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Schweizerisches

udesblatt.

Jahrgang IV. Band I.

Nro. 8., Samstag, den 14. Februar 1852.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für Das Iahr 1852 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i Frkn. 4. 40 Eentimen. Jnferate sind f r a n k i r t an die Expedition einzusenden. Gcbül;.r 15 (Sentimeli per Zeile oder deren Staut».

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Botschaft

des schweizerischen Bundesrathes an die beiden gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, über Errichtung von Ersparnis- oder Unterstüzungskassen sür Postangestellte.

(Vom 4. Februar 1852.)

Die Bundesverfammlung hat bei Anlaß der Berathung des Rechenfchaftsberichtes des Bundesrathes vom Jahr

1849 den Beschluß gefaßt: Der Bundesrath möge in Erwägung ziehen, ob nicht eine Erfparnißkasse für die untergeordneten Postangestellten errichtet werden follte.

Unfer Postdepartement hat sich in Folge dessen mit dieser Frage einläßlich beschäftigt und viele daraus bezügBnndesblatt Jahrg. IV. Bd. I.

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108 liche Materialien gesammelt. Es hat auch nicht ermangelt,

die Ansicht der Kreispostdirektionen über die Frage einzuholen. Diese sind jedoch sowol über die Zwekmäßigkeit eines solchen Instituts als über die Grundfäze, nach welchen eine allfällige Organisation vorzunehmen wäre, fehr abweichenderS Meinung.

Wir verkennen die humane Absicht, die den Beschluß der Bundesversammlung hervorgerufen, keineswegs. Gewiß muß es auch im eigenen Jnteresse der betreffenden Bediensteten liegen; ja es ist fogar eine, zwar von Vielen derselben nur zu fehr verkannte Pflicht gegen sich felbst 'und ihre Angehörige, durch kleine Einschränkungen und Enibehrungen in gefunden Tagen und im arbeitsfähigen Alter einen Sparpfennig zu erübrigen, der sie in kranken

Tagen und im Alter vor Noth und Mangel schüzt und ihnen die Beruhigung gewährtvdaß nach ihrem Ableben ihre Familien nicht dem Elende preisgegeben werden.

Auch entgeht uns nicht, daß die Postadministration durch ein derartiges unter ihre Leitung und Verfügung gestelltes : 3nstitut eine Gewähr mehr erhalten würde gegen Verluste -aus Nachlässigkeit oder Untreue einzelner Angestellten.

Gleichwol müssen wir nach genauer Prüfung, uns dagegen erklären, daß hier die Administration maßgebend ins Mittel trete.

Die Jdee, welche der Bundesversammlung vorgeschwebt, ließe sich nach zwei verfchiedenen Richtungen zur Ausführung bringen: 1) Durch Verpflichtung der Angestellten zur Betheiligung an den bestehenden kantonalen Ersparnißkassen;

2) durch Gründung einer Jnvaliden- und Unterstüzungskasse.

Für die Betheiligung an Ersparnißkassen müßten im Wesentlichen folgende leitende Grundsäze aufgestellt »erden:

10» 1) Erklärung der Betheiligung als o b l i g a t o r i s c h , und daher 2) Abzug von gewissen Ouoten des fixen Einkommen... -- von 5 bis 10 Prozent -- oder Zurüfhaltung von zufälligen Einnahmen (wie die Vergütungen für die Plazabtretungen der Kondukteure) zur Einlage in die Sparkassen, wobei die Zinse stets zum Kapital zu schlagen wären; 3) Vermittlung der Einlagen durch die Kreispostdireks tionen, welche mit den Sparkassen sür die sämmtlichen Angestellten ihrer resv. Kreise Ausschließlich in Verbindung zu treten, und über das Guthaben eines jeden einzelnen Einlegers genaue Rechnung zu führen hätten ; 4) Regulirung der Rükzahlung in der Weife, daß bei Lebzeiten der Einleger das eingelegte Kapital nur in Krankheits- oder Unglüksfällen und auch dann nur mit Einwilligung der Kreispostdirektion zurükzieheu

könnte.

: Erst beim. Austritt oder Absterben würde die Rükzahïung an die gefezlichen oder .Testamentserben stattfinden:$ falls aber folche nicht vorhanden wären, den sämmtlichen Einlegern des Kreises dann zu gut kommen. Der Pojiverwaltung müßte das Recht eingeräumt werden, bei Verlusten oder Veruntreuungen auf das Guthaben .der betreffenden Angestellten zu greifen.

Eine I n v a l i d e n - und U n t e r s t ü z u n g s k a s s e hättt den Zwek, den Angestellten im Falle von Dienstunfähigkeit Unterstüzungen zu verabreichen, fo wie nach ihrem Ableben an deren Hinterlassene. Die Fonds dazu würden gebildet und geäufnet: a) aus regelmäßigen ...Beitragen der Angestellten, welche nach Maßgabe ihres Einkommens zu bestimmen waren j b) aus den zufälligen Einnahmen

110 einzelner Kategorien derfelben, wie namentlich aus den .Vergütungen für Kondukteurs -Plazabtretungen; c) aus

Bußen u. dgl. ; d) ans direkten Beiträgen der Administration. Das Maß der Unterstüzungen für die Einzelnen hätte sich nach der Dienstzeit, beziehungsweife nach dem Grade der Arbeitsunfähigkeit zu richten. Die Anstalt felbst müßte unter die Direktion der Administration gestellt werden.

Sine ähnliche Anstalt besteht u. a. feit der Eröffnung der schweizerifchen Nordbahn auch für die Angestellten dieser Gesellschaft. Dieselben sind gehalten, von ihrem festen Einkommen bis zu Fr. 1500 jährlichen Gehalts 3 Prozent zur Unterstüzungskasse beizutragen, welcher noch mehrfache zufällige Einnahmen der Angestellten und der Gesellschaft zufließen, und welche überdieß noch durch regelmäßige direkte Beiträge der Gesellschaft vermehrt wird.

Die Unterstüzungen, die an Dienstunfähige und an die ·Hinterlassenen verstorbener Angestellten verabreicht werden, variren je nach der Dauer der Dienstzeit zwischen 25 und 75 Prozent des von dem betreffenden Angestellten bezogenen festen Jahrgehalts. _ Die Unterstüzungskaffe steht unter der SBerwaltung und Verfugung einer siebengliederigen Kommission, in welche die vier Klaffen der Angestellten je ein

Mitglied wählen.

...Die Betheiligung an E r s p a r n i ß k a s s e n müßte für

sämmtliche Postangestellte als verbindlich erklärt werden, Wenn der beabsichtigte Zwek erreicht werden wollte.

Sind wir schon grnndfäzlich gegen einen solchen Zwang, so sind wir es noch mehr der Wirkungen wegen, die dessen -Anwendung mit sich führen würde.

Die Klagen über geringe Besoldung sind auch von dieser Seite her stereotyp geworden. Die Angestellten, ...veit entfernt, die Maßregel als eine «oohlthätige Obforge für ihr und ihrer Familien leibliches Wohl anzuerkennen.

111 würden derselben vielmehr nur die gehässige Seite abgewinnen, sie als eine Bevormundung ansehen, sich ihr nur mit großem Widerstreben sügen und sich nur zu leicht dem Glauben hinneigen, die Administration habe dabei mehr die eigenen Interessen als diejenigen ihrer Untergebenen im Auge. Die Verwaltung würde fortwährend mit einem Uebermaß von Klagen, Widerwillen und Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen haben, und die Unlust an der Sache sich nnr zu bald zum Nachtheile des Dienstes äußern.

Vielleicht gerade die beßten Angestellten dürften dadurch veranlaßt werden, den Dienst zu quittiren, um nicht des Gefühls beraubt zu werden, ihre eigenen häuslichen und ökonomifchen Angelegenheiten selbstständig und unabhängig von ihren Vorgesezten ordnen zu können. Mit Recht stellt man die moralische Wirkung der Sparkassen dem materiellen Nnzen, den sie gewähren, an die Seite, die Wirkung nämlich, daß sie zum Fleiß, zur Sparsamkeit, Häuslichkeit und Mäßigkeit anspornen. Da, wo man aber zur Benuzung dieser Anstalt Ztüang anwenden muß, da wird dieser moralische Gewinn jedenfalls nur in geringem Maße erreicht.

Eine weitere Folge des Zwanges würden mannigsache große Härten und Ungerechtigkeiten sein. Die Statuten müssen allgemeine, sür' Alle verbindliche Normen ansstellen. Die persönlichen und Familienverhältnisse der Angestellten sind aber fo sehr verfchieden, daß bei der Anwendung sich drükende Härte nicht vermeiden ließe.

Bei gleicher Besoldung wird z. B. ein unverheiratheter

Angestellter jährlich Fr. 50 bis 100 zurüklegen können, ohne sich großen Entbehrungen unterziehen zu müssen, während dieß sür einen dazu gezwungenen Familienvater eine Duelle schwerer Bedrängnisse und Verlegenheiten werden dürste. Wo die Besoldungsverhältnisse zu Un-

112 gunsten der leztern verschieden sind, da tritt das Mißverhältniß natürlich noch greller hervor. Auf diese Weife würde man ohne Zweifel eine große Zahl von Angestellten, in der beßten Absicht, ihr ökonomisches Wohl zu fördern, nöthigen, sich in Schulden und dadurch in eine Kette von Bedrängnissen und Widerwärtigkeiten zu stürzen; ebenfo würde man, in der Meinung, für die dereinstigen Waifen von Postangestellten ganz vortresslich zu forgen, diesen die Möglichkeit nehmen, die Zukunft ihrer Kinder auf die einzig nachhaltige Art zu sichern, indem man ihnen die Mittel entzöge, denselben, eine ordentliche Erziehung zu geben und sie zu einem tüchtigen Berufe heranbilden zu lassen.

Der unmittelbare und mittelbare Nuzen der Sparkassen ist so allgemein anerkannt, die Benuzung derselben beinahe überall so ungemein erleichtert, daß dieselben fast ·allerwärts in ziemlich beträchtlichem Maße von den unbemittelteren Klassen auch wirklich benuzt werden. Man darf daher wol nicht ohne Grund vorausfezen, daß auch sehr viele der Postangestellten sich bei irgend einem solchen Institute bereits betheiligt haben. Von diesen sind gewiß nicht wenige, die es gerade mit Rüksicht auf ihre Kinder gethan, die sich Entbehrungen auferlegen, eines eingezogenen, häuslichen und fparsamen Lebens sich befleißen, um durch das Mittel der Sparkassen sich ein kleines Ka.pital zu erübrigen, bestimmt zur Bestreitung der Kosten

der Erziehung und nusbildung ihrer Kinder. So leicht diesen Angestellten, Angesichts des edlen Zwekes, die Ent.behrung und Entsagung werden mag, so,niederschlagend .müßte ein Gebot der Verwaltung aus sie wirken, das ihnen die Entbehrungen zwar noch immer auferlegt, ihnen aber das Verfügungsrecht über das ersparte Kapital ent-

113 zieht und ihnen keine Hossnung läßt, daß dasselbe vor ihrem Tode ihren Kindern zu gut kommen möchte.

Gründe von mehr sekundärer Bedeutung gegen die Verwirklichung des Projektes bilden die Schwierigkeiten der Verwaltung. Der Geschästsvcrmehrung für die Kreispostdirektionen zu gefchweigen, dürfte sich für die administration geradezu die Unmöglichkeit herausstellen, den Bediensteten einen fo großen Zinsenertrag zu gewähren,, wie dieselben bei direkter Einlage daraus zu ziehen vermöchten. Dieser Umstand dürfte dann auch wenig dazu beitragen, sie mit diefer Neuerung zu versöhnen. Zifmlich allgemein gilt nämlich bei unfern Erfparnißkassen als; Verwaltungsmaxime, daß je größer die Einlage, desto geringer der Zinsfuß, und daß die Siftirung der Annahme von Einzahlungen, so wie allsällige, in Folge Mangels an Verwendung sür die Kapitalien eintretende Aufkündigungen stets die größern Summen zuerst treffen sollen. Die Kollektiveinlagen für die Postangestellten würden diesen ungünstigen, immer Zinseinbußen bedingenden Chancen ausgefezt sein, während einzelne Einzahlungen diefer Eventualität nicht oder doch in geringerem Gradtr unterworfen sind.

Etwas mehr scheint aus den ersten Blik die Frage der Gründung einer I n v a l i d e n - oder U n t e r s t ü z u n g s k a ss e für sich zu haben. Bei näherm Eingehen auf die Sache überzeugt man sich aber auch bald von der Unthiinlichkeit eine...' solchen Projektes.

Ohne die Beiträge der Einzelnen allzuhoch zu fchrauben und dadurch den schon erörterten Uebelständen ebenfallszu rufen, wäre es nicht möglich, den Unterstüzungsfondauf eine solche Höhe zu bringen, daß er den Ansprüchen zu genügen vermöchte, wenn nicht auch die Slbministration regelmäßige direkte Zuschüsse machte. Solche Staatszn-

114 schösse würden nun aber dem Unterstüzungsinstitute so ziemlich das Gepräge einer Pensionirungskasse verleihen und das Beispiel-, in einem Zweige der Staatsadniinistration gegeben, würde fehr schnell ähnlichen Begehren auch in andern Zweigen rufen, denen alsdann kaum widerstanden werden könnte. Jegliche Art von Pensionirungsfystem widerstreitet aber unferm ganzen staatlichen Organismu....

und unserer republikanischen Anschauungsweise so sehr, daß ein Vorgehen aus dieser Bahn bei unserer akerbauund gewerbtreibenden Bevölkerung, deren Glieder, wenn sie alt nnd krank, wenn sie " J n v a l i d e n der A r b e i t " werden, eine Staatsnnterstüzung nnr unter der Bedingung des Verlustes ihrer bürgerlichen Ehrenfähigkeit erlangen können, große Mißstimmung und Unzufriedenheit erweken müßte, und wir daher entschieden davon abrathen möchten, hier einen ersten Versuch dazu zu machen.

An dieses mehr prinzipielle Bedenken reihen sich noch verschiedene andere, die mehr ans den praktischen Gesichts-

-·punkten abgeleitet sind. Der persönlichen Willkühr der Beamten, welchen hier das Entscheidnngs- oder Antrags·recht zustehen müßte, würde ein zu weiter Spielraum eröffnet. Bei der großen Ausdehnung des ...Dienstes würde «s den entscheidenden Beamten in den meisten Fällen nn-

möglich sein, die Berechtigung der Unterstüzungsansprüche gehörig abzuwägen, so daß Begünstigungen Einzelner und damit indirekte Ungerechtigkeiten gegen Andere nicht ansbleiben dürften, wodurch dann natürlich Mißtrauen in die Unparteilichkeit und Gerechtigkeit der Verwaltung gewekt und genährt würde. Ferner würden sich fehr bald Begehren um Unterstüzungen in erheblicher Anzahf auch von ..Leuten einstellen, die sich in solchen Alters- und Gesundheitsverhältnissen befinden, daß sie, in Abgang einer Unterftüzungskasse, selbst sich noch lange für diensttauglich gehalten hätten.

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Der zufälligen Einnahmen, durch welche die Fonds der Unterstüzungskasse geäufnet werden könnten, sind sehr wenige. Jn diese Kategorie von Einnahmen gehören fast

einzig die Kondukteursplazgelder. Dieses Einkommen der Kondukteure ist aber ein so sauer verdientes, vielleicht nicht selten mit bleibenden Nachtheilen sür die Gesundheit erkaustes, daß es als ein Unrecht erschiene, wenn das.selbe ganz oder theilweise zu Gunsten Anderer verwendet würde. Die Kondukteure möchten in diesem Falle übrigens auch hin und wieder leicht Mittel finden, zum Schaden der Administration, die Plazabtretung zu umgehen. Korporations- oder Privatunternehmen befinden sich in Beziehung auf die Errichtung von Jnvaliden- und Unterstüzungskassen in einer ungleich günstigern Lage, als eine Staatsadministration. Bei einem Korporations- oder Privatétablissement fallen allervorderst die prinzipiellen -Bedenken gegen ein folches Unterstüzungssystem weg. Dann aber -kann bei denselben, da sich der Betrieb in engern Kreisen bewegt, über jeden einzelnen Fall mit möglichster Gexechtigkeit entschieden werden; und ist es ferner möglich, die Beitragspflichtigen durch Delegation an der Verwaltung der Anstalt theilnehmen zu lassen, fo wird hierdurch jegliches Mißtrauen, ja fchon der Vorwand zum Mißtrauen von vorn herein beseitigt.

Aus allen diesen Gründen müssen wir daher die Frage der Zwekmäßigkeit der von der Bundesversammlung angeregten Jdee der Errichtung von Ersparniß- oder Unterstuzungskassen sür Postangestellte verneinend beantworten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 4. Februar 1852.

Im Namen des schweiz. Bundesrathes, (Folgen die Unterschriften.)

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Botschaft des schweizerischen Bundesrathes an die beiden gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, über Errichtung von Ersparnis- oder Unterstüzungskassen für Postangestellte. (Vom 4. Februar 1852.)

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14.02.1852

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107-115

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