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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Frage der Spurweite der Brienzerseebahn.

(Vom 6. Oktober 1913.)

Tit.

I.

Mit Botschaft vom 12. Dezember 1904 legten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend den Bau einer schmalspurigen Eisenbahn von Brienz nach Interlaken als Fortsetzung der Brünigbahn vor. Nach sehr eingehender Beratung, die insbesondere im Nationalrate zu längern, den Gegenstand vollständig erschöpfenden Debatten führte, haben der Ständerat am 22. März 1905 und der Nationalrat am 17. Dezember 1907 den Entwurf .genehmigt.

Das betreffende Bundesgesetz vom 17. Dezember 1907 hat folgenden Wortlaut: Art. 1. Die Bundesbahn Verwaltung wird ermächtigt, als Fortsetzung der Brünigbah eine Eisenbahn von Brienz nach Interlaken (Brienzerseebahn) mit Spurweite von l Meter, 12 %o Maximalsteigung und 250 Meter Minimalradius im Kostenvoranschlag von Fr. 5,500,000 zu bauen.

Art. 2. Diese Ermächtigung ist an die Bedingung geknüpft, dass der Kanton Bern, gemäss dem Beschlüsse des Grossen Rates vom 6. Oktober 1904, vorn Tage der Betriebseröffnung hinweg während 10 Jahren an die Betriebskosten einen jährlichen Beitrag von Fr. 40,000 leistet.

Art. 3. Es steht dem Kanton Bern frei, statt der zehnährigen Leistung von Fr. 40,000 eine entsprechende einmalige Abfindungssumme auf den Zeitpunkt der Betriebseröffnung der Brienzerseebahn zu bezahlen.

Art. 4. Beim Bau der Bahn ist auf einen spätem allfälligen Umbau auf Normalspur möglichst Rücksicht zu nehmen.

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Art. 5. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Nachdem die Referendumsfrist am 1. April 1908 unbenutzt abgelaufen war, haben wir am 3. April 1908 beschlossen, das Bundesgesetz auf den 1. Mai 1908 in Kraft treten zu lassen.

/ Das Plangenehmigungsverfahren nahm infolge vieler Einsprachen und Verhandlungen längere Zeit in Anspruch, so dass die Vergebung der Arbeiten erst im September 1912 erfolgen konnte, und zwar nur für die Strecke von Brienz bis Ringgenberg.

II.'

Am 19. Dezember 1912 kündigte Herr Nationalist Dr. Michel in Interlaken folgende, von 52 weitern Mitgliedern der eidgenössischen Räte unterzeichnete Interpellation an : 1. Erachtet es der Bundesrat mit Rücksicht auf die seit Erlass des Bundesgesetzes vom Dezember 1907 betreffend den Bau der Brienzerseebahn veränderten Verhältnisse nicht als geboten, dass diese Eisenbahn, deren Unterbau nebst Kunstbauten zwar normalspurig, deren Oberbau aber schmalspurig projektiert ist, gleich von Anfang an vollständig als Normalspurbahn erstellt werde ?

2. Gedenkt nicht der Bundesrat unter den vorliegenden Umständen den eidgenössischen Räten eine dem erwähnten Gebote entsprechende Vorlage zu unterbreiten?

Mit Eingabe vom 29. Januar 1913 an den Bundesrat begründete Herr Nationalrat Dr. Michel namens der Unterzeichner der Interpellation dieselbe im wesentlichen wie folgt: Durch das Bundesgesetz vom 17. Dezember 1907 sei deiBau einer schmalspurigen Brienzerseebahn beschlossen, dabei jedoch bestimmt worden, dass auf die Eventualität eines Umbaues auf Normalspur möglichst Rücksicht zu nehmen sei. Im Bauprojekte der Generaldirektion sei der Ausbau auf Normalspur im Unterbau der Bahn durchwegs vorgesehen. Die Kunstbauten und die Tunnels werden nach dem Projekt von Anfang an für die Normalspur eingerichtet. Infolge dieser Vorbereitung des im Gesetze vorgesehenen allfälligen Umbaues der Schmalspur auf Normalspur betrage die Kostensumme statt, wie ursprünglich vorgesehen, Fr. 5,500,000 jetzt Fr. 7,175,000. So wie die Brienzerseebahn jetzt projektiert sei, würden sich deren Baukosten nicht

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sehr viel höher stellen, wenn die Bahn sofort als Normalbahn ausgeführt würde.

Im letztern Falle würde sich auch die schwierige Bahnhoffrage von Interlaken, bezw. der Anschluss der Brienzerseebahn an die normalspurige Thunerseebahn viel leichter lösen lassen, indem bei der normalspurigen Brienzerseebahn die von Interlaken und dessen Nachbargemeinden verlangte Führung der Personenzugskompositionen bis in den bisherigen Hauptbahnhof ohne weiteres gegeben sei.

Was sodann die mit den Unternehmern abgeschlossenen Verträge anbelange, so gehe aus einem von Herrn Ingenieur Dietler, gewesenem Direktionspräsidenten der Gotthardbahn, erstatteten Gutachten vom 25. Januar 1913 hervor, dass die betreffenden Verträge einen normalspurigen Unterbau vorsehen und die dafür erforderlichen Einheitspreise enthalten. Die Verträge brauchen daher nicht, aufgehoben zu werden, und von einem Unterbruch der Arbeiten könne nicht die Rede sein.

Die Mehrkosten einer normalspurigen Linie Interlaken-Brienz (inklusive Umladestation in Brienz) würden Fr. 400,000 bis Fr. 500,000 und die Mehrkosten der normalspurigen Ausführungder ganzen Strecke Interlaken-Brienz-Meiringen (inklusive Erweiterung der Stationsanlage Meiringen) den Betrag von l j /s Millionen Franken kaum übersteigen. Was bedeute aber das Opfer von l 1 /a bis 2 Millionen Franken im Hinblick auf den damit für die L a n d e s v e r t e i d i g u n g zu erzielenden Vorteil?

Eventuell dürfte hierbei wegen der militärischen Interessen dem Bund eine angemessene Subvention zugemutet werden.

Was die Frage betreffe, ob die Bahn bloss bis Brienz oder bis Meiringen normalspurig zu erstellen sei, so dürfte die letztere Lösung die richtige sein.

Bezüglich des Betriebes einer normalspurigen Brienzerseebahn sei allerdings richtig, dass der Betrieb einer vom übrigen Normalbahnnetze der schweizerischen Bundesbahnen isolierten Normalspurlinie Interlaken-Meiringen für die letztern kostspielig wäre; allein die schweizerischen Bundesbahnen könnten den Betrieb oder wenigstens den Zugsbegleitungs- und Traktionsdienst dieser Linie sehr wohl der anschliessenden Thunerseebahn (Lötschbergbahn) übergeben, die denselben wahrscheinlich zu den Selbstkosten übernehmen würde.

III.

Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen, zur Vernehmlassung über die Interpellation eingeladen, kam zu dem

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Schlüsse, dass vom volkswirtschaftlichen Verkehrsstandpunkte aus die schmalspurige Anlage der Brienzerseebahn das richtige sei. Sie bezweifle, ob die militärische Bedeutung der Bahn allein die grossen Aufwendungen rechtfertige, welche für die normalspurige Ausführung der Strecke Interlaken-Brienz, bezw. Meiringen aufzuwenden wären.

Ihren Standpunkt begründete die Generaldirektion im wesentlichen wie folgt: Mit der Brienzerseebahn solle die durchgehende Bahnverbindung zwischen den bedeutenden Fremdenorten Luzern und Interlaken über den Brünig, welche heute zwischen Brienz und Interlaken noch unterbrochen sei, hergestellt werden. Das Umsteigen in Brienz von der Bahn auf das Schiff oder umgekehrt, das für einen grossen Teil der Reisenden unbequem .und bei schlechtem Wetter für alle unangenehm sei, sowie Zeitverluste mit sich bringe, solle beseitigt und damit die Verkehrsverhältnisse verbessert werden.

Mit einer normalspurigen Brienzerseebahn als Fortsetzung der Brünigbahn, welch letztere als Touristenlinie grosse Bedeutung habe, würde die bisherige Mangelhaftigkeit in der Verbindung zwischen den Fremdenverkehrsgebieten am Vierwaldstättersee und Interlaken mit dem Lauterbrunnen- und Grindelwaldtal nicht gehoben. Die Belästigung bleibe für die Reisenden nahezu die gleiche, wenn sie in Brienz vom Schmalspurwagen in den Normalspurwagen umsteigen müssten, wie bisher beim Übergang auf das Schiff und umgekehrt.

Die Verhältnisse würden auch nicht günstiger, wenn der Spurwechsel durch Umbau der Strecke Meiringen-Brienz nach Meiringen verlegt würde. Eine normalspurige Brienzerseebahn und der Umbau der Strecke Brienz-Meiringen verunmögliche den durchgehenden Verkehr zwischen Luzern und Interlaken.

Von einem Umbau der Brünigbahn selbst in eine Normalbahn könne nicht die Rede sein. Diese Bahn sei hauptsächlich eine Touristenlinie, welche in den Monaten Juli und August regelmässig einen recht bedeutenden Personenverkehr vermittle und denselben bis dahin auch stets anstandslos abgewickelt habe.

In den übrigen Monaten des Jahres sei der Verkehr dagegen ein ganz bescheidener.

Die Kosten zur Herstellung einer Normalbahn würden für die 29,i km lange Strecke Luzern-Giswil mindestens 13 Millionen Franken betragen.

Für die Strecke Giswil-Meirin°en känie eine Normalbahn

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ohne Zahnstange oder der Umbau der heutigen Linie mit Beibehaltung der Zahnstange und der Steigungen bis 120°/oo in Betracht. Bei der ersteren Anlage wäre, je nachdem die Verbindung direkt nach Brienz oder über Brienzwiler, oder direkt nach Meiringen gewählt würde, ein Tunnel von 12,500 m, bezw.

9500 m, bezw. 11,000 m Länge zu erstellen. Die Kosten würden betragen : F ü r Giswil-Brienz . . . . F r . 19,500,000 ., Giswil-Brienzwiler. . . ,, 15,000,000 ,, Giswil-Meiringen . . . ,, 17,500,000 Der Umbau der rund 15 km langen Bergstrecke über den Brünig käme, unter Beibehaltung der Steigungen von 120°/oo, wenigstens auf 7 Millionen Franken zu stehen. Demnach sei für eine Normalbahn Luzern-Brienz, bezw. Luzern-Meiringen ohne Zahustangenstrecken ein Kostenbetrag zu rechnen von 32 Millionen Franken, bezw. 28 Millionen, bezw. 30 Millionen und mit Beibehaltung der Zahnstangenstrecken von 20 Millionen Franken. Dabei sei aber zu beachten, dass bei Ausführung einer direkten Verbindung zwischen Giswil und Brienz, bezw. Meiringen durch den Berg, die Bahn über den Berg beibehalten und weiterbetrieben werden müsste mit Rücksicht auf Kaiserstuhl, Lungern und Brünig-Kulm mit den vielen Kurorten am Hasliberg.

Zur Erörterung der Verhältnisse der Strecke InterlakenBrienz-Meiringen übergehend, bemerkt die Generaldirektion, sie habe bei Aufstellung des Ausführungsprojektes auf einen spätem Umbau auf Normalspur möglichst Rücksicht genommen. Die Tunnelprofile seien so gewählt worden, dass Normalbahnzüge durch die Tunnels verkehren können. Bei den Brücken sei der Unterbau so vorgesehen, dass Änderungen nicht nötig werden.

Bloss die eisernen Konstruktionen seien für eine Schmalspurbahn berechnet worden. Ebenso seien die Stationsanlagen für die Verhältnisse einer Schmalspurbahn projektiert, und es rnüssten für eine Normalbahn die Geleiseanlagen erheblich erweitert werden (längere Ausweicbgeleise), was bei den vorhandenen Terrainverhältnissen erhebliche Arbeiten und Kosten erfordere.

Müsste die Bahnstrecke Brienz-Interlaken sofort normalspurig ausgeführt werden, so würden, abgesehen von den Anschlussstationen, Mehrkosten von Fr. 800,000, bezw. bei Einrechnung der durch die Verzögerung der in Angriff genommenen Bauarbeiten entsprechenden vermehrten Zinsen der Baukapitalien von Fr. 1,120,000 erwachsen. Damit wäre aber nur ein Teil der notwendigen Bauten ausgeführt. Es müsste nämlich entweder in

Brienz eine grössere Umschlagstation für Normal- und Schmalspur erstellt oder die Strecke Brienz-Meiringen normalspurig umgebaut und in Meiringen eine grosse Umschlagstation errichtet werden.

Zwischen Kienholz und Brienz, sowie in der Lauimatte bei Brienz müsste eine Verlegung der Linie vorgenommen werden, um eine Kurve yon 150 m Radius zu vermeiden. Die Umgestaltung der Station Brienz für eine Normalbahn erfordere sehr bedeutende Arbeiten mit grösseren Seeuferbauten und teuren Landerwerbungen. Das Stationsgebäude" müsste ungefähr 200 m weiter vorn Dorfe abgerückt und die Anlagen wesentlich seewärts verschoben werden. Die Umschlagstation in Meiringen könnte nicht am Platze der gegenwärtigen Station bleiben, sondern müssteerheblich südwärts verschoben werden. Für den Umbau der Strecke Brienz-Meiringen und der Stationen Brienz und Meiringen ergäben sich folgende Kosten: 1. Umbau der Strecke Brienz-Meiringen . . Fr. 1,000,0002. Umgestaltung der Station Brienz. . . . ,, 1,100,000 3. Umschlagbahnhof in Meiringen für Normalund Schmalspurbahn ,, 2,200,000 Fr. 4,300,000 Die gesamten Mehrkosten für die Normalspurbahn Interlaken-Meiringen würden sich demnach auf Fr. 1,120,000 -f4,300,000 = Fr. 5,420,000 belaufen.

Von diesem Betrage kämen in Abzug: Die im Voranschlag für die Brienzerseebahn vorgesehenen Kosten für den Rollschemelbetrieb mit Fr. 100,000 und für Anlagen, welche in Interlakeu-Ost weggelassen werden könnten ,, 220,000' zusammen Fr. 320,000 Es entstünden somit Mehrkosten für die Normalbahn Interlaken-Ost-Meiringen Fr. 5,100,000 oder annähernd eine gleich hohe Summe, wie der Bau der Brienzerseebahn zwischen Interlaken und Brienz nach dem Bundesgesetze hätte kosten sollen (Fr. 5,500,000).

Nachdem der frühere Voranschlag für die Brienzerseebahn im August 1910 von Fr. 5,500,000 auf Fr. 7,175,000 erhöht worden sei (Inbegriffen Anteil an der Erweiterung von InterlakenOstJ, würde demnach eine normalspurige Brienzerseebahn bis Meiringen eine Ausgabe von Fr. 7,175,000 + 5,100,000 oder

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total Fr. 12,275,000 erfordern. Eine solche Aufwendung stünde unbedingt in keinem Verhältnis zu dem zu vermittelnden Verkehr ·und den zu erwartenden Einnahmen.

Auch die Betriebsverhältnisse würden mit einer Fortführung der Normalbahn von Interlaken bis Meiringen nicht vereinfacht.

Es falle hierbei namentlich in Betracht, dass die Strecke Scherzligen bis Interlaken-Ost den Berner Alpenbahnen gehöre und von diesen betrieben werde, und dass die schweizerischen Bundesbahnen somit für Interlaken-Meiringen einen Normalspurbetrieb «inrichten müssten, welcher von ihrem übrigen Normalspurnetz -abgetrennt wäre.

,, In ihren Berichten vom 8. April 1904 und 21. November 1905 habe die Generaldirektion darauf hingewiesen, dass für die Strecke Interlaken-Brienz bloss ein Betriebsüberschuss von Fr. 66,000 zu erwarten sei. Wenn dieser heute auch etwas grösser angenommen werden dürfe, so reiche er doch noch lange nicht aus, um die nunmehr zu Fr. 7,175,000 veranschlagten Baukosten der im Bau befindlichen schmalspurigen Brienzerseebahn z\i verzinsen.

Diese grosse Summe durch Ausführung einer Normalbahn um den Zins und die Amortisation von weitern Fr. 5,100,000 au vermehren, wäre nach ihrer Ansicht mit einem gesunden Finanzhaushalt der Bundesbahnen unvereinbar.

In der Diskussion über die Spurfrage sei seinerzeit von verschiedenen Seiten die Bedeutung einer Normalbahn für die Landesverteidigung in den Vordergrund gestellt worden. Nun koste aber die Erstellung einer normalspurigen Brünigbahn 28--32 Millionen Franken. Wolle man für diese rein strategische Anlage nicht so viel Geld opfern, so verliere auch durch die Verzichtleistung auf Erstellung einer Normalspurbahn durch den Brünig «ine normalspurige Brienzerseebahn an militärischer Bedeutung, insbesondere wenn man in Betracht ziehe, dass die Leistungsfähigkeit dieser Schmalspurbahn mit nur 12 °/oo Maxiraalsteigung und 250 m Minimalradius einer Normalbahn nicht weit nachstehe. Ferner sei darauf aufmerksam zu machen, dass die gegenwärtig im Bau befindliche Furka-Oberalp-Bahn, welche in Brig an die Rhonetallinie und die Lötschbergbahn anschliesse und in Disentis das Netz der Rhätischen Bahn erreiche, in nächster Zeit durch Querbahnen einerseits von Gletsch über die Grimsel in Meiringen mit der Brünigbahn, anderseits von Andermatt durch die Schöllenen in Göschenen mit der Gotthardlinie in Verbindung gebracht werden solle. Es werde also in absehbarer Zeit in den

379 Zentralalpen ein weitverzweigtes, zusammenhängendes Schmalspurbahnnetz der Landesverteidigung zur Verfügung stehen und ihr sicherlich auch gute Dienste leisten.

Zum Schlüsse bemerkt die Generaldirektion noch, dass eine normalspurige Ausführung die Eröffnung der Brienzerseebahn um allermindestens zwei Jahre verzögern würde.

Die Plangenehmigung könnte nach den Erfahrungen, welche schon vielfach gemacht worden seien, kaum vor Neujahr 1915 erfolgen, weil in Brienz und Meiringen voraussichtlich die mannigfaltigsten Begehren gestellt würden. Vor dem Frühjahr 1915 könnten somit die Arbeiten für die neuen Stationen Brienz und Meiringen und der Umbau der Strecke mit dem Lammbachtunnel nicht begonnen werden. Die Eröffnung des Betriebes wäre somit nicht vor dem Sommer 1917 möglich, während die Schmalspurbahn Interlaken-Brienz nach dem gegenwärtigen Stand der Arbeiten 1915 in Betrieb genommen werden könne.

IV.

Mit Eingabe vom S./24. Februar 1913 nahmen die Gemeindebehörden von Schwanden, Brienz, Ebligen, Oberried, Niederried, Ringgenberg, Lütschenthal, Isenfluh, Bönigen, Lauterbrunnen und Grindelwald gegen die Interpellation Stellung, indem sie betonen, dass der Bau einer Normalbahn eine nochmalige lange Hinausschiebung des Baues zur Folge hätte. Umgekehrt richtete mit Eingabe vom 7. März 1913, namens der Gemeinden des engern Oberlandes (Amtsbezirke Oberhasli und Interlaken), das bestellte Delegiertenkomitee folgendes Gesuch an den Bundesrat: 1. Es möchten durch Bundesbeschluss oder eventuell -- d. h.

für den Fall, dass hierzu eine Revision des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1907 als nötig erachtet werden sollte -- durch Erlass einer bezüglichen Novelle zu diesem Gesetze die schweizerischen Bundesbahnen veranlasst werden, die Brienzerseebahn gleich von Anfang an normalspurig zu erstellen und, wenn immer möglich, die Linie Brienz-Meiringen gleichzeitig auf Normalspur umzubauen.

2. Es möchte mit Rücksicht auf die grosse militärische Bedeutung einer normalspurigen Brienzerseebahn den schweizerischen Bundesbahnen an die durch die Normalisierung bedingten Mehrkosten nötigenfalls eine angemessene Bundessubvention zuerkannt werden.

Das Delegiertenkomitee stützt sich in seiner Begründung auf ein Expertengutachten vom 27. Mai 1907, welches die Herren Buadesblatt. 65. Jahrg. Bd. IV.

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Professor Zschokke, C. Arbenz, gewesenes Direktionsmitglied der ehemaligen Nordostbahn, und Ingenieur A. Laubi, Direktor der Südostbahn, verfasst haben.

Ferner beruft sich das Delegiertenkomitee auf ein Expertengutachten vom August 1912 von Herrn Ingenieur Dietler, gewesenem Direktionspräsidenten der Gotthardbahn.

In der oberwähnten Eingabe vom 7. März 1913 versucht das Delegiertenkomitee den Nachweis zu erbringen, dass die schweizerischen Bundesbahnen die Kosten für die normalspurige Ausführung der Brienzerseebahn erheblich zu hoch berechnet haben.

Mit Eingabe vom 22. März 1913 unterstützt der Regierungsrat des Kantons Bern das Gesuch des Delegiertenkomitees.

Am 24. März 1913 übermittelte Herr Nationalrat Dr. Michel ein neues Gutachten von Herrn Dr. Ingenieur Dietler. Gemäss diesem Gutachten ergeben sich für den Umbau Brienz-Meiringen auf Normalspur Fr. 3,574,000 Die Ergänzungsarbeiten auf der Brienzerseebahn ausser der Station Brienz, jedoch einschliesslich Interlaken-Ost, dürften ,, 626,000 die Gesamtmehrkosten demnach Fr. 4,200,000 nicht übersteigen.

Von dieser letzteren Summe können aber die darin inbegriffenen Kosten des neuen Oberbaues abgerechnet, bezw. aus dem Erneuerungsfonds gedeckt werden, da der alte Oberbau demnächst sowieso erneuert werden müsste (vergi. Seite 7 des Gutachtens).

V.

Am 28. März dieses Jahres haben die Herren Nationalrat Dr. Michel und 82 weitere Unterzeichner in Ersetzung des bezüglichen Interpellationsbegehrens vom 19. Dezember 1912 folgende Motion eingereicht: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Räten beförderlichst eine Vorlage zu unterbreiten, in dem Sinne, dass die Brienzerseebahn von Anfang an normalspurig zu erstellen und die Linie Brienz-Meiringen auf Normalspur umzubauen sei.

Diese Motion tritt an Stelle der in der nämlichen Angelegenheit in der letzten Dezembersession eingereichten Interpellation."

In der Junisession 1913 beantragte das Präsidium des Nationalrates, in Übereinstimmung mit dem Bundesrat, die Beratung über die Motion Michel und Mitunterzeichner auf die nächste Session

381 zu verschieben, da es an der nötigen Zeit zur einlässlichen Beratung fehle. Zugleich stellte der Bundesrat in Aussicht, dass er auf die Herbstsession einen gedruckten Bericht vorlegen werde.

Die Verschiebung der Behandlung der Motion wurde hierauf vom Nationalrate beschlossen.

Es ist nun allerdings ein ungewöhnliches Vorgehen, wenn der Bundesrat einen Bericht vorlegt, bevor die Motion vom Motionssteller mündlich begründet, die Beantwortung seitens des Bundesrates erfolgt und die Motion vom Rate erheblich erklärt worden ist. Wir glauben aber, dass diese Abweichung vom gewöhnlichen Verfahren im vorliegenden Falle als gerechtfertigt erscheint. Es ist darauf hinzuweisen, dass bereits das Interpellationsbegehren seitens der Interpellanten in schriftlicher Eingabe einlässlich begründet worden war. Schon darin liegt ein Grund dafür, dass die Beantwortung des Interpellafionsbegehrens, das inzwischen in die Form einer Motion umgewandelt worden war, durch eine gedruckte Vorlage erfolge. Was uns aber hauptsächlich veranlasst, Ihnen einen gedruckten Bericht über die Motion vorzulegen, ist der Umstand, dass es sich um eine wichtige Angelegenheit von grosser volkswirtschaftlicher und finanzieller Tragweite handelt.

VI.

Nachdem sodann seitens der Motionssteiler und auch im Schoosse unserer Behörde der Wunsch geäussert worden war, dass noch das Gutachten eines anerkannt tüchtigen Fachmannes über die verkehrstechnische Frage im allgemeinen und über die Kostenfrage im besondern eingeholt werde, hat unser Eisenbahndepartement Herrn Ingenieur Hans Herzog, Gemeinderat in Bern, ersucht, in den bezeichneten Richtungen ein Gutachten zu erstatten.

Herr Herzog hat sich dieser Aufgabe unterzogen. Sein Bericht über die Spurfrage der Brienzerseebahn, datiert vom 25. August 1913, ist unserem Berichte beigefügt.

VII.

Nach einer einlässlichen Darstellung der Entwicklung der neuen Verkehrswege im Berner Oberland und der Anstrengungen um die Verwirklichung der Brienzerseebahn befasst sich Herr Herzog in seinem Berichte mit der Prüfung folgender Fragen : 1. Welche Spurweite entspricht in verkehrstechnischer Beziehung am vollständigsten den normalerweise zu stellenden Anforderungen ?

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2. Welches sind die wirklichen Kosten der verschiedenen Projekte ?

Bei Beantwortung der Frage l geht Herr Herzog davon aus, dass von der Normalisierung der gesamten Brünigbahn mit Rücksicht auf die grossen Kosten und die bestehenden Verhältnisse in absehbarer Zeit keine Rede sein könne, so dass dieses Argument aus der Begründung für die Normalspur Interlaken-Meiringen ausscheiden und die Frage einzig und allein mit Bezug auf die besondern Verhältnisse dieser Strecke entschieden werden müsse.

Die Brienzerseebahn müsse ihrer Natur nach unbedingt als Fortsetzung der Brünigbahn betrachtet werden. Bleibe letztere hauptsächlich Touristenbahn, dann werde die Fortsetzung derselben ihre Hauptaufgabe in der Bewältigung des Personenverkehrs suchen müssen, u n d h i e r f ü r g e n ü g e d i e S c h m a l s p u r vollständig.

Was die militärische Seite der Frage anbelange, so sei gewiss eine Normalspurbahn einer Schmalspurbahn vorzuziehen, da die Normalspurbahn gestatte, von Bern oder Thun. Truppen und ihr Material direkt und ohne Umlad bis Meiringen zu befördern. Die Leistungsfähigkeit der Schmalspurbahn dürfe aber auch nicht unterschätzt werden. Zwischen Interlaken-Ost und Meiringen könne der Schmalspurzug mit doppelter Bespannung eine Last von 340 Tonnen befördern. Der Transport eines Infanteriebataillons von 887 Mann und 22 Pferden erfordere eine Zugslänge von 281 m und eine Zugsbelastung von 306 Tonnen. Es sei also durchaus möglich, ein Bataillon in einem Zuge zu befördern. Wenn mit Rücksicht auf bedeutende Militärtransporte die Ausweichgeleise wenigstens auf zwei Stationen der Brienzerseebahn um je 100 m verlängert werden und auch für die Verladeund Ausladeeinrichtungen das Nötige vorgesehen werde, so sei es möglich, innert 27 Stunden auf der Brienzerseebahn, resp.

Interlaken-Meiringen, den Transport einer Gebirgsbrigade von sechs Bataillonen inklusive Spezialwaffen und Trains zu bewältigen.

Im übrigen sei zu bemerken, dass auch in militärischer Hinsicht eine Normalisierung nur dann von wirklicher Bedeutung wäre, wenn die ganze Brünigbahn umgebaut und der Basistunnel ausgeführt würde.

Herr Herzog weist sodann darauf hin, dass die Hauptaufgabe der Brienzerseebahn als Bestandteil der Brünigbahn in der Bewältigung des Personenverkehrs liege. Werde die Normalspur ausgeführt, so erhalte man in Meiringen einen Verkehrsbruch, wie er gegenwärtig in Brienz beim Umsteigen in die Schiffe

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erfolge, nur mit dem Unterschied, dass dieses Umsteigen bei grossem Andrang noch wesentlich unangenehmer werde. Man würde also mit grossem Aufwand den bestehenden Übelstand noch vermehren. Auch der Verkehr mit dem Oberhasli, namentlich der Güterverkehr, werde zur Begründung für das Verlangen nach der Normalspur ins Feld geführt. Derselbe sei aber gegenwärtig durchaus nicht so bedeutend, dass er von der Schmalspur nicht leicht bewältigt werden könne. Übrigens sei, wie die Rhätischen Bahnen beweisen, ein richtig angelegtes und gut betriebenes Schmalspurnetz imstande, einen Güterverkehr von bedeutendem Umfange zu bewältigen. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die Bundesbahnen bei der Brienzerseebahn die Transporte von Normalwagen auf Rollschemeln vorgesehen und für eine derartige Anlage eine Summe von Fr. 100,000 in den Voranschlag aufgenommen haben. Wenn auch diese Transportart keine ideale genannt werden könne, so werde sie doch mit Vorteil verwendet, wenn die Natur der Güter ein Umladen erschwere und die Distanz nicht zu gross sei. Mit den Bundesbahnen ist auch Herr Herzog der Ansicht, dass die normalspurige Erstellung der Brienzerseebahn die Bauvollendung um allermindestens zwei Jahre verzögern würde.

Mit Bezug auf die Frage l kommt also Herr Herzog zum Schlüsse, es müsse an der Schmalspur festgehalten werden.

Mit Bezug auf die Frage 2 (Kosten der verschiedenen Projekte) weist Herr Herzog darauf hin, dass die erste Ausschreibung der Bauarbeiten der Brienzerseebahn wesentlich höhere Preise ergab, als diejenigen des Voranschlages, so dass eine zweite Ausschreibung beschlossen wurde. Dieselbe habe für das erste und zweite Los noch immer eine Überschreitung des Voranschlages um Fr. 310,000 ergeben, während das dritte Los um die Voranschlagssumme vergeben werden konnte. In den Voranschlägen für die Stationen Brienz und Meiringen seien die grössten Differenzen in der Berechnung der Kosten zutage getreten. Die nachstehende Zusammenstellung gebe die Differenzen wieder, welche zwischen den Motionsstellern und den Organen der Bundesbahnen betreffend die Voranschläge für die Normalisierung herrschen.

Motionssteller Fr.

1.

2.

3.

4.

Normalisierung der Brienzerseebahn .

Umbau Station Brienz Umbau Brienz-Meiringen . . . .

Umbau Station Meiringen . . . .

170,000 250,000 430,000 640,000 1,490,000

S. B. B.

Fr.

1,120,000 1,100,000 1,000,000 2,200,000 5,420,000

384

Die gesamte Differenz betrage somit Fr. 3,930,000, bezvv.

nach Abzug von Fr. 320,000 für Installationen (Rollschemelanlage und Station Interlaken-Ost), die im Falle der Normalisierung noch in Wegfall kämen, Fr. 3,610,000, und es laute dann der Gesamtvoranschlag der schweizerischen Bundesbahnen auf Fr. 5,100,000.

Was nun den. Posten l (Normalisierung der Brienzerseebahn) anbelangt, so hält Herr Herzog dafür, es könnte am Voranschlag der Bundesbahnen auf den Rubriken Oberbau, Organisations- und Verwaltungskosten und Zuschlag von Bauy.insen ein Betrag von zusammen Fr. 120,000 in Abzug kommen, so dass sich die Gesamtkosten auf Fr. 1,000,000 stellen.

Der Umbau der offenen Strecke Brienz-Meiringen sei von den schweizerischen Bundesbahnen für den Fall, dass eine erweiterte Eindeckung der Einschnitte beim Glissi- und Lammbach nicht notwendig werde, auf Fr. 1,000,000 veranschlagt. In dieser Summe sei ein Posten von Fr. 291,000 für den neuen Oberbau, abzüglich des Wertes des abzubrechenden Oberbaues, enthalten. Da die Erneuerung des Oberbaues bevorstehend sei, könne dieser Betrag in Abzug kommen, so dass sich die Kosten für den Umbau Brienz-Meiringen auf Fr. 709,000 ermässigen.

Das Projekt für den Umbau und die Erweiterung der Station Brienz sei von den Bundesbahnen unter der Annahme aufgestellt worden, dass auch Brienz-Meiringen normalisiert, d. h. Brienz nicht Umschlagstation werde. Eine Reduktion des Voranschlages von Fr. 1,100,000 könne nicht erzielt werden.

Der Umbau der Station Meiringen in eine Umschlagstation für Normal- und Schmalspur erfordere eine Verschiebung der Bahnhofanlagen nach. Südwesten, da ein Belassen am alten Platze mit Rücksicht auf den wesentlich vermehrten Raumbedarf und die Aufrechterhaltung des Betriebes während dem Umbau sich als untunlich erweise. Der Kostenvoranschlag der Bundesbahnen betrage Fr. 2,200,000. An dieser Summe dürfe ein Abzug gemacht werden von Fr. 70,000 für den Wert des durch die Verlegung des Bahnhof'es frei werdenden Terrains; ferner könne der Posten Beschotterung um Fr. 30,000 ermässigt werden. Der Gesamtabzug betrage daher Fr. 100,000, womit sich die Kosten für den Umbau der Station Meiringeu auf Fr. 2,100,000 stellen.

Es stellen sich somit die Voranschläge wie folgt:

385 Motionssteller

S. B. B.

Reduz. Devis

1. Normalisierung der ßrienzerseebahn :2. Station Brienz . . . .

3. Umbau Brienz-Meiringen 4. Station Meiringen . . .

Fr.

170,000 250,000 430,000 640,000

Fr.

1,120,000 1,100,000 1,000,000 2,200,000

Fr.

1,000,000 1,100,000 709,000 2,100,000

zusammen

1,490,000

5,420,000

4,909,000

Dabei seien die Fr. 291,000 für den neuen Oberbau der Strecke Brienz-Meiringen abgezogen, die Vermehrung der Kosten für die Einwölbung des Glissi- und Lammbaches mit Fr. 200,000 aber nicht aufgenommen.

Die Differenz zwischen dem Voranschlag ·der Motionssteller und dem reduzierten Devis betrage aber immer noch Fr. 4,909,000 ,, -1,490,000 zusammen

Fr.

3,419,000

Obige reduzierte Kostensumme zusammen, mit dem Voranschlag für die schmalspurige Brieuzerseebahn, ergebe somit einen Aufwand von Fr. 4,909,000 ,, 7,175,000 zusammen Fr. 12,084,000 wozu noch in Abzug, kommen für Rollschemel und Anlagen in Interlaken-Ost ,, 320,000 Fr. 11,764,000 Herr Herzog kommt sodann noch auf die Normalisierung der Brünigbahn von Meiringen bis Luzern zu sprechen und stellt für die ganze Strecke Luzern-Interlaken folgende Berechnung auf: Strecke Giswil-Meiringen : Tunnel 11 km à Fr. 1,800,000 . . . . Fr. 19,800,000 Offene Strecke ,, 690,000 Unvorhergesehenes ,, 310,000 zusammen Fr. 20,800^000 Strecke Giswil-Luzern . . . Fr. 13,000,000 Strecke Meiringen - Interlaken ,, 11,764,000 ,, 24,764,000 Gesamtkosten der Strecke Luzern-Interlaken . Fr. 45,564,000

386

Das Resultat seines Gutachtens hat Herr Herzog in folgende Schlussfolgerungen zusammengefasst : Eine Normalisierung der ganzen Brünigbahn von Interlaken-Ost bis Luzern ist in absehbarer Zeit mit Rücksicht auf die hierzu notwendigen sehr grossen Aufwendungen ausgeschlossen.

Die Notwendigkeit dieser Normalisierung lässt sich weder aus den gegenwärtigen Bedürfnissen, noch aus der Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der bestehenden Schmalspurbahn ableiten.

Sobald aber nicht die ganze Strecke Interlaken-Luzern normalisiert wird, muss an dem durch die Spuränderung bedingten Verkehrsbruch in Interlaken festgehalten werden. Alles, was aus Ost und West nach diesem Fremdenzentrum strömt, steigt auch dort zu kürzerem oder längerem Aufenthalt aus.

Würde dagegen dieser Verkehrsbruch in Meiringen stattfinden, so wäre nur ein gegenwärtig bestehender UbeLîtand, das Umsteigen der Reisenden, von Brienz nach Meiringen verlegt und der Zweck der Brienzerseebahn, eine direkte Verbindung ohne Umsteigen zwischen Luzern und Interlaken zu schaffen, illusorisch gemacht.

Auch der bestehende Güterverkehr rechtfertigt bezüglich seiner Bedeutung in keiner Weise den Bau der Normalbahn.

Er kann von der Schmalspurbahn, sei es durch Umladen, sei es durch Rollschemeltransport, leicht bewältigt werden.

Die Brienzerseebahn wird als Fortsetzung der Brünigbahn gebaut und ist als solche vorzugsweise Touristenbahn. Es genügt somit eine leistungsfähige Schmalspurbahn dem Zwecke vollständig.

In militärischer Hinsicht wäre wohl eine Normalbahn vorzuziehen, aber auch hier würden die grossen Vorteile nur bei einer vollständigen Normalisierung bis Luzern zur Geltung kommen.

Die Schmalspurbahn hat eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit, als von militärischer Seite angenommen ; sie steht für den Transport von Fusstruppen nur .wenig hinter den Leistungen der Normalbahn zurück.

Die Sanierung der Verkehrsverhältnisse im Bödeli, resp. die richtige Lösung der Bahnhoffrage in Interlaken hängt durchaus nicht allein von der Normalisierung der Brienzerseebahn ab. Die schmalspurigen Linien der Berner Oberlandbahnen fallen ebensosehr in Betracht. Die Frage ist ohne Zweifel eine sehr schwierigeund kann nur durch die gemeinsame Arbeit der Bevölkerung, der Behörden und der beteiligten drei Bahngesellschaften und mit bedeutenden Opfern aller Interessenten zu einer richtigen Lösung gebracht werden.

387

Die Ausgabe aber von beinahe fünf Millionen für die Normalisierung der Strecke Interlaken-Ost bis Meiringen würde sich in keiner Weise rechtfertigen und müsste als ein den Bundesbahnen auferlegtes Opfer betrachtet werden, dem gegenüber die behaupteten Vorteile kein Äquivalent bieten.

VIII.

Zu den Ausführungen im Gutachten Herzog haben wir nur folgende kurze Bemerkungen anzubringen : Die von Herrn Herzog an einigen Posten des Voranschlages der schweizerischen Bundesbahnen vorgenommenen Abstriche im Gesamtbetrage von Fr. 511,000 mögen im einzelnen berechtigt sein, aber ebenso leicht können sich bei der Bauausführung die Kosten eines ändern Postens in unvorhergesehener Weise um einen solchen Betrag erhöhen. Schon die von Herrn Herzog als nötig bezeichnete, von ihm mit den schweizerischen Bundesbahnen aber nicht in Rechnung gesetzte Einwölbung der Einschnitte beim Glissi- und Lammbach würde eine Mehrausgabe von Fr. 200,000 bringen.

Der 11 km lange Basistunnel-Giswil-Meiringen ist von den schweizerischen Bundesbahnen und vom Gutachten einspurig angenommen. In Wirklichkeit müsste er, wenn nicht zweispurig, doch zum mindesten mit einer Ausweichstelle in der Mitte gebaut werden. Die Kosten einer solchen wurden von der MünsterLengnau-Bahn zu Fr. 1,720,000 veranschlagt, und die Kostensumme der Normalspurbahn würde dadurch, abgesehen von den erhöhten Betriebskosten einer solchen Tunnelstation, auf Fr. 47,284,000 ansteigen.

IX.

Mit Eingabe vom 16. September 1913 empfiehlt der Regierungsrat des Kantons Bern das im Abschnitt IV erwähnte Gesuch des Delegiertenkomitees der Gemeinden des engern Oberlandes vom 7. März 1913 zur Berücksichtigung. Aus demselben gehe hervor, dass die beteiligte Landesgegend heute noch wie vor sieben Jahren von der Überlegenheit der Normalspurbahn über die Schmalspurbahn in volkswirtschaftlicher und militärischer Beziehung überzeugt sei. Die Landesgegend sei denn auch heute wieder zu einem Opfer bereit, und der Regierungsrat sei deshalb in der Lage, eine Subvention à fonds perdu von Kanton und Gemeinden an den Bau einer normalspurigen Brienzerseebahn von zusammen 720,000 Fr., zahlbar auf den Zeitpunkt der ßetriebseröffnung, zusichern zu können.

388 Unter Hinweis auf diese Subventionszusicherung, sowie unter Bezugnahme auf eine von Herrn Dr. C. Mühlemann im August 1913 verfasste Druckschrift, betitelt ,,Über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Engern Oberlandes mit Rücksicht auf die Erstellung einer normaJspurigen Brienzerseebahn'0 ersucht das obengenannte Delegiertenkomitee mit Eingabe vom 26. September 1913 dringend, durch Annahme der Motion Michel die wohlberechtigten volkswirtschaftlichen Interessen der beteiligten Landesgegend schützen zu wollen.

X.

Nachdem wir Ihnen von den Vorgängen seit dem Jahre 1908 Kenntnis gegeben, gestatten wir uns, Ihnen unsere Anschauung auseinanderzusetzen.

1. Die Motion bezweckt die Abänderung und Erweiterung des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1907/3. April 1908.

Dazu ist wiederum ein Bundesgesetz erforderlich. Es handelt sich also um den Erlass eines Bundesgesetzes, sodass der Bundesbeschluss nach seiner Annahme durch die eidgenössischen Räte auszuschreiben und eventuell der Volksabstimmung zu unterbreiten wäre.

In der Sache unterscheidet sich die Motion dadurch: a. von dem bestehenden Bundesgesetze, dass sie, gleich wie die Interpellation, den Bau einer Schmalspurbahn BrienzInterlaken durch denjenigen einer Normalspurbahn ersetzen will, und b. vor der Interpellation, dass auch die Strecke Briems-Meiringen der bestehenden Brünigbahn Normalspurbahn werden soll.

2. Die Baukosten der Schmalspurbahn Brienz-Inteiiaken, im erwähnten Gesetze zu Fr. 5,500,000 angeschlagen, sind von den S.B.B, definiti v auf Fr. 7,175,000 berechnet. Die Mehrkosten infolge der Erstellung einer Normal- statt der Erstellung einer Schmalspurbahn auf dieser Strecke, sowie der Umwandlung der Strecke Brienz-Meiringen der schmalspurigen Brünigbahn in eine Normalspurbahn betragen aach dem Voranschlag der S.B.B. Fr. 5,420,000, nach demjenigen des Gutachtens Herzog Fr. 4,909,000, oder, unter Abzug von Fr. 320,000 für Rollschemel und Anlagen in Interlaken-Ost, Fr. 5,100,000, bezw. Fr. 4,589,000. Genau kann der wirkliche Betrag heute nicht angegeben werden, indem das gesetzliche Plangenehmigungsverfahren Änderungen ergeben wird.

Der Gesamtaufwand für die Arbeiten, die das gemäss der Motion zu erlassende neue Bundesgesetz erfordert, beträgt demnach

389

·gemäss Voranschlag der S. B. B. Fr. 12,595,000, bezw. 12,275,000, und nach dem Voranschlag Herzog Fr. 12,084,000, bezw.

Fr. 11,764,000. Dabei ziehen wir nicht in Betfacht den Aufwand, der den 8. B. B. bei der Gesamtregelung der Bahnhofverhältnisse in Interlaken zugemutet werden wird.

Der grösste Teil der berechneten Mehrkosten entfällt auf 4ie notwendige Verlegung und Vergrösserung der Bahnhöfe Brienz und Meiringen. Insbesondere am letzteren Orte werden sehr bedeutende Kosten entstehen, und der Ansatz der S. B. B. mit Fr. 2,200.000 differiert gegenüber demjenigen des Gutachtens Herzog mit Fr. 2,100,000 nur um Fr. 100,000.

Nach dem Befinden unseres Eisenbahndepartementes ist jedoch selbst der Ansatz der 8. B. B. mit Fr. 2,200,000 sehr wahrscheinlich zu tief gegriffen.

3. Die Umwandlung der Schmalspur Brienz-Meiringen in die Normalspur wird den S. B. B. kaum Mehreinnahmen bringen.

Jedenfalls noch auf lange Jahre hinaus nicht ; denn mit den Industrien, die sich im Oberhasle auftun werden infolge der Normalspur, hat es nach unserer Überzeugung gewiesene Wege.

Jawohl, die reichen Wasserkräfte werden ausgebeutet, und das Gefalle wird zur Erzeugung elektrischer Kraft verwendet werden ; aber diese wird nicht an Ort und Stelle in Arbeit umgesetzt, sondern in die Ferne fortgeleitet werden, wenigstens zum grössten Teil.

Bringt aber Brienz-Meiringen keine Mehreinnahme, so bleibt es bei einem Betriebsüberschuss der neuen Strecke Brienz-Interlaken, der den von den S. B. B. seinerzeit auf Fr. 66,000 berechneten Betrag nur wenig übersteigen dürfte. Nur steht dann demselben nicht mehr ein Kapitalaufwand von Fr. 7,175,000, sondern ein solcher von Fr. 11,764,000 bis Fr. 12,275,000 gegenüber.

Nachdem der Kanton Bern mit Schreiben vom 16. September 1913 erklärt hat, er sei in der Lage, eine Subvention von Fr. 720,000 zu offerieren, reduziert sich obiger Kapitalaufwand um diese letztere Summe. Trotzdem beträgt die Verzinsung der Bausumme nur zirka 1/i °/o.

4. Mit der heutigen Frage steht diejenige des Ausbaues der ganzen Brünigbahn auf Normalspur im Zusammenhang. Wer die Beratung im Stände- und im Nationalrat über das Bundesgesetz, das nun revidiert werden soll, durchgeht, der überzeugt sich leicht davon. Es war insbesondere Herr Nationalrat Michel, der auf die Notwendigkeit einer besseren und insbesondere schnelleren Verbindung zwischen Luzern und Interlaken hinwies;

390 auf welchen Hinweis allerdings erwidert wurde, dass die Brünigbahn weder zurzeit einen erheblichen Güterverkehr besitze, noch in Zukunft auf einen solchen rechnen könne, und dass sie sich hauptsächlich aus dem Fremdenverkehr alimentiere, also auf dieVerwertung der Schönheit der durchlaufenen Gegend angewiesen sei. Gerade deswegen empfehle sich aber die Durchquerung der Gegend in schnellen Zügen nicht, jedenfalls stehe ihr aber die Betriebsart auf der Strecke Giswil-Meiringen (Zahnrad) hinderlich im Wege. Letzteres ist richtig; eine schnellere Verbindung Luzern-Interlaken kann nur erreicht werden mittelst eines Tunnels zwischen dem Hasletal und Giswil. In diesem Falle aber muss zur Bedienung der Stationen Kaiserstuhl, Lungern und Brünig die bisherige Route dennoch fortbetrieben werden, und es hat gar keinen Sinn, für den Umbau der Station Meiringen so enorme Summen auszuwerfen. Fassen wir all' das zusammen, so gelangt man zu dem notwendigen Schlüsse, dass an einen Umbau der gesamten Brünigbahn auf Normalspur für die nächsten Dezennien nicht gedacht werden kann, dass deshalb, zweitens, Luzern an der heutigen Frage gar kein Interesse hat, und dass es, drittens, nicht recht begreiflich ist, wenn auch von Meiringen aus die Motion Michel mit dem Hinweis auf die Wünschbarkeit einer besseren Verbindung zwischen dem Hasle und Obwalden begründet wird.

5. Fassen wir hier gleich den Unterschied zwischen der bisherigen Betriebsart von Luzern-Interlaken einerseits, der künftigen, wie sie sich im Sinne des bestehenden Bundesgesetzes gestalten wird, anderseits, und derjenigen Betriebsart, wie sie sich aus der Annahme der Motion ergeben wird, dritterseits ins Auge.

a. Gegenwärtiger Betrieb : Einfache Schmalspur Luzern-Giswil, Zahnrad-Schmalspur Giswil-Meiringen, einfache Schmalspur Meiringen-Brienz. Dampfboot Brienz-Interlaken-Ost, Umschlag in Brienz und Interlaken-Ost. Das nämliche Zugspersonal von Luzern bis Brienz. Drei Lokomotivpersonale: Luzern-Giswil, Giswil-Meiringen, Meiringen-Brienz.

b. Künftiger Betrieb gemäss dem Bundesgesetz mit durch» gehender Schmalspur Luzern-Interlaken-Ost : Einfache Schmalspur Luzern-Giswil, Zahnrad - Schmalspur Giswil-Meiringen, einfacheSchmalspur Meiringen-Interlaken-Ost. Umschlag in Interlaken-Ost.

Das nämliche Zugspersonal von Luzern bis Interlaker.-Ost ; drei
Lokomotivpersonale: Luzern-Giswil, Giswil-Meiringen, MeiringenInterlaken-Ost.

c. Künftiger Betrieb gemäss der Motion, Schmalspur LuzernMeiringen, Normalspur Meiringen-Interlaken-Ost : Einfache Schmal-

391 spur Luzern-Giswil, Zahnrad-Schmalspur Giswil-Meiringen, Normalspur Meiringen-Interlaken-Ost. Umschlag in Meiringen; in Interlaken kein Umschlag für die Reisenden und Frachten über Interlaken hinaus. Z w e i Zugspersonale : Luzern-Meiringen, Meiringen Interlaken-Ost; drei Lokomotivpersonale: Luzern-Giswil, ·Giswil-Meiringen, Meiringen-Interlaken-Ost.

Das Einfachste wäre der durchgehende Normalspur - A d häsions-Betrieb Luzern-Interlaken. Sehen wir von diesem Zukunftsgebilde ab, so ergibt sich folgendes: Für die S. B. B. ist der Betrieb b der vorteilhafteste ; für Frachten und Passagiere Luzern-Interlaken ist der Betrieb b der vorteilhafteste; für Frachten und Passagiere Luzern-InterlakenTransit und umgekehrt sind b und c gleichwertig, weil in beiden Fällen je ein einmaliger Umschlag stattfindet.

Bei c (Motion Michel) entsteht die Eigentümlichkeit, dass die S. B. B. eine Normalspurbahn von 28'/a (Interlaken-Ost-Brienz 16 260, Brienz-Meiringen 12,300) Kilometer besitzen, die einerseits an eine eigene Schmalspurbahn (S. B. B.), anderseits an eine fremde Normalspurbahn (Lötschbergbahn) anstösst, was gewisse Inkonvenienzen für den Betrieb der Linie Interlaken-OstMeiringen zur Folge haben würde. Eine Verpachtung der letztern Linie an die Lötschbergbahn ist aber nicht von Vorteil, wie aus
6. Das militärische Interesse erheischt möglichst gute Verbindungen. Eine Schmalspurbahn ist besser als gar keine Bahn, -eine Normalspurbahn besser als eine schmalspurige, eine zwei,geleisige besser als eine eingeleisige.

Für die Verbindung Thun-Luzern ist aber das Umsteigen in Interlaken oder Luzern dem Umsteigen in Meiringen bei weitem vorzuziehen und verdient in dieser Beziehung die durchgehende Schmalspur Interlaken-Luzern den Vorzug.

Für die Verbindung Thun - Grimsel und Thun - Susten - Uri verdient die Normalspurbahn Interlaken - Meiringen den Vorzug.

Immerhin ist zu beachten, dass ab Interlaken nach Brienz drei Verkehrsmittel: Bahn, Schiff und gute Landstrasse, für BrienzMeiringen zwei Verkehrsmittel: Bahn und gute Landstrasse, auf jeden Fall zur Verfügung stehen.

Die Erstellung der Bahnverbindung Interlaken-Brienz bedeutet einen grossen Fortschritt in der Richtung der Landesverteidigung; die Normalspur Interlaken-Meiringen würde einen noch grösseren, die Normalspur Interlaken-Meiringen-Tunnel-Giswil-

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Luzern einen nocb viel grösseren bedeuten. All' das ganz ähnlichwie mit Bezug auf die Verbindung Palézieux (Romont)-BulleSaanen-Spiez, sowie mit Bezug auf die Furkabahn, die Strecke Göschenen-Andermatt und die gesamten Rhätischen Sahnen.

7. Nachdem wir die Vor- und Nachteile der beiden Systeme(Schmalspur Interlaken - Brienz und Normalspur Interlaken - Meiringen) gegeneinander abgewogen, gehen wir zur Erörterung der gesetzgebungspolitischen Seite der Motion Michel und der durch deren Annahme und Ausführung bedingten Verzögerung der Angelegenheit über.

Die Gesetzgebungspolitik. Die'Angelegenheit der Ausfüllung der Lücke Interlaken-Brienz im schweizerischen Bahnnetz besitzt eine lange, sehr lange Geschichte. Die letzte Phase beginnt mit der Botschaft des Bundesrates vom 12. Dezember 1904. Der Ständerat erledig!« das Geschäft in der Märzsession des Jahres 1905. Die Kommission des Nationalrates erdauerte das Geschäft 2J/2 Jahre lang. Der Nationalrat diskutierte darüber in fünf Sitzungen der Dezembersession des Jahres 1907. Das Bundesgeseta trat am 1. Mai 1908 in Kraft.

In der parlamentarischen Beratung wurde von den verschiedenen Seiten jeder in Sachen überhaupt denkbare Standpunkt eingenommen, begründet, widerlegt, festgehalten, aufgegeben, modifiziert. Eine gründlichere Beratung ist undenkbar.

Schliesslich erlangten der Staatsbau und die Schmalspur in beiden Räten die grosse Mehrheit (Ständerat 27 gegen zwei Stimmen, Nationalrat 80 gegen 44). Seither hat sich nichts, absolut nichts ereignet, was eine Änderung der Entschliessung erfordern oder wenigstens rechtfertigen würde.

In einem ändern Punkte freilich ist es ganz anders geworden.

Bei der Beratung des Gesetzes, insbesondere bei derjenigen im Nationalrate 1907, wurde von den Befürwortern der Normalspur mit grossem Nachdruck hervorgehoben, dass die Thunerseebahn bald verstaatlicht und alsdann die Verbindung des S. B. B.-Normalbahn - Torso Brienz-Interlaken mit dem Normalbalinnetz der S. B. B. stattfinden werde.

Das ist inzwischen anders gekommen : Die Thunerseebahn bildet heute einen Bestandteil der Lötschbergbahn, deren Verstaatlichung zurzeit noch nicht in Aussicht genommen werden kann. Dieses Norum spricht aber gegen die S. B. B.-Normalbahn Interlaken-Brienz und für eine einheitliche Schmalspurbahn, Luzern-Interlaken.

Wenn nun trotzdem das Gesetz von 1907 umgestossen

393 werden soll, so ' besteht dafür kein neuer sachlicher Grund. Auch müsste es einen sonderbaren Eindruck hervorrufen, wenn eine einfache Motion unter Ausschaltung des Verwaltungsrates der schweizerischen Bundesbahnen für den Nationalrat genügt, um, soweit an ihm, das Werk jahrelanger Beratung und reiflicher Entschliessung über den Haufen zu werfen.

8. Die Annahme der Motion wird eine bedeutende Verzögerung des im Gang befindlichen Bahnbaues bewirken. Wie sieh aus den abgeschlossenen Verträgen ergibt, soll die Bahn 1915 vollendet sein und dem Betrieb übergeben werden. Wie ein Augenschein ergeben hat, ist der Bahnbau auf der vergebenen Strecke im vollen Gange.

Wie nun, wenn die Motion angenommen wird? In erster Linie muss sie auch den Ständerat passieren. Darüber wird es Winter. In der gegenwärtigen Session und im Dezember 1913 kann der Gesetzesentwurf vom Parlament beraten und festgesetzt werden. Folgt die Ausschreibung für das Referendum. Wir nehmen an, es werde nicht ergriffen. Im Monat April 1914 kann das Gesetz in Kraft treten und können die schweizerischen Bundesbahnen mit dem Vollzug betraut werden. Die nötigen Änderungen werden studiert, die Katastervermessung für die neuen Stationen Brienz und Meiringen, sowie den Lammbaehtunnel vorgenommen, die neuen Pläne und Kostenberechnungen erstellt und alles dem Verwaltungsrat der schweizerischen Bundesbahnen nach gesetzlicher Vorschrift zur Beschlussfassung vorgelegt. Folgt die Planauflage und das Plangenehmigungsverfahren, sowie die Erledigung der Einsprachen aller Art : mit Bezug auf die neue Station Meiringen, wo das Verkehrszentruni und die zum Bahnhof führende Trambahn verlegt werden müssen, eine schwierige und zeitraubende Arbeit. Darüber vergeht, im günstigsten Falle, das erste Semester 1915, wahrscheinlich aber dieses ganze Jahr.

Nun können die Änderungs- und Neuarbeiten ausgeschrieben und vergeben werden. Vor Ende 1917 können sie nicht vollendet sein. Im günstigsten Falle werden die Bewohner des rechten Brienzerseeufers im Jahre 1918 ihre Eisenbahn haben.

Die Verzögerung beträgt also mindestens 2*/2 Jahre.

Wer in diese unsere Berechnung Zweifel setzt, wird gebeten, sich an Hand der bei den Akten befindlichen Übersicht über den bisherigen Gang und 'Verlauf des Geschäftes von der Richtigkeit derselben zu überzeugen.

An diesem Orte können wir nicht umhin, daran zu erinnern, dass mehr als einmal in der Presse, im Nationalrat münd-

391

lieh und in geharnischten Petitionen an die Bundesversammlung wegen Verschleppung der Bauangelegenheit durch die schweizerischen Bundesbahnen reklamiert worden ist. Wir verweisen auf die Verhandlungen des Nationalrates vom 20. Dezember 1911 und den Bericht des Bundesrates an die eidgenössischen Räte vom 21. Mai 1912.

Wie reimt sich dies zusammen mit der gegenwärtigen Motion und der langen weiteren Verzögerung in dem Falle, dass die Motion ihren Zweck erreicht?

9. An die Erstellung der Schmalspurbahn Interlaken-Brienz bezahlt der Kanton Bern (mit Inbegriff allfälliger Beiträge aus der beteiligten Landesgegend) laut dem Bundesgesetze von 1907 zehn Annuitäten à Fr. 40,000, welcher Betrag mittelst Diskontierung in ein sofort zu entrichtendes Kapital von Fr. 330,000 umgewandelt ist. Diese Summe ist nun allerdings gemäss der im Abschnitt IX erwähnten Zuschrift des Regierungsrates des Kantons Bern vom 16. September 1913 auf Fr. 720,000 erhöht worden.

Trotz dieser Erhöhung bedeutet die Annahme der Motion Michel und Genossen eine starke Inanspruchnahme von Bundes geldern, der weder eine entsprechende Rendite noch ein erheblicher volkswirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht.

Wir gelangen mithin zu dem bestimmten Schlusise, dass die Motion Michel und Genossen abzulehnen sei, und zwar aus den unter Abschnitt X, Ziffern 6, 7 und 8, ausgeführten Gründen auch seitens derjenigen, welche sich früher eher auf die Seite der Normalspurbahn gestellt hatten. Wir bitten Sie daher, die Motion Michel und Konsorten zu verwerfen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 6. Oktober

1913.

Im Namen des Schweiz. Bun.desrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

Beilage : Gutachten Herzog vom 25. August 1913.

395 Beilage.

Bericht über die

Spurfrage der Brienzerseebahn, Tit, Eidgenössisches Post- und Eisenbahndepartement, Abteilung Eisen/bah-tien.

Bern.

Hochgeehrter Herr Bundesrat !

Mit Schreiben vom 18. Juni 1913 haben Sie mich beauftragt, über die in Sachen ,,Brienzerseebahn" aufgetauchten Abänderungsvorschläge (Interpellation Michel), insbesondere über die verkehrstechnische und die Kostenfrage ein Gutachten abzugeben. Das hierzu nötige Akten- und Planmaterial wurde mir sowohl vom Eisenbahndepartement, als auch von der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen zur Verfügung gestellt.

Nach Einsichtnahme von diesem Material, sowie nach Vornahme eines Augenscheins über die im Bau begriffene Brienzerseebahn, die Strecke Brienz-Meiringen der Brünigbahn, sowie über die Situation der in Frage kommenden Bahnhofanlagen Interlaken-Ost, Brienz und Meiringen kann ich nachstehenden Bericht erstatten, dem ich zur allgemeinen Orientierung einen kurzen Abriss über die Entwicklung der Schienenwege im Berner Oberland vorausschicke.

Entwicklung der neuen Verkehrswege im Berner Oberland.

Die ersten Bestrebungen zur Verbesserung der oberländischen Verkehrswege erfolgten bereits anfangs der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts.

So erhielt am 24. September 1873 die schweizerische Baugesellschaft der Jurabahn die Konzession für die Talbahnen Bönigen-Gsteig-Zweilütschinen-Lauterbrunnen und Grindelwald, sowie für die Bergbahnen Lauterbrunnen-Wengernalp-Grindelwald.

Sämtliche Linien waren als n o r m a l s p u r i g e Touristenbahnen projektiert mit einem Kostenaufwand von 11 YS Millionen.

Bundesblatt. 65. Jahrg. Bd. IV.

30

396

Die Ausführung dieser Projekte scheiterte einesteils an der Ungunst der Zeitverhältnisse (Krisis der Jahre 1875--1880), ganz besonders aber an den durch die Normalspur bedingten ausserordentlich hohen Kosten, welche eine Rendite ausschlössen.

Die daherigen Konzessionen erloschen im Jahre 1886, wurden aber ein Jahr spater (29. April 1887) für die Talbahnen mit dem Ausgangspunkt Interlaken-Ost (Zollhaus) neuerdings erteilt, und zwar für eine Schmalspurbahn mit teilweisem Zahnstangenoberbau. Dieses Projekt 'gelangte im Jahre 1889 zur Ausführung, und es konnten die Linien nach Lauterbrunnen und Grindelwald bereite am 1. Juli 1890 dem Betriebe übergeben werden.

Als weitere Etappen in der Entwicklung der oberländischen Eisenbahnen folgten der Bau der normalspurigen Thunerseebahn, deren Eröffnung auf den 1. Juni 1893 fiel, sowie die Erstellung der Bahn nach Murren und diejenige der schmalspurigen Bergbahnen Lauterbrunnen-Wengernalp-Grindelwald und der Schynigen Platte, deren Inbetriebsetzung ebenfalls im Juni des Jahres 1893 erfolgen konnte.

Auch die Brunigbahn musste die verschiedensten Wandlungen durchmachen, bevor ihre Realisation gelang.

Bereits am 20. Dezember 1870 wurde für dieselbe eine kantonale Konzession erteilt, in welcher die Bahnanlage in drei Sektionen vorgesehen war. Die erste Sektion betraf die Strecke vom östlichen Ende des Thunersees (Neuhaus) bis zum Landungsplatz der Dampfschiffe am Ausfluss des Brienzersees, die zweite Sektion umfasste die direkte Fortsetzung der ersten Sektion von Interlaken, Meiringsn bis zur Kantonsgrenze auf dem Brünig, die dritte Sektion aber betraf die Linie längs dem linken Ufer des Thunersees nach Thun und über Seftigen nach Bern. Die ganze Anlage war normalspurig vorgesehen.

Abänderungen der Konzession erfolgten am 15. September 1873, und am 31. Januar 1874 wurde unter Aufhebung aller frühern Konzessionen eine einheitliche Konzession für die Brünigbahn Bern-Thun - Därligen - Interlaken-Brienz-Meiringen-Brünig-Sarnen-Luzern erteilt. Ein Teil dieser Konzession wurde am 13. Dezember 1886 samt einer solchen für die Strecke AlpnachstadLuzern auf die Jura-Bern-Luzern-Bahn übertragen mit der Abänderung, dass die Strecke Brienz-Meiringen-Luzern mit l m Spurweite und Einlage von Zahnstangen auf der Bergstrecke ausgeführt werden könne. Diese Ausführung wurde denn auch rasch an die Hand genommen und konnte die Brünigbahn bereits

397 am 14. Juni 1888 dem Betrieb übergeben werden. Von der ursprünglichen Brünigbahnkonzession war nur die erste Sektion Därligen-Interlaken-Bönigen ausgeführt worden. An diese Linie wurde die Thunerseebahn angeschlossen, und endlich wurde auch die Strecke Bern-Thun über Seftigen als Gürbetalbahn von einer besondern Gesellschaft gebaut und im Jahre 1901--02 eröffnet.

Es teilen sich somit heute die schweizerischen Bundesbahnen mit der Strecke Brienz-Luzern, die Thunerseebahn mit ScherzligenInterlaken-Bönigen und die Gürbetalbahn mit Bern-Thun in die von der alten Brünigbahnkonzession vorgesehenen Linien.

.Brienzerseebahn.

Es hat nicht an Anstrengungen gefehlt, das im Zusammenhange der Strecke Bern-Brünig-Luzern ausgefallene Stück Interlaken - Ost-Brienz der Verwirklichung zuzuführen. Bereits im Jahre 1893 wurde nach Abweisung eines Gesuches vom Juli 1890 für eine linksufrige Brienzerseebahn einem Initiativkomitee die Konzession für eine rechtsufrige Schmalspurbahn erteilt, die jedoch trotz mehrfacher Verlängerung der festgesetzten Fristen nicht zur Ausführung gelangen konnte und im Jahre 1904 erlosch.

Im gleichen Jahre ersuchte der Verwaltungsrat der schweizerischen Bundesbahnen den schweizerischen Bundesrat, einen Beschluss der Bundesversammlung zu veranlassen über den Bau und Betrieb einer schmalspurigen Brienzerseebahn, deren Erstellungskosten auf Fr. 5,500,000 berechnet waren.

Durch Botschaft vom 12. Dezember 1904 wurde diesem Begehren entsprochen und der bezügliche Antrag am 22. März 1905 vom Ständerat, am 17. Dezember 1907 vom Nationalrat zum Beschluss erhoben, nachdem sich der Kanton Bern zu einer jährlichen Subvention von Fr. 40,000 während 10 Jahren verpflichtet hatte. Durch diesen Beschluss wurde endlich die Verwirklichung des Zusammenschlusses des Schienenweges BernLuzern über den Brünig gesichert.

Wenn wir mit obigen Ausführungen kurz die Entwicklung der neuen Verkehrswege im Berner Oberland skizzierten, so geschah dies in der Überzeugung, dass die Kenntnis dieses Entwicklungsganges zur richtigen Beurteilung der heutigen Lage nicht ohne Vorteil sein dürfte.

Das Bundesgesetz vom 17. Dezember 1907 lautet: ,,Art. 1. Die Bundesbahnverwaltung wird ermächtigt, als

398

Fortsetzung der ßrünigbahn eine Bisenbahn von Brienz nach Interlaken (Brienzerseebahn) mit Spurweite von I m , 12 %o Maximalsteigung und 250 m Minimalradius im Kostenvoranschlag von Fr. 5,500,000 zu bauen.

Art. 2. Diese Ermächtigung ist an die Bedingung geknüpft, dass der Kanton Bern, gemäss dem Beschluss des Grossen Rates vom 6. Oktober 1904, vom Tage der Betriebseröffnung hinweg während 10 Jahren an die Betriebskosten einen jährlichen Beitrag von Fr. 40,000 leistet.

Art. 3. Es steht dem Kanton Bern frei, statt der zehnjährigen Leistung von Fr. 40^000 eine entsprechende einmalige Abfindungssumme auf den Zeitpunkt der Betriebseröffnung der Brienzerseebahn zu bezahlen.

Art. 4. Beim Bau der Bahn ist auf einen spätem Umbau auf Normalspur möglichst Rücksicht zu nehmen.

Art. 5. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grucdlage des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.a Durch dieses Bundesgesetz wurden die Spurfrage, die Steigungsverhältnisse und Minimalradien der Kurven, mit einem Wordie Hauptgrundlagen für die Tracierung und den Bau der Brienzert seebahn definitiv festgelegt, und die schweizerischen Bundesbahnen konnten zur Ausarbeitung der Baupläne und zur Ausführung der Bauten schreiten.

Art. 4 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1907 schreibt vor, es sei beim Bau der Brienzerseebahn auf einen späteren Umbau auf Normalspur möglichst Rücksicht zu nehmen. Diese Vorschrift war eine Folge des ursprünglichen Verlangens des Kantons Bern, unterstützt von verschiedenen Petitionen der Gemeinden und Vereine des engern Oberlandes, welohes eine Erstellung der Brienzerseebahn von vornherein mit Normalspur bezweckte. Der angeführten Vorschrift wurde in den Ausführungsplänen Rechnung getragen, indem die Tunnelprofile, die Unterbauarbeiten für die Brücken, sowie die Geleisedistanzen in den Stationen entsprechend bestimmt wurden. Was die übrigen Bedingungen betreffend Steigungsverhältnisse und Minimalradi eu anbelangt, so mussten dieselben insofern modifiziert werden, als infolge des Verlangens der Dampfschiffgesellschaft die linke Höhe der Aarebrücke bei Interlaken und damit auch die Steigung der

399 zur Brücke führenden Rampe von 12 °/oo auf 14 °/oo vermehrt und ferner 2 Kurven von 200 m Radius statt der vorgeschriebenen 250 m eingeschaltet wurden. Trotzdem stieg der Voranschlag von Fr. 5,500,000 auf Fr. 6,475,000 oder mit Einbeziehung des Kostenanteiles der Bundesbahnen an den Stationsanlagen Interlaken-Ost mit Fr. 700,000 auf den Gesamtbetrag von Fr. 7,175,000, eine für eine schmalspurige Anlage ganz ansserordentlich hohe Summe, stellen sich doch die kilometrischen Baukosten auf Fr. 411,200.

Von obigem Gesamtbetrag fallen nach der Berechnung der Bundesbahnen Fr. 500,000 auf die für die Vorbereitung auf Normalspur aufzuwendenden Beträge. In dieser Summe sind auch die Kosten für die Einrichtungen eines Rollschemelbetriebes Inbegriffen. Der Grund für die hohen Kosten liegt in dem äusserst stark eoupierten Terrain, für welches eine Anlage mit Kurven von 250 m Radius und mit Steigungen von nur 12 °/oo, wie sie Art. 4 des Gesetzes vorsieht, von vornherein für eine Schmalspurbahn ungewöhnlich hohe Baukosten resultieren mussten. Ferner veranlassen die vielfach auftretenden Lawinenzüge und Murgänge namhafte Kosten für Unterführung und Überführung der Bahn durch Tunnels resp. Viadukte, und endlich musste auch der Bau der grossen Aarebrücke bei Interlaken eine wesentliche Erhöhung der Gesamtkosten zur Folge haben.

Die Genehmigung der allgemeinen Baupläne konnte infolge mannigfacher Einsprachen und Verhandlungen erst am 19. September 1911 erfolgen, für die Station Brienz sogar erst am 11. März 1912 und für die Strecke Ringgenberg-lnterlaken-Ost am 6. Juli 1912, letztere, nachdem auch das Einverständnis über die Einführung in die. Oststation durch die Thunerseebahn und die ebenfalls beteiligten Berner Oberlandbahnen vorlag.

Die Vergebung der Arbeiten erfolgte alsdann für die drei ersten Lose, umfassend die Strecke von Brienz bis Ringgenberg, im September 1912.

In der Dezembersession 1912 der Bundesversammlung brachte Herr Nationalrat Michel °eine Interpellation ein, welche lautete : ,,1. Erachtet es der Bundesrat mit Rücksicht auf die seit Erlass des Bundesgesetzes vom Dezember 1907 betreffend den Bau der Brienzerseebahn veränderten Verhältnisse nicht als geboten, dass diese Eisenbahn, deren Unterbau zwar normalspurig, deren Oberbau aber schmalspurig projektiert ist, gleich von Anfang an vollständig als Normalbahn erstellt werde?

2. Gedenkt nicht der Bundesrat unter den vorliegenden

400

Umständen den eidgenössischen Räten eine dem erwähnten Gebote entsprechende Vorlage zu unterbreiten?"

Diese Interpellation wurde alsdann am 20. Dezember 1912 in eine Motion umgewandelt, welche lautet : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Räten beförderlichst eine Vorlage zu unterbreiten in dem Sinn, dass die Brienzerseebahn von Anfang an normalspurig zu erstellen und die Linie Brienz-Meiringen auf Normalspur umzubauen sei."

Die Motion wurde somit gegenüber der Interpellation dahin erweitert, dass nicht nur die im Bau begriffene Brienzerseebahn, sondern auch die bereits seit 1888 im Betriebe stehende Strecke Brienz-Meiringen der Brünigbahn auf Normalspur umzubauen sei.

Mit dieser Motion wurde ein seit 12 Jahren hin- und herwogender Streit über die Spurfrage der Brienzerseebahn, die durch das Bundesgesetz vom Dezember 1907 definitiv geregelt schien, von neuem eröffnet.

Bereits im Jahre 1900 gab Herr Ingenieur Laubi, Direktor der Südostbahn, an Herrn Stendler, Regierungsstatthalter in Meiringen, ein Gutachten ab, in welchem er die Brienzerseebahn als Fortsetzung der Thunerseebahn klassifizierte und unter dem bestimmten Vorbehalt, dass auch die Strecke Brienz-Meiringen umgebaut werde, der Normalspür mit Rücksicht auf deren grössere Leistungsfähigkeit und auf die daraus resultierenden Vorteile für das Oberhasli den Vorzug gab. Allein schon Herr Laubi bemerkte damals ausdrücklich, dass für den Fall, dass nicht die Thunerseebahn, sondern der Besitzer der Brünigbahn den Bau und Betrieb der Brienzerseebahn übernehmen sollte, \vohl eine schmalspurige Anlage vorteilhafter wäre.

D i e s e r F a l l ist a b e r h e u t e e i n g e t r e t e n . Der Regierungsrat des Kantons Bern forderte sodann von de:a Herren Ingenieur Denzler, Professor Gerlich und Direktor Mezger ein Gutachten ein über die Anlage der Brienzerseebahn.

Dieses Gutachten vom 12. April 1901 stellt sich entschieden auf den Standpunkt., dass die Brienzerseebahn eine Fortsetzung der Brünigbahn sei, deren Zweck in der direkten Verbindung der beiden grossen Fremdenzentren Luzern und Interlaken liege.

Es hätte diese Verbindung folgerichtig bereits zur Zeit der Erstellung des letzten Stückes der Brünigbahn, Alpnach-Luzern, gebaut werden sollen. Sie sprechen sich ganz entschieden für die s c h m a l s p u r i g e Anlage aus, postulieren aber gleichzeitig die Führung der Züge der Thunerseebahn bis zur Oststation und

401

umgekehrt die Einführung der Brienzerseebahn und der Züge der Berner Oberlandbahnen in den Westbahnhof.

Nach Bekanntwerden des Antrages der Bundesbahnen über die Erstellung der Brienzerseebahn wandten sich die oberländischen Gemeinden unterm 7. Juli 1904 mit einem Gesuch an den Bundesrat, dahingehend, es sei die Linie Brienz-Interlaken normalspurig zu erstellen; ein Gesuch in demselben Sinne ging an die Bundesversammlung, schliesslich auch noch ein Konzessionsgesuch für eine Normalbahn (17. Mai 1906 und 29. April 1907).

Ebenso wandten sich die Gemeinden unterm 25. August 1905 an den Regierungsrat des Kantons Bern zuhanden des Grossen Rates. Letzterer hatte sich in seiner Sitzung vom 6. Oktober 1904 prinzipiell mit der Ausführung der Brienzerseebahn durch die schweizerischen Bundesbahnen einverstanden erklärt, jedoch die normalspurige Anlage und den Umbau der Strecke Brienz-Meiringen beantragt und hierfür eine erhöhte Subvention in Aussicht gestellt, für den Fall aber der Ausführung der Schmalspur diese Subvention auf die verlangten Fr. 40,000 während 10 Jahren beschränkt und die bestimmte Erwartung ausgesprochen, dass die Züge der Brienzerseebahn bis in den Westbahnhof geführt werden.

Diese sämtlichen Gesuche wurden je weil en vom Eisenbahndepartement und den Bundesbahnen begutachtet und unter einlässlicher Begründung abgewiesen.

Eine letzte Eingabe der Gemeinden des engern Oberlandes datiert vom 7. März 1913. In derselben wird zwar zugegeben, dass die Brienzerseebahn in erster Linie als F o r t s e t z u n g der B r ü n i g b a h n zu betrachten und als solche in der Hauptsache dem Touristenverkehr zwischen Luzern und Interlaken zu dienen habe. Dann soll die Brienzerseebahn aber auch einen Bestandteil des bernischen Nebenbahnennetzes und damit eine Ergänzung der Thunerseebahn oder nunmehr -der Berner Alpenbahngesellschaft , Bern - Lötschberg - Simplon, darstellen, also eine doppelte Aufgabe erfüllen, deren Lösung nur durch e i n e N o r m a l b a h n m ö g l i c h sei.

Der Kostenvoranschlag der Bundesbahnen für die Normalisierung wird als ü b e r t r i e b e n h o c h b e z e i c h n e t , allerdings ohne dass der Beweis für diese Behauptung angetreten wird.

Schliesslich wird noch auf die durch die Normalisierung

402 d e r Brienzerseebahn e r l e i c h t e r t e L ö s u n g d e r s c h w i e r i g e n B a h n h o f f r a g e in Interlaken-West und die notwendige Sanierung der bestehenden Verkehrsverhältnisse hingewiesen.

Dieses erneute Gesuch wurde unterm 22. März 1913 von der bernischen Regierung mit Empfehlung an das Eisenbahndepartement zuhanden des Bundesrates und der Bundesversammlung weitergeleitet.

So stellt sich heute die Situation dar. Die Normalisierung der B r i e n z e r s e e b a h n a l l e i n scheint von allen Seiten aus guten Gründen aufgegeben zu sein; dagegen wird von. den Motionsstellern und den Interessenten der Landesgegend an der Erstellung der Normalspur für die Brienzerseebahn unter gleichzeitigem Umbau der Strecke Brienz-Meiringen festgehalten und mit der in absehbarer Zeit eintretenden N o t w e n d i g k e i t des U m b a u e s der Brünigbahn zwischen Meiringen und Luzern begründet.

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen und der Darlegung des Werdeganges der in Frage stehenden Bahn gehen wir über zur Beantwortung der uns gestellten Fragen.

Dieselben teilen sich in zwei H a u p t g r u p p e a : 1. Welche Spurweite entspricht in verkehrstechnischer Beziehung am vollständigsten den normalerweise zu stellenden Anforderungen ?

2. Welches sind die wirklichen Kosten der verschiedenen Projekte?

I. Spurweite.

Es hätte wohl keinen Zweck, den alten Streit zwischen Normal- und Schmalspur nach seiner theoretischen Seite hin zu untersuchen. Als allgemeiner Grundsatz darf immerhin festgestellt werden, dass eine Eisenbahn nicht nach irgend eînem von vornherein gewählten Schema gebaut und betrieben werden darf, soll sie doch der Ausdruck der vorhandenen Verkehrsbedürfüisse sein. Es muss daher jedes Projekt seiner Natur angepaisst, d. h.

individualisiert werden. Jeder einzelne Fall stellt andere, neue Bedingungen auf. Eine beinahe ausschliesslich dem Güterverkehr dienende Bahn wird anders anzulegen und zu betreiben sein, als eine vornehmlich für den Personenverkehr bestimmte Linie \ eine Touristenbahn ist anders zu disponieren als eine für Erzund Kohlentransport bestimmte Strecke.

403

Auch der weite Blick in die Zukunft kann täuschen.

Dass eine Eisenbahn nicht nur gerade für die vorliegenden Bedürfnisse gebaut werde, scheint jedermann einleuchtend ; allein es gibt auch hier Grenzen, welche nicht überschritten werden dürfen, will man nicht das Risiko laufen, ein grosses Kapital auf Jahrzehnte hinaus unfruchtbar angelegt zu haben. Es kommt eben vor, dass die Steigerung des Verkehrs überhaupt nicht oder wenigstens nicht in dem erwarteten Masse eintritt, oder dass sie in einer Form und in einer Bedeutung sich geltend macht, auf welche die erste Anlage nicht passt. Auch der Eisenbahnbetrieb muss als Industrie aufgefasst werden, und wie die letztere oft Ziel und Weg wechselt, so verändern sich auch stetig die Bedürfnisse und die Ansprüche an eine Eisenbahnlinie.

Die beste Anlage wird somit diejenige sein, welche den Zeitverhältnissen entspricht, aber die nötige Elastizität für spätere Entwicklungen besitzt.

In der zu lösenden Frage handelt es sich also in erster Linie um den Nachweis, durch welche Spurweite der Gattung und der Grosse des gegenwärtigen und des zukünftigen Verkehrs in der besten und zugfeich finanziell günstigsten Weise entsprochen werden kann. Hierbei spielen die Leistungsfähigkeit der Bahnanlage einerseits, die Ökonomie des Baues und des Betriebes anderseits die Hauptrolle.

Für die Brienzerseebahn wurde durch Art. 4 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1907, welcher verschreibt, dass beim Bau der Bahn auf einen allfälligen spätem Umbau auf Normalspur möglichst Rücksicht zu nehmen sei, eine Situation geschaffen, welche obigen Erörterungen, wenigstens was die Ökonomie des Baues anbelangt, nicht entspricht, dagegen allerdings der Anlage die nötige Elastizität für später notwendig werdende Änderungen garantiert.

Es wurden durch den angeführten Artikel die Tracierungsgrundlagen in einer Weise festgelegt, welche den Bundesbahnen von vornherein wesentliche Opfer auferlegte und die Vorteile der Schmalspur, soweit es den Bau betrifft, in Hinsicht auf die vorliegenden Terrainverhältnisse zum Teil illusorisch machte. Es erscheint daher diese Bestimmung als Kompromiss gegenüber den nachhaltigen Bestrebungen zur sofortigen Erlangung einer Normalbahn. Wie jeder Kompromiss verlangt auch dieser Opfer, und nach den seitherigen Erfahrungen dürfte dieses Entgegenkommen eher als Fehler bezeichnet werden. Erinnern doch die letzten

404

Vorgänge lebhaft an das alte Sprichwort vom kleinen Finger und der ganzen Hand.

Bei der Untersuchung der Spurfrage der Brienzerseebahn muss in erster Linie auch diejenige eines eventuellen Umbaues der bestehenden Brünigbahn zur Sprache kommen, da die Aussicht auf den Ersatz der Schmalspur durch eine Normalspur für die ganze Linie bis Luzern für die Entscheidung von besonderer Bedeutung, ja geradezu ausschlaggebend ist.

Eine Normalisierung der Bahn über den Brünig mit ihren Steigungen und ihrem Zahnstangenoberbau ist nach unserer Ansicht vollständig ausgeschlossen; es kann sich somit nur um den Umbau und die Anlage eines Basistunnels von Brienawiler nach Giswil oder Meiriagen-Giswil handeln. Ein solcher Umbau aber darf mit Rücksicht auf die enormen jede Rendite aussehliessenden Kosten wohl als in nebelhafte Ferne gerückt bezeichnet werden.

Diese Kosten, auf welche wir im zweiten Teil des Gutachtens zu sprechen kommen, betragen Fr. 33,800,000. Hierzu kommt noch, dass die bestehende Bergstrecke mit Rücksicht auf die daran liegenden Ortschaften nicht einfach abgebrochen werden kann, sondern weiter betrieben werden musste. Es würden somit nicht nur die Baukosten, sondern auch die Betriebsausgaben eine unzulässige Höhe erreichen. Auch mit der Leistungsfähigkeit der bestehenden Bahn lässt sich der Umbau nicht begründen.

Wenn auch darauf hingewiesen wird, dass gegenwärtig einige Unzukömmlichkeiten beim Betriebe während der Hochsaison vorkommen und die Bahn am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angekommen sei, so existiert doch gar kein Zweifel, dass diese Leistungsfähigkeit noch bedeutend gesteigert werden kann.

Dies ist möglich durch Beschaffung kräftiger Maschinen, eine Anordnung, die bereits durch die Bundesbahnen getrolîen wurde, durch Einlegung von weitern Ausweichstnecken von genügender Länge, namentlich auf der Bergstrecke, eine Massnahme, welche das Einlegen neuer Züge ermöglicht, und endlich darf auch auf die für eine Touristenbahn ganz besonders angezeigte Elektrifizierung hingewiesen werden, welche nicht nur die Annehmlichkeit des Befahrens wesentlich vermehrt, sondern auch der Leistungsfähigkeit zugute kommen dürfte. Dabei könnte auch die nötige elektrische Energie in unmittelbarer Nähe beschafft werden.

Wenn aber von der Normalisierung der gesamten Brünigbahn mit Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse in absehbarer Zeit keine Rede sein kann, so muss dieses A r g u m e n t aus

405

der B e g r ü n d u n g für d i e N o r m a l s p u r l n t e r l a k e n - M e i r i n g e n ausscheiden und die Frage einzig und allein mit Bezug auf die besondern Verhältnisse dieser Strecke entschieden werden.

Die Brienzerseebahn muss ihrer Natur nach unbedingt als Fortsetzung der Brünigbahn betrachtet werden. Bleibt letztere hauptsächlich Touristenbahn, dann wird die Fortsetzung derselben ihre Hauptaufgabe in der Bewältigung des Personenverkehrs suchen müssen, und h i e r f ü r g e n ü g t die S c h m a l s p u r vollständig.

Die Interpellation legt besonderes Gewicht auf die militärische Seite der Frage, indem sie auf die in dieser Richtung seit dem Erlass des Bundesgesetzes veränderten Verhältnisse hinweist. Der Generalstab und eine von Herrn Oberst Weber verfasste Broschüre unterstützen lebhaft die Erstellung der Normalspur. Gewiss ist vom militärischen Standpunkt aus eine Normalbahn vorzuziehen, da dieselbe gestattet, von Bern oder Thun Truppen und ihr Material direkt und ohne Umlad bis Meiringen zu befördern.

Dagegen wurde von Oberst Weber die Leistungsfähigkeit der Schmalspurbahn in einer Weise herabgesetzt, die nicht unwidersprochen bleiben darf.

Die Brünigbahn befördert schon heute an schönen Tagen in beiden Richtungen zusammen über 3000 Reisende samt ihrem Gepäck; sie wird deshalb auch imstande sein, ähnliche Militärtransporte zu bewältigen.

Zwischen Interlaken-Ost und Meiringen kann der Schmalspurzug mit doppelter Bespannung eine Last von 340 t befördern. Der Transport eines Infanteriebataillons von 887 Mann und 22 Pferden erfordert eine Zugslänge von 281 m und eine Zugsbelastung von 306 t. . Es ist also durchaus möglich, ein Bataillon in einem Zuge zu befördern. Für den Transport der Fusstruppen, der Trains und des Nachschubes steht die Leistungsfähigkeit der Schmalspur wenig hinter derjenigen der Normalspur zurück. Ferner steht auch noch der Schiffsverkehr Interlaken-Brienz zur Verfügung. Die fahrenden und reitenden Truppen aber, deren Umlad und Transport sich für die Schmalspur schwieriger gestaltet, werden die 30 km zwischen Interlaken und Meiringen um so besser auf der Strasse zurücklegen können, als dieselbe nicht von den Fusstruppen und deren Trains in Anspruch genommen wird.

Mit Rücksicht auf bedeutende Militärtransporte sollten die Ausweicbgeleise wenigstens auf zwei Stationen der Brienzersee-

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bahn um je 100 m verlängert werden, und auch für die Verladeund Ausladeeinrichtungen wäre das Nötige vorzusehen. Unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, innert 27 Stunden auf der Brienzerseebahn resp. Interlaken-Meiringen den Transport einer Gebirgsbrigade von sechs Bataillonen inklusive Spezialwaffen und Trains zu bewältigen.

Im übrigen ist zu bemerken, dass auch in militärischer Hinsicht eine Normalisierung nur dann von wirklicher Bedeutung wäre, wenn die ganze Brünigbahn umgebaut und der Basistunnel ausgeführt würde. Soweit es sich aber nur um Interlaken-Meiringen handelt, dürfte der erlangte Vorteil den grossen Opfern nicht entsprechen. Als Bestandteil der Brünigbahn ist die Hauptaufgabe der Brienzerseebahn bestimmt, und die Anla,ge hat sich derselben anzupassen. Diese Hauptaufgabe aber liegt im Personenverkehr, denn die Brünigbahn beförderte im Jahre 1912 zirka 982,000 Personen mit einer Einnahme von Fr. 1,300,000, 54,000 t Gepäck und Güter mit einer Einnahme von Fr. 350,000.

Der Hauptverkehr beschränkt sich auf die Monate Juni, Juli, August und September, während in der Zwischenzeit die Leistungsfähigkeit nur zum kleinen Teil ausgenutzt werden kann. Den Beweis hierfür bilden die Einnahmen der einzelnen Monate.

Wird die Normalspur ausgeführt, so erhält man in Meiringen einen Verkehrsbruch, wie er gegenwärtig in Brienz beim Umsteigen in die Schiffe erfolgt, nur mit dem Unterschied, dass dieses Umsteigen bei grossem Andrang noch wesentlich unangenehmer wird. Man würde also mit grossem Aufwande den bestehenden Übelstand noch vermehren. Auch die Behauptung, dass die Normalbahn die Konkurrenz der Schiffe erheblicher besehneiden würde, als dies sich mit der Schmalspur erreichen lasse, erscheint als wenig begründet. Nach den Erfahrungen im Betriebe der Thunerseebahn hängt das Mehr oder Weniger des Umsteigens hauptsächlich vom Wetter ab. Ist dasselbe schön, wird die Seefahrt vorgezogen, ist es aber schlecht oder zweifelhaft, bleibt der Reisende, besonders wenn er sich noch mit viel Handgepäck schleppen muss, weit eher in seinem Bahncoupé sitzen.

Auch der Verkehr mit dem Oberhasli, namentlich der Güterverkehr, wird zur Begründung für das Verlangen nach der Normalspur ins Feld geführt. Derselbe ist aber gegenwärtig durchaus nicht so bedeutend, dass er von der Schmalspur nicht leicht bewältigt werden kann, weist doch die Station Meiringen nach der Statistik für 1912 nur folgenden Güterverkehr auf:

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Totalverkehr von und nach Meiringen : Gepäck 306 t Tiere 3399 Stück Güter 8481 t während Brienz sogar nur verzeigt: Gepäck 103 t Tiere 648 Stück Güter 4896 t.

Und was die Zukunft anbelangt, welche bei Ausnützung der jetzt noch brachliegenden Wasserkräfte einen weit stärkern Güterverkehr in sichere Aussicht stellen soll, ist eine Täuschung auch nicht ausgeschlossen. Es ist nämlich wirtschaftlich durchaus vorteilhafter, die elektrische Energie auf grössere Distanzen fortzuleiten, als die namhaften . Frachtbeträge, welche durch die Zufuhr der nötigen Rohmaterialien bedingt werden, Jahr für Jahr auszulegen.

Auch mit Rücksicht auf die bestehenden Projekte und die bereits in Ausführung begriffenen Schmalspurbahnen muss der letztern der Vorzug gegeben werden. Projektiert ist eine Linie von Meiringen über, die Grimsel nach Gletsch zum Anschluss an die bereits im Bau befindliche Furkabahn, die Brig mit Disentis verbindet ; ferner die Schmalspurbahn Göschenen - Andermatt, welche den Kontakt der Furkabahn mit der Gotthardlinie herstellt. Durch den Bau Meiringen-Gletsch wird ein weitverzweigtes, leistungsfähiges Schmalspurnetz entstehen, dessen Endpunkte Interlaken und Luzern einerseits, Chur und Brig, sowie Andermatt resp. Göschenen anderseits an den internationalen Weltverkehr anschliessen.

Dass ein solches Netz auch leistungsfähig ist, beweisen uns die Rhätischen Bahnen, welche im Jahre 1912 folgenden Verkehr aufweisen : Personen . . . . 1,719,187 Gepäck . . . .

8,817 t Tiere 42,040 Stück Güter 318,577 t.

Die Totaleinnahmen betrugen Fr. 8,369,724 oder per Kilometer Fr. 39,856, eine Einnahme, welche den blassen Neid mancher Normalspurbahn erwecken dürfte. Obige Aufstellung ist aber auch der sicherste Beweis, dass ein richtig angelegtes und gut betriebenes Schmalspur netz einen Güterverkehr von bedeutendem Umfange zu bewältigen imstande ist.

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Wenn nun das weiter oben skizzierte Schmalspurnetz nicht in so günstigen Verhältnissen sich befindet wie die Rhätischen Bahnen, da die bei ersterem vorkommenden Zahnstangenstrecken die Leistungsfähigkeit herabmindern, so darf doch angenommen werden, dass ein solches Netz zur Belebung des Verkehrs zwischen den sämtlichen Hauptzentren der Fremdenindustrie auch für das Berner Oberland von grosser Bedeutung werden kann.

Ein Haupteinwand gegen die Schmalspur betrifft die Notwendigkeit des Umladens von der Normalbahn auf die schmalspurigen Wagen. Gewiss bedingt dieser Umlad einerseits Kosten, anderseits Verlängerung der Lieferfristen. Allein auch hier laufen arge Übertreibungen unter. Je länger die auf dem Schmalspurnetz zu durchlaufenden Strecken sind, je weniger macht sich der Nachteil des Umladens geltend. Was die Koster,: anbelangt, so beträgt die Umladegebühr nach dem Reglement und Tarif für den Bezug von Nebengebühren vom 1. Mai 1910 5 Cts. per 100 kg, also Fr. 5 per Wagenladung von 10 t ; meistens werden aber nur Fr. 3. 70 bis Fr. 4 für das Umladen eines Wagens ausgegeben. Wirtschaftlich stellt sich die Frage so: Werden für das Umladen dei1 Güter die Kosten höher als die Zinsen der Mehrkosten der Normalbahn gegenüber denjenigen der Schmalspurbahn?

Bei dem vorhandenen Güterverkehr der Brünigbahn ist diese Frage bald beantwortet, denn die Zinsen der Baukostendifferenz betragen ein Vielfaches der Umladekosten.

Nun ist zuzugeben, dass es Güter gibt, welche einen Unilad schlecht vertragen ; allein solche sind in der Minderzahl. Um aber auch diesem Einwand begegnen zu können, wurden bei vielen Schmalspurbahnen die Transporte von Normalwagen auf Rollschemel eingeführt. Auch die Bundesbahnen habet, eine solche Anlage vorgesehen und hierfür eine Summe von Fr. 100,000 in den Voranschlag aufgenommen. Wenn auch diese Transportart keine ideale genannt werden kann, wird sie doch mit Vorteil verwendet, wenn die Natur der Güter ein Umladen erschwert und die Distanz nicht zu gross ist.

Diese Rollschemel sollten so konstruiert werden, dass sie eine Führung mit allen Zügen gestatten, damit besondere Güterzüge ausfallen können. Unter der Annahme, dass das Gewicht des Rollschemels gleich demjenigen des Schmalspurwagens ist, beträgt die Vermehrung der toten Last 7 t per Wagenladung von lO t, d. h. es ist das Gewicht des Normalgüterwagens als Mehrgewicht zu rechnen. Der Rollwiderstand der Schemel ist

409 ein erhöhter und kann zu 10 kg per Tonne angenommen werden.

Dieser Rollwiderstand verursacht einen höhern Kohlenkonsum.

Ferner kommen dazu die Kosten des Auf- und Abbringens der Normalbahnwagen, die sich auf Fr. 2. 40 per Wagen stellen, ferner die Wagenmiete, so dass sich der Rollschemeltransport finanziell schlechter stellt als der Umlad, sobald die Transportdistanz grösser ist als 10 km. Dagegen stellen sich die Betriebskosten der Schmalspur im allgemeinen etwas niedriger als diejenigen der Normalspur mit Rücksicht auf das etwas günstigere Verhältnis zwischen toter und zahlender Last und den kleinem Verzinsungs- und Amortisationskosten des Rollmaterials. Eine genaue Vergleichung zweier ähnlicher Zugskompositionen ergibt für eine jährliche Leistung von 145,000 Zugskilometern auf der Strecke Interlaken-Meiringen, reduziert auf die nämliche Zahl Sitzplätze, eine Ersparnis von rund Fr. 24,000.

Endlich wird der Normalspur auch noch die Zeitersparnisins Haben gebracht. Dieselbe beträgt für die in Frage kommende Strecke Interlaken-Meiringen bei der vorgesehenen Bahnanlage höchstens eine Viertelstunde und ist für eine Touristenbahn irrelevant.

Von den Bundesbahnen wird mit vollem Recht ein weiterer Umstand gegen die Änderung des Bundesgesetzes von 1907 angeführt. Es betrifft dies die Verzögerung in der Fertigstellung der in voller Arbeit befindlichen Strecke Interlaken-Brienz. Nicht nur müssen die gesetzlichen Fristen abgewartet werden, es müssen auch die Pläne für die Linie Brienz-Meiringen, sowie für die Stationen Brienz und Meiringen und die Änderungen an der Brienzerseebahn ausgearbeitet, aufgelegt und genehmigt, sowie das Expropriationsverfahren durchgeführt werden, Umstände, die die Fertigstellung der Bahn um allermindestens 2 Jahre verzögern müssen und eine bedeutende Einbusse an Bauzinsen darstellen.

Als weiterer Vorteil der Normalbahn wird endlich noch angeführt, dass durch dieselbe die richtige Lösung der Bahnhoffrage in Interlaken ermöglicht werde. Es ist dies insoweit richtig, als dadurch eine Einführung der Brienzerseebahnzüge in den Westbahnhof erleichtert würde. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass diese Einführung den Umbau der Strecke Interlaken-Ost bis Westbahnhof, den Ersatz der viel zu schwachen Aarebrücken und die Adaptierung des Westbahnhofes zur Voraussetzung hat.
Damit wäre aber noch keine vollständige Sanierung der Verkehrsverhältnisse im Bödeli erreicht, denn hierzu bedarf es noch ganz anderer Vorkehren, als nur die Normalisierung der Brienzer-

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seebahn. Es liegt nicht in der Aufgabe unseres Gutachtens, sich hierüber weiter auszulassen ; man braucht übrigens nur den Geschäftsbericht der Thunerseebahn pro 1912, Seiten 10, 11 und 12, nachzulesen, um die Schwierigkeiten einer Lösung zu verstehen.

Im übrigen haben wir die vollendete Überzeugung, dass der Streit um die Spurfrage der Brienzerseebahn sofort ausklingcn würde, wenn eine solche Lösung gefunden werden könnte, welche die Führung der Züge der Brienzerseebahn und der Berner Oberlandbahnen in den Westbahnhof gestatten würde.

Aus den oben entwickelten Gründen muss für die Brienzerseebahn an der Schmalspur festgehalten werden. Dazu kommen aber noch schwerwiegende Gründe finanzieller Natur, die wir im zweiten Abschnitt dieses Gutachtens näher untersuchen wollen.

II. Die Kostenfrage.

Von den Motionsstellern und ebenso in der Eingabe der oberländischen Gemeinden vom 7. Mary, 1913 wird behauptet, dass der Voranschlag der Bundesbahnen für die Normalisierung der Strecke Intarlaken-Brienz-Meiringen offensichtlich übersetzt und nur in der Absicht aufgestellt worden sei, diese Normalisierung als zu kostspielig und deshalb undurchführbar erscheinen zu lassen. Dabei wird auch an die im Jahre 1903 von der Thunerseebahn vorgenommenen Studien für eine Normalbahn nach Meiringen erinnert. Zur nähern Untersuchung der Kostenfrage lagen uns die bezüglichen Voranschläge der Bundesìbahnen vor, und ein Augenschein orientierte uns über einige S'pezialfragen, welche bei der Kostenberechnung in Betracht fallen.

Was die Preise des Voranschlages der im Bau begriffenen Brienzerseebahn anbelangt, so wurden dieselben darch die im verflossenen Jahre erfolgte Ausschreibung der Arbeiten kontrolliert. Die erste Ausschreibung ergab wesentlich höhere Preise für die Ausführung, so dass eine zweite Ausschreibung beschlossen wurde. Dieselbe ergab für das 1. und 2. Los noch immer eine Überschreitung des Voranschlages um Fr. 310,000, während das 3. Los um die Voranschlagssumme vergeben werden konnte.

Sämtliche Preise des Voranschlages liegen wesentlich niedriger als diejenigen bei der Lötschbergbahn und bei Münster-Grenchen.

Wenn daher gestützt auf diese Erfahrungen beim Voranschlag für den Umbau auf Normalspur einzelne Preise gegenüber dem frühern Devis erhöht wurden, so muss diese Erhöhung als Aus-

411 fluss einer durchaus berechtigten Vorsicht bezeichnet werden.

In betreff der Preise muss also der Vorwurf, die Voranschläge der Bundesbahnen seien übersetzt, als durchaus h a l t l o s und v o l l s t ä n d i g u n b e g r ü n d e t zurückgewiesen werden.

Es könnte sich also nur darum handeln, ob allenfalls von den Bundesbahnen Arbeiten in den Voranschlag aufgenommen wurden, welche als zu weitgehend und zurzeit nicht notwendig betrachtet werden müssen. Allein auch ein solcher Vorwurf wäre unberechtigt, denn gerade bei Stationsanlagen, und um solche handelt es sich hauptsächlich, werden heutzutage vom Publikum und von den Behörden sehr hohe Anforderungen gestellt, die eben alle wieder in erhöhten Auslagen zum Ausdruck gelangen.

Nun sind es die Voranschläge für die Stationen Brienz und Meiringen, bei denen die grössten Differenzen in der Berechnung der Kosten zutage treten. Anderseits beruhen die Angaben der Interpellanten vielfach auf dem Voranschlag der Thunerseebalin von 1903, an einigen Stellen sogar nur auf Schätzungen. In nachstehender Zusammenstellung geben wir die Differenzen wieder, welche zwischen den Parteigängern für Normalspur und den Organen der Bundesbahnen betreffend die Voranschläge für Normalisierung herrschen.

Motionssteiler Fr.

1.

2.

3.

4.

Normalisierung der Brienzerseebahn Umbau Station Brienz . . . .

Umbau Brienz-Meiringen . . .

Umbau Station Meiringen . . .

170,000 250,000 430,000 640,000

S. B. B.

Fr.

1,120,000 1,100,000 1,000,000 2,200,000

1,490,000 5,420,000 Die gesamte Differenz beträgt somit Fr. 3,930,000.

Hierzu ist zu bemerken, dass der Posten für die Station Briensi von den Motionsstellern eigentlich nur für den Fall aufgenommen wurde, dass die Normal bahn in Brienz endigen würde ; dass der Posten Umbau der Strecke Brienz-Meiringen von den schweizerischen Bundesbahnen in Wirklichkeit zu Fr. 200,000 höher veranschlagt wurde und nur für den Fall Geltung hat, dass eine erweiterte Eindeckung der Einschnitte beim Glissi- und Lammbach nicht notwendig werde. Nach dem vorgenommenen Augenschein wird aber diese weitere Einwölbung erforderlich sein, will man die Bahn an der dortigen gefährlichen Stelle gegen jede Eventualität schützen. Gleichwohl setzen wir den Posten ohne diese Erhöhung ein. An obiger Differenz wären Bundesblatt. 65. Jahrg. Bd. IV.

31

412

im Falle der Normalisierung noch in Abzug zu bringen für Installationen, die in Wegfall kämen : a. für die Rollschemelanlage Fr. 100,000 &. für die Station Interlaken-Ost . . . . ,, 220,000 zusammen Fr. 320,000 so dass die Differenz noch betragen würde . . Fr. 3,930,000 ., 320,000 zusammen Fr. 3,610,000 und der Gesamtvoranschlag der schweizerischen Bundesbahnen auf Fr. 5,100,000 lautet.

Gehen wir die einzelnen Posten im Detail durch, so können wir folgende Bemerkungen machen : Adi. Die Motionsteller devisieren für Dammerweiterungen Fr. 20,00(> für Brücken Verstärkungen ,, 150,000 zusammen wie oben Fr. 170,000 während die Bundesbahnen folgenden Voranschlag aufstellen : Expropriation Fr. 30,600 Unterbau ,, 429,500 Oberbau ,, 177,70a Hochbau ,, J,100" Telegraph, Signale etc ,, 86,100 zusammen für Arbeiten Fr. 725,000 Hierzu kommen noch : 5 °/o Organisations- und Verwaltungskosten . . ,, 3ti,000 Verzinsung des Baukapitals für 2 J /a Jahre Bauzeit ,, 39,000 zusammen

ÏY. 800,000

Ferner berechnen die Bundesbahnen noch einen Zinsenbetrag für die bisherigen Bauausgaben und Expropriationen im Betrage von vier Millionen für die durch die Normalisierung entstehende Verzögerung. Es ergibt dies für zwei Jahre à 4 °/o berechnet einen Betrag von Fr. 320,000, und die Gesamtsumme stellt sich somit auf Fr. 1,1-20,000.

Der Posten für Expropriation ist mit Rücksicht auf den vermehrten Landbedarf, besonders für die Zwischenstationen, selbstverständlich. Die erhöhten Unterbaukosten beziehen sich auf:

413 a.

b.

ß.

d.

die Vermehrung der Erdarbeiter!, die Vermehrung des Mauerwerkes, die Vermehrung der Beschotterung, die Verstärkung der eisernen Brücken.

Im Posten O b e r b a u ist die Vermehrung der Kosten für Normalbahnschwellen, für den Mehrbedarf infolge der Stationsvergrösserung und für die teurem Normalweichen enthalten. Der H o c h b a u partizipiert einzig mit den Kosten für die Erhöhung der Rampenmauern.

T e l e g r a p h und S i g n a l e . In diesem Posten zeigt sich hauptsächlich die Vermehrung infolge der Annahme einer vollständig zentralisierten Weichenstellung mit den Verriegelungen und den Rückmeldesignalen. Auf dem Voranschlag der schweizerischen Bundesbahnen können folgende Reduktionen eintreten : O b e r b a u . Hier wird ein Mehrbetrag von Fr. 6 per Laufmeter G-eleise für die Verwendung von Normalbahnschwellen berechnet, eine Erhöhung von Fr. 4 per Meter genügt aber vollständig. Es ergibt dies eine Reduktion von rund Fr. 30,000.

Für Organisations- und Verwaltungskosten darf man annehmen, dass mit der Erhöhung der Bausumme auch der prozentuale Betrag etwas zurückgeht. Wir nehmen hierfür als Reduktion in Aussicht Fr. 10,000. Was den Zuschlag von Bauzinsen im Betrage von Fr. 320,000 anbelangt, so ist derselbe prinzipiell berechtigt, in dieser Höhe aber wohl übersetzt, da heute die vier Millionen noch lange nicht ausgegeben sind. Wir machen hier einen Abstrich von Fr. 80,000, d. h. wir berechnen den Zins von nur drei Millionen während zwei Jahren mit Fr. 240,000.

Es kann somit auf dem Voranschlag der schweizerischen Bundeshahnen für die Normalisierung der Brienzerseebahn ein Betrag von zusammen Fr. 120,000 in Abzug kommen, so dass sich die Gesamtkosten auf Fr. 1,000,000 stellen.

'Umbau der offenen

Strecke Brienz-Meiringen.

Dieselbe ist veranschlagt auf Fr. 1,200,000 mit Überwölbung der Einschnitte beim Glissi- und Lammbach, welche an die betreffenden Tunnels anzuschliessen hätte. Wir haben bereits bemerkt, dass wir diese Einwölbungen für notwendig erachten da aber die schweizerischen Bundesbahnen diesen Mehrbetrag in ihrer Aufstellung weglassen, so wollen wir denselben nur pro memoria anführen.

4H

Der Voranschlag der Thunerseebahn von 1903 betrug hiervon ziehen die Motionssteiler ab

Fr. 860,000 ,, 430,000

verbleiben Fr. 430,000 mit der Motivierung, dass die Erneuerung des Oberbaues dieser Linie sowieso bevorstehe; die Bundesbahnen dagegen stellen folgende Rechnung auf: 1. Unterfahren des Schuttkegels des Glissi- und des Lammbaches, Verbesserung der Krümmung- und der Richtungsverhältnisse km 0--0,930 Fr. 579,000 2. Einlegen eines grössern Bogens bei km 1,473 bis I,7i7 43,000 r, 3. Neue Linienführung vor dem Bahnhof Meiringen km 10,740--I1,eio ,, 56,000 4. Verbreiterung auf Normalspur km 0,930--1,48und km I,7i7--10,740 ,, 116,000 5. Neuer Oberbau, abzüglich des Wertes des abzubrechenden Oberbaues ,, 291,000 6. Telegraph und Verschiedenes ,, 15,000 7. Organisations- und Verwaltungskosten . . ,, 55,000 8. Verzinsung des Baukapitals ,, 45,000 oder mit der Reduktion beim Lammbach verbleiben

Fr. 1,200,000 ,, 200,000 Fr. 1,000,000

Dieser Voranschlag kann nach keiner Richtung reduziert werden. Wie schon bemerkt, halten wir dafür, dass für diesen Umbau die höhere Summe eingestellt werden sollte. Die Motionssteller haben, wie wir oben gesehen, Fr. 430,000 abgezogen mit der Begründung, der Oberbau müsse sowieso erneuert werden.

Die Erneuerung ist allerdings bevorstehend. Abgesehen davon, dass solche sukzessive erfolgt und aus dem Erneuerungsfonds bezahlt wird, so ist der gemachte Abzug viel zu hoch, da der von den schweizerischen Bundesbahnen eingesetzte Betrag nach Abzug des Altmaterials nur Fr. 291,000 beträgt. Lässt man also die verschiedene Klassifizierung betreffend die Ausgaben ausser Betracht, so könnte höchstens ein Betrag von Fr. 291,000 in Rechnung fallen. Die übrigen Ansätze sind normale und können nicht beanstandet werden.

415 Umbau und Enveiterung der Station Brienz.

Das Projekt hierfür ist von den Bundesbahnen unter der Annahme aufgestellt worden, dass auch Brienz-Meiringen normalisiert, d. h. dass Brienz nicht Umschlagstation werde. Die Raumverhältnisse der Station Brienz sind äusserst beschränkte. Eingekeilt zwischen See und Staatsstrasse, welch letztere bereits am Bergabhang eingeschnitten, lässt sich eine Flächenvermehrung nur mit ausserordentlichen Kosten erreichen. Das Projekt sieht eine Verlegung des Aufnahmegebäudes um zirka 80 m in der Richtung gegen Meiringen vor, eine Planumerweiterung gegen den See und die Erstellung einer Parallellände für die Schiffe gegenüber dem Aufnahmegebäude, sowie die Erstellung eines Perrons längs dem See. Das Projekt bedingt einen kostbaren Landerwerb und die Beseitigung mehrerer Gebäude.

Der Voranschlag lautet: Organisations- und Verwaltungskosten . . . . Fr. 51,000 Verzinsung des Baukapitals ,, 43,000 Expropriation ,, 160,000 Unterbau ,, 420,000 Oberbau ,, 80,000 Hochbau ,, 270,000 Telegraph, Signale etc ,, 70,000 Mobiliar und Gerätschaften ,, 6,000 zusammen

Fr. 1,100,000

Es lassen sich auch hier keine irgendwie erheblichen Ersparnisse erzielen. Mit Rücksicht auf das oben Gesagte erscheint der Posten für Expropriation keineswegs übersetzt; für die Preise der Unterbauarbeiten haben wir bereits allgemein deren Berechtigung nachgewiesen. Auch das alte Projekt der Thunerseebahn sah eine Verschiebung der Station gegen Meiringen vor, wobei der Abbruch von Gebäuden noch in vermehrtem Masse notwendig wurde. Dagegen war die Verbreiterung gegen den See reduziert und die Anlage eines besondern Landungsplatzes für die Dampfschiffe nicht vorgesehen. Nachdem aber die Distanz von der bestehenden Lände zum Aufnahmegebäude um 80 m vermehrt wurde, erscheint die Anordnung der schweizerischen Bundesbahnen als durchaus gerechtfertigt.

Für die Kosten des Umbaues der Station Brienz ist eigentlich von den Motionsstellern nur für den Fall, dass Brienz Umschlagstation werde, ein Posten angenommen. Es müsste in

416 diesem Falle sowohl für die Normalspur, als auch für die Schmalspur Platz geschaffen werden, bei den gegebenen Verhältnissen eine Aufgabe, die nur mit ganz ausserordentlichen Kosten zu lösen wäre und den obigen Ansatz um das Mehrfache übersteigen würde.

Umbau der Station Meningen in eine Umschlagstation für Normal- und Schmalspur.

Sowohl das Projekt der Thunerseebahn als dasjenige der Bundesbahnen seien eine Verschiebung der Bahnhofanlagen nach Südwesten vor, da ein Belassen am alten Platze mit Rücksicht auf den wesentlich vermehrten Raumbedarf und die Aufrechterhaltung dos Betriebes während dem Umbau sich als untuulich erweist. Das Projekt wurde ferner aufgestellt unter Beibehaltung dor bestehenden Werkstätten, welche allerdings einer bessern Disposition der ganzen Anlage hindernd im Wege stehen. Aus dem ganzen Projekte geht die unbestreitbare Tatsache hervor, dass eine solche Umschlagstation eine Ausdehnung erfordert, die naturgemäss ihren Ausdruck in den sehr erheblichen Baukosten findet.

Der Voranschlag der schweizerischen Bundesbahnen beträgt : Organisations- u n d Verwaltungskosten . . . . Fi'.

90,000 Verzinsung des Baukapitals 80,000 Grunderwerb .

' 460,000 Y) 300,000 Oberbau 360,000 Hochbau 780,000 fì Telegraph, Signale etc 120,000 T) Mobiliar u n d Gerätschaften . . . .

. .

10,000 zusammen

FJ-. 2,200,000

Die beiden ersten Posten sind normale Ansätze. Der finden Grunderwerb eingesetzte Betrag kann mit Rücksicht auf dio zu erwerbende Fläche von 71,000 m 3 , auf die abzubrechenden Gebäude und die auftretenden Inkonvenienzen nicht beanstandet werden. Was die Preise für die Unterbauarbeiten anbelangt, so gilt das frühet 1 Gesagte auch hier, mit Ausnahme des Postens für Beschotterung, auf welchem eine Reduktion von Fr. 30,000 Platz greifen kann. Der Oberbau zeigt normale Preise, beim Hochbau ist mit Rücksicht auf die heutigen Anforderungen keine Reduktion möglich, und der Ansatz für Telegraph und Signale

417

wind in der Hauptsache durch die zentralen Weichen- und Signalstellvorrichtungen absorbiert. An der Gesamtsumme darf jedoch ein weiterer Abzug gemacht werden von Fr. 70,000 für den Wert des durch die Verlegung des Bahnhofes frei werdenden Terrains.

Der Gesamtvoranschlag für die Bahnhofanlage in Meiringen kann daher im ganzen um Fr. 30,000 und ,, 70,000 zusammen Fr. 100,000 reduziert werden und stellt sich somit auf Fr. 2,100,000.

Im Voranschlag der Thunerseebahn von 1903 war für den Umbau der Station Meiringen eine Summe von Fr. 1,140,000 eingesetzt. Hiervon haben die Motionssteller den Betrag von Fr. 500,000 mit der Begründung in Abzug gebracht, dass die neue Anlage dem zunehmenden Verkehr viel länger genügen werde als der gegenwärtige Bestand. Sie hätten mit der nämlichen Begründung gleich die ganze Summe in Abzug bringen können. Gewiss wird die bestehende Bahnhofanlage in Meiringen mit der Vermehrung des ßrünigverkehrs Ergänzungen und Erweiterungen bedürfen, allein solche können sukzessive, dem Bedürfnisse angepasst und ausgeführt werden und bilden kein auf Jahre hinaus unfruchtbar angelegtes Kapital.

Es stellen sich somit die Voranschläge wie folgt : S. B. B.

Reduz. Devis

1. Normalisierung der Brienzerseebahn . .

2. Station Brienz . .

3. Umbau Brienz-Meiringen 4. Station Meiringen .

Motionssteller

Fr.

170,000 250,000

Fr.

1,120,000 1,100,000

Fr.

1,000,000 1,100,000

430,000 640,000

1,000,000 2,200,000

709,000 2,100,000

zusammen

1,490,000

5,420,000

4,909,000

Dabei sind die Fr. 291,000 für den neuen Oberbau der Strecke Brienz-Meiringen abgezogen, die Vermehrung der Kosten für die Einwölbung des Glissi- und Lammbaches mit Fr. 200,000 aber nicht aufgenommen.

Die Differenz zwischen dem Voranschlag der Motionssteller und dem reduzierten Devis beträgt .aber immer noch Fr. 4,909,000 ,, 1,490,000 zusammen

Fr. 3,419,000

418

Obige reduzierte Kostensumme zusammen mit dem Voranschlag für die schmalspurige Brienzerseebahn ergibt somit einen Aufwand von Fr. 4,909,000 ,, 7,175,000 zusammen wozu noch in Abzug kommen für Rollschemel und Anlagen in Interlaken-Ost

Fr. 12,084,000 ,,

320,000

Fr. 11,764,000 Herr Ingenieur Dr. Dietler, gewesener Direktionspräsident der Gotthardbahn, kommt in seinen beiden Gutachten vom Jahre 1913 zu dem Schluss, dass die bestehenden Bauverträge mit den Unternehmern der Lose l, 2 und 3 ohne weiteres au.ch auf die normalspurige Ausführung übertragen werden könnten.

Wenn auch zuzugeben ist, dass für die offene Linie der Übergang auf Normalspur ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist, so kann doch nicht das nämliche für die Ausführung der Zwischenstationen und deren Einfahrten behauptet werden.

Hier müssten neue Projekte angefertigt werden, deren Aufstellung, Genehmigung und öffentliche Auflage bedeutende Fristea erfordert.

Die Arbeiten müssten unterdessen eingestellt und für diese Anlagen neue Verträge vereinbart werden, wobei die Unternehmer gegenüber der Verwaltung sichtbar im Vorteile wären und kaum ermangeln würden, die Situation zu ihren Gunsten auszunützen.

In betreff des Voranschlages der Thunerseebahn schlägt Herr Dr. Dietler vor, für die notwendigen Ergänzungen und die seit 10 Jahren eingetretenen Preiserhöhungen einen Zuschlag von 50°/o zu machen, und kommt so zu einer Totakiumme von Fr. 4,200,000.

Es beträgt somit die Differenz zwischen dem Voranschlag der schweizerischen Bundesbahnen noch . . . Fr. 1,220,000 dem reduzierten Voranschlag noch ,, 709,000 respektive nach Abzug von Fr. 320,000 für Rollschemelanlage und Arbeiten in Interlaken-Ost noch Fr. 900,000 bezw. 389,000.

Es muss aber bemerkt werden, dass gegenüber den detaillierten Rechnungen der Bundesbahnen eine blosse Einschätzung nicht standhält.

Zum Schlüsse kommen wir noch auf die von den Bundesbahnen gemachte Aufstellung der Kostenbeträge für die Normali-

419sierung der Brünigbahn von Meiringen bis Luzern zu sprechen.

Es wurden dabei zwei Varianten aufgestellt: 1. Unter Beibehaltung der gegenwärtigen Linienführung.

2. Unter der Annahme des Ersatzes der ßergstrecke durch: einen Basistunnel.

Wir vermögen jedoch den Vorteil des Umbaues der Bergstrecke mit Zahnstangenoberbau auf Normalspur nicht einzusehenund halten dafür, dass es sich bei einer Normalisierung der Brünigbahn nur um eine solche mit ßasistunnel handeln kann.

Für diesen existieren drei Varianten : 1 . Brienz-Giswil . . . . Länge 12,5 k m 2. Brienzwiler-Giswil . . .

,, 9,s ,, 3. Meiringen-Giswil . . .

,, ll,o ,, Der Voranschlag für die Strecke Luzern-Giswil beträgt: 1. Offene Strecke samt Umbau der Stationen 25,5 km à Fr. 320,000 Fr. 8,160,000 2. Tunnels 2194 km à Fr. 1200 . . . . ,, 2,633,0003. Umbauten in Luzern ., 2,000,000 4. Unvorhergesehenes ,, 207,000* Fr. 13,000,000 Es müsste nämlich die bestehende Linie mit Rücksieht auf die vielen Kurven von 150 m Radius und die kurzen Zwischengrade sowie der lange Lopperbergtunnel vollständig umgebaut werden, so dass die Normalisierung einer Neuerstellung gleichkäme.

Die Kosten der drei Basistunnels sind berechnet: 1. G-iswil-Brienz 19,5 Millionen 2. G-iswil-Brienzwiler . . . 15,o ,, 3. Giswil-Meiringen . ...

17,6 ,, Es wäre somit das Projekt Giswil-Brienzwiler das billigste; dasselbe hat aber den Nachteil, dass damit Meiringen abgefahren und ein durchaus unrentabler Betrieb des Teilstückes nach dieser Ortschaft organisiert werden müsste.

Gestützt auf die Erfahrungen am Lötschberg und bei Münster-Lengnau muss aber der Preis von Fr. 1500 per Meter für einen Tunnel von 9,6 km Länge oder mehr als zu niedrig bezeichnet werden. Ein Preis von Fr. 1800 erseheint hier als der richtige und würde einer mittleren Mauerungstype entsprechen.

420

Unter Einführung dieses Preises kostet der Basistunnel GiswilMeiringen : Tunnel 11 km à Fr. 1,800,000 . . . . Fr. 19,000,000 Offene Strecke ,, 690,000 Unvorhergesehenes ,, 310,000 zusammen Strecke Giswü-Luzern . . Fr. 13,000,000 Strecke Meirinaen-Interlaken ,, 11,764,000

Fr. 20,800,000 ,, 24,764,000

Die Gesamtkosten inklusive Brienzerseebahn betragen somit

Fr. 45,564,000

Betrag, der von den Bundesbahnen zu verzinsen und zu amortisieren wäre.

Schlussfolgerungen.

Eine Normalisierung der ganzen Brünigbahn von InterlakenOst bis Luzern ist in a b s e h b a r e r Zeit mit Rücksicht auf die hierzu notwendigen sehr grossen Aufwendungen a u s g e schlossen.

Die N o t w e n d i g k e i t dieser Normalisierung lässt sieh weder aus den gegenwärtigen Bedürfnissen, noch aus; der Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der bestehenden Schmalspurbahn ableiten.

Sobald aber nicht die ganze Strecke Interlaken-Luzern normalisiert wird, muss an dem durch die Spuränderung bedingten V e r k e h r s b r u c h in I n t e r l a k e n festgehalten werden. Alles, was aus Ost und West nach diesem Fremdenzentrum strömt, steigt auch dort HU kürzerem oder längerem Aufenthalt aus.

Würde dagegen dieser Verkehrsbruch in Meiringcn stattfinden, so wäre nur ein gegenwärtig bestehender Üb«lstand, das Umsteigen der Reisenden, von Brienz nach Meiringen verlegt und der Zweck der Brienzerseebahn, e i n e d i r e k t e V e r b i n d u n g o h n e U m s t e i g e n zwischen Luzern und Interlaken zu schaffen, illusorisch gemacht.

Auch der b e s t e h e n d e G ü t e r v e r k e h r rechtfertigt bezüglich seiner Bedeutung in keiner Weise den Bau der Normalbahn. Er kann von der Schmalspurbahn, sei es durch Umladen, sei es durch Rollschemeltransport, l e i c h t b e w ä l t i g t werden.

O

421

Die B r i e n K e r s e e b a h n w i r d a l s F o r t s e t z u n g d e r B r ü n i g b a h n g e b a u t und ist als solche vorzugsweise T o u r i s t e n b a h n . Es genügt somit eine leistungsfähige Schmalspurbahn dem Zwecke vollständig.

In m i l i t ä r i s c h e r H i n s i c h t wäre wohl eine Normalbahn vorzuziehen, aber auch hier würden die grossen Vorteile nur bei einer vollständigen Normalisierung bis Luzern zur Geltung kommen. Die Schmalspurbahn hat e i n e w e s e n t l i c h höhere L e i s t u n g s f ä h i g k e i t , als von militärischer Seite angenommen: sie steht für den Transport von Fusstruppen nur wenig hinter den Leistungen der Normalbahn zurück.

Die S a n i e r u n g d e r Verkehrsverhältnisse i m Bö d e l i , resp. die richtige Lösung der Bahnhoffrage in Interlaken hängt durchaus n i c h t a l l e i n von der Normalisierung der Brienzerseebahn ab. Die schmalspurigen Linien der Berner Oberlandbahnen fallen ebensosehr in Betracht. Die Frage ist ohne Zweifel eine sehr schwierige und kann nur durch die gemeinsame Arbeit der Bevölkerung, der Behörden und der beteiligten drei Bahngesellschaften und mit bedeutenden Opfern aller Interessenten zu einer richtigen Lösung gebracht werden.

Die Ausgabe aber von beinahe fünf Millionen für die Normalisierung der Strecke Interlaken-Ost bis Meiringen würde sich in k e i n e r Weise r e c h t f e r t i g e n und müsste als ein den Bundesbahnen a u f e r l e g t e s O p f e r betrachtet werden, dem gegenüber die behaupteten Vorteile k e i n Ä q u i v a l e n t b i e t e n .

B e r n , den 25. August 1913.

H. Herzog.

# S T #

Schweizerische Bundesversammlung.

Die zweite Abteilung der ordentlichen Sommersession ist am 11. Oktober 1913 geschlossen worden.

Die Übersicht der Verhandlungen wird als Beilage zum Bundesblatte nächstens erscheinen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Frage der Spurweite der Brienzerseebahn. (Vom 6. Oktober 1913.)

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Jahr

1913

Année Anno Band

4

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41

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421

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.10.1913

Date Data Seite

372-421

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