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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs von Wagner, Gottfried, in Wynigen.

(Vom 3. Oktober 1913.)

Tit.

Wagner, Gottfried, Lehrer in Wynigen, ist mit Fr. 2600 steuerbarem Einkommen zum Militärpflichtersatz pro 1912 eingeschätzt worden,. Sein jährliches Einkommen als Lehrer beträgt Fr. 2130 und dasjenige seiner Ehefrau, welche Lehrerin ist, Fr. 1900. Zum eigenen Gehalte des Rekurrenten wurden noch Fr. 1100 als jährlicher Beitrag der Ehefrau zur Tragung der ehelichen Lasten hinzugerechnet und vom Ganzen die steuerfreien Fr. 600 (Art. 4 des Bundesgesetzes betreffend den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878) abgezogen, was das eingangs angegebene steuerbare Einkommen ergibt. Wagner verlangte hierauf, es sei die Quote vom Einkommen seiner Frau von der Besteuerung auszunehmen. Die Militärdirektion des Kantons Bern wies die Einsprache mit der Begründung ab, dass die Beitragsleistung der Ehefrau an die ehelichen Lasten in die Militärsteueranlage einbezogen werden müsse. Ein Rekurs, den Wagner an den Bundesrat richtete, wurde am 14. Januar 1913 abgewiesen. Unter Berufung auf das Kreisschreiben an die Kantonsregierungen betreffend die Berücksichtigung der güterrechtlichen Verhältnisse bei der Anlage der Militärsteuer vom 20. Dezember 1911 (Bundesbl. 1911, V, 391) ging der Bundesrat von der daselbst erörterten, gefestigten Praxis aus, wonach ein Ersatzpflichtiger für dasjenige Vermögen und Einkommen besteuert wird, auf welches er nach Massgabe desjenigen ehelichen Güterrechts Anspruch besitzt, dem er untersteht. Gemäss den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über die Gütertrennung stehe dem Rekurrenten gegenüber seiner Ehefrau ein Anspruch auf eine angemessene Beitrags Leistung zu, und diese letztere sei demnach in

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die Einkommensbesteuerung aufzunehmen. Die Festsetzung der steuerbaren Quote bleibe dem Ermessen der kantonalen Behörden anheimgestellt.

Rekurrent zieht nun diesen Entscheid des Bundesrates an die Bundesversammlung weiter, da eine Rechtsverletzung vorliege.

Dabei wird der Rechtsstandpunkt vertreten, dass die Ehegatten Wagner, welche vor Inkrafttreten des ZGB keine Erklärung eingereicht haben, dass sie ihre güterrechtlichen Rechtsverhältnisse unter sich dem neuen Rechte unterstellen, nach Art. 9 der Anwendungs- und Einführungsbestimmungen im internen Verhältnis unter bisherigem Güterrecht (Gütereinheit des bernischen Rechts), Dritten gegenüber jedoch unter neuem Rechte (Güterverbindung des ZGB) stehen. Zu den ,,Dritten11 gehöre nun aber jede andere physische oder juristische Person, also auch der Militärsteuerflskus.

Was speziell den Erwerb der Ehefrau anbelangt, so sei dieser kraft Gesetzes Sondergut, und dieses stehe unter den Regeln der Gütertrennung des ZGB. Wenn nun auch gemäss diesen Regeln der Ehemann gegenüber der Frau einen Anspruch auf Beitragsleistung zur Tragung der ehelichen Lasten besitze, so sei doch die Ordnung dieser Beitragsleistung Sache der Eheleute selbst, beziehungsweise im Streitfalle Sache des Richters, auf keinen Fall könnten aber Drittpersonen, speziell hier der Fiskus, diesen Beitrag bestimmen und abschätzen, um eine Grundlage für eine Besteuerung zu erhalten. Es könne niemand dem Manne verwehren, auf besagten Beitrag zu verzichten, und darum sei es unzulässig, dass der Fiskus diesen Anspruch, dessen Gelténdmachung im Belieben des Ersatzpflichtigen liege, zur Militärsteuer heranziehe. Der Ehemann sei überdies der zum Unterhalt der Familie primär Verpflichtete, die Unterhaltspflicht der Ehefrau sei nur sekundär. Es ergebe sich mithin, dass die Praxis des Bundesrates, welche im Kreisschreiben vom 20. Dezember 1911 vertreten wird, unter der Herrschaft des ZGB nicht einfach aufrechterhalten werden könne.

Der Rekurrent stellt das Rechtsbegehren, es seien die Fr. 1100 aus Einkommen seiner Frau von der Besteuerung auszunehmen.

Eventuell: Es sei sein Rekurs in dem Sinne gutzuheissen, dass sein, des Rekurrenten, Beitragsanspruch gegenüber der Ehefrau nur insofern zur Militärsteueranlage beizuziehen sei, als er diesen Anspruch wirklich geltend mache und die Beiträge tätsächlich erhalte.

Entgegen der Ansicht des Rekurrenten ist vor allem an dem im vorerwähnten Kreisschreiben vom 20. Dezember 1911 niederBundesblatt. 65. Jahrg. Bd. IV.

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gelegten Grundsätze festzuhalten, dass die mit der Militärsteueranlage betrauten Behörden nicht ,,Dritte" im Sinne des ZGB sind, dass infolgedessen für sie diejenigen rechtlichen Verhältnisse massgebend sind, wie sie unter den Eheleuten selbst bestehen.

Der Militärsteuerfiskus belastet Vermögen und Einkommen eines Ehemannes nach dem aus dem Güterrechtsverhältnis zur Ehefrau und nicht zu Dritten, z. B. den Gläubigern, gegebenen Zustande.

Es wird daher der Ersatzpflichtige, wie im mehrerwähnten Kreisschreiben ausgeführt ist, je nachdem ihm .gemäss dem internen güterrechtlichen Zustande das Eigentum oder nur die Nutzniessung am Frauengute zusteht, im ersteren Falle für das Vermögen selbst, im letzteren Falle für dessen Ertrag besteuert. Diese Auffassung wird auch in einem durch unser Justiz- und Polizeidepartement in Anbetracht der grundsätzlichen Bedeutung des vorliegenden Rekursfalles von Herrn Prof. Eugen Huber eingeholten Rechtsgutachten vertreten.

Unbestritten ist nun weiter, dass die Eheleute Wagner intern unter der Gütereinheit des altbernischen Rechts, extern unter der Güterverbindung des ZGB stehen. Dies hat zwar an üich keine weitere Bedeutung für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache, da die Sondergutsbestimmungen mit dem Inkrafttreten des ZGB auf alle Ehegatten, ohne Rücksicht auf ihren G-üterstand, Anwendung finden (Schlusstitel Art. 9, Absatz 1) und hier einzig Sondergut in Frage steht. Zum Sondergut gehört nun insbesondere der Erwerb der Ehefrau aus selbständiger Arbeit (Art. 191 ZGB).

Es könnte somit der Rekurrent nicht einfach für den Erwerb seiner Frau, der ihr gehört, besteuert werden. Anderseits trifft aber, weil das Sondergut gemäss Art. 192 ZGB im allgemeinen und namentlich mit Hinsicht auf die Pflicht der Eh«frau, zur Tragung der Lasten der Ehe einen Beitrag zu leisten, unter den Regeln der Gütertrennung steht, Art. 246 ZGB zu, wonach der Ehemann verlangen kann, dass ihm die Ehefrau zur Tragung der ehelichen Lasten einen angemessenen Beitrag leiste. Diese Beitragsleistung ist grundsätzlich in ihrem gesetzlichen. Umfange bei Anlage der Militärsteuer zum steuerbaren Einkommen des Ehemannes anzurechnen.

Es steht also hier keineswegs etwa die Heranziehung eines der Frau gehörenden Vermögensbestandteiles zum Militärpflichtersatz in Frage. Ebensowenig kann es sich für die
Steuerbehörden darum handeln, in Anwendung von Art. 246, Abs. 2, ZGB zu verfügen, welchen Beitrag die Frau dem Manne zu leisten hat; hierzu wären diese Behörden gewiss unzuständig. Vielmehr

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wird ausdrücklich nur der Beitrag der Ehefrau, den ihr Mann bezieht und auf welchen er ein Anrecht hat, in die Militärsteueranlage aufgenommen, ganz gleich wie dies mit den ändern Bestandteilen des Einkommens eines Militärsteuerpflichtigen geschieht.

Dass der Ehemann als Haupt der Familie gemäss Art. 160 ZGB in erster Linie für ihren Unterhalt zu sorgen hat, wie vom Rekurrenten in Begründung seiner Einsprache geltend gemacht wird, soll nicht bestritten werden. Die Ehefrau ist nach Art. 159 und 161 ZGB ihrerseits allgemein verpflichtet, ihren Mann nach Kräften mit Rat und Tat zu unterstützen, und wenn der Mann ausserstande ist, den Unterhalt der Familie aufzubringen, so geht die Unterhaltungspflicht ganz auf sie über (Egger, Komm, zum ZGB ; Gmür, Komm, zum ZGB ; ad Art. 159--161). Diese allgemeine, nicht erst aus dem Güterrechte entstehende Unterstützungspflicht der Ehefrau steht nun aber gar nicht in Frage, indem der Wert der häuslichen Arbeit, welche eine Ehefrau in Unterstützung ihres Mannes zu leisten hat, unter keinen Umständen bei der Militärsteueranlage in die Einkommenstaxation aufgenommen wird. Besteuert wird nur, wie im vorliegenden Rekursfalle, der pekuniäre Beitrag, den eine Ehefrau speziell gemäss güterrechtlichen Vorschriften ihrem Manne zu leisten verpflichtet ist. Diese besondere Beitragspflicht nach Art. 192 und 246 ZGB ist keine subsidiäre und auch nicht, wie beim ersten Blick auf Alinea 2 von Art. 192 vermutet werden könnte, an die Bedingung eines absoluten Erfordernisses geknüpft, sondern sie besteht schlechterdings (Egger, Komm, zum ZGB, Art. 192, spez. Anm. 2, 6). Wenn freilich dem Ersatzpflichtigen .Vermögen der Ehefrau, sei es zu Eigentum, sei es zur Nutzniessung, in einem Masse zur Verfügung stehen sollte, dass er aus den daherigen Erträgnissen in Verbindung mit seinen übrigen Mitteln den Unterhalt der Familie hinlänglich bestreiten kann, so würde die Beitragspflicht der Frau aus Sondergut dahinfallen, und damit auch die Besteuerung eines bezüglichen Beitrages hinfällig werden (Egger, Komm, zum ZGB, Art. 192, Anm. 2, a). Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor; Vermögen oder Ertrag von solchem werden vom Rekurrenten nicht versteuert; die Mittel, welche dem Rekurrenten persönlich zur Verfügung stehen, beschränken sich auf sein Jahreseinkommen als Lehrer, das auf Fr. 2130
angegeben wird.

Unter diesen Verhältnissen durften nun die Militärsteuerbehörden mangels Beweises des Gegenteils annehmen, dass der Rekurrent eine Beitragsleistung zur Tragung der ehelichen Lasten

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in angemessener Höhe, also in dem Umfange tatsächlich beziehe, in welchem er als Ehemann nach dem Gesetz einen rechtlichen Anspruch besitzt, und es erscheint statthaft, diesen Beitrag in das steuerbare Einkommen aufzunehmen. Der Rekurrent halite denn auch keineswegs ausdrücklich bestritten, dass er diesen seinen Anspruch auf den Beitrag der Ehefrau tatsächlich geltend mache, und dass diese einen Beitrag an die Kosten der Haushaltung leiste.

Die Festsetzung der Höhe dieser Beitragsleistung für die Einkommenstaxation ist eine reine Schätzungsfrage, welche als solche von den mit der Militärsteueranlage betrauten kantonalen Behörden endgültig zu beurteilen ist, und auf welche die eidgenössischen Rekursinstanzen nicht weiter einzutreten haben, da von den letztern im staatsrechtlichen Verfahren nur Fragen betreffend Rechtsverletzung zu beurteilen sind. Dass aber im vorliegenden Falle weder eine gesetzliche Bestimmung verletzt worden noch gar, wie vom Rekurrenten auch behauptet wird, eine Rechtsverweigerung erfolgt ist, glauben wir zur Genüge dargelegt zu haben. Im übrigen kann 'füglich gesagt werden, dass die kantonale Rekursinstanz, indem sie ihre Schätzung nach bestem Ermessen vornahm und bei der Festsetzung des steuerbaren Beitrages einen Betrag von etwas mehr als die Hälfte des Einkommens der Ehefrau als den Verhältnissen entsprechend erachtete, die Grenzen des Zulässigen nicht überschritten, d. h.

nicht willkürlich gehandelt hat. Zu einer Aufhebung des Entscheides der kantonalen Rekursinstanz durch den Bund.esrat lag demnach kein Grund vor, und es erscheint nun auch die Anfechtung des bundesärätlichen Entscheides als unbegründet.

Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen, es sei der von G. Wagner erhobene Rekurs abzuweisen.

Genehmigen Si®, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 3. Oktober

1913.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsideat: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

-«-SS*-«-

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