstschussvorrichtungen besitze und dieselben dos öftern gerichtet habe.

Sie seien sodann von den Maulwürfen zum Losgehen gebracht worden.

Knecht Beutler anerkannte auch seinerseits, beim Anlegen solcher ,,Schärenbüffela behülflich gewesen zu sein und selbst solche gegen die Maulwürfe gestellt zu haben. Steinor und sein Knecht wurden daher auf Antrag des Statthalteramts Willisau vom Bezirksgericht Reiden-Pfaffnau, gestützt auf Art. ß, lit. a, und Art. 21, Ziffer l, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, am 12. Juni 19J3 je mit Fr. 500 Geldbusse bestraft und zu gleichen Teilen zu den Fr. 108 betragenden Staatskosten verurteilt.

Nunmehr machen die beiden in ihrem Begnadigungsgesuch geltend, dass es sich nicht um eine Übertretung des zitierton Bundesgesetzes handeln könne, da dasselbe ein Spezialgesetz sei und nicht ausdehnend interpretiert ·werden dürfe. Das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz verbiete das Anlegen von Selbstschüssen nur gegen Jagdwild zu welchem der Maulwurf nicht gehöre. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit sei ausgeschlossen gewesen ; im übrigen hätten sie nicht gewusst, dass das Anbringen von Selbstschüssen mit einer so hohen Geldstrafe bedroht sei, und bei ihrem Vorgehen hätten sie keine verbrecherischen Absichten verfolgt. -- Das Gericht hat in seiner Urteilsmotivierung angenommen, dass die Verbotsbestimmung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz eine absolute, und das Anbringen von Selbstschüssen schlechthin verboten sei. Es hielt sich in seinem Urteil an das gesetzliche Strafminimum von Fr. 500 mit der Bemerkung, dass durch diese präzise Gesetzesbestimmung dem Richter die Anwendung von Milderungsgründen benommen sei, er aber bei einem allfälligen Strafnachlassgesuche der Begnadigungsinstanz die Würdigung der obigen Motive empfehle.

Die Gesuchsteller unterliessen die Appellation gegen das Urteil der hohen Kosten wegen, ersuchen aber um gnadenwoisen Erlass der Strafe.

Das Bundesgericht hat in Sachen Schenk gegen die Staatsanwaltschaft Bern Cß- G. E. XXXffl, 802) am 11. September 1907 entschieden, dass das Anlegen von Selbstschüssen, speziell sogenannter ,,Schärenbüffel", nur dann gemäss Bundesgesete über Jagd und Vogelschutz strafbar sei, wenn der Sclbstschussapparut

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zum Töten von jagdbarem Tier gelegt, und die Beschaffenheit des Apparates, Art und Grosse der Ladung, zum Töten von Jagdwild geeignet waren. Der Richter sowohl wie die beiden Verurteilten gehen aber darin einig, dass im vorliegenden Fall die ,,Schärenbüffel" nur zum Zwecke der Vertilgung von Maulwürfen verwendet wurden, und es ist daher auf die Entscheidung des Bundesgerichtes Rücksicht zu nehmen, und den beiden Gesuchstellern die erkannte Strafe, die jedenfalls in keinem richtigen Verhältnisse zu der begangenen Tat steht, zu erlassen.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen empfiehlt die Begnadigung.

A n t r a g : Es seien Fritz Steiner und Ernst Beutler die ausgesprochenen Bussen von je Fr. 500 in Gnaden zu erlassen.

22. Albert Schneider, geboren 1892, Fabrikarbeiter in Möriken, Kanton Aargau.

(Widerhandlung gegen das Fischereigesetz.)

Die drei Brüder Albert Schneider, geboren 1892, Armin Schneider, geb. 1894 und Georg Schneider, geb. 1897, lagen am Auffahrtstage, den 1. Mai 1913, beim Einlaufe der Bünz in die Aare, dem Fischfange ob. Vermittelst einer T)SchletzangelUp oder Juckschnur riss Armin Schneider von den zum Laichen massenhaft von der Aare in die Bünz gezogenen Fischen aus dem Wasser 5 Albert Schneider schlug mit einem Stocke nach den an der Wasseroberfläche schwimmenden Fischen, um die genügend betäubten Stücke nachher aus dem Wasser zu holen, während Georg Schneider mehr die Stellung eines Zuschauers innehielt. Nach ihrem Zugeständnis haben sie am Morgen und am Nachmittag insgesamt fünf Fische gefangen. Durch die Fischereiaufseher wurden sie im Laufe des Nachmittags von ihrem Handwerke vertrieben und nachher verzeigt.

Am 19. Juni 1913 wurden Albert und Armin Schneider, in Anwendung von Art. 5, Ziffer 2, und Art. 31 des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei, vom Bezirksgericht Lenzburg zu je Fr. 50 Geldbusse und unter solidarischer Haftung zu Fr. 33 Staatskosten verurteilt.

Albert Schneider ersucht nun um Erlass der auferlegten Busse, da er beim Fischfang untätig geblieben und nur Zuschauer gewesen sei; er sei ein armer Fabrikarbeiter mit geringem Verdienst.

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In dem Strafverfahren wurde jedoch durch zwei Zeugen, konstatiert, dass Albert Schneider in der oben angeführten Weise am Fischen beteiligt war. Es handelte sich sodann bei dem durch den Gesuchsteller betriebenen Fischfang um Anwendung eines Fanggerätes, durch welches eine Verwundung oder Tötung der Fische herbeigeführt wurde. Der Richter hat die im Bundesgesetze betreffend die Fischerei in Art. 31, Ziffer 2, vorgesehene Minimalbusse ausgefällt. Der Vater des Gesuchstellers ist nach den Akten als Verfertiger von ,,Schletzangelna, wie sie hier zur Anwendung kamen, sowie als Jagd- und Fischfrevler bekannt^ und da der Gesuchsteller sich wiederholt des Fischfrevels schuldig gemacht hat und seine Armut ausdrücklich vom Richter bei der Ausfällung des Strafmasses berücksichtigt wurde, rechtfertigt sich ein Erlass der auferlegten Geldbusse keineswegs.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Albert Schneider abzuweisen.

23. Eugen Lochmann, geb. 1887, Fabrikarbeiter, Rue Rothschild 51, Genf.

(Nichtbezahlung der Militärsteuer.)

Eugen Lochmann, der im Monat August 1913 an seinem frühern Wohnort in Nyon die zwei gesetzlichen Mahnungen zur Bezahlung seiner Militärpflichtersatzsteuer für das Jahr 1911 erhalten hatte, wurde an seinem nachherigen Wohnsitz in Genf am 18. Oktober gleichen Jahres wegen Nichtbezahlung dieser Steuer auf 7. November 1913 vor den Polizeirichter von Nyon geladen. Fünf Tage vor dem Gerichtstermin -- am 2. November 1913 -- bezahlte er an den Sektionschef in Genf den schuldigen Steuerbetrag; der letztere unterliess es aber, den Sektionschef von Nyon hiervon zu benachrichtigen. Lochmann selbst machte den Gerichtsbehörden über die erfolgte Zahlung keinerlei Mitteilung und blieb am Verhandlungstag aus. Infolgedessen wurde or vom Richter zu zwei Tagen Polizeiarrest und zu den Kosten verurteilt.

Der Gesuchsteller ersucht nun um Begnadigung und macht geltend, er habe bei seiner Abreise von Nyon sein Dienstbüchlein dort zurückgelassen, und seine mit der Zahlung beauftragte Mutter habe dieselbe nachher nicht leisten können, weil der Sektionschef sein Militärdienstbüchlein nicht gefunden habe.

Diesen Angaben ist insoweit Glauben zu schenken, als sich aus den < Einträgen im Dienstbüchlein ergibt, dass Lochmann

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gleichzeitig mit seiner Anmeldung beim Sektionschef in Genf auch den schuldigen Steuerbetrag bezahlte. Da die Steuerzahlung somit fünf Tage vor der Ausfällung des Urteils erfolgte, rechtfertigt es sich, nach bisheriger Praxis, dem Lochmann die Strafe zu erlassen.

A n t r a g : Es sei die dem Eugen Lochmann auferlegte Strafe in Gnaden zu erlassen.

24. Johann Studerus, geb. 1863, Sticker in Unterlöhren (Wittenbach), Kanton St. Gallen.

(Fischereivergehen.)

Johann Studerus lag am 6. Juli 1911, vormittags, an der Sitter, oberhalb des Steges bei der Winterburg, dem Fischfang ob. Zwei in jener Gegend beschäftigte Holzfäller hörten um 10'/2 Uhr einen dumpfen, wie von einem Dynamitschuss herrührenden Knall und sahen vom Rande des Gehölzes herab, wie in der Sitter ein Mann im Wasser stand, der Fische sammelte und ans Land warf. Sie erkannten in ihm den obgenannten Studerus. Auf ihre Annäherung hin hatte derselbe eine Fischrute ergriffen ; einen Fisch hatte er in der rechten Hosentasche, während einzelne tote Fische teils noch im Wasser schwammen, teils auf dem Ufer lagen. Studerus erklärte, er habe als Fischer die Pflicht, die kranken Fische zu sammeln ; von einem Schusse habe er nichts gehört.

Studerus, der ein Fischereipatent besitzt, verzeigte selbst den Vorfall der Polizei, worauf ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Nach längerem Leugnen gestand er schliesslich, er habe mit seinem Ordonnanzrevolver auf einen Alletfisch geschossen. Die übrigen erwähnten Fische seien aber schon vorher betäubt gewesen.

Da das Gericht den Beweis, dass Studerus in Anwendung eines Dynamitschusses gefischt und derart getötete Fische gesammelt habe, nicht als erbracht ansah, wurde er auf Grund seines Geständnisses vom Bezirksgericht Gossau, gestützt auf Art. 5, Ziffer 2, Art. 31, Ziffer 2, des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1888 wegen Anwendung von Schiesswaffen beim Fischfang zu Fr. 150 Geldbusse und zu den Kosten des Verfahrens Fr. 96. 20 verurteilt.

224 Durch seine Frau ist an den ßussenbotrag bis dahin eine Abzahlung von Fr. 80 erfolgt, und er und seine Frau ersuchen nun um Erlass des Restes der Busse durch Begnadigung. Sie machen geltend, dass infolge dos schlechten Geschäftsganges in der Stickerei die Familie in die äusserste Not geraten sei.

Studerus selbst sei infolge von Lungenkrankheit nicht mehr voll arbeitsfähig, eine Tochter sei ihnen kürzlich an der nämlichen Krankheit gestorben und der Sohn müsse infolge einer Hüftgelenkentzündung an Stöcken gehen.

Das Bezirksamt Gossau bestätigt diese Angaben des Studerus und befürwortet dessen Begnadigung. Die Staatsanwaltschaft, sowie das Justi/.departement des Kantons St. Gallen schliessen sich aus den nämlichen Gründen diesem Antrage an. Ein Bericht des Gemeinderates Wittenbach steht noch aus.

Studerus ist wegen Jagdfrevels fünfmal und wegen Fischfrevels einmal vorbestraft. Diese Umstände, sowie das Verhalten des Gesuchstellers in der Strafuntersuchung wurden bei der Ausmessung der Strafe vom Gericht gebührend in Berücksichtigung gezogen und rechtfertigen auch die Abweisung' des Begehrens um Ermässigung trotz der vorgebrachten Kommiserationsgrüudo.

A n t r a g : Es sei das Gesuch des Johann Studerus abzuweisen.

25. William Vautier, Commis in Genf.

(Nichtbezahlung der Militärsteuer.)

Bericht siehe Bundesbl. 1913, Bd. 3, S. 279. Die Bundesversammlung hatte am 12. Juni 1913 diesbezüglich folgenden ßeschluss gefasst: Die Behandlung dieses Gesuches wird auf die nächste Tagung der Bundesversammlung zurückgelegt.

26. Peter Jossi, geb. 1874, Zimmermann in Grindolwald.

(Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz.)

In den Wintern 1911/12 und 1912/13 wurden in Grindelwald in der nächsten Umgebung des Hotel Glacier durch verschiedene Personen mehrere vergiftete Füchse aufgefunden. Peter Jossi traf im Jahre 1912 einen solchen im Bereiche der Lütschino, nahe bei seinem Hause, balgte ihn aus und verkaufte das Fell.

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In einer Strafuntersuchung wegen Diebstahls verzeigte sodann ein Angestellter seinen frühern Dienstherrn (Hotelier Jaquiery) und zwei andere Personen dem Untersuchungsrichter wegen Giftlegens gegen Füchse. Weitere Personen, unter ihnen auch der Gesuchsteller, wurden dabei wegen Verkaufes von gefreveltem Wild in die Untersuchung einbezogeri. Der Gerichtspräsident von Interlaken hielt jedoch den Beweis für nicht genügend, und sämtliche Angeklagten wurden freigesprochen. Auf eine teilweise Appellation der Staatsanwaltschaft wurde dann jedoch mit ändern auch Peter Jossi am 20. September 1913 durch die l. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern wegen Verkaufs von gefreveltem Wild zu Fr. 40 Geld busse und den Kosten verurteilt.

Jossi ersucht nunmehr um Erlass der Strafe durch Begnadigung, da er den toten Fuchs in guten Treuen an sich genommen und keine Absicht gehabt habe, einen Wildfrevel zu begehen; er könne sich über einen in jeder Beziehung guten Leumund ausweisen. Diese Gründe hat er auch mit einem Memorial der Appellationsinstanz vorgebracht.

Der vorliegende Fall betrifft ein Polizeidelikt, dessen Bestrafung eine böse Absicht und ausdrückliche Gesetzeskenntnis nicht erfordert, da vielmehr das strafbare Handeln auch schon das subjektive Verschulden in sich schliesst. Der bis dahin gute Leumund des Jossi berührt dessen strafbares Verschulden aus dem Verkauf des gefrevelten Fuchses in keiner Weise.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Peter Jossi abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 28. November

1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmami.

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1913). (Vom 28. November 1913.)

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03.12.1913

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