# S T #

zu 79.223

Stellungnahme des Bundesrates zur parlamentarischen Initiative über Bundesverfassung und Schweizer Bürgerrecht vom 18. Februar 1981 Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen unsere Stellungnahme zum Bericht und Antrag der Kommission des Nationalrates vom 29. April I960 (BEI 1980 II 1424), die mit der Prüfung der parlamentarischen Initiative über Bundesverfassung und Schweizer Bürgerrecht beauftragt war.

1. Die Kommission beantragt in ihrem Bericht, Artikel 44 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV) so zu ändern, dass das Kind schweizerischer Eltern von Geburt an automatisch das Schweizer Bürgerrecht erwirbt. Ist nur ein Elternteil Schweizer, so soll die Bundesgesetzgebung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen das Kind das Schweizer Bürgerrecht erwirbt. Damit soll vor allem die Voraussetzung geschaffen werden, dass auch die im Ausland wohnhaften Schweizerinnen ihr Bürgerrecht auf die Kinder übertragen können, ein Anliegen, das im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau seine volle Berechtigung hat. Wir haben seine Verwirklichung, soweiS die Verwaltung zuständig ist, bereits selbst in Aussicht gestellt. Es ist daher sehr zu begrüssen, dass auch die Initiative diese Lösung anstrebt und dass die Kommission sie einhellig befürwortet.

2. Mit dem Inhalt dieser Verfassungsänderung sind wir weitgehend einverstanden, dem vorgeschlagenen Vorgehen hingegen können wir nicht zustimmen. Die Kommission möchte, dass Art. 44 Abs. 3 BV für sich allein behandelt wird und dass die weiteren Bürgerrechtsfragen, die noch offen sind und zusätzliche Aenderungen des Artikels 44 BV verlangen, dem Parlament gesondert unterbreitet werden (Bericht Ziff. 33, letzter Absatz).

1172

198]-250

3- Wir befassen uns bekanntlich bereits längere Zeit mit diesen Bürgerrechtsfragen, und wir haben in unserem Bericht über die Richtlinien der Regierungspolitik die Vorlage für die erste Hälfte der laufenden Legislaturperiode d.h. bis Ende 1981 angekündigt. Wir sind dazu auch in der Lage, denn die Vorarbeiten stehen vor ihrem Abschluss. Die anstehenden Probleme und ihre Bedeutung sollen hier kurz aufgezeigt werden: a) Mit der Neufassung des Familienrechtes sollte auch die Gleichberechtigung der Geschlechter hinsichtlich des Schweizer Bürgerrechtes verwirklicht werden. Mann und Frau sollten nicht nur bei der Weitergabe des Schweizer Bürgerrechts durch Abstammung die gleiche Rechtsstellung erhalten, wie dies mit der Verfassungsänderung der Kommission vorgeschlagen wird, sondern auch bei der Heirat mit einem ausländischen Ehepartner. Die Verwirklichung dieser Ziele sieht der Bundesrat so, dass in Artikel 44 BV der Bundesgesetzgeber ausdrücklich ermächtigt wird, den Erwerb und den Verlust des Schweizer Bürgerrechtes durch Heirat, Abstammung und Adoption zu regeln.

Dabei könnte anstelle des automatischen Erwerbes auch ein Erwerb durch Einbürgerung vorgesehen werden, wobei die Voraussetzungen gegenüber der ordentlichen Einbürgerung erleichtert würden, Artikel 54 Absatz 4 BV, der festlegt, dass die Frau durch ihre Heirat das Bürgerrecht des Mannes automatisch erwirbt, wäre dann aufzuheben.

b) Vordringlich ist auch das Problem der Einbürgerung der jugendlichen Ausländer, die seit Geburt in unserem Land wohnen oder doch ihre Jugendjahre zum grossen Teil hier verbracht haben. Es liegt im Interesse unseres Staatswesens, dass diese jungen Ausländer, die ganz in unsere Verhältnisse hineingewachsen sind und sich ihrer angestammten Heimat entfremdet haben, vermehrt eingebürgert und somit voll integriert werden können. Auch zu diesem Zwecke sollte Artikel 44 BV geändert werden, indem der Bundesgesetzgeber ermächtigt würde, solche Einbürgerungen zu erleichtern. Die Tatsache, dass gut eine

51

Bundcsblall. 133. Jahrg. Bd. III

1173

Viertelmillion dieser Jungen.Ausländer bei uns wohnen und bleiben werden, zeigt eindeutig die Wichtigkeit dieses Vorschlages. Gleichzeitig sollte dabei auch für die Flüchtlinge und Staatenlosen, die bei uns Aufnahme gefunden haben, der Weg zum Schweizer Bürgerrecht erleichtert werden, wie dies in den von der Schweiz ratifizierten internationalen Abkommen über ihre Rechtsstellung empfohlen wird.

Mit einer Aenderungsvorlage, die diese Einbürgerung miteinbezieht, würde auch die Aufgabe erfüllt, die dem Bundesrat durch die Ueberweisung verschiedener parlamentarischer Vorstösse gestellt worden ist.

4. Um diese Neuerungen verwirklichen zu können, sollte Art. 44 BV folgende Fassung erhalten: "lDer Bund regelt den Erwerb und den Verlust der Bürgerrechte durch Heirat, Abstammung und Adoption sowie den Verlust und den Vfiedererwerb des Schweizer Bürgerrechts.

2 Die Kantone sind zuständig für die Einbürgerung. Der Bund stellt Grundsätze auf für die Einbürgerung von Ausländern und kann für die Einbürgerung von jungen, in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern sowie von Flüchtlingen und Staatenlosen Erleichterungen vorschreiben."

Absatz l ermächtigt also den Bundesgesetzgeber den Bürgerrechtserwerb für die Kinder schweizerischer Eltern oder eines schweizerischen Elternteils zu regeln. Dieser Verfassungstext wird nun noch mit den Kantonen abgesprochen. Anschliessend wird die Vorlage ausgearbeitet, und Ihnen wie vorgesehen noch im Laufe des Jahres 1981 unterbreitet.

5. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass es den Schweizerinnen im Ausland ein besonderes Anliegen ist, dass auch sie ihren Kindern das Schweizer Bürgerrecht vermitteln können. Die weiteren Bürgerrechtsfragen sind aber, wie dargelegt worden ist, ebenfalls vordringlich und von wesentlichem Staatsin-

1174

teresse. Es liegt auf der Hand, dass bei getrennter Behandlung eines Teilgebietes die übrigen Fragen auf Jahre verzögert würden. Wir können uns nicht vorstellen, dass ohne zwingenden Grund kurz hintereinander die Aenderung des gleichen Verfassungsartikels vorgeschlagen würde, wobei durch die zweite Vorlage die vorgängig angenommene Bestimmung wieder aufgehoben würde, da sie dann in der neuen Regelung eingebaut wäre. Dies wäre unter anderem auch aus Kostengründen und angesichts des überlasteten Abstimmungskalenders kaum zu verantworten. Zudem besteht ein enger Zusammenhang der Uebertragung des Schweizer Bürgerrechtes von der Mutter auf die Kinder einerseits und dem automatischen Erwerb des Schweizer Bürgerrechtes durch die Ausländerin bei der Heirat andererseits, so dass eine getrennte Behandlung sachlich nicht gerechtfertigt wäre.

6. Nach dieser allgemeinen Beurteilung noch einige Bemerkungen zum Bericht und Antrag der Kommission: a) Nach dem vorgeschlagenen Verfassungstext soll ein Kind das Schweizer Bürgerrecht automatisch erwerben, wenn der Vater und die Mutter Schweizer sind, also auch, wenn sie im Ausland wohnen und keine Beziehung mehr zur Schweiz haben oder wenn die Mutter das Schweizer Bürgerrecht lediglich durch Heirat erworben hat. Hat nur ein Elternteil das Schweizer Bürgerrecht, so soll in der Bundesgesetzgebung geregelt werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Bindung der Eltern zur Schweiz angenommen werden kann.

Wir ziehen es jedoch vor, wenn der Buridesgesetzgeber allgemein flir die Regelung.des Bürgerrechtserwerbs durch Abstammung zuständig erklärt wird. Der Bundesgesetzgeber hätte dann die Möglichkeit, für jedes im Ausland geborene Kind, unabhängig davon, ob beide Eltern das Schweizer Bürgerrecht besitzen oder ob nur ein Elternteil es besitzt, die gleichen Modalitäten für den Erwerb des Bürgerrechts durch Abstammung vorzusehen.

1175

b) Während im Verfassungstext ausdrücklich erwähnt wird, dass es sich um schweizerische Eltern oder einen schweizerischen Elternteil handeln muss, wird im Bericht (Ziff. 33 vierter Absatz) erklärt, dass auch Kinder von Frauen, die das Schweizer Bürgerrecht durch Heirat verloren haben, dieses sollen erwerben können. Ob dieses Anliegen sachlich gerechtfertigt ist und einem echtem Bedürfnis entspricht bliebe näher abzuklären.

7. Antrag Der Bundesrat "beantragt aus den dargelegten Gründen, die Behandlung der parlamentarischen Initiative zu verschieben, bis wir im Laufe des Jahres 1981 unsere Vorlage unterbreitet haben, damit dann in voller Kenntnis der Lage entschieden werden kann, ob es angebracht ist, die von der Kommission vorgeschlagene Teillösung vorweg gesondert zu behandeln.

18. Februar 1981

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Furgler Der Bundeskanzler: Huber

7649

1176

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Stellungnahme des Bundesrates zur parlamentarischen Initiative über Bundesverfassung und Schweizer Bürgerrecht vom 18. Februar 1981

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1981

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

15

Cahier Numero Geschäftsnummer

79.223

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.04.1981

Date Data Seite

1172-1176

Page Pagina Ref. No

10 048 307

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.