136

# S T #

Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde Schwyter-Mächler, in Siebnen-Galgenen (Schwyz), betreffend Dampfkesselkontrolle.

(Vom 14. November 1913.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde Schwyter-Mächler, in Siebnen-Galgenen (Schwyz), betreffend Dampfkesselkontrolle, auf den Antrag seines Industriedepartements, folgenden Beschluss gefasst: In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: Mit Eingabe vom 5. September 1913 erhebt Dr. Vital Schwander, Rechtsanwalt in Lachen, namens und im Auftrage des A l o i s S c h w y t e r - M ä c h l e r , in Siebnen-Galgenen, Beschwerde gegen den Entscheid der Regierung des Kantons Schwyz vom 27. August 1913 und beantragt, es sei dieser Entscheid aufzuheben und zu erkennen, dass der Dampfkessel des Schwyter-Mächler nicht der Revision und der Kontrolle gemäss der Verordnung betreffend Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampfgefässen vom 16. Oktober 1897 unterstellt werden könne.

Zur Begründung wird im wesentlichen folgendes geltend gemacht : Der Rekurrent betreibe in Siebnen-Galgenen ein kleines Geschäft, in dem er allein und zeitweise mit Hülfe eines seiner Kinder eine Art Lack herstelle. Seit mehreren Jahren besitze er einen kleinen Dampfkessel, der monatlich etwa viermal für einige Stunden in Betrieb gesetzt werde, um ein chemisches Präparat, das weder brennbar noch explosiv sei, zu sieden. Schon früher sei einmal verlangt worden, dass der Kessel der öffent-

137

liehen Revision zu unterstellen sei. Das Begehren sei aber damals (am 14. Juni 1912) abgelehnt worden. Der gegenteilige regierungsrätliche Entscheid vom 27. August 1913 entspreche zwar dem Art. l, Absatz l, der kantonalen Vollziehungsverordnung zu der Verordnung des Bundesrates vom 16. Oktober 1897. Dieser Absatz laute nämlich : ,,Die bundesrätliche Verordnung betreffend Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampfgefässen vom 16. Oktober 1897 findet Anwendung auf alle im Kanton Schwyz bestehenden und aufzustellenden Dampfkessel und Dampfgefässe, a u c h w e n n d i e b e z ü g l i c h e n B e t r i e b e w e d e r d e m e i d g e n ö s s i s c h e n F a b r i k g e s e t z n o c h d e r eidgenössischen Haftpflichtgesetzgebung unterworfen sind. a Diese Bestimmung stehe jedoch im Widerspruch mit dem folgenden Wortlaute von Art. l der Verordnung von 1897 : ,,Auf Dampfkessel und Dampfgefässe, die in Fabriken oder in der erweiterten Haftpflichtgesetzgebung unterworfenen Betrieben aufgestellt werden, finden nachfolgende Bestimmungen Anwendung usw.tt Die Vorschriften dieser Verordnung fänden also keine Anwendung auf Dampfkessel in nicht fabrikmässigen und nicht haftpflichtigen Betrieben. Der kantonale Gesetzgeber sei nicht befugt gewesen, Bestimmungen aufzustellen, die mit der eidgenössischen Verordnung im Widerspruch stehen, beziehungsweise die Anwendung der eidgenössischen Vorschriften auch auf jene Dampfkessel auszudehnen, die nach der Bestimmung des eidgenössischen Rechtes der Revisionspflicht nicht unterworfen seien.

Art. l der kantonalen Vollziehungsverordnung sei daher mit Art. l der eidgenössischen Verordnung unvereinbar und infolgedessen nicht rechtskräftig. Demnach sei die Beschwerde gutzuheissen.

In seiner Vernehmlassung vom 4. Oktober 1913 erklärt der Regierungsrat des Kantons Schwyz, er habe das Begehren des Schweizerischen Vereins von Dampfkesselbesitzern ia Zürich um Unterstellung des Dampfkessels des Schwyter-Mächler unter die öffentliche Kontrolle schon einmal abgewiesen und sei nur auf abermaliges Drängen am 27. August darauf eingetreten. Es sei ihm gleichgültig, wie der Bundesrat in Sachen entscheide, begrüsse es aber, wenn dabei über die Tragweite von Art. l der eidgenössischen Verordnung und über ihre Beziehung zu Art. l der kantonalen Vollziehungs Verordnung eine authentische
Interpretation gegeben werde.

Mit Gutachten vom 27. Oktober 1913 beantragt der eidgenössische Fabrikinspektor des I. Kreises, den Rekurs des SchwyterMächler abzuweisen.

138 In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Aus den Akten ergibt sich, dass das Geschäft des Alois Schwyter-Miichler die Voraussetzungen für die Unterstellung unter das Fabrikgesetz nicht erfüllt, da nur ein Arbeiter beschäftigt wird. Es fällt auch nicht unter das erweiterte Haftpflichtgesetz.

Somit fehlen alle Grundlagen, die von Bundes wegen die Anwendung der Dampf kesselverordnung vom J6. Oktober 1897 erfordern, beziehungsweise ermöglichen würden.

2. Diese Verordnung aber hat der Kanton Schwyz, gemiiss Beschluss seines Kantonsrates vom 2. Dezember 1898, auch auf Betriebe anwendbar erklärt, die der eidgenössischen Fabrik- und Haftpflichtgesetzgebung nicht unterstehen. Es fragt sich nun, ob der kantonale Gesetzgeber befugt war, die Anwendung der eidgenössischen Vorschriften auch auf solche Dampfkessel auszudehnen, die nach der Bestimmung des eidgenössischen Rechtes der Revisionspflicht nicht unterworfen sind.

Art. 34ter der Bundesverfassung erteilt dem Bunde die Befugnis, einheitliche Bestimmungen über das Gewerbewesen y,u erlassen. Solange jedoch der Bund von seiner Befugnis nicht Gebrauch gemacht hat, bleiben die Kantone nach anerkanntem .Rechtsgrundsatz kompetent, die durch die Bundesverfassung der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Gebiete gesetzgeberisch zu regeln (vgl. Bundesratsbeschluss in Sachen Däppen und Konsorten vom 22. März 1907, Bundesblatt 1907, II, 386 ff.). Bis jetzt hat der Bund auf Grund von Art. 34ler der Bundesverfassung keine Gesetzgebung über die Kontrolle der in den Kleinbetrieben aufgestellten Dampfkessel erlassen, so dass noch die Kantone dazu befugt sind.

Anstatt besondere Vorschriften über die Kontrolle der Dampfkessel in den Kleinbetrieben aufzustellen, hat der Kantonsrat des Kantons Schwyz beschlossen, die Verordnung des Bundesrates vom 16. Oktober 1897 sei auf alle im Kanton Schwyz bestehenden und aufzustellenden Dampfkessel und Dampfgefässe anzuwenden, auch wenn die bezüglichen Betriebe weder dem eidgenössischen Fabrikgesetz noch der eidgenössischen Haftpflichtgesetzgebung unterworfen seien. Indem der Kantonsrat auf diese Weise vorgegangen ist, hat er nur den in lit. a des Krcisschreibens des Bundesrates an die Kantonsregierungen vom 16. Oktober 1897 erteilten Ratschlag befolgt. In dem betreffenden Kreisschreiben bemerkt nämlich der Bundesrat: ,,Die Kompetenz des Bundes erstreckt sich nur auf die Dampfkessel und Dampfgefässe solcher Betriebe, welche unter

139 der eidgenössischen Fabrik- und Haftpflichtgesetzgebung stehen.

Der Bundesrat empfiehlt aber dringend, seine Verordnung auch auf alle ü b r i g e n Dampfkessel und D a m p f g e f ä s s e a n w e n d b a r zu e r k l ä r e n . Eine solche einheitliche und gleichartige Behandlung ist so wünschenswert und vorteilhaft, dass sich der Bundesrat darüber nicht weiter auszusprechen hat" (Kommentar des schweizerischen Industriedepartements zum Fabrikgesetz, Seite 89, Nr. 10).

3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist noch zu bemerken, dass Absatz l von Art. l der kantonalen Verordnung mit Absatz 2 desselben Artikels nicht in Widerspruch steht.

Absatz 2 sagt nämlich, dass die Kontrolle nicht Anwendung finde auf ,,diejenigen Anlagen, welche im Sinne von Art. l der eidgenössischen Verordnung überhaupt von jeder Kontrolle ausgeschlossen sind00, d. h. auf diejenigen Dampfkessel, die ,,mit einem durchweg offenen, höchstens 5 m hohen und mindestens 75 mm weiten ,,Standrohr0' oder einer analogen Vorrichtung versehen siuda.

Demgemäss wird erkannt: Die Beschwerde des Alois Schwyter-Mäehler, in SiebnenGalgenen, gegen den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Schwyz vom 27. August 1913 betreffend Dampfkesselkontrolle wird abgewiesen.

L, <; Ö

B e r n , den 14. November

1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Sfhatzmaim.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss über die Beschwerde Schwyter-Mächler, in Siebnen-Galgenen (Schwyz),betreffend Dampfkesselkontrolle. (Vom 14. November 1913.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1913

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

47

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.11.1913

Date Data Seite

136-139

Page Pagina Ref. No

10 025 188

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.