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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die am 17. Januar 1912 in Paris abgeschlossene internationale Übereinkunft betreffend Schutzmassnahmen gegen.

Cholera, Pest und Gelbfieber.

(Vom 7. Juni 1913.)

Tit.

I.

Die Grundsätze der internationalen Bekämpfung der exotischen Seuchen sind im Laufe der Zeit in verschiedenen internationalen Abkommen niedergelegt worden, zuletzt in der von Ihnen am 30. März 1905 genehmigten Übereinkunft von Paris vom 3. Dezember 1903. Wir haben bereits in unserer Botschaft vom 12. Dezember 1904 (Bundesbl. 1904, Bd. VI, S. 453) die Vorgeschichte dieser Übereinkunft behandelt, so dass wir zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Botschaft verweisen können. Nur daran sei erinnert, dass während die frühern Vereinbarungen sich jeweilen nur auf eine einzige Seuche, die Pest oder die Cholera, bezogen, die Übereinkunft von 1903 beide zusammen, sowie das gelbe Fieber umfasste, und so gewissermassen das erste, allgemeine internationale Seuchengesetz darstellte.

Trotz aller Bemühungen wird die internationale Seuchenbekämpfung niemals auf endgültige Vollkommenheit Anspruch erheben dürfen. Stets wird sie den neuen Errungenschaften der Wissenschaft Rechnung zu tragen haben so dass die zu ihrer Durchführung vereinbarten internationalen Abkommen von Zeit zu Zeit einer Durchsicht unterzogen werden müssen. Dazu kommt, dass mit der Zunahme des Verkehrs auch die Gefahr der Ver-

511 schleppung dieser Seuchen vom Ursprungsherd aus zunimmt, dass infolgedessen die Völker unseres Erdballs durch dieselben mehr und mehr bedroht sind und daher auch das Bedürfnis empfinden, die internationalen Vereinbarungen zu deren Abwehr stets wirksamer zu gestalten.

Von solchen Erwägungen ausgehend fand die französische Regierung, dass die an der Pariser Konferenz vom Jahr 1903 vereinbarten Schutzmassnahmen den Anforderungen der Wissenschaft und des gesteigerten Verkehrs heute nicht mehr vollständig genügen und dass daher der Zeitpunkt gekommen sein dürfte, eine Abänderung derselben vorzunehmen. Sie beschloss daher, nachdem sie sich durch eine vorausgegangene Anfrage des Einverständnisses der verschiedenen Regierungen versichert hatte, eine neue i n t e r n a t i o n a l e K o n f e r e n z nach Paris behufs Abänderung der Übereinkunft von 1903 einzuberufen mit der Aufgabe, die Bestimmungen der letztern mit den Anforderungen der Wissenschaft und der Erfahrung in Einklang zu bringen.

II.

Der Zusammentritt dieser Konferenz war ursprünglich für den 26. Mai 1911 in Aussicht genommen worden, musste jedoch infolge verschiedener Umstände sowie auf Wunsch einiger Staaten verschoben werden, so dass die Konferenz erst am 7. November 1911 in Gegenwart der Abgeordneten folgender 41 Staaten eröffnet werden konnte: Vereinigte Staaten von Nordamerika, Argentinische RepublikBelgien, Bolivia, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Columbia, Costa-Rica, Cuba, Dänemark, Deutsches Reich, Ecuador, Frank, reich, Griechenland, Grossbritannien, Guatemala, Haiti, Honduras, Italien, Luxemburg, Mexiko, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich-Ungarn, Panama, Persien, Portugal, Rumänien, Russland, Salvador, Schweden, Schweiz, Serbien, Siam, Spanien, Türkei, Ägypten und Uruguay.

Die Schweiz war an der Konferenz durch unsern Gesandten, Herrn Dr. jur. Ch. Lardy, in Paris, sowie durch den Vorsteher unseres Gesundheitsamtes, Herrn Dr. Fr. Schmid, vertreten, welche beide infolge ihrer Teilnahme an den frühern Konferenzen zur Übernahme dieses Auftrags ganz besonders geeignet waren.

Während an der Konferenz von 1903 die Abgeordneten von bloss 24 Staaten teilnahmen, waren an derjenigen von 1911 beinahe doppelt so viele Staaten vertreten, ein schlagender Beweis,

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wie sehr der Gedanke gemeinsamer und einheitlicher Seuchenbekämpfung im Laufe der letzten Jahre an Boden gewonnen hat, Es ist dies unseres Erachtens eine sehr erfreuliche Tatsache.

In der von Herrn de Selves, dem französischen Minister des Äussern, geleiteten Eröffnungssitzung wurde Herr Barrerò, der französische Botschafter in Rom und das Haupt der französischen Abordnung, zum Vorsitzenden der Konferenz ernannt.

In der zweiten allgemeinen Sitzung wurde sodann das für die Verhandlungen aufgestellte Programm genehmigt, nachdem die Bevollmächtigten der einzelnen Staaten den Standpunkt und die Wünsche ihrer Regierungen auseinandergesetzt und die nach ihrem Dafürhalten beachtenswertesten Programmpunkte hervorgehoben hatten : Dieses K o n f e r e n z p r o g r a m m lautete wie folgt: A l l g e m e i n e M a s s n a h m e n . Besprechung der nach dem heutigen Stand der Wissenschaft bekannten und angezeigten Mittel zur Bekämpfung der Cholera, der Pest und des Gelbfiebers anhand eines vom Internationalen Gesundheitsamt in Paris auf Verlangen der französischen Regierung erstatteten Berichtes.

P e s t und C h o l e r a . 1. Genauere Festsetzung derjenigen Massnahmen, die auf Grund der von der Konferenz anerkannten wissenschaftlichen Tatsachen geeignet sind, die Einschleppung und Verbreitung der Cholera und der Pest, beziehungsweise ihrer Krankheitserreger, zu Wasser und zu Lande zu verhindern, und zwar: a. in den Ländern, wo Cholera und Pest heimisch sind; b. in den Ländern oder Ortschaften, wo eine Cholera- oder Pestepidemie ausgebrochen ist 5 c. in denjenigen Ortschaften, wo vereinzelte Cholera- oder Pestfalle aufgetreten sind, seien dieselben eingeschleppt oder nicht.

2. Durchsicht der Bestimmungen der Übereinkunft von 1903 mit Bezug auf die von der Konferenz anerkannten wissenschaftlichen Tatsachen und die von ihr festgesetzten Schutzmassnahmen.

3. Prüfung der Mittel, die für eine raschere Meldung erwiesener erster Cholera- oder Pestfälle geboten erscheinen, und genaue Aufstellung aller Angaben, welche diese .Meldungen begleiten oder ihnen nachgesandt werden sollten.

4. Schlussfolgerungen, die sich für den Grenz- oder Schiffsverkehr der andern Länder aus allen den Massnahmen ergeben,

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die in einer verseuchten Ortschaft oder in einem verseuchten Bezirk am Lande oder bei der Abfahrt der Schiffe gegen die Cholera oder die Pest ergriffen worden sind, sofern diese Massnahmen bekannt, eigens mitgeteilt oder in Gesundheitsscheinen oder ähnlichen Schriftstücken, welche Reisende, Schiffe oder Passagiere vorweisen, vermerkt sind.

5. Besondere. Vergünstigungen, die den Ländern, wo Cholera oder Pest ausgebrochen ist, in Rücksicht einerseits auf die den Vertragsstaaten vorher mitgeteilte Organisation ihres Gesundheitswesens, anderseits auf die bei einem Pest- oder Choleraausbruch getroffenen Bekämpfungsmassnahmen hinsichtlich ihrer Herkünfte zu gewähren sind.

6. Sondermassnahmen, welche durch die Erstellung kürzerer Verkehrswege nach Gebieten mit ständigen Cholera- oder Pestherden für die andern Länder erforderlich werden.

7. Besondere Massregeln, die in normalen Zeiten oder im Falle eines Seuchenausbruchs bei massen- oder truppweisen Wanderungen oder Fahrten zu beobachten sind.

8. Vergünstigungen gegenüber Schiffen oder Passagieren aus choiera- oder pestverseuchten Häfen, Ortschaften oder Gebieten, sofern : a. die Bauart der Schiffe und die Verstauungsart der Ladung die Desinfektions-, Rattenvertilgungs- und sonstigen Sanitätsmassregeln erleichtern-; o. besondere sanitarische Einrichtungen und ein besonderes geschultes Sanitätspersonal an Bord vorhanden sind; e. Schutzmassnahmen während der Fahrt unter gewissen Umständen und nach bestimmten Grundsätzen durchgeführt worden sind.

9. Festsetzung der Bedingungen, unter denen Sonderabkommen zwischen aneinandergrenzenden oder in nicht zu weiter Entfernung an das gleiche Meer anstossenden Staaten abgeschlossen werden dürfen.

G e l b f i e b e r . 1. Sollen die gegen dasselbe aufzustellenden Vorschriften für alle Länder gelten oder nur für diejenigen, wo Stegomya fasciata vorkommt?

2. Genauere Umschreibung der Begriffe : ,,gelbfieberverseuchte" und ,,gerbfieberfreie" Bezirke.

3. Genauere Fassung der Begriffe : ,,gelbfieberverseuchte, -verdächtige und -reine Schiffe".

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4. Massnahmen gegenüber solchen Bezirken und solchen Schiffen.

5. Vorkehren zur Vernichtung der Stegomya an Bord verseuchter oder verdächtiger Schiffe, sowie zur Sicherung eines dauernden Schutzes gegen Mücken auf allen in Stegomyagegenden verkehrenden oder aus solchen stammenden Fahrzeugen.

6. Massnahmen gegenüber Schiffen, an deren Bord dort selbst entstandene Gelbfieberfälle aufgetreten sind.

Eine glückliche Neuerung war es, das i n t e r n a t i o n a l e G e s u n d h e i t s a m t in P a r i s , dessen Gründung eine Folge der Konferenz von 1903 gewesen ist, zur Mitwirkung an den Verhandlungen der Konferenz von 1911 heranzuziehen. Es war beauftragt worden, einen Bericht über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre und über die aus den jüngsten Erfahrungen der Seuchenlehre sich ergebenden Forderungen auszuarbeiten. Diese Vorarbeit hat die Konferenzverhandlungen wesentlich erleichtert und neuerdings bewiesen, welche hervorragenden Dienste das genannte Amt zu leisten berufen ist.

Übungsgemäss hat die Konferenz zu Beginn ihrer Verhandlungen drei v o r b e r a t e n d e K o m m i s s i o n e n ernannt, und zwar: 1. Eine technische oder Revisionskommission zur Prüfung der in Betracht fallenden sanitären Fragen und zur Aufstellung der notwendigen Revisionsvorschläge ; 2. eine Ausführungskommission (Commission des voies et moyens) mit der Aufgabe, die Mittel und Wege anzugeben, durch welche die vorgeschlagenen Abänderungsvorschläge ausgeführt werden können ; 3. eine Redaktionskommission zur endgültigen Fassung des Wortlauts der Übereinkunft.

Die t e c h n i s c h e K o m m i s s i o n unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Santoliquido, dem Vorsteher des italienischen Gesundheitswesens und Präsidenten des Aufsichtsrates des internationalen Gesundheitsamtes, zerfiel ihrerseits in drei S u b k o m m i s s i o n e n , eine Pest-, eine Cholera- und eine Gelbfieberkommission. Die Verhandlungen dieser drei Subkommissionen sind in interessanten Berichten niedergelegt, welche ein getreues Bild geben des Standes unserer Kenntnisse über diese gemeingefährlichen Seuchen, gegen welche die Konferenz gemeinsame Massnahmen vorzuschlagen hatte.

515 Die wichtigste Arbeit fiel hierbei unstreitig der C h o l e r a s u b k o m m i s s i o n zu. Da die bakteriologischen Choleraforschungen der letzten Jahre eine Reihe ganz neuer, sicher festgestellter Tatsachen ergeben haben, welche den Ausgangspunkt für weitere behördliche Massnahmen bilden, so erwuchs der Subkommission für Cholera in erster Linie die Aufgabe, die ·durch diese neuesten Forschungsergebnisse notwendig gewordenen weitern Massnahmen vorzuberaten und zum klaren Ausdruck zu bringen. Dabei waren es namentlich zwei Fragen, welche die Subkommission in den acht Sitzungen, die sie abhielt, beschäftigten.

Die erste betraf die sogenannten ,,Bazillenträger"1. Man versteht hierunter Personen, die, ohne krank zu sein oder verdächtige Krankheitserscheinungen darzubieten, in ihrem Körper Cholerakeime beherbergen und zeitweilig oder beständig absondern. Selbstverständlich können solche Bazillenträger, deren Vorhandensein und Bedeutung erst seit einigen Jahren bekannt und ermittelt sind, die Krankheit auf ihre Umgebung übertragen und so, ohne ·dass man sich dessen versieht, sehr gefährlich werden. Einige Mitglieder der Subkommission hätten nun gegenüber diesen Keimträgern, in denen sie die hauptsächlichsten, wenn nicht die einzigen Überträger der Cholera erblickten, sehr strenge Massregeln ergreifen und zu ihrer Ermittlung bei sämtlichen aus einer verseuchten Gegend herkommenden Reisenden die bakteriologische Stuhluntersuchung vorschreiben wollen. Gegen diesen Vorschlag, dessen Durchführung auf fast unüberwindliche Hindernisse gestossen wäre, erhoben sich aber zahlreiche Abgeordnete aus verschiedenen Staaten. Denn es würden durch derartige Vorschriften die Reisenden lange Zeit an der Grenze zurückbehalten und Übelstände gezeitigt, die nicht viel geringer wären, als die der alten, heutzutage abgeschafften Quarantänen, die niemand wieder einführen möchte. Schliesslich stimmte die Subkommission einem auch von unsern Vertretern befürworteten Antrag zu, wonach die bakteriologische Untersuchung der Stuhlentleerungen auf Choleravibrionen nur vorgenommen werden soll bei Personen aus der unmittelbaren Umgebung cholerakranker oder choleraverdächtiger Reisender.

Die zweite Frage, welche die Subkommission lange und eingehend beschäftigte, betraf die genauere F a s s u n g der Beg r i f f e ,,erwiesene*
und ,, v e r d ä c h t i g e " C h o l e r a f ä l l e , da eine solche für die richtige Durchführung der in der Übereinkunft vorgeschriebenen Massnahmen von der grössten Bedeutung ist. Schliesslich einigte man sich dahin, unter ,,erwiesenen11

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Cholerafällen solche zu verstehen, bei welchen die auf Grund klinischer und pathologisch-anatomischer Erscheinungen gestellte Choleradiagnose durch den bakteriologischen Befund bestätigt worden ist, dagegen als ,,verdächtige"1 Fälle solche zu bezeichnen, welche klinische Erscheinungen von Cholera darbieten, während in den Entleerungen Vibrionen nicht nachzuweisen sind.

Aus den weitern Verhandlungen der Subkommission sei noch hervorgehoben, dass man schliesslich allgemein zu der Ansicht gelangte, die früher vielfach angenommene Möglichkeit der Übertragung der Cholera durch Lebensmittel auf weitere Distanzen bestehe in Wirklichkeit nicht. Es konnte in der Tat keine einzige Beobachtung namhaft gemacht werden, die eine derartige Übertragung mit Sicherheit bewiesen hätte.

Da die betreffend die Übertragung der P e s t herrschenden Ansichten im Laufe der letzten Jahre wenig geändert haben, so konnte die zum Studium derselben eingesetzte Subkommission ihre Arbeiten ziemlich rasch beendigen. Dieselbe hat die heute klar erwiesene Tatsache anerkannt und der Pestbekämpfung zugrunde gelegt, wonach die an ßeulenpest, der gewöhnlichsten Erscheinungsform der Pest, leidenden Kranken für ihre Umgebung kaum gefährlich sind, sofern dafür gesorgt wird, dass eine Übertragung der Krankheitserreger durch Flöhe oder Wanzen nicht stattfinden kann. Auf der andern Seite wurde allgemein bestätigt, dass die unter dem Bild einer Lungenentzündung verlaufende Lungenpest in hohem Grade ansteckend ist, da die Übertragung hier durch die vom Kranken beim Husten ausgeschleuderten feinsten Flüssigkeitströpfchen erfolgt, was durch die Pestepidemie, die vor wenigen Jahren in der Mandschurei gewütet hat, ebenso schrecklich wie klar erwiesen worden ist. Endlich hat die Subkommission die wichtige Rolle, welche die Ratten und andere Nagetiere bei der Übertragung der Pest spielen, von neuem hervorgehoben.

Über die Arbeiten der für das G e l b f i e b e r eingesetzten Subkommission wollen wir keine Worte verlieren, da diese Seuche für unser Land nicht in Betracht fällt.

Die A u s f ü h r u n g s k o m m i s s i o n (Commission des voies et moyens) hatte, wie schon erwähnt, die Aufgabe, die Art und Weise der Durchführung derjenigen Massnabmen zu besprechen und näher festzustellen, welche sich bei den Beratungen der technischen Kommission als notwendig erwiesen hatten. Im allgemeinen ist dabei den Beschlüssen der technischen Köm-

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mission vollkommen Rechnung getragen worden. Einzig in bezug auf die Massnahmen an der Grenze wurde insofern eine Ausnahme gemacht, als man im Interesse des internationalen Verkehrs bei der alten Bestimmung blieb, dass an der Grenze einzig kranke oder verdächtige Reisende zurückgehalten werden dürfen, und es ablehnte, diese Massregel auf die nächste Umgebung oder die Begleiter des Kranken behufs Vornahme der bakteriologischen Stuhluntersuchung auszudehnen.

Die Untersuchung auf das Vorhandensein von Bazillenträgern, deren Nützlichkeit von der technischen Kommission anerkannt und empfohlen worden war und übrigens auch von der Ausführungskommission nicht bestritten wurde, muss demnach zu den internen Massnahmen, deren Ausführung ins Belieben der Gesundheitsbehörden eines jeden Landes gestellt ist. gerechnet werden.

Die Konferenz hat im ganzen acht allgemeine Sitzungen abgehalten und am 18. Dezember ihre eigentlichen Beratungen beendigt. Sie vertagte sich hierauf bis zum 15. Januar 1912, um dem Sekretariat und einem Kontrollausschuss die nötige Zeit einzuräumen, um den Wortlaut der neuen Übereinkunft festzustellen und dieselbe drucken zu lassen. Am 15. Januar 1912 trat die Konferenz wieder zusammen und nahm nach Genehmigung der vorgelegten Fassung in ihrer Schlusssitzung vom 17. Januar 1912 die Unterzeichnung der Übereinkunft vor.

Die Aufgabe der Konferenz von 1911 war wesentlich verschieden von derjenigen ihrer Vorgängerin. Hatte die letztere die Hauptaufgabe, die verschiedenen zur Abwehr der einzelnen Seuchen bis dahin abgeschlossenen internationalen Abkommen zu vereinigen und zu einer einzigen Übereinkunft zu verschmelzen, so lag der Konferenz von 1911 im wesentlichen ob, die Bestimmungen der Übereinkunft von 1903 auf ihre Abänderungsbedürftigkeit durchzusehen und mit den Ergebnissen der seitherigen wissenschaftlichen Forschungen und mit den Erfahrungen auf dem Gebiete der Seuchenlehre in Einklang zu bringen. Im Gegensatz zu unserer Botschaft vom 12. Dezember 1904 sehen wir deshalb heute von einer eingehenden Darstellung der einzelnen Bestimmungen der neuen Übereinkunft ab und beschränken uns darauf, kurz diejenigen Änderungen gegenüber der Übereinkunft von 1903 hervorzuheben, die unser Land näher berühren.

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in.

Statt der 184 Artikel der Übereinkunft von 1903 zählt diejenige von 1912 deren nur 160, die unter den fünf Titeln: Allgemeine Bestimmungen, besondere Bestimmungen für die Länder des Ostens und äussersten Ostens, besondere Bestimmungen betreffend die Pilgerfahrten, Überwachung und Ausführung, Beitritte und Ratifikationen, eingereiht sind. Die Übereinkunft von 1903 enthielt noch einen sechsten Titel, der aus einem einzigen, dem Gelbfieber gewidmeten Artikel, bestand, während die Übereinkunft von 1912 die auf das Gelbfieber bezüglichen Bestimmungen gleichzeitig mit denjenigen über Pest und Cholera unter den fünf übrigen Titeln behandelt. Da aber das Gelbfieber für uns keine praktische Bedeutung besitzt, so übergehen ·wir alle auf dasselbe sich beziehenden Neuerungen.

Der Titel I: .^Allgemeine Bestimmungen"1 berührt unser Land am meisten, da er alle die Massnahmen umfasst, die in Europa gegen die Pest und die Cholera ergriffen werden müssen, und so tatsächlich ein für uns verbindliches Seuchengesetz darstellt. Dieser Titel ist von der Konferenz am meisten abgeändert worden. So ist schon A r t i k e l l, der die Auzeigepflicht ordnet, schärfer als früher gefasst, um die Anzeigen pünktlicher und damit auch erfolgreicher zu gestalten. Während 1903 die Regierungen aufgefordert wurden, ,,von dem ersten Auftreten erwiesener Pest- oder Cholerafälle" auf ihrem Gebiet den übrigen Staaten jeweilen sofort Anzeige zu machen, wobei es ihnen überlassen blieb, wie sie den etwas dehnbaren Ausdruck .,,von dem ersten Auftreten erwiesener Fälle" auslegen wollten, verlangt die neue Übereinkunft ausdrücklich, dass schon ,, d e r e r s t e erw i e s e n e Fall" angezeigt werde. Was dabei unter erwiesenen Fällen zu verstehen ist, geht aus den schon erwähnten Verhandlungen der Cholerasubkommission hervor, wonach erwiesene Fälle solche sind, bei welchen die auf Grund klinischer und pathologisch-anatomischer Erscheinungen gestellte Diagnose durch den bakteriologischen Befund bestätigt worden ist.

In A r t i k e l 2 sind die verlangten Auskünfte, die der Anzeige beizufügen oder nachzusenden sind, in verschiedener Hinsicht vermehrt worden, insbesondere durch Angaben über die Ausdehnung des ergriffenen Bezirks.

Während im alten A r t i k e l 6 besondere Vereinbarungen zur Einrichtung eines direkten Nachrichtenaustausches bloss vorbehalten waren, wird ein solcher nunmehr geradezu gewünscht.

519 In A r t i k e l 7, der die Bedingungen festsetzt, unter welchen ein Bezirk als verseucht erklärt wird, wurde der letzte Absatz abgeändert, um den Regierungen mehr Spielraum beim Erlass ihrer Massnahmen zu gewähren und ihnen zu gestatten, die letzteren der jeweilen vorhandenen Einschleppungsgefahr besser anzupassen. Derselbe bestimmt nunmehr, dass in dem Falle, wo mehrere nicht eingeschleppte Pestfälle vorgekommen sind, oder wo die Cholerafälle einen Herd bilden, der betreffende Bezirk als verseucht erklärt werden k a n n , während der frühere Text in dieser Hinsicht kaum Wahl liess, sondern die Verseuchungserklärung geradezu vorschrieb. Wie die Fussnote zum Artikel sagt, besteht ein Choleraherd dann, wenn das Auftreten von Cholerafällen ausserhalb der Umgebung des oder der ersten Fälle beweist, dass es nicht gelungen ist, die Weiterverbreitung der Krankheit an der Stelle ihres ersten Auftretens zu verhindern.

Wir halten die durch diese Abänderung den Regierungen eingeräumte grössere Bewegungsfreiheit für 1 eine glückliche Neuerung, um so mehr, als sie der von unserm Gesundheitsamt schon bisher geübten Praxis entspricht.

Der Wortlaut von A r t i k e l 9, der die Bedingungen angibt, unter denen ein Bezirk nicht mehr als verseucht angesehen wird, ist nicht abgeändert worden; wohl aber ist die Fussnote, welche den Begriff der Absonderung erläuterte, weil überflüssig und nicht für alle Fälle zutreffend, weggelassen worden.

Die auf den Waren- und Gepäckverkehr bezüglichen Massnahmen ( A r t i k e l 12 bis 20) sind nur unwesentlich abgeändert worden, und das Verzeichnis der Waren und Gegenstände, welche hei Pest und Cholera ohne weiteres, d. h. ohne vorausgegangene Untersuchung, ob sie infiziert seien oder nicht, der Desinfektion unterworfen oder sogar von der Einfuhr ausgeschlosssen werden können, ist unverändert in die neue Übereinkunft übergegangen. In A r t i k e l 16 wurde auf Antrag unserer Abordnung bestimmt, dass getragene Kleider, alte Lumpen, verbrauchte Verbandstoffe, Papier und sonstige Gegenstände von geringem Wert verbrannt werden dürfen, und dementsprechend auch der Absatz, welcher von der Schadenersatzpflicht handelt, ergänzt.

Die A r t i k e l 21 bis 44, welche die in den Häfen und an den Meeresküsten zu treffenden Massnahmen regeln, haben in manchen Punkten eine Änderung erfahren
; einige dieser Änderungen sind für die Seestaaten von ganz besonderer Wichtigkeit.

Da sie jedoch unser Land nicht direkt berühren, so treten wir nicht näher auf dieselben ein.

520 Die A r t i k e l 45--53 erläutern und regeln die an den Landgrenzen zu ergreifenden Massnahmen und bilden deshalb für uns einen der wichtigsten Abschnitte der Übereinkunft. Sie enthalten die Bestimmungen, welche, sobald Pest- oder Cholerafälle von irgendwoher gemeldet werden, in Kraft zu treten und, so lange irgend eine Gefahr besteht, zu gelten haben. Angesichts der in den verschiedenen Staaten gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen, welche die Wirksamkeit der 1903 aufgestellten Vorschriften im grossen und ganzen deutlich bewiesen haben, hielt es die Konferenz nicht für angezeigt, den Sinn dieser Artikel abzuändern. Bloss mit Bezug auf die Pest hat sie, gestützt auf die jüngsten Ergebnisse der Seuchenforschung, die Dauer der Überwachung am Bestimmungsort für die aus einem verseuchten Ort kommenden Reisenden auf fünf Tage herabgesetzt, so dass in Zukunft in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen Reisenden aus pestverseuchten und solchen aus choleraverseuchten Gegenden mehr bestehen wird.

Da keine triftigen Gründe mehr für eine Unterscheidung zwischen europäischen und aussereuropäischen Ländern sprechen, so änderte die Konferenz die Aufschrift von T i t e i II, die 1903 lautete: ,,Besondere Bestimmungen betreffend die aussereuropäisehen Länder" dahin ab, dass es nunmehr heisst : ,,Besondere Bestimmungen für die Länder des Ostens und äussersten Ostens."

Während dieser Titel keine wichtigen Änderungen erfahren hat, wurde T i t e l III, der von den besondern Vorschriften betreffend die Pilgerfahrten handelt, ziemlich stark umgearbeitet.

Da dieselben jedoch unser Land in keiner Weise berühren, so gehen wir auf die einzelnen Abänderungen nicht ein.

Ebensowenig halten wir uns auf bei T i t e l IV : ,,Überwachung und Ausführung", welcher die Tätigkeit der internationalen Gesundheitsämter von Ägypten und von Tanger regelt. Der in der alten Übereinkunft unter der Bezeichnung ,,verschiedene Bestimmungen" einen besondern Abschnitt dieses Titels IV bildende Art. 177, wonach jede Regierung zu bestimmen hatte, welche Mittel und Verfahren für die Desinfektion und für die Rattenvernichtung anzuwenden seien, wurde mitsamt der Fussnote, in welcher einige Desinfektionsverfahren aufgeführt waren, als überflüssig gestrichen. Diese Streichung hat dann unsere Abordnung veranlasst, der Konferenz, wie oben erwähnt, bei Art. 16 die Aufnahme einer Bestimmung zu beantragen, wonach Gegenstände von keinem oder geringem Wert verbrannt werden dürfen.

'

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T i t e l V: ,,Beitritte und Ratifikationen"1 endlich ist unverändert von der alten in die neue Übereinkunft herübergenommeri worden.

IV.

In der 'Schlusssitzung der Konferenz am 17. Januar 1912 wurde die Übereinkunft von Bevollmächtigten sämtlicher Staaten, ausgenommen China, unterzeichnet. Vorbehaltlos unterzeichneten die Bevollmächtigten der Argentinischen Republik, von Belgien, Bolivia, Bulgarien, Chile, Columbia, Costa-Rica, Cuba, des Deutschen Reiches, von Ecuador, Frankreich, Guatemala, Italien, Luxemburg, Mexiko, Montenegro, Norwegen, Österreich-Ungarn, Rumänien, Russland, Salvador, Schweden, der Schweiz, von Serbien, Spanien und Uruguay. Die Abgeordneten der Vereinigten Staaten von Nordamerika, von Brasilien, Dänemark, Griechenland, Grossbritannien, Haiti, Honduras, der Niederlande, von Panama, Persien, Portugal, Siam, der Türkei und von Ägypten erklärten, die Übereinkunft bloss ad r e f e r e n d u m unterzeichnen zu können und einige unter ihnen erhoben V o r b e h a l t e , teils über Punkte, die für uns belanglos sind, teils teils aber auch über Bestimmungen von allgemeiner Tragweite.

So verlangten die britischen Bevollmächtigten einen ausdrücklichen Vermerk, dass mit der Unterzeichnung seitens der britischen Regierung die Übereinkunft nicht zugleich für die britischen Kolonien, Besitzungen und Schutzgebiete mit Einschluss des Kaiserreichs Indien verbindlich werde; vielmehr solle diesen Kolonien, Besitzungen oder Schutzgebieten das Recht vorbehalten sein, der Übereinkunft nach dem Belieben der betreffenden Regierung beizutreten. Ebenso sei das besondere Kündigungsrecht der einzelnen Kolonialregierungen unabhängig von den Beschlüssen der britischen Regierung anzuerkennen. Ausserdem hob die genannte Abordnung hervor, dass gemäss den Bestimmungen der Übereinkunft von Venedig vom Jahr 1897 und derjenigen von Paris von 1903 den Mächten nach wie vor das Recht gewahrt bleibe, sowohl die Übereinkunft zu künden, als auch Verabredungen behufs Vornahme von Abänderungen an derselben zu treffen.

Die Regierung der Niederlande Hess durch ihre Bevollmächtigten erklären, sie beabsichtige mit Bezug auf ihre ostindischen Kolonien von der Übereinkunft ron 1903 zurückzutreten und werde der neuen Übereinkunft nur mit Bezug auf ihre europäischen Gebiete beitreten.

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Eine ähnliche Erklärung, wonach die Färoerinseln, Island und die dänischen Antillen von der Übereinkunft ausgenommen seien, gab auch der dänische Bevollmächtigte im Namen seiner Regierung ab.

Endlich wiederholte der Abgeordnete von Portugal eine schon in einer allgemeinen Sitzung abgegebene Erklärung, dahin lautend, seine Regierung werde für allfällige durch Desinfektionsmassnahmen entstandene Beschädigungen in keinem Falle Entschädigung leisten, da das portugiesische Gesetz den Grundsatz einer derartigen Schadenersatzpflicht nicht anerkenne.

Vor dem Auseinandergehen äusserte die Konferenz noch einige W ü n s c h e , unter welchen die beiden folgenden, auf die Massnahmen an der Grenze bezüglichen, hervorgehoben seien, weil sie auch für uns Beachtung verdienen : 1. Allen Staaten, die Massnahmen ergreifen, durch welche Personen an den Grenzen zurückbehalten werden, wird empfohlen, dafür zu sorgen, dass überall, wo dies geschieht, die zu einer angemessenen Unterbringung erforderlichen Einrichtungen geschaffen werden.

2. Die durch diese Massnahmen verursachten Kosten für Unterkunft, Unterhalt und ärztliche Behandlung der an der Grenze zurückbehaltenen Personen sollen von demjenigen Staate getragen werden, welcher diese Massnahmen angeordnet hat.

Wie im Jahr 1903, so wurde auch diesmal fUr die Ratifikation der Übereinkunft und die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden keine Frist angesetzt und nur der Wunsch geäussert, es möchte dies in möglichst kurzer Frist geschehen. Die Übereinkunft von 1912 wird in Kraft treten, sobald ihre Veröffentlichung gemäss den Gesetzen der Vertragsstaaten erfolgt sein wird. Die Regierungen, welche sie nicht unterzeichnet haben, erhalten auf ihr Begehren das Recht, ihr beizutreten; der Beitritt wird auf diplomatischem Wege der französischen Regierung angezeigt und durch deren Vermittlung den übrigen Vertragsstaaten zur Kenntnis gebracht.

Die von der Pariser Konferenz von 1911 geleistete Arbeit wird sich in der Folge, dessen sind wir überzeugt, als nützlich und wirksam erweisen, und die von ihr an der Übereinkunft von 1903 vorgenommenen Änderungen dürften, da sie sich so-

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wohl auf Erfahrungstatsachen als auf die Ergebnisse der Wissenschaft stützen, zweifelsohne von gutem Erfolg begleitet sein. Wir halten deshalb dafür, dass die aus den Konferenzverhandlungen hervorgegangene neue Übereinkunft zum Schutz gegen Pest, Cholera und Gelbfieber vom 17. Januar 1912 auf dem Gebiet der internationalen Seuchenbekämpfung einen Fortschritt darstellt, der uns noch besser als bisher in den Stand setzen wird, uns vor diesen Geisseln der Menschheit zu schützen. Unter diesen Umständen kann der Beitritt der Schweiz zur Übereinkunft unserm Lande nur zum Vorteil gereichen. Wir stehen deshalb nicht an, Ihnen die Genehmigung derselben angelegentlich zu empfehlen und unterbreiten Ihnen zu diesem Ende den nachfolgenden Bundesbeschlussentwurf.

B e r n , den 7. Juni

1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmami.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die am 17. Januar 1912 in Paris abgeschlossene internationale Übereinkunft betreffend Schutzmassnahmen gegen Cholera, Pest und Gelbfieber.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. der von den Bevollmächtigten der Schweiz, der Vereinigten Staaten von Nordamerika, der Argentinischen Republik, von Belgien, Bolivia, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Columbia, Costa-Rica, Cuba, Dänemark, des Deutschen Reiches, von Ecuador, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Guatemala, Haiti, Honduras, Italien, Luxemburg, Mexiko, Montenegro, der Niederlande, von Norwegen, Österreich-Ungarn, Panama, Persien, Portugal, Rumänien, Russland, Salvador, Schweden, Serbien, Siam, Spanien, der Türkei, von Ägypten und Uruguay, am 17. Januar 1912, in Paris abgeschlossenen internationalen Übereinkunft betreffend Schutzmassnahmen gegen Cholera, Pest und Gelbfieber ; 2. der Botschaft des Bundesrates über diese Übereinkunft, vom 7. Juni 1913, beschliesst: Art. 1. Die internationale Übereinkunft von Paris betreffend Schutzmassnahmen gegen Cholera, Pest und Gelbfieber, vom 17. Januar 1912, wird genehmigt.

Art. 2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses betraut.

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Internationale Übereinkunft betreffend

Schutzmassregeln gegen Pest, Cholera und Gelbfieber.

Abgeschlossen in Paris am 17. Januar 1912.

Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen, im Namen des Deutschen Reiches; der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika; der Präsident der Argentinischen Republik; Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen etc.

etc. und Apostolischer König von Ungarn; Seine Majestät der König von Belgien; der Präsident der Republik Bolivia; der Präsident der Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien; Seine Majestät der König von Bulgarien; der Präsident der Republik Chile; Seine Majestät der Kaiser von China; der Präsident der Republik Columbia; der Präsident der Republik Costa-Rica; der Präsident der Republik Cuba; Seine Majestät der König von Dänemark; der Präsident der Republik Ecuador; Seine Majestät der König von Spanien; der Präsident der Französischen Republik; Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der überseeischen Britischen Besitzungen, Kaiser von Indien; Seine Majestät der König von Griechenland; der Präsident der Republik Guatemala; der Präsident der Republik Haïti; der Präsident der Republik Honduras; Seine Majestät der König von Italien; Seine königliche Hoheit der Grossherzog von Luxemburg; der Präsident der Vereinigten Staaten von Mexiko; Seine Majestät der König von Montenegro; Seine Majestät der König von Norwegen; der Präsident der Republik Panama; Ihre Majestät die Königin der Niederlande; Seine Majestät der Schah von Persien; der Präsident der Portugiesischen Republik; Seine Majestät der König von Rumänien; Seine Majestät der Kaiser von Russland; der Präsident der Republik Salvador; Seine Majestät der König von Serbien; Bundesblatt. 65. Jahrg. Bd. III.

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Seine Majestät der König von Siam; Seine Majestät der König von Schweden; der Schweizerische Bundesrat; Seine Majestät der Sultan der Türkei; Seine Hoheit der Khédive von Ägypten, im Rahmen der ihm durch den Sultan Übertragenen Vollmachten, und der Präsident der Republik Uruguay, haben, in der Absicht, an der in Paris am 3. Dezember 1903 abgeschlossenen internationalen Sanitätsübereinkunft die durch die Fortschritte der Wissenschaft und der Erfahrung auf dem Gebiete der Seuchenverhütung gebotenen Änderungen anzubringen, -internationale Vorschriften betreffend das Gelbfieber aufzustellen und das Gebiet der Anwendung der Grundsätze, welche zu der internationalen Regelung der Seuchenbekämpfung geführt haben, nach Möglichkeit zu erweitern, als ihre Bevollmächtigten ernannt: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Freussen: Herrn Baron von S t e i n , Geheimen Oberregierungsrat, vortragenden Rat beim Reichsamt des Innern, Mitglied des Reichsgesundheitsrates ; Herrn Professor G a f f k y , Geheimen Obermedizinalrat, Direktor des Königlichen Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin,, Mitglied des Reichsgesundheitsrates ; Der Präsident der Vereinigten. Staaten von Amerika: Herrn A. B a i l l y - B l a n c h a r d , bevollmächtigten Minister, Rat der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Paris; Der Präsident der Argentinischen Republik: Herrn Dr. Franzisco d e V e y g a, Generalinspektor des Argentinischen Armeesanitätsdienstes, Professor an der medizinischen Fakultät und Mitglied des Sanitätsrates; Herrn Dr. Ezequiel G a s t i 11 a, Mitglied des Komitees des internationalen Sanitätsamtes ;

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Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen etc. etc., und Apostolischer König von Ungarn: Herrn Baron Maximilian von G a g e r n , Inhaber des Grosskreuzes des K. Österr. Franz-Josephs-Ordens, Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der schweizerischen Eidgenossenschaft ; Herrn Ritter Franz von H a b e r l e r , Dr. jur. und med., Ministerialrat im K. K. Österr. Ministerium des Innern ; Herrn Stephan W o r m s , Dr. jur., Ritter des K. Österr. FranzJosephs-Ordens, Sektionsrat im K. K. Österr. Handelsministerium ; Herrn Julius B ö l c s de N a g y b u d a f a , Rat im Kgl. Ungar.

Ministerium des Innern ; Herrn Baron Caïman von M ü l l e r , Dr. med., Ministerialrat, Prof. an der Kgl. Ungar. Universität in Budapest, Vorsitzender des Reichsgesundheitsrates, Mitglied der Ungarischen Magnatenkammer; Seine Majestät der König von Belgien: Herrn 0. V e I g n e , Generaldirektor des Sanitätsdienstes im Ministerium des Innern, Mitglied und Sekretär des Obersanitätsrates, Offizier des Leopolds-Ordens ; Herrn E. van E r m e n g e n , Prof. an der Universität von Gent, Mitglied des Obersanitätsrates, Kommandeur des LeopoldsOrdens ; Der Präsident der Bepublik Bolivia: Herrn Ismael M o n t e s , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik ; Herrn Dr. C h e r v i n, Ritter der Ehrenlegion ; Der Präsident der Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien: Herrn Dr. Hënrique de F i g u e i r e d o V a s c o n c e l l o s , Abteilungsvorstand am Institut Oswaldo Cruz in Rio de Janeiro;

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Seine Majestät der König von Bulgarien: Herrn Dimitri S t an ci o f f , Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik; Herrn Dr. C h i c h k o p f , Sanitätshauptmann der Bulgarischen Armee ; Der Präsident der Republik Chile: Herrn Federigo F u g a B o r n e , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten bevollmächi Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik ; Der Präsident der Republik Columbia : Herrn Dr. Juan E. M a n r i q u e , bevollmächtigter Minister; Der Präsident der Republik Costa-Bica: Herrn Dr. Alberto A l v a r e z C a u a s , Generalkonsul der Republik Costa-Rica in Paris; Der Präsident der Republik Cuba: Herrn General Tomas C o l l a z o y T e j a d a , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik ; Seine Majestät der König von Dänemark: Herrn Graf von R e v e n t l o w , Inhaber des Grosskreuzes des Daneborg-Ordens, Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik ; Der Präsident der Republik Ecuador: Herrn Viktor M. R e n d o n , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Kepublik;

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Herrn E. D o r n y de A l s u a , ersten Gesandtschaftssekretär der Republik Ecuador in Paris; Seine Majestät der König von Spanien: Herrn Francisco de R e y n o s o , Ministerresident, Rat der Kgl.

Spanischen Gesandtschaft in Paris; Herrn Dr. Angel P u l i d o F e r n a n d e z , Sanitätsrat, gewesener Generaldirektor des Gesundheitswesens, lebenslänglichen Senator des Königreiches;

Der Präsident der Französischen Republik: Herrn Camille B a r r è r e, Botschafter der Französischen Republik bei Seiner Majestät dem König von Italien, Inhaber des Grosskreuzes der Ehrenlegion; Herrn Fernand G a v a r r y , bevollmächtigten Minister I. Klasse, Direktor der administrativen und technischen Angelegenheiten im Ministerium des Auswärtigen, Offizier der Ehrenlegion; Herrn Dr. Emile R o u x , Präsidenten des Obersanitätsrates von Frankreich, Direktor des Pasteur-Instituts, Kommandeur der Ehrenlegion ; Herrn Louis M i r m an, Direktor des Armenwesens und der öffentlichen Gesundheitspflege im Ministerium des Innern ; Herrn Dr. A. C a l m e t t e , Direktor des Pasteur-Instituts in Lilie, Offizier der Ehrenlegion ; Herrn Erneste R o n s s i n, französischer Generalkonsul in Indien, Offizier der Ehrenlegion ; Herrn Georges H a r i s m e n d y , Generalkonsul, Subdirektor der Internationalen Vereinigungen und des Konsulatswesens im Ministerium des Auswärtigen, Ritter der Ehrenlegion ; Herrn .Paul R o u x , Subdirektor im Ministerium des Innern, Ritter der Ehrenlegion;

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Seine Majestät der König des Vereinigten Königreiches von Grossbritannien und Irland und der überseeischen britischen Besitzungen, Kaiser von Indien: Herrn Lancelot Douglas C a r n e g i e , bevollmächtigten Minister, Rat der Kgl. Britischen Botschaft in Paris, Mitglied des Kgl.

Viktoria-Ordens ; Herrn Dr. Ralph William J o h n s t o n e , ärztlicher Inspektor des Local Government Board ; Herrn Generalchirurg Sir Benjamin F r a n k l i n , ehemaligen Generaldirektor des ärztlichen Dienstes in Britisch Indien und gewesenen Vorsteher des indischen Sanitätswesens, Ritter und Kommandeur des Ordens des Kaiserreichs Indien, Ritter des St. Johannes-Ordens von Jerusalem ; Seine Majestät der König von Griechenland: Herrn Demetrius C a c l a m a n o s , ersten Sekretär der Kgl. Griechischen Gesandtschaft in Paris; Der Präsident der Republik Guatemala: Herrn Jose Maria L a r d i z a b a l , Geschäftsträger der Republik Guatemala in Paris ; Der Präsident der Republik Haïti: Herrn Dr. August C a s s e u s ; Der Präsident der Republik Honduras: Herrn Désiré P e c t o r, Generalkonsul der Republik Honduras in Paris, Mitglied des ständigen Schiedsgerichtshofes im Haag; Seine Majestät der König von Italien: Herrn Kommandeur Rocco S a n t o l i q u i d o , Dr. med., Abgeordneter, Generaldirektor des öffentlichen Gesundheitswesens von Italien ; Herrn Dr. Adolfo CTotta, Abteilungsvorsteher im Kgl. Ministerium des Innern;

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Seine Königliche Hoheit der Grossherzog von Luxemburg: Herrn E. L. B a s t i n , Luxemburgischer Konsul in Paris; Herrn Dr. P r a u m, Direktor des bakteriologischen Laboratoriums in Luxemburg; Der Präsident der Vereinigten Staaten von Mexiko: Herrn Dr. Miguel Z u ü i g a y A z c a r a t e ; Seine Majestät der König von Montenegro: Herrn Louis B r u n e t, Montenegrinischer Generalkonsul in Paris ; Herrn Dr. Eduard B i n e t, Oberarzt des Hospice des QuinzeVingt; Seine Majestät der König von Norwegen: Herrn Friedr. Hartwig Hermann W e d e l J a r l s b e r g , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik; Der Präsident der Republik Panama: Herrn Juan Antonio J im e n e z , Geschäftsträger der Republik Panama in Paris ; Ihre Majestät die Königin der Niederlande: Herrn Dr. W. P. R u y s c h , Generalinspektor des Sanitätsdienstes in Südholland und Seeland; Herrn Dr. C. W i n k l e r , ärztlicher Inspektor a. D. des Zivilsanitätsdienstes für Java und Madnra; Seine Majestät der Schah von Fer sien: S a m a d K h a n M o m t a z o s S a l t a n e h , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik;

532 Der Präsident der Portugiesischen Republik: Herrn Dr. Antonio Augusto Goncalves B r a g a , Sanitäts- und Marinearzt in Lissabon; Seine Majestät der König von Rumänien: Her.rn Alex. Em. L a h o v a r y , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik; Seine Majestät der Kaiser von Russland: Herrn Platon de W a x e l, Geheimrat, ständiges Mitglied des Rates im Ministerium des Auswärtigen und des Gesundheitsrates im Ministerium des Innern; Herrn Dr. Fr e y b e r g, wirklicher Staatsrat, Beamter des Kaiserlichen Ministeriums des Innern, Vertreter der auf höchsten Befehl eingesetzten Pestkommission; Der Präsident der Eepublik Salvador: Herrn Dr. S. L e t o n a , Generalkonsul der Republik Salvador in Paris ; Seine Majestät der König von Serbien: Herrn Dr. Milenko V e s n i t c h , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik ; Seine Majestät der König von Siam: Herrn Dr. A. M a n a u d , Sanitätsrat der Kgl. Regierung; Seine Majestät der König von Schweden: Herrn Graf G y l d e n s t o l p e , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik;

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Der Schweizerische Bundesrat: Herrn Charles Edouard L a r d y , ausserordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik ; Seine Majestät der Sultan der Türkei: M i s s a k E f f e n d i , bevollmächtigter Minister; Seine Hoheit der Khédive von Ägypten, Y o u s s o u f P a s c h a S a d d i k, Vertreter des Khediven bei def Hohen Pforte ; und Der Präsident der Eepublik Uruguay: Herrn Dr. Luis P i e r à , Seinen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei dem Präsidenten der Französischen Republik, welche, nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, folgende Bestimmungen vereinbart haben:

Titel I.

Allgemeine Bestimmungen.

Kapitel I.

Vorschriften, welche von den der Übereinkunft beigetretenen Ländern zu beobachten sind, sobald Pest, Cholera oder Gelbfieber auf ihrem Gebiete auftreten.

Abschnitt I. Erste Anzeige und weitere Mitteilungen an die übrigen Länder.

Art. 1. Jede Regierung soll den ersten erwiesenen Fall von Pest, Cholera oder Gelbfieber auf ihrem Gebiete sofort den übrigen Eegierungen anzeigen.

Ebenso ist jeder erste erwiesene Fall von Cholera, Pest oder Gelbfieber, der ausserhalb schon verseuchter Bezirke auftritt, sofort den übrigen Regierungen anzuzeigen.

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Art. 2. Jeder in Art. l vorgesehenen Anzeige ist ein eingehender Bericht beizufügen oder unverzüglich folgen zu lassen : 1. über den Ort, wo die Krankheit aufgetreten ist; 2. über den Zeitpunkt ihres Auftretens, ihren Ursprung und ihre Form; 3. üher die Zahl der festgestellten Erkrankungen und Todesfälle ; 4. über die Ausdehnung des oder der befallenen Bezirke; 5. bei Pest, über, das Vorhandensein von Pest oder einer ungewöhnlichen Sterblichkeit unter den Ratten; 6. bei Gelbfieber, über das Vorhandensein von S t e g o m y a calopus; 7. über die sofort ergriffenen Massnahmen.

Art. 3. Die Anzeige und der Bericht, welche in Art. l und 2 vorgesehen sind, werden an die diplomatischen oder konsularischen Agentschaften in der Hauptstadt des verseuchten Landes gerichtet.

Für die daselbst nicht vertretenen Länder werden sie direkt auf telegraphischem Wege den betreffenden Regierungen übermittelt.

Art. 4. Der Anzeige und dem Bericht, welche in Art. l und 2 vorgesehen sind, folgen weitere regelmässige Mitteilungen, um die Regierungen über den Gang der Epidemie auf dem laufenden zu erhalten.

Diese Mitteilungen, welche mindestens einmal wöchentlich erfolgen und so vollständig als möglich sein sollen, geben namentlich die zur Verhütung der Ausbreitung der Epidemie ergriffenen Vorsichtsmassregeln genauer an.

Sie sollen im einzelnen auffuhren: 1. die in bezug auf die gesundheitspolizeiliche Inspektion oder die ärztliche Untersuchung, die Isolierung und die Desinfektion angeordneten Vorsichtsmassregeln ; 2. die bei der Abfahrt der Schiffe getroffenen Massnahmen zur Verhütung der Verschleppung der Krankheit, und insbesondere, in den in Ziffer 5 und 6 des Art. 2 vor-

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gesehenen Fällen, die gegen die Ratten oder gegen die Mücken ergriffenen Vorkehren.

Art. 5. Die rasche und aufrichtige Erfüllung der vorstehenden Vorschriften ist von höchster Bedeutung.

Von wirklichem Wert sind die Anzeigen nur dann, wenn jede Regierung selbst von dem Auftreten von Pest-, Cholera- und G-elbfieberfällen und von verdächtigen Erkrankungen auf ihrem Gebiet rechtzeitig unterrichtet wird. Es kann deshalb den verschiedenen Regierungen nicht genug anempfohlen werden, die obligatorische Anzeige der Pest-, Cholera- und Gelbfieberfälle einzuführen und dafür zu sorgen, dass sie über jede aussergewöhnliche Sterblichkeit unter den Ratten und Mäusen, namentlich in den Häfen, Nachricht erhalten.

Art. 6. Es ist zu wünschen, dass benachbarte Länder durch besondere Vereinbarungen einen direkten Nachrichtenaustausch zwischen den Vorständen der zuständigen Verwaltungsbehörden einrichten, soweit es ihre Grenzgebiete oder solche Gebiete betrifft, die in regem Handelsverkehr miteinander stehen.

Abschnitt II. Bedingungen, unter denen ein Bezirk als verseucht oder als wieder seuchenfrei angesehen werden Ttann.

Art. 7. Die Anzeige eines ersten Pest-, Cholera- oder Grelbfieberfalles hat nicht schon zur Folge, dass gegen den Bezirk, worin derselbe sich ereignet hat, die in Kapitel II hiernach vorgesehenen Massnahmen zur Anwendung gelangen.

Wenn aber mehrere nicht eingeschleppte Pest- oder Gelbfieberfâlle vorgekommen sind, oder die Cholerafälle einen Herd1) bilden, so kann der Bezirk als verseucht angesehen werden.

Art. 8. Um die Schutzmassregeln ausschliesslich auf die betroffenen Gebietsteile zu beschränken, sollen die Regierungen sie nur für Herkünfte aus verseuchten Bezirken zur Anwendung bringen.

*) Ein Herd besteht dann, wenn das Auftreten von Cholerafällen ausserhalb der Umgebung des oder der ersten Fälle beweist, dass es nicht gelungen ist, die Weiterverbreitung der Krankheit an der Stelle ihres ersten Auftretens zu verhindern.

536 Unter B e z i r k versteht man einen in dem Bericht, der die Anzeige begleitet oder ihr nachgesandt wird, genau umschriebenen Gebietsteil, wie : eine Provinz, ein Regierungsbezirk, ein Amtsbezirk, ein Departement, ein Kanton, eine Insel, eine Gemeinde, ein Stadtteil, ein Dorf, ein Hafen, ein Polder, eine Häusergruppe usw., welches immer auch die Ausdehnung und die Bevölkerung dieses Gebietsteiles sein mag. . Indessen soll diese Beschränkung der Schutzmassregeln auf den verseuchten Bezirk nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung eingehalten werden, dass die Regierung des verseuchten Landes die erforderlichen Anordnungen trifft: 1. um die Weiterverbreitung der Epidemie zu bekämpfen, und 2. um im Falle von Pest oder Cholera die Ausfuhr der in Ziffer l und 2 von Art. 13 erwähnten Gegenstände, die aus dem verseuchten Bezirk stammen, zu verhindern, es sei denn, dass dieselben vorher desinfiziert worden sind.

Wenn ein Bezirk verseucht ist, so sollen gegen diejenigen Herkünfte, welche mindestens fünf Tage vor dem Ausbruch der Epidemie aus demselben ausgeführt worden sind, keinerlei beschränkende Massregeln ergriffen werden.

Art. 9. Damit ein Bezirk nicht mehr als verseucht angesehen werde, muss amtlich festgestellt sein : 1. Dass bei Pest oder Cholera seit 5 Tagen und bei Gelbfieber seit 18 Tagen, von der Absonderung, dem Tode oder der Heilung des letzten Kranken an gerechnet, kein neuer Todes- oder Brkrankungsfall vorgekommen ist; 2. dass sämtliche Desinfektionsmassnahmen ausgeführt worden sind; dass überdies im Falle von Pest auch die Massregeln gegen die Ratten und im Falle von Gelbfieber auch die Vorsichtsmassnahmen gegen die Mücken ergriffen worden sind.

Abschnitt III.

Massnalvmen in verseuchten Häfen Abfahrt von Schiffen.

bei der

Art. 10. Die zuständige Behörde soll wirksame Massnahmen ergreifen :

537 1. um die Einschiffung von Personen zu verhindern, die Zeichen von Pest, Cholera oder Gelbfieber zeigen; 2. um bei Pest oder Cholera die Ausfuhr von Waren oder sonstigen Gegenständen, welche sie als verseucht erachtet, zu verhindern, es sei denn, dass dieselben vor der Einschiffung unter Aufsicht des von der öffentlichen Behörde beauftragten Arztes desinfiziert worden sind ; 3. um bei Pest das Anbordgelangen von Ratten zu verhüten; 4. um bei Cholera darüber zu wachen, dass das Trinkwasser an Bord gesund sei ; 5. um bei Gelbfieber zu verhindern, dass Mücken an Bord · gelangen.

Kapitel II.

Abwehrmassregeln gegen die als verseucht erklärten Gebiete.

Abschnitt I.

Veröffentlichung

der vorgeschriebenen Massnahmen.

Art. 11. Die Regierung jedes Landes ist gehalten, diejenigen Massnahmen jeweilen sofort zu veröffentlichen, welche sie in bezug auf die Herkünfte aus einem verseuchten Lande oder aus einem verseuchten Bezirk anzuordnen für nötig hält.

Sie teilt diese Veröffentlichung sogleich dem in der Hauptstadt ihres Landes residierenden diplomatischen oder konsularischen Agenten des verseuchten Landes, sowie den internationalen Sanitätsräten mit.

Die Aufhebung, sowie etwaige Abänderungen dieser Massregeln sind auf demselben Wege bekanntzugeben.

In Ermangelung einer diplomatischen oder konsularischen Agentschaft in der Hauptstadt hat die Mitteilung direkt an die Regierung des interessierten Landes zu erfolgen.

Abschnitt II. Waren, -- Desinfektion. -- Ein- und Durchfuhr.

-- Reisegepäck.

Art. 12. Es gibt keine Waren, die an und für sich Pest, Cholera oder Gelbfieber zu übertragen imstande wären. Sie werden

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nur dann gefährlich, wenn sie durch Absonderungen, welche Pest- oder Cholerakeime enthalten, beschmutzt worden sind.

Art. 13. Die Desinfektion darf nur im Falle von Pest oder Cholera zur Anwendung kommen und nur bei Waren und Gegenständen, welche von der örtlichen Gesundheitsbehörde als infiziert angesehen werden.

Jedoch können bei Pest oder Cholera die nachfolgend aufgezählten Waren und Gegenstände, ohne vorherige Untersuchung, ob sie infiziert seien oder nicht, der Desinfektion unterworfen oder sogar von der Einfuhr ausgeschlossen werden: 1. Gebrauchte Leibwäsche, alte und getragene Kleidungsstücke (persönliche Effekten) ; benutztes Bettzeug.

Werden diese Gegenstände indessen als Reisegepäck oder infolge eines Wohnsitzwechsels (Umzugsgut) befördert, so ist deren Einfuhr gestattet, und sie werden nach Vorschrift von Art. 20 behandelt.

Die von Soldaten oder Matrosen hinterlassenen und nach deren Tod in ihre Heimat zurückgesandten Pakete werden den im ersten Absatz dieser Ziff. l aufgeführten Gegenständen gleichgestellt.

2. Hadern und Lumpen, mit Ausnahme, soweit es sich um Cholera handelt, der zusammengepressten Lumpen, welche als Grosshandelsware in mit Reifen umschnürten Ballen befördert werden.

Neue Abfälle, welche direkt aus Spinnereien, Webereien, Konfektionswerkstätten und Bleichereien kommen, sowie Kunstwolle (Shoddy) und neue Papierschnitzel dürfen nicht verboten werden.

Art. 14. Die Durchfuhr der in Ziff. 1 und 2 des vorigen Artikels genannten Waren und Gegenstände darf nicht untersagt werden, wenn dieselben so verpackt sind, dass sie unterwegs nicht angefasst oder berührt werden können.

Ebenso soll der Umstand, dass die Waren oder Gegenstände einen verseuchten Bezirk transitiert haben, kein Hindernis für ihre Einfuhr in das Bestimmungsland bilden, sofern die Beför-

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derung so erfolgt ist, dass unterwegs eine Berührung mit infizierten Gegenständen nicht hat stattfinden können.

Art. 15. Die in Ziff. l und 2 des Art. 13 aufgeführten Waren und Gegenstände fallen nicht unter die erlassenen Einfuhrverbote, sobald der Behörde des Bestimmungslandes nachgewiesen wird, dass sie mindestens fünf Tage vor Ausbruch der Epidemie abgesandt worden sind.

Art. 16. Es ist Sache der Behörde des Ankunftslandes, die Art und Weise der Desinfektion und den Ort, wo dieselbe stattfinden soll, sowie das für die Vernichtung der Ratten, der Insekten und Mücken anzuwendende Verfahren zu bestimmen.

Diese Massnahmen sollen so ausgeführt .werden, dass sie die Gegenstände möglichst wenig beschädigen. Getragene Kleider, alte Lumpen, infizierte Verbandstoffe, Papier und sonstige Gegenstände von geringem Werte dürfen verbrannt werden.

Die Regelung der Frage, ob und wie ein aus der Desinfektion oder Vernichtung der vorerwähnten Gegenstände oder aus der Vernichtung der Ratten, Insekten und Mücken sich ergebender Schaden zu vergüten sei, wird jedem einzelnen Staate überlassen.

Wenn für die Ausführung der Massregeln zur "Vernichtung der Ratten, Insekten und Mücken auf Schiffen von der Sanitätsbehörde, direkt oder durch Vermittlung einer Gesellschaft oder eines Privaten, Taxen bezogen werden, so soll die Höhe dieser Taxen durch einen Tarif bestimmt werden, welcher im voraus zu veröffentlichen und derart zu bemessen ist, dass aus seiner Anwendung im gesamten kein Vorteil für den Staat oder die Sanitätsverwaltung erwächst.

Art. 17. Briefe und Korrespondenzen, Drucksachen und Bücher, Zeitungen, Geschäftspapiere usw. (mit Ausschluss der Postpakete) sollen weder einer Einfuhrbeschränkung noch einer Desinfektion unterworfen werden.

Im Falle von Gelbfieber dürfen Postpakete weder einer Einfuhrbeschränkung noch einer Desinfektion unterworfen werden.

Art. 18. Die zu Land oder zu Wasser ankommenden Waren dürfen an der Grenze oder in den Häfen nicht zurückbehalten werden.

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Die einzigen Massregeln, welche in bezug auf dieselben vorgeschrieben werden dürfen, sind in Art. 13 und 16 enthalten.

Wenn jedoch Waren, welche unverpackt oder in schadhafter Verpackung zu Wasser ankommen, während der Überfahrt durch erwiesenermassen pestkranke Ratten infiziert worden sind, und eine Desinfektion nicht möglich ist, so kann zur Vernichtung der Keime eine Lagerung der Waren während einer Maximaldauer von zwei Wochen angeordnet werden.

Die Anwendung dieser letztern Massregel soll für das Schiff keinen längern Aufenthalt bedingen und keine ausserordentlichen Kosten verursachen, die sich aus dem etwaigen Fehlen von Lagerhäusern in den Häfen, ergeben könnten.

Art. 19. Wenn Waren in Ausführung der Vorschriften des Art. 13 desinfiziert oder nach Art. 18, Abs. 3, einer zeitweiligen Lagerung unterworfen worden sind, so hat der Eigentümer oder sein Vertreter das Recht, von der Sanitätsbehörde, welche die Desinfektion oder die Lagerung angeordnet hat, eine schriftliche Bestätigung der getroffenen Massnahmen zu verlangen.

Art. 20. Die schmutzige Wäsche, die Kleider und die Gegenstände der aus einem verseuchten Bezirk stammenden Gepäckstücke oder Mobiliarsendungen (Umzugsgut) werden nur bei Pest oder Cholera desinfiziert, und nur wenn die Sanitätsbehörde sie als infiziert betrachtet.

Abschnitt III. Massnalimen in den Häfen und an den Grenzen gegen das Meer.

A. E i n t e i l u n g der Schiffe.

Art. 21. Als v e r s e u c h t gilt ein Schiff, welches entweder Pest, Cholera oder Gelbfieber an Bord hat oder auf welchem während der letzten sieben Tage ein oder mehrere Pest-, Choleraoder Gelbfieberfälle vorgekommen sind.

Als v e r d ä c h t i g gilt ein Schiff, auf welchem zur Zeit der Abfahrt oder während der Reise Pest-, Cholera oder Gelbfieberfälle vorgekommen sind, aber kein neuer Fall während der letzten sieben Tage.

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Als r e i n gilt ein Schifi", obschon es aus einem verseuchten Hafen kommt, wenn es weder vor der Abfahrt, noch während der Reise, noch bei der Ankunft einen Todes- oder Krankheitsfall infolge Pest, Cholera oder Gelbfieber an Bord gehabt hat.

B. M a s s n a h m e n g e g e n d i e Pest.

Art. 22. P e s t v e r s e u c h t e Schiffe unterliegen folgenden Massnahmen : 1. Ärztliche Untersuchung.

2. Die Kranken werden sofort ausgeschifft und abgesondert.

3. Die Personen, welche in Berührung mit den Kranken gewesen sind, und diejenigen, welche die Hafengesundheitsbehörde als krankheitsverdächtig ansehen zu müssen glaubt, sind womöglich auszuschiffen. Sie können entweder einer Beobachtung 1 ) oder einer Überwachung 3 ) oder einer Beobachtung mit rasch folgender Überwachung unterworfen werden, wobei jedoch die Gesamtdauer dieser Massnahmen 5 Tage, vom Zeitpunkt der Ankunft an gerechnet, nicht übersteigen darf.

Es ist Sache der Hafensanitätsbehörde, von diesen Massregeln diejenige anzuwenden, welche ihr mit Rücksicht auf den Zeitpunkt des letzten Krankheitsfalles, den Zustand des Schiffes und die örtlichen Verhältnisse als die passendste erscheint.

4. Die schmutzige Wäsche, die persönlichen Effekten und sonstige Sachen der Schiffsmannschaft3) und der Passagiere, ') Das Wort ,,Beobachtung" bedeutet: Isolierung der Reisenden an Bord eines Schiffes oder in einem Lazarette, bevor sie zum freien Verkehr zugelassen werden.

2 ) Das Wort ,, Ü b e r w a c h u n g " will sagen, dass die Reisenden nicht isoliert, sondern ohne weiteres zum freien Verkehr zugelassen, aber an den verschiedenen Orten, wohin sie sich begeben, der Sanitätsbehörde gemeldet und einer ärztlichen Kontrolle zur Feststellung ihres Gesundheitszustandes unterworfen werden.

*) Unter ,, S c h i f f s m a n n s c h a f t " sind die Personen verstanden, welche der Bemannung des Schiffes oder dem Dienstpersonal an Bord, mit Einschluss der Oberkellner, Kellner, Cafedji etc., angehören oder angehört haben. In diesem Sinne ist das Wort ,,Schiffsmannschaft" jedesmal, wenn ^es in dieser Übereinkunft angewandt wird, aufzufassen.

Bundesblatt. 65. Jahrg. Bd. III.

-Ì7

542 welche nach Ansicht der Hafensanitätsbehörde als infiziert zu betrachten sind, müssen desinfiziert werden.

5. Die Teile des Schiffes, welche von Pestkranken bewohnt gewesen sind, oder welche nach Ansicht der Sanitätsbehörde als infiziert zu betrachten sind, müssen desinfiziert werden.

6. Die Vernichtung der Ratten des Schiffes soll vor oder nach dem Löschen der Ladung stattfinden, wobei eine Schädigung der Waren, der Eisenteile und der Maschinen tunlichst zu vermeiden ist. Das Verfahren soll so bald und so rasch als möglich durchgeführt werden und darf keinenfalls länger als 48 Stunden dauern.

Bei Schiffen ohne Ladung soll diese Massregel so früh als möglich vor dem Beladen ausgeführt werden.

Art. 23. P e s t v e r d a c h t i g e Schiffe werden den in Ziff. l, 4, 5 und 6 des Art. 22 angegebenen Massnahmen unterworfen.

Ausserdem können Schiffsmannschaft und Passagiere einer Überwachung unterstellt werden, die von der Ankunft des Schiffes an gerechnet, fünf Tage nicht überschreiten darf. Während der nämlichen Zeit kann das Anslandgehen der Schiffsmannschaft untersagt werden, mit Ausnahme der Fälle, wo der Dienst dies erfordert.

Art. 24. P e s t r e i n e Schiffe sind sofort zum freien Verkehr zuzulassen, wie immer auch ihr Gesundheitspass lauten mag.

Das einzige Verfahren, welches die Behörde des Ankunftshafens ihnen gegenüber anordnen darf, besteht in folgenden Massregeln : 1. Ärztliche Untersuchung.

2. Desinfektion der schmutzigen Wäsche, der persönlichen Effekten und sonstigen Sachen der Schiffsmannschaft und der Passagiere, aber nur in den Ausnahmsfällen, wo die Sanitätsbehörde besondere Gründe hat, eine Infektion dieser Gegenstände anzunehmen.

3. Die Sanitätsbehörde kann die aus einem verseuchten Hafen kommenden Schiffe, vor oder nach Löschen der Ladung, einem Verfahren zur Vertilgung der Ratten unterwerfen;

543 diese Massnahme darf indessen nicht als allgemein gültige Regel aufgestellt werden. Das angeordnete Verfahren soll sobald und so rasch als möglich stattfinden und jedenfalls nicht länger als 24 Stunden in Anspruch nehmen, wobei eine Behinderung des Verkehrs der Passagiere und der Mannschaft zwischen dem Schifi' und dem Lande und soviel als möglich eine Schädigung der Waren, der Eisenteile und der Maschinen zu vermeiden ist. Bei Schiffen ohne Ladung soll diese Massregel, wenn sie angeordnet wird, so früh und so rasch als möglich und jedenfalls vor dem Beladen ausgeführt werden.

Die Mannschaft und die Passagiere können einer Überwachungunterstellt werden, welche von dem Zeitpunkt der Abfahrt des Schiffes aus dem verseuchten Hafen an gerechnet, fünf Tage nicht überschreiten darf. Für die nämliche Zeitdauer kann das Anslandgehen der Mannschaft verhindert werden, mit Ausnahme der Fälle, wo der Dienst es erfordert.

Die zuständige Behörde des Ankunftshafens kann unter allen Umständen von dem Schiffsarzt oder in Ermangelung eines solchen von dem Kapitän eine unter Eid abgegebene Bescheinigung darüber verlangen, dass seit der Abfahrt auf dem Schiff keine Festfälle vorgekommen sind und keine aussergewöhnliche Sterblichkeit unter den Ratten beobachtet worden ist.

Art. 25. Wenn auf einem r e i n e n Schiff Ratten durch die bakteriologische Untersuchung als pestkrank erkannt worden sind oder eine aussergewöhnliche Sterblichkeit unter denselben festgestellt worden ist, so sollen folgende Massregeln zur Anwendung gelangen : I. Schiffe mit Pestratten : a. Ärztliche Untersuchung.

6. Die Ratten sollen vor oder nach dein Löschen der Ladung vernichtet werden, wobei eine Schädigung der Waren, der Eisenteile und der Maschinen tunlichst zu vermeiden ist.

Das Verfahren soll so früh und so rasch als möglich durchgeführt werden und darf keinesfalls länger als 24 Stund< n

544 dauern. Bei Schiffen ohne Ladung ist diese Massregel so früh und so rasch als möglich und jedenfalls vor dem Beladen auszuführen.

c. Die Teile des Schiffes und die Gegenstände, welche die örtliche Sanitätsbehörde als infiziert erachtet, werden desinfiziert.

d. Die Passagiere und die Mannschaft können einer Überwachung unterstellt werden, deren Dauer, vom Zeitpunkt der Ankunft an gerechnet, fünf Tage nicht übersteigen soll.

II. Schiffe, auf denen _ eine aussergewöhnliche Sterblichkeit der Ratten festgestellt worden ist : a. Ärztliche Untersuchung.

b. Die Untersuchung der Ratten in bezug auf Pest muss so weit und so rasch als möglich vorgenommen werden.

c. Wenn die Vernichtung der Ratten als notwendig angesehen wird, so soll dieselbe unter den oben für die Schiffe mit Pestratten angegebenen Bedingungen erfolgen.

d. Bis jeglicher Verdacht beseitigt ist, können die Passagiere und die Mannschaft einer Überwachung unterstellt werden, deren Dauer, vom Zeitpunkt der Ankunft an gerechnet, fünf Tage nicht überschreiten darf.

* Art 26. Es wird empfohlen, die Schiffe mindestens alle 6 Monate einmal einem Rattenvertilgungsverfahren zu unterwerfen. Die Gesundheitsbehörde desjenigen Hafens, wo die Rattenvertilgung vorgenommen worden ist, stellt dem Kapitän, dem Rheder oder dessen Agenten auf Begehren ein Zeugnis aus, in welchem der Zeitpunkt, der Hafen und die Technik des angewendeten Verfahrens angegeben sind.

C. M a s s n a h r n e n g e g e n die C h o l e r a .

Art. 27. C h o l e r a v e r s e u c h t e Schiffe unterliegen folgender Behandlung: 1. Ärztliche Untersuchung.

2. Die Kranken werden sofort ausgeschifft und isoliert.

3. Die übrigen Personen können ebenfalls ausgeschifft und einer Beobachtung oder einer Überwachung unterworfen werden,

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deren Dauer sich nach dem Gesundheitszustande des Schiffes und dem Zeitpunkt des letzten Krankheitsfalles richtet, indessen fünf Tage nicht überschreiten darf. Auch kann die Gesundheitsbehörde, unter der Bedingung, dass diese Frist nicht überschritten werde, soweit nötig eine bakteriologische Untersuchung anordnen.

4. Die schmutzige Wäsche, die persönlichen Effekten und sonstige Sachen der Schiffsmannschaft und der Passagiere, welche nach Ansicht der Hafengesundheitsbehörde als infiziert zu betrachten sind, werden desinfiziert.

5. Alle Teile des Schiffes, welche von Cholerakranken bewohnt gewesen sind oder welche von der Sanitätsbehörde als infiziert angesehen werden, sind zu desinfizieren.

6. Sobald das an Bord befindliche Trinkwasser verdächtig erscheint, ist es nach vorheriger Desinfektion auszuschütten und gegebenenfalls durch solches von guter Qualität zu ersetzen.

Die Gesundheitsbehörde kann verbieten, dass in einem verseuchten Hafen geschöpfter Wasserballast, ohne vorherige Desinfektion in den Häfen, entleert werde.

Ebenso kann untersagt werden, menschliche Entleerungen und das Bilschwasser ohne vorherige Desinfektion in die Hafengewässer aus fliessen zu lassen oder hineinzuschütten.

Art. 28. Gegenüber c h o l e r a v e r d ä c h t i g e n Schiffen gelten die in Ziff. l, 4, 5 und 6 des Art. 27 vorgeschriebenen Massregeln.

Die Mannschaft und die Passagiere können einer Überwachung unterstellt werden, die, von der Ankunft des Schiffes an gerechnet, fünf Tage nicht überschreiten soll. Es empfiehlt sich, während der nämlichen Zeit das Anslandgehen der Mannschaft, ausser wenn der Dienst es verlangt, zu verhindern.

Unter der Bedingung, dass die im vorausgehenden Absatz vorgesehenen Massnahmen nicht verschärft werden, kann die Gesundheitsbehörde soweit nötig eine bakteriologische Untersuchung anordnen.

546

Die Gesundheitsbehörde kann verbieten, dass in einem verseuchten Hafen geschöpfter Wasserballast ohne vorherige Desinfektion in den Häfen entleert werde.

Art. 29. C h o l e r a r e i n e Schiffe werden sofort zum freien Verkehre zugelassen, wie immer auch ihr G-esundheitspass lauten mag.

Die einzigen Massnahmen, welche die Behörde des Ankunftshafens ihnen gegenüber treffen kann, sind die in Ziff. l, 4 und 6 von Art. 27 vorgesehenen.

Die Gesundheitsbehörde kann verbieten, dass in einem verseuchten Hafen geschöpfter Wasserballast ohne vorherige Desinfektion entleert werde.

Die Schiffsmannschaft und die Passagiere können in bezug auf ihren Gesundheitszustand einer fünftägigen Überwachung, vom Zeitpunkte der Abfahrt des Schiffes aus dem verseuchten Hafen an gerechnet, unterstellt werden.

Es empfiehlt sich, das Anslandgehen der Mannschaft, ausser wenn der Dienst es verlangt, zu verhindern.

Die zuständige Behörde des Ankunftshafens kann unter allen Umständen von dem Schiffsarzt oder in Ermangelung eines solchen von dem Kapitän eine unter Eid abgegebene Bescheinigung darüber verlangen, dass auf dem Schiffe seit der Abfahrt kein Cholerafall vorgekommen ist.

D. M a s s n a h m e n g e g e n das G e l b e F i e b e r .

Art. 30. Die gelbfieberverseuchten Schiffe sind folgenden Massnahmen zu unterwerfen : 1. Ärztliche Untersuchung.

2. Die Kranken sind unter der Bedingung auszuschiffen, dass sie von Mücken nicht gestochen werden können, und hierauf gehörig abzusondern.

3. Die übrigen Personen können ebenfalls ausgeschifft und vorn Zeitpunkt der Ankunft an einer Beobachtung oder Über- wachung. unterworfen werden, die 6 Tage nicht übersteigen darf.

547

4. Die Schiffe sollen, soweit möglich, in einer Entfernung von 200 m von der Küste Anker werfen.

5. Wenn möglieh, ist vor Entladung der Waren die Vernichtung der Mücken an Bord vorzunehmen. Sollte dies nicht möglich sein, so sind alle Vorsichtsmassregeln zu ergreifen, damit das zur Löschung verwendete Personal nicht infiziert werde. Das letztere ist einer Überwachung zu unterwerfen, die jedoch nicht länger als 6 Tage dauern darf, von dem Zeitpunkt an gerechnet, wo es aufgehört hat, an Bord zu arbeiten.

Art. 31. Die g e l b f i e b e r v e r d ä c h t i g e n Schiffe sind den unter Ziffer l, 4 und 5 des vorigen Artikels angeführten Massnahmen zu unterwerfen.

Ausserdem können die Schiffsmannschaft sowie die Passar giere einer Überwachung unterworfen werden, die von der Ankunft des Schiffes an gerechnet, 6 Tage nicht übersteigen dar!'.

Art. 32. G e l b fi e b e r r e i n e Schiffe sind nach erfolgter ärztlicher Untersuchung sofort zum freien Verkehr zuzulassen, wie immer auch ihr G-esundheitspass lauten mag.

Art. 33. Die in Art. 30 und 31 vorgesehenen Massnahmen betreffen nur diejenigen Länder, wo S t e g o m y a vorkommt. In den andern Ländern kommen sie nur in dem Masse zur Anwendung, als es von den Gesundheitsbehörden für nötig erachtet wird.

,E. G e m e i n s a m e B e s t i m m u n g e n b e t r e f f e n d d i e 3 Seuchen.

Art. 34. Die zuständige Hafenbehörde wird bei der Anordnung der in den Art. 22--33 bezeichneten Massregeln berücksichtigen, ob sich an Bord der erwähnten drei Kategorien von Schiffen ein Arzt und Dampfdesinfektionsapparate befinden oder nicht.

Wenn es sich um Pest handelt, wird sie auch dem Vorhandensein von Ratten Vernichtungsapparaten an Bord Rechnung tragen.

Die Sanitätsbehörden der Staaten, denen es belieben würde, sich über diesen Punkt zu verständigen, können die reinen

548

Schiffe, welche einen von ihrem Lande speziell anerkannten Arzt an Bord haben, von der ärztlichen Untersuchung und andern Massregeln entbinden.

Art. 35. Besondere Massnahmen, und zwar bei der Cholera vornehmlich die bakteriologische Untersuchung, können angeordnet werden gegenüber jedem Schiffe, das schlechte hygienische Verhältnisse aufweist oder überfüllt ist.

Art. 36. Jedem Schiffe, welches sich den von der Hafenbehörde auf Grund der Bestimmungen der gegegenwärtigen Konvention ihm auferlegten Verpflichtungen nicht unterziehen will, steht es frei, wieder in See zu gehen.

Es kann jedoch die Erlaubnis erhalten, seine Waren zu löschen, nachdem die erforderlichen Vorsichtsmassregeln getroffen worden sind, nämlich: 1. Isolierung des Schiffes, der Mannschaft und der Passagiere.

2. Wenn es sich um Pest handelt, Nachfrage nach dem Vorhandensein einer ungewöhnlichen Sterblichkeit unter den.

Ratten.

3. Wenn es sich um Cholera handelt, Ersatz des an Bord befindlichen Trinkwassers, sobald ersteres als verdächtig angesehen wird, durch solches von guter Beschaffenheit.

Auch kann dem Schiffe gestattet werden, die Passagiere,, die es wünschen, ans Land zu setzen, unter der Bedingung, dass sie sich den von der Ortsbehörde vorgeschriebenen Massnahmen unterwerfen.

Art. 37. Aus einem verseuchten Hafen stammende Schiffe, denen gegenüber in einem Hafen eines der Vertragsstaaten Sanitätsmassregeln in genügender Weise zur Ausführung gelangt sind, dürfen bei ihrer Ankunft in einem neuen Hafen, gehöre dieser zu dem nämlichen Staate oder nicht, solchen Massnahmen nicht zum zweitenmal unterworfen werden, es sei denn, dass irgend ein neuer seither eingetretener Vorfall deren erneute Anwendung erheischt, oder dass das Schiff unterwegs in einen verseuchten Zwischenhafen eingelaufen ist.

54»

Es wird nicht angenommen, dass ein Schiff einen Hafen angelaufen habe, wenn es, ohne in Verbindung mit dem Festland zu treten, nur Passagiere nebst ihrem Gepäck und die Briefpost ausschifft, oder nur die Briefpost aufnimmt, oder Passagiere mit oder ohne Gepäck, die weder mit diesem Hafen, noch mit einem verseuchten Bezirk in Berührung gekommen sind. Handelt es sich um Gelbfieber, so muss das Schiff sich ausserdem zur Verhinderung des Eindringens der Mücken so weit als möglich und mindestens 200 m von der Küste entfernt gehalten haben.

Art. 38. Auf Verlangen stellt die mit der Ausführung der sanitarischen Massnahmen betraute Hafenbehörde dem Kapitän, dem Rheder oder dessen Agenten eine Bescheinigung aus, worin die Art der ausgeführten Massnahmen und die Gründe, warum solche erfolgten, genau angegeben sind.

Art. 39. Die mit einem verseuchten Schiffe angekommenen Passagiere haben das Recht, von der Hafensanitätsbehörde eine Bescheinigung zu verlangen, worin der Zeitpunkt ihrer Ankunft und die Massregeln angegeben werden, denen sie selbst und ihr Gepäck unterworfen worden sind.

Art. 40. Die Küstenfahrzeuge unterliegen besonderen, zwischen den beteiligten Ländern zu vereinbarenden Bestimmungen.

Art. 41. Mit Rück-sicht auf ihre besondere Lage und um die Durchführung der in dieser Übereinkunft vorgesehenen sanitarischen Massnahmen noch wirksamer und doch weniger lästig zu gestalten, können die Regierungen der an ein gleiches Meer angrenzenden Uferstaaten unter sich besondere Abkommen treffen.

Art. 42. Es ist erwünscht, dass die Zahl der mit genügenden Einrichtungen und Anstalten zur Aufnahme von Schiffen ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand versehenen Häfen in jedem Staate im richtigen Verhältnisse zu der Bedeutung des Verkehrs und der Schiffahrt stehe. Jedenfalls soll jedes Land mindestens einen Hafen an jeder seiner Meeresküsten mit den notwendigen sanitarischen Einrichtungen und Anstalten versehen.

Durch diese Bestimmung wird das Recht der Staaten, die Ein-

550 richtung gemeinsamer Sanitätsstationen zu vereinbaren, uichfc berührt.

Überdies wird empfohlen, alle grossen Seehäfen mit Einrichtungen so auszustatten, dass wenigstens die reinen Schiffe daselbst gleich nach ihrer Ankunft den vorgeschriebenen Sanitätsmassnahmen unterworfen werden können und nicht zu diesem Zwecke in einen andern Hafen gesandt zu werden brauchen.

Die Regierungen werden die Häfen bekannt geben, welche in ihren Ländern für Herkünfte aus pest-, choiera- oder gelbfieberverseuchten Häfen geöffnet sind und insbesondere diejenigen Häfen, welche für infizierte und verdächtige Schiffe offen sind.

Art. 43. Es wird empfohlen, in den grossen Seehäfen einzurichten : a. einen regelmässigen Hafenarztdienst und eine ständige ärztliche Überwachung des Gesundheitszustandes der Schiffsmannschaften und der Hafenbevölkerung; b. Gerätschaften zum Transport der Kranken und geeignete Räumlichkeiten zu ihrer Absonderung sowie zur Beobachtung verdächtiger Personen ; c. die notwendigen Installationen für eine erfolgreiche Desinfektion und bakteriologische Laboratorien; d. eine Versorgung des Hafens mit unverdächtigem Trinkwasser und ein System der Abfall- und Kehrichtabfuhr, welches alle mögliche Sicherheit bietet.

Art. 44. Ebenso wird den Vertragsstaaten anempfohlen, bei der Behandlung der aus einem Lande stammenden Herkünfte den von dem letzteren zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten und zur Verhütung ihrer Verschleppung ergriffenen Massregeln Rechnung zu tragen.

Abschnitt IV. Massncilnnen an den Landesgrenzen. -- Reisende.

-- Eisenbahnen. -- Grenzzonen. Binnengewässer.

Art.

errichtet Nur krankten

45. Landquarantänen sollen in Zukunft nicht mehr werden.

die unter pest- oder choleraartigen Erscheinungen erPersonen dürfen an der Grenze zurückgehalten werden.

551

Dieser Grundsatz schliesst für die einzelnen Staaten das Recht nicht aus, nötigenfalls einen Teil ihrer Grenzen zu sperren.

Art. 46. Es ist von Wichtigkeit, dass die Reisenden in bezug auf ihren Gesundheitszustand einer Überwachung durch das Eisenbahnpersonal unterstellt werden.

Art. 47. Das ärztliche Eingreifen beschränkt sich auf eine Besichtigung der Reisenden und auf die Fürsorge für die Kranken.

Wenn diese Besichtigung stattfindet, so soll man sie tunlichst mit der Zollrevision verbinden, damit die Reisenden möglichst wenig aufgehalten werden. Nur bei den augenscheinlich unpässlichen Personen ist eine gründliche ärztliche Untersuchung vorzunehmen.

Art. 48. Als äusserst nützliche Massregel ist zu empfehlen, die aus einem verseuchten Orte kommenden Reisenden nach ihrer Ankunft am Bestimmungsort einer Überwachung zu unterstellen, welche, von dem Zeitpunkte der Abreise an gerechnet, wenn es sich um Pest oder Cholera handelt, fünf Tage, und wenn es sich um Gelbfieber handelt, 6 Tage nicht überschreiten sollte.

Art. 49. Die Regierungen behalten sich das Recht vor, in bezug auf gewisse Kategorien von Personen besondere Massregeln zu ergreifen, namentlich in bezug auf Zigeuner und Vagabunden, sowie auch auf Auswanderer und solche Personen, die truppweise reisen und truppweise die Grenze überschreiten.

Art. 50. Die zur Beförderung von Reisenden, der Post und des Reisegepäcks dienenden Wagen dürfen an der Grenze nicht zurückgehalten werden.

Wenn ein solcher Wagen infiziert ist oder von einem Pestoder Cholerakranken benutzt worden ist, so wird er sobald als möglich zum Zwecke der Desinfektion vom Zuge abgehängt.

Ebenso ist mit den G-üterwagen zu verfahren.

Art. 51. Die hinsichtlich des Grrenzüberganges für das Personal der Eisenbahnen und der Post zu treffenden Massregeln sind Sache der beteiligten Verwaltungen. Sie sollen derart eingerichtet . sein, dass der. Dienst nicht beeinträchtigt wird.

552

Art. 52. Die Regehing des Grenzverkehrs und der damit zusammenhängenden 'Fragen, sowie die Anordnung ausserordentlicher Überwachungsmassregeln bleiben besonderen Vereinbarungen zwischen den aneinander grenzenden Staaten überlassen.

Art. 53. Die Regelung des Sanitätsdienstes auf den Binnengewässern bleibt besonderen Abmachungen zwischen den Regierungen der Uferstaaten überlassen.

Titel II.

Besondere Bestimmungen für die Länder des Ostens und änssersten Ostens.

Abschnitt I. Massnähmen in den verseuchten Häfen bei der Abfahrt der Schiffe.

Art. 54. Jede Person, mit Einschluss der Schiffsmannschaft, welche sich zur Überfahrt an Bord eines Schiffes begibt, soll im Augenblicke der Einschiffung, und zwar bei Tag und am Lande, einzeln durch einen von der öffentlichen Behörde bestellten Arzt untersucht werden, wozu die nötige Zeit einzuräumen ist. Die für das Schiff zuständige Konsularbehörde kann dieser Untersuchung beiwohnen.

In Abweichung von dieser Bestimmung kann die ärztliche Untersuchung in Alexandrien und in Port-Said an Bord vorgenommen werden, wenn die örtliche Sanitätsbehörde es als nützlich erachtet, unter der Bedingung jedoch, dass die Passagiere III. Klasse nachher das Schiff nicht mehr verlassen dürfen. Diese ärztliche Untersuchung kann für die Passagiere I. und II. Klasse, nicht aber für diejenigen III. Klasse, bei Nacht stattfinden.

Abschnitt II. Massnähmen betreffend die geîvohnlichen Schiffe, ivelche von nördlichen verseuchten Häfen kommen und am 'Eingang des Suezkanals oder in ägyptischen Häfen eintreffen.

Art. 55. Die r e i n e n gewöhnlichen Schiffe, welche aus einem pest- oder choleraverseuchten Hafen Europas oder des Mittelländischen Meeres kommen und den Suezkanal zu passieren wünschen, werden zur Durchfahrt in Quarantäne zugelassen.

553

Sie setzen ihre Fahrt fort unter Innehaltung der fünftägigen Beobachtung.

Art. 56. Die reinen gewöhnlichen Schiffe, welche in Ägypten anlegen' wollen, können in Alexandrien oder Port-Said anhalten, wo die Passagiere die fünftägige Beobachtungszeit, je nach dem Entscheid der lokalen Sanitätsbehörde, entweder an Bord oder in einer Sanitätsstation vollenden.

Art. 57. Die Massregeln, denen die aus einem pestverseucliten Hafen Europas oder des Mittelländischen Meeres kommenden v e r s e u c h t e n und v e r d ä c h t i g e n Schiffe unterliegen, wenn sie in einem der ägyptischen Häfen anlegen oder den Suezkanal durchfahren wollen, werden von dem Sanitätsrat in Ägypten entsprechend den Bestimmungen der gegenwärtigen Übereinkunft festgesetzt.

Die Réglemente, welche diese Massregeln enthalten, müssen, um vollziehbar zu sein, von den verschiedenen im Sanitätsrate vertretenen Mächten genehmigt sein; 'sie regeln das gegenüber ·den Schiffen, den Passagieren und den Waren einzuschlagende Verfahren und sollen in möglichst kurzer Frist vorgelegt werden.

Abschnitt III. Massnahmen im Roten Meer.

A. Massnahmen b e t r e f f e n d die g e w ö h n l i c h e n Schiffe, welche von Süden k o m m e n und in den Häfen des Roten Meeres eintreffen oder nach dem Mittelländischen Meere fahren.

Art. 58. Die in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen besondern Vorschriften sind gegenüber den von Süden kommenden und in das Rote Meer einlaufenden gewöhnlichen Schiffen anwendbar, unabhängig von den allgemeinen Bestimmungen, welche den Inhalt des III. Abschnitts des zweiten Kapitels von Titel I bilden.

Art. 59. R e i n e Schiffe müssen eine Beobachtungsdauer von fünf vollen Tagen seit der Abfahrt aus dem letzten verseuchten Hafen hinter sich haben oder die noch fehlende Zeit abwarten.

554

Sie können den Suezkanal in Quarantäne passieren und unter Innehaltung der vorerwähnten fünftägigen Beobachtungszeit in das Mittelländische Meer einfahren. Die Schiffe mit Arzt und Desinfektionsapparat an Bord brauchen sich vor der Durchfahrt nicht der Desinfektion zu unterziehen.

Art. 60. V e r d ä c h t i g e Schiffe werden verschieden behandelt, je nachdem sie einen Arzt und einen Dampfdesinfektionsapparat an Bord haben oder nicht.

a. Schiffen, welche einen Arzt und einen zweckentsprechenden Dampfdesinfektionsapparat besitzen, ist gestattet, den Suezkanal unter den in dem Reglement für die Durchfahrt aufgestellten Bedingungen in Quarantäne zu passieren.

&. Die andern verdächtigen Schiffe, welche weder Arzt noch Dampfdesinfektionsapparat besitzen, sind, bevor sie zur Durchfahrt in Quarantäne zugelassen werden, in Suez oder an den Mosesquellen solange zurückzubehalten, als nötig ist, um die vorgeschriebenen Desinfektionsmassregeln auszuführen und den Gesundheitszustand festzustellen.

Handelt es sich um Postschiffe oder um speziell zur Beförderung von Reiseoden bestimmte Paketboote, welche keinen Dampfdesinfektionsapparat, aber einen Arzt an Bord haben, so wird die Durchfahrt in Quarantäne zugestanden, wenn die örtliche Behörde durch amtliche Feststellung die Gewissheit erlangt hat, dass die Assanierungs- und Desinfektionsmassnahmen bei der Abfahrt oder während der Reise gehörig durchgeführt worden sind.

Postschiffe oder nur speziell zur Beförderung von Reisenden bestimmte Paketboote, welche keinen Dampfdesinfektionsapparat, aber einen Arzt an Bord haben, können, wenn der letzte Pestoder Cholerafall mehr als sieben Tage zurückliegt und der Gesundheitszustand des Schiffes befriedigend ist, in Suez zum freien Verkehr zugelassen werden, sobald die reglementarischen Massnahmen vollendet sind.

Die nach Ägypten reisenden Passagiere eines Schiffes, welches eine seuchenfreie Fahrt von weniger als sieben Tagen hinter sich hat, werden in einer vom Sanitätsrat in Alexandrien bezeichneten

555

Anstalt ans Land gesetzt und bis zum Ablauf der fünftägigen Beobachtungsdauer isoliert. Ihre schmutzige Wäsche und ihre persönlichen Effekten werden desinfiziert. Alsdann wird ihnen die Erlaubnis zum freien Verkehre erteilt.

Schiffe mit einer seuchenfreien Fahrt von weniger als sieben Tagen, welche die Zulassung zum freien Verkehr in Ägypten zu erhalten wünschen, werden in einer vom Sanitätsrat in Alexandrien bezeichneten Anstalt bis zum Ablauf der fünftägigen Beobachtungsdauer zurückgehalten ; sie unterliegen den reglementarischen Massnahmen betreffend die verdächtigen Schiffe.

Wenn die Pest oder die Cholera ausschliesslich unter der Schiffsmannschaft aufgetreten ist, so erstreckt sich die Desinfektion nur auf die schmutzige Wäsche der Mannschaft, aber auf ihre gesamte schmutzige Wäsche, und auf die Mannschaftsräumo.

Art. 61. Die v e r s e u c h t e n Schiffe werden in Schiffe mit Arzt und Dampfdesinfektionsapparat und Schiffe ohne Arzt und ohne Desinfektionsapparat eingeteilt.

a. Die Schiffe ohne Arzt und ohne Dampfdesinfektionsapparat werden an den Mosesquellen]) angehalten ; die Personen, welche Zeichen der Pest oder der Cholera zeigen, werden ans Land gesetzt und in einem Spital isoliert. Die Desinfektion wird vollständig durchgeführt. Die übrigen Passagiere werden ebenfalls gelandet und in möglichst kleinen Gruppen isoliert, in der Weise, dass die Gesamtheit nicht in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn die Pest oder die Cholera in einer einzelnen Gruppe ausbrechen sollte. Die schmutzige Wäsche, die Gebrauchsgegenstäode, die Kleidung der Schiffsmannschaft und der Passagiere, sowie das Schiff werden desinfiziert.

Es handelt sich hierbei nicht etwa um das Ausladen der Waren, sondern nur um die Desinfektion desjenigen Teiles des Schiffes, welcher infiziert worden ist.

') Die Kranken werden soweit immer möglich an den Mosesquellen ans Land gesetzt; die andern Personen können in einer andern vom Seeund Quarantänesanitätsrat in Ägypten bezeichneten Sanitätsanstalt der Beobachtung unterstellt werden (Lotsenlazarett).

556 Die Passagiere haben fünf Tage in einer vom See- und Sanitätsrat in Ägypten bezeichneten Anstalt zu verbleiben. Wenn die Pest- oder Cholerafälle mehrere Tage zurückdatieren, so wird die Dauer der Isolierung entsprechend .vermindert. Die Dauer richtet sich nach dem Zeitpunkte der Heilung, des Todes oder der Isolierung des letzten Kranken. So beträgt die Dauer der Beobachtung einen Tag, wenn der letzte Pest- oder Cholerafall vor sechs Tagen durch Heilung oder Tod abgelaufen oder der letzte Kranke seit sechs Tagen isoliert ist; wenn seitdem nur fünf Tage vergangen sind, so dauert die Beobachtung zwei Tage : sind nur vier Tage verflossen, so beträgt die Beobachtung drei Tage; sind drei Tage vergangen, so dauert die Beobachtung vier Tage ; sind endlich zwei Tage oder bloss ein Tag vergangen, so erstreckt sich die Beobachtung auf fünf Tage.

b. Die Schiffe mit Arzt und Dampfdesinfektionsapparat werden an den Mosesquellen angehalten. Der Schiffsarzt hat unter Eid anzugeben, welche Personen an Bord Zeichen von Pest oder Cholera zeigen. Diese Kranken werden ans Land gebracht und isoliert.

Nach Landung dieser Kranken wird die schmutzige Wäsche der übrigen Passagiere, welche die Sanitätsbehörde als gefährlich betrachtet, und diejenige der Schiffsmannschaft an Bord desinfiziert.

Ist die Pest oder die Cholera nur unter der Schiffsmannschaft aufgetreten, so erstreckt sich die Desinfektion der Wäsche nur auf die schmutzige Wäsche der Mannschaft und die Wäsche in den Mannschaftsräumen.

Der Schiffsarzt hat ferner unter Eid den Teil oder die Räumlichkeit des Schiffes und die Abteilung des Spitals zu bezeichnen, worin der oder die Kranken untergebracht waren. Er hat ebenfalls unter Eid zu erklären, welche Personen mit dem Pest- oder Cholerakranken seit den ersten Anzeichen der Krankheit in Verkehr gewesen sind, sei es durch direkte Berührung, sei es durch Berührung mit Gegenständen, welche infiziert sein können. Einzig ·diese Personen werden als verdächtig angesehen.

557

Der Teil oder die Räumlichkeit des Schiffes und die Spitalabteilung, worin der oder die Kranken untergebracht waren, werden vollständig desinfiziert. Man versteht unter ,,Teil des Schiffes" die Kabine des Kranken, die anstossenden Kabinen, den Gang, auf welchem sich diese Kabinen befinden, das Deck, die Teile des Decks, auf denen der oder die Kranken sich aufgehalten haben.

Ist es nicht möglich, den Teil oder die Räumlichkeit des Schiffes, welche von den Pest- oder Cholerakranken besetzt gewesen ist, zu desinfizieren, ohne die für verdächtig erklärten Personen auszuschiffen, so werden diese Personen entweder auf ein eigens zu diesem Zwecke bestimmtes Schiff gebracht oder aber gelandet und in der Sanitätsanstalt in der Weise einquartiert, dass keinerlei Berührung mit den Kranken, welche in dem Spital untergebracht werden sollen, stattfindet.

Die Dauer dieses Aufenthaltes auf dem Schiffe oder am Lande zum Zwecke der Desinfektion muss möglichst kurz sein und darf 24 Stunden nicht übersteigen.

Die Verdächtigen werden entweder auf ihrem eigenen oder auf dem hierfür bestimmten Schiffe einer Beobachtung unterworfen, deren Dauer sich nach den Fällen und nach den im 3. Alinea von Ziffer a vorgesehenen Fristen richtet.

Die auf die vorgeschriebenen Massnahmen verwendete Zeit wird für die Dauer der Beobachtung mitgerechnet.

Die Durchfahrt in Quarantäne kann vor Ablauf der oben angegebenen Fristen gestattet werden, wenn die Sanitätsbehörde es für tunlich erachtet. Dieselbe wird, sobald die Desinfektion ausgeführt ist, jedenfalls zugestanden, wenn das Schiff ausser seinen Kranken auch die hiervor als ,,verdächtig"1 bezeichneten Personen zurücklässt.

Zur Beschleunigung der Desinfektionsarbeiten kann man einen auf einem Ponton aufgestellten Dampfdesinfektionsapparat neben dem Schiffe anlegen lassen.

Verseuchte Schiffe, welche zum freien Verkehr in Ägypten zugelassen zu werden wünschen, werden fünf Tage an den.MosesBundesblatt. 65. Jahrg. Bd. III.

38

558 quellen zurückgehalten ; sie haben sich ausserdem den nämlichen Massnahmen zu unterziehen, wie die verseuchten Schiffe, die in Europa ankommen.

S. Massnahmen b e t r e f f e n d die gewöhnlichen Schiffe, w e l c h e z u r Z e i t der P i l g e r f a h r t e n von verseuchten Häfen des Hedschas herkommen.

Art. 62. Wenn zur Zeit der Pilgerfahrten nach Mekka die Pest oder die Cholera im Hedschas herrscht, so werden die von dem Hedschas oder irgend einem anderen Teil der arabischen Küste des Roten Meeres kommenden Schiffe, welche dort keine Pilger- oder ähnliche Massentransporte aufgenommen haben und auf denen während der Fahrt kein verdächtiger Fall vorgekommen ist, zu den verdächtigen g e w ö h n l i c h e n Schiffen gerechnet.

Sie unterliegen den Schutzmassregeln und der Behandlung, die für diese Schiffe vorgeschrieben sind.

Wenn sie nach Ägypten bestimmt sind, so haben sie sowohl bei Cholera als bei Pest eine fünftägige Beobachtung, vom Datum der Abfahrt an gerechnet, in einer vom See- und Quarantänesanitätsrat bezeichneten Sanitätsanstalt, durchzumachen. Ausserdem werden sie sämtlichen für verdächtige Schiffe vorgeschriebenen Massnahmen (Desinfektion etc.) unterworfen und erst nach einer günstig ausgefallenen ärztlichen Untersuchung zum freien Verkehre zugelassen.

Sind auf den Schiffen während der Fahrt verdächtige Fälle vorgekommen, so ist die Beobachtung an den Mosesquellen zu bestehen und hat fünf Tage zu dauern, handle es sich um Pest oder Cholera.

Abschnitt IV. Organisation der Überwachung und der Desinfektion in Sues und an den Mosesquellen.

Art. 63. Die in den Reglementen vorgesehene ärztliche Untersuchung wird bei jedem in Suez eintreffenden Schiffe durch einen oder mehrere Ärzte der Station vorgenommen; sie findet für die Herkünfte aus pest- oder choleraverseuchten Häfen bei

559

Tage statt. Sie kann auf solchen Schiffen, welche den Kanal passieren wollen, sogar bei Nacht vorgenommen werden, wenn diese elektrisch beleuchtet sind und wenn die örtliche Sanitätsbehörde die Überzeugung hat, dass die Beleuchtung eine genügende ist.

Art. 64. Es sollen auf der Station von Suez mindestens sieben Ärzte vorhanden sein, ein Chefarzt und sechs ordentliche Ärzte.

Sie sollen im Besitze eines regelrechten Diploms sein und vorzugsweise unter solchen Ärzten ausgewählt werden, welche spezielle praktische Studien in Epidemiologie und Bakteriologie getrieben hahen. Sie werden durch den Minister des Innern auf den Vorschlag des See- und Quarantänesanitätsrats von Ägypten ernannt und beziehen eine Besoldung, welche für die sechs Ärzte von Fr. 8000 allmählich bis auf Fr. 12,000 und für den Chefarzt von Fr. 12,000 bis auf Fr. 15,000 steigen kann.

Sollten diese ärztlichen Kräfte nicht ausreichen, so würde man die Marineärzte der verschiedenen Staaten in Anspruch nehmen, welche alsdann dem Chefarzt der Sanitätsstation unterzuordnen wären.

Art. 65. Ein Sanitätswächterkorps hat die Aufgabe, die Überwachung und die Ausführung der angeordneten Schutzmassnahmen im Suezkanal und in den Anstalten an den Mosesquellen und in Tor zu sichern.

Art. 66. Dieses Korps besteht aus zehn Wächtern.

Es wird aus den ehemaligen Unteroffizieren der europäischen oder ägyptischen Armeen oder der Marine rekrutiert.

Die Wächter werden, nachdem ihre Eignung durch den Sanitätsrat festgestellt worden ist, in der im Art. 14 des Khedivial-Dekrets vom 19. Juni 1893 vorgesehenen Art und Weise ernannt.

Art. 67. Die Wächter sind in zwei Klassen eingeteilt: die I. Klasse zählt 4 Wächter, die II. Klasse 6 Wächter.

560

Art. 68. Der jährliche Sold der Wächter beträgt: für die I. Klasse 160 bis 200 ägyptische Pfund, für die II. Klasse 120 bis 168 ägyptische Pfund, mit allmählicher Steigerung bis zum Maximum.

Art. 69. Die Wächter haben die Eigenschaft von Agenten der öffentlichen Gewalt, mit der Befugnis, in Fällen von Zuwiderhandlung gegen die Sanitätsreglemente polizeiliche Hülfe in Anspruch zu nehmen.

Sie stehen unter dem unmittelbaren Befehle des Direktors des Gesundheitsamts in Suez oder in Tor.

Abschnitt V. Durchfahrt in Quarantäne durch den Sueekanal.

Art. 70. Die Bewilligung zur Durchfahrt in Quarantäne steht der Sanitätsbehörde in Suez zu. Der Sanitätsrat wird jeweilen sofort davon benachrichtigt.

In zweifelhaften Fällen entscheidet der Sanitätsrat.

Art. 71. Sobald die in vorstehendem Artikel vorgesehene Bewilligung erteilt ist, wird ein Telegramm an die von jeder Regierung hierzu bestimmte Behörde gesandt. Die Kosten des Telegramms fallen zu Lasten des betreffenden Schiffes.

Art. 72. Jeder Staat wird Strafbestimmungen gegen solche Schiffe erlassen, welche von dem durch den Kapitän bezeichneten Kurs abweichen und ungehörigerweise einen der Häfen des Gebietes dieses Staates anlaufen. Ausgenommen sind die Fälle höherer Gewalt oder Anlaufen eines Nothafens.

Art. 73. Bei der Befragung hat der Kapitän zu erklären, ob er unter dem Schiffspersonal eingeborene Heizer oder sonstige gegen Lohn angestellte Personen an Bord hat, die nicht in das Mannschaftsverzeichnis oder das hierfür bestimmte Register eingetragen sind.

Namentlich folgende Fragen werden den Kapitänen aller von Süden kommenden Schiffe, welche in Suez eintreffen, vorgelegt zur eidlichen Beantwortung: ,,Haben Sie Hülfsarbeiter : Heizer oder andere Bedienstete, welche nicht in die Mannschafskontrolle oder das Spezialregister

561 eingetragen sind? Welches ist ihre Nationalität? Wo haben Sie dieselben an Bord genommen?"

Die Stationsärzte müssen sich von der Anwesenheit dieser Hülfsmannschaften überzeugen, und wenn sie konstatieren, dass diese nicht vollzählig sind, sorgfältig nach den Ursachen der Abwesenheit forschen.

Art. 74. Ein Sanitätsbeamter und zwei Sanitätswächter gehen an Bord. Sie müssen das Schiff bis Port-Said begleiten.

Es liegt ihnen ob, während der Durchfahrt durch den Kanal den Verkehr mit aussen zu verhindern und üher die Ausführung der vorgeschriebenen Massnahmen zu wachen.

Art. 75. Während der Kanalfahrt von Suez bis Port-Said ist jede Ein- und Ausschiffung und jedes Umladen von Passagieren und Waren verboten.

In Port-Said aber können sich Reisende in Quarantäne einschiffen.

Art. 76. Die in Quarantäne durchfahreuden Schiffe müssen die Strecke von Suez bis Port-Said zurücklegen, ohne anzuhalten.

Im Falle des Auffahrens oder eines nicht vermeidbaren Anhaltens müssen die nötigen Verrichtungen durch das Schiffspersonal unter Vermeidung jeglichen Verkehrs mit dem Personal der Suezkanalgesellschaft vorgenommen werden.

Art. 77. Truppentransporte auf verdächtigen oder verseuchten Schiffen, die in Quarantäne passieren, dürfen den Kanal nur bei Tage durchfahren. Sind sie gezwungen, die Nacht im Kanäle zuzubringen, so haben sie im Timsahsee oder im Grossen See zu ankern.

Art. 78. Schiffen, welche in Quarantäne durchfahren, ist es untersagt, im Hafen von Port-Said zu halten, ausser in den in Art. 75, Alinea 2, und in Art. 79 vorgesehenen Fällen.

Die Verproviantierungsarbeiten müssen mit den an Bord befindlichen Mitteln ausgeführt werden.

Die Auflader oder andern Personen, welche an Bord gegangen sind, werden auf dem Quarantäneponton isoliert. Ihre Kleidung unterliegt dort der vorgeschriebenen Desinfektion.

562 Art. 79. Wenn es für die in Quarantäne passierenden Schiffe unerlässlich ist, in Port-Said Kohlen einzunehmen, so ist diese Verrichtung an einem von dem Sanitätsrat bestimmten Orte vorzunehmen, welcher die nötige Sicherheit für die Isolierung und sanitarische Überwachung bietet. Bei Schiffen, auf welchen eine wirksame Überwachung dieser Arbeit möglich ist und wo jede Berührung mit den Leuten an Bord vermieden werden kann, ist die Anbordbeförderuug der Kohlen durch Hafenarbeiter gestattet.

Nachts muss der hierfür bestimmte Platz elektrisch beleuchtet werden.

Art. 80. Die Lotsen, die Elektrotechniker, die Agenten der Gesellschaft und die Sanitätswächter werden in Port-Said ausserhalb des Hafens zwischen den Molen ausgesetzt und von da direkt auf den Quarantäneponton geführt, wo ihre Kleider der Desinfektion unterworfen werden, wenn eine solche als nötig angesehen wird.

Art. 81. Die hiernach bestimmten Kriegsschiffe geniessen für die Durchfahrt durch den Suezkanal die Wohltat folgender Bestimmungen : Sie werden von der Quarantänebehörde als rein anerkannt, sobald eine vom Kommandanten mitunterzeichnete Bescheinigung der Sehiffsärzte eidlich bezeugt: a. dass weder bei der Abfahrt noch während der Überfahrt ein Pest- oder Cholerafall an Bord vorgekommen ist; b. dass die genaue Untersuchung aller Personen an Bord ohne Ausnahme längstens zwölf Stunden vor Ankunft in dem ägyptischen Hafen stattgefunden hat und dass dabei kein derartiger Erkrankungsfall entdeckt worden ist.

Diese Schiffe sind von der ärztlichen Untersuchung befreit und werden sofort zum freien Verkehre zugelassen, wenn seit ihrer Abfahrt aus dem letzten verseuchten Hafen ein Zeitraum von fünf vollen Tagen verflossen ist.

Diejenigen unter ihnen, welche den verlangten Zeitraum noch nicht hinter sich haben, können den Kanal in Quarantäne durchfahren, ohne sich der ärztlichen Untersuchung zu unter-

563 ziehen, wofern sie die obgenannte Bescheinigung der Quarantänebehörde vorweisen.

Die Quarantänebehörde hat nichtsdestoweniger da's Recht, in allen Fällen, wo sie es für nötig erachtet, durch ihre Agenten die ärztliche Untersuchung an Bord von Kriegsschiffen vornehmen zu lassen.

Die verdächtigen oder verseuchten Kriegsschiffe sind den in Kraft bestehenden Reglementen zu unterwerfen.

Als Kriegsschiffe werden nur die Gefechtseinheiten betrachtet.

Die Transportschiffe, die Spitalschiffe gehören in die Kategorie der gewöhnlichen Schiffe.

Art. 82. Der See- und Quarantänesanitätsrat von Ägypten ist ermächtigt, die Durchfahrt der Post und der gewöhnlichen Reisenden, welche aus verseuchten Ländern kommen, in Quarantäne-Eisenbahnzügen durch das ägyptische Gebiet einzurichten, unter den in der Beilage Nr. l bestimmten Bedingungen.

Abschnitt VI. Sanitätsmassregeln im Persischen Golf.

Art. 83. Gegenüber den in den Persischen Golf einlaufenden Schiffen sind die in dieser Übereinkunft vorgeschriebenen Massnahmen durch die Gesundheitsbehörden der Ankunftshäfen zur Anwendung /u bringen.

Jedoch sind mit Bezug auf die Einteilung der Schiffe und die ihnen im Persischen G-olf aufzuerlegenden Massnahmen folgende drei Vorbehalte zu machen : 1. Die Überwachung der 'Passagiere und der Mannschaft ist stets durch eine Beobachtung von gleicher Dauer zu ersetzen.

2. Die reinen Schiffe können zum freien Verkehr nur unter der Bedingung zugelassen werden, dass seit ihrer Abfahrt aus dem letzten verseuchten Hafen volle fünf Tage verflossen sind.

3. Für die verdächtigen Schiffe ist die fünftägige Frist für die Beobachtung der Mannschaft und der Passagiere erst von dem Zeitpunkte an zu rechnen, wo kein Pest- oder Cholerafall mehr an Bord ist.

564

Titel III.

Besondere Bestimmungen betreffend die Pilgerfahrten.

Kapitel I.

Allgemeine Vorschriften.

Art. 84. Nach dem Hedjas oder nach Irak-Arabi reisende Personen oder Gegenstände unterliegen bei ihrer Einschiffung an Bord eines Pilgerschiffes den Bestimmungen von Art. 54 des Titels II, auch dann, wenn der Einschiffungshafen weder pestnoch choleraverseucht ist.

Art. 85. Wenn im Hafen Pest- oder Cholerafälle vorhanden sind, so findet die Einschiffung an Bord der Pilgerschiffe erst statt, nachdem die Personen, in Gruppen vereinigt, einer Beobachtung unterworfen worden sind, welche die Gewissheit bietet, dass keine von ihnen von Pest oder Chqlera befallen ist.

Jeder Regierung steht es frei, bei Ausführung dieser Massregel den örtlichen Verhältnissen und Möglichkeiten Rechnung zu tragen.

Art. 86. Die Pilger sind, sofern die örtlichen Verhältnisse es gestatten, gehalten, sich über den Besitz der unbedingt notwendigen Mittel zur Pilgerfahrt, namentlich des Retourbillets, auszuweisen.

Art. 87. Zur Ausführung von Pilgertransporten mit langer Fahrt werden einzig Dampfschiffe zugelassen. Andern Schiffen ist dies untersagt.

Art. 88. Pilgerschiffe, welche die Küstenschiffahrt betreiben und für Transporte von kürzerer Dauer, sogenannte ,,Küstenfahrten", bestimmt sind, unterliegen ebenfalls den Vorschriften des Spezialreglements für die Pilgerfahrten nach dem Hedschas, welches der Sanitätsrat zu Konstantinopel im Einklang mit den in vorliegender Konvention aufgestellten Grundsätzen veröffentlichen wird.

Art. 89. Nicht als Pilgerschiff wird angesehen ein Schiff, das ausser seinen gewöhnlichen Fassagieren, zu denen auch die

565 Pilger der höheren Klassen gerechnet werden können, Pilger der untersten Klasse in einem Verhältnis an Bord nimmt, wonach auf 100 Tonnen Bruttogehalt weniger als ein Pilger kommt.

Art. 90. Jedes in den türkischen Gewässern befindliche Pilgerschiff hat sich nach den in dem Spezialreglement für die Pilgerfahrten nach dem Hedschas enthaltenen Vorschriften zu richten, welches der Sanitätsrat zu Konstantinopel im Einklänge mit den in der vorliegenden Konvention aufgestellten Grundsätzen veröffentlichen wird.

Art. 91. Der Kapitän ist gehalten, sämtliche Sanitätstaxen, zu denen die Pilger verpflichtet 3ind, zu bezahlen. Diese sollen in dem Preise des Billets einbegriffen sein.

Art. 92. Die Pilger, welche auf den Sanitätsstationen ausgeschifft oder eingeschifft werden, sollen, soweit dies immer möglich ist, auf den Landungsplätzen nicht miteinander in Berührung kommen.

Die ausgeschifften Pilger sind in mögliehst kleinen Gruppen im Lager zu verteilen.

Denselben muss ein gutes Trinkwasser geliefert werden, sei es, dass man solches an Ort und Stelle findet, sei es, dass man es durch Destillation erhält.

Art. 93. Herrscht die Pest oder die Cholera im Hedschas, so werden die von den Pilgern mitgenommenen Lehensmittel vernichtet, wenn die Sanitätsbehörde es als notwendig erachtet.

Kapitel II.

Pilgerschiffe. -- Sanitätseinrichtungen.

Abschnitt I.

Allgemeiner Zustand der Schiffe.

Art. 94. Das Schiff muss die Pilger im Zwischendeck beherhergen können.

Abgesehen von der Mannschaft, soll das Schiff für jede Person ohne Unterschied des Alters eine Fläche von l lfa Quadratmetern, das heisst sechzehn englischen Quadratfuss, hei einer Zwischendeckshöhe von ungefähr l,so m bieten.

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Auf Schiffen, welche die Küstenschiffahrt betreiben, soll jeder Pilger über einen Raum von wenigstens zwei Meter Breite in der Länge des Schandecks verfügen.

Art. 95. Auf dem Deck soll an jeder Seite des Schiffes ein Ort freigehalten werden, der den Blicken entzogen und mit einer Handpumpe versehen ist, um Seewasser für den Bedarf der Pilger' zu liefern. Ein Raum dieser Art muss zum ausschliesslichen Gebrauch für die Frauen bestimmt sein.

Art. 96. Ausser den Aborten für die Schiffsmannschaft soll das Schiff auf je hundert an Bord befindliche Personen wenigstens «inen Abtritt mit Wasserspülung oder Wasserhahn besitzen.

Für die Frauen müssen besondere Abtritte vorhanden sein.

In den Zwischendecks und im Schiffsräume dürfen sich keine Aborte befinden.

Art. 97. Das Schiff muss mit zwei Räumen versehen sein, wo die Pilger selbst kochen können. Den Pilgern ist verboten, anderswo, namentlich auf dem Deck, Feuer zu machen.

Art. 98. Für die Unterbringung der Kranken sind'Krankenräume zur Verfügung zu halten, welche bezüglich Sicherheit und Gesundheit den notwendigen Anforderungen entsprechen. Dieselben sind so einzurichten, dass mit übertragbaren Krankheiten behaftete Personen je nach der Natur ihrer Krankheit abgesondert ·werden können. Die Krankenräume sollen wenigstens 5 Prozent der an Bord befindlichen Pilger in der Weise beherbergen können, dass 3 Quadratmeter auf den Kopf kommen.

Art. 99. Jedes Schiff muss die Arzneimittel, Desinfektionsmittel, Gegenstände welche zur Pflege der Kranken nötig sind, an Bord haben. Die von jeder Regierung für diese Schiffe aufgestellten Réglemente sollen die Art und Menge der Arzneimittel1) bestimmen. Pflege und Heilmittel werden den Pilgern unentgeltlich gewährt.

Art. 100. Jedes Schiff, welches Pilger transportiert, muss einen mit ordnungsgemässem Diplom versehenen und von der J ) Es ist wünschbar, dass jedes Schiff mit den hauptsächlichsten Immunisierungsstoffen (Pestserum, Haffkinesches Vaccin etc.) versehen sei.

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Regierung des Heimatlandes des Schiffes oder von der Regierung des Hafens, in welchem das Schiff Pilger aufnimmt, anerkannten Arzt an Bord haben. Sobald die Zahl der auf dem Schiffe befindlichen Pilger 1000 übersteigt, muss ein zweiter Arzt an Bord sein.

Art. 101. Der Kapitän ist gehalten, an einer für die Beteiligten sichtbaren und zugänglichen Stelle des Schiffes Plakate anbringen zu lassen, welche in den Hauptsprachen der von den aufzunehmenden Pilgern bewohnten Länder abgefasst sind und folgende Angaben enthalten : 1. Den Bestimmungsort des Schiffes.

2. Den Preis der Billets.

3. Die für jeden Pilger ausgesetzte tägliche Ration an Wasser und Lebensmitteln.

4. Den Tarif für diejenigen Lebensmittel, welche nicht in der täglichen Beköstigung inbegriffen sind und besonders bezahlt werden müssen.

Art. 102. Das grosse Gepäck der Pilger wird eingeschrieben, mit Nummern versehen, und im Schiffsräume untergebracht. Die Pilger dürfen nur die unbedingt nötigen Gegenstände bei sich behalten. Die von jeder Regierung für ihre Schiffe aufgestellten Réglemente bestimmen die Art, die Menge und die Dimensionen dieser Gegenstände.

Art. 103. Die Vorschriften des I. Kapitels und des II. Kapitels (Abschnitt I, II und III), sowie des III. Kapitels des vorliegenden Titels sind in der Form eines Reglements auf jedem Deck und Zwischendeck des Pilgerschiffes in der Sprache des Landes, dem das Schiff angehört, und in den Hauptsprachen der von den aufzunehmenden Pilgern bewohnten Länder an gut sichtbarer und zugänglicher Stelle anzuschlagen.

Abschnitt II.

Massnahmen vor der Abfahrt.

Art. 104. Der Kapitän oder an seiner Statt der Eigentümer oder Agent jedes Pilgerschiffes ist gehalten, der zuständigen Behörde des Abgangshafens wenigstens 3 ..Tage vor der Abfahrt

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von seiner Absicht, Pilger aufzunehmen, Anzeige zu machen. In den Zwischenhäfen muss der Kapitän oder an seiner Statt der Eigentümer oder Agent jedes Pilgerschiffes die nämliche Anzeige zwölf Stunden vor der Abfahrt des Schiffes erstatten. In dieser Anzeige muss der zur Abfahrt bestimmte Tag und der Bestimmungsort des Schiffes angegeben werden.

Art. 105.

Auf die im vorigen Artikel vorgeschriebene Anzeige hin lässt die zuständige Behörde auf Kosten des Kapitäns die Inspektion und Ausmessung des Schiffes vornehmen. Die für das Schiff zuständige Konsularbehörde kann dieser Inspektion beiwohnen.

Ist der Kapitän bereits im Besitze einer von der zuständigen Behörde seines Landes ausgestellten Bescheinigung über die Ausmessung des Schiffes, so findet nur die Inspektion statt, es sei denn, dass die Vermutung vorliegt, das Dokument entspreche nicht mehr dem gegenwärtigen Zustande des Schiffes.1) Art. 106. Die zuständige Behörde gestattet die Abfahrt eines Pilgerschiffes erst, nachdem sie sich überzeugt hat: a. dass das Schiff vollkommen gereinigt und nötigenfalls desinfiziert worden ist; b. dass das Schiff imstande ist, die Reise ohne Gefahr zu unternehmen, dass es wohl ausgerüstet, gut eingerichtet, hinreichend luftig und mit einer genügenden Anzahl von Rettungsbooten versehen ist, dass es nichts an Bord enthält, was der Gesundheit oder Sicherheit der Passagiere schädlich ist oder schädlich werden könnte, und dass das Deck aus Holz oder aus Eisen mit Holzbekleidung erstellt ist; c. dass an Bord ausser dem Proviant für die Schiffsmannschaft gehörig verladene Lebensmittel und Brennmaterialien vorhanden sind, alles von guter Beschaffenheit und in genüJ ) Die zuständige Behörde ist gegenwärtig : In Britisch-Indien ein von der Lokalregierung hierzu bestimmter Beamter (Native passenger Ships Act 1887, Art. 7) ; in Niederländisch-Indien der Hafenmeister ; in der Türkei die Sanitätsbehörde ; in Österreich-Ungarn die Hafenhehörde ; in Italien der Hafenkapitän; in Frankreich, Tunesien und Spanien die Sanitätsbehörde; in Ägypten die Quarantäne-Sanitätsbehörde etc.

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gender Menge für sämtliche Pilger und für die ganze angegebene Dauer der Reise ; d. dass das an Bord befindliche Trinkwasser von guter Qualität und durchaus unverdächtigen Ursprunges ist; dass es in hinreichender Menge vorhanden ist; dass die Trinkwasserbehälter vor jeder Verunreinigung geschützt und derart verschlossen sind, dass das Wasser nur vermittelst Hähnen oder Pumpen daraus entnommen werden kann. Die Verteilungsapparate genannt ,,suçoirs"1 sind unbedingt verboten; e. dass das Schiff einen Destillierapparat besitzt, der für alle an Bord befindlichen Personen mit Binschhiss des Schiffspersonals eine Wassermenge von mindestens 5 Litern per Kopf und per Tag zu liefern vermag; f. dass das Schiff einen Dampfdesinfektionsapparat besitzt, dessen Sicherheit und Wirksamkeit durch die Sanitätsbehörde des Einschiffungshafens festgestellt ist; g. dass unter dem Schiffspersonal sich ein diplomierter und entweder von der Regierung des Heimatlandes des Schiffes oder von der Regierung des Hafens, wo das Schiff Pilger aufnimmt, anerkannter ') Arzt befindet, und dass das Schiff Arzneimittel besitzt, alles gemäss Art. 99 und 100; h. dass das Schiffsdeck frei von jeglichen den Verkehr behindernden Waren und Gegenständen ist; i, dass die Einrichtungen des Schiffes derartige sind, dass die in Abschnitt III hiernach vorgeschriebenen M.assnahmen ausgeführt werden können.

Art. 107. Der Kapitän darf nicht abfahren, bevor er folgende Schriftstücke in Händen hat: 1. Eine von der zuständigen Behörde visierte Liste über Namen, Geschlecht und Gesamtzahl der Pilger, zu deren Einschiffung er berechtigt ist.

2. Bin Gesundheitspatent, worin Name, Nationalität und Tonnengehalt des Schiffes, die Namen des Kapitäns und des Arztes *) Eine Ausnahme findet für diejenigen Regierungen statt, welche keine staatlich anerkannten Ärzte haben.

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die genaue Zahl der eingeschifften Personen (Schiffsmannschaft, Pilger und andere Passagiere), die Art der Ladung und der Abgangsort angegeben sind.

Die zuständige Behörde gibt auf dem Patent an, ob die nach Reglement zulässige Zahl der Pilger erreicht ist oder nicht, und wenn das nicht der Fall ist, die Zahl der Passagiere, welche das Schiff an spätem Landungsplätzen noch aufnehmen darf.

Abschnitt III. Massnahmen während der Fahrt.

Art. 108. Das Deck soll während der Fahrt frei von Gegenständen bleiben, welche den Verkehr behindern ; es soll Tag und Nacht für die Passagiere frei gehalten werden und ihnen unentgeltlich zur Verfügung stehen.

Art. 109. Die Zwischendecks müssen täglich während der Zeit, wo sich die Pilger auf dem Deck aufhalten, sorgfältig gereinigt und mit trockenem Sande, der mit Desinfektionsmitteln gemischt ist, abgerieben werden.

Art. 110. Sowohl die für die Passagiere als die für die Schiffsmannschaft bestimmten Aborte müssen in sauberem Zustande gehalten und täglich dreimal gereinigt und desinfiziert werden.

Art. 111. Die Ausscheidungen und Entleerungen von Personen^ welche Zeichen von Pest oder Cholera zeigen, sind in Gefässen, welche eine desinfizierende Lösung enthalten, aufzufangen. Diese Gefässe werden in die Aborte entleert, welche nach jeder solchen Entleerung gründlich desinfiziert werden müssen.

Art. 112. Bettzeug, Teppiche und Kleidungsstücke, welche mit den im vorigen Artikel bezeichneten Kranken in Berührung gekommen sind, müssen sofort desinfiziert werden. Die Beobachtung dieser Vorschrift wird besonders hinsichtlich der Kleidung derjenigen Personen, welche in die Nähe dieser Kranken kommen, empfohlen, soweit eine Beschmutzung der Kleidung stattgefunden haben kann.

Diejenigen Gegenstände vorgenannter Art, welche keinen Wert haben, sind entweder ins Meer zu werfen, sofern das

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Schiff sich nicht in einem Hafen oder Kanal befindet, oder aber durch Feuer zu vernichten. Die anderen müssen in undurchlässigen, mit einer desinfizierenden Lösung angefeuchteten Säcken nach dem Dampfdesinfektionsapparat gebracht werden.

Art. 113. Auch die von den Kranken benutzten, in Art. 98 erwähnten Räumlichkeiten müssen sorgfaltig desinfiziert werden.

Art. 114. Die obligatorische Desinfektion der Pilgerschifi'e erfolgt nach den in Kraft bestehenden Reglementen des Landes, dessen Flagge sie führen.

Art. 115. An Trinkwasser müssen jedem Pilger ohne Rücksicht auf sein Alter täglich wenigstens fünf Liter unentgeltlich, zur Verfügung gestellt werden.

Art. 116. Sind Bedenken vorhanden über die Beschaffenheit des Trinkwassers oder besteht die Möglichkeit, dass es entweder von vornherein verseucht war oder während der Fahrt verseucht worden ist, so muss das Wasser gekocht oder auf andere Weise sterilisiert werden, und der Kapitän ist gehalten, dasselbe in dem ersten Zwischenhafen, wo er sich besseres Wasser verschaffen kann, ins Meer schütten zu lassen.

Art. 117. Der Arzt besichtigt die Pilger, behandelt die Kranken und wacht darüber, dass an Bord die Regeln der Hygiene beobachtet werden. Insbesondere hat er: 1. sich zu vergewissern, dass die an die Pilger verabreichten Lebensmittel von guter Qualität sind, dass ihre Quantität den eingegangenen Verpflichtungen entspricht, und dass sie gehörig zubereitet sind; 2. darauf zu achten, dass die Vorschriften des Art. 115 bezüglich der Verabreichung des Wassers innegehalten werden; 3. wenn hinsichtlich der Beschaffenheit des Trinkwassera Zweifel bestehen, den Kapitän schriftlich an die Vorschriften des Art. 116 zu erinnern; 4. sich zu überzeugen, dass das Schiff beständig in reinlichem Zustande gehalten wird, und insbesondere, dass die Aborte gemäss den Vorschriften von Art. 110 gereinigt werden ;

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5. darüber zu wachen, dass die Unterkunftsräume der Pilger in einem der Gesundheit zuträglichen Stande gehalten werden und dass beim Auftreten einer übertragbaren Krankheit die Desinfektion nach Vorschrift der Art. 113 und 114 vorgenommen wird ; 6. ein Tagebuch über alle im Verlaufe der Reise vorgekommenen, die Gesundheit betreffenden Vorfälle zu führen und dasselbe der zuständigen Behörde des Ankunftshafens vorzuweisen.

Art. 118. Die mit der Pflege der Pest- oder Cholerakranken beauftragten Personen haben allein zu diesen Zutritt und dürfen mit den übrigen an Bord befindlichen Personen in keinerlei Berührung kommen.

Art. 119. Tritt ein Todesfall während der Fahrt ein, so hat der Kapitän denselben neben dem betreffenden Namen auf der von der Behörde des Abgangshafens visierten Liste anzumerken und ausserdem in seinem Schiffsjournale Namen, Alter und Herkunft des Verstorbenen, sowie die vermutliche Todesursache nach, dem Zeugnisse des Arztes und das Todesdatum einzutragen.

Ist der Tod infolge einer übertragbaren Krankheit erfolgt, so ist der Leichnam, in ein mit einer Desinfektionslösung durchtränktes Tuch gehüllt, ins Meer zu werfen.

Art. 120. Der Kapitän hat dafür zu sorgen, dass alle während der Reise ausgeführten prophylaktischen Massregeln in dem Schiffsjournale angegeben werden. Letzteres hat er der zuständigen Behörde des Ankunftshafens vorzulegen.

In jedem Zwischenhafen hat der Kapitän die nach Vorschrift von Art. 107 aufgestellte Passagierliste von der zuständigen Behörde visieren zu lassen.

Ist ein Pilger während der Reise ausgeschifft worden, so hat der Kapitän dies auf jener Liste neben dem Namen des betreffenden Pilgers anzumerken.

Werden Personen an Bord genommen, so müssen dieselben auf dieser Liste gemäss vorerwähntem Art. 107 eingetragen werden, bevor die zuständige Hafenbehörde das neue Visum erteilt.

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Art. 121. Das in dem Abgangshafen ausgestellte Patent darf während der Reise nicht abgeändert werden.

Dasselbe wird von der Sanitätsbehörde jedes Zwischenhafens visiert. Sie notiert darauf: 1. Die Zahl der in dem betreffenden Hafen aus- oder eingeschifften Passagiere.

2. Die auf See vorgekommenen Ereignisse, welche die Gesundheit oder das Leben der an Bord befindlichen Personen betreffen.

3. Den Gesundheitszustand des Zwischenhafens.

Abschnitt IV.

Boten Meer.

Massnalvmen bei der Ankunft

der Pilger im

A . S a n i t a r i s c h e B e h a n d l u n g d e r a u s e i n e m verseuchten Hafen k o m m e n d e n und von Süden nach dem Hedschas fahrenden Pilgerschiffe.

Art. 122. Die von Süden kommenden Pilgerschiffe, welche sich nach dem Hedschas begeben, haben zunächst an der Sanitätsstation von Camaran anzuhalten und sich der durch die Artikel 123--125 festgesetzten Behandlung zu unterziehen.

Art. 123. Schiffe, welche man nach ärztlicher Untersuchung r e i n befunden hat, werden zum freien Verkehr zugelassen, sobald folgende Massnahmen durchgeführt worden sind : Die Pilger werden ausgeschifft; sie nehmen ein Dusche- oder «in Seebad; ihre schmutzige Wäsche und der Teil ihrer persönlichen Effekten und ihres Gepäckes, der nach Ansicht der Gesundheitsbehörde verdächtig sein durfte, werden desinfiziert; die Dauer dieser Massnahmen, mit Einschluss der Aus- und Einschiffung darf 48 Stunden nicht übersteigen.

Wird während dieser Vorkehren kein erwiesener oder verdächtiger Pest- oder Cholerafall festgestellt, so werden die Pilger sofort wieder eingeschifft, und das Schiff steuert nach dem Hedsehas zu.

Bei Pest kommen die Vorschriften der Art. 24 und 25 zur Anwendung, soweit es die etwa an Bord der Schiffe sich vorfindenden Ratten anbetrifft.

BundesWatt. 65. Jahrg. Bd. III.

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Art. 124. V e r d ä c h t i g e Schiffe, auf denen zur Zeit der Abfahrt Pest- oder Cholerafalle vorgekommen sind, aber seit sieben Tagen kein neuer Fall sich ereignet hat, werden folgend ermassen behandelt: Die Pilger werden ausgeschifft ; sie nehmen ein Dusche- oder ein Seebad ; ihre schmutzige Wäsche und der Teil ihrer persönlichen Effekten und ihres Gepäcks, der nach Ansicht der Gesundheitsbehörde verdächtig sein kann, werden desinfiziert.

Bei Cholera wird das Bilschwasser erneuert.

Die Teile des Schiffes, welche von den Kranken hewohnt gewesen sind, werden desinfiziert. Die Dauer dieser Massnahmen, mit Einschluss der Aus- und Einschiffung, darf 48 Stunden nicht übersteigen.

Wird während dieser Vorkehren kein erwiesener oder verdächtiger Pest- oder Cholerafall festgestellt, so werden die Pilger sofort wieder eingeschifft, und das Schiff' nimmt seinen Kurs nach Djeddah, wo eine zweite ärztliche Untersuchung an Bord stattfindet. Ist das Resultat derselben günstig und liegt eine schriftliche Erklärung der an Bord befindlichen Ärzte vor, in der dieselben eidlich versichern, dass während der Überfahrt keine Pest- oder Cholerafälle vorgekommen sind, so werden die Pilger sofort ausgeschifft.

« Sind dagegen ein oder mehrere erwiesene oder verdächtige Pest- oder Cholerafälle während der Reise oder im Augenblicke der Ankunft konstatiert worden, so wird das Schiff nach Camaran zurückgeschickt, wo es die für verseuchte Schiffe vorgesehene Behandlung neuerdings durchzumachen hat. Bei Pest sind die Vorschriften der Ziffer 6 von Art. 22 anzuwenden, soweit es die etwa an Bord befindenden Ratten anbetrifft.

Art. 125. V e r s e u c h t e Schiffe, d.h. solche, welche Pestoder Cholerafälle an Bord haben oder im Verlauf der letzten sieben Tage gehabt haben, sind folgender Behandlung zu unterstellen : Die von Pest oder Cholera befallenen Personen werden gelandet und im Spital isoliert. Die übrigen Passagiere werden

575 ebenfalls ausgeschifft und in möglichst kleinen Gruppen isoliert, in der Weise, dass die Gesamtheit nicht in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn die Pest oder die Cholera in einer einzelnen Gruppe ausbrechen sollte.

Die schmutzige Wäsche, die Gebrauchsgegenstände und die Kleidung der Mannschaft und der Passagiere werden desinfiziert, ebenso das Schiff selbst. Die Desinfektion ist in gründlicher Weise durchzuführen.

Die örtliche Sanitätsbehörde kann jedoch verfügen, dass das grosse Gepäck und die Waren nicht ausgeladen werden und dass nur ein Teil des Schiffes desinfiziert werde.

Die Passagiere verbleiben 5 Tage in der Anstalt von Camaran.

Datieren die Pest- oder Cholerafälle um mehrere Tage zurück, so kann die Dauer der Isolierung abgekürzt werden. Dieselbe wird mit Rücksicht auf den Zeitpunkt, wo der letzte Fall vorgekommen ist, und nach dem Ermessen der Sanitätsbehörde festgesetzt.

Das Schiff begibt sich sodann nach Djeddah, wo eine strenge ärztliche Untersuchung jeder einzelnen Person stattfindet. Ist das Ergebnis derselben günstig, so wird das Schiff zum freien Verkehr zugelassen. Haben sich dagegen während der Reise oder zur Zeit der Ankunft erwiesene Pest- oder Cholerafälle an Bord gezeigt, so wird das Schiff nach Camaran zurückgeschickt, wo es neuerdings die für verseuchte Schiffe vorgeschriebene Behandlung durchzumachen hat.

Bei Pest kommt das in Art. 22 vorgesehene Verfahren zur Anwendung, soweit es die etwa an Bord befindlichen Ratten anbetrifft.

Art. 126. Jede zur Aufnahme von Pilgern bestimmte Sanitätsstation soll mit ausgebildetem, erfahrenem und hinlänglich zahlreichem Personal, sowie mit allen erforderlichen Grebäulichkeiten und Einrichtungen versehen sein, um die Durchführung sämtlicher gegenüber den Pilgern zur Anwendung kommenden Massnahmen in vollem Umfange zu gestatten.

576 B. Sanitarische Behandlung der von N o r d e n k o m m e n d e n und nach dem Hedschas f a h r e n d e n Pilgerschiffe.

Art. 127. Wenn weder im Abgangshafen noch in dessen Umgegend Pest oder Cholera festgestellt worden und kein Pestoder Cholerafall während der Fahrt vorgekommen ist, so wird das Schiff sofort zum freien Verkehre zugelassen.

Art. 128. Ist dagegen im Abgangshafen oder in dessen Umgegend das Vorhandensein der Pest oder der Cholera konstatiert worden oder während der Fahrt ein Pest- oder Cholerafan vorgekommen, so unterliegt das Schiff in Ei-Tor denjenigen Massnahmen, welche für die von Süden kommenden und in Camaran haltenden Schiffe vorgeschrieben sind. Hierauf werden die Schiffe zum freien Verkehre zugelassen.

Abschnitt V.

Massnalvmen bei der Rückkehr der Pilger.

A. Nach Norden zurückkehrende

Pilgerschiffe.

Art. 129. Jedes aus einem Hafen des Hedschas oder aus irgend einem anderen Hafen der arabischen Küste des Roten Meeres kommende Schiff, welches Pilger- oder ähnliche Massentransporte an Bord hat und nach Suez oder einem Hafen des Mittelländischen Meeres bestimmt ist, hat sich nach Ei-Tor zu begeben, um dort die in den Art. 133 bis 135 angegebene Beobachtung und sanitärische Behandlung durchzumachen.

Art. 130. Die Schiffe, welche die mohamedanischen Pilger nach dem Mittelländischen Meer zurückbringen, dürfen den Kanal nur in Quarantäne passieren.

Art. 131. Die Agenten der Schiffahrtsgesellschaften und die Kapitäne werden davon in Kenntnis gesetzt, dass allein die ägyptischen Pilger nach Beendigung ihrer Beobachtung in der Sanitätsstation von Ei-Tor berechtigt sind, das Schiff endgültig zu verlassen, um alsdann in ihre Heimat zurückzukehren.

Als Ägypter oder in Ägypten wohnhaft werden nur diejenigen Pilger angesehen, welche im Besitz einer von einer ägyptischen Behörde" ausgestellten und der vorgeschriebenen Form ent-

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sprechenden Aufenthaltskarte sind. Exemplare dieser Karte werden bei den Konsular- und Sanitätsbehörden in Djeddah und Yambo niedergelegt, wo die Agenten und Schiffskapitäne sie einsehen können.

Die nicht ägyptischen Pilger, wie Türken, Russen, Perser, Tunesier, Algerier, Marokkaner etc., dürfen, nachdem sie Ei-Tor verlassen haben, nicht in einem ägyptischen Hafen ausgeschifft werden. Infolgedessen werden die Schiffahrtsagenten und die Kapitäne davon in Kenntnis gesetzt, dass das Umsteigen von in Ägypten nicht heimischen Pilgern, sei es in Tor, in Suez, in Port-Said oder in Alexandrien verboten ist.

Die Schiffe, welche Pilger der in vorstehendem Alinea aufgeführten Nationalitäten an Bord haben, werden nach den gleichen Grundsätzen behandelt wie diese Pilger und in keinem ägyptischen Hafen des Mittelländischen Meeres zugelassen.

Art. 132. Die ägyptischen Pilger haben in Ei-Tor, in Suakim oder in irgendeiner andern von dem Sanitätsrat von Ägypten bezeichneten Station eine dreitägige Beobachtung und eine ärztliche Untersuchung durchzumachen, bevor sie zum freien Verkehr zugelassen werden.

Art. 133. Ist das Vorhandensein von Pest oder Cholera im Hedschas oder in dem Abgangshafen des Schiffes festgestellt, oder ist es im Hedschas während der Dauer der Pilgerfahrten festgestellt worden, so unterliegt das Schifi' in Ei-Tor dem in Camaran für verseuchte Schiffe vorgeschriebenen Verfahren.

Die von Pest oder Cholera befallenen Personen werden ausgeschifft und im Spital isoliert. Die übrigen Passagiere werden ebenfalls gelandet und in möglichst kleinen Gruppen isoliert, so dass die Gesamtheit nicht in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn die Pest oder die Cholera in einer einzelnen Gruppe ausbrechen sollte.

Die schmutzige Wäsche, die Gebrauchsgegenstände und die Kleider der Mannschaft und der Passagiere, die infektionsverdächtigen Gepäckstücke und Waren werden ausgeschifft und desinfiziert. Ihre Desinfektion und diejenige des Schiffes sind in gründlicher Weise durchzuführen.

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Die örtliche Sanitätsbehörde kann jedoch verfügen, dass das Ausladen des grossen Gepäcks und der Waren unterbleibe und dass nur ein Teil des Schiffes desinfiziert werde.

In bezug auf die etwa an Bord sich vorfindenden Ratton wird das in den Art. 22 und 25 vorgesehene Verfahren zur Anwendung gebracht.

Alle Pilger unterliegen, handle es sich um Pest oder Cholera, einer Beobachtung von 7 vollen Tagen, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Desinfektionsmassnahmen beendigt worden sind. Wenn ein Pest- oder Cholerafall in einer Abteilung vorgekommen ist, so beginnt die siebentägige Frist für diese Abteilung erst mit dem Tage, an welchem der letzte Fall festgestellt worden ist.

Art. 134. In dem im vorigen Artikel vorgesehenen Falle haben die ägyptischen Pilger ausserdem noch eine ergänzende Beobachtung durchzumachen.

Art. 135. Ist das Vorhandensein von Pest oder Cholera weder im Hedschas noch im Abgangshafen des Schiffes konstatiert, und ist es im Hedschas auch während der Dauer der Pilgerfahrten nicht konstatiert worden, so unterliegt das Schiff in EiTor den in Camaran für reine Schiffe aufgestellten Vorschriften.

Die Pilger werden gelandet 5 sie nehmen ein Dusche- oder ein Seebad ; ihre schmutzige Wäsche und der Teil ihrer persönlichen Effekten und ihres Gepäcks, welcher nach Ansicht der Sanitätshehörde verdächtig sein dürfte, werden desinfiziert. Die Dauer dieser Massnahmen, mit Einschluss der Aus- und Einschiffung, darf zweiundsiebenzig Stunden nicht übersteigen.

Handelt es sich jedoch um ein Pilgerschiff einer Nation, welche der gegenwärtigen, sowie den frühern Sanitätskonventionen beigetreten ist, und sind auf der Fahrt von Djeddah nach Yambo und Ei-Tor keine Pest- oder Choleraerkrankungen aufgetreten, hat sich ausserdem bei der in Ei-Tor nach der Ausschiffung vorgenommenen ärztlichen Untersuchung jeder Person ergeben, dass keine solchen Kranken vorhanden sind, so kann diesem Schiff durch den Sanitätsrat von Ägypten die Erlaubnis erteilt werden

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den Suezkanal in Quarantäne, sogar bei Nacht, zu passieren, vorausgesetzt, dass folgende vier Bedingungen erfüllt sind : 1. Der ärztliche Dienst an Bord wird durch einen .oder mehrere von der Regierung des Landes, dem das Schiff angehört, anerkannte Ärzte versehen.

2. Das Schiff ist mit Desinfektionsapparaten versehen, und es ist festgestellt, dass die schmutzige Wäsche unterwegs desinfiziert worden ist.

3. Die Zahl der Pilger ist nachgewiesenermassen nicht grösser, als die Réglemente betreffend die Pilgerfahrten es gestatten.

4. Der Kapitän verpflichtet sich, direkt nach einem Hafen des Landes, dem das Schiff angehört, zu fahren.

Die ärztliche Untersuchung nach der Ausschiffung in Ei-Tor soll in möglichst kurzer Frist durchgeführt werden.

Die der Quarantäneverwaltung zu bezahlende Sanitätstaxe ist die gleiche, welche die Pilger bei einem dreitägigen Quarantäneauf enthalt hätten zahlen müssen.

Art. 136. Ist während der Fahrt von Ei-Tor nach Suez ein verdächtiger Fall an Bord eines Schiffes vorgekommen, so wird letzteres nach Ei-Tor zurückgewiesen.

Art. 137. Das Umsteigen der Pilger ist in den ägyptischen Häfen strengstens untersagt.

Art. 138. Die aus dem Hedschas kommenden Schiffe, welche Pilger mit der Bestimmung nach einem Hafen der afrikanischen Küste des Roten Meeres an Bord haben, sind berechtigt, sich nach Suakim oder an einen andern vom Sanitätsrat in Alexandrien bestimmten Ort zu begeben, um dort die nämliche Quarantänebehandlung wie in Ei-Tor durchzumachen.

Art. 139. Die mit reinem Patent aus dem Hedschas oder aus einem Hafen der arabischen Küste des Roten Meeres kommenden Schiffe, welche keine Pilger- oder ähnliche Massentransporte an Bord haben und auf denen während der Fahrt kein

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verdächtiger Fall vorgekommen ist, werden in Suez nach günstig ausgefallener ärztlicher Untersuchung zum freien Verkehre zugelassen.

Art. 140. Wenn die Pest oder die Cholera im Hedschas festgestellt worden ist, so hat folgendes zu geschehen : 1. Die aus ägyptischen Pilgern bestehenden Karawanen müssen, bevor sie sich nach Ägypten begeben, sowohl bei Pest als bei Cholera eine strenge Quarantäne von sieben Tagen in Ei-Tor durchmachen ; alsdann haben sie in Ei-Tor eine dreitägige Beobachtung zu bestehen, worauf sie erst nach günstig ausgefallener ärztlicher Untersuchung und Desinfektion ihrer Effekten zum freien Verkehre zugelassen werden.

2. Die aus fremden Pilgern bestehenden Karawanen, welche sich auf dem Landwege nach Hause begeben müssen, unterliegen den nämlichen Massnahmen wie die ägyptischen Karawanen und müssen von Sanitätswächtern bis zum Wüstensaume begleitet werden.

Art. 141. Wenn weder Pest noch Cholera im Hedschas gemeldet worden ist, so werden die auf dem Wege von Akaba oder Moïla aus dem Hedschas zurückkehrenden Karawanen bei ihrer Ankunft am Kanäle oder in Nakhel ärztlich untersucht und ihre schmutzige Wäsche und ihre persönlichen Effekten desinfiziert.

B. Nach Süden z u r ü c k k e h r e n d e Pilger.

Art. 142. In den Einschiffungshäfen des Hedschas sind sanitarische Einrichtungen zu treffen, welche es ermöglichen, die südwärts in ihre Heimat zurückkehrenden Pilger denjenigen Massnahmen zu unterwerfen, welche gemäss Art. 10 und 54 in den jenseits der Meerenge von Bab-el-Mandeb gelegenen Häfen bei der Abfahrt dieser Pilger obligatorisch sind.

Die Anwendung dieser Massnahmen ist fakultativ, das heisst, sie werden nur dann angewendet, wenn die Konsularbehörde des Landes, welchem der Pilger angehört, oder der Arzt des Schiffes, auf welchem er sich einschiffen will, es für notwendig erachtet.

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Kapitel III.

Strafbestimnningen.

Art. 143. Jeder Kapitän, welcher überführt wird, bezüglich der Zuteilung des Wassers, der Lebensrnittel oder desBrennmaterials die von ihm übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllt zu haben, verfällt in eine Geldbusse von zwei türkischen Pfund1). Diese Busse wird zugunsten des Pilgers erhoben, welcher dadurch benachteiligt worden ist und nachweist, dass er vergeblich die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung verlangt hat.

Art. 144. Jeder Verstoss gegen Art. 101 wird mit einer Busse von 30 türkischen Pfund geahndet.

Art. 145. Jeder Kapitän, welcher in betreff der in Art. 107 vorgesehenen Pilgerliste oder des Gesundheitspatentes irgendeine betrügerische Handlung begeht oder mit seinem Vorwissen begehen lässt, verfällt in eine Geldstrafe von 50 türkischen Pfund.

Art. 146. Jeder Schiffskapitän, der ohne Gesundheitspatent des Abgangshafens oder ohne Visa der Zwischenhäfen eintrifft oder der nicht im Besitze der reglementarischen und gemäss den Artikeln 107, 120 und 121 regelmässig geführten Passagierliste ist, verfällt für jeden einzelnen Fall in eine Geldbusse von 12 türkischen Pfund.

Art. 147. Jeder Kapitän, welcher überführt wird, mehr als 100 Pilger an Bord zu haben oder gehabt zu haben, ohne die Anwesenheit eines staatlich anerkannten Arztes gemäss den Vorschriften von Art. 100, verfällt in eine Geldbusse von 300 türkischen Pfund.

Art. 148. Jeder Kapitän, der überführt wird, mehr Pilger an Bord zu haben oder gehabt zu haben, als er entsprechend den Vorschriften von Art. 107 aufzunehmen berechtigt ist, verfällt in eine Geldstrafe von 5 türkischen Pfund für jeden überzähligen Pilger.

') Das türkische Pfund gilt Fr. 22. 50.

582 Die überzähligen Pilger werden auf der ersten Haltestelle, wo eine zuständige Behörde ihren Sitz hat, ans Land gesetzt, und der Kapitän ist gehalten, den gelandeten Pilgern die nötigen Geldmittel zur Fortsetzung ihrer ßeise bis zum Bestimmungsorte zu liefern.

Art. 149. Jeder Kapitän, welcher überführt wird, Pilger ohne ihre Zustimmung oder ohne dass er durch höhere Gewalt dazu gezwungen war, an einem anderen Orte als an ihrem Bestimmungsorte gelandet zu haben, verfällt in eine Geldstrafe von 20 türkischen Pfund für jeden unrechtmässigerweise gelandeten Pilger.

Art. 150. Alle andern Übertretungen der Vorschriften betreffend die Pilgerschiffe werden mit einer Geldbusse von 10 bis 100 türkischen Pfund geahndet.

Art. 151. Jede während der Reise festgestellte Übertretung wird auf dem Gesundheitspatente, sowie auf der Pilgerliste angemerkt. Die kompetente Behörde nimmt darüber ein Protokoll auf, um dasselbe an zuständiger Stelle vorzulegen.

Art. 152. Alle Agenten, welche zur Mitwirkung bei der Ausführung der die Pilgerschiffe betreffenden Vorschriften der vorliegenden Konvention berufen sind, werden, wenn sie sich hierbei Fehler zuschulden kommen lassen, nach den Gesetzen des Landes bestraft, dem sie angehören.

Titel IV.

Überwachung und Ausführung.

I. See- und Quarantänesanitätsrat von Ägypten.

Art. 153. Die im Anhang III zu der Venediger Sanitätskonvention vom 30. Januar 1892 enthaltenen Bestimmungen betreffend die Zusammensetzung, die Befugnisse und die Tätigkeit des See- und Quarantänesanitätsrats von Ägypten, wie solche sich aus den Dekreten S. H. des Khediven vom 19. Juni 1893 und 25. Dezember 1894, sowie dem Ministerialerlasse vom 19. Juni 1893 ergeben, werden bestätigt.

583

Die genannten Dekrete und der Erlass werden der vorliegenden Konvention angehängt (Beilage II).

Art. 154. Die ordentlichen Ausgaben, welche sich aus den Bestimmungen der vorliegenden Konvention in betreff namentlich der Vermehrung des unter dem See- und Quarantänesanitätsrat von Ägj'pten stehenden Personals ergeben, werden mit Hülfe einer jährlichen Brgänzungszahlung von 4000 ägyptischen Pfund seitens der ägyptischen Regierung gedeckt. Diese Summe könnte zum voraus dem dieser Regierung zur Verfügung stehenden Überschuss aus der Leuchtturmverwaltung entnommen werden.

Jedoch wird von dieser Summe der Ertrag einer in Ei-Tor zu erhebenden Zuschlagsquarantänetaxe von 10 Piastern Tarif pro Pilger abgezogen.

Sollte die ägyptische Regierung Anstand nehmen, diesen Teil der Ausgaben zu übernehmen, so würden die in dem Sanitätsrat vertretenen Mächte sich mit der Khedivialregierung ins Benehmen setzen, um die Beteiligung dieser letzteren an den vorgesehenen Ausgaben zu sichern.

Art. 155. Der See- und Quarantänesanitätsrat von Ägypten wird beauftragt, die von ihm gegenwärtig angewandten Réglemente betreffend die Pest, die Cholera und das G-elbfieber, sowie das Reglement betreffend die Herkünfte aus den arabischen Häfen des Roten Meeres zur Zeit der Pilgerfahrten mit den Bestimmungen der vorliegenden Konvention in Übereinstimmung zu bringen.

Zu dem gleichen Zwecke soll er, wenn nötig, das gegenwärtig in Kraft bestehende allgemeine See- und Quaranta!) esanitätsreglement revidieren.

Diese Réglemente müssen, bevor sie zur Ausführung gelangen, von den verschiedenen, im Sanitätsrat vertretenen Mächten angenommen werden.

II. Internationaler Sanitätsrat in Tanger.

Art. 156. Im Interesse der öffentlichen Gesundheit vereinigen sich die Hohen vertragschliessenden Parteien dahin, dass

584

ihre Vertreter in Marokko den internationalen Sanitätsrat in Tanger neuerdings auf die Notwendigkeit, die Bestimmungen der Sanitätskonventionen auszuführen, aufmerksam machen sollen.

III. Verschiedene Bestimmungen.

Art. 157. Das Erträgnis der Sanitätstaxen und Sanitätsbussen darf keinesfalls zu anderen Zwecken als zu den von den internationalen Sanitätsräten bestimmten verwendet werden.

Art. 158. Die Hohen vertragschliessenden Parteien verpflichten sich, durch ihre Sanitätsverwaltungen eine Anleitung ausarbeiten zu lassen, welche den Zweck hat, die Kapitäne, namentlich wenn sie keinen Arzt an Bord haben, in den Stand zu setzen, die in der vorliegenden Konvention enthaltenen Vorschriften, soweit sie die Pest, die Cholera und das Gelbfieber betreffen, auszuführen.

Titel V.

Beitritte und Ratifikationen.

Art. 159. Die Regierungen, welche die vorliegende Übereinkunft nicht unterzeichnet haben, werden auf ihr Verlangen zum Beitritt zugelassen. Dieser Beitritt ist auf diplomatischem Wege der Regierung der französischen Republik und von dieser den andern Signatarmächten anzuzeigen.

Art. 160. Die vorliegende Übereinkunft ist zu ratifizieren, und die Ratifikationsurkunden sollen in Paris so bald als möglich hinterlegt werden.

Die Übereinkunft tritt in Kraft, sobald deren Veröffentlichung gemäss den in den einzelnen Vertragsstaaten bestehenden gesetzlichen Vorschriften stattgefunden hat. Sie wird für die gegenseitigen Beziehungen der Mächte, welche sie ratifiziert haben oder derselben beigetreten sind, an die Stelle der internationalen Sanitätsübereinkünfte vom 30. Januar 1892, vom 15. April 1893, vom 3. April 1894, vom 19. März 1897 und vom 3. Dezember 1903 treten.

Die hiervor aufgezählten, frühern Übereinkünfte bleiben in bezug auf diejenigen Mächte, welche sie unterzeichnet haben oder

585

denselben beigetreten sind, aber den vorliegenden Vertrag nicht ratifizieren oder ihm nicht beitreten, in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die eingangs genannten Bevollmächtigten die vorliegende Übereinkunft unterzeichnet und ihre Insiegel beigedrückt.

So geschehen zu Paris, am siebzehnten Januar eintausendneunhundertzwölf, in einem einzigen Exemplar, das in den Archiven der Regierung der Französischen Republik hinterlegt ist, und wovon jeder vertragschliessenden Macht eine als gleichlautend bescheinigte Abschrift auf diplomatischem Wege übermittelt wird.

(Folgen die Unterschriften.)

Als dem Original gleichlautend bescheinigt: Der Ministerpräsident, Minister des Auswärtigen der Französischen Republik :

R. Poincaré.

Beilagen.

Die Beilagen I (Reglement betreffend den Transit der aus verseuchten Ländern stammenden Reisenden und Postsendungen durch ägyptisches Gebiet in einem Quarantäne-Eisenbahnzug) und II (Khedivialdekret vom 19. Juni 1893 betreffend die Zusammensetzung und die Kompetenzen des See- und Quarantänesauitätsrats, Khedivialdekret vom 25. Dezember 1894 betreffend die Zuweisung der nötigen finanziellen Mittel aus den Leuchtturmeinnahmen zur Deckung eventueller Defizite des Sanitätsrates und der ausserordentlichen Auslagen für die Verbesserung der Sanitätsstationen in El Tor, in Suez und an den Mosesquellen, und den Ministerialbeschluss vom 19. Juni 1893 betreffend den See- und Quarantäne-Sanitätsdienst) sind, weil für die Schweiz von keinem besondern Interesse, hier weggelassen. Sie finden sich im Vertragsinstrument und im Konferenzprotokoll.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die am 17. Januar 1912 in Paris abgeschlossene internationale Übereinkunft betreffend Schutzmassnahmen gegen Cholera, Pest und Gelbfieber. (Vom 7. Juni 1913.)

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