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Gesezentwurf über

Me Auslieferung von Verbrechern oder Augeschuldigten, und Stellung von Zeugen.

{Vom Bundesrathe durchberathen am 3. Juni 1852.)

.Die Bundesversammlung der fchweizetifchen

Eidgenoffenfchaft, in Ausführung des Art. 55 der BundesvErfassung, ,-»nd -nach Einsicht eines Vorschlages des Bundesrathes, beschließt:

I. Allgemeine ©randsa-'je.

Art. 1. Ieder Kanton ist den andern gegenüber .·ttr-öflicltet, die Verhaftung und Auslieferung derjenigen Uerfonen zu gewähren, welche entweder durch EntBeichung den über sie verhängten Strafen sich entzogen laben oder wegen der im Art. 3 bezeichneten Verbrechen oder Vergehen gerichtlich verfolgt werden.

Die Auslieferung von Kantonsangehörigen kann jedoch verweigert werden, wenn der Kanton sich ver* .-Pflichtet, dieselben nach feinen Gesezen beurtheilen und bestrasen zu lassen.

Art. 2. Von diesem Grundsaze sind folgende Fälle ausgenommen : ; a. -Wenn politifche oder Preßvergehen den Gegenstand des Strafurtheils oder der gerichtlichen Verfolgung

bilden; b. wenn ein Kanton die Auslieferung einer nicht bei ihm verbürgerten Perfon verlangt, diefe aber nachweist, daß die Klage nach den Gefezen ihrer · Heimath oder des Kantons, in welchem sie er* griffen wurde, verjährt fei.

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Art. 3. Die Verbrechen und Vergehen, wegen deren die Auslieferung nach obigen Grundsäzen gestattet wer# den muß, sind folgende :

Alle Arten von Mord und ...Eodtung.

Brandstiftung.

Nothzucht, Blutschande, widernatürliche Wollust, (Sodomie), Bigamie.

Abtreibung, Aussezung.

Menschenraub, Entführung, Nöthigung, widerrecht-» liches Gefangenhalten, SSerlezung des Hausrechts.

Meineid, falfches Zeugniß, falfche Verzeigung.

Raub, Erpressung, Diebftahl, Unterfchlagung, ftäl* schung, Betrug, betrüglicher Bankerott, böswillige Eigen-* thnmsschädigung.

Unterdrükung des Familienstandes, Anmaßung eines fremden Familienstandes.

Bestechung, Amtserfchleichung.

Mißbrauch der Amtsgewalt, Anmaßung der Amtsgewalt.

Körperverlezung.

Uebertretung des Bannissements.

Art. 4. Wenn in einem Kanton entdekt wird, daß eine Perfon in einem andern Kanton ein Verbrechen begangen habe, so ist diefelbe, sofern es nicht fchon aus andern Gründen geschah, zu verhaften und dem leztern ihre Auslieferung anzutragen.

Art. 5. Ist diefelbe Perfon mehrerer in verfchie* denen Kantonen verübter Verbrechen angeschuldigt, so hat die Beurtheilung und Bestrafung diefer fämmtlichen Verbrechen in demjenigen Kantone zu erfolgen, unter .dessen Botmäßigkeit das schwerste jener Verbrechen ver* übt würbe. Ist eine Verständigung unter jenen Kan* tonen nicht möglich, fo entscheidet darüber der Bundes*

484 rath. Die Führung der Unterfuchung über die geringern Verbrechen darf, sofern nicht Gefahr im Verznge ist, »on den Behörden des ausliefernden Kantons beendigt .werden.

Art. 6. Wenn die Urheber eines und desselben Verbrechens verschiedenen Kantonen angehören, so hat die Untersuchung und Beurtheilung in demjenigen Kauton zu erfolgen, welcher zuerst Untersuchung einleitete »der bei gleichzeitigem Eingreisen, welcher die Untersuchung schon am weitesten durchgeführt hat, und es find demselben die andern Kantonen angehorigen Miturheber und Gehilfen (mit Vorbehalt der Bestimmungen des

.Art. 2) auszuliefern.

Art. 7. Wohnt der nachherige Begünstiger eines Verbrechens in einem andern .als dem Kanton, wo dasselbe verübt wurde und zur Bestrafung kommt, so find die Behörden des leztern, sofern sie dessen Auslieferung nicht verlangen, verpflichtet, den Behörden des ersten Kantons nach stattgehabter Aburtheilung der Urheber

die Akten mitzutheilen.

Art. 8. Den ausgelieferten Angeschuldigten dürfen während der Dauer der Unterfuchung keinerlei Seiden »der Schmerzen zugefügt werden, in der Abficht, ein ©eftändniß dadurch zu erpressen.

Art. 9. Mit den Angeschuldigten find auch alle bei ihnen vorgefundenen Wahrzeichen, fo wie die noch in natura vorhandenen Objekte des Verbrechens, z. B. ge« jtohlene Effekten, auszuliefern.

Wenn die leztern im Befize von dritten Personen ·find, welche deren Herausgabe verweigern, so ist gegen ·-·fie nach den Gesezen ihres Landes zu verfahren; doch follen gestohlene oder geraubte Effekten in allen -gällen

485 den 6igenthümern nnbefchwert zugesprochen und verabfolgt werden, wobei den Besizern derfelben ihre Regreßrechte vorbehalten bleiben.

11. Verfahren bei der Auslieferung.

Art. 10. Wenn die kompetente Gerichts- oder Polizeibehorde eines Kantons unter Mittheilung des Signalements einen flüchtigen Verbrecher oder Angeschuldigten zur Fahndung ausschreibt, fo find die Polizeibehörden und Beamten aller Kantone verpflichtet, denfelben im galle der Betretung vorläufig zu verhaften und der requirirenden Behörde fofort Kenntniß davon zu geben.

Art. 11. Zugleich ist dem Verhafteten zu eroffnen, daß, von wem und warum er ausschrieben, sei und derselbe zu befragen, ob er gegen die Auslieferung (Sinsprache erhebe oder nicht. Im ersten Falle tritt das nachfolgende Verfahren ein, im leztern kann er sofort ausgeliefert werden.

Art. 12. Nach erhaltener Anzeige der Verhaftung und der Einsprache des Verhafteten gegen die Auslieferung ist an die Regierung des Kantons, in welchem die Verhaftung statt fand, ein Auslieferungsgesuch zu richteu, welches mit den Bestimmungen dieses Gesezes motivirt werden soll. Dem Gesuche ist ein Urtheil oder Arrestbefehl beizulegen. Diese Urkunde oder das Aus* lieferungsbegchren foll enthalten : a. Die Dualifikation der fraglichen Handlungen des Angefchuldigteu nach der vorhandenen Aktenlage;

b. das Zeugniß, daß gegen denfelben nach den Gesezen des requirirendrn Kantons hinreichende Ver# dachtsgründe vorliegen, «m eine strafrechtliche Untersuchung zu rechtfertigen.

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Art. 13. Wird die Auslieferung verweigert, fo steht «s der requirirenden Regierung frei, die Entscheidung des Bundesrathes anzurufen. Gegen die leztere kann hinwieder an die gefezgebenden Räthe der Bundesverfammlung rekurrirt werden. Diese Rekurse haben suspensive Wirkung ; es ist jedoch die Kantonsregierung, .welche den Angeschuldigten verhaften ließ, verpflichtet, gegen die Entweichung desselben angemessene Sicherheitsmaßregeln anzuordnen.

Art. 14. Je nach der definitiven Entscheidung hat die eine oder andere Kantonsregierung die allfällig inzwischen erlaufenen Verhaftskofjen zu tragen. Wird für die Verweigerung der Auslieferung entschieden und mußte der Angefchuldigte nicht aus andern Gründen verhaftet bleiben, so kann die reqnirirende Regierung auch zu einer Entschädigung an denselben verhalten werden. Ueber das Eintreten und den Umfang derfelben urtheiln die den Rekurs erledigende Bundesbehörde, unter Berükfichtigung der Gefeze oder Uebungen des Kantons, in welchem der Verhaft statt fand.

Art. 15.. Wenn der Auslieferung nichts entgegenfleht, fo haben fich die Polizeibehörden der betreffenden Kantone über deren Ausführung zu verständigen.

Art. 16. Die dazwifchen liegenden Kantone sind verpflichtet, den Transport der Ausgelieferten durch ihr Gebiet zu gestatten und nöthigenfalls dem Transportsührer polizeiliche Hitfe z« verfchaffen, oder auch aus 'Ansuchen den Transport durch ihr Gebiet selbst ausführen zu lassen. In beiden Fällen hat der Transportsührer bei der Gränzbehörde fich zu stellen, um entweder seinen Transportbefehl vifiren zulassen oder den Trans.Portaten zu weiterer Beförderung abzugeben.

48T Art. 17. Die sämmtlichen Verhafts- und Transportkosten find von der requirirenden Kantonsregierung zu tragen, bezwhungsweife zu vergüten. Sie werden auf folgende Weife berechnet: 1) Für den Unterhalt eines Gefangenen im Verhaft oder auf dem Transport täglich l Fr., alles inbegriffen ; 2) für die Aufnahme desfelben in einem Arrestlokal über Nacht 50 Rappen; 3) sür den Transportführer per Tag der Hin- und Herreise 3 gr., per halben Tag 1'/2 Fr.

Art. 18. Sind wegen befondercr Umstände noch andere Transportmittel nothwendig, fo werden dieselben besonders bezahlt. Dagegen find keine weiteren Gebühren zu entrichten für Verhöre, Skripturen aller Art und Ein- und Austhürrnung.

Art. 19. Haben die Behörden des requirirenden Kantons eine Belohnung auf Einbringung einer bestimmten Person gesezt, so soll dieselbe ausgerichtet werden, auch wenn die Verhaftung außer dem Kanton stattgefunden hat.

Art. 20. Wird die Auslieferung eines Verbrechers, der schon früher aus anderen Gründen verhaftet wurde, einem Kanton angetragen, fo hat dieser, falls er die Auslieferung annimmt, die Verhaftskoften nur vom Tage jenes Anerbietens an zu vergüten.

Art. 21. Durch dieses Gesez, das sofort in Kraft tritt, wird das Konkordat vom 8. Inni 1809 (bestätigt den 18. Iuli 1818) aufgehoben, mit Ausnahme der

Art. 6, 7, 8,9, 19 und 20.

Der Bundesrath ist mit der Vollziehung beauftragt

488 Alfo den gesezgebenden Räthen der Eidgenossenschaft vorzulegen beschlossen, B e r n , den S.Iuni 1852.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes: (Folgen die Unterfchriften.

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Gesezentwurf, betreffend

die Entschädigung der im eidgenössischen Militärdienste Verunglükten oder ihrer Angehörigen.

(Vom Bundesrathe durchberathen am 5. Juni 1852.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenosfenfchaft, in weiterer Ausführung des Art. 101 des Bundesgesezes über die Militärorganisation; nach Einsicht des Vorschlages des Bundesrathes,

b e sch l i e ß t : rster |ibsd)nitt.

18on den Bedingungen und det Art nnd ©roße der Entschädigungen.

*».

I.

Von den Jnvaltden.

§. 1. Wer im eidgenossischen Militärdienste, im Kampfe mit dem Feinde verwundet oder verstümmelt wird, ist zu einer durch den Bund zu leistenden Ent#

fchädigung berechtigt.

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Gesezentwurf über die Auslieferung von Verbrechern oder Angeschuldigten, und Stellung von Zeugen. {Vom Bundesrathe durchberathen am 3. Juni 1852.)

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1852

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30.06.1852

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482-488

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