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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 2. Juni 1913, nachmittags 41/2 Uhr, zur ordentlichen Sommersession zusammengetreten.

Als neue Mitglieder sind erschienen : Im Nationalrat.

S c h e n k e l , Johannes, Professor, in Winterthur.

Im Ständerat.

R o b e r t , Paul, Industrieller, in Fontainemelon.

Im Nationalrat eröffnete Herr Präsident Spahn die Session mit folgenden Worten : Meine Herren Nationalräte !

In der kurzen Frist, die uns von der letzten Frühjahrssession trennt, hat der unerbittliche Tod abermals bei den eidgenössischen Räten Einkehr gehalten und zwei ihrer Mitglieder abberufen.

Samstag den 10. Mai verschied in Baar Herr Ständerat und alt Landammann Dr. Joseph Leonz S c h m i d . Einer im Lande Zug hoch angesehenen Familie entsprossen, deren Angehörige schon wiederholt die höchsten Ehrenstellen des Kantons verwaltet hatten, widmete sich der Verstorbene nach gründlichem Studium der Rechtswissenschaft und nachdem er kurze Zeit als Anwalt tätig gewesen war, ebenfalls der politischen Laufbahn. Schon mit 25 Jahren zum Mitglied des Kantonsrates gewählt, dem er bis zu seinem Tode angehört hat, bekleidete Dr. Schmid nacheinander verschiedene Ämter seiner Heimatgemeinde und des Kantons Zug. Während beinahe 20 Jahren, von 1889--1908, gehörte er dem Regierungsrate an. Zahlreich sind die Schöpfungen und Werke, mit denen der Name Schmids aufs engste verknüpft ist und denen er das Gepräge seines Geistes und seiner Lebensauffassung aufgedrückt hat. Ganz besondere Verdienste hat er

39.1 sich um die Staatsfinanzen seines Kantons erworben, deren Obhut ihm lange Zeit anvertraut war. Er ist der Schöpfer des 8teu,ergesetzes, dem auch politische Gegner das Prädikat eines gerechten und fortschrittlichen Werkes zuerkannt haben.

In früheren Jahren war Schmid als der anerkannte und hochgeschätzte Führer der konservativen Partei in den politischen Kämpfen in hervorragendster Weise beteiligt. Sein scharfer Verstand, die gediegene Bildung, ein integrer Charakter, dessen religiöse und politische Grundsätze tief in seiner ganzen Weltanschauung wurzelten, machten ihn zum Führer und erwarben ihm beim Zuger Volke und auch über die Kantonsgrenzen hinaus hohes Ansehen. Seine Verdienste um den Kanton, und sein Rechtlichkeitsgefühl verschafften ihm auch die Anerkennung des politischen Gegners.

Schon in den Achtzigerjahren, von 1883--1886, gehörte Schmid dem Ständerate an. Am 25. April 1909 übertrug ihm das Zugervolk neuerdings dieses Mandat, dessen Ausübung ihm leider nur wenige Jahre vergönnt sein sollte. In allen seinen Ämtern hat Schmid sich leiten lassen von dem Wunsche der ihn beseelte, seinem Volke und Staate zu nützen, dessen Wohlfahrt und Gedeihen zu fördern.

Kaum hatte sich das Grab über Ständerat Schmid geschlossen, als aus Bern die erschütternde Nachricht sich mit Windeseile verbreitete, Bundesrat Louis Perrier sei in der Morgenfrühe des 16. Mai der Lungenentzündung erlegen, die ihn wenige Tage zuvor ergriffen hatte. Überall im Schweizerlande gaben sich Bestürzung und Trauer über den jähen Hinschied des beliebten und sympathischen Magistraten kund, den man noch bis vor wenigen Tagen für kerngesund gehalten und frisch an der Arbeit gesehen hatte.

Louis Perrier wurde am 22. Mai 1849 in Neuenburg geboren.

In Stuttgart und Zürich widmete er sich dem Studium der Architektur. Nach vorzüglich bestandenem Diplomexamen kehrte er nach Neuenburg zurück und war mit grossem Erfolge in seinem Berufe tätig. Während 25 Jahren hatte er die Leitung der von ihm begründeten Société technique inné, bei deren zahlreichen Arbeiten sein praktischer Sinn, wie seine feine, künstlerische Bildung ein weites Feld der Betätigung fanden.

Neben seiner beruflichen Wirksamkeit widmete sich Perrier mit grosser Liebe dem Militärdienste. Seine glänzende militärische Laufbahn legte Zeugnis ab von seinen Fähigkeiten und Charakter-

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eigenschaften, die ihm bei seinen Landsleuten Anerkennung und Achtung verschafften.

Verhältnismässig spät trat Perrier in das politische Leben ein. In verschiedenen Stellen, die ihm Gemeinde und Kanton übertrugen, schulte er sich für das Amt, in welchem er seinem Heimatkanton die grössten und wertvollsten Dienste geleistet hat.

Im Jahre 1903 in die Regierung berufen, hat er als Baudirektor eine ausgedehnte und erfolgreiche Tätigkeit entfaltet. Die für seinen Heimatkanton hochwichtigen Eisenbahnfragen fanden in ihm einen ebenso fachmännischen Beurteiler als energischen und umsichtigen Verfechter. Die Vorbereitungen für den Übergang des Jura Netichâtelois an den Bund sind in der Hauptsache sein Werk.

In der gleichen Richtung bewegte sich vornehmlich auch die Tätigkeit Perriers, als er im Jahre 1902 in den Nationalrat gewählt worden war. Ohne sich her vorzudrängen, was seiner bescheidenen und einfachen Natur zuwider gewesen wäre, wusste er sich doch mit der Zeit Ansehen und Einfluss im Rate zu verschaffen. Auf dem Gebiete des Militärwesens und in Eisenbahnsachen wurde er in die wichtigsten Kommissionen berufen; so in die Kommission für die Militärorganisation, für die neue Truppenordnung, die Organisation des Festungswesens und die Neuordnung der Feldartillerie, ferner in die Bundesbahnkommission und in diejenige für Rheinkorrektion und Rheinschifffahrt. Überall hat Perrier mit seinem grossen fachmännischen Wissen, seinem gesunden, treffenden Urteil und mit seiner reichen Erfahrung die schätzenswertesten Dienste"geleistet.

Im persönlichen Verkehr war er von gewinnender Liebenswürdigkeit. Diese und sein feiner Takt gewannen ihm bald Aller Herzen. Man empfand wohltuend die glückliche harmonische Veranlagung seines ganzen Wesens.

Am 12. März 1912 wurde Perrier von der Bundesversammlung in den Bundesrat berufen. Das Schicksal hat ihm nicht vergönnt, lange seines neuen und verantwortungsvollen Amtes zu walten. Aber eines war auch während der kurzen Zeit seiner Tätigkeit im Bundesrate mit Sicherheit zu konstatieren, dass Louis Perrier ein vorzügliches, pflichtgetreues und arbeitsfreudiges Mitglied unserer obersten Landesbehörde war, von dessen weiterern Wirken schöne und segensreiche Früchte zu erwarten gewesen wären. Es ist an seinem Grabe wiederholt und dankbar anerkannt worden, wie sehr man gerade seine Tätigkeit im Departe-

593 ment des Innern, das wie für ihn geschaffen schien, geschätzt hat und wie grosse Hoffnungen auf sein ferneres Wirken auf diesem Arbeitsfelde gesetzt wurden. Der Tod hat einem reichen, dem Vaterlande in treuer Pflichterfüllung geweihten Leben ein leider allzufrühes Ziel gesetzt.

Meine Herren Nationalräte!

Bewahren wir den beiden Verstorbenen ein freundliches Andenken und eine dankbare Erinnerung an alles das, was sie dem Vaterlande geleistet haben.

Ich ersuche Sie, sich zu Ehren der beiden Dahingeschiedenen von Ihren Sitzen zu erheben.

Im Ständerat hielt Herr Präsident Kunz bei der Sessionseröffnung folgende Ansprache : Ein unerbittliches Schicksal hat es gewollt, dass wir auch diese Session wieder mit einer Trauerkundgebung beginnen müssen.

In den Morgenstunden des 10. Mai ist in seinem Heimatort Baar S t ä n d e r a t Dr. S c h m i d , wenn auch nicht ganz unerwartet, so doch nach menschlichem Ermessen allzufrüh, verstorben. Die Botschaft vom Hinscheide unseres Kollegen hat sowohl in seiner engern Heimat als auch namentlich in den Kreisen der Bundesversammlung aufrichtige Trauer erweckt, und wir entbieten auch von dieser Stelle aus der schwergeprüften Trauerfamilie, sowie der Bevölkerung der Gemeinde Baar und des Kantons Zug unser herzliches Beileid.

Dr. Schmid wurde im Jahre 1854 geboren und entstammte einer angesehenen Familie, von welcher bereits zwei Vorfahren (der Vater und der G-rossvater des Verstorbenen) der Regierung des Kantons Zug angehörten. Seine G-ymnasialstudien absolvierte der Verstorbene in Feldkirch, um dann an der Universität Löwen in Belgien die Jurisprudenz zu studieren und mit dem Doktorexamen abzuschliessen. Nach Vollendung seiner Studien eröffnete er im Jahre 1879 in seiner Heimatgemeinde Baar ein Advokaturbureau, ohne indessen an der Anwaltspraxis grosse Befriedigung zu finden.

Dank tüchtiger juristischer Studien und einer allseitigen gründlichen Bildung einerseits, sowie einer treuen Anhänglichkeit an die Traditionen des Elternhauses anderseits stellte Schmid

594 schon frühe seine Kräfte in den Dienst der Öffentlichkeit. Bereits mit 25 Jahren war er Mitglied des Kantonsrates, dem er volle 33 Jahre als eines der einflussreichsten Mitglieder angehörte. Im Jahre 1889 erfolgte seine Wahl in den Regierungsrat des Kantons Zug, in welcher Behörde er zuerst als Vorsteher des Finanzwesens und sodann als Erziehungs- und Kultusdirektor während 20 Jahren dem Lande wertvolle Dienste geleistet hat.

Dem schweizerischen Ständerate gehörte er ein erstes Mal in der Periode 1883--1886 und sodann wieder vom Jahre 1909 bis zu seinem Tode als Vertreter des Standes Zug an.

Wenn wir weiter in Berücksichtigung ziehen, dass Ständerat Schmid auch seiner Heimatgemeinde Baar in verschiedenen öffentlichen Stellungen gedient hat, so kann ihm an seinem Grabe das Zeugnis nicht versagt werden, dass er die besten Jahre seines Lebens in treuer und fruchtbarer Arbeit dem Wohle seiner Mitmenschen geopfert hat.

Dr. Schmid ist als Hedner und Parlamentarier im Ständerat nicht stark hervorgetreten, was wohl als die Folge seines bescheidenen, anspruchslosen Wesens zu erklären ist. Er gehörte der katholisch-konservativen Partei an, auf deren rechtem Flügel er schon früh eine einflussreiche Stellung einnahm und deren Führer er im Kanton Zug bis zu seinem Tode blieb. Als überzeugungstreuer Katholik hat er mit der ihm eigenen Zähigkeit und Ausdauer die politisch-religiösen Ziele seiner Partei verfochten und sich damit ein dankbares Andenken in den Herzen des katholischen Schweizervolkes gesichert.

Wir betrauern in Dr. Schmid einen pflichtgetreuen, liebenswürdigen Kollegen von tadellosem Charakter, der allezeit mit dem Mut seiner Überzeugung einstand für das, was er als richtig anerkannte, der aber auch der Meinung anderer volle Gerechtigkeit widerfahren liess und sich damit an seiner Bahre auch die Anerkennung des politischen Gegners erworben hat.

Kaum hatte sich das Grab über unserm Kollegen Dr. Schmid geschlossen, als am 16. Mai die schmerzliche Kunde von dem Hinscheide des Herrn Bundesrat L o u i s P e r r i e r das Schweizerland durcheilte und überall aufrichtige Trauer und herzliches Beileid erweckte.

Bis wenige Tage vor seinem Tode stand Perrier in der Vollkraft seines Lebens unter uns, voll Aufopferung und Hingabe für das hohe Amt, welches ihm die Bundesversammlung durch die Wahl in den Bundesrat übertragen hatte ; ein pflichtgetreuer.

595 Magistrat, eia treuer Freund seinen Freunden, so wirkte er unter uns, als ihn plötzlich eine tückische Krankheit im Sturme dahinraffte -- wir aher standen an seiner Bahre unter dem überwältigenden Eindruck des schweren Verlustes, der uns alle tief erschüttert hat.

Heute ist die laute Klage verstummt, aber es bleibt uns die dankbare, wenn auch schmerzliche Pflicht zu erfüllen übrig, das Andenken an den Verstorbenen zu ehren und auch an dieser Stelle nochmals in kurzen Zügen sein Lebensbild zu zeichnen.

Bundesrat Louis Perrier wurde im Jahre 1849 in seiner Vaterstadt Neuenburg geboren, woselbst sein Vater den Beruf eines Architekten ausübte. Nach Absolvierung seiner Schulbildung entschloss er sich für den Beruf seines Vaters, und nach sorgfältigen Studien an den technischen Hochschulen von Stuttgart und Zürich erwarb er sich an letzterer Anstalt mit Auszeichnung das Diplom als Architekt. Eine zweijährige Tätigkeit im internationalen Bureau für Mass und Gewicht in Sèvres trug weiter bei, seine Kenntnisse und Erfahrungen zu bereichern, worauf er dann im Jahre 1879 sich als Architekt in seiner Vaterstadt Neuenburg niederliess und sich nach sehr kurzer Zeit Vertrauen und Anerkennung in seine beruflichen Kenntnisse zu verschaffen wuuste. Von seiner grossen Befähigung und seinem feinen Verständnis für die Baukunst legen eine Reihe von Bauwerken der Stadt und des Kantons Neuenburg beredtes Zeugnis ab, und es ist deshalb verständlich, wenn Perrier in der mehr als 20jährigen Tätigkeit als Architekt einen Ruf erwarb, der weit über die Grenzen seines Heimatkantons hinausreichte und ihm unter anderm die Wahl in die Aufsichtsbehörde unserer eidgenössischen technischen Hochschule eintrug. Diese allgemeine Anerkennung seiner Befähigung in Verbindung mit vorzüglichen Charaktereigenschaften brachte es mit sich, dass Perrier, wenn auch erst in gereiftem Mannesalter, von seinen Mitbürgern in den Dienst der Öffentlichkeit berufen wurde.

In den Jahren 1888 und 1889 wurde Perrier in den Stadtrat von Neuenburg und in den Grossen Rat des Kantons gewählt.

In diesen beiden Behörden hat er sieh rasch in solcher Weise ausgezeichnet, dass er im Jahre 1902 in den schweizerischen Nationalrat gewählt und im darauffolgenden Jahre in den Staatsrat des Kantons Neuenburg berufen wurde. In diesen beiden Stellungen hat er sowohl seinem Heimatkanton, als auch dem übrigen Vaterland grosse und wertvolle Dienste geleistet und sich damit die ungeteilte Achtung und Anerkennung erworben.

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Wenn wir noch hinweisen auf die glänzende militärische Karriere, welche Oberst Perrier durchlaufen hat, so ist mit diesem kurzen Abriss aus seinem Leben auch die Begründung gegeben, welche im März 1912 für seine Wahl in den schweizerischen Bundesrat ausschlaggebend war.

In der schlichten Einfachheit seines Äussern war Louis Perrier eine vornehme Erscheinung, ein Mann von edler Gesinnung und goldlauterem Charakter, ein pflichttreuer, loyaler Magistrat, ein aufrichtiger Freund und ein treuer Sohn seiner engern und weitern Heimat.

Während ein imposanter Leichenzug von Kollegen, Mitgliedern der Bundesbehörden und Freunden ihn hinausgeleitete zu seiner letzten Ruhestätte auf dem idyllischen Friedhofe von Serrières, da stand das Volk des Kantons Neuenburg zu Tausenden in tiefernster Trauer am Wege, um seinem geliebten und allseitig verehrten Mitbürger ein letztes Mal die verdiente Ehrung zu erweisen, das schönste Zeugnis demokratischen Dankes einesVolkes.

Ein reichbetätigtes Menschenleben hat mit Bundesrat Louis Perrier einen unerwartet raschen, aber verdienstvollen Abschluss gefunden. Sein vorbildlicher Charakter, seine hervorragenden Bürgertugenden und seine private und öffentliche Tätigkeit haben ihm ein dauerndes, dankbares Andenken in den Herzen des Schweizervolkes gesichert.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 30. Mai 1913.)

Den nachgenannten Eisenbahnkonzessionen werden folgende Fristverlängerungen gewährt : 1. der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn : zwei Jahre, d. h. bis 15. April 191.5 ; 2. der Randenbahn: sechs Jahre, d. h. bis 1. Juli 1919; 3. der Schmalspurbahn Vex-Evolène-Les Haudères : drei Jahre, d. h. bis 1. Mai 1916.

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11.06.1913

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