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Schweizerisches Bundesblatt.

65. Jahrgang.

30. April 1913.

Band II.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli A de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Entschädigungsbegehren des Emil Wettstein in Baltenswil (Zürich).

(Vom

22. April 1913.)

Tit.

Emil Wettstein, geboren 1890, gewesener Kavallerierekrut, Landwirt in Baltenswil, erkrankte im Februar 1910 in der ersten Hälfte der Kavallerierekrutenschule in Zürich an einer Influenzabronchitis und wurde am 23. Februar 1910 vom Schularzt dem Kantonsspital in Zürich zur Pflege übergeben. Dort fand der Spitalarzt bei dem Kranken auf dem Oberlappen der linken Lunge eine Verdichtung, die offenbar tuberkulösen Ursprungs war und in ihren Anfängen längst bestanden haben musste. Die akuten Erscheinungen gingen rasch vorüber ; vom 8. März 1910 hinweg war Wettstein vollständig fieberfrei ; auf seinen Wunsch und die Erklärung hin, dass er sich vollkommen wohl befinde, wurde er am 26. März 1910 nach Hause entlassen, um dort seine Arbeit wieder aufzunehmen. Es vergingen nun fast l 1/2 Jahre, da schrieb Dr. Moor, Bezirksarzt in Uster, am 27. August 1911 der eidgenössischen Militärversicherung, Wettstein leide an Lungentuberkulose und bedürfe einer Kur, für die ihm eine Unterstützung gewährt werden möchte. In ihrem Antwortschreiben führte die Militärversicherung aus, dass Wettstein sein Lungenleiden nicht im Dienst erworben haben könne, wogegen es nicht ausgeschlossen sei, dass durch den Dienst eine etwelche Verschlimmerung des Leidens eingetreten sei ; es seien deshalb Bundesblatt. 65. Jahrg. Bd. II.

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die Entschädigungsansprüche des Kranken von vornherein sehr beschränkte. Die Militärversicherung sei gleichwohl bereit, dem letztern die Kosten einer Kur im Sanatorium in Wald zu bezahlen, werde ihm aber kein Krankengeld ausrichten können. Herr Dr. Moor teilte hierauf am 30. August 1911 der Militärversicherung mit, dass Wettstein mit dem ihm gemachten Angebot einverstanden sei und seine Kur sobald als möglich anzutreten wünsche. Die Aufnahme des Wettstein in das Sanatorium in Wald erfolgte am 16. Oktober 1911 ; am 13. Juli 1912 kehrte er in gebessertem Zustande und teilweise arbeitsfähig nach Hause zurück. Schon am Tage seines Eintritts in die Heilstätte richtete Wettstein an die Militärversicherung das Begehren, es möchte ihm während seines Kuraufenthalts in Wald das Krankengeld ausgerichtet werden, und als sein Gesuch unter Hinweis auf die Korrespondenz der Militärversicherung mit Herrn Dr. Moor abgelehnt wurde, liess er am 4. März 1912 von Rechtsanwalt Dr. Curti in Zürich ein Pensionsgesuch einreichen. Mit diesem befasste sich die eidgenössische Pensionskommission am 30. März 1912.

Sie kam zum Schlüsse, dass dem Potenten mit Rücksicht auf die offenbar vordienstliche Existenz seiner Lungentuberkulose unter allen Umständen nur beschränkte Entschädigungsansprüche zukämen ; für die Zeit seines Aufenthalts in der Lungenheilstätte, dessen Kosten vom Bunde getragen würden, könne ihm keine weitere Entschädigung verabfolgt werden, dagegen sei ihm vom Tage seines Austritts aus dem Sanatorium hinweg eine reduzierte Pension zu bewilligen. Die Höhe' der letztem wurde auf Fr. 525 im Jahr, entsprechend einer Invalidität von 50 %, festgesetzt.

Gegen diesen Entscheid der Pensionskommission rekurrierte Wettstein am 30. April 1912 an den Bundesrat, der den Rekurs mit Schlussnahme vom 19. Juli 1912 als unbegründet abwies.

Mit Eingabe vom 29. November 1912, bei der Bundeskanzlei eingegangen am 19. Februar 1913, zieht Wettstein diesen Entscheid an die Bundesversammlung und stellt die Rechtsbitte, es sei ihrn eine Pension für volle Invalidität in der Höhe von Fr. 1050 zu bewilligen.

Auf dieses Gesuch kann aus formellen Gründen nicht eingetreten werden. Angenommen, die eidgenössischen Räte wären für die Erledigung des Rekurses zuständig, so hätte dieser doch gemäss Art. 190 und 178, Ziffer 3, des Bundesgesetzes
über die Organisation der Bundesrechtspflege binnen 60 Tagen, von der Mitteilung des bundesrätlichen Entscheides an gerechnet, eingereicht werden sollen. Der Rekurrent aber hat beinahe 7 Monate verstreichen lassen, bis er die Beschwerde einlegte ; sie ist daher schon wegen Verspätung von der Hand zu weisen.

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Nun sind aber die eidgenössischen Räte für die Erledigung des Gesuches, auch abgesehen von der Frage der Verspätung, nicht zuständig.

Gemäss Art. 189 der Novelle zum Bundesgesetz betreffend Organisation der Bundesrechtspflege vom 6. Oktober 1911 sind von der Bundesversammlung Beschwerden betreffend die Anwendung der auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundesgesetze zu erledigen, s o w e i t n i c h t d i e s e G e s e t z e s e l b s t oder die gesetzlichen Bestimmungen über die Organisation der Bundesrechtspflege a b w e i c h e n d e V o r s c h r i f t e n enthalten.

Das Bundesgesetz betreffend Versicherung der Militärpersonen gegen Krankheit und Unfall vom 28. Juni 1901 enthält nun eine solche abweichende Vorschrift, indem es in Art. 39 bestimmt, dass gegenüber den Entscheidungen des Bundesrates in Pensionsstreitigkeiten j e d e W e i t e r z i e h u n g a u s g e s c h l o s s e n ist. Dem Rekurrenten steht also ein Rechtsmittel, die Sache vor die eidgenössischen Räte zu bringen, nicht zu. Diese haben es denn auch in gefesteter Praxis, zuletzt noch bei Behandlung der Entschädigungsbegehren Dubois und Hofer in der soeben zu Ende gegangenen Frühlingstagung, abgelehnt, in streitigen Militärversicherungssachen auf Beschwerden gegen Entscheide der Verwaltungsbehörden einzutreten.

Auf die materielle Seite des Rekurses bei dieser Sachlage einzutreten, halten wir nicht für nötig ; wir beschränken uns auf die eine Bemerkung, dass in dem abweisenden Entscheide des Bundesrates nicht nur keine Härte oder Unbilligkeit liegt, dass vielmehr die Haltung der Militärversicherung und der Entscheid der Pensionskommission angesichts der'Bestimmungen von Art. 7 und 8 des Militärversicherungsgesetzes ein weitgehendes Entgegenkommen gegenüber dem Rekurrenten bedeuten, das kaum mehr auf dem Boden des Gesetzes stehengeblieben sein dürfte.

Wir beantragen Ihnen, auf den Rekurs des Emil Wettstein nicht einzutreten, und benutzen den Anlass, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 22. April 1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Entschädigungsbegehren des Emil Wettstein in Baltenswil (Zürich). (Vom 22. April 1913.)

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1913

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17

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424

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.04.1913

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901-903

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