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Botschaft des

schweizerischen Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung zum Gesezentwurf über das Bundesstrafrecht.

(Vom 1. Juli 1852.)

..cit.!

Wir haben hiemit die Ehre, Ihnen den Entwurf eines Gesezes, betreffend das Bundesstrafrecht, vorzulegen. Dieses Gesez, mit welchem nun der Kreis der legislatorischen Arbeiten, die sich auf die Bundesjustij beziehen, geschlossen werden wird, hätte eigentlich seiner SRatur nach der Strafprozeßordnung vorangehen und mit derselben gerade so, wie das Strafgesezbuch für die eidgenöffifchen Truppen ein Ganzes bilden sollen, welches unter dem Titel : " Gesez, betreffend die Bundesstrafrechtspflege", in zwei Theile zerfallen wäre, von denen der erste ,,die Verbrechen und Vergehen", der zweite ,,das Verfahren" behandelt haben würde. Allein die .Lösung der fraglichen Aufgabe ist fowol durch die mit derselben verbundenen innern Schwierigkeiten, als auch

582 durch mancherlei zufällige äußere Hindernisse einiger* maßen verzögert worden. Auch können wir nicht verfchweigen, daß fataler Weise der Erperte, welchem ursprünglich die Abfassung des Entwurfes aufgetragen worden war, durch anderweitige Geschäfte an der Ausführung der Arbeit fich gehindert fah, weßhalb dann zu einer Zeit, zu welcher der Zusammentritt der Bundesversammlung bereits nahe bevor stand, ein anderer Redaktor zugezogen werden mußte, welchem die sür die Ausarbeitung eines solchen Gesezes wünschbar.... Muße nicht mehr verg&nnt werden konnte.

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen.

Die fieben Titel dieses Abschnittes find größtentheils wörtlich dem Militärfirafgesezbuche enthoben worden.

Wir können uns daher zur Erläuterung derselben aus sehr wenige Bemerkungen beschränken..

Die Frage, ob und in wie weit die Strafgeseze auch auf Handlungen, welche auf erhalb des Staatsgebietes verübt werden, Anwendung finden können und sollen, wird zur Zeit noch sehr verschieden beantwortet. So z. B. läßt die Gcsezgebung des Kantons Bern, in Uebereinstimmung mit den frühern Vorschriften der franzöfischen Strafprozeßordnung, Verbrechen, welche außerhalb des Kantonsgebietes verübt worden find, nur unter der 'Voraussezung, daß entweder fowol der Schuldige als der Geschädigte Kantonsbürger seien, oder daß eine Unternehmung gegen die Sicherheit des Staates oder eine Verfälschung der umlaufenden Staatsmünzen oder Staatspapiere oder des Staatsfiegels in grage fiehe.

583 durch die bernenschcn ©crichtc nach bernerifchem Strafrechte untersuchen und beurtheilen. Dagegen dehnt das zürcherifche Strafgefez, in welchem die deutfche Anschauungsweise vorherrscht, seine Wirksamkeit aus alle Verbrechen aus, welche außerhalb des Kantons entweder von einem Kantonsbürger begangen, oder gegen den Kanton oder einen Angehörigen desselben verübt werDen. Wie bekannt, ist neulich auch der sranzöfische Code in diesem Sinne umgeändert worden, was dann das englische Ministerium veranlaßt hat, einen zwischen England und Frankreich unter Vorbehalt der Ratifikation abgeschlossenen Auslieferungsvertrag, welcher bereits dem Parlamente vorgelegt war, wieder zurükzuziehen. Ohne uns irgendwie auf diefe Streitfrage einzulassen, glauben wir doch mit Zuverficht behaupten zu können, daß bei dem beschränkten Umfange und der befondern Natur der Bundesstrafgefezgebung der erste Artikel des Entwurfes dem praktischen Bedürfnisse vollkommen genüge und daß eine Erweiterung der darin enthaltenen Vorfchriften nicht nur keinen Vortheil gewähren, fondern vielmehr zu Verlegen* heiteu führen würde.

Daß wir in dem Strafsyfteme auch den Geldbußen einen Plaz angewiesen haben, bedarf wol kaum einer Rechtfertigung. Diefelben kommen zwar in dem eidgenöffifchen Militäreodex nicht vor; dagegen spielen fie in den meisten bürgerlichen Strafgefezen der Kantone fowol als des Auslandes eine bedeutende Rolle. Namentlich weisen wir darauf hin, daß in den Bundesgesezen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche wir so viel als möglich zu Rathe gezogen haben, neben den Freiheitsstrafen immer auch eine Geldbuße, und zwar neben zehnjährigem Gefängnisse regelmäßig eine Geldbüße von 10,000 .Dollars, neben siebenjährigem Ge#

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fängnisse eine solche von 5000 Dollars u. s. f. angedroht wird.

Beim ersten Anblife könnte es auffallen, daß im Art. 33 des Entwurfes von der Verjährung der Todesstrafe die Rede ist, während diese Strafe im Gefeze fich nirgends findet. Wir müssen aber daran erinnern, daß die Bundesasfifen vermöge der Art. 9, 79 und 80 in den Fall kommen können, gemeine Verbrechen nach dem Strafrechte der Kantone zu beurtheilen und in dieser Stellung auch die Todesstrafe auszusprechen.

Zweiter Abschnitt.

<ßr|ter OEttel.

V e r b r e c h e n gegen d i e ä u ß e r e S i c h e r h e i t d e r Sibgenofseuschaft.

Nach den meisten Gesezgebungen trifft denjenigen, welcher die Waffen gegen sein Vaterland trägt, der Tod.

Wir halten diese Strenge für vollkommen gerechtfertigt.

Wenn wir dessen ungeachtet vorschlagen, das fragliche Verbrechen bloß mit Zuchthaus von wenigstens zehn Jahren bis auf Lebenszeit zu bedrohen, so leitet uns hiebei die Rückficht auf den Art. 54 der Bundesversassung. Die politischen Verbrechen find zwar nirgends definirt und es könnte fich fragen, ob Handlungen, welche die äußere Sicherheit eines Staates gefährden, fich unter diesen Begriff unterordnen lassen, oder ob derselbe nicht vielmehr auf die rechtswidrige Betheiligung bei inneren Wirren und Zerwürfnissen (zu beschränken sei.

Im Zweifel scheint uns aber die mildere Anficht um so mehr den Vorzug zu verdienen, da es gewiß rathsam ist, auch den bloßen Schein einer Verlezung der Bundesverfassung zu meiden.

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Das Verbot eines jeden durch die Bundesbehörden nicht ausdrüklich autorifirten diplomatifchen Verkehrs mit fremden Regierungen und ihren Agenten (Art. 40) haben wir der Bundesgesezgebung der Vereinigten Staaten von Nordamerika entlehnt. Ohne gerade ein sehr großes Gewicht auf die dießsällige Strafandrohung zu legen, halten wir doch dafür, daß dieselbe durchaus angemessen sei. Solche Korrespondenzen, welche hinter dem Rüken der Bundesbehörden gepflogen werden, können der Eidgenossenschaft fehr nachtheilig sein , ohne gerade unter den Begriff des Landesverrathes (Art. 36) zu fallen. Die Anwendung der Strafe des Landesverrathes wäre in solchen gällen oft eben fo wenig am Plaze, als ganzliche Straflösigkeit und es wird die in dem Art. 40 des Entwurfes enthaltene Vorschrift namentlich da aushelfen, wo Verhandlungen mit dem Auslande in offenbar übelwollender Gesinnung stattgefunden haben, ohne daß die verrätherifche Abficht klar an den Tag getreten wäre.

Emetter Sitel.

Verbrechen gegen fremde Staaten.

Die Handlungen, welche durch die Art. 41--43 vorgesehen werden, wirken nach zwei Seiten hin. Es liegt in denselben nicht bloß eine Kränkung des betreffenden fremden Staates, fondern fie können mittelbar die Eidgenossenschaft in bedeutenden Schaden und Nachtheil versezen. Damit daher nicht unter dem Unverstände oder dem bösen Willen Einzelner A l l e zu leiden haben, ist es durchaus nothoeendig, Verlczungen des Völkerrechtes, durch welche das gute Vernehmen zwischen der Schweiz und dem Auslande gestört werden könnte, mit Strafe

586 zu bedrohen. Aehnliche Vorschriften finden sich auch in manchen Kantonalgesezen (z. B. in §§. 98--103 des waadtländischen Strafgesezes), so wie in den meisten fremden Gesezgebungen.

«Dritter -...Sud.

Verb rechen gegen die v e r f a s s u n g s m ä ß i g e Oxd* nung und g e g e n die i n n e r e Sicherheit.

Die Art. 44 -- 52 scheinen uns feiner Erläuterung zu bedürfen. Es enthalten dieselben Bestimmungen, welche überall zum Schuze der staatlichen Einrichtungen für nothwendig erachtet werden, deren Aufstellung daher auch dem Bunde kaum bestritten werden kann.

Politische Verbrechen, welche bloß eine kontonale Bedeutung haben, werden durch die Gerichte des betreffenden Kantons und nach den Gesezen desselben beurtheilt.

Sobald aber eine bewassnete eidgenössische Intervention ncthwendig wird , somit die Ereignisse, welche ein solches Einschreiten veranlassen, den Charakter einer Bundesangelegenheit annehmen, so gehen die dießfälligcn Besugnisse »on den Kantonalgerichten an das eidgenöffische Assisengericht über und das Recht, Amnestie oder Begnadigung auszusprechen, wird durch die Bundesversammlung ausgeübt. Die klare Vorschrift des Art. 104 der Bundesverfassung läßt hierüber nicht dem mindesten Zweifel Raum. Dagegen ist die Frage, ob in folchen gällen das Strafgesez des Bundes oder dasjenige des betreffenden Kantons zur Anwendung komme, nirgends ausdrüklich beantwortet. Wir erklären uns aber unbedenklich für das erster« und erbliken in der Vorschrift des Art. 53 des Entwurfes nichts anderes als eine nothwendige Konsequenz des im Art. 104 der Bundesversassung niedergelegten Grundsazes.

587, IHertîr ®ütl.

Verbrechen dex Bundesbeamten.

Während die einen Gesezgebungen ganz allgemein jede abfichtlich oder aus gahrläsfigkeit begangene Ver* lezung der Amtspflicht mit Strafe bedrohen, bemühen fich die andern mit einer gewissen Aengfilichkeit, alle, gedenkbaren Richtungen, in welchen dieses Verbrechen vorkommen kann, erschöpfend aufzuzählen und zu definiren. Wir haben uns zwifchen diesen beiden Metho* den in der Mitte zu halten und deren Vortheile mit einander zu verbinden gesucht, indem wir zwar die, hauptsächlichsten Fälle der Verlezung der Amtspflicht beispielsweise speziell herausheben, daneben aber überdieß anch die abstrakte Bezeichnung des Verbrechens beibehalten.

Was die gemeinen Verbrechen betrifft, deren fich ein Beamter schuldig machen kann (Unterschlagung anvertrauter Gelder, Fälschung von Urkunden, Erpressung u. dgl.),, so können dieselben füglich nach den Gefezen des Kan* tons, in welchem die Verübung des Verbrechens statt* gefunden hat, beurtheilt werden.

«fünfter ®itel.

Verbrechen gegen die Bundesbeamten.

Daß der Bund seinen Behörden den gleichen Schuz angedeihen lassen dürfe und folle, welchen fast alle Kantone ihren Beamten gewähren, wird wol nicht bestritten werden. Dagegen wird man vielleicht die Fassung des Art. 59, fo wie diejenige des Art. 43 allzu unbestimmt finden. Wir halten es aber für unmöglich, Ehrver* lezungen auf völlig befriedigende Weife zu definire«.

Bundesblatt, Iahrg. IV. Bd. II.

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S88

Jn England und Amerika wird als charakteristische..?

Merkmal einer Schmähschrift angegeben, daß fie darauf ·Berechnet sein müsse, den Angegriffenen verhaßt, ver* Schtlich oder lächerlich zu machen. (Das amerikamische Bundesgesez vom 14. Iuli 1798 z. B. bedroht diejenigen, welche eine Schmähschrift gegen die Regierung oder gegen den Präfidenten oder gegen eine .Wr beiden Kammern der Vereinigten Staaten veröffentlichen, with intent to defame thern or lo bring thè ni or eilher of thern into contempi or disrepute oi' to excite against thcni or either of thern thè hatred ·of thè good people of thè United States mit Gefängniß bis auf zwei Iahre und mit einer Geldbuße lis auf 2000 Dollars.) Eine ähnliche Definition ent* hält das Gesezbuch des Kantons Waadt (§. 263. Celui qui impute méchamment à autrui. · . des faits de nature à exposer celui contre lequel ils sont articulés à des poursuites pénales, ou même au mépris ou à la haine de ses concitoyens). Sonst bedient man fich in der franzosischen Sprache auch einfach der Ausdrüke outrage, insulte u. dgl., um eine Ehrverlezung zu bezeichnen.

(Gefez des Kantons Waadt, §. 100: Celui qui, par des actes outrageons commis en public, insulte un souverain ou un gouvernement étranger, etc. granSöfifches Gesez §. 224: L'outrage fait par paroles, .gestes ou menaces, etc.) Wir halten es für durchaus unbedenklich, eben diefe einfache Ausdruksweise anzuwenden und haben uns deßwegen des Wortes Bef c h i m p f n n g bedient. Denn, welcher Umfchreibungen man fich auch immer bedienen mag, so kommt am Ende doch immer Alles darauf an, welchen Eindruk eine Aeußerung auf die öffentliche Meinung hervorzubringen geeignet sei, und diese grage müssen die Geschwornw

rein nach ihrem Gefühle beurtheilen, indem alle Regeln,,, welche man ihnen au die Hand geben würde, fie jedenfalls nicht binden, möglicher Weise aber verwirren könnten.

Auch scheint es uns angemessen, im Art. 60 neben den, ·öffentlichen B e f c h i m p f u n g e n noch der Verleum-s dungen, die gerne im Stillen schleichen, zu gedenken.

' , S-echster fcit-et.

V e r m i s c h t e B e st i m m u n g e n .

Wenn wir unter diesem Titel die Münzverbrechen, nicht zur Sprache bringen, ungeachtet das IMünzregal gegenwärtig dem Bunde zusteht, so haben uns hiebei: zwei verschiedene Motive geleitet. Einmal ist das Strafrecht der Kantone mit Beziehung auf die Münzfälfchung; und den Münzbetrug fehr strenge und wird auch überall mit dem gehörigen Ernste gehandhabt, so daß die Re# pression dieser Verbrechen durch ein Eingreifen der Bun# desjustiz, die im Ganzen weit milder ist, als die Rechtspflege der Kantone, kaum gefördert werden könnte. So# dann fürchten wir zweitens, daß die Bundeskasse allzusehr mit Kosten belastet werden würde, wenn die Eidgenossenschaft die Vollziehung der langwierigen Frei.heitsstrafen, welche in dergleichen gar nicht felteneit gällen gewöhnlich eintreten, zu übernehmen hätte. Auch besteht zwischen den Münzverbrechen und dem Münz.* regale in der Regel keinerlei Beziehung. Ob die in Umlauf gefezten falschen Münzen unter dem eidgenössischen oder unter einem fremden Gevräge verfertigt worden seien, hat auf den Charakter des Verbrechens keinen ·Sinsluß. In beiden Fällen erscheint nicht der Staat, dessen Münzen nachgeahmt worden find, sondern da$ Publikum, welches dieselben an Zahlungsstatt angcnommern.

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jhat, als geschädigt. Einzig, wenn schweizerische Billonoder Bronzemünzen so geschikt nachgeahmt würden, daß fie fich von den entsprechenden echten Sorten gar nicht unterscheiden ließen, würde der Schaden auf den Bund zurükfallen , der dann auch gestüzt auf Art. 78 litt, c zum Einschreiten berechtigt wäre.

Ganz anders verhält es sich mit den in den Art. 68 bis 70 vorgesehenen Handlungen. Es fehlt in dieser Richtung in den Kantonen fast überall an Strafbeiiim* mungen, und doch springt das Bedürfniß eines dießfälligen Schuzes für den Bund sowol als für das Publikum in die Augen. Die Befugniß der Bundesversammlung, solche Vorschriften zu erlassen, kann nach den Artikeln 106 und 107 der Bundesverfassung nicht wol bezweifelt werden.

.Sub.mtó ®.tel.

V o n b e n V e r b r e c h e n , w e l c h e m i t t e l s d e x Dxuker* presse oder auf ähnliche Weise v e r ü b t werden.

Nach dem Art. 45 der Bundesverfassung steht dem .-Bunde das Recht zu, Strafbeftimmungen gegen den Mißbrauch der Presse zu erlassen, der gegen die Eidgenossenschaft und ihre Behörden gerichtet ist. Bei Abfassung des vorliegenden Entwurfes haben wir das Beispiel derjenigen ©efezgebungen befolgt, welche keine Rüksicht darauf nehmen , ob ein Verbrechen durch mündliche oder schriftliche Aenßerungen oder durch das Mittel der Drukerpresse verübt worden fei. Dagegen ist es allerdings nothwendig, für den leztern Fall das Verhaltniß der Verantwortlichkeit zu ordnen. Nach allge# meinen Rechtsgrundfäzen würden neben d-em Verfasser einer unter ein Strafgesez fallenden Drukfchrift auch

5.)i der Herausgeber, der Verleger und der Druker als Mitschuldige erscheinen. Es ist aber durchaus kein praktifches Bedürfniß vorhanden , eine solche Strenge walten zu lassen, sondern es genügt durchaus, wenn auch nur eine dieser Personen verantwortlich gemacht werden kann und die übrigen bloß in subfidium hasten. Was die Reihenfolge betrifft, in welcher die Verantwortlichkeit stattzufinden hat, so scheint uns der Vorschlag des Ent* wurfes der Natur des Verhältnisses durchaus angemessen zu fein. Dabei versteht es sich von felbst, daß nicht eine beliebige Person als Verfasser einer Drukschrift vorgefchoben werden darf, um den wirklichen Verfasser oder den Herausgeber u. f. f. zu deken, daß .vielmehr die Anklage, fobald es fich herausstellt, daß eine solche Intrigue stattgefunden hat, gegen den wirklichen Verfasser oder wenn derfelbe nicht bekannt ist, gegen den Herausgeber u. s. s. gerichtet werden kann.

Anhangstitel.

Die in diesem Titel enthaltenen Kompetenzbestimmungen hätten eigentlich eher in die Prozeßordnung ge# hört, konnten aber nicht leicht in dieselbe aufgenommen .werden, fo lange es an einer vollständigen Ueberficht der durch die Bundesgesezgebung mit Strafe zu bedrohenden Handlungen fehlte. Am besten wäre es wol, den Grundfaz aufzustellen, daß alle Verbrechen gegen den Bund sowol durch die Kantonalgerichte, als durch die Bundesasfisen beurtheilt werden können. Das Einschreiten der leztern würde dann nur aus ganz besondern Gründen in Anfpruch genommen, weil es immer außerordentlich kostspielig und lästig ist, um eines einzelnen Verbrechens willen den ganzen Apparat der Bun-

592 desrechtspflege, auch wenn derselbe noch etwelcher Maßen vereinfacht werden sollte, in Bewegung zu sezen. Eine solche Konkurrenz der Gerichte des Bundes und der ein-« jelnen Staaten findet fich auch in gewisser Weise in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Allein der konsequenten Durchführung des fraglichen Grundfazes in seinem ganzen Umfange steht der Art. 104 der Bundes* verfassung entgegen. Der Entwurf befchränkt fich daher darauf, die Aushilfe der Kantonalgerichte in den in

diefem Artikel nicht aufgezählten Fällen eintreten zu lassen. Wird der dießfällige Vorfchlag angenommen, so ergibt fich hieraus eine wesentliche Erleichterung des .Bundes , während die für die einzelnen Kantonalgericht.: möglicher Weise entstehende Vermehrung der Geschäfte ïaum bemerkbar sein wird.

Ueber das Verbrechen der galschwerbung haben bei dem gegenwärtigen Stande der Bundesgesezgebung die Kantonalkriegsgerichte zu urtheilen, wenn Iemand angeworben wird, der auf den eidgenösfischen oder kantonalen Mannschaftsverzeichnissen steht, aber nicht im effektiven eidgenossischen Dienste fich befindet. Um die Kompetenz nicht allzusehr zu zersplittern, schlägt der ·gntwurf vor , daß auch in allen andern Fällen der Art, in denen die Aushilfe der Kantone in Anspruch genom.rnen wird , die Sache nicht bei den bürgerlichen Gerichten, sondern bei dem Kriegsgerichte des betreffenden Kantons anhängig zu machen sei.

Die Kompetenz, ' welche den Bundesasfisen mit Be# ziehung 'auf gemeine Verbrechen eingeräumt wird, ift sehr beschränkt und bezieht fich bloß auf Fälle, in denen der Bund gewichtige Interessen verschiedener Art zu wahren hat, und au welche auch bei Abfassung des Art. 106 der Bundesverfassung gedacht worden sein

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mag. Aehnliche Vorschriften finden sich in der Bundes* gesezgebung der Vereinigten Staaten. Namentlich weist dieselbe den Bundesgerichten alle möglichen gemeinen Verbrechen zu, welche in irgend einem öffentlichen Ge# bäude, Magazine u. s. f. des Bundes verübt werden.

·ipiebei entsteht nun die .§rage, ob die Bundesver* sammlung, wenn sie die Art. 78--80 annehme, sich ge# nöthigt sehen werde, einen vollständigen, alle gedenk.* baren Verbrechen umfassenden Strafkoder zu entwer* fen. Wir glauben, diefe Frage verneinen zu follen, ta die gemeinen Verbrechen fast überall auf gleiche Weis..-; gewürdigt und behandelt werden, somit für dieselben süglich der Gesezgebung der Kantone subsidiäre Geltung eingeräumt werden kann.

Indem wir hiemit unsere Berichterstattung schließen, benuzen wir diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer ausge# zeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 1. Iuli 1852.

«

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsideut:

Dr. ."Currcr.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Botschaft des schweizerischen Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung zum Gesezentwurf über das Bundesstrafrecht. (Vom 1. Juli 1852.)

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20.07.1852

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