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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Beschlusses der Bundesversammlung über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsichern Zeiten (Vom 30. Januar 1951)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Beschluss der Bundesversammlung über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsichern Zeiten «u unterbreiten, und gestatten uns, zu seiner Begründung und Erläuterung folgendes auszuführen: I. Die Notwendigkeit weiterer Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung Die Verschärfung der internationalen Lage hat den Bundesrat schon frühzeitig veranlagst, ähnlich wie vor dem letzten Weltkrieg Massnahmen zur wirtschaftlichen Landesverteidigung vorzukehren. Die rechtliche Grundlage hiefür bietet das Bundesgesetz über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern vom 1. April 1988/29. September 1949 (Sicherstellungsgesetz; AS 54, 309; 1949, 1799).

In diesem Bundesgesetz hat der Gesetzgeber den Bundesbehörden die Pflicht auferlegt, «für den Fall der wirtschaftlichen Absperrung oder des Krieges die notwendigen Massnahmen zur Beschaffung und Sicherstellung der für die Versorgung von Volk und Heer unentbehrlichen Güter» zu treffen. Das Gesetz unterscheidet drei Gruppen von Massnahmen: 1. Jederzeit zulässige Massnahmen (Art. 2).

2. Massnahmen in unsicheren Zeiten (Art. 3 bis 6).

3. Massnahmen im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr (Art. 7 und 8).

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Als jederzeit zulässige Massnahmen nennt das Gesetz lediglich Bestandesaufnahmen und Produktionserhebungen.

In unsicheren Zeiten sieht es eine Kompetenzaufteilung zwischen Bundesrat und Bundesversammlung vor : der Bundesrat kann die in Artikel 3 bis 6 aufgezählten Massnahmen von sich aus treffen; für weitere Massnahmen ist die Bundesversammlung zuständig (Art. l, Abs. 8).

Im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr ist der Bundesrat ermächtigt, alle ihm notwendig scheinenden Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung zu treffen (Art. 7).

Die Vorkehrungen, die der Bundesrat bisher getroffen hat, stützen sich im wesentlichen auf die Artikel 8 bis 6 des Gesetzes ; vereinzelte Erlasse mussten auf den Bundesboschluss vom 14. Oktober 1988/22. Juni 1939 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland gestützt werden. Heute erachtet jedoch der Bundesrat die ihm in den Artikeln,3 bis 6 des Sicherstellungsgesetzes eingeräumten Befugnisse nicht mehr für ausreichend, um alle jene Anordnungen zu treffen, die sich angesichts der gegenwärtigen Weltlage aufdrängen. Man muss im Zeichen des «kalten Krieges» jederzeit mit unvoraussehbaren Entschlüssen und Handlungen der Grossmächte rechnen. Der zweite Weltkrieg hat zudem gezeigt, dass der wirtschaftlichen Kriegführung eine noch grössere Bedeutung zukommt, als im Jahre 1938 angenommen werden konnte.

Gerade daraus drohen unserem weitgehend auf Zufuhren angewiesenen Lande aber besonders ernste Gefahren. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass unser Land einschneidende und umfassende kriegswirtschaftliche Massnahmen treffen muss, ohne dass es zu kriegerischen Ereignissen in Europa kommt. Bereits sind andere Staaten, mit denen die Schweiz in regem Güteraustausch steht, insbesondere die USA, zu einer intensiven Kriegswirtschaft mit Ausfuhrverboten und Ausfuhrkontrollen für rüstungswichtige Materialien übergangen, und diese Entwicklung kann nicht ohne Rückwirkung auf die schweizerische Wirtschaft bleiben. Die in unserem Lande nötig werdenden Massnahmen werden sich unter Umständen nicht auf die Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer mit unentbehrlichen Gütern beschränken können, da die wirtschaftliche Landesversorgung noch eine Eeihe anderer wichtiger Bezirke unxfasst.

Unter diesen Umständen glaubt der Bundesrat, der Bundesversammlung zwei Gruppen von
Massnahmen vorschlagen zu müssen, einerseits Ermächtigungen der Bundesversammlung an den Bundesrat, die sie ihm schon heute vorsorglich..auf Grund von Artikel l, Absatz 3, des Sicherstellungsgesetzes zu erteilen hätte, anderseits Vorkehrungen, die eine Gesamtrevision des Sicherstellungsgesetzos nötig machen.

Mit den erstgenannten Ermächtigungen befasst sich die vorliegende Botschaft; die Vorlage betreffend die Totalrevision des Sicherstellungsgesetzes wird der Bandesrat den eidgenössischen Eäten unterbreiten, sobald die Vorarbeiten dazu abgeschlossen sind. Diese beanspruchen aber längere Zeit, und

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bis das neue Gesetz in Kraft gesetzt werden kann, vergehen weitere Monate, die für die ·wirtschaftliche Landesverteidigung unter Umständen von ausschlaggebender Bedeutung sein können.

Den Sofortmassnahmen, die der Bundesrat der Bundesversammlung heute vorschlägt, kommt also nur provisorischer Charakter zu; sie halten sich an die Ermächtigung, die der Bundesgesetzgeber der Bundesversammlung in Artikel l, Absatz 8, des Gesetzes eingeräumt hat und beziehen sich insbesondere nur auf die Beschaffung und Sicherstellung der für die Versorgung von Volk und Heer unentbehrlichen Güter.

Man kann sich freilich fragen, ob es nicht angebracht wäre, schon im jetzigen Zeitpunkt weitergehende Vorkehrungen zu treffen, die den Rahmen des geltenden Gesetzes sprengen und sich nicht nur auf die Sicherstellung der Laudesversorgung mit lebenswichtigen Gütern beziehen. Solche Massnahmen könnte aber die Bundesversammlung nicht auf dem Verordnungswege treffen; sie müsste vielmehr zum Mittel eines dringlichen Bundesbeschlusses greifen; dieser wäre nach dem Inkrafttreten gemäss Artikel 89bls, Absatz 2, der Bundesverfassung dem fakultativen Beferendum zu unterstellen. Allein auch nach der Eevision des Artikels 89 der Bundesverfassung durch das vom Volk am 11. September 1949 angenommene «Volksbegehren für die Bückkehr zur direkten Demokratie» sollen dringliche Bundesbeschlüsse Ausnahmen bilden und allgemeinverbindliche Bundesbesohlüsse nur dann vor Ablauf der Beferendumsfrist in Kraft gesetzt werden, wenn kein anderer Ausweg möglich ist. Der Bundesrat glaubt, dass im Bereich der Landesversorgung die der Bundesversammlung im Sicherstellungsgesetz eingeräumten Kompetenzen genügen, um die in der nächsten Zeit allenfalls nötig werdenden Massnahmen zu treffen, zumal auf dem wichtigen Gebiete der Preisüberwachung und Preiskontrolle vorläufig noch die volknachtenrechtlich. erlassenen Vorschriften in Kraft stehen.

Die Bundesbehörden sollten deshalb jedenfalls auf diesem Gebiet der wirtschaftlichen Landesverteidigung nicht durch einen dringlichen Bundesbeschluss über den gesetzlichen Bahmen ihrer Kompetenzen hinausgehen..

Bei den Massnahmen, die der Bundesrat in dieser Vorlage vorschlägt, handelt es sich um. Ermächtigungen der Bundesversammlung an den Bundesrat, die der Gesetzgeber dem Bundesrat für den Fall «unmittelbarer Kriegsgefahr»
bereits eingeräumt hat, die jedoch dein Bundesrat in Zeiten, die lediglich als «unsicher» bezeichnet werden können, nicht zustehen. Nach dem Wortlaut des Artikels l, Absatz 3, mag es allerdings scheinen, als ob die Bundesversammlung selbst die weiteren Massnahmen im einzelnen festlegen müsse. Die Entstehungsgeschichte und der Zweck des Artikels l des Sicherstellungsgesetzes sprechen jedoch dafür, dass die weiteren Massnahmen im Sinne von Artikel l, Absatz 3, auch in Ermächtigungen an den Bundesrat bestehen können. In der bundesrätlichen Vorlage zum Sicherstellungsgesotz vom 9. November 1937 (BEI 1937, III, 285) war eine generelle Ermächtigung an den Bundesrat vorgesehen, alle notwendigen Massnahmen zur Beschaffung und Sicherstellung der lebenswichtigen Güter zu treffen; die eidgenössischen Eäte haben dann aber die Unter-

309 Scheidung zwischen Massnahmen in «unsicheren Zeiten» und «Massnahmen im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr» vorgenommen und für die Periode unsicherer Zeiten die Kompetenz zu weiteren Vorkehrungen gemäss Artikel l, Absatz 8, der Bundesversammlung vorbehalten (StenB Stß 1988, 24; NB 1938, 158).

Die Kompetenz der Bundesversammlung wurde bewusst ganz allgemein formuliert; sie sollte «alle weitem Massnahmen treffen können, die nicht in den Artikeln 8 bis 8 aufgezählt sind» (StenB StB 88, 24). Dabei musate sich der Bundesgesetzgeber schon damals im klaren sein, dass auch in «unsicheren Zeiten» unter Umständen ein rasches Handeln not tut; der Sinn des Artikels l, Absatz 3, kann deshalb nur sein, dass die Bundesversammlung beschliesst, wann sie dem Bundesrat weitere Ermächtigungen erteilen will; sie hat dabei diese Ermächtigungen materiell so eng oder so weit zu umschreiben, als die Zeitlage es erfordert. Die jüngste Vergangenheit bietet Beispiele dafür, dass je nach den Verhältnissen kurzfristig Anordnungen getroffen werden müssen. Im Zusammenhang mit den von den USA verfügten Ausfuhrbeschränkungen für rüstungswichtige Eohstoffe war es nötig, Verwendungsbeschränkungen für Kupfer zu erlassen, ohne dass der Bundesrat Zeit gehabt hätte, zunächst den Räten eine Vorlage zu einem Beschluss der Bundesversammlung gemäss Artikel l, Absatz 8, des Sicherstellungsgesetzes vorzulegen. Leider kann es nicht als ausgeschlossen gelten, dass sich ähnliche Zwangslagen wiederholen, und der Bundesrat möchte in solchen Fällen über eine eindeutige Rechtsgrundlage auf Grund des Sicherstellungsgesetzes verfügen.

u. Die einzelnen Bestimmungen Art, 1: Zur Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer mit unentbehrlichen Gütern soll der Bundesrat, wenn die allgemeine Lage es erfordert, vier Gruppen von Massnahmen verfügen können : a. Massnahmen auf dem Gebiete der Einfuhr Soweit bisher schon Einfuhrbewilligungspflichten aufgestellt wurden, und zwarnamentlich auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1983/22. Juni 1989 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland (AS 49, 811; 55, 1282), dienten sie in der Begel handelspolitischen und protektionistischen Zwecken. Naturgemäss wurde in solchen Fällen die Einfuhr beschränkt. Vorkehren kriegswirtschaftlicher Natur, die auf dem Gebiete der Einfuhr erlassen werden
müssen, sollen aber nicht etwa eine Hintanhaltung, sondern im Gegenteil eine Förderung der Einfuhr bezwecken. Die letzhin getroffenen derartigen Massnahmen basieren allerdings ebenfalls auf dem genannten Bundesbeschluss (vgl, XLII, Bericht über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland), doch konnte es sich hiebei mehr nur um eine behelfsmässige Lösung handeln.

Denn es hatte nie die Meinung, dass diesem Beschluss die Funktion einer Bechts* grundlage für Massnahmen mit kriegswirtschaftlichem Charakter zukommen solle. Das trifft ebenfalls zu mit Bezug auf die Anordnung von EinfuhrbewilliBundeablatt. 108. Jahrg. Bd. I.

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310 gungspflichten im Zusammenhange' mit der Vorratshaltung. Wohl kann der Bundesrat gemäss Artikel l des Bundesbeschlusses über -wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland u.a. die nötigen Massnahmen treffen zur Vermehrung der Vorratshaltung für die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern, Doch ist diese Bestimmung nie in der Weise gehandhabt worden, dass zu diesem Zwecke besondere Einfuhrbewilligungspflichten aufgestellt worden wären; vielmehr wurden sie nur dort in den Dienst der Vorratshaltung gestellt, wo sie aus andern Gründen bereits angeordnet worden waren, und zwar in der Weise, dass die Erteilung von Einfuhrbewilligungen für die betreffenden Waren vom Abschluss entsprechender PflichtlagerVerträge abhängig gemacht wurde.

Die dargelegten Verhältnisse lassen es als geboten erscheinen, dass für solche kriegswirtschaftliche Massnahmen eine breitere und eindeutigere Bechtsgrundlage geschaffen wird, was eben durch den im Entwurf vorliegenden Beschluss der Bundesversammlung geschehen soll.

Zunächst ist es denkbar, dass sich die Statuierung der Einfuhrbewilligungspflicht zu Kontrollzwecken aufdrängt, indem sie nicht nur erlaubt, Art und Menge der aus dem Ausland bezogenen Güter genau zu erfassen und die nötigen Bedingungen daran zu knüpfen, sondern erforderlichenfalls eine Handhabe bietet, um das weitere Schicksal der eingeführten Ware zu verfolgen.

Sodann muss dem Bundesrat, wie bereits erwähnt, unabhängig vom Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem. Ausland die Möglichkeit eingeräumt werden, die Erteilung von Einfuhrbewilligungen davon abhängig zu machen, dass der Importeur sich vertraglich verpflichtet, einen bestimmten Vorrat der in Frage stehenden Waren zu halten und vom Bund angelegte Vorräte, die der Auswechslung bedürfen, zu übernehmen.

Möglicherweise muss die Lagerhaltung auf weitere Importwaren ausgedehnt werden, die gemäss Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1938/22. Juni 1989 nicht der Bewilligungspflicht unterstehen; es ist daher unerlässlich, auch für sie eine Eechtsgrundlage für ihre allfälhge Unterstellung unter die Bewilligungspflicht z u schaffen. · - . . · · . .

'···...'.' .

Neben der Anordnung der Einfuhrbewilligungspflieht zum Zwecke der Erhöhung der Vorratshaltung kommen auf dem Gebiete der Einfuhr noch andere Massnahmen
in Betracht, die geeignet sind, die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern zu verbessern (Art. l, Abs. 2, des Entwurfes).

Einzelne Staaten sind in der. Ausfuhr bestimmter Güter bereits zurückhaltend, so dass der Importeur ohne Intervention der Organe des Bundes deren Export nicht erwirken kann, In solchen Fällen müssen sich die Behörden zugunsten dieser Importeure besonders verwenden. Dann erscheint, es recht und billig, wenn die Bundesstellen den Importeur zur Einfuhr dieser Güter in die Schweiz und zu ihrer Nichtwiederausfuhr verpflichten dürfen, auch wenn solche Waren der Bewilligungspflicht nicht unterstehen.

...:·· Es stellt sich auch immer mehr heraus, dass im Ausland Ausfuhrlizenzen für Waren mit Bestimmung Schweiz erwirkt werden, die aber tatsächlich nicht

311 für unser Land bestimmt sind. Es drängt sich daher die Notwendigkeit auf, Massnahmen treffen zu können, mit denen solche Machenschaften unterbunden werden, um dadurch zu vermeiden, dass der Euf unseres Landes Schaden leidet.

&. Massnahmen auf dem Gebiet der Ausfuhr Nach dem Sinn und "Wortlaut des Bundesbeschlusses über wirtschaftliche Massnahmen kann der Bundesrat neben den in seinem Artikel 2 ausdrücklich erwähnten Einfuhrbeschränkungen auch Ausfuhrbeschränkungen statuieren, wenn die in Artikel l genannten Zwecke es erfordern.

Im übrigen gelten aber auch hier die in Absatz! l zu lit. a hievor angestellten Überlegungen, wonach der erwähnte Bundesbeschluss als Becbtsgrundlage für die Eegelung kriegswirtschaftlicher Belange auch auf dem Ausfuhrgebiet nur zur Not benützt werden kann.

Einmal kann sich die Unterstellung bestimmter Waren unter die Ausfuhrbewilligungspflicht zu Kontrollzwecken aufdrängen. Sodann muss der Bundesrat auch auch befugt sein, die Ausfuhr knapper Güter zu beschränken, allenfalls sogar zu verbieten, wenn dies zur Schonimg der im Lande liegenden. Vorräte erforderlich ist.

c. Produktionsvorschriften sonne Vorschriften über die Verwendung, Abgabe und Bezug bestimmter Guter Für Erzeugnisse der Land- und Porstwirtschaft kann der Bundesrat bereits heute gemäss Artikel 4 des Gesetzes Produktionsvorschriften, erlassen. Eine solche Kompetenz wird sich unter Umständen auch in bezug auf die Herstellung industrieller Güter als notwendig erweisen ; dabei ist namentlich an das Eüstungsprogramm zu denken, wo die Produktion unter Umständen durch Festsetzung von Prioritäten beschleunigt werden muss.

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· Dass knappe und vor allem rüstungswichtige Materialien nicht beliebigen Zwecken zugeführt, sondern erforderlichenfalls für die Herstellung militärisch und zivil wichtiger Güter reserviert bleiben sollen, bedarf in diesem Zusammenhange wohl keiner weiteren Erörterung. Bereits mtissten, wie schon oben in Abschnitt I erwähnt, durch Bundesratsbeschluss vom l, Dezember 1950 über die Landesversorgung mit knappen Importwaren Verwendungsbeschränkungen für. .Kupfer angeordnet werden. Der erwähnte Besohluss stützt sich auf den wiederholt zitierten Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegen über dem Ausland, also auf eine behelfsmässige Eechtsgrundiage ; es ist dringend nötig, dass für
allfällige weitere Einschränkungen solcher Art eine klare und eindeutige Basis vorhanden ist.

: Auch hinsichtlich Abgabe und Bezug lebenswichtiger Güter können sich unter Umständen besondere Anordnungen aufdrängen. Bei, der heutigen unsicheren Weltlage vermögen Ereignisse,..die .eine Verschärfung der .internationalen Spannungen zur Folge haben, sehr rasch Massenkäufe, Eun und

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Hamsterei auszulösen; solchen Eventualitäten muss sofort begegnet werden können. Der Bundesrat hält es deshalb für richtig, sich schon heute die notwendigen Kompetenzen geben zu lassen, um nötigenfalls aktionsbereit zu sein.

d. Ablieferungspflicht

und Lieferungszwang

Wenn es nötig werden sollte, bezüglich bestimmter lebenswichtiger Güter Abgabe und Bezugsbeschränkungen zu verfügen, muss der Bundesrat zur wirksamen Durchführung dieser Massnahmen auch die Ablieferungspflicht und die Verpflichtung zur Weiterbelieferung der bisherigen Kunden verfügen können. Die Ablieferungspflicht bezieht sich grundsätzlich auf die laufende Produktion, insbesondere auf dem Gebiete der Landwirtschaft. Sie umfasst dagegen nicht die Beschlagnahme und Enteignung der Lagerbestände, die der Bundesrat nach Artikel 7 des Gesetzes nur bei unmittelbarer Kriegsgefahr verfügen darf. Mit der Ablieferungspflicht soll nötigenfalls verhindert werden, dass der Produzent seine Lieferungen an eine Zentrale (Sammelstelle) drosselt, um in vermehrtem Masse Güter für den Eigenbedarf und zum Direktverkauf zurückzubehalten, bei dem er eventuell bessere Preise zu lösen erhofft. Die Lieferpflicht muss unter Umständen statuiert werden, um im Rahmen von Abgabe- und Bezugsbeschränkungen eine Ordnung zu schaffen, die dem Bezüger grundsätzlich einen Anspruch gibt, die ihm zustehenden Bezugsberechtigungen oder Kontingente durch Einkauf bei seinem bisherigen Lieferanten auszunützen.

Die vier Gruppen von Massnahmen, für die der Bundesrat um die nötigen Ermächtigungen nachsucht, bilden -- wie es sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt -- ein geschlossenes Ganzes. Wenn die Zufuhren knapp werden, muss der Bundesrat über die entsprechenden Instrumente der Wirtschaftslenkung verfügen können. Er wird jedoch davon immer nur so weit Gebrauch machen, als dies zur Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer unerlässlich ist, da er sich bewusst ist, dass gerade die Erhaltung der privaten Initiative den wichtigsten Faktor zur Sicherstellung der Landesversorgung bildet; diese Initiative soll nur so weit in einen Gesamtplan eingeordnet werden, als dies unumgänglich nötig ist.

Art. 2. Administrative Sanktionen: Bei Verfehlungen gegen die Vorschriften, die der Bundesrat gestützt auf Artikel l gegebenenfalls erlassen wird, drängen sich in erster Linie administrative Massnahmen auf: die Verweigerung von Ein- und Ausfuhrbewilligungen und der Entzug bereits erteilter Bewilligungen, ferner besondere Abgabe- und Bezugsbesohränkungen und Zuteilungskürzungen. Auch diese administrativen Sanktionen sind letzlich Massnahmen zur
Sicherstellung der Landesversorgung und können deshalb von der Bundesversammlung beschlossen werden. Es handelt sich bei den administrativen Sanktionen nicht um Strafen; sie werden auch nicht in einem gerichtlichen Strafverfahren verhängt. Voraussetzung ist deshalb auch nicht ein strafrechtliches Verschulden; es genügt eine objektive Verletzung der Vorschriften.

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Art, 3. Beschwerderecht: Das Beschwerderecht richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Artikel 23bis des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung in der Fassung des Artikels 166 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (AS 60, 271) sowie der Artikel 124 ff.

dieses letzten Gesetzes.

Art. 4, Strafbestimmungen: Der Strafrahmen für Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften, die gestützt auf Artikel l erlassen werden, ist durch Artikel 14 des Sicherstellungsgesetzes vorgeschrieben. Die Maxima sind niedriger als im Kriegswirtschaftsrecht.

Art. 0. Schlussbestimmungen: Der Bundesrat verkennt nicht, dass die Ermächtigungen, die ihm in Artikel 1 erteilt werden sollen, von weittragender Bedeutung sind. Es ist ein bedauerliches Zeichen der Zeit, dass er schon wenige Wochen, nachdem die Bundesversammlung für das alte Vollmachtenregime das definitive Ende auf Jahresschluss 1952 festgesetzt hat, vorsorglicherweise um neue Ermächtigungen zu kriegswirtschaftlichen Massnahmen nachsuchen muss. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, den Beschluss auf drei Jahre zu befristen. Inzwischen sollen die Vorarbeiten für die Totalrevision des Sicherstellungsgesetzes sofort an die Hand genommen werden. Diese Vorlage wird dem Referendum und dem Entscheid des Schweizervolkes unterstehen.

Wir beantragen Ihnen die Annahme des Beschlussesentwurfes und bitten Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung entgegenzunehmen.

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Bern, den 80. Januar 1951.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Ed. von Steiger Der Bundeskanzler: Leimgruber

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(Entwurf)

Beschluss der Bundesversammlung über

Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsichern Zeiten Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel l, Absatz 8, und Artikel 14 des Bundesgesetzes vom 1. April 1988/29. September 1949 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 30. Januar 1951, beschliesst :

Art. l Wenn in unsichern Zeiten die allgemeine Lage es erfordert, kann der Bundesrat zur Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer mit unentbehrlichen Gutern a, die Einfuhr bestimmter Güter zu Kontrollzwecken und zur Vermehrung der Vorratshaltung der Bewilligungspflicht unterstellen sowie die Erteilung der Bewilligungen von geeigneten Bedingungen abhängig machen; b. die Ausfuhr bestimmter Güter zu Kontrollzwecken bewilligungspflichtig erklären, die Ausfuhr beschränken oder verbieten sowie die Erteilung der Bewilligungen von geeigneten Bedingungen abhängig machen; c. Produktionsvorschriften erlassen sowie Vorschriften über Verwendung, Abgabe und Bezug bestimmter Güter; d. für bestimmte Güter die Ablieferungspflicht und den Lieferungszwang zu den geltenden Preisen verfügen.

2 Der Bundesrat ist ferner ermächtigt, Massnahmen anzuordnen zur Sicberstellung der Einfuhr von Waren, die nicht der Einfuhrbewilligungspflicht unterstehen.

Art. 2 1 Bei Verletzung der auf Grund von Artikel l vom Bundesrat erlassenen Vorschriften und der gestützt darauf ergangenen Einzelverfügungen können die zuständigen Verwaltungsbehörden des Bundes den Fehlbaren Ein- und 1

315 Ausfuhrbewilligungen zeitweise verweigern und bereits erteilte Bewilligungen entziehen sowie besondere Abgabe und Bezugsbeschränkungen auferlegen und Zuteilungen kürzen.

2 Bevor solche administrative Massnahmen verfügt werden, ist dem Fehlbaren Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innert nützlicher Frist einzuräumen, sofern nicht im Interesse der Landesversorgung ihre sofortige Anordnung geboten erscheint.

Art. 3 Entscheide der zuständigen Amtsstellen können innert 80 Tagen an die vorgesetzten Behörden weitergezogen werden.

- Art. 4 Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen die vom Bundesrat auf Grund von Artikel l erlassenen Vorschriften und die gestützt darauf ergangenen Einzelverfügungen werden mit Busse bis 30 000 Franken oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Die beiden Strafen können verbunden werden.

2 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 5000 Franken.

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Art. 5 1

Dieser Beschluss der Bundesversammlung tritt mit dem Tag seiner Veröffentlichung in der Sammlung der eidgenössischen Gesetze in Kraft.

2 Die Geltungsdauer des Beschlusses ist auf drei Jahre befristet.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Beschlusses der Bundesversammlung über Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern in unsichern Zeiten (Vom 30. Januar 1951)

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