#ST#

Schweizerisches

ti' v e w< «p §.> ci \ lu Jahrgang IV. Band I.

Mro- 1O.

Samstag, den 28. Februar 1852.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis füt Das Iahr 1852 Im ganzen Umfa-nge 6er Schweiz p o r t o f r e i Frkn. 4. 40 Centimen. Inserate sind f r a n k i r t an die Expedition einzusenden. Gebühr 15 Centimen per Zeile oder deren Raum.

# S T #

Bericht des

schweizerischen Bundesrathes an Herrn- Oberst B a r m a n , schweiz. Geschäftsträger in Paris, die Flüchtlingsangelegenheite betreffend.

(Vom 13. Februar 1852.)

Tit.!

Jn Folge fortdauernder Anschuldigungen über die Anwesenheit und das angebliche Treiben politischer Flüchtlinge in der Schweiz, sehen wir uns veranlaßt, über diese Angelegenheit einen Bericht zu Jhrer Kenntniß zu bringen.

Wir sezen dabei voraus, daß Sie bereits dasjenige kennen, was im Berichte des Bundesrathes an die Bundesverfammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1850 unter dem Titel ,,Politifches .Departement" über diese Slngelegenheit enthalten ist, so wie wir uns auch aus den Bundesbla« Jahrg. IV. Bd. I.

16

146 gedruften Spezialbericht vom 28. Februar 1851 über den

damaligen Stand der Flüchtlingsangelegenheit hiemit ausdrüflich beziehen, so daß es lediglich unsere Aufgabe ist, den weitern Verlauf der Sache zu beleuchten.

Gerade in jenem Zeitpunkte (Ende Februar 1851) trat diefe Angelegenheit in ein neues Stadium. Theils in Folge der verminderten Anzahl von Flüchtlingen, theils in Folge eines Anerbietens der französischen Regierung, dieselben auf ihre Kosten nach England oder Amerika führen z« lassen, fanden wir den Moment für geeignet, die im frühern Bericht erwähnte und durch die damaligen

Umstände abgenöthigte obligatorifche Zutheilung der Flücht-

linge an die einzelnen Kan-tone aufzuheben und denfelben, jedoch immerhin unter Wahrung unserer Oberaufsicht und der durch Art. 57 der Bundesverfassung bezeichneten Rechte, gänzlich anheimzustellen, ob und in welchem Umfange sie für gut sinden, den Flüchtlingen den weitern Aufenthalt zu gestatten. Durch diefe Maßregel wurden die Kantone veranlaßt, den Flüchtlingen den weitern Aufenthalt ent* weder gar nicht oder nur unter gleich bedeutenden Kautionen zu gestatten. Diefer Umstand, fo wie das ober« wähnte Anerbieten Frankreichs hatte eine bedeutende Abnahme der Flüchtlinge zur Folge. Gegen Ende des Juni wurden die Kantone durch Kreisfchreiben ersucht, einen neuen Etat der noch vorhandenen Flüchtlinge einzugeben.

Die hierauf gegründete Generalkontrole weist eine Anzahl von 235 nach, welche in 17 Kantonen vertheilt sind. Hinsichtlich ihrer Herkunft stehen sie in folgendem Verhältnisse: Es sind 93 Badenser, 10 Bayern, 11 Oestrn eicher, 30 Preußen, 9 Würtemberger,

147 Es sind 24 Sachsen, 5 Hessen, 12 Polen, V 17 Franzofen, 24 Italiener.

Diese Zahl kann sich seither durch Entfernung einzelner noch vermindert haben, mag aber immerhin noch annähernd-

richtig sein. Es ergibt sich also, daß seit dem lezten Berichte die Zahl der Flüchtlinge um mehr als die Hälste herabgesunken ist. Auch in diesem Jahre haben wir dasfrühere Verfahren eingehalten, das Verhalten derselben nach beßten Kräften überwacht, beim Eingang von Befchwerden genaue Untersuchung erheben lassen, theils durch Prüfung der Berichte, theils durch Abhörung von Zeugen,und wo es nothvtendig und gerechtfertigt schien, fogardurch Beschlagnahme und Untersuchung der Papiere.- So oft sich in Folge solcher Untersuchungen die Beschwerden gegründet zeigten, erfolgte entweder die Ausweisung oder eine andere geeignete Maßregel; wenn sich aber bei der Un-

Versuchung nichts herausstellte, so wurde der Betreffende in seinem Asyl weiter geschüzt. Auf diese Weife glaubten wir die den Flüchtlingen gewährte Aufnahme mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen stets und vollständig in Einklang zu bringen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß nicht selten auswärtige Regierungen durch Berichte, welche sie über die Anwesenheit oder das Ver-.

halten von Flüchtlingen erhielten, gänzlich irre gefuhrt wurden und Beschwerden erhoben, welche die genauestc Untersuchung als durchaus unbegründet darstellte. Wir wären im Falle, schlagende Beispiele hierüber anzuführen.

Jm Uebrigen glauben wir erwähnen zu sollen, daß mit Ausnahme der Großherzoglich-Badischen Regierung, welche wegen der Nähe ihres Territoriums und wegen der größern

" 148 Anzahl badensischer Flüchtlinge, sich, bisweilen zu Beschwerden gegen Einzelne derselben und zu Begehren um deren größere Jnternirnng oder Ausweisung veranlaßt sand, »on andern deutschen Staaten beinahe keine Beschwerde einkam. So ist namentlich weder von Preußen, noch von Bayern, noch von Würtemberg, noch von,Sachsen, noch »on Hessen irgend eine Beschwerde oder ein Begehren in.

glüchtlingssachen gestellt worden. Von Oesterreich wurde im-Juni v. J., in Bezug ans einen einzigen in Zürich domizilirten Flüchtling,-der-als Agent der Demagogen in .London betrachtet wurde, das Gesuch gestellt, daß derselbe einer strengern Behandlung unterzogen und wo möglich aus der Schweiz entfernt werde. Es ergab sich aber aus einer Beschlagnahme und Untersuchung seiner SchrisJen, daß jene Vermuthung- nicht begründet war, und: daß.

der Betreffende vielmehr jede Theilnahme an den politischeu Umtrieben feiner Korrespondenten verweigert hatte. > Weberdieß gab ihm die betreffende Polizeidirektion das

Zeugniß, daß er von den übrigen Flüchtlingen möglichst, zurükgezogen lebe und mit großem Fleiße den medizinischen Studien obliege, nach deren Abfolvirung er sofort die ·Schweiz verlassen werde. Unter diesen Umstanden war gewiß kein Grund vorhanden-, demfelben das Asyl zur -..Bollendung feiner Studien zu verweigern; und eben; fo

«.·enig ein Grund zü Besorgnissen für irgend welchen andern Staat. Seit jener Zeit ist auch von Oesterreich.

ïeine weitere Beschwerde eingelangt.

Es ist überdieß schon im Frühling des Jahres 1851 sriihern Beschwerden dieses Staates, in Bezug auf den.

Kanton Tessin, alle mögliche Rechnung getragen worden, indem damals ein eidgenössischer Kommissär dahin abgeordnet wurde, um sich zu überzeugen, ob den frühern Beschlüssen der Bundesbehorden über die, italienischen

. 149 Flüchtlinge gehörige Rechnung getragen worden fei und um nötigenfalls die geeigneten Verfügungen zu erlassen.

Diefer Kommissär hat seine Aufgabe mit Umsicht und Energie erfüllt und diese Angelegenheit geordnet, so daß nach Vollziehung der Verfügungen, die er bei seiner Abreise noch angeordnet hatte, keine Beschwerde mehr einkam.

Wir gehen noch über .zu'den französischen Flüchtlingen und verweisen auch hier zunächst aus den Bericht vorn 28. Februar 1851. Die sortgesezte Anwesenheit Einzelner derselben bestätigte immer, daß die Gerüchte über größere Massen von Flüchtlingen, womit Genf angefüllt sei, und die dort angeblich konspiriren,1 durchaus unbegründet oder jedenfalls höchst übertrieben seien, wenn es auch immer als möglich zugegeben wurde, daß in einer so volks- und ·verkehrsreichen Stadt, die an der Gränze von drei Staaten

liegt, sich eine Anzahl Individuen ohne gehörige Ausweisschriften einige Zeit aufhalten können. Für die Richtigkeit unserer Behauptung müssen wir besonders auch solgende Thatfache anführen : Nachdem von unserer Seite auf nähere Bezeichnung der eingeklagten Beschwerden war -'gedrungen worden, wurde uns durch die französische Gesandtschast 'ein Verzeichniß von 50 bis 60 französischen Flüchtlingen, die angeblich in Genf sich aufhalten, unter ·Bezeichnung ihrer Wohnung mitgetheilt. Eine solche An'gabe mußte um so erwünschter fein, da sie die Möglichkeit einer gehörigen Untersuchung herausstellte. Eine solche fand dann auch von Hans zu Haus statt und es ergab sich, da£ die gemachten Angaben durchaus unrichtig waren, indem die bezeichneten Personen entweder überall nicht dort oder'keine Flüchtlinge waren, sondern Fremde, mit Ausweieschriften versehen. Nur einige konnten als polifische Flüchtling"« betrachtet werden, waren aber keine Franzosen. Ein ähnliches Schiksal hatte eine zweite redu-

150 zirte Liste. So zeigte es sich, auf welche Weise die sranzösischen Behörden durch unzuverlässige Berichterstatter getäuscht wurden. Wir haben bereits gezeigt, wie nnbedeutend die Zahl der sranzösischen Flüchtlinge überhaupt war und brauchen wohl kaum beizufügen, daß uns keinerlei Beweise über Umtriebe oder Konspirationen derselben vorgelegt wurden, indem wir sonst nicht ermangelt hätten, auch ohne Begehren von uns aus einzuschreiten. Uebrigens ist wohl zu beachten, daß die sranzösische Gesandtschaft damals nicht die Ausweisung, sondern die Jnter-

nirung der wirklich und angeblich in Genf und Waadt vorhandenen Flüchtlinge verlangt hat; ein Begehren, dem so weit möglich entsprochen wurde. Diese Maßregel der Jnternirung hatte nun zur Folge, daß 17 sranzösische

Flüchtlinge im März 1851 öffentlich dagegen protestine«

und der Bundesbehörde Troz entgegensezten. Aus diesem Grunde wurden sie durch Dekret vom 24. März aus der Schweiz weggewiefen und dieser Beschluß wurde so wert möglich vollzogen. Jm Lause des Sommers mußte die Mehrzahl derselben die Schweiz verlassen und es ist auch förmlich konstatirt, daß dieselben nach England oder Amerika abgereist sind und Belgien passirt haben. Einigen · dagegen gelang es allerdings, ihren damaligen Aufenthalt heimlich zu verlassen, fo daß nicht bestimmt nachgewiesen werden kann, ob und wie lange sie noch in der Schweiz · verweilten; immerhin aber war deren Aussuchung durch die Polizei vorgeschrieben. Das war also die Sachlage .mit Beginn des Dezembers 1851; d. h. alles, was geklagt : werden konnte, bestand darin, daß einige wenige Flücht: linge, welche nicht etwa wegen politischer Umtriebe, sondern wegen-Troz gegen die Bnndesbehörde ausgewiesen -waren, möglicherweise aber jedensalls in der tiefsten Verfcorgcnheit und Zurükgezogenheit in der Schweiz fein konn-

151 ten. Von andern Beschwerden und andern Begehren war seit längerer Zeit keine Rede mehr. Die Ereignisse des 2. Dezembers hatten nun zur Folge, daß am 5. Dezember 7 französische Flüchtlinge, worunter 5 der bereits ausgewiefenen sich in Lausanne znsammensanden und einen Aufruf an das französische Volk zu bewaffneter Erhebung verfaßten und druken ließen.

Obwol es augenscheinlich ist, daß dieser Schritt nicht auf einem prämeditirten Komplott, fondern auf dem plözlichen Eindruke der großen Tagesereignisse beruhte, und obwol jener Aufruf nicht publizirt wurde, mithin ein

bloßes Projekt blieb, fo haben wir gleichwol, fobald derselbe zu unserer Kenntniß kam, die Ausweisung der Unterzeichner beschlossen, ehe irgend ein solches Begehren von Seite Frankreichs gestellt wurde. Auch dieser Beschluß ist größtentheils vollzogen, indem fünf von den Unterzeichnern die Schweiz verlassen haben und auf die zwei andern,

·die noch nicht entdekt sind, polizeiliche Acht bestellt ist.

Es ist daher auch hier freiwillig alles gethan worden,

was irgend verlangt werden kann. Bekannt ist sodann, -daß unter dem Eindruk der Ereignisse jener Tage, in Genf eine Anzahl Fremder sich versammelte, um zu berathen, ob sie sich an denfelben betheiligen wollen; es ist -aber auch bekannt, daß der Chef der dortigen Polizei ·energisch gegen folche Tendenzen auftrat und ihnen jede Unternehmung der Art vom schweizerischen Gebiete aus · untersagte. Es wird nun gleichwol davon gesprochen, daß mehrere Flüchtlinge über Anglesort nach Frankreich cinge-

drungen und theilweife verhaftet worden seien. Wir besizen hierüber keine aktengemäßen Beweise und wissen nicht, ob diese Personen, die jedenfalls von Savoyen und nicht von der Schweiz ans Frankreich betraten, vorher auch in lezterm Lande zusammenkamen; allein wäre dem

152 · auch so, fo scheint es uns jedenfalls höchst unbillig, einen Vorwurf gegen die Schweiz daraus herzuleiten ; denn ein ·vorübergehendes Zusammentreffen von Fremden-in bevölkerten Gränzstädten, und zumal unter dem Eindi.uk und aus Veranlassung solcher Ereignisse, wird nie ganz zu vermeiden fein. Jn folchen Zeitpunkten kann es eben überall Ungefezlichkeiten geben, für die man gerechterweife weder Behörden noch Volk verantwortlich machen kann. So haben ja zu jener Zeit in manchen Departementen Frankreichs, troz gutem Willen der Behörden, troz bedeutender

militärischer und polizeilicher Hilfsmittel, Aufstände sich gebildet, ohne daß es Jemandem einfallen wird, den Staat hiefür folidarisch verantwortlich zn erklären.

Seit dem Dezember-1851 hat sich in der Schweiz gar nichts zugetragen, das irgendwie Frankreich oder einen andern Staat hätte beunruhigen können; auch sind von keiner Seite her irgend welche Begehren oder Beschwerden eingekommen, ausgenommen, daß die französische Gesandtschaft einem Franzosen, Michel, seine Ausweisschriften entzog und dessen Wegweisung verlangte. Nachdem sich aus einer hierüber .gepflogenen Untersuchung ergeben, daß derselbe als Fremder auf arge ..Weife.mit ber schweizerischen Presse Mißbrauch getrieben und fein Verhalten das Asyl, auf welches er angewiesen .war, keineswegs rechtfertigen würde, wurde er ans der Schweiz weggewiesen.

So verhält sich die Flüchtlingsangelegei.heit in der Schweiz. Es wird jeder Unbefangene sich überzeugen, daß die Gerüchte und Anschuldigungen, welche hierüber

genährt und unterhalten werden, grundlos sind, :daß wemtgcr als'je ein Vorwand zu Besorgnissen und Beschwerden ·vorhanden fei, und daß die JBundeabehörde es sich stets ..zur ernsten Pflicht macht, jedem Mißbrauche des Asyls

153

unaufgefordert oder aus-Beschwerde hin entgegen zu treten.

Wir haben zum Schlüsse Ihnen nur noch mitzutheilen, ,.daß wir -zwei eidgenössische Kommissäre in den Herren Dr. K e r n , Regierungspräsident aus dem Kanton Thurgau, und J. T r o g , Gerichtspräsident aus dem Kanton · Solothurn, ernannt und aufgestellt haben, um in Ballen Kantonen, wo sie es für zwefmäßig erachten, dafür zu forgen, daß die Beschlüsse über die Flüchtlingspolizei vollständig und energisch gehandhabt werden, und um einem

allfälligen Andrang neuer Flüchtlinge entgegen zu treten und künftige Mißbräuche des Asyls möglichst abzuwenden.

Jndem wir Sie -ersuchen, im Jnteresse der Wahrheit von diesem Berichte überall, wo Sie es für angemessen finden, Gebrauch zu machen, -benuzen wir diesen Anlaß u. s. w. u. s. w.

B e r n , den 13. Februar 1852.

Jm Namen des schweiz. Bundesrathes.

(Folgen die Unterschriften.)

# S T #

Aus den Verhandlungen des schweizerischen ,-Bundesrathes.

(Vom 20. Februar ''1852.)

Der Bundesrath hat, auf den Vorschlag seines Mili-tar.departements, die 'Abhaltung der dießjährigen Wiederholungskurse sür das Genie, die Artillerie und die Kavallene auf nachfolgende Weife angeordnet, -jedoch das Militärdepartement ermächtigt, .allfällig nöthig werdende Abänderungen zu treffen und die Kommandanten zu bestellen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweizerischen Bundesrathes an Herrn Oberst Barman, schweiz.

Geschäftsträger in Paris, die Flüchtlingsangelegenheit betreffend. (Vom 13. Februar 1852.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1852

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

10

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.02.1852

Date Data Seite

145-153

Page Pagina Ref. No

10 000 831

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.