05.082 Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsordnung vom 23. November 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags vom 1. Juni 2000 und der Ausführungsordnung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 1999 M

98.3243

Revision Bundesgesetz über die Erfindungspatente (S 1.10.1998, Leumann-Würsch; N 20.4.1999)

2001 P

01.3596

Biologische Ressourcen des Südens. Recht auf Partizipation.

(N 14.12.2001, Sommaruga)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. November 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-1652

1

Übersicht Schwerpunkt der Vorlage bildet ein angemessener Patentschutz für biotechnologische Erfindungen. Weitere wesentliche Teilaspekte der Revision sind die Genehmigung des Patentrechtsvertrags zur Harmonisierung der Formalitäten im Patentrecht sowie die Umsetzung der Entschliessung der Welthandelsorganisation (WTO) zur Verbesserung der Verfügbarkeit pharmazeutischer Produkte in Entwicklungsländern.

Ausgangslage 1. Patentschutz für biotechnologische Erfindungen ist wesentlich für Investitionen in der Biotechnologie und ein Schlüsselfaktor für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der entsprechenden Branche in der Schweiz. Das Patentrecht trägt aber den Besonderheiten biotechnologischer Erfindungen nicht hinreichend Rechnung.

Reformbestrebungen wurden indessen mit Rücksicht auf die Rechtsentwicklung in der Europäischen Gemeinschaft bisher immer wieder zurückgestellt. Am 20. April 1999 überwies das Parlament dem Bundesrat die Motion Leumann, die diesen auffordert, eine Angleichung des schweizerischen Patentrechts an die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (EG-Biotechnologie-Richtlinie) vorzunehmen. Die Erfüllung dieser Motion bildet den Schwerpunkt der Revision.

2. Am 1. Juni 2000 konnte der Patentrechtsvertrag (Patent Law Treaty, PLT) ausgehandelt und von der Schweiz unterzeichnet werden. Dieses Abkommen harmonisiert gewisse Formalitäten des Patentrechts und trägt damit zu grösserer Rechtssicherheit für die Nutzer des Patentsystems in einem zunehmend globalen Umfeld bei. Mit dieser Vorlage unterbreitet der Bundesrat dem Parlament das Abkommen zur Genehmigung und schlägt ihm die erforderlichen Gesetzesanpassungen vor.

3. Am 30. August 2003 verabschiedete der Generalrat der WTO eine Entschliessung, die Mitgliedstaaten der WTO mit genügenden Herstellungskapazitäten erlaubt, unter klar definierten Voraussetzungen eine Zwangslizenz für die Herstellung und den Export patentgeschützter pharmazeutischer Produkte vorzusehen. Diese Massnahme soll es Entwicklungsländern mit fehlender oder ungenügender eigener Produktionskapazität ermöglichen, zu einem für sie erschwinglichen Preis zu patentgeschützten pharmazeutischen Produkten zu kommen, falls sie diese zur Bekämpfung gravierender öffentlicher
Gesundheitsprobleme wie beispielsweise von AIDS oder Malaria benötigen. Die Revision will diese Massnahme für die Schweiz umsetzen.

4. Neue Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft zur Bekämpfung der Piraterie an Immaterialgüterrechten, die Berichterstattung des Bundesrates in der Frage der Parallelimporte patentierter Güter und weitere Entwicklungen sind Anlass für weitere Reformvorschläge.

2

Inhalt der Vorlage 1. Die Revision des Patentgesetzes bezweckt, einen angemessenen Patentschutz für biotechnologische Erfindungen sicherzustellen. Dieser soll einerseits wirksam sein, andererseits auch klare Schranken enthalten. Letztere sollen dazu beitragen, eine Beeinträchtigung der Forschung und der Weiterentwicklung von Erfindungen zu vermeiden und einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Patentinhabers und denjenigen der Allgemeinheit zu gewährleisten.

Anpassungen erfolgen zunächst bei den Grenzen der Patentierbarkeit, die bezogen auf den menschlichen Körper und auf Gensequenzen im Gesetz verdeutlicht werden.

Eine weitere Konkretisierung erfährt auch der allgemeine Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten.

Der Schutzbereich biotechnologischer Erfindungen wird im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der EU-Biotechnologie-Richtlinie geregelt. Darüber hinaus enthält die Vorlage eine Bestimmung, die unangemessen breiten, spekulativen Patentansprüchen entgegentritt. Der Patentschutz für Gensequenzen erstreckt sich demnach nur auf die Sequenzabschnitte, welche für die in der Anmeldung konkret beschriebenen Eigenschaften und Verwendungszwecke (Funktionen) der Sequenzen wesentlich sind.

Über das Anliegen der Motion Leumann hinaus werden die Ausnahmen von der Wirkung des Patents im Gesetz geregelt. Namentlich wird das Forschungsprivileg gesetzlich verankert. Es erlaubt die wissenschaftliche Forschung am Gegenstand der Erfindung unabhängig von der Zustimmung des Patentinhabers. Zusätzlich werden alle Handlungen freigestellt, die für die Zulassung eines Arzneimittels nach Bundesrecht vorausgesetzt sind. Dient eine biotechnologische Erfindung als Instrument zur Forschung, so sieht die Vorlage einen Lizenzanspruch für dessen Benützung vor. Damit ist die Forschungsfreiheit in weitreichendem Mass gewährleistet.

Als weitere Ausnahme wird die Benützung einer patentierten Erfindung zu Unterrichtszwecken dem Abwehrrecht des Patentinhabers entzogen. Die Vorlage schlägt zudem vor, patentiertes biologisches Material, das im Bereich der Landwirtschaft zufällig oder technisch nicht vermeidbar vermehrt wurde, von den Wirkungen des Patents auszunehmen. Damit werden Landwirte vor einer übermässigen Inanspruchnahme geschützt. Dank diesen Massnahmen soll das dem Patentsystem eigene Ziel
der Förderung von Forschung und Entwicklung noch besser erreicht werden.

Der Patentanmelder soll neu verpflichtet werden, in der Patentanmeldung Angaben über die Quelle einer genetischen Ressource und von traditionellem Wissen zu machen. Diese Massnahme führt zu einer grösseren Transparenz und vereinfacht damit die nachträgliche Kontrolle der Zugangsberechtigung zu dieser Ressource bzw. zu diesem Wissen sowie die Durchsetzung einer Aufteilung der allenfalls aus deren Nutzung entstehenden wirtschaftlichen Vorteile.

Schliesslich werden mit der Veröffentlichung der Patentgesuche, der Einführung eines eingeschränkten Einspruchsverfahrens sowie einer fakultativen Recherche zum Stand der Technik Verbesserungen des nationalen Patentsystems vorgeschlagen, welche die Transparenz erhöhen, die frühe Verbreitung von Wissen sicherstellen und die Position Dritter verbessern. Diese Massnahmen sind für den sensiblen

3

Bereich der biotechnologischen Erfindungen von besonderer Bedeutung, stärken indessen ganz allgemein das nationale Patentsystem.

2. Der Patentrechtsvertrag vereinheitlicht bestimmte Formalerfordernisse im Zusammenhang mit der Anmeldung und Aufrechterhaltung eines Patents, die nationalrechtlich sehr unterschiedlich geregelt sind. Der Vertrag legt etwa die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldedatums eines Patentgesuchs fest, regelt die formellen Anforderungen an ein solches Gesuch, bestimmt die Handlungen, für welche die Bestellung eines Vertreters nicht vorgeschrieben werden darf, reduziert die Übersetzungslast und beugt dem Rechtsverlust als Folge einer versäumten Frist vor, indem dem nationalen Gesetzgeber die Gewährung bestimmter Rechtsbehelfe vorgeschrieben wird. Ziel der Rechtsangleichung ist es, die administrativen Verfahren, an die der Patentschutz anknüpft, benutzerfreundlicher und effizienter zu gestalten. Der Patentrechtsvertrag soll es Patentbewerbern und Patentinhabern erleichtern, in einer Vielzahl von Ländern Schutz für ihre Erfindungen zu erlangen. Die Ratifizierung des Vertrags erfordert die Anpassung einzelner Bestimmungen des Patentgesetzes.

3. Die Umsetzung der Entschliessung des Generalrats der WTO vom 30. August 2003 sieht die Möglichkeit vor, patentgeschützte pharmazeutische Produkte nötigenfalls in der Schweiz unter einer Zwangslizenz herzustellen, um diese anschliessend in Entwicklungsländer zu exportieren, wenn Letztere sie zur Eindämmung schwerer Probleme im öffentlichen Gesundheitswesen benötigen und selbst über keine genügende Produktionskapazität auf pharmazeutischem Gebiet verfügen.

4. Von den weiteren Reformpunkten der Revision des Patentgesetzes sind nationale Massnahmen zur Bekämpfung der Piraterie an Geistigem Eigentum sowie eine Regelung zur Vermeidung von Konflikten bei Parallelimporten von sowohl markenoder urheberrechtlich als auch patentrechtlich geschützten Produkten zu nennen.

4

Inhaltsverzeichnis Übersicht Abkürzungsverzeichnis 1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Revisionspunkte im Bereich der Biotechnologie 1.1.1 Ausgangslage 1.1.2 Beantragte Neuregelung 1.1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.1.3.1 Begründung 1.1.3.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.1.3.3 Standpunkte und Stellungnahmen im vorparlamentarischen Verfahren 1.1.3.4 Strittige Punkte 1.1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.1.5 Verhältnis zum europäischen Recht 1.1.6 Erledigung parlamentarischer Vorstösse 1.2 Ratifikation des Patentrechtsvertrags 1.2.1 Ausgangslage 1.2.2 Verlauf der Verhandlungen 1.2.3 Verhandlungsergebnis 1.2.4 Überblick über den Inhalt des Patentrechtsvertrags 1.2.5 Würdigung 1.3 WTO-Beschluss zu Zwangslizenzen für den Export pharmazeutischer Produkte 1.4 Weitere Revisionspunkte 1.4.1 Parallelimporte 1.4.2 Massnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie 1.4.3 Sonstiges 2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Patent- gesetzes sowie des Patentrechtsvertrags 2.1 Revisionspunkte im Bereich der Biotechnologie 2.1.1 Begriffsbestimmungen 2.1.2 Erfindungsbegriff und Ausschlüsse von der Patentierung (Art. 1a, 1b und 2 E-PatG) 2.1.2.1 Abgrenzung von Erfindung und Entdeckung 2.1.2.2 Der menschliche Körper und seine Bestandteile (Art. 1a E-PatG) 2.1.2.3 Gensequenzen (Art. 1b E-PatG) 2.1.2.4 Patentierung von Genen und Erbe der Menschheit 2.1.2.5 Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten (Art. 2 Abs. 1 E-PatG) 2.1.2.6 Informierte Zustimmung 2.1.2.7 Ethikkommissionen 2.1.2.8 Pflanzensorten und Tierrassen und ihrem Wesen nach biologische Verfahren (Art. 2 Abs. 2 Bst. a E-PatG)

2 8 12 13 13 14 16 16 17 18 23 28 28 29 30 30 30 30 31 31 31 33 33 36 38 42 42 42 42 42 46 48 50 51 56 60 61 5

2.1.2.9 Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik (Art. 2 Abs. 2 Bst. b E-PatG) 2.1.3 Wirkung des Patents (Art. 8 Abs. 1, 8a, 8b, 8c E-PatG) 2.1.4 Ausnahmen von der Wirkung des Patents (Art. 9 und 9a Abs. 3 E-PatG) 2.1.5 Gesetzliche Beschränkungen im Recht aus dem Patent (Art. 40b und 40c E-PatG) 2.1.6 Anforderungen an die Patentanmeldung (Art. 49 Abs. 2 Bst. b, 49a, 50a, 81a und 138 E-PatG) 2.1.7 Änderungen im schweizerischen Patentverfahren (Art. 5 Abs. 2, 58a, 59 Abs. 5 und 6, 59b, 59c, 61, 62, 65, 73 Abs. 3 E-PatG) 2.2 Ratifikation des Patentrechtsvertrags 2.2.1 Anwendungsbereich 2.2.2 Allgemeine Bestimmungen (Art. 1­4 und Regel 1 PLT) 2.2.3 Besondere Bestimmungen (Art. 5­15 und Regeln 2­17 PLT) 2.2.3.1 Anmeldedatum (Art. 5 und Regel 2 PLT) 2.2.3.2 Form- und Inhaltsvorschriften betreffend Patentgesuche (Art. 6 und Regeln 4­6 PLT) 2.2.3.3 Vertretung und Vertreterzwang (Art. 7 und Regel 7 PLT) 2.2.3.4 Kommunikation (Art. 8 und Regeln 8­11 PLT) 2.2.3.5 Benachrichtigungen (Art. 9 PLT) 2.2.3.6 Gültigkeit und Widerruf eines Patents (Art. 10 PLT) 2.2.3.7 Fristerstreckung, Fortsetzung des Verfahrens, Wiederherstellung (Art. 11 und 12 sowie Regel 12 und 13 PLT) 2.2.3.8 Berichtigung oder Ergänzung eines Prioritätsanspruchs; Wiederherstellung des Prioritätsrechts (Art. 13 und Regel 14 PLT) 2.2.3.9 Änderungen und Eintragungen im Patentregister (Regeln 15­17 PLT) 2.2.4 Vertrags- und verwaltungstechnische Bestimmungen 2.2.5 Änderung des Patentgesetzes zur Ratifizierung des Patentrechtsvertrags 2.2.5.1 Die beantragte Neuregelung 2.2.5.2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.3 Umsetzung des WTO-Beschlusses zu Zwangslizenzen für den Export pharmazeutischer Produkte (Art. 40d E-PatG) 2.4 Weitere Revisionspunkte 2.4.1 Parallelimporte (Art. 9a Abs. 1­3 E-PatG) 2.4.2 Massnahmen zur Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterie (Art. 8, 60 Abs. 3, 66 Bst. b, 70a, 81 Abs. 3, 86a­86k E-PatG) 2.4.3 Sonstiges (Art. 7 Abs. 3, 75, 77, 121, 138 und 145 E-PatG; Art. 109, 111, 127 und 129 E-IPRG) 2.4.3.1 Älteres Recht (Art. 7 Abs. 3, Art. 7a­7d und Art. 121 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 E-PatG) 2.4.3.2 Internationales Privatrecht (Art. 109, 111, 127 und 129 E-IPRG) 2.4.3.3 Anpassung an den PCT (Art. 138 E-PatG) 6

64 64 69 77 79 85 91 91 92 93 93 95 97 98 100 101 102 104 105 106 109 109 109 112 117 117 118 124 124 125 126

2.4.3.4 Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers (Art. 75, 77 Abs. 5, 145 Abs. 2 E-PatG) 2.4.3.5 Aufhebung der Vorschriften über die Vorprüfung (Art. 59d, Art. 61 Abs. 2, Art. 63a, Art. 72 Abs. 2, Art. 73 Abs. 4, Art. 87­106a, Art. 139 PatG; Art. 63 Abs. 1 und Art. 86 E-PatG) 2.4.3.6 Gesetzestechnische Anpassungen (Art. 26, 28, 46a Abs. 4 Bst. g, 140h, 142­144 E-PatG) 2.4.4 Anpassung der übrigen immaterialgüterrechtlichen Erlasse 2.4.4.1 Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Art. 62, 63, 65, 66a, 67, 75­77h, 81a E-URG) 2.4.4.2 Änderung des Topographiengesetzes (Art. 5, 11 und 12 ToG) 2.4.4.3 Änderung des Markenschutzgesetzes (Art. 13, 41, 53­55, 57, 59, 78a, 61, 62, 70­72h E-MSchG) 2.4.4.4 Änderung des Designgesetzes (Art. 9, 40, 46­49 E-DesG) 3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund und auf Kantone und Gemeinden 3.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.2.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns 3.2.2 Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen 3.2.3 Beurteilung einzelner konkreter Massnahmen 3.2.4 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft 3.2.5 Alternative Regelungen 3.2.6 Zweckmässigkeit im Vollzug

126

128 129 130 130 131 132 135 136 136 137 137 139 140 141 143 144

4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zum Finanzplan

144

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.1.1 Revisionspunkte im Bereich der Biotechnologie 5.1.2 Ratifikation des Patentrechtsvertrags 5.1.3 Weitere Revisionspunkte 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

144 144 144 144 144 145 146 146

Glossar

148

Bundesgesetz über die Erfindungspatente (Entwurf)

155

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsordnung (Entwurf)

187

Patentrechtsvertrag

189

Ausführungsordnung zum Patentrechtsvertrag

209

Gemeinsame Erklärungen der diplomatischen Konferenz zum Patentrechtsvertrag und zur Ausführungsordnung

229

7

Abkürzungsverzeichnis Ausführungsordnung EPÜ/AO EPÜ

Ausführungsordnung vom 5. Oktober 1973 zum Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente; SR 0.232.142.21

Ausführungsordnung PCT/AO PCT

Ausführungsordnung vom 19. Juni 1970 zum Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens; SR 0.232.141.11

Biodiversitätskonvention/CBD

Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 5. Juni 1992 über die Biologische Vielfalt; SR 0.451.43

Biotechnologie-Bericht EJPD

Biotechnologie und Patentrecht: Die Patentierbarkeit von Erfindungen betreffend Organismen, Bericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, August 1993 (http://www.ige.ch/D/jurinfo/pdf/j140_biod.pdf)

Biotechnologie-Umfrage IGE

Research and Patenting in Biotechnology ­ A Survey in Switzerland, Umfrage und Bericht des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum, Dezember 2003 (http://www.ige.ch/E/jurinfo/pdf/j10005e.pdf)

Botschaft 1950

Botschaft des Bundesrates vom 25. April 1950 an die Bundesversammlung über die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente, BBl 1950 I 933

Botschaft 1976

Botschaft des Bundesrates vom 24. März 1976 an die Bundesversammlung über drei Patentübereinkommen und die Änderung des Patentgesetzes, BBl 1976 II 1

Botschaft 1989

Botschaft vom 16. August 1989 zu einer Änderung des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente; BBl 1989 III 232

Botschaft 1993

Botschaft vom 18. August 1993 zu einer Änderung des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente sowie zu einem Bundesbeschluss über eine Änderung des Übereinkommens über die Erteilung Europäischer Patente, BBl 1993 III 706

Botschaft Gen-Schutz-Initiative

Botschaft vom 6. Juni 1995 über die Volksinitiative «zum Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulation (Gen-Schutz-Initiative)»; BBl 1995 III 1333

8

BV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV); SR 101

BV 1874

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874

CBD

Siehe Biodiversitätskonvention

Designgesetz/DesG

Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design (Designgesetz, DesG); SR 232.12

EG-Biotechnologie-Richtlinie

Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen; ABl. EG L 213 vom 30. Juli 1998, S. 13

EG-Zollverordnung

Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Massnahmen gegenüber Waren, die erkanntermassen derartige Rechte verletzen; ABl. EG L 196 vom 2. August 2003, S. 7

EKAH

Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im ausserhumanen Bereich

EPA

Europäisches Patentamt

E-PatG

Vorgeschlagene Änderung des Patentgesetzes

EPO

Europäische Patentorganisation

Europäisches Patentübereinkom- Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über men/EPÜ die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen); SR 0.232.142.2 Fortpflanzungsmedizingesetz/ FMedG

Bundesgesetz vom 18. Dezember 1998 über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG); SR 810.11

Gentechnikgesetz/GTG

Bundesgesetz vom 21. März 2003 über die Gentechnik im Ausserhumanbereich (Gentechnikgesetz, GTG); SR 814.91

Gerichtsstandsgesetz/GestG

Bundesgesetz vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG); SR 272

Heilmittelgesetz/HMG

Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG); SR 812.21

IGE

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum

9

Internationaler Vertrag der FAO

Internationaler Vertrag vom 3. November 2001 über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO); SR 0.910.6

IPRG

Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG); SR 291

Kartellgesetz/KG

Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG); SR 251

Markenschutzgesetz/MSchG

Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG); SR 232.11

NEK-CNE

Nationale Ethikkommission für Humanmedizin

Patentgesetz/PatG

Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG); SR 232.14

Patentrechtsvertrag

Siehe PLT

Patentverordnung/PatV

Verordnung vom 19. Oktober 1977 über die Erfindungspatente (Patentverordnung, PatV); SR 232.141

PCT

Vertrag vom 19. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT); SR 0.232.141.1

PLT

Patentrechtsvertrag vom 1. Juni 2000 (Patent Law Treaty)

PVÜ

Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967; SR 0.232.04

Sortenschutzgesetz

Bundesgesetz vom 20. März 1975 über den Schutz von Pflanzenzüchtungen (Sortenschutzgesetz); SR 232.16

Stammzellenforschungsgesetz/ StFG

Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über die Forschung an embryonalen Stammzellen (Stammzellenforschungsgesetz, StFG); SR 810.31

Topographiengesetz/ToG

Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über den Schutz von Topographien von Halbleitererzeugnissen (Topographiengesetz, ToG); SR 231.2

TRIPS-Abkommen

Abkommen vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte an geistigem Eigentum (Anhang 1C zum Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation); SR 0.632.2

Urheberrechtsgesetz/URG

Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG); SR 231.1

10

WIPO

Weltorganisation für Geistiges Eigentum mit Sitz in Genf (World Intellectual Property Organization)

WTO

Welthandelsorganisation mit Sitz in Genf (World Trade Organization)

11

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

Schwerpunkt der Revision bildet die Frage der Patentierung biotechnologischer Erfindungen und dabei insbesondere die Angleichung des Patentgesetzes an die EG-Biotechnologie-Richtlinie. Anstoss dazu gab die Motion von Ständerätin Helen Leumann vom 10. Juni 19981, die das Parlament dem Bundesrat am 20. April 1999 überwies.

Ausserdem sind die für eine Ratifizierung des Patentrechtsvertrags (Patent Law Treaty, PLT) vom 1. Juni 2000 erforderlichen Anpassungen des Gesetzes Gegenstand der Revision.

Weiter enthält die Revisionsvorlage einen Vorschlag für eine Exportlizenz für patentgeschützte Arzneimittel an Entwicklungsländer mit fehlender oder ungenügender Produktionskapazität auf pharmazeutischem Gebiet. Damit soll die Entschliessung des Generalrats der WTO vom 30. August 2003 für die Schweiz umgesetzt werden, welche Entwicklungsländern einen besseren Zugang zu patentgeschützten Arzneimitteln verschaffen will.

Schliesslich trägt die Revision einer Reihe von nationalen und internationalen Entwicklungen der vergangenen Jahre Rechnung. Hervorzuheben sind Massnahmen zur Bekämpfung der Piraterie an Geistigem Eigentum sowie die Regelung der Mehrfachschutzproblematik zwecks Ermöglichung des Parallelimports von marken- oder urheberrechtlich geschützten Produkten.

Bezüglich der anderen Teilaspekte der Vernehmlassungsvorlage vom 7. Juni 2004 beschloss der Bundesrat angesichts ihrer unterschiedlichen Tragweite und Dringlichkeit ein zeitlich gestaffeltes Vorgehen. Als erstes hiess er am 18. Mai 2005 die Botschaft zur Genehmigung von zwei Abkommen betreffend das europäische Patentsystem (die Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens sowie das Übereinkommen über die Anwendung des Artikels 65 des Europäischen Patentübereinkommens) gut2. Vor Ende 2006 sollen ihm schliesslich die Botschaften und Entwürfe zu einem Bundesgesetz über das Bundespatentgericht sowie zu einem Bundesgesetz über den Patentanwaltsberuf vorgelegt werden. Das gestaffelte Vorgehen führt indessen zu gewissen Überschneidungen. Einzelne Artikel des Patentgesetzes, die im Hinblick auf die Genehmigung von zwei Abkommen betreffend das europäische Patentsystem geändert werden sollen, sind auch Gegenstand des mit der vorliegenden Botschaft unterbreiteten Revisionsentwurfs des Patentgesetzes (Art. 1a, 7c, 7d, 26 Abs. 1, 121 Abs. 1). Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens sind die betroffenen Bestimmungen an die zuerst in Kraft tretenden Fassungen anzupassen.

1 2

12

98.3243 M Revision Bundesgesetz über die Erfindungspatente (S 1.10.1998, LeumannWürsch; N 20.4.1999).

Botschaft über die Genehmigung von zwei Abkommen betreffend das europäische Patentsystem und über die Änderung des Patentgesetzes, BBl 2005 3773.

1.1

Revisionspunkte im Bereich der Biotechnologie

1.1.1

Ausgangslage

Geltende Regelung In der Schweiz sind Errungenschaften auf allen Gebieten der Technik ohne Unterschied patentierbar. Dieser Grundsatz fliesst aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gleichbehandlung und der völkerrechtlichen Verpflichtung von Artikel 27 Absatz 1 des TRIPS-Abkommens (vgl. Ziff. 5.2). Erfindungen auf dem Gebiet der belebten Natur sind daher grundsätzlich patentierbar, sofern sie die allgemeinen Patentierungsvoraussetzungen nach Artikel 1 PatG erfüllen, das heisst, wenn es sich um ein Verfahren bzw. ein Erzeugnis handelt, welches neu ist, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und gewerblich anwendbar ist.

Änderungsbedarf Das geltende Patentgesetz trägt dem Umstand nicht vollumfänglich Rechnung, dass Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie mit biologischem Material zu tun haben, das vermehrbar ist und eine hohe Komplexität aufweist. Um den Besonderheiten dieser Technologie angemessen Rechnung zu tragen, muss das geltende Recht in einigen Punkten angepasst und ergänzt werden. Ziel dieser Differenzierungen ist es, für biotechnologische Erfindungen einen wirksamen und angemessenen Schutz sicherzustellen. Es ist aber hervorzuheben, dass der Patentschutz für biotechnologische Erfindungen nicht erstmals in die schweizerische Rechtsordnung eingeführt wird. Biotechnologische Erfindungen bilden vielmehr seit langem Gegenstand zahlreicher internationaler, europäischer und nationaler Patente.

Vorgeschichte Erste Bemühungen um einen adäquaten Schutz für Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie mündeten in einen Gesetzesentwurf, welcher 1989 dem Parlament überwiesen wurde3. Die entsprechende Revision des Patentgesetzes wurde aber mit der Begründung sistiert, dass verschiedene internationale Entwicklungen des Patentrechts abgewartet werden sollten4.

Nachdem die Frage der Patentierung gentechnischer Erfindungen nicht Gegenstand der Gen-Lex-Motion5 von 1997 war, nahm sie der Bundesrat auch weder in die GenLex-Vorlage6 noch in den Entwurf für ein Gentechnikgesetz7 auf. Eine Änderung des Patentgesetzes vor Abschluss der entsprechenden Entwicklungen auf europäischer Ebene wurde als verfrüht erachtet.

Am 10. Juni 1998 reichte Ständerätin Helen Leumann eine Motion8 ein, mit welcher der Bundesrat aufgefordert wurde, im Nachgang zur Gen-Lex-Vorlage das Patentgesetz zu revidieren und das schweizerische Recht an die am 6. Juli 1998 erlassene EG-Biotechnologie-Richtlinie anzupassen. Der Bundesrat erklärte sich am 3 4 5 6 7 8

Botschaft 1989; BBl 1989 III 232 AB 1991 N 1288, AB 1991 S 890 96.3363 M Ausserhumane Gentechnologie. Gesetzgebung (N 26.9.1996, Kommission für Wissenschaft, ildung und Kultur NR, S 4.3.1997).

BBl 1992 II 1652, 1994 V 200 BBl 2000 2391 98.3243 M Revision Bundesgesetz über die Erfindungspatente (S 1.10.1998, LeumannWürsch; N 20.4.1999).

13

16. September 1998 bereit, die Motion entgegenzunehmen. Der Ständerat beschloss am 1. Oktober 1998 die Annahme der Motion, der Nationalrat überwies sie dem Bundesrat am 20. April 1999.

Von Dezember 2001 bis Ende April 2002 führte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine breit angelegte erste Vernehmlassung zu einem Entwurf zur Revision des Patentgesetzes durch. Die Vernehmlassung zeigte, dass die öffentliche Diskussion aufgrund der hohen Technizität und Komplexität der Thematik mehr Zeit brauchte und dass die Öffentlichkeit über keine oder bloss ungesicherte Informationen zu dieser Materie verfügte. Der Bundesrat erachtete es im Lichte dieser Ergebnisse als sinnvoll, den begonnenen Dialog fortzusetzen und die versachlichte Diskussion zu vertiefen. In seiner Sitzung vom 29. November 2002 beauftragte er deshalb das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, vor Ausarbeitung einer Gesetzesbotschaft gewisse Fragestellungen noch eingehender zu analysieren und zur Diskussion zu stellen. Im 2003 vertiefte das für diese Arbeiten federführende IGE diese Themen in Gesprächen mit allen interessierten Dienststellen der Bundesverwaltung, mit den Ethikkommissionen sowie mit Vertretern der interessierten externen Kreise. Ausserdem führte es eine Umfrage bei Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen im Bereich der Biotechnologie durch. Deren Ziel war es, den Einfluss von Patenten auf biotechnologische Erfindungen auf Grundlagen- und angewandte Forschung empirisch zu ergründen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung9 sowie der Gespräche flossen in eine überarbeitete Revisionsvorlage ein, welche Gegenstand eines zweiten Vernehmlassungsverfahrens bildete. Die Vernehmlassung wurde am 1. Juli 2004 eröffnet. Sie dauerte bis zum 31. Oktober 2004.

Zum Ergebnis dieser Vernehmlassung siehe Ziffer 1.1.3.3.

Schnittstelle zur Revision des Sortenschutzgesetzes Die Motion Leumann10 verlangt die Einführung eines Landwirteprivilegs bezüglich der Eigenverwertung von Tieren, tierischem und pflanzlichem Vermehrungsmaterial entsprechend Artikel 11 der EG-Biotechnologie-Richtlinie. Als Schnittstelle zwischen Patent- und Sortenschutzrecht wurde die entsprechende Änderung des Patentgesetzes (neue Art. 35a und 35b PatG) vorab im Rahmen der Revision des Sortenschutzgesetzes11 aufgenommen. Dies gilt gleichermassen für die Frage der Abhängigkeitslizenzen zwischen Patent- und Sortenschutzrecht (neuer Art. 36a PatG).

1.1.2

Beantragte Neuregelung

Grenzen der Patentierbarkeit Die Grenzen der Patentierbarkeit werden in Übereinstimmung mit den Artikeln 119 und 120 BV und in Angleichung an die Artikel 4­6 der EG-BiotechnologieRichtlinie gesetzlich näher bestimmt. Artikel 1a E-PatG verdeutlicht diese Grenzen 9 10 11

14

«Research and Patenting in Biotechnology: A Survey in Switzerland», Bern 2003, http://www.ige.ch/E/jurinfo/documents/j10005e.pdf.

98.3243 M Revision Bundesgesetz über die Erfindungspatente (S 1.10.1998, LeumannWürsch; N 20.4.1999).

Botschaft vom 23. Juni 2004 über die Genehmigung des revidierten internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen und die Änderung des Sortenschutzgesetzes, BBl 2004 4155.

bezogen auf den menschlichen Körper und auf Gensequenzen im Allgemeinen.

Aufbauend auf den mit dem Stammzellenforschungsgesetz am 1. März 2005 in Kraft getretenen Änderungen12 wird der allgemeine Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten durch die Nennung der Menschenwürde und der Würde der Kreatur sowie durch Ergänzung der beispielhaften Auflistung der von der Patentierung ausgeschlossenen Erfindungen weiter präzisiert. Siehe Ziffer 2.1.2.5.

Schutzwirkungen eines Patents mit Ansprüchen auf biologisches Material Entsprechend den Artikeln 8­10 der EG-Biotechnologie-Richtlinie wird die Reichweite des Patentschutzes bei Ansprüchen auf biologisches Material gesetzlich klargestellt, wobei der Besonderheit der Vermehrbarkeit biologischen Materials Rechnung getragen wird. Zur Vermeidung unangemessen breiter Patentansprüche auf Nukleotidsequenzen von Genen wird der Schutz solcher Ansprüche auf die Sequenzabschnitte beschränkt, welche die im Patent konkret beschriebene Funktion erfüllen. Diesen Konkretisierungen der Schutzreichweite wird ein Katalog der Ausnahmen von der Wirkung des Patents zur Seite gestellt. Neben Ausnahmen im Interesse der Forschung und Entwicklung (dazu nachstehend) wird patentiertes biologisches Material, das im Bereich der Landwirtschaft zufällig oder technisch nicht vermeidbar vermehrt wurde, von den Wirkungen des Patents ausgenommen.

Damit werden Landwirte vor einer übermässigen Inanspruchnahme geschützt. Siehe Ziffer 2.1.3.

Massnahmen zur Sicherstellung der Forschung und Entwicklung Mit Rücksicht auf die Forschungsfreiheit, der auf dem Gebiet der Biotechnologie eine besondere Bedeutung zukommt, wird das bislang ungeschriebene Forschungsprivileg gesetzlich verankert. Dieses erlaubt die wissenschaftliche Forschung am Gegenstand der Erfindung auch ohne Zustimmung des Pateninhabers. Das Privileg wird in Anlehnung an die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs13 weitreichend ausgestaltet. Wo biologisches Material als Forschungswerkzeug Gegenstand des Patentschutzes ist, wird zudem ein Anspruch auf eine nicht ausschliessliche Lizenz zur Benützung des biologischen Materials in der Forschung statuiert. Schliesslich wird die Benützung einer patentierten Erfindung zu Unterrichtszwecken gänzlich dem Abwehrrecht des Patentinhabers entzogen. Die Revisionsvorlage will
mit diesen Massnahmen das dem Patentsystem inhärente Ziel der Förderung der Forschung und Entwicklung sicherstellen. Siehe Ziffer 2.1.4.

Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen Der Patentanmelder wird neu verpflichtet, in der Patentanmeldung gewisse Angaben über die Quelle einer genetischen Ressource und von traditionellem Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zu machen (declaration of source). Diese Massnahme führt zu einer grösseren Transparenz und vereinfacht damit die nachträgliche Kontrolle der Zugangsberechtigung zu dieser Ressource bzw. zu diesem Wissen sowie die Durchsetzung einer Aufteilung der allenfalls aus deren Nutzung entstehenden wirtschaftlichen Vorteile (access and benefit sharing). Siehe Ziffer 2.1.6.

12 13

AS 2005 947 Urteil vom 11. Juli 1995, Klinische Versuche I, BGHZ 130, 259; Urteil vom 17. April 1997, Klinische Versuche II, BGHZ 135, 217.

15

Stärkung des nationalen Verfahrens Die Vorlage sieht vor, durch einen massvollen Ausbau des Prüfungsverfahrens das nationale Patentsystem zu stärken. So sollen Patentgesuche 18 Monate nach der Anmeldung veröffentlicht werden. Weiter wird vorgeschlagen, ein im Wesentlichen auf den Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten beschränktes Einspruchsverfahren vor dem IGE einzuführen. Schliesslich ist auch eine fakultative Recherche zum Stand der Technik vorgesehen. Die vorgeschlagenen Massnahmen erhöhen die Transparenz, stellen die frühe Verbreitung von Wissen sicher und verbessern die Position Dritter, die sich mit nationalen Schutzrechtstiteln konfrontiert sehen. Siehe Ziffer 2.1.7.

Weitere Regelungspunkte Entsprechend der Motion Leumann14 enthält die Vorlage auch Vorschläge zur Offenbarung von biotechnologischen Erfindungen und Hinterlegung von biologischem Material. Schliesslich setzt sie sich mit der Funktion der Ethikkommissionen auseinander.

1.1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.1.3.1

Begründung

Biotechnologie ist eine zukunftsorientierte Technologie, deren Entwicklung wichtige Beiträge zur Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen verspricht. Zu denken ist etwa an die Entwicklung lebenswichtiger Arzneimittel zur Behandlung von Krebs, Diabetes, Parkinson, Alzheimer usw., aber auch an die biologische Beseitigung vieler Arten von Zivilisationsabfall (z. B. Biosanierung von verseuchten Böden mit Hilfe von Bakterien) sowie an Ertrags- und Qualitätssteigerungen bei Nutzpflanzen und die Reduktion der Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel.

Wegen dieses breiten Anwendungsspektrums hat die Biotechnologie gerade für die schweizerische Industrie eine grosse und laufend zunehmende wirtschaftliche Bedeutung15.

Für die auf dem Gebiet der Biotechnologie tätigen Unternehmen, die einem wachsenden internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt sind, erweisen sich ein angemessener, wirksamer Patentschutz und klare Vorschriften als Schlüsselfaktoren der Innovation und als eine Vorbedingung, um auf dem internationalen Markt bestehen zu können. Denn die für die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Biotechnologie erforderlichen Investitionen sind höher und risikoreicher als in vielen herkömmlichen Bereichen der Technik. Ein effektiver Patentschutz für biotechnologische Erfindungen und langfristige Rechtssicherheit sind daher erforderlich, damit weiterhin Investitionen in die Forschung und Entwicklung in dieser Zukunftstechnologie fliessen. Als Ausschliesslichkeitsrecht gibt das Patent nämlich die Möglichkeit, die im Erfindungsprozess aufgewendeten Geldmittel wieder einzunehmen. Ohne einen solchen Schutz liesse sich nicht verhindern, dass Forschungsund Entwicklungsergebnisse von anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich nutzbar 14 15

16

98.3243 M Revision Bundesgesetz über die Erfindungspatente (S 1.10.1998, LeumannWürsch; N 20.4.1999).

Biotechnologie-Umfrage IGE, Ziff. 2.4.

gemacht werden, ohne dass diese sich an den Gestehungskosten, den eingegangenen Risiken sowie dem gemachten Zeitaufwand beteiligen. Der Anreiz, in die Forschung und Entwicklung zu investieren, ginge verloren. Aus diesen Überlegungen spricht sich der Bundesrat seit 16 Jahren für einen angemessenen, wirksamen Schutz biotechnologischer Erfindungen aus16.

Patentschutz für biotechnologische Erfindungen ist nicht nur im Interesse weltweit operierender Pharma-Konzerne. Vor allem kleine und mittlere forschungsintensive Biotechnologie-(Startup-)Unternehmen sind zur Finanzierung ihrer Forschungs- und Entwicklungskosten auf fremdes (Start-)Kapital angewiesen. Investoren gehen das hiermit verbundene Risiko jedoch nur gegen entsprechende Sicherheit ein, das heisst, wenn die für den Geschäftserfolg wesentlichen Produkte oder Verfahren durch Patente geschützt sind und für diese Rechtssicherheit besteht. Da KMU ausserdem nicht immer über die notwendigen Ressourcen verfügen, Forschungsergebnisse in vermarktungsfähige Produkte umzusetzen, besteht oftmals ein Interesse an einer Kooperation mit anderen Unternehmen. Der Patentschutz sichert die Forschungsergebnisse und bietet eine gute Verhandlungsposition bei der Suche nach einem potenziellen Kooperationspartner. Ohne Patente für biotechnologische Entwicklungen würden kleinen und mittleren Biotechnologie-Unternehmen die Entwicklungschancen genommen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für private Biotech-Unternehmen, sondern auch für öffentliche Forschungseinrichtungen und Institute, die ihre Erfindungen vermarkten wollen, um damit zukünftige Forschungsaufwendungen finanzieren zu können.

Die Vorlage festigt auf der Grundlage der bestehenden Rechtspraxis den Patentschutz für Erfindungen auf dem Gebiet der belebten Natur und klärt Abgrenzungsfragen. Die unterbreiteten Änderungen gewährleisten einen angemessenen und wirksamen Patentschutz für biotechnologische Erfindungen, der für die Wettbewerbsfähigkeit der biotechnologischen Unternehmen in der Schweiz entscheidend ist, und schaffen die Rechtssicherheit, die für Investitionsentscheide in diesem Technologiebereich wesentlich ist.

1.1.3.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Im Rahmen der Vernehmlassungen wurde als Alternative zum Patentrecht ein eigenes Schutzsystem für biotechnologische Erfindungen (System sui generis) angeregt.

Ein solches Schutzsystem könnte indessen mit den geltenden internationalen Verpflichtungen der Schweiz (insbesondere dem TRIPS-Abkommen und dem Europäischen Patentübereinkommen) kollidieren, zum Alleingang der Schweiz auf internationaler Ebene und zu Rechtsunsicherheit für die Anwender des Patentsystems führen. Ein eigenes Schutzsystem stellt daher keinen gangbaren Lösungsansatz dar.

16

Botschaft 1989, BBl 1989 III 232, 236; Biotechnologie-Bericht EJPD, 42 ff.; Botschaft Gen-Schutz-Initiative, BBl 1995 III 1333, 1361 ff.; Antwort des Bundesrates vom 1. März 2000 auf die Interpellation Ruth Gonseth (99.3615 Ip Europäisches Patentübereinkommen. Uminterpretation; N 24.3.2000, Gonseth Ruth) sowie Antwort des Bundesrates vom 5. September 2001 auf die Interpellation Hans Widmer (01.3353 Ip Problematische Rechtspraxis des Europäischen Patentamtes. Wie reagiert die Schweiz?; N 5.10.2001, Widmer Hans).

17

1.1.3.3

Standpunkte und Stellungnahmen im vorparlamentarischen Verfahren

Ethische Überlegungen über die Patentierung biotechnologischer Erfindungen Im April 1998 setzte der Bundesrat die Eidgenössische Ethikkommission für Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) ein. Die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK-CNE) wurde 2001 eingesetzt. Beide Kommissionen haben die Aufgabe, den Bundesrat und die nachfolgenden Behörden aus ethischer Sicht bei der Gesetzgebung zu beraten. Die EKAH ist zuständig für alle Fragen im Umgang mit nicht-menschlichem Keim- und Erbgut. Die NEK-CNE befasst sich mit ethischen Fragen im Humanmedizinbereich. Während die EKAH die Diskussion der ethischen Aspekte der Patentierung 1999 aufnahm, befasste sich die NEK-CNE mit dem Patentrecht im Rahmen der Vernehmlassung zum Patentgesetz von 2002 und insbesondere im Zusammenhang mit der Regelung der Stammzellen im Stammzellenforschungsgesetz.

Beide Ethikkommissionen anerkennen ausdrücklich, dass intellektuelle Leistungen im Bereich der Biotechnologie schutzwürdig sind. Begründet wird dies mit der als ethisch gerechtfertigt erachteten Zielsetzung des Patentgesetzes, die Forschung im Interesse aller Mitglieder der Gesellschaft zu fördern. Der Staat schützt mit der Gewährung eines Patentes einen zeitlich begrenzten Monopolanspruch auf die mögliche kommerzielle technische Verwertung einer Erfindung. Damit erhalten Erfinderinnen und Erfinder die Möglichkeit, ihre Forschungsinvestitionen wieder einzuholen und darüber hinaus einen Gewinn zu erzielen. Als Gegenleistung wird die Erfindung zum Nutzen aller öffentlich zugänglich.

Dieser Ausgleich von Interessen muss in seiner konkreten Ausgestaltung gerecht erfolgen. Da dieses Ausgleichssystem ursprünglich für Erfindungen im Zusammenhang mit unbelebter Materie entwickelt worden ist, müssen aus Sicht der beiden Ethikkommissionen im Bereich der Biotechnologie und Biomedizin, d.h. beim Umgang mit lebender Materie, einige ethische Überlegungen und Bedenken bei der Patentrechtsregelung besonders beachtet werden. Die folgenden von den Ethikkommissionen eingebrachten Punkte basieren auf ihren bisherigen Stellungnahmen zu ethischen Aspekten der Patentierung wie auch auf Präzisierungen aus Gesprächen zwischen dem IGE und den beiden Kommissionen.

Menschenwürde und Würde der Kreatur: Die beiden Ethikkommissionen empfehlen, die Begriffe der Menschenwürde
und der Würde der Kreatur explizit in Artikel 2 Absatz 1 PatG aufzunehmen. Auch Erfindungen, deren Verwertung gegen die Menschenwürde oder die Würde der Kreatur verstossen, sind von der Patentierung auszunehmen. Transparenz und Kohärenz mit den nachfolgenden beispielhaften Aufzählungen von Ausschlussgründen erfordern die Nennung der Menschenwürde und der Würde der Kreatur als Teil des Vorbehalts der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten.

Unterscheidung zwischen Entdeckung und Erfindung: Die Unterscheidung zwischen Entdeckung und Erfindung ist normativ bedeutsam. Das Patentrecht ist als Belohnungs- und Anreizsystem für erfinderische Leistungen angelegt. Entdeckungen sollen nicht patentiert werden können. Ihnen fehlt die erfinderische Leistung. Sie mit einem Patent zu schützen, widerspricht dem Ausgleichssystem zwischen Forschenden und Gesellschaft. Es ist deshalb beiden Ethikkommissionen wichtig, diese Trennung auch unter Berücksichtigung des patentrechtlichen Verständnisses des 18

Begriffs der Erfindung klar zu ziehen und auch in der praktischen Anwendung des Patentrechts beizubehalten. Gene z.B. sind, auch wenn sie isoliert sind, nach Auffassung beider Ethikkommissionen keine Erfindungen, sondern Entdeckungen. Selbst wenn Gene nach patentrechtlichem Verständnis als Erfindungen klassiert werden, sollte ihnen aufgrund anderer Kriterien (fehlende Neuheit, ungenügende Erfindungshöhe, keine gewerbliche Anwendbarkeit) die Patentierbarkeit abgesprochen werden.

Forschungsprivileg: Die forschungsfördernde Wirkung ist eine zentrale Zielsetzung des Patentgesetzes. Forschungskreise aus dem Bereich der Biotechnologie, insbesondere öffentliche Forschungsinstitutionen, nahmen die patentrechtlichen Regelungen verschiedentlich als forschungsbehindernd wahr. Diese Wahrnehmung beruhte teilweise auf mangelnder Kenntnis über die eigenen Rechte. Die Aufnahme eines expliziten und zudem möglichst breiten Forschungsprivilegs ins Gesetz wird deshalb von beiden Ethikkommissionen begrüsst.

Neben den gemeinsamen Empfehlungen haben sich die beiden Ethikkommissionen entsprechend ihrem Mandat gesondert mit dem Ausserhuman- bzw. mit dem Humanmedizinbereich befasst und ihre ethischen Überlegungen und Bedenken wie folgt formuliert: Ausserhumanbereich (EKAH): Reichweite des Patentschutzes: Gene sollen von der Patentierung generell ausgeschlossen sein. Es gibt nach Ansicht der EKAH zwei Gründe, die gegen die Patentierung von Genen sprechen: Zum einen sind Gene, auch isolierte, keine Erfindungen und zum andern sollten sie als Erbe der Menschheit betrachtet werden. Geht der politische Wille auch vor dem Hintergrund der internationalen Regelungen dahin, Patente auf Gene dennoch zuzulassen, so ist die Reichweite von Patenten auf Gene so eng wie möglich zu halten. Der Patentschutz ist nur in einem so konkreten, präzisen und engen Kontext wie möglich zu gewähren.

Zugang zu Gerichten: Ungerechtfertigt breite Patentansprüche sollten möglichst bereits in der Gesetzgebung eingedämmt werden. Aufgrund der eingeschränkten Prüfungskompetenz des IGE in Patentsachen besteht jedoch die Befürchtung, dass zu breit gewährte Patente umständlich auf dem Gerichtsweg abgewehrt werden müssen. Deshalb sollte dieser Weg möglichst unkompliziert, kostengünstig und schnell und die Rechte der Betroffenen sollten möglichst transparent sein.
Zugang zu genetischen Ressourcen, Schutz der Biodiversität und Benefit Sharing: Der Zugang zu genetischen Ressourcen ist für die Forschung und die Züchtung von zentraler Bedeutung. Das Patentrecht soll deshalb so ausgestaltet sein, dass dieser Zugang jederzeit möglichst gut gewährleistet ist.

Die EKAH vertritt die Ansicht, dass keine Patente auf Gene erteilt werden dürften.

Werden diese dennoch gewährt, so sollen sie in Form eines Benefit Sharing abgegolten werden. Wichtig ist, dass sich das Benefit Sharing nicht nur auf die Verwendung genetischer Ressourcen, sondern auch auf die Verwendung traditionellen Wissens (traditional knowledge) bezieht. Auch bei traditionellem Wissen sollen die Vorleistungen bei der Entwicklung von Nutzpflanzen, Tieren und Medikamenten honoriert werden.

Die im Entwurf vorgeschlagene Herkunftsbezeichnung (declaration of source) ist ein Instrument, um Benefit Sharing zu ermöglichen. Die EKAH anerkennt die Vollzugsprobleme, die im Zusammenhang mit der Herkunftsbezeichnung entstehen. Die 19

Nachverfolgbarkeit des Ursprungs genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens erweist sich in der Praxis als teilweise schwierig. Die Probleme der Rechtsverwirklichung dürfen jedoch nicht dazu führen, das ethische Anliegen einer Abgeltung abzulehnen.

Würde anerkannt, dass Gene und genetische Ressourcen Erbe der Menschheit sind, so kämen die Erträge aus ihrer Verwendung der Menschheit und nicht einzelnen Staaten zugute. Die Souveränität der Staaten lässt sich jedoch als Treuhandschaft der Staaten für die auf ihrem Territorium befindlichen genetischen Ressourcen deuten.

D.h., das Erbe der Menschheit wurde nicht in die Verfügungsmacht der Staaten übertragen, sondern diesen nur anvertraut. Das Benefit Sharing soll Anreize schaffen, dass die als Treuhänder agierenden Staaten die Biodiversität erhalten. Damit ist jedoch noch nicht gewährleistet, dass auch indigene Volksgruppen, die einen wesentlichen Beitrag zum Schutz bestimmter genetischer Ressourcen leisten, von der Abgeltung profitieren können. Diese Forderung kann zwar nicht Gegenstand des schweizerischen Patentgesetzes sein, sollte aber in internationalen Verhandlungen thematisiert werden.

Da die Biodiversität als eine der wenigen Reichtümer des Südens wahrgenommen wird, sollten bei der Ausgestaltung des Benefit Sharing die Gerechtigkeitsaspekte im Verhältnis zwischen Nord und Süd besonders berücksichtigt werden. Massgeblich für eine Regelung ist deshalb, ob eine gerechte Abgeltung erreicht wird. Das Benefit Sharing ist ein ethisches Grundanliegen, das über das Patentrecht hinausreicht.

Landwirteprivileg: Das Landwirteprivileg ermöglicht den Landwirten, ihr Erntegut von patentierten Sorten im eigenen Betrieb zu vermehren. Die Vielfalt der existierenden Kulturpflanzen und landwirtschaftlich genutzten Tieren, auf deren Basis heute weitergezüchtet wird, wurde von den Landwirten hervorgebracht und gründet auf dem Austausch von Vermehrungsmaterial unter Landwirten. Für die EKAH ist die Gewährung eines Landwirteprivilegs im Patentrecht, das auch die unentgeltliche Weitergabe in geringen Mengen umfasst, ethisch geboten, um die Vielfalt weiterhin zu gewährleisten, auch wenn dieses Privileg in der Schweiz heute eine wirtschaftlich untergeordnete Rolle spielt.

Zugang zu biologischem Material für Züchterinnen und Züchter: Der freie Austausch von
Material unter Züchterinnen und Züchtern hat massgeblich zur bestehenden Vielfalt von Zuchttieren und Kulturpflanzen beigetragen. Die Erhaltung und Förderung einer möglichst grossen Vielfalt ist eine wichtige ethische Zielsetzung.

Um diese zu erreichen, soll das Patentrecht gewährleisten, dass Züchterinnen und Züchter zu fairen Bedingungen über Zugang auch zu patentrechtlich geschütztem biologischem Material verfügen.

Humanmedizinbereich (NEK-CNE): Die NEK-CNE gibt zu bedenken, dass (1) die Vergabe von Patenten in keiner Weise die Forschung im Gesundheitssektor oder die Verfügbarkeit von Gesundheitsleistungen einschränken darf. Sie begrüsst die Aufnahme eines Forschungsprivilegs ins Patentrecht. Sie unterstreicht, dass (2) die strikte Unterscheidung zwischen Erfindungen und Entdeckungen eine wesentliche Bedeutung hat, indem nämlich das Patentwesen seinen Charakter grundlegend verändern würde, wenn es vom Erfindungsschutz zu einem «Privatisierungsinstrument für entdeckte Forschungsgegenstände» verwandelt würde.

20

Dieses zweite Bedenken richtet sich konkret gegen die Patentierbarkeit von Bestandteilen des menschlichen Körpers wie Zellen, Genen oder Gensequenzen. Die Isolierung und funktionale Beschreibung von natürlich vorkommenden DNA-Sequenzen macht nach Auffassung der NEK-CNE aus ihnen noch keine Erfindungen. Deshalb sollen sie nicht patentierbar sein. Gegen technische Konzepte zu einer bestimmten Verwendung dieser Gene oder Sequenzen wäre hingegen nichts einzuwenden.

Eine analoge Überlegung gilt aus der Sicht der NEK-CNE für die Stammzellenforschung: Die Isolierung von Embryonen, von Organen und Zellen aus Embryonen, ihre Charakterisierung und ihre Weiterentwicklung zu standardisierten oder zu bestimmten Zwecken optimierten Zelllinien reicht nicht aus, um aus ihnen Erfindungen zu machen. Deshalb sollen Embryonen, Organe, Zellen oder Zelllinien nicht patentiert werden können. Nichts einzuwenden hat die NEK-CNE indessen gegen die Patentierung von Verfahren der Isolierung, von Methoden der Charakterisierung oder von Konzepten der optimierten Verwendung dieser Zellen.

Die NEK-CNE legt ausserdem Wert darauf, die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a PatG von der Patentierbarkeit grundsätzlich ausgeschlossenen «Verfahren zum Klonen menschlicher Lebewesen» dahingehend zu präzisieren, dass Verfahren zum «reproduktiven» Klonen menschlicher Lebewesen gemeint sind. Der Grund dafür ist, dass die Grundsatzfrage des sogenannten «therapeutischen» Klonens trotz faktisch geltendem Verbot «aller Arten des Klonens» in der Bundesverfassung (Art.

119 BV) einer eigenen ethischen, öffentlichen und politischen Diskussion bedarf, die in der Schweiz bisher noch nicht geführt wurde. Das Patentrecht soll diese Grundsatzfrage gegenwärtig nicht als entschieden vorwegnehmen.

Ergebnis der zweiten Vernehmlassung Das Ergebnis der zweiten Vernehmlassung lässt sich wie folgt zusammenfassen: 5 Kantone (AR, NE, SO, TG, TI), die CVP, der Schweizerische Städteverband, landwirtschaftliche Kreise, weite Teile der Hochschul- und Forschungskreise, die kleinen und mittleren Biotechnologie-Unternehmungen, Teile der Medizin sowie die Ethikkommissionen (EKAH, NEK-CNE) unterstützen grundsätzlich den Vernehmlassungsentwurf. Die Interessen der Wirtschaft an einem angemessenen Patentschutz für biotechnologische Erfindungen und die Anliegen der breiten
Gesellschaft, namentlich ethische und soziale Gesichtspunkte, seien ausgewogen berücksichtigt.

4 Kantone (AG, BL, FR, GE), Teile der Wirtschaftskreise sowie der Fachrechtskreise begrüssten die Vorlage insgesamt, äussern sich aber zum vorgeschlagenen zweckgebundenen Stoffschutz für Gensequenzen und/oder zur Offenlegung der Quelle genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens kritisch bis ablehnend.

3 Kantone (BS, GR, ZG), die FDP und die SVP, economiesuisse, die pharmazeutische Industrie sowie einzelne weitere Vernehmlassungsteilnehmer sind mit weiten Teilen der Revision einverstanden, lehnen aber den Vorentwurf als Ganzes wegen der Vorschläge zum zweckgebundenen Stoffschutz für Gensequenzen und zur Offenlegung der Quelle genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens ab. Im Ergebnis werde der Patentschutz in der Schweiz einseitig eingeschränkt und ungerechtfertigt eine diskriminierende Sonderstellung begründet.

5 Kantone (BE, JU, LU, SH, ZH), die CSP, die GPS sowie die SP, Entwicklungs-, Umwelt-, Tierschutz- und Konsumentenschutzorganisationen erachten eine Revision des Patentgesetzes für erforderlich, um den Ermessensfreiraum bei der Patentierung im Bereich der belebten Natur zu beseitigen. Sie lehnen die Vorlage ab, weil diese 21

die Patentierung von menschlichen, tierischen und pflanzlichen Bestandteilen festschreibe.

Von den umfangreichen Stellungnahmen zu den einzelnen Vorschlägen seien hier nur die wichtigsten Diskussionspunkte herausgegriffen:

22

­

Prinzip der Patentierbarkeit von biotechnologischen Erfindungen: Während eine grosse Zahl der Vernehmlassungsteilnehmer, namentlich drei Parteien (CVP, FDP, SVP) sowie Kreise der Wirtschaft und Forschung, den Schutz biotechnologischer Erfindungen durch Patente befürworteten, wurden Patente auf dem Gebiet der belebten Natur in zahlreichen Stellungnahmen in Frage gestellt. Namentlich drei Parteien (CSP, GPS, SP), Entwicklungs-, Umwelt-, Tierschutz- und Konsumentenschutzorganisationen lehnten die Patentierung von biologischem Material ab. Zwar war auch seitens dieser Vernehmlassungsteilnehmer mehrheitlich anerkannt, dass es richtig und notwendig ist, Innovationen im biotechnologischen Bereich einen Schutz zu gewähren. Doch erachteten sie das Patentsystem hierfür als ungeeignet. Spezifisch bestanden auch Vorbehalte gegenüber Patenten auf Gensequenzen.

­

Schutzumfang für Gensequenzen: Im Rahmen der Festlegung des Schutzes für biotechnologische Erfindungen war vor allem der Vorschlag zum zweckgebundenen Stoffschutz für Gensequenzen kontrovers. Die pharmazeutische Industrie ­ unterstützt von FDP und SVP, den Wirtschaftsverbänden und Teilen der Fachrechtsorganisationen ­ lehnte ihn ab. Der eingeschränkte Schutzumfang gewährleiste keinen adäquaten Schutz. Er bedeute einen Wettbewerbs- und Standortnachteil und verschlechtere die Rahmenbedingungen für die Forschung auf dem Gebiet der Biotechnologie. Die CVP, weite Teile der Hochschul- und Forschungskreise, die kleinen und mittleren Biotechnologie-Unternehmungen sowie Kreise der Landwirtschaft und Medizin unterstützen den Vorschlag. Der zweckgebundene Stoffschutz für Gensequenzen verhindere eine Überbelohnung für nicht geleistete erfinderische Tätigkeit, vermeide übermässige Abhängigkeiten und schaffe einen Anreiz für weitere Forschung. Auch CSP, GPS, SP, Entwicklungs-, Umweltund Konsumentenschutzorganisationen sowie Kreise der Ethik befürworteten die Regelung, sofern an der Patentfähigkeit von menschlichen Körperbestandteilen festgehalten werden sollte. Sie gaben indessen einem Patentierungsverbot für Gensequenzen den Vorzug.

­

Biodiversitätskonvention/«Access and benefit sharing»: Die Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen in Patentanmeldungen wurde von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer als transparenzförderndes Instrument grundsätzlich begrüsst. Die geäusserten Meinungen gingen aber auseinander, ob die Schweiz ein solches Erfordernis ohne internationale Verpflichtung bzw. ohne international harmonisierte Regelung in das Patentgesetz aufnehmen soll. Uneinigkeit bestand auch zur Frage, ob bei einer Unvereinbarkeit der Regelung mit dem Patentrechtsvertrag (PLT) der Ratifikation dieses Abkommens oder der Einführung der Quellenoffenlegung der Vorrang zu geben ist.

1.1.3.4

Strittige Punkte

Schutzbereich bei Gensequenzen Der Schutzumfang für Patente, die Gensequenzen zum Gegenstand haben (vgl. zur Patentierung Ziff. 2.1.2.1 und 2.1.2.3), wird in jüngster Vergangenheit in Europa (besonders in Deutschland) kontrovers erörtert. Ausgangspunkt der Kontroverse bildet die für chemische Stoffe namentlich in Deutschland etablierte Rechtsprechung, der zufolge der Schutz aus einem Erzeugnispatent absolut ist, d.h. unabhängig sowohl von der Art der Herstellung wie auch der Verwendung des Stoffes: Der Patentinhaber hat die Befugnis, nicht nur jede Herstellung des patentierten Stoffes, sondern auch jegliche Verwendungsarten desselben zu untersagen, selbst wenn er letztere weder gekannt noch in der ursprünglichen Anmeldung offenbart hat. Der Patentschutz ist insoweit also nicht «zweckgebunden», sondern «absolut». Die bis zum Erlass der EG-Biotechnologie-Richtlinie vorherrschende Auffassung charakterisierte Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen als chemische Moleküle und stellte darauf bezogene Erfindungen chemischen Stofferfindungen gleich. Damit wurde solchen Sequenzen der absolute Schutz zugesprochen. Das Patent schützt demnach die Sequenzen oder Teilsequenzen eines Gens in all seinen Funktionen und Verwendungsmöglichkeiten, auch wenn diese weder im Anmeldungs- noch im Erteilungszeitpunkt bekannt sind.

Der Gedanke, dass die Offenbarung einer einzigen Funktion einer gegebenen Sequenz nach den Grundsätzen über den absoluten Stoffschutz dazu berechtigt, sämtliche, d.h. auch die nicht offenbarten und mit der offenbarten Funktion in keinem Zusammenhang stehenden Funktionen einer Gensequenz durch ein Erzeugnispatent zu erfassen, wird vor dem Hintergrund der Multifunktionalität der Gene als unangemessen kritisiert. Darüber hinaus äussern namentlich Forscherkreise die Befürchtung, dass ein derart weitreichender Schutz bei Gensequenzen die Forschung behindern könnte. Es ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen, dass die Aussicht, für eine neu aufgeklärte, mit der offenbarten Funktion in keinem Zusammenhang stehende Funktion eines Gens lediglich ein abhängiges Patent zu erhalten, den Anreiz an der Aufklärung weiterer Funktionen bekannter Sequenzen reduziert. Die vom IGE bei Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen im Bereich der Biotechnologie durchgeführte repräsentative Umfrage ergab ebenfalls,
dass die Teilnehmer dieser Umfrage die Abhängigkeit von Patenten auf Sequenzen und Teilsequenzen von Genen als problematisch erfahren17. Eine Zweckbindung des Stoffschutzes bei Patenten auf solche Sequenzen wurde von den Umfrageteilnehmern als wichtige Massnahme vorgeschlagen, um den Zugang zu genetischen Erfindungen zu verbessern und Abhängigkeiten zu vermeiden18. Auch wenn in der Praxis Fälle von unangemessen erscheinenden Abhängigkeiten die grosse Ausnahme geblieben sind, enthielt der Vernehmlassungsentwurf einen Vorschlag, den Schutzumfang eines Anspruches für eine Gensequenz auf die in der Anmeldung konkret beschriebenen Eigenschaften und Verwendungszwecke zu begrenzen. Mit dieser Beschränkung des Schutzbereichs sollten sowohl verschiedentlich befürchtete unangemessene Abhängigkeiten von Sequenzansprüchen als auch Patentanmeldungen mit spekulativen Funktionsangaben verhindert werden.

17 18

Biotechnologie-Umfrage IGE, Ziff. 8.2, Figure 34.

Biotechnologie-Umfrage IGE, Ziff. 8.2, Figures 38 und 39.

23

Der Vorschlag, den Schutzbereich eines Anspruches für eine Sequenz oder Teilsequenz eines Gens auf die in der Anmeldung konkret beschriebenen Funktionen bzw.

Eigenschaften und Verwendungszwecke der Sequenz zu beschränken (zweckgebundener Stoffschutz), hat bei den direkt betroffenen Kreisen der Wirtschaft und Forschung kontroverse Reaktionen hervorgerufen.

Die pharmazeutische Industrie, unterstützt von den Wirtschaftsverbänden, lehnte diesen Vorschlag vehement ab und wollte deswegen sogar der Vorlage insgesamt die Unterstützung versagen. Der eingeschränkte Schutzbereich gewährleiste keinen adäquaten Schutz für Innovationen auf dem Gebiet der Biotechnologie. Er stelle einen Wettbewerbs- und Standortnachteil dar und verschlechtere die Rahmenbedingungen für die Forschung auf dem Gebiet der Biotechnologie. Damit weiterhin in die kostenintensive Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet investiert werde, müsse für Gensequenzen wie für chemische Stoffe insgesamt ein uneingeschränkter Stoffschutz (absoluter Stoffschutz) gewährt werden. Um den Befürchtungen wie unangemessene Abhängigkeiten von Sequenzansprüchen oder Patentanmeldungen mit spekulativen Funktionsangaben Rechnung zu tragen, brauche es keine generelle Einschränkung auf Gesetzesebene. Es genüge die Prüfung der Patenterteilungsvoraussetzungen im Einzelfall. Eine Behinderung der Forschung lasse sich durch das Forschungsprivileg und die gesetzliche Lizenz für Forschungswerkzeuge verhindern.

Die kleinen und mittleren Biotechnologie-Unternehmen, Hochschulen und Forschungsinstitute befürworteten einen zweckgebundenen Stoffschutz als fairen Interessenausgleich. Er verhindere zu breite, spekulative Patente sowie eine Überbelohnung für nicht geleistete erfinderische Tätigkeit, vermeide übermässige Abhängigkeiten und schaffe einen Anreiz für weitere Forschung. Es bestehe Patentschutz in den Fällen, in denen eine Funktion eines Gens glaubwürdig beschrieben sei. Der Vorschlag sei auch nicht zu restriktiv. Es werde das geschützt, was der Erfinder effektiv zum Stand der Technik beigetragen habe und somit ein angemessener und effektiver Schutz erreicht. Der zweckgebundene Stoffschutz für Genpatente sei die einzige Möglichkeit um zu verhindern, dass ein Patent auf ein Gen die Forschung anderer behindere.

Diese gegensätzlichen Reaktionen haben den Bundesrat
dazu bewogen, das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zu ermächtigen, ausgehend vom Grundsatz des zweckgebunden Stoffschutzes bei Gensequenzen mit einer paritätisch zusammengesetzten Vertretung von Wirtschaft, Forschung und Entwicklung die Fragen des Ausmasses und der Ausgestaltung der Schutzumfangseinschränkung abzuklären und ausgehend von diesen Abklärungen in der Botschaft einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten.

In der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzten Gruppe von Interessenvertretern standen im Wesentlichen noch zwei Regelungsansätze zur Diskussion.

­

24

Der erste Ansatz zielt darauf ab, Patentansprüche auf Nukleotidsequenzen von natürlich vorkommenden Genen eng zu fassen. Die für eine konkret offenbarte Funktion einer Nukleotidsequenz nicht wirkungsrelevanten Sequenzabschnitte werden dabei vom Patentschutz ausgenommen. Dieser Ansatz erlaubt, spekulativ breite Patentansprüche auf Nukleotidsequenzen einzuschränken. Die Erteilungsbehörde kann vom Patentbewerber Angaben und Unterlagen fordern, die es ihr erlauben, die wirkungsrelevanten

Sequenzabschnitte zu ermitteln und nicht relevante Sequenzabschnitte aus den Ansprüchen zu streichen. Dadurch wird das in den Ansprüchen als Erfindung Definierte enger und für Dritte klarer nachvollziehbar gefasst.

Aus dem nachstehenden Wortlaut des Formulierungsvorschlags für diesen Ansatz lässt sich indessen nicht auf den Schutzbereich der (eng gefassten) Patentansprüche (absoluter oder zweckgebundener Stoffschutz) schliessen.

Für sich allein genommen impliziert er jedenfalls noch keine Beschränkung des Schutzbereichs auf die konkret offenbarten Funktionen einer Nukleotidsequenz, wie dies nach dem unten zu erläuternden zweiten Ansatz der Fall ist. In Anwendung der herrschenden Lehre und Rechtsprechung über den Schutzbereich chemischer Stoffe läuft dieser erste Ansatz auf einen absoluten Stoffschutz von Nukleotidsequenzen hinaus. In Gegenüberstellung zum zweiten Ansatz erfasst die Regelung sodann nur Nukleotid-, nicht auch Aminosäuresequenzen.

Der Formulierungsvorschlag für diese Option lautet: Art. 8c

IV. Nukleotidsequenzen

Der Schutz aus einem Anspruch auf eine Nukleotidsequenz, die sich von einer natürlich vorkommenden Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableitet, ist auf die Sequenzabschnitte beschränkt, welche die im Patent konkret beschriebene Funktion erfüllen.

­

Der zweite Ansatz übernimmt den Vorschlag des zweckgebundenen Stoffschutzes der Vernehmlassungsvorlage mit der Präzisierung, dass dieser eingeschränkte Schutzbereich für alle Sequenzen gilt, die sich von einer natürlich vorkommenden Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableiten. Damit sind zusätzlich auch Aminosäuresequenzen (seien es kurzkettige Polypeptide oder langkettige Proteine) von der Schutzbereichsbeschränkung erfasst. Diese Präzisierung gegenüber dem Vernehmlassungsvorschlag will verhindern, dass der zweckgebundene Stoffschutz für Nukleotidsequenzen durch auf Polypeptide oder Proteine gerichtete Ansprüche umgangen wird. Die Wirkung des Patents ist auf die Herstellung und Benutzung der Sequenzen unter Verwendung ihrer im Patent konkret beschriebenen Funktionen beschränkt.

Die Benutzung der Sequenzen unter Verwendung einer im Patent nicht beschriebenen Funktion fällt nicht in den Ausschliesslichkeitsbereich des Patents. Damit soll eine Überbelohnung sowie übermässige patentrechtliche Abhängigkeiten bei der Benutzung einer patentierten Sequenz eines Gens vermieden werden: Für die Benutzung der Sequenz zur Realisierung einer im Patent nicht offenbarten Funktion bedarf es weder der Zustimmung des Patentinhabers noch sind diesem Lizenzgebühren zu entrichten. Die Vereinbarkeit dieses Ansatzes mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz wird kontrovers beurteilt. Streitig ist auch, ob der Regelungszweck mit diesem Ansatz wirklich erreicht werden kann.

25

Der Formulierungsvorschlag für diese Option lautet: Art. 8c

IV. Sequenzen von Genen

Betrifft die Erfindung eine Sequenz, die sich von einer natürlich vorkommenden Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableitet, so beschränkt sich die Wirkung des Patents auf die Sequenz mit den im Patent konkret beschriebenen Funktionen.

Die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzte Gruppe von Interessenvertretern hat sich auf den ersten Ansatz verständigt.

Auf europäischer Ebene haben demgegenüber Deutschland und Frankreich im Rahmen der Umsetzung der EG-Biotechnologie-Richtlinie den zweckgebundenen Stoffschutz bei Nukleotidsequenzen gesetzlich vorgeschrieben.19 § 1a Absatz 4 des deutschen Patentgesetzes weist die Erteilungsbehörde an, die konkret offenbarte Verwendung einer Sequenz eines Gens, deren Aufbau mit dem einer natürlichen Sequenz eines menschlichen Gens übereinstimmt, in die Anspruchsfassung aufzunehmen. Die auf diese Weise erreichte Einschränkung des Schutzbereichs auf die Funktion der Gensequenz wird aufgrund ihrer systematischen Stellung daraus hergeleitet, dass die Funktion zur Erfindung gehört. § 1a Absatz 4 des deutschen Patentgesetzes richtet sich in erster Linie an die deutsche Erteilungsbehörde und betrifft daher auch nicht europäische Patente, die mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland vom EPA erteilt werden. Nach Art. L 613-2-1 des Code de la propriété intellectuelle kann im Fall einer Kollision eines rangälteren mit einem späteren (zeitlich nachrangigen) Patentanspruch auf eine Nukleotidsequenz, deren erfindungswesentlichen Teile in beiden Ansprüchen übereinstimmen, der rangältere Patentanspruch dem späteren nicht entgegengehalten werden, wenn sich der spätere Patentanspruch auf eine andere spezifische Anwendung der Sequenz bezieht als der rangältere Patentanspruch. Im Ergebnis läuft dies ebenfalls auf einen zweckgebundenen Stoffschutz bei Nukleotidsequenzen hinaus. Anders als das deutsche Patentgesetz findet die Schutzbereichsbegrenzung ohne Einschränkung auf alle Nukleotidsequenzen Anwendung. In Italien gilt der zweckgebundene Stoffschutz für alle chemischen Stoffe,20 weshalb auch der Schutz aus Ansprüchen auf Nukleotidsequenzen als zweckgebunden anzusehen ist. Die Rechtslage in den verbleibenden Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ist offen. Sie haben ­ soweit ersichtlich ­ bei der Umsetzung der Richtlinie den Schutzbereich von Ansprüchen auf
Gensequenzen nicht spezifisch geregelt. Es bleibt daher die Frage, ob sich ein solcher in Auslegung von Artikel 5 Absatz 3 der EG-Biotechnologie-Richtlinie in Verbindung mit Erwägungsgrund 23 ergibt. In ihrem jüngsten Bericht zu den Entwicklungen und Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie21 stellt die Kommission 19

20

21

26

§ 1a Abs. 4 des deutschen Patentgesetzes in der Fassung gemäss Gesetz vom 15. Januar 2005 zur Umsetzung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen (Bundesgesetzblatt 2005 Teil I Nr. 6 vom 28. Januar 2005, S. 146); Art. L 613-2-1 des Code de la propriété intellectuelle in der Fassung gemäss Loi n° 2004-800 du 6 août 2004 relative à la bioéthique (Journal Officiel n° 182 du 7 août 2004, p. 14040).

Corte di Cassazione, 6.3.1995, Smith Kline & Beecham v. Biochimica Opos, Giurisprudenza annotata di diritto industriale-GADI 1995 3194; Corte di Cassazione, 1.9.1997, Smith Kline & Beecham v. Bruschettini, Giurisprudenza annotata di diritto industrialeGADI 1997 3574.

Entwicklungen und Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und der Gentechnik, Bericht der Europäischen Kommission vom 17. Juli 2005 an das Europäische Parlament und den Rat, KOM(2005)312.

die wesentlichen Erwägungen für und gegen einen zweckgebundenen Stoffschutz dar. Sie legt sich indessen nicht auf einen Regelungsansatz fest und sieht vorderhand auch davon ab, die Umsetzung in den Mitgliedstaaten danach zu bewerten, ob sich diese für einen absoluten oder einen eingeschränkten Schutzumfang für Gensequenzen entschieden haben.

Der Bundesrat lässt sich nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der offenen Ausgangslage in der Europäischen Gemeinschaft von der Meinung der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzten Gruppe von Interessenvertretern leiten und unterbreitet anstelle der in der Vernehmlassung vorgeschlagenen Einschränkung des Schutzbereichs bei Gensequenzen die vorstehend vorgestellte Bestimmung betreffend den Geltungsumfang von Ansprüchen auf Nukleotidsequenzen (siehe Ziff. 2.1.3). Ein gänzliches Verbot der Patentierung von Gensequenzen, wie es in der Vernehmlassung gefordert wurde, lehnt er ab. Als Quelle der wirtschaftlichen Wertschöpfung stimulieren Patente diesen wachsenden, innovativen Technologiebereich zum Nutzen der Gesellschaft als Ganzes. Auch einen Verwendungsschutz für Gensequenzen, wie er in der Vernehmlassung angeregt wurde, lehnt der Bundesrat ab. Ein Verwendungsschutz, der lediglich die spezifischen Nutzungsmöglichkeiten einer Gensequenz und nicht auch ihre Herstellung zu diesem Zweck dem Patentinhaber vorbehält, erachtet der Bundesrat als unzureichend. Vor dem Hintergrund des Ergebnisses des zweiten Vernehmlassungsverfahrens rechnet er allerdings im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens mit Diskussionen und Gegenvorschlägen in dieser kontroversen Frage.

Prinzip der Patentierbarkeit von biotechnologischen Erfindungen Die CSP, GPS und SP sowie Entwicklungs-, Umwelt-, Tierschutz- und Konsumentenschutzorganisationen und Kreise der Medizin lehnen die Vorlage ab, weil diese die Patentierung von menschlichen, tierischen und pflanzlichen Bestandteilen festschreibe. Damit unterstütze die Vorlage industrielle Interessen auf Kosten ethischer und gesellschaftspolitischer Überlegungen sowie auf Kosten der Forschung und Landwirtschaft. Sie fordern weitergehende Einschränkungen der Patentierung bis hin zu einem Verbot von Patenten auf biologischem Material.

Der Forderung nach einem Verbot der Patentierung von Erfindungen, die biologisches Material
menschlicher, tierischer oder pflanzlicher Herkunft betreffen, kann nicht entsprochen werden. Dieses Ansinnen steht im Widerspruch zur wohl begründeten Haltung des Bundesrates, der sich seit 16 Jahren für einen angemessenen Schutz biotechnologischer Erfindungen ausspricht, der einerseits wirksam sein soll, andererseits auch klare Schranken enthalten muss. Dieser ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, um die Chancen zur Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen zu nutzen, welche diese Technologie bietet. Es ist in dieser Frage folglich der politische Entscheid des Gesetzgebers herbeizuführen, wie dies von vielen Vernehmlassungsteilnehmern gewünscht wird.

Offenlegung von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen Die Erläuterungen des Vernehmlassungsentwurfs führten im Zusammenhang mit dem Patentrechtsvertrag aus, dass Formalitäten im Patentrecht, die im Zusammenhang mit dem access and benefit sharing stehen (insbesondere auch die Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen in Patentgesuchen), nicht mit dem Patentrechtsvertrag vereinbar seien. In der Folge bestand unter den Vernehmlassungsteilnehmern Uneinigkeit, welchem Anliegen (Ratifizierung des 27

PLT oder Einführung einer Vorschrift zur Offenlegung der Quelle) der Vorrang zu geben sei.

Die in der Vernehmlassungsvorlage vertretene Rechtsauffassung wurde indessen vereinzelt auch in Zweifel gezogen. Ein vom IGE in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten des ehemaligen Vizegeneraldirektors der WIPO22 hat die aufgeworfenen Bedenken erhärtet. An der im Vernehmlassungsbericht geäusserten Auffassung kann nicht festgehalten werden. Gute Gründe sprechen dafür, dass die vorgeschlagene Pflicht zur Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen einer Ratifizierung des Patentrechtsvertrages nicht entgegensteht. Obschon dieses Erfordernis grundsätzlich formeller Natur ist, steht es im Zusammenhang mit Anforderungen des materiellen Patentrechts. Daher fällt es nicht in die Kategorie der Erfordernisse zu Form und Inhalt der Anmeldung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 PLT, die im Patentrechtsvertrag abschliessend geregelt sind. Die Ratifizierung des Patentrechtsvertrags steht der Einführung einer Vorschrift zur Offenlegung der Quelle entsprechend Artikel 49a E-PatG (siehe Ziff. 2.1.6) somit nicht entgegen. Dessen ungeachtet bleibt die Vorschrift zur Offenlegung der Quelle auch nach der Berücksichtigung des Ergebnisses der Vernehmlassung strittig.

1.1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Änderungen des Patentgesetzes betreffend den Schutz biotechnologischer Erfindungen werden vom IGE vollzogen und bringen keine zusätzlichen Ausgaben zu Lasten des Bundeshaushalts.

1.1.5

Verhältnis zum europäischen Recht

Nach zehn Jahren kontroverser Diskussionen wurde am 6. Juli 1998 vom Europäischen Parlament und vom Rat die EG-Biotechnologie-Richtlinie verabschiedet. Eine von den Niederlanden eingereichte Klage auf Nichtigerklärung der Richtlinie wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) am 9. Oktober 200123 abgewiesen.

Die Mitgliedstaaten hatten nach Artikel 15 Absatz 1 der EG-Biotechnologie-Richtlinie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu deren Umsetzung bis zum 30. Juli 2000 zu erlassen. Derzeit sind noch Italien, Österreich, Luxemburg, Litauen und Lettland säumig.

Die EG-Biotechnologie-Richtlinie verfolgt das Ziel, den Schutz von Erfindungen im Bereich der Biotechnologie in den EU-Mitgliedstaaten sicherzustellen, ohne ein besonderes Recht hierfür einzuführen. Ein wirksamer und harmonisierter Schutz in allen Mitgliedstaaten sei eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Investitionen auf dem Gebiet der Biotechnologie fortgeführt und gefördert würden.

22

23

28

François Curchod, Compatibilité avec le Traité sur le droit des Brevets de l'obligation de déclarer la source des ressources génétiques et des savoirs traditionnels, Bern 2005; http://www.ige.ch/F/jurinfo/documents/j10029f.pdf.

EuGH, 9.10.2001, Königreich der Niederlande/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rs. C-377/98, Slg. 2001, I-7079.

Die EG-Biotechnologie-Richtlinie schreibt für biotechnologische Erfindungen die Geltung der allgemeinen Patentierungsvoraussetzungen fest. Demnach sind Erfindungen patentierbar, die entweder ein Erzeugnis zum Gegenstand haben, das aus biologischem Material besteht oder solches enthält, oder ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt, bearbeitet oder verwendet wird, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Die EG-Biotechnologie-Richtlinie konkretisiert diese Patentierungsvoraussetzungen sowie die Ausschlüsse von der Patentierung. Sie enthält darüber hinaus Bestimmungen über Reichweite und Grenzen des Patentschutzes und statuiert verschärfte Erfordernisse an die Offenbarung der Erfindung.

Um dem Ziel der Anpassung des Patentgesetzes an die EG-Biotechnologie-Richtlinie zu entsprechen, wurde im Rahmen der Erarbeitung des Revisionsentwurfs der Text der EG-Biotechnologie-Richtlinie berücksichtigt und so weit als möglich und sinnvoll übernommen. Die Eurokompatibilität des schweizerischen Patentschutzes für Erfindungen, die biologisches Material zum Gegenstand haben, wird mit dem vorliegenden Entwurf grundsätzlich sichergestellt. Auf die Übereinstimmung mit oder etwaigen Abweichungen von der EG-Biotechnologie-Richtlinie wird im Zusammenhang mit der Kommentierung der einzelnen Bestimmungen eingegangen, weshalb an dieser Stelle auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen sei.

1.1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion Leumann vom 10. Juni 199824 verlangt im Wesentlichen Anpassungen in den folgenden vier Bereichen: eine Konkretisierung des Vorbehalts der guten Sitten und der öffentlichen Ordnung durch eine beispielhafte Auflistung der von der Patentierung ausgeschlossenen Erfindungen, eine Stellungnahme zur Rolle der vom Bundesrat eingesetzten Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich, die Festlegung der Schutzwirkungen eines Patentes mit Ansprüchen auf biologisches Material (sog. abgeleiteter Stoffschutz und die Regelung der Erschöpfung von in Verkehr gebrachtem biologischem Material) sowie die Einführung des Landwirteprivilegs. Mit dieser Vorlage sowie mit den Änderungen des Patentgesetzes, die im Rahmen der Revision des Sortenschutzgesetzes dem Parlament vorgelegt wurden, wird den Anliegen der Motionärin vollumfänglich entsprochen. Die Motion kann somit als erfüllt abgeschrieben werden.

Dem Postulat Sommaruga vom 5. Oktober 200125, das verlangt, dass im Patentanmeldungsverfahren der Patentanmelder den konventionskonformen Erwerb des biologischen oder genetischen Ausgangsmaterials seiner Erfindung nachweisen muss, wird mit den Artikeln 49a und 81a E-PatG Rechnung getragen. Dem ersten Teil des Postulats, der für beteiligte Dritte einen Anspruch auf das Patent verlangt, kann nicht entsprochen werden (zur Begründung siehe Ziff. 2.1.6). Das Postulat ist daher ebenfalls als erfüllt abzuschreiben.

24 25

98.3243 M Revision Bundesgesetz über die Erfindungspatente (S 1.10.1998, LeumannWürsch; N 20.4.1999).

01.3596 P Biologische Ressourcen des Südens. Recht auf Partizipation (N 14.12.2001, Sommaruga).

29

1.2

Ratifikation des Patentrechtsvertrags

1.2.1

Ausgangslage

Der Patentrechtsvertrag geht auf ein ursprünglich ambitiöses Vorhaben der WIPO zur weltweiten, umfassenden Harmonisierung des Patentschutzes zurück. Dieses Projekt wurde 1984 mit Blick auf den als ungenügend empfundenen Mindestschutz der PVÜ an die Hand genommen. Ziel war der Abschluss eines Abkommens zur Ergänzung der PVÜ betreffend Patente26.

Der Abschluss des TRIPS-Abkommens führte zu Überschneidungen mit dem Regelungsbereich des geplanten Ergänzungsabkommens. Letzteres scheiterte 1995 an der ablehnenden Haltung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Generalversammlung der WIPO und die Versammlung des Pariser Verbandes beschlossen daraufhin, einen Sachverständigenausschuss einzusetzen, der einen neuen Ansatz für die Förderung der Harmonisierung des Patentrechts namentlich im Bereich der Formalien nationaler und regionaler Patentanmeldungen diskutieren sollte. Damit wurde der Grundstein für den Patentrechtsvertrag gelegt.

1.2.2

Verlauf der Verhandlungen

Der PLT ist das Resultat der diplomatischen Konferenz, die vom 11. Mai bis zum 2. Juni 2000 unter der Beteiligung von 150 Staaten, internationalen Organisationen und Interessenverbänden in Genf stattfand.

Das Vorhaben der Delegation von Kolumbien, der Konferenz einen Vorschlag betreffend das «access and benefit sharing» (siehe Ziff. 2.1.6) zu unterbreiten, verzögerte den Beginn der diplomatischen Konferenz. Die Delegation der Vereinigten Staaten von Amerika war unter diesen Umständen nicht bereit, an der Konferenz teilzunehmen. Die Delegationen verständigten sich schliesslich vor Eröffnung der Konferenz darauf, dass keine Vorschläge und auch keine gemeinsamen Erklärungen zu diesem Fragekreis der Konferenz vorgelegt werden, dass es aber den Teilnehmern unbenommen sei, ihre diesbezüglichen Erklärungen zu Protokoll zu geben.

Weiter einigte man sich, dass die Diskussion zum «access and benefit sharing» zwischen den Mitgliedstaaten innerhalb der WIPO in geeigneter Form weitergeführt würde.

1.2.3

Verhandlungsergebnis

Der ausgehandelte Patentrechtsvertrag sowie die dazugehörigen Regeln entsprechen inhaltlich weitgehend den Grundvorschlägen, welche die Arbeitsgrundlage der Konferenz bildeten und von der Schweiz grundsätzlich unterstützt wurden. Das Verhandlungsergebnis ist aus schweizerischer Sicht insgesamt positiv zu würdigen, weshalb die Schweiz bereits am 2. Juni 2000 den PLT unterzeichnet hat.

26

30

Treaty Supplementing the Paris Convention for the Protection of Industrial Property as far as Patents are Concerned.

1.2.4

Überblick über den Inhalt des Patentrechtsvertrags

Der Patentrechtsvertrag vereinheitlicht eine Reihe von national und regional sehr unterschiedlich geregelten Formalitäten im Zusammenhang mit der Anmeldung und Aufrechterhaltung eines Patents. Er legt etwa die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldedatums eines Patentgesuchs fest, regelt die formellen Anforderungen an ein solches Gesuch, bestimmt die Handlungen, für welche die Bestellung eines Vertreters nicht vorgeschrieben werden darf, reduziert die Übersetzungslast und beugt dem Rechtsverlust als Folge einer versäumten Frist vor, indem dem nationalen Gesetzgeber die Gewährung bestimmter Rechtsbehelfe vorgeschrieben wird. Der Vertrag stellt Maximalvorschriften auf. Von diesen dürfen die Vertragsparteien abweichen, um Bestimmungen zu erlassen, die aus der Sicht der Anmelder und Rechtsinhaber vorteilhafter sind als diejenigen des Patentrechtsvertrags und seiner Ausführungsvorschriften (Art. 2 Abs. 1 PLT). Siehe zum Inhalt des Vertrages Ziffer 2.2.

1.2.5

Würdigung

Der Patentrechtsvertrag schafft zwar kein weltweit einheitliches Patentverfahrensrecht, doch bringt er beachtliche Verbesserungen für Patentbewerber und -inhaber.

Er gewährleistet einen verfahrensrechtlichen Mindeststandard und erleichtert den Zugang zum Patentschutz in einer Vielzahl von Ländern. Die administrativen Verfahren, an die der Patentschutz knüpft, sollen benutzerfreundlicher und effizienter werden. Mit der Vereinfachung des administrativen Aufwandes für die Benutzer des Patentsystems dürfte der Patentrechtsvertrag auch zur Reduktion der Kosten für einen weltweiten Patentschutz beitragen.

Bislang unterzeichneten 56 Staaten und beitrittsberechtigte Organisationen einschliesslich der Schweiz den Patentrechtsvertrag, und 10 Länder ratifizierten ihn (Stand: 1. Juli 2005). Der Patentrechtsvertrag ist nach Vorliegen der erforderlichen Ratifikationen am 28. April 2005 in Kraft getreten.

Angesichts des Interesses der Schweiz an einem vereinfachten internationalen Patentsystem sind die genannten Verbesserungen für den Schutz von Erfindungen auf internationaler Ebene zu begrüssen. Der Bundesrat beantragt daher dem Parlament, den Patentrechtsvertrag sowie die Ausführungsordnung zum Patentrechtsvertrag einschliesslich der Gemeinsamen Erklärungen der diplomatischen Konferenz zu genehmigen und den Bundesrat zu ermächtigen, diese zu ratifizieren.

1.3

WTO-Beschluss zu Zwangslizenzen für den Export pharmazeutischer Produkte

In den vergangenen vier Jahren wurde auf internationaler Ebene die Frage des Zugangs zu pharmazeutischen Produkten in Entwicklungsländern heftig debattiert.

Die Schweiz hat sich aktiv und konstruktiv an dieser Diskussion und den betreffenden Verhandlungen beteiligt, um eine ausgewogene Lösung zu finden. In diesem Zusammenhang haben die Mitgliedstaaten der WTO am 14. November 2001 in Doha (Katar) eine Erklärung zum TRIPS-Abkommen und zur öffentlichen Gesund-

31

heit27 angenommen. Sie beinhaltet eine Reihe von Massnahmen, die die Mitgliedstaaten ergreifen können, um den Zugang zu pharmazeutischen Produkten auf ihrem Staatsgebiet zu erleichtern.

Zur Nutzung von Zwangslizenzen durch WTO-Mitgliedstaaten mit ungenügenden oder fehlenden pharmazeutischen Herstellungskapazitäten konnte in Doha indessen kein Entschluss herbeigeführt werden. Nach Artikel 31 Buchstabe f des TRIPSAbkommens muss eine Zwangslizenz vorwiegend für die Versorgung des inländischen Marktes verwendet und kann nicht für den Export erteilt werden. Sofern ein pharmazeutisches Produkt im Exportland patentiert ist, kann dessen Import in einen Mitgliedstaat der WTO also weder durch eine Zwangslizenz im Export-, noch durch eine solche im Importland ermöglicht werden.

Am 30. August 2003 schloss der Generalrat der WTO diese Lücke. Er verabschiedete einen Beschluss28, der es jenen Mitgliedstaaten der WTO erlaubt, welche über genügende pharmazeutische Herstellungskapazitäten verfügen, unter klar definierten Voraussetzungen eine Zwangslizenz für die Herstellung und den Export patentgeschützter pharmazeutischer Produkte vorzusehen. Diese Massnahme soll es primär Entwicklungsländern mit fehlender oder ungenügender eigener Produktionskapazität ermöglichen, zu einem für sie erschwinglichen Preis zu patentgeschützten pharmazeutischen Produkten zu kommen, falls sie diese zur Bekämpfung gravierender öffentlicher Gesundheitsprobleme wie beispielsweise von HIV/Aids oder Malaria benötigen.

Auf diese Weise leistet die WTO einen konkreten Beitrag, um die Versorgung der begünstigten Länder mit pharmazeutischen Produkten zu verbessern. Eine umfassende Lösung der Probleme bei der Gesundheitsversorgung in diesen Ländern setzt aber weitere Massnahmen voraus, wie etwa die Herabsetzung der Abgaben auf Importen solcher pharmazeutischer Produkte und die Verbesserung der medizinischen und logistischen Versorgung sowie der Prävention. Diese gehen indessen über den Kompetenzbereich der WTO und über das Patentrecht hinaus, weshalb sie nicht Gegenstand der vorliegenden Revision bilden.

Wie die anderen Industriestaaten hat die Schweiz darauf verzichtet, von der durch den Beschluss vom 30. August 2003 eröffneten Möglichkeit als Importland Gebrauch zu machen29. Die Schweiz ist aber bereit, ihre Herstellungskapazitäten auf
pharmazeutischem Gebiet den von dem Beschluss begünstigten WTO-Mitgliedern unter den dort festgelegten Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Der Sinn und Geist des Beschlusses vom 30. August 2003 gebietet, dass dies bei Vorliegen der Bedingungen auch für Staaten gilt, die nicht der WTO angehören. Die Schweiz steht

27 28

29

32

Doc. WT/Min(01)/DEC/2 vom 14. November 2001, http://www.ige.ch/F/jurinfo/pdf/WTMIN_01_-DEC-2_Declaration%20TRIPS%20Public%20Health%20_fr.pdf.

Doc. WT/ L/540 vom 1. September 2003 und Doc. JOB(03)/177 vom 30. August 2003, http://www.ige.ch/E/jurinfo/pdf/Basistext.pdf und http://www.ige.ch/E/jurinfo/pdf/Einigung.pdf.

Folgende Länder haben erklärt, als Importland auf den Gebrauch des neuen Systems der WTO zu verzichten: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Neuseeland, Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Slowakische Republik, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich und Zypern (siehe Doc. WT/ L/540 vom 1. September 2003, Ziffer 3 zu Absatz 1(b) und Doc. JOB(03)/177 vom 30. August 2003).

derzeit unter keiner Rechtspflicht, den WTO-Beschluss auf nationaler Ebene umzusetzen. Sie sieht sich aber hierzu in ihrer humanitären Tradition verpflichtet.

Die vorliegende Revision sieht vor, den Beschluss vom 30. August 2003 durch die Einführung einer Exportzwangslizenz für pharmazeutische Produkte umzusetzen (Art. 40d E-PatG; siehe Ziff. 2.3). Dabei sollen die Tragweite und der Grundgedanke des Beschlusses gewahrt und neue Hindernisse des Zugangs zu Medikamenten vermieden werden. Insbesondere sollen keine zusätzlichen Kosten für die Begünstigten entstehen. Wichtig ist aber auch, dass die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente nicht in Frage gestellt wird. Diesbezüglich ist sicherzustellen, dass kein Missbrauch der Zwangslizenz zu kommerziellen Zwecken stattfindet, insbesondere dass die unter Zwangslizenz exportierten Produkte nicht von ihrem ursprünglichen Bestimmungsort abgezweigt werden. Das System muss also in gutem Glauben für den Schutz der öffentlichen Gesundheit eingesetzt werden und darf nicht zur Erreichung von wirtschaftspolitischen oder kommerziellen Zwecken instrumentalisiert werden.

Einige Industriestaaten haben den Beschluss vom 30. August 2003 mit dieser humanitären Zweckausrichtung in ihrem nationalen Recht bereits implementiert oder Vorarbeiten hierzu aufgenommen (in Kanada und Norwegen ist eine entsprechende Regelung in Kraft, die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für die Umsetzung des WTO-Beschlusses mit Wirkung für die 25 EU-Mitgliedstaaten präsentiert).

Die Schweiz gehört mit ihrem Umsetzungsvorschlag zu dieser Pioniergruppe.

1.4

Weitere Revisionspunkte

1.4.1

Parallelimporte

Ausgangslage Am 7. Dezember 1999 erging der Bundesgerichtsentscheid in Sachen Kodak SA gegen Jumbo Markt AG30. In diesem Urteil hat das Bundesgericht in Schliessung einer echten Gesetzeslücke für den Bereich des Patentrechts den Grundsatz der nationalen Erschöpfung statuiert und damit dem Patentinhaber ermöglicht, Parallelimporte patentgeschützter Güter, die gegen seinen Willen erfolgen, zu untersagen.

Das Urteil löste eine zum Teil heftige Debatte aus. Am 24. Januar 2000 ersuchte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) den Bundesrat, ihr eine Gesamtschau zur Problematik der Parallelimporte vorzulegen. In seinem daraufhin erstellten Bericht vom 8. Mai 2000 über Parallelimporte und Patentrecht31 kam der Bundesrat zum Schluss, dass die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines Systemwechsels von der nationalen zur internationalen Erschöpfung beim gegenwärtigen Wissensstand nicht beantwortet werden könne und deshalb ein entsprechender Entscheid nicht voreilig in die Wege geleitet werden sollte. Vor diesem Hintergrund bekannte sich der Bundesrat zur geltenden nationalen Erschöpfung im Patentrecht. Er erklärte sich jedoch bereit, im Hinblick auf die Erschöpfungsproblematik weitere Abklärungen zu treffen.

30 31

BGE 126 III 129 Parallelimporte und Patentrecht, Bericht des Bundesrates vom 8. Mai 2000, http://www.ige.ch/D/jurinfo/pdf/j100_Parallelimporte_d.pdf.

33

Im Nachgang zu diesem Bericht überwies das Parlament am 22. März 2001 ein Postulat der WAK-N32, das den Bundesrat beauftragte, die entsprechenden wirtschaftlichen und rechtlichen Abklärungen zu treffen.

Am 29. November 2002 verabschiedete der Bundesrat einen zweiten Bericht über Parallelimporte und Patentrecht33. Er bestätigte darin ­ gestützt auf drei umfangreiche externe Studien ­ seine bereits im Jahre 2000 eingenommene Haltung und hielt am Status quo der nationalen Erschöpfung im Patentrecht fest. Der erwartete wirtschaftliche Nutzen mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) zwischen 0,0 und 0,1 % wiegt seiner Ansicht nach die Nachteile eines solchen Wechsels nicht auf. Der Bundesrat befürwortete jedoch Massnahmen zur Verhinderung eines Missbrauchs des Patentrechts. Hierzu gehört die Klärung der Anwendung des Kartellgesetzes auf Einfuhrbeschränkungen in Anlehnung an das Bundesgerichtsurteil in Sachen Kodak34, welche durch eine Neufassung von Artikel 3 Absatz 2 KG bereits realisiert wurde35. Weiter erklärte sich der Bundesrat bereit, in der Revision zum Patentgesetz eine Regelung von Konflikten zwischen den divergierenden Erschöpfungsregelungen bei mehrfach geschützten Waren aufzunehmen: Es soll verhindert werden, dass der nach geltendem Recht mögliche Parallelimport von marken- oder urheberrechtlich geschützten Waren unterbunden wird, indem den Waren ein patentierter Bestandteil von nebensächlicher Bedeutung beigefügt wird.

Da der Bundesrat im Bericht vom 29. November 2002 die regionale Erschöpfung als denkbare Option bezeichnete, verlangen mehrere parlamentarische Vorstösse36, dass der Bundesrat die Aufnahme von Verhandlungen mit der EU prüfe, welche eine Ausdehnung der regionalen Erschöpfung im Patentrecht auf die Schweiz auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zum Ziel haben. Der Bundesrat erklärte sich bereit, bis Ende 2004 Bericht zu erstatten.

In seinem dritten Bericht vom 3. Dezember 200437 vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht wünschenswert ist, separate Verhandlungen mit der EU zur Einführung der gegenseitigen regionalen Erschöpfung im Patentrecht mittels eines gesonderten bilateralen Abkommens einzuleiten. Der Übergang von der nationalen zur regionalen Erschöpfung im Patentrecht im Verhältnis zur EU bewirke im besten Fall
ein zusätzliches Wachstum des Bruttoinlandproduktes zwischen 0,0 und 0,1 %. Angesichts dieses bescheidenen positiven Wohlfahrtseffekts lohne sich die Aufnahme von Verhandlungen zu diesem Punkt nicht, zumal die Verhandlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Immaterialgüterrecht insgesamt sowie andere Politikbereiche ausgeweitet würden. Der Bundesrat sprach sich daher erneut für die Beibehaltung der nationalen Erschöpfung von Patenten und eine 32

33

34 35 36

37

34

00.3612 P Parallelimporte. Bericht zur Erschöpfungsproblematik bis Ende 2002 (N 21.11.2000, Kommission für Wirtschaft und Abgaben NR Minderheit GysinHans Rudolf).

Parallelimporte und Patentrecht, Bericht des Bundesrates vom 29. November 2002, http://www.evd.admin.ch/imperia/md/content/dossiers/importations_paralleles/d/TRI_ SCHLUSSBERICHT_PARALLELIMPORTE_Dt.pdf.

BGE 126 III 129 BBl 2003 4517 03.3423 P Bericht zur regionalen Erschöpfung im Patentrecht (N 3.10.2003, Kommission für Wirtschaft und Abgaben NR); 04.3164 P Patentschutz auf Gegenseitigkeit mit der EU.

Erleichterung von Parallelimporten (N 18.6.2004, Strahm); 04.3197 P Erschöpfung des Patentrechtes. Reziprozität mit der EU (S 7.6.2004; Sommaruga Simonetta).

Parallelimporte und Patentrecht: Regionale Erschöpfung, Bericht des Bundesrates vom 3. Dezember 2004, http://www.ige.ch/D/jurinfo/documents/j10022d.pdf.

Regelung zur Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der nationalen Erschöpfung bei Waren, die durch mehrere Schutzrechte geschützt sind.

Beantragte Neuregelung Im Übereinstimmung mit der Haltung des Bundesrates soll vorliegend das Recht des Erwerbers einer im Inland rechtmässig in Verkehr gebrachten patentgeschützten Ware auf Weiterveräusserung im Inland (nationale Erschöpfung) festgeschrieben werden (siehe Art. 9a Abs. 1 E-PatG). Damit zusammenhängend wird auch der Sachverhalt der Benützung eines geschützten Verfahrens durch den Erwerber einer rechtmässig in Verkehr gebrachten Vorrichtung einer gesetzlichen Regelung zugeführt (Art. 9a Abs. 2 E-PatG), wie dies in der Vernehmlassung angeregt wurde.

Als Relativierung der nationalen Erschöpfung im Patentrecht beinhaltet Artikel 9a Absatz 3 E-PatG sodann eine Missbrauchsregelung, die verhindern will, dass die internationale Erschöpfung im Marken- und im Urheberrecht unterlaufen wird, indem unbedeutende Teile einer Ware patentiert werden (siehe Ziff. 2.4.1).

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung Zur Begründung der vorgeschlagenen Lösung kann im Wesentlichen auf die Berichte des Bundesrates in Sachen Parallelimporte und Patentrecht aus den Jahren 2002 und 200438 verwiesen werden.

Die Frage der Parallelimporte war in der zweiten Vernehmlassung umstritten. Die Festschreibung der nationalen Erschöpfung wurde von der SVP, von Wirtschaftsund Industrieverbänden sowie von Fachrechtskreisen begrüsst. Die CSP, die GPS, die SP, die Wettbewerbskommission, die Preisüberwachung, santésuisse sowie Entwicklungs- und Konsumentenschutzorganisationen forderten demgegenüber die internationale bzw. mehrheitlich die regionale Erschöpfung im Patentrecht. Der Bundesrat hat sich allerdings in der Vergangenheit wiederholt in dieser Frage ausgesprochen und seine Haltung mehrfach bekräftigt. Für das Anliegen eines Systemwechsels zur regionalen oder internationalen Erschöpfung besteht demnach kein Raum.

Auch die Missbrauchsregelung im Zusammenhang mit mehrfach geschützten Waren wurde kontrovers beurteilt. Die Wirtschafts- und Industrieverbände stimmten der Regelung zu, wollen diese aber klar als Missbrauchstatbestand ausgestaltet wissen.

Eine Reihe von Vernehmlassungsteilnehmern ­ namentlich aus Fachrechtskreisen ­ erachtete den Vernehmlassungsvorschlag
demgegenüber angesichts des geänderten Kartellgesetzes für unnötig oder als Missbrauchsregelung für ungeeignet und lehnte ihn daher ab. Der Bericht des Bundesrates vom 3. Dezember 2004 hat indessen aufgezeigt, dass das kartellrechtliche Instrumentarium unvollkommen ist. Daher wird an der Missbrauchsregelung festgehalten.

38

Parallelimporte und Patentrecht, Bericht des Bundesrates vom 29. November 2002, http://www.evd.admin.ch/imperia/md/content/dossiers/importations_paralleles/d/TRI_ SCHLUSSBERICHT_PARALLELIMPORTE_Dt.pdf; Parallelimporte und Patentrecht: Regionale Erschöpfung, Bericht des Bundesrates vom 3. Dezember 2004, http://www.ige.ch/D/jurinfo/documents/j10022d.pdf.

35

1.4.2

Massnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie

Die Problematik der Fälschung und Piraterie von Originalwaren hat in den letzten Jahren weltweit stetig an Bedeutung zugenommen. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch dieses Phänomen sind enorm: Nach Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) machen Fälschungen ca. 7­9 % des gesamten Welthandels aus, womit der Originalprodukte herstellenden Wirtschaft jährlich über 400 Mia. USD verloren gehen. Gefälschte Güter bergen zudem die Gefahr der Täuschung von Konsumenten und können ­ namentlich im Falle von Medikamenten ­ ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko darstellen. Wirksame Massnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie müssen deshalb auf verschiedenen Ebenen ansetzen: Zum einen sind griffige Instrumente nötig, um Pirateriegut beim grenzüberschreitenden Verkehr mit der Hilfe der Zollbehörden aus dem Verkehr zu ziehen. Zum anderen sind für die gerichtliche Durchsetzung von Immaterialgüterrechten geeignete Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen, damit der Rechtsinhaber erfolgreich gegen Fälscher und Dritte vorgehen kann, welche gefälschte Waren verbreiten.

Vor diesem Hintergrund erliess die Europäische Union am 22. Juli 2003 die EG-Zollverordnung39. Diese Verordnung trat am 1. Juli 2004 in Kraft und ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 199440.

In der Schweiz sieht das Designgesetz als jüngster immaterialgüterrechtlicher Erlass die wirksamsten Hilfeleistungen der Zollverwaltung vor. Im Unterschied zu den anderen Spezialgesetzen erstreckt sich deren Anwendungsbereich nicht nur auf die Ein- und Ausfuhr von rechtsverletzenden Gegenständen, sondern auch auf deren Durchfuhr. Dadurch wird verhindert, dass die Schweiz zum Transitland für Pirateriegut wird. Gleichwohl wird auch die im Designgesetz vorgesehene Hilfeleistung der Zollverwaltung dem gegenwärtigen internationalen Standard teilweise nicht gerecht. Es fehlt namentlich die Möglichkeit, dem Rechtsinhaber Proben oder Muster von verdächtigen Waren zur Prüfung zu übergeben oder entdeckte gefälschte Waren in einem einfachen Verfahren zu vernichten. Im Patentgesetz ist das Instrumentarium der Hilfeleistung der Zollbehörden bislang überhaupt nicht vorgesehen, so dass diese selbst bei offensichtlich gefälschten Waren nicht einschreiten können.

Die vorliegende Revision wird deshalb
zum Anlass genommen, um auch im Patentgesetz wirksame Hilfeleistungen der Zollverwaltung zu verankern und ­ als materiellrechtliche Voraussetzung für den Zugriff auf gefälschtes Transitgut ­ das ausschliessliche Recht des Patentinhabers auf die Durchfuhr auszudehnen. Die Artikel 51­60 des TRIPS-Abkommens ermächtigen die Mitgliedstaaten ausdrücklich zur Regelung solcher Massnahmen.

39

40

36

Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Massnahmen gegenüber Waren, die erkanntermassen derartige Rechte verletzen, ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 7.

Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Massnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr, ABl. L 341 vom 30.12.1994, S. 8.

Weil alle Bereiche des Immaterialgüterrechts von dem Phänomen der Fälschung und Piraterie stark betroffen sind, werden auch die anderen immaterialgüterrechtlichen Spezialgesetze, also das Urheberrechtsgesetz, das Topographiengesetz, das Markenschutzgesetz sowie das Designgesetz entsprechend angepasst. Um ein wirksameres und entschiedeneres Vorgehen gegen den stetig zunehmenden Handel mit gefälschten und unerlaubt vervielfältigten Waren zu ermöglichen, soll das Strafmass für gewerbsmässig begangene Immaterialgüterrechtsverletzungen in allen Immaterialgüterrechtsgesetzen verschärft und namentlich höhere Bussgelder vorgesehen werden. Auch auf internationaler Ebene ist eine klare Tendenz zur Erhöhung der Strafdrohungen bei gewerbsmässig begangenen Immaterialgüterrechtsverletzungen festzustellen. So hat die EU am 12. Juli 2005 einen Richtlinienvorschlag41 vorgelegt, welcher die Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums um strafrechtliche Bestimmungen ergänzt und einen Rahmenbeschluss einschliesst, der Mindeststandards bei den strafrechtlichen Sanktionen vorsieht.

Fälschung und Piraterie sind ein grenzüberschreitendes Phänomen. Piraterieprodukte finden aber nicht nur im Rahmen grosser Lieferungen den Weg ins Inland, sondern vermehrt auch in geringen Mengen im Reisegepäck von Einzelpersonen (sog. Kapillarimporte). Das gilt besonders für marken- und designrechtlich geschützte Produkte. Das schweizerische Immaterialgüterrecht sah bisher keine Handhabe gegen Handlungen vor, welche von Privatpersonen zu nicht gewerblichen Zwecken vorgenommen wurden. Auch wenn es im Einzelfall jeweils um geringe Mengen geht, fallen diese Kapillarimporte in ihrer Gesamtheit durchaus ins Gewicht. Dass diese Waren in privaten Händen bleiben und nicht doch schliesslich den Weg auf den schweizerischen Markt finden, ist nicht gewährleistet. Ausserdem stimuliert die Nachfrage von Einzelpersonen nach Piraterieprodukten das Angebot zusätzlich, was eine Bekämpfung des Phänomens weiter erschwert. Anders als im Patentrecht bestehen im Marken- und im Designrecht auch keine berechtigten Interessen an einem Gebrauch widerrechtlich hergestellter Gegenstände. Während der Privatgebrauch im Patentrecht z.B. die Benützung zu Studien- oder Ausbildungszwecken ermöglichen soll, sind im Marken-
und Designrecht keine vergleichbaren schützenswerten Interessen ersichtlich. Neu soll deshalb der Inhaber eines Marken- oder Designrechts die Möglichkeit haben, die Ein-, Aus- und Durchfuhr von gewerblich hergestellten, rechtsverletzenden Waren auch dann zu verbieten, wenn sie zu privaten Zwecken erfolgt.

Als Massnahmen zur wirkungsvolleren Bekämpfung von Fälschung und Piraterie im Rahmen von gerichtlichen Verfahren sollen ferner in allen Spezialgesetzen das Auskunftsrecht gegenüber dem Besitzer von rechtsverletzenden Waren und der Umfang der Einziehung im Zivilverfahren auf das Niveau des Designgesetzes angehoben werden. Schliesslich soll eine umfassende Mitteilungspflicht über rechtskräftige Urteile der Gerichte sicherstellen, dass das IGE national und international den erforderlichen Informationsfluss im Kampf gegen Fälschung und Piraterie sicherstellen kann. Mit diesen Massnahmen wird ein Schutzniveau erreicht, welches mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 30. Januar 2003 für eine Richt-

41

Vorschlag vom 12. Juli 2005 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Massnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sowie Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Ahndung der Verletzung geistigen Eigentums, KOM(2005)276

37

linie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Massnahmen und Verfahren zum Schutze der Rechte an geistigem Eigentum42 gleichwertig ist.

1.4.3

Sonstiges

Älteres Recht In der Frage der Abgrenzung einer zum Patent angemeldeten Erfindung gegenüber einer älteren Anmeldung, die erst am oder nach dem Anmelde- oder Prioritätstag der jüngeren Anmeldung veröffentlicht worden ist (sog. älteres Recht), sah der Schweizer Gesetzgeber bei der Ratifizierung des Europäischen Patentübereinkommens davon ab, den Ansatz von Artikel 54 Absatz 3 EPÜ zu übernehmen. Diesem zufolge wird der gesamte Inhalt älterer Anmeldungen als neuheitsschädlich betrachtet, gleichgültig ob das Offenbarte beansprucht oder nur beschrieben wird und ohne Rücksicht darauf, ob die Anmeldung zum Patent führt oder nicht (sog. whole contents approach). Der Gesetzgeber befürchtete, dieser Ansatz könne zu einer unerwünscht breiten Wirkung des damals neu eingeführten Stoffschutzes führen.43 Er wählte deshalb die im Patentharmonisierungsabkommen44 (Art. 6 i.V.m. Art. 4 Abs. 3) den Vertragsstaaten zur Wahl gestellte Alternative (sog. prior claim approach), die nur den Gegenstand des älteren Patentes, d.h. das in den Patentansprüchen Definierte, als neuheitsschädlich einbezieht.

Diese gegenüber dem Europäischen Patentübereinkommen und den anderen europäischen Ländern abweichende Rechtslage wurde im Rahmen der ersten Vernehmlassung von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmern als unbefriedigend erachtet.

Sie sprachen sich für eine Harmonisierung des geltenden Artikel 7a PatG mit Artikel 54 Absatz 3 EPÜ aus. Dieses Anliegen wurde in der zweiten Vernehmlassungsvorlage berücksichtigt und in der Vernehmlassung positiv aufgenommen. Die Anpassungen gegenüber dem Vorentwurf tragen verschiedenen Anmerkungen der zweiten Vernehmlassung Rechnung (siehe Ziff. 2.4.3.1).

Internationales Privatrecht Artikel 109 IPRG wird auf Anregung von Immaterialgüterrechtsorganisationen revidiert, um bis zur Schaffung eines Bundespatentgerichts bei immaterialgüterrechtlichen Streitigkeiten eine Zuständigkeit der kantonalen Handelsgerichte zu begünstigen, und andererseits auch im Bestreben, das IPRG an die Regelung im Gerichtsstandsgesetz und im Lugano-Übereinkommen45 anzupassen. Für Verletzungsklagen sollen drei Gerichtsstände alternativ vorgesehen werden: das Schweizer Domizil des Beklagten, der Handlungs- und Erfolgsort sowie der Niederlassungsgerichtsstand. Der Vorschlag wurde aufgrund des Wegfalls des Artikels 59 BV 1874 möglich.

42 43 44 45

38

KOM(2003)46 Botschaft 1976, BBl 1976 I 1, 70 Übereinkommen vom 27. November 1963 zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente; SR 0.232.142.1.

Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; SR 0.275.11.

Um die Kohärenz innerhalb des IPRG zu wahren, sind diese Aspekte auch im Zusammenhang mit den Gerichtständen für unerlaubte Handlungen und für die ungerechtfertigte Bereicherung zu berücksichtigen. Dem Harmonisierungsvorhaben mit dem Gerichtsstandsgesetz entsprechend stehen bei den vorgeschlagenen Änderungen nicht neue internationale Zuständigkeiten der Schweiz im Vordergrund, sondern eine Neuregelung der örtlichen Zuständigkeiten in der Schweiz, wenn ein internationales Verhältnis vorliegt.

Was Verletzungsklagen betrifft, so entspricht Artikel 129 IPRG inhaltlich in etwa dem Artikel 109 IPRG. Trotzdem sind die Fragen betreffend Verletzungsklagen im Bereich des Immaterialgüterrechts und diejenigen betreffend andere Arten von unerlaubten Handlungen im IPRG separat behandelt, während im Gerichtsstandsgesetz auf eine solche Trennung verzichtet wurde. Artikel 25 GestG regelt nämlich unerlaubte Handlungen mit Einschluss derjenigen im Bereich des Immaterialgüterrechts. Eine Revision von Artikel 109 IPRG und eine Harmonisierung des IPRG mit dem Gerichtsstandsgesetz im Bereich der unerlaubten Handlungen legt dementsprechend auch eine Revision von Artikel 129 IPRG nahe, wobei beide Bestimmungen miteinander in Einklang zu bringen sind, u.a. auch betreffend den Niederlassungsgerichtsstand.

Es ist anzumerken, dass Artikel 25 GestG neben dem Wohnsitz des Beklagten sowie dem Handlungs- und Erfolgsort auch den Wohnsitz der geschädigten Person vorsieht. Oft wird die geschädigte Person der Kläger sein. Im internationalen Verhältnis wäre die Übernahme eines solchen Gerichtsstands nicht am Platz, da er einen im internationalen Verhältnis verpönten Anwendungsfall des forum actoris darstellt.

Dieser Gerichtsstand wurde demzufolge im E-IPRG nicht übernommen.

Die Artikel 109 und 129 IPRG sehen zusätzlich einen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft für die jeweils betroffene Materie vor. Diese Bestimmungen sind im Rahmen der vorliegenden Revision nicht betroffen. Eine allgemeine und mit dem Zivilprozessrecht harmonisierte Regelung der Frage des Gerichtsstands der Streitgenossenschaft sowie der Gerichtsstände der objektiven Klagehäufung und der Konnexität (und gegebenenfalls auch die Intervention) wäre jedoch im Rahmen der Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts auf eidgenössischer Ebene vorzunehmen.

Die Vorschläge
sind in der zweiten Vernehmlassung durchwegs befürwortend aufgenommen worden.

Anpassung an den PCT Die Versammlung der Mitgliedstaaten des Verbands für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens stimmte an ihrer 30. Sitzung vom 24. September bis 3. Oktober 2001 einer Änderung des Artikels 22 des PCT in einem vereinfachten Revisionsverfahren zu. Nach Artikel 22 Absatz 1 PCT muss ein Anmelder vor Ablauf einer Frist von 20 Monaten seit dem Prioritätsdatum gegenüber den Bestimmungsämtern eine Reihe von Handlungen vornehmen, um sicherzustellen, dass die internationale Anmeldung von diesen Bestimmungsämtern weiterbehandelt wird. Die Frist wurde nunmehr auf 30 Monate verlängert und damit an die Frist von Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe a PCT angeglichen, welche Bestimmung nur zur Anwendung kommt, wenn der Anmelder eine vorläufige internationale Prüfung verlangt hat.

39

Ziel dieser Änderung ist es, die Arbeitslast der internationalen Behörden zu reduzieren und damit die Funktionsfähigkeit des internationalen Anmeldesystems angesichts der wachsenden Anmeldezahlen zumindest kurzfristig sicherzustellen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass viele Anmelder eine internationale vorläufige Prüfung nur deshalb beantragten, um in den Genuss der längeren Frist nach Artikel 39 PCT zu gelangen. Dies verursachte den mit der Erstellung des internationalen vorläufigen Prüfungsberichts beauftragten Behörden einen zusätzlichen Arbeitsaufwand, obschon am Prüfungsbericht letztlich kein Interesse bestand. Aufgrund der Angleichung der Frist von Artikel 22 PCT an diejenige von Artikel 39 PCT ist zu erwarten, dass eine erhebliche Zahl der Anmelder auf eine internationale vorläufige Prüfung verzichten wird, was zu einer Reduktion der Arbeitslast der mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragten Behörden führen wird. Es wird deshalb vorgeschlagen, die erforderlichen Änderungen des Patentgesetzes vorzunehmen (siehe Ziff. 2.4.3.3).

Im Zuge dieser Anpassung sollen auch die erforderlichen Änderungen der Patentverordnung vorgenommen werden, die es erlauben, den Vorbehalt zu den von der Versammlung der Mitgliedstaaten des Verbands für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens an deren 28. Sitzung vom 13. bis 17. März 2000 beschlossenen Änderungen der Ausführungsordnung PCT zurückzuziehen. Den Kernpunkt dieser Änderungen bildet die Möglichkeit der Patentbewerber, bereits im Zeitpunkt der Einreichung einer internationalen Anmeldung eine Reihe nationaler Erfordernisse hinsichtlich Form und Inhalt einer Anmeldung zu erfüllen, die nach Artikel 27 PCT in Verbindung mit Regel 51bis.1 zulässig sind. Der Patentbewerber braucht folglich nicht erst beim Eintritt in die nationale Phase die nach nationalem Recht verlangten Unterlagen einzureichen, sondern kann diesen Erfordernissen mittels standardisierter Erklärungen in der internationalen Anmeldung genügen.

Diese Anliegen gaben in den beiden Vernehmlassungen zu keinen Stellungnahmen Anlass.

Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers Ein wesentliches Anliegen des neuen Designgesetzes war die Regelung der Aktivlegitimation der Lizenznehmer. Nach eingehenden Diskussionen beschlossen die Räte, dem ausschliesslichen
Lizenznehmer für Leistungsklagen (Art. 35 Abs. 4 DesG) sowie sinngemäss bei vorsorglichen Massnahmen (Art. 38 Abs. 4 DesG) eine selbständige Klagebefugnis zuzuerkennen. Die Beschränkung der Aktivlegitimation auf den ausschliesslichen Lizenznehmer erfolgte angesichts der in den parlamentarischen Beratungen geäusserten Bedenken, dass es bei einer Klagebefugnis aller Lizenznehmer unter diesen zu einem Konflikt darüber kommen könnte, wer die Rechtsverletzung geltend machen kann.

Im Rahmen des neuen Designgesetzes wurde das Anliegen vorgebracht, es sei insbesondere mit Blick auf die Mehrfachschutzproblematik eine einheitliche Lösung für das gesamte Immaterialgüterrecht anzustreben. Diesem Anliegen trägt die vorgeschlagene Regelung nun Rechnung.

Eine entsprechende Regelung dieser in einem immaterialgüterrechtlichen Spezialerlass erstmals vorgesehenen Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers wird nunmehr auch für das Patentgesetz, das Markenschutzgesetz und das Urheberrechtsgesetz eingeführt. Durch den Verweis in Artikel 10 ToG gilt die Regelung im Urheberrecht auch für das Topographiengesetz.

40

Die Einführung der Klagebefugnis in die übrigen immaterialgüterrechtlichen Erlasse stiess in der zweiten Vernehmlassung teilweise auf Ablehnung. Es wurde geltend gemacht, dass in Anbetracht der nachteiligen Auswirkungen der Nichtigerklärung des Schutzrechts für den Lizenzgeber ein von dessen Zustimmung unabhängiges Klagerecht des ausschliesslichen Lizenznehmers nicht sachgerecht sei. Diese Diskussion wurde bereits anlässlich des neuen Designgesetzes geführt46. Schon damals wurde indessen darauf hingewiesen, dass die Nichtigkeitsklage sich nur gegen den Schutzrechtsinhaber richten könne; dem ausschliesslichen Lizenznehmer komme keine Passivlegitimation zu. Klagt der ausschliessliche Lizenznehmer gegen einen Verletzer und erhebt dieser die Einrede der Nichtigkeit des Schutzrechts, führt dies bei begründeter Einrede zur Abweisung der Klage. Der Entscheid über die Einrede ist jedoch nicht Gegenstand des Dispositivs, womit der Entscheid über den Bestand des Schutzrechts nicht in materielle Rechtskraft erwächst. Im Falle der Nichtigkeitswiderklage ist der Lizenznehmer nicht passivlegitimiert, diese kann sich nur gegen den Schutzrechtsinhaber richten. Der Lizenznehmer ist nur Nutzungsberechtigter, er ist nicht Schutzrechtsinhaber.

Die Aktivlegitimation des ausschliesslichen Lizenznehmers wird in den meisten Fällen den Interessen der beteiligten Parteien am besten entsprechen. Der ausschliessliche Lizenznehmer ist unmittelbar von Verletzungshandlungen betroffen und hat ein vitales Interesse an deren Abwehr. Von der gesetzlichen Regel kann aber im Bedarfsfall durch Parteivereinbarung abgewichen werden. Vor diesem Hintergrund wäre ein von der Zustimmung des Lizenzgebers abhängiges Klagerecht nicht sachgerecht und würde die Möglichkeit der Lizenznehmer, ihre berechtigten Interessen gegenüber Dritten geltend zu machen, wieder weitgehend zurücknehmen.

Aufhebung der Vorschriften über die Vorprüfung Das Patentgesetz enthält derzeit neben den Vorschriften zum aktuellen Erteilungsverfahren auch Vorschriften betreffend die sogenannte amtliche Vorprüfung (siehe im Wesentlichen Art. 87 ff. PatG), die nur noch übergangsrechtlich von Interesse ist.

Die amtliche Vorprüfung wurde im Rahmen der Revision des Patentgesetzes von 1954 für die Gebiete der Textilveredelung und der Zeitmessungstechnik eingeführt47. Sie
unterstellte Erfindungen auf diesen Gebieten einer sogenannten vollen Prüfung, bei der alle Erteilungsvoraussetzungen einschliesslich der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit Gegenstand einer Beurteilung durch die Erteilungsbehörde bilden (siehe zu den Hintergründen Ziff. 2.1.7). Im Unterschied dazu prüft das IGE im heute geltenden nationalen Erteilungsverfahren nicht, ob eine Erfindung neu ist und ob sie sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

1995 wurde die amtliche Vorprüfung angesichts der zunehmenden Präferenz der Anmelder für das zwischenzeitlich geschaffene europäische Patenterteilungsverfahren abgeschafft48. Die Gesetzesvorschriften betreffend das Vorprüfungsverfahren wurden indessen nicht aufgehoben, weil sie weiterhin auf die damals hängigen, der amtlichen Vorprüfung unterstellten Patentgesuche und auf daraus hervorgegangene Patente anwendbar waren49.

46 47 48 49

Vgl. AB 2001 N 192 f.; AB 2001 S 271.

Botschaft 1950, BBl 1950 I 933, 939 ff.

Botschaft 1993, BBl 1993 III 706, 716 f.

Botschaft 1993, BBl 1993 III 706, 727 f.

41

Das letzte Patentgesuch, das der amtlichen Vorprüfung unterstellt ist, wird bis zum Inkrafttreten der Revision erledigt werden können. Damit verlieren die Bestimmungen für das Vorprüfungsverfahren vor dem IGE ihre Bedeutung. Sie sollen daher im Interesse einer Entschlackung des Patentgesetzes aufgehoben werden. Die wenigen Gesetzesvorschriften betreffend Patente, die mit amtlicher Vorprüfung erteilt wurden, werden durch bestehende Änderungsvorschläge oder geringfügige Anpassungen aufgefangen und erfordern daher keine Übergangsregelung (siehe Ziff. 2.4.3.5).

Sie können mithin ebenfalls aufgehoben werden, auch wenn die maximale Patentschutzdauer für die letzten betroffenen Patente theoretisch erst im Jahre 2015 abläuft.

Gegen dieses Anliegen erhob sich in der zweiten Vernehmlassung keinerlei Widerspruch.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Patentgesetzes sowie des Patentrechtsvertrags

2.1

Revisionspunkte im Bereich der Biotechnologie

2.1.1

Begriffsbestimmungen

Im revidierten Patentgesetz bedeutet: ­

«biologisches Material» ein Material, das genetische Informationen enthält und sich selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann;

­

«im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren» ein Züchtungsverfahren, das vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruht;

­

«mikrobiologisches Verfahren» jedes Verfahren, bei dem mikrobiologisches Material verwendet, ein Eingriff in mikrobiologisches Material durchgeführt oder mikrobiologisches Material hervorgebracht wird;

­

«Gen» ein funktioneller Abschnitt der DNA.

2.1.2

Erfindungsbegriff und Ausschlüsse von der Patentierung (Art. 1a, 1b und 2 E-PatG)

2.1.2.1

Abgrenzung von Erfindung und Entdeckung

Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmer lehnten die Patentierung von biologischem Material, insbesondere von Bestandteilen des menschlichen Körpers und von Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen, unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung zwischen patentfähiger Erfindung und nicht patentfähiger Entdeckung ab. Der Einwand geht im Wesentlichen dahin, dass biologisches Material in der Natur vorhanden sei. Es könne mit seinen Funktionen daher nicht erfunden, sondern nur entdeckt werden.

Dieser Auffassung liegen zunächst Missverständnisse zugrunde.

42

­

Zum einen wird häufig übersehen, dass das Patentrecht die Begriffe der Erfindung und Entdeckung nicht im alltagssprachlichen Sinn verwendet. Im Patentrecht bezeichnet der Ausdruck Erfindung den Regelungsgegenstand des Patentrechts. So wie das Sachenrecht die Rechtsverhältnisse an «Sachen» (Fahrnis und Immobilien) regelt, führt das Patentrecht «Erfindungen» einer rechtlichen Regelung zu. Die Erfindung wird als Regelungsgegenstand des Patentrechts weder im Patentgesetz noch im Europäischen Patentübereinkommen umschrieben, sondern vorausgesetzt. Die Lehre und Rechtsprechung versteht sie als zielgerichtete Handlungslehre, die auf die Erreichung eines voraussehbaren Erfolgs auf dem Gebiet der Technik abzielt. Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 31. Juli 199650 die Erfindung entsprechend der Definition des deutschen Bundesgerichtshofs51 als «Lehre zum planmässigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur unmittelbaren Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs» umschrieben. Was dieser Definition entspricht, kommt als Gegenstand eines Patents in Betracht. Die Erteilung eines Patents hängt freilich davon ab, dass die Erfindung die weiteren Patentierungsvoraussetzungen erfüllt, also neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist. Im täglichen Sprachgebrauch wird demgegenüber die Tätigkeit des Erfindens in unterschiedlichem Sinne verstanden, wobei sich kein Sinngehalt in jeder Hinsicht mit der Definition des Patentrechts deckt: So wird die Erfindung als Einfall des schöpferischen Denkers, als etwas neu Geschaffenes, als etwas Ausgedachtes oder Erfundenes (z.B. ein Roman) oder sogar gleichbedeutend mit Lüge verstanden.

Der Begriff der Entdeckung versteht sich im Patentrecht wiederum in negativer Abgrenzung zum Begriff der Erfindung. Das Schrifttum umschreibt die Entdeckung verbreitet als das Auffinden bzw. Aufdecken von etwas in der Natur bereits Vorhandenem, aber bisher nicht Bekanntem.

Für die Abgrenzung von Erfindung und Entdeckung erachten Lehre und Rechtsprechung den Schritt von der reinen zur angewandten Erkenntnis als entscheidend52: Eine Entdeckung bereichert das menschliche Wissen, eine Erfindung das menschliche Können. Sie ist die praktische Anwendung von Wissen auf technischem Gebiet. Auch hier zeigt sich wieder, dass der alltagssprachliche Gebrauch des Wortes «Entdeckung»
mit dem patentrechtlichen nicht vollkommen übereinstimmt. Diese fehlende Kongruenz zwischen alltagssprachlichem und patentrechtlichem Sprachgebrauch erschwert die Diskussion dieses Aspekts in der Öffentlichkeit. Sie kann mit Blick auf die vorliegende Gesetzesrevision sinnvoll aber nur auf der Grundlage der patentrechtlichen Begriffsbildung erfolgen.

­

50 51 52

Zum anderen besteht verbreitet auch die Vorstellung, Erfindung und Entdeckung würden sich gegenseitig ausschliessen. Dem ist aber auch ausserhalb des Bereichs biotechnologischer Erfindungen nicht so. Vielmehr kann eine Entdeckung die Grundlage der Erfindung bilden und diese sogar vorwegnehmen. Der Erfindungsbegriff umfasst mit anderen Worten auch die Anwendung der Erkenntnisse aus einer Entdeckung, selbst wenn die AbleiBGer, Urteil vom 31. Juli 1996, Hochdruckkraftwerk, sic! 1997, 77.

BGH, Urteil vom 27. März 1969, Rote Taube, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 1969, 672.

Rudolf Krasser, Patentrecht: Ein Lehr- und Handbuch, 5. Aufl., München 2004, S. 122.

43

tung derartiger praktischer Nutzanwendungen nach der Entdeckung naheliegen mag53. So nahm etwa die Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Wilhelm Conrad Röntgen im Jahre 1895 und seine Erkenntnis ihrer Eigenschaft, Materie zu durchdringen und deren Inneres sichtbar zu machen, deren Nutzung zur Herstellung von Röntgenbildern in der Medizin vorweg. Gleichermassen wird auch die Entdeckung biologischen Materials zur Erfindung im patentrechtlichen Sinn, wenn nicht bloss aufgezeigt wird, wie das Material technisch bereitgestellt werden kann, sondern wenn überdies erklärt wird, welcher technische Effekt sich mit ihm erzielen lässt.

Das von den Kritikern zur Grenzziehung zwischen Erfindung und Entdeckung postulierte Kriterium des Vorhandenseins in der Natur liefert seinerseits kein willkürfreies Merkmal, das eine Entdeckung im Unterschied zur Erfindung zuverlässig charakterisieren könnte. Verlangte man, dass der Erfinder etwas Neues schafft, das keine Entsprechung in der Natur findet, so müsste nicht nur die technische Anwendung eines in der Natur vorhandenen Erzeugnisses, sondern auch eines in der Natur vorkommenden Wirkungszusammenhangs vom Bereich des Patentrechts ausgeschlossen bleiben. Dies würde zielgerichtete Handlungslehren weit über den Bereich der Biotechnologie hinaus von der Patentierung ausschliessen und die Innovationsförderungsfunktion des Patentrechts in Frage stellen. Ein schmutzabweisendes Gewebe, das der Oberflächenstruktur der Lotusblüte nachempfunden ist, wäre nicht patentierbar, ebensowenig der Einsatz der Kernfusion zur Gewinnung von Energie.

Erachtet man für die Beurteilung, ob der Erfindungsgegenstand in der Natur «vorkommt», die (vollkommene) Übereinstimmung zwischen dem als Erfindung Beanspruchten und seinem natürlichen Gegenstück als massgebend, so würde dies zu willkürlich anmutenden Differenzierungen führen, namentlich im Anwendungsbereich der Gentechnologie. Isolierte (genomische) Sequenzen von Genen wären nicht patentierbar, wohl aber davon abgeleitete Sequenzen, bei denen nicht kodierende Abschnitte entfernt wurden, die sich aber im Übrigen in den kodierenden Abschnitten mit der genomischen Sequenz deckten. Dabei könnten Anmelder versucht sein, dem Einwand der Übereinstimmung mit der Natur durch gezielt herbeigeführte Veränderungen von untergeordneter Bedeutung zu begegnen,
mit der Möglichkeit, dass heute nicht patentierbare Entdeckungen letztlich patentierbar würden.

Aus den genannten Gründen hält die Vorlage an der in Europa und in der Schweiz üblichen Grenzziehung zwischen reiner und angewandter Erkenntnis fest. Biologisches Material kann als Erfindung beansprucht werden, wenn aufgezeigt wird, wie das Material technisch bereitgestellt werden kann und welcher technische Effekt sich mit ihm erzielen lässt.

Bezogen auf Sequenzen, die sich von einer natürlich vorkommenden Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableiten (dazu Ziff. 2.1.2.3), bedeutet das konkret Folgendes: Die Beschreibung solcher Sequenzen ohne Angabe eines technischen Nutzeffekts enthält keine Lehre zum technischen Handeln und stellt deshalb keine patentierbare Erfindung dar. Kodiert etwa ein Gen für ein Protein, so liegt erst dann eine Erfindung vor, wenn über die blosse Beschreibung der vom Gen abgeleiteten Sequenzen hinaus dargelegt wird, wie man diese technisch herstellen kann, und wenn überdies in der ursprünglichen Anmeldung nicht nur das Protein oder Teilpro53

44

Siehe eingehend zu diesen Zusammenhängen Kaspar Spoendlin, Erfindung und Entdeckung, in: Kernprobleme des Patentrechts: Festschrift zum einhundertjährigen Bestehen eines eidgenössischen Patentgesetzes, Bern 1988, S. 35 ff.

tein, für das die Sequenz kodiert, offenbart wird, sondern der Anmeldung auch entnommen werden kann, welche technischen Nutzeffekte (bzw. Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten) das Protein oder Teilprotein hat. Im Rahmen des Erfindungsmerkmals der Technizität muss mit anderen Worten eine über die technische Bereitstellung der Sequenz hinausgehende nützliche Wirkung bzw. Eigenschaft (Finalität) derselben aufgezeigt werden. Erst mit der Angabe einer solchen Eigenschaft der Sequenz, die kausal zu einem in der Technik nutzbaren Resultat beiträgt, ist eine Erfindung als zielgerichtete Handlungslehre gegeben.

Ein anders begründeter Einwand gegen diese in der Patentrechtspraxis geübte Grenzziehung zwischen Erfindung und Entdeckung wird von den beiden nationalen Ethikkommissionen namentlich im Zusammenhang mit der Patentierung von Genen vorgetragen. Der patentrechtlichen Begriffsbildung folgend, nehmen sie die Handhabung der Grenzziehung in der Praxis zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen und hinterfragen diese aus ethischer Sicht. Der Unterscheidung zwischen Erfindung und Entdeckung schreiben die Ethikkommissionen dabei eine wesentliche Bedeutung zu, um die innovationsfördernde Funktion des Patentrechts zu gewährleisten. Dabei ist die von der Patentrechtspraxis vorgegebene Demarkationslinie bei isolierten Genen nach Ansicht der EKAH und der NEK-CNE zu extensiv und möglicherweise innovationshemmend zu werten. Dies, weil nach Ansicht der EKAH und der NEK-CNE die Isolierung von Genen nicht alle Kriterien der Patentierbarkeit erfüllt. Auch die Aufklärung der Wirkungsweisen (also die Angabe der Funktionen) von Genen reiche nicht aus, um ein Patent zuzusprechen. Es brauche darüber hinaus eine konkrete, pharmakologische Anwendung. Die blosse Anwendungsmöglichkeit, wie sie sich aus einer Funktionsaufklärung ergebe, genüge nicht.

Den Bedenken der EKAH und der NEK-CNE ist insoweit zu folgen, als die Unterscheidung von Erfindung und Entdeckung zusammen mit dem Ausschluss wissenschaftlicher Theorien von der Patentierbarkeit der Freihaltung von abstrakten Erkenntnissen dient. Damit soll vermieden werden, dass für Erkenntnisse als solche absolute Rechte erteilt werden, deren ausschliesslicher Charakter sich angesichts des breiten Anwendungsbereichs monopolisierend und damit auf den Fortschritt hemmend auswirken
könnte. Diese unerwünschte Konsequenz wird aber durch die Unterscheidung zwischen blosser und angewandter Erkenntnis vermieden, die in der Patentrechtspraxis herrschende Meinung ist. Denn Erkenntnisse und Theorien sind danach unabhängig von einer technischen Nutzanwendung dem Patentschutz nicht zugänglich. Die weiteren Patentierungsvoraussetzungen sind allerdings ­ anders als dies die Stellungnahmen der Ethikkommissionen verstehen lassen ­ nicht schon beim Schritt der Unterscheidung zwischen Erfindung und Entdeckung relevant. In diesem Stadium geht es lediglich um die Feststellung, ob einem Patentgesuch überhaupt ein Gegenstand zugrunde liegt, für den die Erteilung eines Patents in Frage kommt. Mit der Bejahung des Erfindungscharakters des Beanspruchten ist aber noch nicht entschieden, ob die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung eines Patents (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit) gegeben sind. Die Unterscheidung zwischen Erfindung und Entdeckung als erste von mehreren Hürden bei der Zuerkennung eines Patents ist für sich genommen nicht das geeignete Auffangbecken für das berechtigte Anliegen der beiden nationalen Ethikkommissionen, breiten, spekulativen Patenten entgegenzutreten. Es darf nicht übersehen werden, dass die weiteren Patentierungsvoraussetzungen, insbesondere das Erfordernis einer konkreten Beschreibung der aufgeklärten Funktionen von Genen im Zeitpunkt der Anmeldung (siehe Art. 49 PatG), spekulative Anmeldungen wirksamer und zielfüh45

render eindämmen, als dies über ein Patentierungsverbot von Genen unter Hinweis auf den fehlenden Erfindungscharakter erreicht werden könnte. Ein generelles Patentierungsverbot für Gene hätte nämlich die unerwünschte Konsequenz, dass der Anreiz für die Erforschung und Aufklärung von Genen gänzlich verloren ginge bzw.

vollumfänglich mit Steuergeldern zu finanzieren wäre, weil sich die entsprechenden Erkenntnisse nicht wirksam vor einer ausbeuterischen Übernahme durch Dritte schützen liessen. Zudem übersieht die Forderung nach einer nachgewiesenen pharmakologischen Wirkung, dass die pharmakologische Verwendung eines Gens naheliegt, wenn man ein durch das Gen kodiertes Protein aufgeklärt und biologisch charakterisiert hat. Kennt man beispielsweise die Sequenz des menschlichen Gens, das für das Insulin kodiert, so liegt es auf der Hand, die Sequenz zur Herstellung von Insulin einzusetzen und mit dem gentechnisch hergestellten Insulin Zuckerkranke (Diabetiker) zu behandeln. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Erfinder hier nicht mit einem Erzeugnispatent auf das Gen belohnt werden soll, wenn die im Patentgesuch offenbarten Verwendungen nicht spekulativ, d.h. spezifisch, substantiell und glaubhaft sind.

Aufgrund der vorstehenden Überlegungen wird im vorliegenden Gesetzesentwurf an der Patentfähigkeit von biologischem Material einschliesslich von Gensequenzen festgehalten und ein diesbezügliches generelles Patentverbot abgelehnt. Die Grenzen der Patentierung bei Erfindungen betreffend Gensequenzen werden allerdings gegenüber dem zweiten Vernehmlassungsentwurf in einer gesonderten Vorschrift (Art. 1b E-PatG) verdeutlicht (dazu Ziff. 2.1.2.3).

2.1.2.2

Der menschliche Körper und seine Bestandteile (Art. 1a E-PatG)

Art. 1a Abs. 1 E-PatG

Der menschliche Körper

Artikel 1a Absatz 1 E-PatG stellt entsprechend Artikel 5 Absatz 1 der EG-Biotechnologie-Richtlinie sicher, dass die Achtung der Menschenwürde gewährleistet ist, indem der menschliche Körper als solcher in jeder einzelnen Phase seiner Entstehung und Entwicklung dem Anwendungsbereich des Patentrechts entzogen wird und damit unverfügbar bleibt. Gegenüber Artikel 5 Absatz 1 der EG-Biotechnologie-Richtlinie wird ausdrücklich klargestellt, dass mit der Wendung «in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung» auch der Embryo erfasst ist. Der Zeitpunkt der Kernverschmelzung stellt nach schweizerischer Rechtslage den Beginn der Entstehung und Entwicklung des Menschen im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Ausschluss erstreckt sich aber auf alle Entwicklungsstadien des ungeborenen Lebens, also auch auf den Fötus im naturwissenschaftlichen Sinn. Auch totipotente Zellen, die das Potenzial haben, sich zu einem lebenden Menschen zu entwickeln, sind vom Normzweck erfasst und somit von der Patentierung ausgenommen. Die Klarstellung in Bezug auf menschliche Embryonen im Gesetzestext entspricht einem Anliegen der EKAH und der NEK-CNE.

Der Grundsatz, dem zufolge der menschliche Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung nicht patentierbar ist, blieb in der Vernehmlassung unwidersprochen und wurde zum Teil ausdrücklich begrüsst.

46

Art. 1a Abs. 2 erster Satz E-PatG

Körperbestandteile in ihrer natürlichen Umgebung

Artikel 1a Absatz 2 erster Satz E-PatG klärt darüber hinaus, dass ein Körperbestandteil des Menschen in seiner natürlichen Umgebung nicht patentierbar ist. Dies hat auch der EuGH in Auslegung von Artikel 5 Absatz 1, 2. Teilsatz der EG-Biotechnologie-Richtlinie hervorgehoben, der festschreibt, dass die blosse Entdeckung eines Bestandteils des menschlichen Körpers keine patentierbare Erfindung darstellen kann54. Dies gilt auf dem Gebiet der belebten Natur ganz allgemein: Gegenstand eines Patents ist nicht das Lebewesen in seiner natürlichen Umgebung, sondern eine technische Lehre, wie der Mensch die Natur auf neue Art gewerblich nutzen kann.

Art. 1a Abs. 2 zweiter Satz E-PatG

Technisch bereitgestellte Körperbestandteile

Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass die Patentierbarkeit von Bestandteilen des menschlichen Körpers kontrovers beurteilt wird. Während diese Möglichkeit in einer Vielzahl von Stellungnahmen befürwortet wird, lehnen insbesondere die CSP, die GPS, die SP, Entwicklungs-, Umwelt-, Tierschutz- und Konsumentenschutzorganisationen sowie Vertreter aus Kreisen der Ethik Patente betreffend Bestandteile des menschlichen Körpers ab. Diese Haltung wird damit begründet, dass Bestandteile des menschlichen Körpers und ihre Funktionen Entdeckungen und keine Erfindungen darstellen. Auch ein Verstoss gegen die Menschenwürde und gegen das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit werden gerügt. Patente auf Bestandteile des menschlichen Körpers ­ so ein weiteres Argument ­ favorisierten einseitig die industriellen Interessen und behinderten die Forschung.

Den Bedenken ist Folgendes entgegenzuhalten: Während die Gewährleistung der Menschenwürde unstreitig erfordert, dass der Mensch in seiner Gesamtheit von der Patentierung ausgeschlossen ist, vermag sie in Bezug auf dessen einzelne Körperbestandteile ein prinzipielles Patentierungsverbot nicht zu rechtfertigen. Der Ausschluss des menschlichen Körpers von der Patentierung nach Artikel 1a Absatz 1 E-PatG bedeutet daher kein Verbot der Patentierung seiner Bestandteile. Diese Differenzierung zwischen dem menschlichen Körper in seiner Gesamtheit einerseits und seinen Bestandteilen andererseits findet sich auch in der ethischen Betrachtung.

Es wird die Ansicht vertreten, dass nur Wesensgesamtheiten und nicht ihren Bestandteilen Würde zukommen kann55. Dies will freilich nicht besagen, dass die Verwertung einer Erfindung, die einen Bestandteil des menschlichen Körpers zum Gegenstand hat, die Menschenwürde nicht tangieren könnte. Hier ist allerdings im Einzelfall zu beurteilen, ob die Verwertung einer entsprechenden Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen würde, was die Zurückweisung des Patentgesuchs bzw. die Nichtigkeit des Patents zur Folge hätte. Auch aus dem Umstand, dass ein Bestandteil des menschlichen Körpers in seiner natürlichen Umgebung nicht patentiert werden kann, lässt sich nicht folgern, dass für Körperbestandteile generell keine Patente gewährt werden dürfen. Deshalb stellt Artikel 1a Absatz 2 zweiter Satz E-PatG klar, dass ein Bestandteil des menschlichen Körpers eine patentierbare Erfindung sein kann. Dies trifft auch auf Sequenzen oder Teilse-

54 55

EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2001, Königreich der Niederlande/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rs. C-377/98, Slg. 2001, I-7079, E. 73.

Siehe Norbert Anwander/Andreas Bachmann/Klaus Peter Rippe/Peter Schaber, Gene patentieren: Eine ethische Analyse, Paderborn 2002, S. 40.

47

quenzen von Genen zu, was in einer eigenen Bestimmung verdeutlicht wird (Art. 1b E-PatG; Ziff. 2.1.2.3).

Die Erteilung eines Patents setzt freilich in jedem Fall voraus, dass alle Kriterien für die Patentierung (Art. 1 PatG) erfüllt sind, d.h. es muss eine Erfindung vorliegen, die neu, nicht naheliegend und gewerblich anwendbar ist. Entsprechend der Regelung von Artikel 5 Absatz 2 der EG-Biotechnologie-Richtlinie ist der Erfindungscharakter dann zu bejahen, wenn der menschliche Bestandteil isoliert oder auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnen und zudem ein technischer Nutzeffekt angegeben wird. Es muss mit anderen Worten im Rahmen des Erfindungsmerkmals der Technizität (und nicht bei der Voraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit) eine über die technische Bereitstellung des menschlichen Bestandteils hinausgehende nützliche Wirkung bzw. Eigenschaft (Finalität) aufgezeigt werden. Der technische Nutzeffekt macht die Entdeckung zur Erfindung im Sinne des Patentrechts (dazu Ziff. 2.1.2.1). Mit dem ausdrücklichen Verweis auf Artikel 1 PatG sowie der Hervorhebung des Erfordernisses des technischen Nutzeffektes soll auch ein Missverständnis ausgeräumt werden, das in der öffentlichen Diskussion anzutreffen ist. Es findet sich die unzutreffende Ansicht, ein Patent könnte unbesehen der Erteilungsvoraussetzungen von Artikel 1 PatG für menschliche Körperbestandteile erteilt werden, sofern diese nur isoliert oder anderweitig technisch bereitgestellt würden. Es erwies sich daher als notwendig, den Gesetzeswortlaut dahingehend zu verdeutlichen, dass die Beschreibung und Zurverfügungstellung eines Körperbestandteils für sich alleine noch keinen Anspruch auf ein Patent begründet.

Im Einzelfall ist ausserdem auch zu prüfen, ob die Verwertung einer Erfindung, die einen menschlichen Körperbestandteil zum Gegenstand hat, gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstossen würde. Artikel 2 Absatz 1 PatG bleibt daher ausdrücklich vorbehalten.

Artikel 1a Absätze 1 und 2 E-PatG decken sich inhaltlich mit Artikel 5 Absätze 1 und 2 der EG-Biotechnologie-Richtlinie. Die Abweichungen in der Formulierung ergeben sich aus dem Anliegen, den Regelungsgehalt zu verdeutlichen und zugleich systematisch auf Artikel 1 PatG abzustimmen. Die Behandlung in einem eigenen Artikel erklärt sich aus den
Überschneidungen zwischen dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Menschenwürde, die auch dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten (Art. 2 Abs. 1 E-PatG) zugrunde liegt, und der Umschreibung patentfähiger Erfindungen.

2.1.2.3

Gensequenzen (Art. 1b E-PatG)

Als Teilaspekt der Patentierung von biologischem Material war auch die Patentierung von Genen in der Vernehmlassung umstritten. Selbst unter Befürwortern von Patenten betreffend biologisches Material gab es Stimmen, welche die Patentierung von (unveränderten) Genen in natürlicher Umgebung oder in isoliertem Zustand ablehnten. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass Gene und ihre Funktionen keine Erfindungen darstellen. Es wurde auch argumentiert, dass eine Patentierung von Genen gegen das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit verstosse.

Weiter gaben verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer zu bedenken, dass mit Patenten auf Genen zukünftige Forschungsfelder besetzt und blockiert würden.

48

Der Einwand des fehlenden Erfindungscharakters greift ­ wie bereits dargelegt wurde (Ziff. 2.1.2.1) ­ zu kurz. Auch das Argument des Verstosses gegen das Erbe der Menschheit vermag ein Patentierungsverbot von Gensequenzen nicht zweifelsfrei zu begründen (dazu Ziff. 2.1.2.4). Indessen ist im Lichte der Stellungnahmen in der Vernehmlassung eine präzisere Festlegung der Grenzen der Patentierung im Gesetz angezeigt. Den Befürchtungen, Patente könnten die Forschung behindern, wird durch eine Reihe von Änderungen begegnet, die weniger einschneidend, im Ergebnis aber ebenso zielführend sind (siehe insbesondere Ziff. 2.1.4).

Art. 1b Abs. 1 E-PatG

Sequenzen oder Teilsequenzen natürlich vorkommender Gene

Diese Bestimmung stellt klar, dass Sequenzen oder Teilsequenzen natürlich vorkommender Gene sowohl in ihrer natürlichen Umgebung als auch in unverändertem isoliertem Zustand nicht dem Patentschutz zugänglich sind. Damit greift Artikel 1b Absatz 1 E-PatG die Grenzziehung in Artikel 1a Absatz 2 E-PatG auf, geht aber über sie hinaus: Während sich Artikel 1a E-PatG nur mit dem Menschen und biologischem Material menschlichen Ursprungs befasst, erfasst Artikel 1b E-PatG alle natürlich vorkommenden Sequenzen oder Teilsequenzen eines Gens unabhängig davon, ob diese pflanzlichen, tierischen oder menschlichen Ursprungs sind. Artikel 1b E-PatG schliesst sodann die Patentierung solcher Sequenzen sowohl in der natürlichen Umgebung als auch in naturidentischer, isolierter Form (als genomische DNA) aus.

Art. 1b Abs. 2 E-PatG

Technisch bereitgestellte Sequenzen

Absatz 2 von Artikel 1b E-PatG stellt klar, dass eine Sequenz, die sich von einer natürlich vorkommenden Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableitet, eine patentierbare Erfindung sein kann. Unter einer abgeleiteten Sequenz wird jede ausgehend von der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens erhaltene und mit dieser funktionsäquivalente Nukleotid- oder Aminosäuresequenz (cDNA, RNA, Polypeptide, Proteine usw.) verstanden.

Die Erteilung eines Patents setzt im Einzelnen voraus, dass alle Kriterien für die Patentierung (Art. 1 PatG) erfüllt sind, d.h. es muss eine Erfindung vorliegen, die neu, nicht naheliegend und gewerblich anwendbar ist. Der Erfindungscharakter ist in Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 23 der EG-Biotechnologie-Richtlinie dann zu bejahen, wenn die Sequenz isoliert oder auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnen und zudem eine Funktion angegeben wird. Der Ausdruck «Funktion» bezeichnet jede Eigenschaft der Sequenz, die kausal zu einem in der Technik nutzbaren Resultat beiträgt. Die Funktion entspricht daher dem «technischer Nutzeffekt» in Artikel 1a Absatz 2 E-PatG. Sie kann sich aus der biologischen Funktion einer Sequenz herleiten, muss mit dieser aber nicht übereinstimmen. Artikel 1b Absatz 2 E-PatG verlangt mit anderen Worten, dass im Rahmen des Erfindungsmerkmals der Technizität eine über die technische Bereitstellung der Sequenz hinausgehende nützliche Wirkung bzw. Eigenschaft (Finalität) aufgezeigt wird. Der technische Nutzeffekt macht die Entdeckung zur Erfindung im Sinne des Patentrechts (dazu Ziff. 2.1.2.1).

49

2.1.2.4

Patentierung von Genen und Erbe der Menschheit

Gegen die Patentierung von Gensequenzen wird verbreitet eingewendet, genetische Ressourcen bzw. Gene gehörten zum gemeinsamen Erbe der Menschheit (common heritage of mankind) und dürften deshalb nicht zum Gegenstand von Patenten gemacht werden. Mit dieser Forderung werden eine Reihe von Anliegen verbunden: Im Vordergrund steht dabei, dass genetische Ressourcen und Gene unverfügbar und unveräusserlich bleiben sollen. Daneben findet sich als Teilgehalt auch das Anliegen einer gerechten Nutzung bzw. einer Nutzung im öffentlichen Interesse.

Der Begriff des gemeinsamen Erbes der Menschheit wurde im internationalen Völkerrecht im Zusammenhang mit den Weltmeeren, dem Weltraum sowie Naturund Kulturgütern geprägt. Der Grundgedanke dieses Prinzips besteht darin zu verhindern, dass Ressourcen und Güter, die für alle Nationen von Bedeutung sind, durch Staaten einseitig ausgebeutet werden. Sie sollen daher der nationalen Souveränität eines einzelnen Staates entzogen bleiben. Über den genauen Anwendungsbereich des Prinzips und seine spezifischen nutzungsrechtlichen Aspekte besteht indessen keine gefestigte Rechtsanschauung.

Im vorliegenden Zusammenhang ist aus völkerrechtlicher Sicht auf die Biodiversitätskonvention hinzuweisen. Sie anerkennt die Hoheit der Staaten über die genetischen Ressourcen von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Der Zugang und die Nutzung dieser Ressourcen geschehen auf der Grundlage von Bedingungen, die das Einvernehmen des bestimmungsbefugten Staates voraussetzen. Die durch die Biodiversitätskonvention statuierte einzelstaatliche Souveränität steht damit aus völkerrechtlicher Sicht der Zuordnung von genetischen Ressourcen von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen zum Erbe der Menschheit entgegen. Mit Bezug auf pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft folgt Entsprechendes aus dem Internationalen Vertrag der FAO. Dieser ruft freilich den Staaten auch die Verantwortung in Erinnerung, die Ressourcen für kommende Generationen zu erhalten.

Der Übertragung des Prinzips des Erbes der Menschheit auf menschliche Gene ist ebenfalls zu widersprechen. Denn das Ziel der Unverfügbarkeit und der Nichtaneignung der Gene würde nicht erreicht: Die Gene würden nicht «niemandem» gehören, sondern der Herrschaft der Menschheit unterstellt. Es würden kollektive Verfügungs- oder
Nutzungsbefugnisse an den Genen eines Individuums entstehen. Auf welche Weise und durch wen solche Verfügungs- oder Nutzungsbefugnisse ausgeübt werden könnten, ist bislang nicht geklärt. Dieser Umstand sowie die Sozialpflichtigkeit, die sich aus dem Gemeinwohlanspruch des Prinzips ergibt, werfen eine Reihe grundsätzlicher Fragen auf: Muss der Einzelne seine Gene der Menschheit etwa zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen? Kann das Individuum der Menschheit verwehren, Erkenntnisse aus dem Studium seiner Gene weiterzugeben oder gemeinschaftlich zu nutzen? Ist es der Menschheit gar erlaubt, auf die individuelle genetische Ausprägung einzuwirken? Das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit bietet im Ergebnis keinen schlüssigen Ansatz für eine normative Erfassung von menschlichen Genen. Ihre Unterstellung unter dieses Prinzip vermag den Gemeinwohlanspruch nicht zu garantieren.

50

Das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit liefert zudem keine hinreichende Begründung für ein Patentierungsverbot. Die aus dem Prinzip abgeleitete kollektive Verfügungsgewalt ginge möglicherweise viel weiter als der Patentschutz an einzelnen Genen. Ein Patent gibt seinem Inhaber keine Sacheigentumsrechte an natürlich vorkommenden Genen und ihren Trägern, sondern nur das zeitlich befristete Recht, Dritten die gewerbliche Nutzung der patentierten Erfindung zu verbieten.

Dabei stellen die bestehenden und vorliegend erweiterten Voraussetzungen und Eingrenzungen des Patentschutzes eine Balance zwischen den ökonomischen Rechten des Erfinders und den Interessen der Allgemeinheit sicher und tragen damit dem Kernanliegen einer gerechten Nutzung der genetischen Ressourcen zum Wohle der Menschheit Rechnung. Artikel 1a Absatz 1 E-PatG stellt darüber hinaus sicher, dass das menschliche Genom in seiner Gesamtheit nicht Gegenstand eines Ausschliessungsrechts wird. Schliesslich ist zu beachten, dass sich der Patentschutz nicht auch auf menschliche Gene in ihrer natürlichen Umgebung erstreckt, womit dem Anliegen der Unverfügbarkeit Rechnung getragen ist.

2.1.2.5

Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten (Art. 2 Abs. 1 E-PatG)

Mit dem Patentierungsausschluss von Erfindungen, deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen würde (Art. 2 Abs. 1 PatG), hält das Patentrecht einen rechtlichen Ansatz bereit, der es erlaubt, bei der Erteilung von Patenten tragende Grundsätze der Rechtsordnung sowie moralische und sittliche Werte von allgemeiner Verbindlichkeit zu berücksichtigen. Dieser Ausschluss soll vermeiden, dass sich der Staat im Falle der Verletzung fundamentaler rechtlicher oder moralischer Wertvorstellungen bei der Patenterteilung einerseits und bei der Zulassung der Verwertung der Erfindung andererseits widersprüchlich verhält. Diese Begründung zeigt, dass nur ein Verstoss gegen ganz grundlegende und damit auch dauerhafte Werte die Verweigerung eines Patentes rechtfertigen kann, denn die Patentanmeldung und der Beginn der Verwertung der Erfindung liegen gerade auf dem Gebiet der Biotechnologie oft bis zu 10 Jahre und mehr auseinander. In dieser Zeitspanne können sich Wertvorstellungen und Normen wandeln, und es wäre stossend, wenn ein Patent verweigert würde für eine Erfindung, deren Verwertung im Verlauf der potenziellen Schutzdauer von 20 Jahren (bei Arznei- und Pflanzenschutzmitteln z.T. bis 25 Jahren) aufgrund eines Werte- und Normenwandels unproblematisch wird.

Mit der gesetzlichen Regelung der Stammzellenforschung wurde der sehr offen gefasste patentrechtliche Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten konkretisiert. Dies geschah durch eine Aufzählung von Kategorien von Erfindungen, deren Verwertung als Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten zu werten ist. Die Aufzählung soll den Rechtsanwendern klarere Leitlinien zur Handhabung dieses Patentierungsausschlusses in die Hand geben.

Die Konkretisierung erfolgte allerdings beschränkt auf den Geltungsbereich des Stammzellenforschungsgesetzes, einschliesslich der durch dieses Gesetz tangierten Bereiche des Fortpflanzungsmedizingesetzes. Dies macht es erforderlich, Artikel 2 PatG in der Fassung nach Artikel 27 StFG im Rahmen dieser Revision zu überarbeiten. Denn die Revision will für den gesamten Bereich biotechnologischer Erfindungen klare Rechtsregeln schaffen.

51

Abgesehen von einer Vervollständigung für die vom Stammzellenforschungsgesetz nicht erfassten Bereiche besteht angesichts der deutlichen Annahme des Stammzellenforschungsgesetzes in der Volksabstimmung vom 28. November 200456 kein Raum für eine Überprüfung der einzelnen Ausschlusstatbestände oder des Beispielkatalogs insgesamt. Dies ungeachtet des Umstands, dass die Konkretisierung sowie die einzelnen Tatbestände in der zweiten Vernehmlassung auf Kritik gestossen sind.

Namentlich muss mit Blick auf den Volksentscheid die Forderung betreffend Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e PatG, nicht nur unveränderte, sondern auch veränderte menschliche embryonale Stammzellen von der Patentierung auszuschliessen, abgelehnt werden. Ebensowenig kann dem Wunsch entsprochen werden, die Ausschlusstatbestände auf der Grundlage einer Kompetenznorm in Artikel 2 PatG auf Verordnungsebene zu regeln. Auch wenn diese Massnahme zugegebenermassen eine raschere Anpassung an geänderte Umstände erlauben würde, so wäre eine solche Delegation unter dem Gesichtspunkt der Gewaltentrennung bedenklich. Schliesslich sollen ­ wie dargelegt ­ nur ganz grundlegende und damit auch dauerhafte Werte benannt werden, welche die Verweigerung eines Patentes rechtfertigen.

Art. 2 Abs. 1

Generalklausel

Die Generalklausel im geltenden Artikel 2 Absatz 1 PatG wird zunächst dadurch verdeutlicht, dass die Menschenwürde (Art. 7 BV) und die Würde der Kreatur (Art.

8 GTG) exemplarisch als Normen mit grundsätzlich tragendem Charakter angeführt werden. Damit wird einem Anliegen namentlich der EKAH und der NEK-CNE entsprochen. Sie haben angeregt, im Gesetzestext zu präzisieren, dass die genannten Rechtsgrundsätze nach der geltenden Rechtspraxis der öffentlichen Ordnung zuzurechnen sind. In der Vernehmlassung stiessen diese Präzisierungen ­ soweit auf sie eingegangen wurde ­ auf Zustimmung.

Es würde aber dem Sinn des Vorbehalts der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten zuwiderlaufen, wenn jede Beeinträchtigung der Würde der Kreatur im Rahmen der Verwertung einer Erfindung die Verweigerung eines Patents bzw. dessen Nichtigkeit zur Folge hätte. Mit dem Ausdruck «missachten» wird deutlich gemacht, dass der Ausschluss von der Patentierung eine qualifizierte Beeinträchtigung der Würde voraussetzt, die nicht durch schutzwürdige Interessen aufgewogen wird. Die Buchstaben a­e von Artikel 2 Absatz 1 PatG in der Fassung nach Artikel 27 StFG sowie die neuen Buchstaben f und g liefern hierzu Anschauungsbeispiele. Demgegenüber wäre beispielsweise ein Patent für einen transgenen Zierfisch nicht zu verweigern, der das Gen einer fluoreszierenden Qualle in sich trägt und daher im Aquarium unter einer UV-Lampe leuchtet. Dies, obschon die artspezifischen Eigenschaften des Fisches beeinträchtigt werden, ohne dass hierfür schutzwürdige Interessen im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 GTG angeführt werden können. Es fehlt hier an einem qualifizierten Eingriff.

Es ist vorliegend klar festzuhalten, dass ein im Gesetz oder in Verwaltungsvorschriften statuiertes Verwertungsverbot allein noch keinen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten begründet57. Solche Verwertungsverbote sind zwar Voraussetzung dafür, dass ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung in Betracht kommt. Eine danach verbotswidrige Verwertung der Erfindung rechtfertigt die Verweigerung oder Nichtigerklärung eines Patents aber nur dann, wenn das Verwer56 57

52

BBl 2005 951 Botschaft 1976, BBl 1976 II 1, 69

tungsverbot tragenden und dauerhaften Charakter besitzt, weil es dem Schutz zentraler Rechtsgüter und Werte für die Gesellschaft dient. Im Vordergrund stehen dabei die gegenüber anderen Gesichtspunkten überwiegenden Interessen des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen sowie der Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt. Die öffentliche Ordnung lässt sich daher nicht einfach mit der schweizerischen Rechtsordnung gleichsetzen.

Artikel 2 Absatz 1 PatG in der Fassung nach Artikel 27 StFG wird durch eine Aufzählung von Kategorien von möglichen Erfindungen konkretisiert, deren Verwertung als Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten zu werten ist.

Dieser Katalog soll mit den nachstehend besprochenen Änderungen und Ergänzungen beibehalten werden. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend. Sie hindert die Rechtsanwendungsbehörden nicht, in Auslegung und Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Artikel 2 Absatz 1 PatG im Einzelfall weiteren Erfindungen den Patentschutz zu verweigern. In der Tat wäre eine lückenlose Bestandesaufnahme aller Erfindungen, die unter diesen Patentausschlussgrund fallen könnten, nicht möglich, weil die künftige Entwicklung auf dem Gebiet der Technik nicht antizipiert werden kann; dies gilt insbesondere für den dynamischen Bereich der Biotechnologie. Davon abgesehen sind allzu detaillierte Vorgaben des Gesetzgebers für sich rasch fortentwickelnde Technologiebereiche auch nicht sinnvoll. Sie mögen zwar dem IGE und den Gerichten kurzfristig eine Hilfestellung bieten, werden aber durch den raschen technologischen Wandel schon bald wieder in Frage gestellt.

Patentierungsverbote hängen zudem von der gesellschaftlichen Akzeptanz einer bestimmten Technologie ab. Auch diese Akzeptanz ist ständigem Wandel unterworfen, selbst wenn bestimmte verfassungsmässig verankerte Grundprinzipien als unverrückbar gelten dürfen. Kommt es allerdings in Folge eines solchen Wandels zur Aufhebung eines Patentierungsverbots, so lassen sich die davon betroffenen Erfindungen weder rückwirkend noch nachträglich schützen. Dies ist ungerecht gegenüber den Erfindern, deren Erfindung durch Dritte verwertet werden kann, ohne dass jene sich an deren Gestehungskosten beteiligten. Demgegenüber lassen sich blosse Verwertungsverbote in der Sachgesetzgebung
ohne Wettbewerbsverzerrung dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und der gesellschaftlichen Akzeptanz einer Technologie anpassen. Im Unterschied zu Verwertungsverboten haben daher Patentierungsverbote eine besonders negative Signalwirkung mit entsprechend negativen gesamtwirtschaftlichen Folgen. Denn die Bereitschaft, in Entwicklungen in neuen Technologiebereichen zu investieren, hängt von der Möglichkeit ab, die entsprechenden Ergebnisse zu schützen. Soweit sich eine neue technologische Entwicklung in ihrer wissenschaftlichen Bedeutung und hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz im Fluss befindet, sollten generelle Patentierungsverbote mit äusserster Zurückhaltung vorgesehen werden. Sie sind kein geeignetes Instrument zur Lenkung der Forschung und Entwicklung.

Art. 2 Abs. 1 Bst. b

Mischwesen

Buchstabe b in der Fassung nach Artikel 27 StFG verwendet die Begriffe «Hybride» und «Chimäre» im Sinne des Fortpflanzungsmedizingesetzes (Art. 2 Bst. m und n FMedG). Durch die Definition des Fortpflanzungsmedizingesetzes werden nur Mischwesen erfasst, welche durch die Vereinigung von Keimzellen oder totipotenten Zellen menschlicher und tierischer Herkunft entstehen. Nicht erfasst, aber ebenfalls von der Patentierung auszuschliessen ist die Herstellung von Chimären durch Injektion menschlicher embryonaler Stammzellen in eine tierische Blastozyste oder 53

durch Injektion tierischer embryonaler Stammzellen in eine menschliche Blastozyste. Denn auch durch dieses Verfahren könnte ein Organismus entstehen, der in allen Geweben «gemischt» ist. Der Ausschluss von der Patentierung wird durch die Ergänzung von Buchstabe b bezüglich der Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen erreicht. Um deutlich zu machen, dass damit der Anwendungsbereich dieses Tatbestands von der zu engen Terminologie des Fortpflanzungsmedizingesetzes losgelöst wird, wird der Begriff des Mischwesens eingeführt. Dabei muss es sich um eine Mischung zwischen dem Erbgut von Mensch und Tier handeln. Eine Mischung zwischen dem Erbgut zweier Menschen ist von Buchstabe b nicht erfasst, kann aber aufgrund der Generalklausel in Absatz 2 im Einzelfall von der Patentierung ausgeschlossen sein. Denkbar ist dies etwa bei einem Verfahren, bei dem menschliche embryonale Stammzellen in eine menschliche Blastozyste injiziert werden.

In der Vernehmlassung wurde dieser Ausschlusstatbestand verschiedentlich als zu eng kritisiert. Er solle auch Tiere mit menschlichen Genen bzw. Organen einschliessen. Eine derartige Ausweitung kann sich indessen nicht auf tragende Grundsätze der Rechtsordnung sowie moralische und sittliche Werte von allgemeiner Verbindlichkeit stützten. Folglich wird daran festgehalten, dass transgene Tiere oder Tiere, die menschliche Organe in sich tragen, nicht von Buchstabe b erfasst und damit grundsätzlich patentierbar sind. Solche Mischwesen können allerdings nach dem neuen Ausschlusstatbestand der Qualzüchtung (Art. 2 Abs. 1 Bst. g E-PatG) von der Patentierung ausgenommen sein. Buchstabe g legt Beurteilungskriterien fest, die den Rechtsanwendungsbehörden im Einzelfall ­ gegebenenfalls nach vorgängiger Anhörung der Ethikkommissionen ­ eine Beurteilung solcher Erfindungen unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten erlauben.

Art. 2 Abs. 1 Bst. f

Verwendung von Embryonen

Dieser Ausschlussgrund erfasst nur Verwendungserfindungen. Diese haben den Einsatz eines bestehenden Erzeugnisses zu bestimmten Zwecken zum Gegenstand.

Erzeugnisansprüche auf menschliche Embryonen beurteilen sich demgegenüber nach Artikel 1a Absatz 1 E-PatG; sie sind unter keinen Umständen zulässig. Durch Buchstabe f werden alle Erfindungen, die eine Verwendung von menschlichen Embryonen beanspruchen, von der Patentierung ausgeschlossen, soweit es sich nicht um medizinische Zwecke handelt.

Der Begriff des Embryos umfasst nicht nur den werdenden Menschen in der Entstehungsphase vom Moment der Kernverschmelzung bis zur 7. Woche nach diesem Zeitpunkt, sondern alle Stadien der Entwicklung ab Kernverschmelzung bis zum Abschluss der vorgeburtlichen Entwicklung. Nicht erfasst sind Zellen, welche nicht die Eigenschaft in sich tragen, sich zu einem lebensfähigen Menschen zu entwickeln, insbesondere auch (pluripotente) embryonale Stammzellen. Der Begriff «medizinisch» ist nicht in Anlehnung an das weite Verständnis des Gesundheitsbegriffs der Weltgesundheitsorganisation zu verstehen, sondern erfasst die Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen beim Menschen. Die Gewinnung von embryonalen Hirnzellen aus abgetriebenen Embryonen für die Parkinsontherapie ist ein Beispiel für eine nicht nach Buchstabe f von der Patentierung ausgenommene medizinische Verwendung von Embryonen. Buchstabe f steht auch nicht der erstmaligen Gewinnung von (pluripotenten) embryonalen Stammzellen aus der inneren Zellmasse einer menschlichen Blastozyste entgegen, auch wenn dies als Verwendung eines Embryos angesehen 54

werden könnte. Denn das Stammzellenforschungsgesetz missbilligt die Gewinnung von embryonalen Stammzellen nicht, sofern dabei sogenannte überzählige Embryonen verwendet werden. Die Herstellung von kosmetischen Produkten zur Schönheitspflege unter Verwendung menschlicher Embryonen ist demgegenüber nicht patentierbar.

Buchstabe f lehnt sich an Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der EG-BiotechnologieRichtlinie an. Diese schliesst die Erteilung von Patenten für die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken aus. Die Auslegung dieser Vorschrift ist allerdings unklar. Nach einer Interpretation soll damit verhindert werden, dass Patente für die Verwendung von menschlichen Embryonen für kommerzielle und industrielle Zwecke erteilt werden, z.B. um kosmetische Produkte aus Embryonen zu gewinnen. Eine andere Auslegung geht dahin, dass nach dieser Vorschrift jede Erfindung von der Patentierung ausgeschlossen sei, welche den Schritt der Zerstörung des menschlichen Embryos voraussetzt. Diese zuletzt genannte Interpretation vertritt das EPA in seiner Erteilungspraxis. Es hat allerdings die Erteilungsverfahren zu Anmeldungen betreffend menschliche embryonale Stammzellen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, nachdem gegen verschiedene Entscheidungen Beschwerde erhoben wurde. Die für das schweizerische Recht vorgesehene Formulierung («zu nicht medizinischen Zwecken») versucht diese Unsicherheit zu überwinden und trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Artikel 27 Absatz 2 des TRIPS-Abkommens gebietet, Erfindungen in dem Umfang zu schützen, in dem ihre gewerbliche Nutzung zugelassen ist.

Der Ausschlusstatbestand wurde in der Vernehmlassung kontrovers beurteilt. Ein Teil der Vernehmlassungsteilnehmer beantragte unter Hinweis auf die Menschenwürde und das verfassungsrechtliche Handelsverbot, dass jede Verwendung von menschlichen Embryonen von der Patentierung ausgeschlossen werde. Nach Auffassung der GPS sollte die Verwendung von menschlichen Embryonen höchstens zum Nutzen des Embryos zugelassen werden. Diesen Stellungnahmen ist indessen entgegenzuhalten, dass schon heute abgetriebene oder tot geborene Embryonen im oben erwähnten weiten Sinn in der Medizin Einsatz finden. Soweit solche Verwendungen gesellschaftlich toleriert werden, kann ihnen patentrechtlich nicht der Schutz unter Hinweis auf einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten versagt werden.

Art. 2 Abs. 1 Bst. g

Qualzüchtungen

Diese Bestimmung konkretisiert das, was in Auslegung des Artikels 2 Buchstabe a PatG in der Fassung vom 17. Dezember 1976 schon bisher galt. So hielt der Bundesrat bereits 1993 fest, dass aufgrund einer Güterabwägung Erfindungen wegen Verstosses gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten von der Patentierung ausgeschlossen seien, deren Verwertung einem Lebewesen Schmerz, Leiden oder Schäden zufügen würde, die nicht als notwendige Voraussetzung zur Linderung des Leidens von anderen Tieren oder von Menschen gerechtfertigt werden könnten, oder die unweigerlich zu ernsten Schäden für Mensch und Umwelt führen würden58.

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe g E-PatG deckt sich inhaltlich mit Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe d der EG-Biotechnologie-Richtlinie. Während die Richtlinie allerdings die Interessenabwägung auf eine Gewichtung des Leidens der Tiere mit dem medi58

Biotechnologie-Bericht EJPD, 35 und 43

55

zinischen Nutzen für Mensch und Tier beschränkt, was freilich die Prüfung erleichtert, verweist Buchstabe g auf überwiegende schutzwürdige Interessen schlechthin.

Anhaltspunkte zur Konkretisierung der schutzwürdigen Interessen finden sich in Artikel 8 Absatz 2 GTG. Der Anwendung dieser Vorschrift ist im Rahmen der Patentprüfung allerdings Grenzen gesetzt: Die Verwendungsmöglichkeiten einer Erfindung lassen sich im Zeitpunkt der Patenterteilung kaum je abschliessend beurteilen. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Erfindung in einer bestimmten Weise benutzt werden kann, bestimmen ausserdem andere Gesetze, wie etwa das Gentechnikgesetz. Es kann daher nicht Aufgabe des IGE als Erteilungsbehörde sein, bei jeder Anmeldung zu überprüfen, in welchem Umfang sie benutzt werden darf.

Zu diesem Ausschlusstatbestand gingen im Rahmen der Vernehmlassung divergierende Stellungnahmen ein. Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer beantragten die Streichung dieses Tatbestands und forderten stattdessen ein gänzliches Verbot der Patentierung von Tieren und Pflanzen. Andere wiederum sprachen sich dafür aus, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren insgesamt von der Patentierung auszuschliessen. Andere wiederum lehnten eine Güterabwägung der Erteilungsbehörde zwischen den Leiden, die eine gentechnische Veränderung einem Tier zufügt, und dem möglichen Nutzen ab. Dies sei eine Thematik des Gentechnikgesetzes bzw. des Tierschutzgesetzes und im Rahmen der dort vorgesehenen Bewilligungsverfahren zu beurteilen.

Dem letzten Einwand ist insoweit beizupflichten, dass es nicht Aufgabe des IGE sein kann, die Verwertung einer Erfindung unter Berücksichtigung aller umweltoder gesundheitspolizeilichen Aspekte eines spezialrechtlich geordneten Bewilligungsverfahrens zu beurteilen. Ziel von Buchstabe g ist nur ­ aber immerhin ­ zu verhindern, dass ein Patent für eine Erfindung erteilt wird, deren Verwertung von der Rechtsordnung oder der Gesellschaft zweifelsfrei missbilligt wird.

Beschränkt man sich entsprechend der EG-Biotechnologie-Richtlinie darauf, die Leiden der Tiere dem medizinischen Nutzen der technischen Lehre gegenüberzustellen, erleichtert man zwar die Arbeit der Erteilungsbehörde. Die Abwägung ist indessen unvollkommen. Andere rechtlich als schutzwürdig anerkannte Interessen einer gentechnischen
Veränderung eines Tieres (siehe Art. 8 Abs. 2 GTG) bleiben unberücksichtigt. Der Ausschlusstatbestand könnte sich daher als zu restriktiv erweisen.

Ein Patent könnte verweigert werden, obschon nach der Rechtsordnung die gentechnische Veränderung von Tieren und deren Nutzung zulässig wäre.

Aus diesen Überlegungen wurde am Vernehmlassungsentwurf festgehalten. Auf das Anliegen, ein Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren sowie von deren Bestandteilen zu schaffen, wird weiter unten eingegangen (dazu Ziff. 2.1.2.8).

2.1.2.6

Informierte Zustimmung

Erwägungsgrund 26 der EG-Biotechnologie-Richtlinie bestimmt: «Hat eine Erfindung biologisches Material menschlichen Ursprungs zum Gegenstand oder wird dabei derartiges Material verwendet, so muss bei einer Patentanmeldung die Person, bei der Entnahmen vorgenommen werden, die Gelegenheit erhalten haben, nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften nach Inkenntnissetzung und freiwillig der Entnahme zuzustimmen.» Diese Textstelle der EG-Biotechnologie-Richtlinie hat in Europa eine Kontroverse zur Frage entfacht, welche Bedeutung die aufgeklärte 56

Einwilligung («informed consent») der Person, der biologisches Material entnommen wurde, für die Patentierung hat und ob und inwieweit Erwägungsgrund 26 im nationalen Patentrecht umzusetzen ist. Auch im Rahmen der Vernehmlassung zum Vorentwurf vom 29. Oktober 2001 sowie im Rahmen der vertieften Gespräche des IGE im Jahre 2003 wurde diese Frage thematisiert.

Der EuGH hielt in seinem Urteil zur Nichtigkeitsklage der Niederlande in diesem Zusammenhang fest, dass sich die EG-Biotechnologie-Richtlinie nicht mit Vorgängen vor oder nach der Erteilung befasse59. Der EuGH stellte damit das Erfordernis der informierten Zustimmung nicht grundsätzlich in Frage, sondern verneinte ­ wenngleich nicht mit sehr deutlichen Worten ­ seine Relevanz für die Patenterteilung. Im gleichen Sinne, aber unmissverständlicher hatte zuvor schon Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen zu dieser Frage Stellung genommen. Das Patentrecht sei nicht der richtige Ort, um ein Einwilligungserfordernis aufzustellen und durchzusetzen60. Mit Ausnahme von Italien sieht keiner der Mitgliedstaaten der EU im Rahmen der Umsetzung der EG-Biotechnologie-Richtlinie spezifische Vorschriften zur informierten Einwilligung vor.

Die Meinungen in der Lehre zu dieser Thematik sind geteilt. Eine im Vordringen begriffene Ansicht geht beim Fehlen einer Einwilligung in die Entnahme von biologischem Material, welches das Ausgangsmaterial einer Erfindung bildet, von einem Verstoss gegen den Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten des Patentrechts aus, welcher der Erteilung eines Patents für die darauf beruhende Erfindung entgegensteht bzw. zur Nichtigkeit des Patents führt. Diese Haltung wird im Wesentlichen wie folgt begründet: ­

Die Kohärenz der Rechtsordnung wäre nicht respektiert, wenn die Verletzung der Menschenwürde bei der Patenterteilung als staatlichem, ein Recht begründendem Hoheitsakt unberücksichtigt bliebe. Es gehe nicht an, dass aus einer Verletzung der Menschenwürde rechtmässig Profit gezogen werde.

­

Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb nur die künftige Verwendung einer Erfindung auf einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten hin beurteilt würde, nicht aber deren Entstehungsprozess. Eine enge Auslegung der Generalklausel würde im Gegenteil dazu führen, dass es zur Patentierung einer Erfindung kommen könne, die unter Verletzung der Menschenwürde zustande gekommen sei.

­

Die zu missbilligende Patenterteilung lasse sich mit Rechtsbehelfen ausserhalb des Patentrechts nicht verhindern oder beseitigen.

­

Dem Patentinhaber würden unter Umständen Ausschliesslichkeitsrechte an genetischen Informationen einer Person erteilt, die sich auch gegen den betroffenen Träger richten könnten.

Nach der gegenteiligen Lehrmeinung ist zwar nicht bestritten, dass das Fehlen einer Einwilligung in die Entnahme und allenfalls in die Verwendung von humanem biologischem Material eine schwerwiegende Verletzung der persönlichen Freiheit, namentlich der körperlichen Integrität als deren Teilgehalt, oder subsidiär allenfalls 59 60

EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2001, Königreich der Niederlande/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rs. C-377/98, Slg. 2001, S. I-7079, Rz. 78 ff.

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 14. Juni 2001 in Sachen Königreich der Niederlande/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rs. C-377/98, Slg.

2001, I-7079, Rz. 205 ff.

57

der Menschenwürde darstellen kann. Unbestritten ist auch, dass diese Grundrechte der öffentlichen Ordnung im Sinne des Patentrechts zuzuordnen sind (siehe oben Ziff. 2.1.2.5). Dem Fehlen einer Einwilligung in die Entnahme von Körperbestandteilen werden aber keine Konsequenzen hinsichtlich der Patentierbarkeit der darauf aufbauenden Erfindungen beigemessen. Diese Haltung wird im Wesentlichen wie folgt begründet: ­

Der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten knüpfe nach ausdrücklicher Vorschrift an die Verwertung einer Erfindung, d.h. an deren künftige Verwendung. Der Entstehungsprozess der Erfindung sei für die Beurteilung, ob die Nutzung der Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen würde, nicht relevant.

­

Das Unrecht liege in der ohne Einwilligung erfolgten Entnahme von humanem biologischem Material, die der Entstehung der Erfindung vorangeht.

Weder die Erteilung des Patents noch die Erfindung selbst noch deren Verwendung schaffe neues Unrecht.

­

Würde eine Patentanmeldung zurückgewiesen oder ein erteiltes Patent nichtig erklärt, so könnte dennoch jedermann (der Erfinder eingeschlossen) die Erfindung gewerblich nutzen. Damit würde geschehenes Unrecht nicht aus der Welt geschafft.

­

Die Überprüfung, ob eine Einwilligung in die Entnahme humanen biologischen Materials vorliegt, sei im Rahmen einer Patenterteilung nicht praktikabel.

­

Das Ausschliesslichkeitsrecht aus einem Patent, das genetische Informationen zum Gegenstand hat, richte sich nicht gegen diejenigen Personen, die Träger der genetischen Information seien.

Das Vernehmlassungsergebnis widerspiegelte diesen Dissens. Der im Bericht dargelegten Rechtsauffassung, der zufolge das Vorliegen der informierten Zustimmung zur Entnahme humanen biologischen Materials im Rahmen der Prüfung im Patenterteilungsverfahren keine Berücksichtigung finden kann und das Fehlen einer Zustimmung daher nicht als Anwendungsfall eines Verstosses gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten gesetzlich zu verankern ist, schlossen sich namentlich Vertreter der Wirtschaft und des Fachrechts an. Eine Reihe anderer Vernehmlassungsteilnehmer sprachen sich demgegenüber dafür aus, die Patentierbarkeit einer auf humanes biologisches Material gestützten Erfindung an das Erfordernis der vorgängigen freien Zustimmung der betroffenen Person zu binden. Vor diesem Hintergrund wird an der im Vernehmlassungsbericht gegebenen Begründung festgehalten.

Die Notwendigkeit einer aufgeklärten Einwilligung der betroffenen Person in die Entnahme von humanem biologischem Material ist anerkannt und wird auch nicht in Frage gestellt. Angesichts der Strafbestimmungen zum Schutze der körperlichen Integrität und der Ausgestaltung des Persönlichkeitsschutzes im Privatrecht kann jedoch davon ausgegangen werden, dass in der Schweiz sichergestellt ist, dass vor der Entnahme von biologischem Material ­ im Regelfall im klinischen Bereich ­ der Betroffene der Entnahme nach Inkenntnissetzung über die relevanten Aspekte aus freiem Willen zugestimmt hat. Soweit diesbezüglich Defizite bestehen sollten, müsste ihnen in der Sachgesetzgebung (namentlich im Medizinalrecht) entgegengetreten werden. Es handelt sich insoweit nicht um eine Frage des Patentrechts. In 58

Übereinstimmung mit der zweiten Lehrmeinung wird daher vorliegend davon Abstand genommen, das Fehlen einer Einwilligung in die Entnahme humanen biologischen Materials als Anwendungsfall eines Verstosses gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten gesetzlich zu verankern. Damit wird nicht in Abrede gestellt, dass die persönliche Freiheit sowie die körperliche Integrität (als deren Teilgehalt) grundsätzlich zu den tragenden Rechtsgrundsätzen unserer Gesellschaft zu rechnen sind, weshalb eine schwerwiegende Beeinträchtigung dieser Prinzipien einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 PatG darstellen kann. Doch sprechen insbesondere die folgenden Überlegungen dagegen, dass im Patenterteilungsverfahren im Rahmen der Prüfung von Artikel 2 Absatz 1 E-PatG auch das Vorliegen der informierten Zustimmung Berücksichtigung finden kann: Verweigert man die Erteilung eines Patents oder erklärt dieses für nichtig, weil die Einwilligung in die Entnahme von humanem biologischem Material fehlt, das Grundlage der fraglichen Erfindung bildet, so darf in aller Regel jedermann (der Erfinder eingeschlossen) die Erfindung als Gemeingut nutzen. Denn weder die Erfindung als solche noch deren Nutzung verletzen die körperliche Integrität und sind daher auch nicht durch die Rechtsordnung verboten. Wie aus dem im Auftrag des IGE erstellten Rechtsgutachten hervorgeht61, widerspricht eine solche Rechtslage aber Artikel 27 Absatz 2 des TRIPS-Abkommens. Diese Bestimmung erlaubt es nicht, bestimmte Erfindungen von der Patentierung auszunehmen, zugleich aber ihre Verwertung zuzulassen. Selbst wenn also eine Verletzung der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten in sittenwidrigen Umständen des «Zustandekommens» einer Erfindung erblickt würde, wäre dies patentrechtlich nur dann zu sanktionieren, wenn nach dem innerstaatlichen Recht das Fehlen einer solchen Zustimmung die Zulässigkeit der kommerziellen Verwertung der entsprechenden Erfindung ausschliesst.

Letztlich müssten die Rechtsfolgen mangelnder informierter Einwilligung also in einem Verwertungsverbot der auf entsprechendem humanem biologischem Material basierenden Produkte bestehen. Hierbei handelt es sich aber um Rechtsfolgen, die ausserhalb des Patentrechts zu regeln sind.

Soll im Patenterteilungsverfahren im Rahmen der Prüfung von
Artikel 2 Absatz 1 PatG auch das Vorliegen der informierten Zustimmung geprüft werden, so setzt dies eine Nachweispflicht des Anmelders und eine entsprechende Überprüfung durch das IGE voraus. Diese ist jedoch mit einer ganzen Reihe von praktischen Problemen verbunden: Der Nachweis könnte den Anmelder vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen, zumal wenn er das Material für seine Forschung von Dritten, z.B. aus einer Gewebebank, anonymisiert bezogen hat. Zahlreiche bereits existierende Proben würden mangels entsprechender Dokumentation unbrauchbar. Die Prüfung, ob eine rechtmässige informierte Zustimmung des Spenders vorliegt, wirft im internationalen Verhältnis noch weitere heikle praktische und rechtliche Probleme auf.

Beispielsweise könnte bei einem Bezug von humanbiologischem Material aus der isländischen Gendatenbank Decode die Zustimmung eines individuellen Spenders nicht belegt werden. In den Vereinigten Staaten von Amerika wird sodann bei einer anonymisierten Probe auf eine ausdrückliche Zustimmungserklärung verzichtet62.

Das IGE müsste davon abgesehen komplexe privatrechtliche Fragen beurteilen, da 61 62

Joseph Straus, Optionen bei der Umsetzung der Richtlinie EG 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, Ziff. 18.4.3.1.2.

Joseph Straus, Optionen bei der Umsetzung der Richtlinie EG 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, Ziff. 18.4.3.1.3.

59

sich der Verstoss gegen Artikel 2 Absatz 1 E-PatG erst aus einer Verletzung subjektiver Privatrechte ergibt.

Zur Sanktionierung der Verletzung der persönlichen Integrität stehen neben dem Strafrecht zunächst die reparatorischen Klagen nach Artikel 28a Absatz 3 des Zivilgesetzbuchs63 zur Verfügung. Diese sehen auch vor, dass Gewinne herausverlangt werden können, die als Folge einer Persönlichkeitsverletzung erzielt werden. Damit kann das stossende Ergebnis wirksam vermieden werden, dass ein widerrechtlich handelnder Erfinder aus seinem Unrecht Profit schlägt. Die zivilrechtliche Beseitigungs- oder Gefährdungsklage greift freilich nicht, weil die Erfindung als solche kein neues Unrecht schafft. Es ist bei dieser Sachlage nicht einzusehen, weshalb die Erfindung von der Patentierung ausgeschlossen oder nichtig sein sollte. Eine solche Rechtsfolge würde im Gegenteil zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen. Dies deshalb, weil mit der Zurückweisung der Patentanmeldung oder der Nichtigerklärung des Patents Dritte nicht daran gehindert würden, die Erfindung zu verwenden.

Sie könnten somit selbst Profit aus der Erfindung ziehen, ohne dass die in ihrer körperlichen Integrität verletzte Person dies verhindern könnte.

2.1.2.7

Ethikkommissionen

Die Motion Leumann fordert den Bundesrat auf, in Fortführung des Gedankens von Artikel 7 der EG-Biotechnologie-Richtlinie die beratende Funktion der vom Bundesrat mit Beschluss vom 27. April 1998 eingesetzten Eidgenössischen Ethikkommission für die Gentechnik (neu: Biotechnologie) im Ausserhumanbereich (EKAH) zu regeln. Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben aber seit der Einreichung der Motion verschiedene Änderungen erfahren: Am 1. Januar 2004 trat das Gentechnikgesetz in Kraft. Mit ihm haben die Einsetzungsverfügung des Bundesrates und das Mandat der EKAH eine neue gesetzliche Grundlage erhalten. Der Kompetenzbereich der EKAH sowie ihr Verhältnis zu den Behörden im Bereich des Patentrechts ergeben sich neu aus Artikel 23 GTG. Demnach verfolgt und beurteilt die EKAH aus ethischer Sicht die Entwicklungen und Anwendungen der Biotechnologie und nimmt zu damit verbundenen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen aus ethischer Sicht Stellung. Sie berät den Bundesrat beim Erlass von Vorschriften sowie die Behörden des Bundes und der Kantone beim Vollzug. Insbesondere nimmt sie Stellung zu Bewilligungsgesuchen oder Forschungsvorhaben von grundsätzlicher oder beispielhafter Bedeutung; sie kann zu diesem Zweck Unterlagen einsehen, Auskünfte erheben sowie weitere Sachverständige beiziehen. Wie die in Artikel 7 der EG-Biotechnologie-Richtlinie erwähnte Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien der Europäischen Kommission soll also die EKAH die ethischen Aspekte der Biotechnologie bewerten. In Bezug auf die Anwendung des Patentgesetzes gibt Artikel 23 GTG der EKAH die Möglichkeit, sich im ausserhumanen Bereich in exemplarischen Fällen zu Patentgesuchen unter ethischen Gesichtspunkten zu äussern.

Die Beantwortung der Frage, ob die Patentierbarkeit einer im Einzelfall in Frage stehenden Erfindung zu bejahen ist oder nicht, bleibt indessen auch in Zukunft in der Verantwortung der zuständigen Behörde (des IGE) bzw. im Streitfall letztlich in

63

60

SR 210

derjenign der Gerichte; Behörden wie Gerichte sind also nicht an die Empfehlungen der EKAH gebunden.

Angesichts der gesetzlichen Ordnung der Kompetenzen der EKAH, die über den Bereich des Patentrechts hinausgeht, diesen aber einschliesst, ist der Motion in diesem Punkt bereits Genüge getan und es erübrigt sich, die Aufgaben der Kommission auch im Patentgesetz zu regeln.

Auch in Bezug auf die vom Bundesrat im Jahre 2001 gestützt auf Artikel 28 FMedG gegründete Nationale Ethikkommission für Humanmedizin (NEK-CNE) besteht aufgrund des Gesagten kein spezieller Regelungsbedarf im Patentgesetz. Die NEKCNE befasst sich mit ethischen Fragen im Humanmedizinbereich. Aufgaben und Stellung der NEK-CNE ergeben sich aus Artikel 28 FMedG.

2.1.2.8

Pflanzensorten und Tierrassen und ihrem Wesen nach biologische Verfahren (Art. 2 Abs. 2 Bst. a E-PatG)

Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a E-PatG schliesst, wie der geltende Artikel 1a PatG, Pflanzensorten, Tierrassen und im Wesentlichen biologische Verfahren von der Patentierung aus. Anstelle des Begriffs der Tierart wird in Angleichung an Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der EG-Biotechnologie-Richtlinie sowie an die französischsprachige Fassung von Artikel 53 Buchstabe b EPÜ der Begriff der Tierrasse verwendet; dieser bezeichnet eine Tiermehrheit, die eine taxonomisch tiefere Stufe als eine Tierart darstellt. Damit stehen neu die von der Patentierung ausgenommenen Pflanzen- und Tiermehrheiten begrifflich sinnvollerweise auf der taxonomisch gleichen Ebene. Eine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist damit nicht bezweckt. Dass für Pflanzensorten und Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren keine Patente erteilt werden, ist nicht ethisch begründet, sondern erklärt sich allein historisch: Der Patentierungsausschluss geht auf Artikel 2 Buchstabe b des Übereinkommens vom 27. November 1963 zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente64 zurück. Diese Bestimmung ist auf das Bestehen eines Schutzsystems für Pflanzenzüchtungen zurückzuführen, das wiederum aus dem damaligen technischen Verständnis des Patentrechts zu begreifen ist: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren nämlich Züchtungsergebnisse bezüglich Pflanzen und Tieren mangels technischer Wiederholbarkeit nicht patentfähig65. Um die entsprechenden Züchtungsergebnisse dennoch zu schützen, schuf man für Pflanzenzüchtungen ein eigenständiges Schutzsystem. Der Patentierungsausschluss in Artikel 1a PatG ist Ausdruck dieser Entwicklung. Er trägt ferner dem Doppelschutzverbot von Artikel 2 des Internationalen Übereinkommens vom 2. Dezember 1961 zum Schutz von Pflanzenzüchtungen66 Rechnung, welches die Zuerkennung eines Züchterrechts durch die kumulative Gewährung eines besonderen Schutzrechts und eines Patents ausschloss.

Mit der Entwicklung der modernen Methoden der Bio- und insbesondere der Gentechnologie fiel der patentrechtliche Hinderungsgrund der fehlenden Wiederholbar64 65 66

SR 0.232.142.1 Botschaft 1989, BBl 1989 III 232, 249 unter Verweis auf Botschaft 1976, BBl 1976 II 1, 68; Botschaft Gen-Schutz-Initiative, BBl 1995 III 1333, 1339.

Internationales Übereinkommen vom 2. Dez. 1961 zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, revidiert in Genf am 10. Nov. 1972 und am 23. Okt. 1978; SR 0.232.162.

61

keit weg67. Im Rahmen der Revision des Internationalen Übereinkommens vom 2. Dezember 1961 zum Schutz von Pflanzenzüchtungen im Jahre 1991 ist sodann auch das Doppelschutzverbot fallen gelassen, womit es den Verbandsparteien frei steht, Pflanzensorten mit einem Recht sui generis, mit einem Patent oder mit beidem zu schützen.

Artikel 1a PatG steht mithin zwar Pflanzensorten und Tierrassen als Patentierungshindernis entgegen, beinhaltet aber kein allgemeines Verbot der Patentierbarkeit von Pflanzen oder Tieren68. In der Lehre und Rechtsprechung wird allerdings zum Teil die Auffassung vertreten, der Begriff der Pflanzensorte bzw. Tierart schliesse auch Pflanzen und Tiere ein, in die ein Gen stabil eingebracht wurde, weshalb Patentansprüche, die sich auf solche Pflanzen oder Tiere beziehen, nicht zugelassen werden könnten. Das Bundesgericht hat diese Frage in Bezug auf Artikel 1a PatG offen gelassen69. Die Grosse Beschwerdekammer des EPA kam in ihrem Entscheid vom 20. Dezember 199970 zum Ergebnis, dass ein Anspruch, der keine konkreten Pflanzensorten identifiziert, nicht nach Artikel 53 Buchstabe b EPÜ von der Patentierung ausgeschlossen sei, auch wenn er möglicherweise Pflanzensorten umfasst. Der Umfang des Ausschlusses von der Patentierung sei das Gegenstück zur Verfügbarkeit des Sortenschutzes. Sortenschutzrechte würden nur für konkrete Pflanzensorten erteilt, nicht aber für technische Lehren, die in einer unbestimmten Vielzahl von Pflanzensorten verwirklicht werden könnten. Daher reiche es für die Anwendung des Ausschlusses von der Patentierung nach Artikel 53 Buchstabe b EPÜ nicht aus, wenn ein Anspruch eine oder mehrere Pflanzensorten umfasse oder umfassen könne.

Im gleichen Sinn legte eine technische Beschwerdekammer Artikel 53 Buchstabe b EPÜ in Bezug auf Tiere aus71: Patente dürfen demnach nicht für Erfindungen erteilt werden, deren Ausführung technisch auf Tierarten (bzw. je nach Sprachfassung Tiersorten oder Tierrassen) beschränkt ist; doch können Patente gewährt werden, die mehrere Tierarten (bzw. je nach Sprachfassung Tiersorten oder Tierrassen) umfassen. Diese Entscheide bestätigen die Auffassung, die der Bundesrat in Bezug auf Artikel 1a PatG bisher schon vertreten hat72. Die Rechtslage wird nun im Sinne dieser (gefestigten) Praxis festgeschrieben, indem Erfindungen, deren Gegenstand
Pflanzen und Tiere sind und deren Ausführung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist, ausdrücklich als patentierbar bezeichnet werden. Dieser Ansatz liegt auch der EG-Biotechnologie-Richtlinie (Art. 4 Abs. 2 und Erwägungsgründe 29­32) zugrunde. Die Kritik in der Vernehmlassung, diese Praxis bedeute eine Umgehung des Patentierungsausschlusses von Pflanzensorten und Tierrassen, greift zu kurz. Nur als das Gegenstück zur Verfügbarkeit des Sortenschutzes ist diese Ausnahme begründet. Dementsprechend ist sie nicht über ihren Regelungszweck auszudehnen, zumal das Doppelschutzverbot mit der Revision des

67 68 69 70 71 72

62

Botschaft 1989, BBl 1989 III 232, 249; Botschaft Gen-Schutz-Initiative, BBl 1995 III 1333, 1339.

Botschaft 1989, BBl 1989 III 232, 249; Botschaft Gen-Schutz-Initiative, BBl 1995 III 1333, 1339.

BGE 121 III 125, 130 Grosse Beschwerdekammer, 20. Dez. 1999, Transgene Pflanze/Novartis II, Rs. G 1/98; ABl. EPA 2000, 111.

Technische Beschwerdekammer, 6. Juli 2004, Transgenes Tier/Harvard, Rs. T 315/03, ABl. EPA 2005, 246.

Botschaft 1989, BBl 1989 III 232, 249; siehe auch Biotechnologie-Bericht EJPD, 19 f.

Internationalen Übereinkommens vom 2. Dezember 1961 zum Schutz von Pflanzenzüchtungen73 im Jahre 1991 entfallen ist.

Soweit Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren in Frage stehen, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage: Technische ­ insbesondere bio- und gentechnologische ­ Züchtungsverfahren sind patentrechtlich schutzfähig, wobei sich der patentrechtliche Schutz auch auf die unmittelbaren Erzeugnisse solcher Herstellungsverfahren erstreckt; dabei kann es sich z.B. auch um eine Pflanzensorte handeln74.

Entgegen der Ansicht einzelner Vernehmlassungsteilnehmer bietet der Schutz unmittelbarer Erzeugnisse eines Herstellungsverfahrens keinen angemessenen Schutz für alle Erfindungen betreffend Tiere und Pflanzen. Er kann daher nur neben den Erzeugnisschutz treten. Ausgeschlossen sind im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren sowie die entsprechenden Zuchtergebnisse. Zufolge der vorliegend übernommenen Begriffsdefinition von Artikel 2 Absatz 2 der EG-Biotechnologie-Richtlinie (siehe oben Ziff. 2.1.1) ist ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren im Wesentlichen biologisch, wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruht. Ein Verfahren ist mithin dann patentierbar, wenn es neben beliebig vielen biologischen Schritten mindestens einen für die Zielerreichung notwendigen, nichtbiologischen (technischen) Verfahrensschritt aufweist. Dieses Verständnis ist im Sinne einer einheitlichen Auslegung der nationalen Vorschriften und des EPÜ (siehe Regel 23b Abs. 5 AO EPÜ) auch Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a E-PatG zugrunde zu legen. Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren ist demnach (wohl entgegen BGE 121 III 125, 130 f.) nicht erst dann patentierbar, wenn seine chemischen oder physikalischen Schritte im Rahmen einer Gesamtabwägung gegenüber den biologischen überwiegen. Freilich setzt die Erteilung eines Patents voraus, dass das entsprechende Verfahren die weiteren Patentierungsvoraussetzungen erfüllt. Es muss insbesondere wiederholbar und für den Fachmann nicht naheliegend sein. Die vorgesehene engere Auslegung des Patentierungsausschlusses nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a E-PatG schafft diesbezüglich keine Erleichterung.

Im Zusammenhang mit dem Ausschluss des menschlichen Körpers (Art. 1a Abs. 1 E-PatG; Ziff. 2.1.2.2), dem Ausschlusstatbestand
betreffend Qualzüchtungen (Art. 2 Abs. 1 Bst. g E-PatG; Ziff. 2.1.2.5) sowie dem Ausschluss von Pflanzensorten und Tierrassen beantragten in der Vernehmlassung unter anderen die CSP, die GPS, die SP sowie Entwicklungs-, Umwelt-, Tierschutz- und Konsumentenschutzorganisationen, Tiere, Pflanzen und deren Bestandteile von der Patentierung auszuschliessen.

Für ein derart weitreichendes Patentierungsverbot ist indessen keine Rechtfertigung ersichtlich. Wiewohl das Prinzip der Würde der Kreatur gesetzlich konkretisiert (Art. 8 GTG) und die Rechtsstellung der Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung verbessert wurde75, wird den Tieren und Pflanzen keine dem Menschen vergleichbare Würde zuteil, die einen Patentierungsausschluss entsprechend Artikel 1a 73

74 75

Internationales Übereinkommen vom 2. Dez. 1961 zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, revidiert in Genf am 10. Nov. 1972 und am 23. Okt. 1978; SR 0.232.162.

BGE 121 III 125, 131 ff.

Parlamentarische Initiative: Die Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung, Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 25. Jan. 2002, BBl 2002 4164; Parlamentarische Initiative: Die Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung, Stellungnahme des Bundesrats vom 27. Feb. 2002, BBl 2002 5806; Bundesgesetz vom 4. Okt. 2002 (Grundsatzartikel Tiere), AS 2003 463.

63

Absatz 1 E-PatG ethisch und rechtlich begründen könnte. Darüber hinaus würde ein solcher Ausschluss im Widerspruch zur geltenden Rechtslage und zum Europäischen Patentübereinkommen stehen, das kein generelles Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren kennt76. Schliesslich ergeben sich auch aus dem Erfindungsbegriff keine stichhaltigen Bedenken gegen die Zulassung von Patenten betreffend Tiere und Pflanzen. An der Patentierung von Erfindungen betreffend Tiere und Pflanzen wird daher im Grundsatz festgehalten.

2.1.2.9

Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik (Art. 2 Abs. 2 Bst. b E-PatG)

Der Ausschluss von Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik, die am menschlichen oder tierischen Körper angewendet werden, ist sozialethisch motiviert77. Der Gesetzgeber wollte damit einen möglichst freien Zugang zu Verfahren, die der Gesundheit von Mensch und Tier gelten, sichern. Erzeugnisse, insbesondere Stoffe und Stoffgemische, die in solchen Verfahren angewendet werden oder die Heilzwecken dienen, sowie deren Herstellungsverfahren sind demgegenüber dem Patentschutz zugänglich. Dementsprechend sind auch gentechnische Produkte, die im Rahmen einer Therapie oder zur Diagnose eingesetzt werden, grundsätzlich patentierbar.

Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b E-PatG ist im Vergleich zu Artikel 2 Buchstabe b PatG in der Fassung vom 17. Dezember 197678 bzw. von Artikel 2 Absatz 2 PatG in der Fassung nach Artikel 27 StFG inhaltlich unverändert belassen worden. Dem in der Vernehmlassung von der CSP, der GPS und der SP sowie von Entwicklungs-, Umwelt-, Tierschutz- und Konsumentenschutzorganisationen gestellten Antrag, Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik von der Patentierung auszuschliessen, auch wenn sie ausserhalb des menschlichen Körpers angewendet werden, wird nicht entsprochen. Ebensowenig wird der Forderung nachgekommen, für die in den genannten Verfahren verwendeten Stoffe und Stoffgemische keine Patente zu erteilen. Es sind keine Regelungsdefizite auszumachen, welche die zusätzlichen Einschränkungen begründen könnten. Davon abgesehen können derartige Einschränkungen der Versorgung der Schweiz mit innovativen Produkten und damit der hohen Qualität der Gesundheitsvorsorge abträglich sein.

2.1.3 Art. 8 Abs. 1 E-PatG

Wirkung des Patents (Art. 8 Abs. 1, 8a, 8b, 8c E-PatG) Grundsatz

In der öffentlichen Debatte über den Schutz biotechnologischer Erfindungen begegnen Patente vielfach dem Missverständnis, dass der Inhaber eines Patents auch das Recht erhält, die Erfindung nach Belieben zu nutzen. Ein Patent gibt dem Inhaber 76

77 78

64

Grosse Beschwerdekammer, 20. Dez. 1999, Transgene Pflanze/Novartis II, Rs. G 1/98; ABl. EPA 2000, 111; Technische Beschwerdekammer, 6. Juli 2004, Transgenes Tier/Harvard, Rs. T 315/03, ABl. EPA 2005, 246.

Botschaft 1976, BBl 1976 II 1, 68; AB 1976 N 1311 AS 1977 1997

indessen kein Recht zur Nutzung einer Erfindung. Der Patentinhaber erhält einzig ein Abwehrrecht: Damit kann er Dritten verbieten, die Erfindung ohne seine Zustimmung gewerbsmässig zu benutzen. Will der Patentinhaber die Erfindung nutzen, muss er sich an die geltende Rechtsordnung halten. Gerade im sensitiven Bereich der Biotechnologie braucht es hierzu eine spezielle behördliche Bewilligung. Die Voraussetzungen zu ihrer Erteilung werden nicht durch das Patentgesetz, sondern durch andere Gesetze ­ z.B. das Heilmittelgesetz oder das Gentechnikgesetz ­ geregelt. Darüber, ob und in welchem Umfang eine Erfindung verwendet werden darf, entscheidet deshalb nicht das IGE als nationale Patentbehörde, sondern andere hierfür spezialisierte Amtsstellen wie z.B. das Heilmittelinstitut Swissmedic, das Bundesamt für Gesundheit oder das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft.

Der geltende Artikel 8 Absatz 1 PatG vermag in seiner gegenwärtigen Fassung das genannte Missverständnis nicht zu klären. Er gibt ihm sogar Auftrieb, indem er statuiert, dass der Patentinhaber das ausschliessliche Recht erhalte, die Erfindung gewerbsmässig zu benützen. Zwar will dies nichts anderes besagen, als dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung in den Grenzen der geltenden Rechtsordnung zu benutzen. Doch kann dies der unbefangene Leser dem Wortlaut nicht ohne weiteres entnehmen. Daher wird in Artikel 8 Absatz 1 E-PatG in Anlehnung an das Designgesetz der Abwehrcharakter des Schutzrechts hervorgehoben.

Diese Änderung übersieht nicht, dass der Pateninhaber gehalten sein kann, seine Erfindung im Rahmen der gesamten Rechtsordnung zu benützen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus Artikel 37 PatG. Dieser Bestimmung zufolge kann jeder, der ein Interesse nachweist, beim Richter auf Erteilung einer Lizenz für die Benützung der Erfindung klagen, wenn der Patentinhaber sie bis zum Anheben der Klage nicht in genügender Weise im Inland ausgeführt hat und diese Unterlassung nicht zu rechtfertigen vermag. Als Ausführung im Inland gilt auch die Einfuhr. Artikel 37 PatG entbindet indessen weder den Patentinhaber noch den Lizenznehmer davon, die Rechtsordnung insgesamt zu beachten. Weiter stellt die Charakterisierung als Abwehrrecht durch den neuen Absatz 1 nicht den Anspruch des Patentinhabers auf volle Entschädigung entsprechend Artikel 32 Absatz 2 PatG im Falle einer Enteignung des Patents in Frage.

Art. 8a E-PatG

Schutz aus Verfahrenspatenten

In Bezug auf die Reichweite des Schutzes ist zwischen Erzeugnis- und Verfahrenspatenten zu unterscheiden: Erzeugnispatente verleihen dem beanspruchten Erzeugnis Schutz, unbesehen davon, ob es nach dem in den Patentunterlagen beschriebenen Verfahren hergestellt wird oder nicht. Der bei der Produktion eines patentierten Erzeugnisses befolgte Weg ist mithin irrelevant. Handelt es sich beim geschützten Erzeugnis um biologisches Material, so erstreckt sich der Schutz auf biologisches Material, das mit denselben Eigenschaften ausgestattet ist, unbesehen davon, auf welche Art und in welcher Form es gewonnen wird.

Bei Verfahrenspatenten (genauer: bei Herstellungsverfahren) ist Schutzgegenstand ein Verfahren und kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (Art. 8 Abs. 3 PatG) auch die unmittelbaren Erzeugnisse des Verfahrens (sog. derivierter oder abgeleiteter Stoffschutz). Ein Produkt ist ein unmittelbares Erzeugnis eines Verfahrens, wenn

65

es durch dieses Verfahren seine wesentlichen Merkmale erhalten hat79. Der geltende Artikel 8 Absatz 3 PatG wird mit einer Präzisierung als Absatz 1 in Artikel 8a E-PatG beibehalten und durch eine Regelung betreffend biologisches Material (Abs. 2) ergänzt.

Die Präzisierung in Absatz 1, dass nur Herstellungsverfahren angesprochen sind, macht deutlich, dass nur die unmittelbaren Erzeugnisse eines solchen Verfahrens, nicht aber die Erzeugnisse, die z.B. über ein Screeningverfahren identifiziert werden, vom Verfahrensschutz mitumfasst sind. Diese Klarstellung hilft zusammen mit einer stringenten Anwendung des Offenbarungserfordernisses durch die Patenterteilungsbehörden, das Problem sogenannter Durchgriffsansprüche (reach through claims) mit Bezug auf Verfahrenspatente zu lösen. Bei Durchgriffsansprüchen geht es um Anspruchsformulierungen, mit denen versucht wird, den Schutz insbesondere von Screeningverfahren oder von Wirkmechanismen auf noch nicht existierende Erzeugnisse auszudehnen, welche mit dem offenbarten Screeningverfahren gefunden werden bzw. gemäss dem Wirkmechanismus wirken. Die Änderung will sicherstellen, dass diese Erzeugnisse selbst künftig vom Patent nicht erfasst sind. Diese Änderung stiess in der Vernehmlassung insgesamt auf breite Zustimmung. Einzig unitectra lehnte die Präzisierung sowie den damit verbundenen Ausschluss von Durchgriffsansprüchen im Rahmen von Screeningverfahren entschieden ab. Neue Targets sowie Screeningverfahren würden häufig von Universitätsforschern bereitgestellt. Universitäten seien indessen nicht in der Lage, ein Screening nach chemischen Molekülen durchzuführen, da sie keinen Zugang zu den hierzu erforderlichen chemischen Bibliotheken hätten. Solche Screenings würden daher von der Industrie durchgeführt, die aufgrund der Regelung nunmehr Patente für die gefundenen chemischen Moleküle beanspruchen könnte. Folglich würden die Universitätsforscher um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Wiewohl die Bedenken schwer wiegen, rechtfertigen sie jedoch nicht, den Schutz von Verfahrenspatenten auf noch nicht existierende Erzeugnisse zu erstrecken, welche mit einem offenbarten Screeningverfahren gefunden werden. Dies liesse sich nicht mit dem Erfordernis der Unmittelbarkeit vereinbaren. Die resultierenden patentrechtlichen Abhängigkeiten dürften zudem die Anreize zur
Forschung auf dem Gebiet der Verfahrenserfindung nehmen.

Absatz 2 regelt die Besonderheiten des abgeleiteten (derivierten) Stoffschutzes bei biologischem Material. Biologisches Material weist im Vergleich zu lebloser Materie die Besonderheit auf, dass ihm die Vermehrung inhärent ist. Würde der Patentschutz für biologisches Material, das nach einem patentierten Verfahren hergestellt wurde, bei der ersten Generation, also noch vor Einsetzen eines daran anschliessenden Vermehrungsvorgangs enden, würde der Schutz aus dem Verfahrenspatent entschieden verkürzt und wirtschaftlich weitgehend ausgehöhlt: Der Käufer solchen Materials könnte dieses vermehren und mit den Ergebnissen dieser Vermehrung gewerblichen Handel betreiben. Damit würde er den Patentinhaber konkurrenzieren, ohne wie dieser Forschungs- und Entwicklungskosten und die entsprechenden Risiken tragen zu müssen. Deshalb legt Artikel 8a Absatz 2 E-PatG fest, dass sich die Wirkung des Patents auf Erzeugnisse erstreckt, die durch Vermehrung des nach dem patentierten Verfahren hergestellten biologischen Materials gewonnen werden und mit denselben Eigenschaften ausgestattet sind. Der Patentschutz aus Verfahrenspatenten erfasst mit anderen Worten auch die Folgegenerationen, solange die nach dem patentierten Verfahren hervorgebrachten Eigenschaften bei diesen noch 79

66

BGE 70 I 194, 202 f.

vorhanden sind. Der Ausdruck «Vermehrung» schliesst sowohl die Vermehrung durch Replikation (Klonen) als auch diejenige Vermehrung mit ein, welche zu einer Zelldifferenzierung führt. Der Schutz wird bei Vorliegen einer oder beider Vermehrungsarten gewährt, in letzterem Fall unabhängig von deren Reihenfolge.

Die Ausdehnung des abgeleiteten Verfahrensschutzes wurde in einer Vielzahl von Stellungnahmen im Rahmen der Vernehmlassung als zu weit reichend abgelehnt.

Diese Kritik ist indessen ungerechtfertigt. Eine Reihe von neuen Ausnahmen zu Artikel 8a Absatz 2 E-PatG stellen einen angemessenen Ausgleich zur Ausdehnung des Verfahrensschutzes bei biologischem Material und damit ein Interessengleichgewicht her: ­

Das Züchterprivileg erlaubt die Benützung biologischen Materials zum Zweck der Züchtung oder der Entdeckung und Entwicklung einer Pflanzensorte (Art. 9 Abs. 1 Bst. e E-PatG).

­

Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe f E-PatG erstreckt sich die Wirkung eines Patents nicht auf biologisches Material, das im Bereich der Landwirtschaft zufällig oder technisch nicht vermeidbar gewonnen wurde.

­

Artikel 9a Absatz 4 E-PatG statuiert das Recht des rechtmässigen Erwerbers von geschütztem biologischen Material, dieses für die bestimmungsgemässe Verwendung zu vermehren.

­

Und schliesslich erlaubt auch das Landwirteprivileg, das im Rahmen der Sortenschutzgesetzrevision im Patentrecht eingeführt werden soll, dem rechtmässigen Erwerber von geschütztem Vermehrungsgut, dieses im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu vermehren.

Die Erstreckung des Schutzes aus Verfahrenspatenten auf Folgegenerationen von biologischem Material erfasst nur Verfahren zur Herstellung solchen Materials, nicht aber Verfahren, die sich ihrem Wesen nach auf bestimmte Arbeitsvorgänge an oder auf die Verwendung von biologischem Material richten. Folglich umfasst beispielsweise der Schutz aus einem patentierten Verfahren zum Ausbringen von Pflanzenschutzmittel weder die nach diesem Verfahren behandelten Pflanzen noch deren Folgegenerationen. Dies wird in der öffentlichen Diskussion bisweilen übersehen.

Der Schutz eines Verfahrenspatentes kann nicht zum (abgeleiteten bzw. derivierten) Schutz von Erzeugnissen führen, die nach Artikel 2 Absatz 1 PatG wegen Verstosses gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten von der Patentierung ausgeschlossen sind80. Wie das Bundesgericht in Bezug auf Artikel 2 Buchstabe a PatG in der Fassung vom 17. Dezember 1976 festhielt, schliesst diese Bestimmung, die Artikel 2 Absatz 1 PatG entspricht, nicht bloss Erzeugnisse, sondern ebenso Verfahren von der Patentierung aus, wenn deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen würde81. Widerspricht die Verwendung eines Endprodukts daher der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten, so ist auch das Herstellungsverfahren nicht patentierbar, soweit es notwendigerweise zu diesem Endprodukt führt82. Artikel 2 Absatz 1 PatG bleibt daher immer ­ natürlich nicht nur bei Erfindungen, die biologisches Material betreffen ­ vorbehalten.

80 81 82

BGE 121 III 125, 131 f.

BGE 121 III 125, 132 BGE 121 III 125, 132

67

Artikel 8a E-PatG führt eine Übereinstimmung mit Artikel 8 Absatz 2 der EG-Biotechnologie-Richtlinie herbei. Die Aufnahme einer Bestimmung entsprechend Artikel 8 Absatz 1 der EG-Biotechnologie-Richtlinie erübrigt sich angesichts der Tatsache, dass das geltende schweizerische Recht Erzeugnispatenten bereits in entsprechendem Umfang Schutz bietet83.

Art. 8b E-PatG

Fortwirkung des Schutzes genetischer Information

Artikel 8b E-PatG stellt einen Spezialtatbestand zu den patentrechtlichen Grundsätzen der Verarbeitung eines patentierten Erzeugnisses dar. Demnach erstreckt sich der Schutz, der durch ein Patent für ein Erzeugnis erteilt wird, das aus einer genetischen Information besteht oder sie enthält, auf jedes Material, in das dieses Erzeugnis eingebracht wird und in dem die genetische Information enthalten ist und ihre Funktion erfüllt. Gelangt etwa die durch ein gentechnisches Verfahren erzielte Resistenz einer Pflanze durch Kreuzung in eine andere Pflanzensorte, so erstreckt sich der Patentschutz auch auf diese abgeleitete Sorte.

Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt indessen nicht schon dann vor, wenn die genetische Information ­ d.h. eine Nukleotidsequenz, die sich von einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableitet ­ in biologisches Material eingebracht wird.

Sie muss dort zusätzlich ihre in der ursprünglichen Anmeldung konkret offenbarte Funktion (siehe Ziff. 2.1.6) erfüllen. Es liegt auch keine Schutzrechtsverletzung vor, wenn biologisches Material seine mit den erfindungswesentlichen Merkmalen des patentierten Erzeugnisses übereinstimmenden Eigenschaften auf andere Weise erhält, als durch Einschleusen der im patentierten Erzeugnis enthaltenen genetischen Information.

Artikel 1a Absatz 1 E-PatG bleibt ausdrücklich vorbehalten. Damit wird eine bedeutende Einschränkung des Schutzbereichs verdeutlicht: Der menschlichen Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung ist von Artikel 8b E-PatG nicht erfasst. Damit ist klargestellt, dass der Mensch auch nicht mittelbar Gegenstand von Ansprüchen eines Patentinhabers werden kann, was mit Blick auf die Menschenwürde nicht tolerierbar wäre.

Mit dieser Anpassung des Patentgesetzes wird eine Übereinstimmung mit Artikel 9 der EG-Biotechnologie-Richtlinie erreicht.

In der Vernehmlassung lehnten insbesondere Entwicklungs-, Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen die Bestimmung über die Fortwirkung des Schutzes für biologisch reproduzierbares Material (Art. 8b E-PatG) als zu extensiv ab und forderten eine gegenteilige Vorschrift. Dem ist nicht nur aufgrund der oben stehenden Erläuterungen, sondern besonders unter Hinweis auf die neu geschaffenen Ausnahmen zu widersprechen, welche die Schutzausdehnung austarieren. Neben dem Züchterprivileg
(Art. 9 Abs. 1 Bst. e E-PatG) ist besonders Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe f E-PatG hervorzuheben, dem zufolge sich die Wirkung des Patents nicht auch auf patentiertes biologisches Material erstreckt, das im Bereich der Landwirtschaft zufällig oder technisch nicht vermeidbar vermehrt wurde (siehe Ziff. 2.1.4).

83

68

Vgl. Biotechnologie-Bericht EJPD, S. 22.

Art. 8c E-PatG

Geltungsumfang von Ansprüchen auf Nukleotidsequenzen

Artikel 8c E-PatG ist bereits bei den Ausführungen zum Ergebnis des vorparlamentarischen Verfahrens erläutert worden (Ziff. 1.1.3.4). Es sollen daher lediglich wenige Punkte hervorgehoben werden: Nach Artikel 8c E-PatG sind die für eine konkret offenbarte Funktion einer Nukleotidsequenz nicht wirkungsrelevanten Sequenzabschnitte vom Patentschutz ausgenommen. Die Erteilungsbehörde hat solche nicht relevanten Sequenzabschnitte aus den Ansprüchen zu streichen. Zur Ermittlung der wirkungsrelevanten Sequenzabschnitte ist der Patentbewerber aufgrund seiner Mitwirkungspflicht (Art. 13 VwVG) gehalten, auf entsprechende Aufforderung hin Angaben und Unterlagen einzureichen, die der Erteilungsbehörde die erforderliche Abgrenzung erlauben.

Artikel 8c E-PatG betrifft nur Ansprüche auf Nukleotidsequenzen, die sich von einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableiten, nicht auch von einer Gensequenz abgeleitete Aminosäuresequenzen (zum Begriff der abgeleiteten Sequenz siehe Ziff. 2.1.2.3).

2.1.4

Ausnahmen von der Wirkung des Patents (Art. 9 und 9a Abs. 3 E-PatG)

Die Ausschlusswirkung des Patents erstreckt sich auf jede gewerbsmässige Benützung der Erfindung (Art. 8 Abs. 1 PatG). Artikel 8 Absatz 2 PatG führt die Benützungshandlungen im Einzelnen auf. Das Patentgesetz enthält demgegenüber bislang keine spezielle gesetzliche Regelung, der zufolge sich die Wirkung des Patents nicht auf bestimmte Benützungshandlungen erstreckt. Dennoch sind Einschränkungen der Wirkung eines Patents in der Patentrechtspraxis anerkannt. Das vorparlamentarische Verfahren hat gezeigt, dass die Ausnahmen von der Wirkung des Patents gesetzlich zu verankern und zu verdeutlichen bzw. zusätzlich auszudehnen sind. Dem tragen die Artikel 9, 9a und 40b E-PatG Rechnung. Artikel 9 E-PatG führt eine Reihe von Benützungshandlungen auf, gegen deren Vornahme dem Pateninhaber kein Verbotsrecht zusteht. Artikel 9a E-PatG behandelt verschiedene Sonderfälle im Zusammenhang mit rechtmässig in Verkehr gesetzten geschützten Waren. Artikel 40b E-PatG statuiert für den Sonderfall der Benützung von geschützten biotechnologischen Erfindungen als Forschungswerkzeug eine gesetzliche Lizenz (siehe Ziff. 2.1.5).

Art. 9 Abs. 1 Bst. a E-PatG

Private Benützung

Buchstabe a nimmt Handlungen, die im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken vorgenommen werden, von den Wirkungen des Patents aus. Sie bilden das Gegenstück zur gewerbsmässigen Benützung der Erfindung, die während der Patentschutzdauer allein dem Patentinhaber vorbehalten ist (freilich nur im Rahmen der Rechtsordnung; vgl. Ziff. 2.1.3). Der private Bereich wird durch die Privatsphäre bestimmt und umfasst die häusliche oder familiäre Sphäre. Handlungen in diesem Bereich unterstehen nicht dem Verbotsrecht des Patentinhabers, sofern sie nicht gewerbsmässig vorgenommen werden. Letzteres ist dann der Fall, wenn die im privaten Bereich handelnde Person die Erfindung wirtschaftlich ausbeutet, indem sie ihr Einkommen fördert oder Bedürfnisse Dritter befriedigt. Als private Benützung ist etwa die Benützung einer Erfindung zu Studien- bzw. Ausbildungszwecken anzuse-

69

hen. Nicht als privat ist demgegenüber die Benützung in Vereinen, auch wenn diese ideelle Zwecke verfolgen.

Zu diesem Ausnahmetatbestand äusserten sich nur wenige Vernehmlassungsteilnehmer. Mehrheitlich begrüssten sie die Freistellung. Economiesuisse und der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie befürchten eine Behinderung im Kampf gegen Nachahmungen und Piraterie. Diesen Befürchtungen wird schutzrechtsübergreifend durch eine Reihe von Massnahmen Rechnung getragen (Ziff. 1.4.2). Von einer Einschränkung des Privatgebrauchs im Patentrecht wird indessen abgesehen.

Art. 9 Abs. 1 Bst. b und c E-PatG

Forschungs- und Versuchsprivileg

In der Patentrechtspraxis ist im Grundsatz anerkannt, dass Handlungen zu Forschungs- bzw. Versuchszwecken keine Verletzung der Rechte des Patentinhabers darstellen (sog. Forschungs- oder Versuchsprivileg). Als Handlungen, die zu Forschungszwecken vorgenommen werden und daher ohne die Zustimmung des Patentinhabers zulässig sind, gelten nach dem gegenwärtigen Meinungsstand in der Schweiz Handlungen zur Überprüfung der Ausführbarkeit oder Tauglichkeit und zur technischen Weiterentwicklung einer offenbarten Erfindung. Ob und inwieweit die Forschung zu gewerblichen Zwecken sowie mit dem Ziel der Vorbereitung und Erwirkung einer Arzneimittelzulassung durchgeführte Handlungen erfasst sind, ist für das schweizerische Recht allerdings nicht höchstrichterlich geklärt. Die Meinungen im Schrifttum gehen diesbezüglich auseinander. Zur Frage der Patentverletzung durch Handlungen, die zur Erlangung einer Arzneimittelzulassung erforderlich sind, liegen gegensätzliche kantonale Entscheide vor84.

Das vorparlamentarische Verfahren hat ausserdem gezeigt, dass sich die Forscherkreise des Forschungsprivilegs und seiner Bedeutung und Reichweite noch nicht in ausreichendem Masse bewusst sind. Dieses ungenügende Bewusstsein ist im Wesentlichen auf das Fehlen einer Gesetzesvorschrift und in der Unsicherheit hinsichtlich der Reichweite des Forschungsprivilegs zurückzuführen. Es nährt die Befürchtung weiter Kreise, dass Patente die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Biotechnologie behindern. Dies obschon verschiedene empirische Studien85 einschliesslich die vom IGE im Jahre 2003 bei Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen im Bereich der Biotechnologie durchgeführte Umfrage zwar Spannungsfelder, aber keine systematische Behinderung der Forschung durch Patente für biotechnologische Erfindungen festgestellt haben. Mit Blick auf den Umstand, dass die Forschungsfreiheit insgesamt und besonders auf dem Gebiet der Biotechnologie von grosser Bedeutung für den technischen Fortschritt ist, den das Patentrecht fördern will, enthielt der Vorentwurf einen Vorschlag, das Forschungsprivileg gesetzlich zu verankern und in seiner Reichweite zu klären.

84 85

70

Handelsgericht St. Gallen, 31.8.2004, «Simvastatin», sic! 2005 31; Obergericht BaselLandschaft, 1.10.1997, «Acyclovir», sic! 1998 78.

OECD, Genetic Inventions, Intellectual Property Rights and Licensing Practices, Paris 2002; Evaluierung der Auswirkungen des Unterbleibens oder der Verzögerung von Veröffentlichungen, deren Gegenstand patentfähig sein könnte, auf die gentechnologische Grundlagenforschung gemäss Artikel 16 Buchstabe b) der Richtlinie Nr. 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 14. Januar 2002, KOM(2002)2; Patents for Genetic Sequences: the competitiveness of current UK Law and Practice, A study by the Intellectual Property Institute (IPI) on behalf of the Department of Trade and Industry, May 2004.

Das weit gefasste Forschungsprivileg wurde in der Vernehmlassung als Garantie der Forschungsfreiheit begrüsst und praktisch einhellig unterstützt. Die explizite Festschreibung verbessere die Rechtssicherheit und Transparenz. Das Privileg stelle nicht nur die angewandte Forschung, sondern auch die Grundlagenforschung sicher und gewährleiste das dem Patentsystem innewohnende Ziel der Förderung der Forschung und der technologischen Entwicklung. Die Generikahersteller begrüssten die Ausführungen im erläuternden Bericht, denen zufolge auch die Benützung eines patentgeschützten Erzeugnisses freigestellt sei, wenn sie zu Versuchzwecken und in der Absicht erfolgten, ein Arzneimittel zu registrieren. Das in den Erläuterungen für die Freistellung als massgebend erachtete Kriterium, dass Versuche auf den Gewinn neuer Erkenntnisse über den geschützten Wirkstoff ausgerichtet sein sollten, erweise sich allerdings im Zusammenhang mit der Zulassung von Generika als zu eng, da diesbezügliche Versuche den Nachweis der Übereinstimmung mit dem Originalpräparat und nicht notwendigerweise einen Erkenntnisgewinn im Sinne der Erläuterungen zum Ziel hätten. Sie beantragten daher, dass alle zur Registrierung eines Arzneimittels gesetzlich geforderten Handlungen in einer besonderen Vorschrift freizustellen seien. Dieses Anliegen wurde auch von Entwicklungs-, Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen vorgetragen. Economiesuisse widersprach dem Versuchsprivileg nicht, forderte aber, dass Missbräuche, insbesondere die Verwendung des Forschungsprivilegs zur Vorausproduktion oder Lagerhaltung von Verkaufsware während der Patentlaufzeit, verhindert würden.

Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG greift den in seiner Stossrichtung bestätigten Vorschlag zum Forschungsprivileg auf. Das Forschungsprivileg wird durch Artikel 40b E-PatG komplettiert. Diese Bestimmung statuiert einen Lizenzanspruch für die Benutzung von biotechnologischen Forschungswerkzeugen (siehe Ziff. 2.1.5).

Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c E-PatG löst den Aspekt der Benutzung eines geschützten Erzeugnisses bei der Vorbereitung und Erwirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Zulassung für Arzneimittel aus dem Kontext des Forschungsprivilegs heraus und schafft einen eigenständigen Ausnahmetatbestand. Diesem zufolge sind alle Handlungen freigestellt, die für die
Zulassung eines Arzneimittels nach der Heimittelgesetzgebung vorausgesetzt sind. Mit den genannten gesetzlichen Vorkehren soll die Forschungsfreiheit und das dem Patentsystem inhärente Ziel der Förderung der Forschung und Entwicklung sichergestellt werden. Zugleich soll gewährleistet sein, dass sich der Patentschutz als ein wichtiges Instrument zur Förderung der Forschung und der technischen Entwicklung auch auf dem Gebiet der biotechnologischen Erfindungen weiterhin bewähren wird.

Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG ist jedes planmässige Vorgehen zur Gewinnung von Erkenntnissen über den Gegenstand der patentierten Erfindung unabhängig vom verfolgten Zweck erlaubt. Damit ist die wissenschaftliche Forschung am Gegenstand der Erfindung insgesamt von der Wirkung des Patentrechts ausgenommen und zwar auch dann, wenn sie kommerziell ausgerichtet ist. Entscheidend ist, dass die Forschung der Gewinnung von Erkenntnissen über die patentierte Erfindung dient. Dies bedeutet für den Bereich genetischer Erfindungen, dass eine patentierte Gensequenz ohne die Zustimmung des Patentinhabers zwecks Erforschung weiterer technischer Nutzeffekte dieser Sequenz benützt werden darf, ganz gleich, zu welchen Zwecken die so gewonnenen Erkenntnisse bestimmt sind. Beispielweise könnte bei einer patentierten Sequenz des Gens, das für Insulin kodiert, ergründet werden, ob die Sequenz für ein oder mehrere weitere Proteine kodiert oder zu anderen Zwecken eingesetzt werden kann, als für die Synthese von Insulin 71

zwecks Behandlung von Diabetes. Die aus dieser Forschung hervorgegangenen Erfindungen sind ihrerseits nach den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen dem Patentschutz zugänglich. Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG stellt mithin sicher, dass die Forschung an patentierten Gensequenzen, insbesondere jene Forschung, die sich auf deren Weiterentwicklung sowie Neuverwendung bezieht, nicht durch Patente gehemmt wird. Patente dürften somit keinen negativen Einfluss auf den Fortgang sowohl der Grundlagenforschung als auch der angewandten Forschung im Bereich der Gentechnologie haben. Aber auch ausserhalb des besonderen Kontextes genomischer Erfindungen leistet das Forschungsprivileg Gewähr dafür, dass die Forschung zum Nutzen der Gesellschaft nicht behindert wird.

Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c E-PatG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Vernehmlassungsentwurf das Verhältnis zwischen arzneimittelrechtlichem Zulassungsverfahren und Patentrecht nicht gänzlich befriedigend klären konnte. Der neue, vom Forschungsprivileg nach Buchstabe b unabhängige Ausnahmetatbestand gestattet die Benützung eines geschützten Erzeugnisses im Rahmen der Vorbereitung und Erwirkung einer bundesrechtlich vorgeschriebenen Zulassung eines Arzneimittels.

Erfasst sind etwa Versuche und Untersuchungen, in denen ein Arzneimittel, das einen geschützten Wirkstoff enthält, geprüft wird, um Daten für die arzneimittelrechtliche Zulassung zu gewinnen. Auch die Herstellung, Einfuhr und Lagerung eines patentgeschützten Erzeugnisses sind zulässig, sofern diese Handlungen den Zweck verfolgen, eine Zulassung für ein Arzneimittel zu erlangen. Folglich ist auch das Einreichen von Mustern, die einen geschützten Wirkstoff enthalten, bei der Zulassungsbehörde sowie auch die Einfuhr oder Herstellung von Mustern zu diesem Zweck ohne die Zustimmung des Patentinhabers möglich. Auch die für die Zulassung geforderte Herstellung von Losen des zuzulassenden Arzneimittels (Validierungschargen) ist in dem durch das Zulassungsrecht geforderten Umfang von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c E-PatG gedeckt. Die Verwendungsmöglichkeiten dieser Lose richten sich nach Massgabe des Heilmittelrechts.

Demgegenüber kann der Pateninhaber Dritten Handlungen verbieten, die nicht für die Zulassung eines Arzneimittels durch das Heilmittelgesetz oder durch dessen Ausführungsvorschriften
vorausgesetzt werden. Werden etwa Versuche in einem Umfang vorgenommen, der durch das bundesrechtlich statuierte Zulassungserfordernis nicht mehr gerechtfertigtist, oder werden Versuche in der Absicht durchgeführt, den Absatz des Erfinders mit seinem Produkt zu stören oder zu hindern, so liegen keine von der Wirkung des Patentes ausgenommene Handlung vor. Auch die Herstellung eines geschützten Erzeugnisses auf Vorrat im Hinblick auf dessen Inverkehrbringen nach Ablauf der Patentschutzdauer (sog. stockpiling) stellt keine zulässige Handlung dar. Das geht aus einem Entscheid eines WTO-Panels im Streit zwischen der Europäischen Union und Kanada86 hervor.

86

72

Kanada ­ Patentschutz für pharmazeutische Produkte, Entscheid vom 17. März 2000, angenommen am 7. April 2000, WT/DS114/R.

Die vorgesehene Freistellung stimmt inhaltlich mit vergleichbaren Ausnahmeregelungen in der EU87 und den USA88 (oft als Bolar-Regelung bezeichnet) überein.

Artikel 9 Absatz 2 E-PatG verleiht den Privilegien in Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b und c E-PatG einen zwingenden Charakter: Vertragliche Vereinbarungen, welche die Privilegien einschränken oder gar aufheben sollten, sind demnach nicht rechtlich durchsetzbar. Damit wird der Befürchtung Rechnung getragen, dass im Rahmen insbesondere von Materialnutzungsverträgen (Material Transfer Agreements, MTAs)89 aufgrund der ungleichen Verhandlungspositionen Abreden getroffen werden könnten, die die durch das Forschungsprivileg vermittelte Freiheit beschneiden.

Art. 9 Abs. 1 Bst. d E-PatG

Benützung für Unterrichtszwecke

Zulässig ist nach dieser Vorschrift die Benützung einer Erfindung zu Unterrichtszwecken. Als solche ist die Benützung in Lehrveranstaltungen zu Ausbildungszwecken zu sehen. Ziel der Benützung muss die Wissensvermittlung an Lernende, Schüler oder Studierende sein. Über diese Zielsetzung hinausgehende Benützungen, die auf eine wirtschaftliche Ausbeutung der Erfindung hinauslaufen, sind nicht freigestellt. Buchstabe d erfasst damit nur die Ausbildung an Lehrstätten, insbesondere an Fachhochschulen und Universitäten. So dürfte etwa im Rahmen von Lehrveranstaltungen an Hochschulen das Verfahren der Polymerase-Kettenreaktion (PCR90) auch ohne Zustimmung des Patentinhabers genutzt und die hierfür erforderlichen Stoffe hergestellt werden.

Nicht erfasst ist dagegen die Ausbildung in industriellen Betrieben. Die Grenze zur Gewerbsmässigkeit liesse sich hier nicht mehr ziehen. Zudem darf erwartet werden, dass die Benützung der Erfindung zu angemessenen Bedingungen durch den Patentinhaber ermöglicht wird.

Die freie Nutzung einer Erfindung zu Unterrichtszwecken an Lehrstätten wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich begrüsst. Diese Freistellung leiste einen wichtigen Beitrag an die Kosten und die Qualität des Unterrichts und sichere neben der angewandten und der Grundlagenforschung auch die Lehre. In Fachrechtskreisen wurde die Privilegierung des Unterrichts zum Teil als zu einschneidend erachtet. Es wurde auch angeregt, die freie Benützung auf den Unterricht über den Gegenstand der Erfindung zu beschränken. Die praktische Umsetzung dieses Ansatzes dürfte allerdings Schwierigkeiten bereiten, weshalb am Vernehmlassungsvorschlag festgehalten wird.

87

88 89

90

Art. 10 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (in der Fassung gemäss Richtlinie 2004/27/EG, ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 34), ABl.

L 311 vom 28.11.2001, S. 67; Art. 13 der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (in der Fassung gemäss Richtlinie 2004/28/EG, ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 58), ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 1.

§ 271(e)(1) Patent Act, Title 35 of the United States Code.

MTAs regeln den Zugang zu und die Benutzung von biologischem Material, das vom Inhaber des Materials einem an dessen Verwendung für die Forschung Interessierten abgegeben wird.

Polymerase Chain Reaction

73

Art. 9 Abs. 1 Bst. e E-PatG

Züchterprivileg

Im Zusammenhang mit dem Forschungsprivileg als Ausnahme von der Wirkung des Patentrechts, sind das sortenschutzrechtliche Züchterprivileg und die diesbezüglichen Berührungspunkte zwischen Sorten- und Patentschutz anzusprechen. Eine eingehende Darstellung der Schnittstellen zwischen Patent- und Sortenschutz findet sich in der Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz von Pflanzenzüchtungen91.

Eine wichtige Einschränkung des Sortenschutzrechtes ist das sogenannte Züchterprivileg, welches nicht nur die Weiterzucht und die Entwicklung neuer Sorten, sondern bislang auch deren Vermarktung ohne Erlaubnis des Berechtigten an der Ursprungssorte ermöglicht. Im Rahmen der Revision des Sortenschutzgesetzes soll allerdings die freie Verwertung der neuen Sorten eingeschränkt werden, soweit es sich um im Wesentlichen abgeleitete Sorten handelt. Das geltende Patentgesetz kennt als Gegenstück zum Züchterprivileg das Forschungsprivileg. Auch wenn die Reichweite des Forschungsprivilegs in der Patentrechtspraxis derzeit nicht restlos geklärt ist, so lässt sich doch mit Blick auf die Schnittstelle zum Sortenschutzrecht die Feststellung machen, dass die Zucht und Weiterentwicklung neuer Sorten, bei der patentrechtlich geschützte Pflanzen verwendet werden, schon heute unter das Forschungsprivileg fallen und damit nicht der Zustimmung des Patentinhabers bedürfen. Die Weiterzucht ist damit auch im Bereich des Patentrechts gewährleistet.

Die Vermarktung der neuen Sorte bedarf allerdings dann der Zustimmung des Patentinhabers, wenn die neue Sorte Merkmale des patentgeschützten pflanzlichen Ausgangsmaterials beibehält. Die Restriktionen mit Bezug auf die Vermarktung der resultierenden Ergebnisse der Weiterzucht ergeben sich aus dem Bedürfnis, das Sortenschutz- bzw. Patentrecht nicht derart auszuhöhlen, dass die Leistungen des Züchters oder Erfinders keinen angemessenen Schutz mehr erhalten. Sie lassen sich umso mehr rechtfertigen, als mit der im Zuge der Revision des Sortenschutzgesetzes vorgesehenen Regelung von Zwangslizenzen bei abhängigen Schutzrechten ein Instrument bereitgestellt wird, dass auch auf der Stufe der Vermarktung eine gegenseitige Blockierung bei der Verwertung der Schutzrechte verhindert.

Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe e E-PatG klärt nun mit Blick auf die bislang nicht gefestigte Reichweite
des Forschungsprivilegs ausdrücklich, dass die Nutzung biologischen Materials zum Zwecke der Züchtung, Entdeckung und Entwicklung einer neuen Pflanzensorte nicht dem Verbotsrecht des Pateninhabers unterliegt. Mit dieser Klarstellung wird der freie Zugang zum pflanzengenetischen Material für die Zwecke der Forschung und Weiterzucht im Patentrecht sichergestellt. Sie ist von erheblicher Tragweite, da ansonsten der modernen Pflanzenzüchtung eine wichtige Grundlage der Forschung und Entwicklung entzogen werden könnte. Die Zuweisung in einen eigenen Buchstaben stellt nicht in Frage, dass ein Teilaspekt des Forschungsprivilegs geregelt wird, sondern trägt dem besonderen Kontext der Pflanzenzüchtung und dem Bedürfnis einer transparenten gesetzlichen Regelung Rechnung.

Das Züchterprivileg ist in der Vernehmlassung positiv aufgenommen worden. Nach Ansicht der CSP, der GPS, der SP sowie von Entwicklungs-, Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen geht das Privileg jedoch zu wenig weit und bringt eine Ungleichbehandlung von traditionellen Züchtern und solchen, die mit gentechnolo91

74

Botschaft vom 23. Juni 2004 über die Genehmigung des revidierten internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen und die Änderung des Sortenschutzgesetzes, BBl 2004 4155, Ziff. 5.1.

gischen Methoden arbeiten. Sie beantragen, dass das Züchterprivileg entsprechend der Sortenschutzgesetzgebung ausgestaltet wird. Diesem Ansinnen ist zu widersprechen. Die vordergründig angestrebte Angleichung des Züchterprivilegs höhlt in Tat und Wahrheit den Patentschutz für gentechnologische Erfindungen aus und ist daher abzulehnen. Das Anliegen übersieht sodann, dass sich die Schaffung einer technischen Erfindung von der Schaffung einer neuen Sorte grundlegend unterscheidet.

Diesen Unterschieden trägt die Gesetzgebung durch differenzierte Voraussetzungen für den Schutz und durch einen unterschiedlichen Schutzumfang Rechnung. Die Vorschriften über den Sortenschutz lassen sich daher nicht einfach auf biotechnologische Erfindungen übertragen.

Art. 9 Abs. 1 Bst. f E-PatG

Auskreuzung

Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe f E-PatG nimmt patentiertes biologisches Material, das im Bereich der Landwirtschaft zufällig oder technisch nicht vermeidbar vermehrt wurde, von den Wirkungen des Patents aus. Der Bereich der Landwirtschaft umfasst dabei auch den produzierenden Gartenbau. Mit dieser Ausnahme wird namentlich der Möglichkeit einer Auskreuzung Rechnung getragen. Unter Auskreuzung versteht man die Vererbung einer bestimmten Eigenschaft aus einer Kulturpflanzensorte in eine andere. Die Auskreuzung, d.h. die Übertragung von Genen oder auch Transgenen, findet in der Regel durch die Übertragung von Pollen statt. Ein Landwirt kann daher im Regelfall nicht für Patentverletzung in Anspruch genommen werden, wenn er als Folge einer Auskreuzung patentiertes Saat- oder Pflanzgut angebaut hat.

Neben der Auskreuzung können auch andere Verbreitungsformen, namentlich die Verwilderung und der horizontale Gentransfer, zu einer zufälligen oder technisch nicht vermeidbaren Vermehrung führen. Der Landwirt soll in all diesen Fällen davor geschützt werden, dass er aufgrund von Vorgängen, die sich seiner steuernden Einflussnahme entziehen, verschuldensunabhängigen Ansprüchen des Patentinhabers ausgesetzt ist. Die Vorschrift ist ihrem Zweck entsprechend eng auszulegen. So kann sich der Landwirt nicht auf diese Ausnahme berufen, der sich eine Auskreuzung gezielt zur gewerbsmässigen Verwendung zunutze macht. In diesem Falle trägt aber der Patentinhaber die Beweislast. Etwaige Schadenersatzansprüche des Landwirts gegen den Verursacher der zufälligen oder technisch nicht vermeidbaren Vermehrung richten sich nach dem Gentechnikgesetz und dem Obligationenrecht92.

Eine diesbezügliche Klärung des Gesetzeswortlauts, die in der Vernehmlassung gefordert wurde, erübrigt sich aber, weil Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe e E-PatG keine Spezial- oder Ausnahmevorschrift zu diesen Bestimmungen darstellt.

Art. 9a Abs. 4 E-PatG

In Verkehr gebrachtes biologisches Material

Der Erschöpfungsgrundsatz (Art. 9a Abs. 1 E-PatG) führt in Bezug auf den Gebrauch und weiterer Veräusserung einer vom Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung in Verkehr gebrachten patentgeschützten Ware zum Untergang der Verbotsrechte aus dem Patent. Bei biologischem Material, das durch ein Erzeugnispatent oder durch ein Herstellungspatent (Art. 8a Abs. 2 E-PatG) geschützt ist oder das aus einer geschützten genetischen Information besteht oder eine solche enthält (Art. 8b E-PatG), stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit der recht-

92

SR 220

75

mässige Erwerber solchen Materials dieses im Rahmen des gewerbsmässigen Gebrauchs auch vermehren darf.

In Einklang mit Artikel 10 der EG-Biotechnologie-Richtlinie erlaubt Artikel 9a Absatz 4 E-PatG die Vermehrung geschützten biologischen Materials, das vom Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung in Verkehr gebracht wurde, insoweit dies für die bestimmungsgemässe Verwendung notwendig ist und das so gewonnene Material anschliessend nicht für eine weitere Vermehrung verwendet wird. Artikel 9a Absatz 4 E-PatG versteht sich mithin als Ausnahme zu der dem Patentinhaber aufgrund eines Erzeugnis- oder Herstellungsverfahrenspatents vorbehaltenen Befugnis, die Vermehrung des geschützten biologischen Materials zu verbieten. Artikel 9a Absatz 4 E-PatG beinhaltet zudem eine Einschränkung der Verbotsrechte nach Artikel 8b E-PatG. Damit wird ein Ausgleich geschaffen zwischen dem Interesse des Erwerbers, die erworbene Ware entsprechend der Zweckbestimmung verwenden zu können, und dem Interesse des Patentinhabers, keine Aushöhlung seines Patents durch die Vermehrung des von ihm in Verkehr gesetzten biologischen Materials hinnehmen zu müssen. Daher ist auch die in der Vernehmlassung von Entwicklungs-, Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen geforderte Gestattung jeder weiteren Vermehrung des geschützten biologischen Materials als unausgewogen zurückzuweisen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Vermehrung eine bestimmungsgemässe Verwendung darstellt, hat eine objektivierte Betrachtungsweise Platz zu greifen, indem u.a. auf die Natur des abgeschlossenen Geschäfts, die Ware selbst, den Geschäftsbereich des Erwerbers, das Verkaufsvolumen und den Verkaufspreis abzustellen ist.

Die zuweilen geäusserte Befürchtung, es bedürfe der Zustimmung des Patentinhabers, wenn z.B. die Ernte von patentgeschütztem Weizen zu Backwaren verarbeitet wird, ist im Lichte der vorgeschlagenen Regelung unbegründet. Dies selbst dann, wenn das Erfinderische durch die Eigenschaft des Weizens begründet wird, aufgrund seines spezifischen Eiweissgehalts besonders für die Herstellung von Backwaren geeignet zu sein. Hat der Patentinhaber dem Inverkehrbringen von patentgeschütztem pflanzenbiologischem Material ­ z.B. Vermehrungsmaterial einer patentierten Pflanze ­ zugestimmt, kann er nicht mehr über die Weiterveräusserung dieses Vermehrungsmaterials
oder über die Verwendung der Ernte bestimmen, die aus dem Anbau dieses Vermehrungsmaterials gewonnen wird. Er kann sich aufgrund von Artikel 9a Absatz 4 E-PatG nur noch der erneuten Vermehrung des pflanzenbiologischen Materials bzw. der Herstellung von Vermehrungsmaterial widersetzen (freilich unter Vorbehalt des Landwirteprivilegs gemäss Art. 35a PatG). Das Verbotsrecht des Patentinhabers findet mit anderen Worten seine Grenze bei der bestimmungsgemässen Verwendung des Ertrags aus dem Anbau rechtmässig erworbenen Vermehrungsmaterials der patentgeschützten Pflanze. Wird eine spezifische Verwendung von pflanzenbiologischem Material als Erfindung beansprucht (z.B.

die Verwendung zur Herstellung von Mehl für Backwaren), so hat dieser Anspruch nur Bestand, wenn dieser Anspruch die allgemeinen Patentierungsvoraussetzungen erfüllt. Die erfinderische Tätigkeit ist nur dann gegeben, wenn die beanspruchte Verwendung gegenüber den aus dem Stand der Technik bekannten Verwendungen für einen Fachmann nicht naheliegend war.

76

2.1.5 Art. 40b E-PatG

Gesetzliche Beschränkungen im Recht aus dem Patent (Art. 40b und 40c E-PatG) Gesetzliche Lizenz bei Forschungswerkzeugen

Das Forschungsprivileg gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG ist nicht schrankenlos und kann dies auch nicht sein. Ansonsten könnten Dritte als Trittbrettfahrer die Erfindungen der anderen wirtschaftlich nutzen, ohne sich an deren Kosten zu beteiligen, was den Patentschutz aushöhlen würde. Die Formulierung in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG (siehe Ziff. 2.1.4), dass die Handlungen zu Forschungs- oder Versuchszwecken die patentierte Erfindung zum Gegenstand haben müssen, will klarstellen, dass die Freistellung nur gilt, wenn die patentierte Erfindung Gegenstand der Forschung ist, d.h. deren Untersuchungsobjekt darstellt. Nicht erfasst ist demnach die Verwendung einer patentierten Erfindung als Instrument oder Hilfsmittel bei der Forschung. Während also die Benutzung einer Erfindung nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG freigestellt ist, wenn sie darauf abzielt, neue Erkenntnisse über den Erfindungsgegenstand zu gewinnen (Forschung am patentierten Gegenstand), bedarf die Benutzung der Erfindung als Arbeitswerkzeug, das die Erforschung eines anderen Gegenstands ermöglicht oder erleichtert (Forschung mit dem patentierten Gegenstand), der Zustimmung des Patentinhabers.

Biotechnologische Erfindungen können wichtige Forschungswerkzeuge (research tools) darstellen, die praktisch ausschliesslich als Instrument oder Hilfsmittel zur Forschung dienen. Ein Beispiel hierfür ist die Polymerase-Kettenreaktion (PCR93).

Hierbei handelt es sich um ein elementares Verfahren der Gentechnologie, das erlaubt, sehr kleine Mengen von Nukleotidsequenzen zu vervielfältigen. Die Vervielfältigung löst das Problem, dass genetisches Material oft nur in äusserst geringen Mengen vorliegt und sich so einem direkten Nachweis oder einer Analyse entzieht.

Dieses Verfahren ist Gegenstand eines Patents. Die Benutzung dieses Verfahrens in der Forschung kann nicht unter Berufung auf Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG frei erfolgen, sondern ist von der Zustimmung des Patentinhabers abhängig. Die Verfügbarkeit von PCR in der Forschung war allerdings nie ein Problem, da sie durch diskriminierungsfreie Lizenzen in Verbindung mit dem Vertrieb der für die PCR erforderlichen Stoffe gewährleistet ist. Ein anderes Beispiel für ein Forschungswerkzeug ist eine Sequenz eines Gens, das für einen Rezeptor kodiert. Ein Rezeptor
ist eine signalübermittelnde Struktur (Empfänger-Protein) innerhalb einer Zelle, das Signale, zum Beispiel in Form eines Hormons, empfängt und in einer anderen Form weiterleitet. Rezeptoren können Angriffspunkte von Medikamenten sein. Wird ein Rezeptor patentiert, so erlaubt das Forschungsprivileg nicht, diesen ohne Zustimmung des Patentinhabers zum Test von chemischen Stoffen zu verwenden, die an diesen Rezeptor binden könnten.

Ein Erstrecken des Forschungsprivilegs auf derartige Forschungswerkzeuge ist nicht angezeigt, da damit nicht nur die wirtschaftliche Grundlage vieler Unternehmen, die auf die Auffindung und Entwicklung solcher Forschungswerkzeuge spezialisiert sind, gefährdet würde, sondern für die Forschung und Entwicklung solcher Werkzeuge jeglicher Ansporn verloren ginge. Dennoch kann die Gefahr von Fehlmonopolisierungen auf dem Gebiet der Biotechnologie nicht übersehen werden. Der vorliegende Entwurf trägt diesem Risiko Rechnung, indem Artikel 40b E-PatG einen 93

Polymerase Chain Reaction

77

Anspruch auf eine nicht ausschliessliche Lizenz zur Benützung einer biotechnologischen Erfindung als Instrument oder Hilfsmittel zur Forschung gibt. Dieser Anspruch kann beim Scheitern der Bemühungen um die Erteilung einer solchen Lizenz beim Richter eingeklagt werden (Art. 40e Abs. 1 E-PatG). Umfang und Dauer der Lizenz sind vom Richter nach Massgabe des in Frage stehenden Forschungsvorhabens festzulegen. Bei der Bemessung der Vergütung an den Patentinhaber hat der Richter die Umstände des Einzelfalles und den wirtschaftlichen Wert der Lizenz zu berücksichtigen und sich an vergleichbaren Lizenzgebühren zu orientieren (Art. 40e Abs. 5 E-PatG).

In der Vernehmlassung befürworteten Wirtschaftsverbände, Vertreter der Forschung und Lehre sowie Vertreter der Ethik den gesetzlichen Anspruch auf eine nicht ausschliessliche Lizenz für die Verwendung von Erfindungen, die als Hilfsmittel für die Forschung eingesetzt werden. Kritisch bis ablehnend äusserten sich demgegenüber Vertreter der Fachrechtsverbände. Vielfach erachteten sie die Lizenzregelung als zu weitreichend, da sich diese nicht auf den Bereich der biotechnologischen Erfindungen beschränkte. Folglich waren auch Hersteller von Labor- und Analytikgeräten betroffen. Zudem sollte nach Ansicht dieser Kreise nur die Nutzung zugunsten der eigenen Forschung privilegiert werden. Diesen Bedenken trägt der neue Wortlaut Rechnung.

Art. 40c E-PatG

Zwangslizenzen bei Diagnostika

Ein wichtiges Anwendungsfeld genetischer Erfindungen ist die Diagnose von Krankheiten und Behinderungen beim Menschen, die mit genetischen Informationen in Verbindung gebracht werden können. Soweit schwere Krankheiten auf einzelne Gensequenzen, z.B. einzelne Nukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms oder SNPs, d.h. Stellen im Genom, die innerhalb einer Individuengemeinschaft eine geänderte Sequenzbase aufweisen) zurückzuführen sind, kann ein Patent auf solche Sequenzen mit sich bringen, dass auf dem Markt keine alternativen Diagnostikmethoden verfügbar sind, die zu einem ebenso zuverlässigen DiagnoseErgebnis führen. Dies kann eine marktbeherrschende Situation auf dem fraglichen Produktemarkt zur Folge haben, die zu Missbräuchen ­ insbesondere Preismissbräuchen ­ führen kann. Mit Blick auf den neuen Artikel 3 Absatz 2 KG stellt Artikel 40c E-PatG klar, dass eine missbräuchliche Ausübung des Patentrechts bei Erfindungen, die ein Erzeugnis oder ein Verfahren zur Diagnose von Krankheiten oder Behinderungen beim Menschen betreffen, Gegenstand einer kartellrechtlichen Beurteilung bilden kann. Im Anschluss an eine in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren festgestellte wettbewerbswidrige Praxis kann die resultierende Beeinträchtigung des Marktes vom Gericht durch die Erteilung einer Zwangslizenz behoben werden.

In der öffentlichen Diskussion wird zuweilen gefordert, die Benützung patentierter Diagnostika generell als Ausnahme von der Wirkung des Patents freizustellen. Ein derartiger Eingriff in die Schutzwirkungen eines Patents ist allerdings weder gerechtfertigt noch angezeigt: Damit würden nicht nur die berechtigten Interessen des Erfinders negiert, sondern es ginge zugleich der Ansporn für die Forschung und Entwicklung solcher Produkte verloren, was dem öffentlichen Interesse an einer qualitativ hoch stehenden Gesundheitsversorgung zuwiderlaufen würde. Schliesslich darf auch nicht übersehen werden, dass die Benutzer von Diagnostika in der Regel auch als gewerbliche Anbieter zur Durchführung von Diagnosen im Markt auftreten, so dass sie gegenüber dem Pateninhaber, ihrem wirtschaftlichen Konkurrenten, 78

durch eine Ausnahme von der Wirkung des Patents bevorteilt würden, ohne sich an den entsprechenden Forschungs- und Entwicklungskosten beteiligt zu haben.

Die Fachrechtsorganisationen erachteten diesen Tatbestand in ihren Vernehmlassungsstellungnahmen vielfach als entbehrlich. Soweit das Kartellgesetz anwendbar sei, enthalte es auch die Sanktionen, namentlich die Möglichkeit einer Anordnung, dass der Verursacher der Wettbewerbsbehinderung mit dem Behinderten marktgerechte oder branchenübliche Verträge abschliesse (Kontrahierungszwang). Diesen an sich zutreffenden Argumenten ist indessen entgegenzuhalten, dass die besonderen Umstände es rechtfertigen, die Rechtslage nicht zuletzt auch mit Blick auf Artikel 3 Absatz 2 KG zu verdeutlichen. Das Vorbild dazu liefert der geltende Artikel 40a PatG. Demgegenüber kommt eine Ausdehnung von Artikel 40c E-PatG auf den Bereich der Gesundheit und Ernährung insgesamt nicht in Betracht. Wettbewerbsverstösse sind in diesen Bereichen zwar durchaus denkbar und mögen mitunter auch erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben. Diese Eventualitäten rechtfertigen indessen nicht, ausserhalb des Kartellrechts einen Tatbestand zu schaffen, der in seiner Breite konturlos bleibt und daher keine Verdeutlichung bringt.

2.1.6

Anforderungen an die Patentanmeldung (Art. 49 Abs. 2 Bst. b, 49a, 50a, 81a und 138 E-PatG)

Art. 49 Abs. 2 Bst. b E-PatG

Form der Anmeldung

Artikel 49 Absatz 2 Buchstabe b E-PatG konkretisiert die Anforderungen an die Offenbarung: Betrifft die Erfindung eine Sequenz, die sich von einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens ableitet, so muss die Anmeldung eine konkrete Beschreibung der von ihr erfüllten Funktion enthalten. Unter einer abgeleiteten Sequenz wird jede ausgehend von der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens erhaltene und mit dieser funktionsäquivalente Nukleotid- oder Aminosäuresequenz (cDNA, RNA, Polypeptide, Proteine usw.) verstanden. Gegenüber Artikel 5 Absatz 3 der EG-Biotechnologie-Richtlinie wird mit dieser Wendung klargestellt, dass sich dieses Erfordernis auch auf Aminosäuresequenzen bezieht, soweit diese von einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens abgeleitet sind. Der Ausdruck «Funktion» bezeichnet wie in Artikel 1b E-PatG jede Eigenschaft der Sequenz, die kausal zu einem in der Technik nutzbaren Resultat beiträgt. Die Funktion entspricht daher dem «technischen Nutzeffekt» in Artikel 1a Absatz 2 E-PatG. Sie kann sich mithin aus der biologischen Funktion einer Sequenz herleiten, muss mit dieser aber nicht übereinstimmen.

Die Funktion muss als das die Erfindung konstituierende Element (siehe Art. 1b Abs. 2 E-PatG; Ziff. 2.1.2.3) bereits im Zeitpunkt der Anmeldung vollständig offenbart werden. Die Beschreibung der von der Sequenz erfüllten Funktion setzt im Falle der Verwendung einer Nukleotidsequenz zur Herstellung eines Proteins oder Teilproteins voraus, dass angegeben wird, welches Protein oder Teilprotein hergestellt wird und welche technischen Nutzeffekte (bzw. Eigenschaften oder Verwendungsmöglichkeiten) letzteres hat. Betrifft eine Erfindung eine Nukleotidsequenz, die nicht ein Protein oder einen Teil davon kodiert, so sind die als Erfindung beanspruchten Nutzeffekte der Sequenz konkret zu beschreiben. Allgemein gehaltene Angaben reichen nicht aus. Die in einer Patentanmeldung offenbarte potentielle Verwendung darf demnach nicht spekulativ sein, sondern muss hinreichend spezifisch, substanziell und glaubhaft sein. Das bedeutet, dass sie durch Experimente oder 79

andere empirische Nachweise gestützt sein muss. Der Patentbewerber ist aufgrund seiner Mitwirkungspflicht (Art. 13 VwVG) gehalten, auf entsprechende Aufforderung der Erteilungsbehörde hin diese Angaben und Unterlagen einzureichen, welche die erforderliche Beurteilung erlauben. Die Festschreibung einer Nachweispflicht, wie sie in der Vernehmlassung gefordert war, erübrigt sich angesichts dieser Mitwirkungspflicht des Patentbewerbers.

Die Beschreibung der von einer Sequenz erfüllten Funktion liefert die Grundlage, um das Patent nach Artikel 8c Absatz 2 E-PatG auf den Teil der angemeldeten Nukleotidsequenz einzuschränken, der für die beschriebene Funktion wesentlich ist (siehe Ziff. 2.1.3).

Art. 49a, Art. 81a und Art. 138 Abs. 1 Bst. b E-PatG

Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen

Die in der modernen Biotechnologie in den letzten Jahren erzielten Fortschritte ermöglichen die verstärkte Nutzung genetischer Ressourcen und des dazugehörigen traditionellen Wissens von indigenen oder lokalen Gemeinschaften in Forschung und Industrie. Im Zusammenhang mit dem Zugang zu genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen sowie der Aufteilung der aus deren Nutzung entstehenden wirtschaftlichen und anderen Vorteile stellen sich zahlreiche Fragen (sog. access and benefit sharing-Problematik). Zu ihrer Lösung werden verschiedene Ansätze diskutiert, so u.a. transparenzerhöhende Massnahmen wie beispielsweise die Offenlegung der Quelle in der Patentanmeldung (sog. declaration of source). Die internationalen Diskussionen über solche Massnahmen haben bisher noch keine konkreten Resultate gebracht. Zudem ist zu beachten, dass patentrechtliche Massnahmen für sich alleine nicht genügen, da sie nur Teilaspekte der access and benefit sharingProblematik zu lösen vermögen, weshalb zusätzliche Massnahmen in anderen Rechtsbereichen notwendig sind.

Mit Bezug auf die Offenlegung der Quelle in Patentanmeldungen hat die Schweiz im Rahmen der WIPO im Mai 2003 konkrete Vorschläge unterbreitet. Die Artikel 49a und 138 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG setzen die schweizerischen Vorstösse um, soweit sie das Patentrecht betreffen.

Der Patentanmelder wird durch Artikel 49a E-PatG verpflichtet, in der Patentanmeldung Angaben über die Quelle einer genetischen Ressource bzw. von traditionellem Wissen von indigenen und lokalen Gemeinschaften zu machen. Artikel 49a E-PatG betrifft somit neben genetischen Ressourcen auch das traditionelle Wissen über solche Ressourcen und entspricht damit einem Anliegen insbesondere der EKAH.

Genetische Ressourcen werden in Artikel 2 CBD definiert als genetisches Material ­ also pflanzliches, tierisches und mikrobiologisches Material, das funktionale Erbeinheiten enthält ­ von tatsächlichem oder potentiellem Wert. Demgegenüber besteht bis heute keine international anerkannte Definition des Begriffs «traditionelles Wissen». Allgemein kann dieses umschrieben werden als die Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche von eingeborenen und lokalen Gemeinschaften in Entwicklungs- und Industrieländern, welche diese Gemeinschaften über Generationen geschaffen, verbessert und an die sich ändernden Bedürfnisse und Umwelteinflüsse angepasst sowie, häufig in mündlicher Form, an die nachfolgende Generation weitergegeben haben.

80

Der Begriff «Quelle» (source) ist so weit wie möglich zu verstehen und umfasst den geografischen Herkunftsort gemäss Erwägungsgrund 27 der EG-BiotechnologieRichtlinie, das «Ursprungsland der genetischen Ressourcen» (country of origin) und das «genetische Ressourcen zur Verfügung stellende Land» im Sinn von Artikel 2 CBD sowie andere Quellen wie z.B. Genbanken, botanische Gärten, Datenbanken und wissenschaftliche Publikationen. Als Quelle der genetischen Ressource kann schliesslich auch das durch den Internationalen Vertrag der FAO geschaffene multilaterale System angegeben werden.

Die Verwendung des allgemeinen Begriffs «Quelle» verfolgt verschiedene Ziele. Er dient als Dachbegriff für die vorstehend erwähnten unterschiedlichen Referenzen, die im Zusammenhang mit dem access and benefit sharing gebräuchlich sind.

Zudem stellt er die notwendige Flexibilität her, da die genaue Bedeutung einiger der erwähnten Referenzen in ihrer Tragweite unklar sind bzw. in der Praxis nur schwer oder gar nicht festgestellt werden können. Dies trifft insbesondere auf das «Ursprungsland der genetischen Ressourcen» zu. Weiter soll verhindert werden, dass der Patentanmelder aufwendige Nachforschungen über das Ursprungsland der genetischen Ressourcen anstellen muss. Da auch das multilaterale System des Internationalen Vertrags der FAO als Quelle angegeben werden kann, unterstützt Artikel 49a E-PatG nicht nur die Umsetzung der Biodiversitätskonvention, sondern auch des Internationalen Vertrages der FAO.

In diesem Zusammenhang gilt es den Sinn und Zweck der Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen oder traditionellem Wissen in Patentanmeldungen zu berücksichtigen: Diese verschafft im Bereich der «access and benefit sharing»Problematik eine grössere Transparenz. Im Anwendungsbereich der CBD soll diese insbesondere die Überprüfung erlauben, ob einerseits die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung (sog. prior informed consent) der Vertragspartei vorliegt, welche die genetischen Ressourcen zur Verfügung stellt, und andererseits Vorkehrungen für die Aufteilung der sich aus der kommerziellen Nutzung dieser Ressourcen ergebenden Vorteile (sog. benefit sharing) getroffen wurden. Folglich ist als Quelle im Sinne von Artikel 49a E-PatG primär zu nennen das Land, welches die genetischen Ressourcen zur
Verfügung stellt, bzw. die eingeborene oder lokale Gemeinschaft, von welcher das traditionelle Wissen stammt. Es sind aber auch Fälle denkbar, in welchen dem Erfinder oder Patentanmelder diese primären Quellen nicht bekannt sind oder ­ wenn überhaupt ­ nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand in Erfahrung gebracht werden können. Dies ist beispielsweise bei genetischen Ressourcen der Fall, welche im Laufe der Zeit an verschiedene Empfänger weitergegeben wurden. In solchen Fällen soll der Patentanmelder eine andere Quelle angeben können. Artikel 49a E-PatG verpflichtet den Patentanmelder somit nicht, die in der Praxis kaum oder nur mit sehr grossem Aufwand feststellbare Kette von Empfängern vollständig zurückzuverfolgen, sondern verlangt stattdessen die Angabe von für den Anmelder verfügbaren Informationen. Die EKAH anerkennt ausdrücklich die bei der Bestimmung der Quelle bestehenden praktischen Schwierigkeiten. Der in Artikel 49a E-PatG gewählte Lösungsansatz, welcher diesen Schwierigkeiten Rechnung trägt, dürfte somit den Anforderungen der EKAH entsprechen.

Ist dem Erfinder oder dem Patentanmelder die Quelle der fraglichen genetischen Ressource bzw. des traditionellen Wissens nicht bekannt, so hat er eine entsprechende Erklärung abzugeben. Damit soll verhindert werden, dass in denjenigen Ausnahmefällen, in denen dem Patentanmelder die Quelle nicht bekannt ist, das Patent aufgrund dieses Nichtbekanntseins verwehrt bleibt.

81

Artikel 138 Buchstabe b E-PatG sieht vor, dass der Anmelder dem IGE innerhalb von 30 Monaten nach dem Anmelde- oder dem Prioritätsdatum Angaben über die Quelle nach Artikel 49a E-PatG einzureichen hat. Damit gilt Artikel 49a E-PatG auch für internationale Patentanmeldungen mit Bestimmung Schweiz.

Enthält die Patentanmeldung keine Erklärung über die Quelle der genetischen Ressource bzw. des traditionellen Wissens, so finden die Artikel 59 Absatz 2 und 59a Absatz 3 Buchstabe b PatG Anwendung: Das IGE setzt dem Patentanmelder eine Frist zur Behebung dieses Mangels und weist, bei unbenutztem Fristablauf, das Patentgesuch zurück. Somit kann das Fehlen einer Erklärung über die Quelle in der Patentanmeldung letztendlich dazu führen, dass kein Patent gewährt wird.

Nach Artikel 81a E-PatG wird die vorsätzliche Falschangabe der Quelle mit einer Geldstrafe von bis zu 100'000 Franken bestraft. Zudem kann der Richter die Veröffentlichung des Urteils anordnen. Der Straftatbestand von Artikel 81a E-PatG ist erfüllt, wenn der Patentanmelder vorsätzlich eine andere als die ihm bekannte Quelle in der Erklärung angibt bzw. erklärt, ihm sei keine Quelle bekannt, obwohl er über entsprechende Informationen verfügt. Es handelt sich dabei um ein von Amtes wegen zu verfolgendes Offizialdelikt.

Gemäss Erwägungsgrund 27 der EG-Biotechnologie-Richtlinie soll mit Bezug auf eine Erfindung, die biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs zum Gegenstand hat oder derartiges Material verwendet, die Patentanmeldung Angaben zum geografischen Herkunftsort dieses Materials umfassen, falls dieser bekannt ist. Zugleich wird klargestellt, dass die Prüfung der Patentanmeldungen und die Gültigkeit der Rechte aufgrund der erteilten Patente davon unberührt bleiben.

Die von der Schweiz in der WIPO eingereichten Vorschläge und die sie umsetzenden Artikel 49a und 138 E-PatG gehen in zweierlei Hinsicht über Erwägungsgrund 27 der EG-Biotechnologie-Richtlinie hinaus: Einerseits betrifft die Offenlegungspflicht nicht nur genetische Ressourcen von Pflanzen und Tieren, sondern auch solche von Mikroorganismen sowie das traditionelle Wissen von indigenen und lokalen Gemeinschaften. Andererseits führt die Nichterfüllung der Offenlegungspflicht zur Zurückweisung der Patentanmeldung (Art. 59 Abs. 2 und 59a Abs. 3 Bst. b PatG), und die
vorsätzliche Falschangabe der dem Erfinder oder Patentanmelder bekannten Quelle soll strafrechtlich geahndet werden (Art. 81a E-PatG).

Erwägungsgrund 27 der EG-Biotechnologie-Richtlinie sieht demgegenüber weder für den Fall der Nichterfüllung der Offenlegungspflicht noch bei vorsätzlicher Falschangabe patent- oder strafrechtliche Sanktionen vor. Schliesslich besteht ein Unterschied in der Begriffsverwendung: Während Erwägungsgrund 27 der EG-Biotechnologie-Richtlinie von biologischem Material spricht, verwenden die Vorschläge der Schweiz und die sie umsetzenden Artikel 49a und 138 E-PatG den Begriff genetische Ressourcen. Ein Vergleich der Definitionen dieser Begriffe zeigt aber auf, dass diese weitgehend deckungsgleich sind. Biologisches Material menschlichen Ursprungs wird allerdings vom Begriff genetische Ressourcen nicht erfasst.

In diesem Zusammenhang steht auch das vom Nationalrat am 14. Dezember 2001 angenommene Postulat Sommaruga vom 5. Oktober 200194. Mit Artikel 49a E-PatG nimmt der Revisionsentwurf eines der beiden Anliegen des Postulates auf. Dieses fordert zusätzlich patentrechtliche Massnahmen, welche die Aufteilung der Vorteile, die aus der Verwendung von genetischen Ressourcen entstehen, verbessern. Diese 94

82

01.3596 P Biologische Ressourcen des Südens. Recht auf Partizipation (N 14.12.2001, Sommaruga).

Massnahmen sollen den Vorschriften der Biodiversitätskonvention Rechnung tragen. Nach Artikel 15.7 CBD soll jedoch die Aufteilung der wirtschaftlichen Vorteile «zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen» (mutually agreed terms) erfolgen; die Biodiversitätskonvention schreibt somit kein bestimmtes Modell der Vorteilsaufteilung vor, sondern geht vielmehr von der vertraglichen Autonomie der beteiligten Parteien aus. Es erscheint deshalb nicht angebracht, im Patentrecht Vorschriften über die Vorteilsaufteilung zu erlassen und damit in diese Autonomie einzugreifen.

Zudem sind die im Postulat aufgeführten Massnahmen auch aus praktischer und juristischer Sicht problematisch. So wird beispielsweise gefordert, dass Eigentümer der Erfindung und des Patentes werden soll, wer den wertmässig höheren Beitrag liefert. Konkret müsste also in jedem Einzelfall festgestellt werden, ob der Wert der fraglichen Erfindung oder der Wert der verwendeten genetischen Ressource/des verwendeten traditionellen Wissens höher ist. Die für diesen Vergleich notwendige Wertbestimmung der Erfindung lässt sich aber zum Zeitpunkt der Patentanmeldung nicht oder nur schwer vornehmen, da dannzumal der (zukünftige) Wert der Erfindung nicht bekannt sein dürfte. Zudem besteht für die verwendete genetische Ressource bzw. das traditionelle Wissen regelmässig kein Markt, so dass sich deren Wert ebenfalls nur mit grossem Aufwand oder gar nicht feststellen lässt. Aufgrund dieser praktischen und juristischen Probleme werden die geforderten zusätzlichen Massnahmen im revidierten Patentgesetz nicht umgesetzt.

Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer schlagen vor, die Regelung in Artikel 49a E-PatG auszudehnen bzw. zu verschärfen. So wird insbesondere gefordert, dass der Patentanmelder neben der Offenlegung der Quelle auch einen Nachweis über den prior informed consent und das benefit sharing zu erbringen habe. Wie vorstehend dargestellt, erlaubt die in Artikel 49a E-PatG vorgesehene Offenlegung der Quelle bereits die Überprüfung des prior informed consent und benefit sharing;deshalb ist die Einführung von zusätzlichen Nachweisen nicht notwendig.

Zudem stellt dieser Vorschlag zahlreiche juristische und praktische Probleme.

Schliesslich ist eine solche Regelung, auch im Vergleich zu entsprechenden Regelungen von anderen europäischen Staaten, als
zu weitgehend abzulehnen. In der Vernehmlassung wurde weiter vorgeschlagen, in Artikel 26 PatG für die Falschangabe einen neuen Nichtigkeitsgrund vorzusehen. Auch dieser Vorschlag ist als zu weit gehend abzulehnen. Zudem stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit den Vorschriften des TRIPS-Abkommens.

Andere Vernehmlassungsteilnehmer befürchten, dass die schweizerische Regelung strenger ausfallen könnte als eine international harmonisierte bzw. mit dieser inkompatibel sein könnte, sehen in der Einführung der Offenlegungspflicht eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit, der Forschung oder des Patentschutzes in der Schweiz oder machen geltend, dass der Verhandlungsspielraum der Schweiz auf der internationalen Ebene eingeschränkt werde. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass auch andere europäische Staaten bereits entsprechende Regelungen in ihre nationale Gesetzgebung aufgenommen haben. Zudem sollen die Übernahme der massgebenden internationalen Terminologie sowie die Ausgestaltung der Regelung in Artikel 49a E-PatG diesen Befürchtungen Rechnung tragen und Raum für die Berücksichtigung der weiteren internationalen Entwicklungen lassen.

83

Art. 50a E-PatG

Offenbarung von Erfindungen betreffend biologisches Material

Nach Artikel 50 PatG ist die Erfindung im Patentgesuch so darzulegen, dass eine Fachperson sie ausführen kann. Bei biologischen Systemen ist wegen ihrer hohen Komplexität das Offenbarungsgebot von Artikel 50 PatG durch eine blosse Beschreibung oft kaum zu erfüllen ist. Wer sich beispielsweise um Patentschutz für einen Mikroorganismus als solchen bemüht, hat häufig grosse oder sogar unüberwindbare Schwierigkeiten, die Erfindung im Patentgesuch so darzulegen, dass eine Fachperson sie nachvollziehen kann. Eine gewisse Erleichterung bringt Artikel 27 PatV, der in Einklang mit dem Budapester Vertrag vom 28. April 1977 über die internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren95 (Budapester Vertrag) erlaubt, eine nur unvollständig mögliche Offenbarung im Patentgesuch durch die Hinterlegung einer Kultur des beanspruchten Organismus bei einer anerkannten Sammelstelle zu ergänzen. Dritte können unter Einhaltung gewisser Bedingungen die Herausgabe der Probe verlangen. Damit wird dem Interesse der Allgemeinheit an der Kenntnisnahme von Erfindungen in einer im Vergleich zur blossen Beschreibung gleichwertigen, wenn nicht sogar überlegenen Weise Rechnung getragen.

In den Absätzen 1 und 2 von Artikel 50a E-PatG wird die in Artikel 27 Absatz 1 PatV mit Bezug auf Mikroorganismen bereits festgehaltene Regelung sinngemäss ins Gesetz überführt und auf biologisches Material insgesamt ausgedehnt. Sie wird wie folgt nuanciert: Betrifft eine Erfindung die Herstellung oder Verwendung biologischen Materials, so muss die Patentanmeldung nach Absatz 1 Angaben über das Verfahren zur Herstellung oder über die Verwendung des Materials enthalten. Weil aus dem Material selbst das zu patentierende Herstellungsverfahren oder die zu patentierende Verwendung nicht ersichtlich sind, kann die Hinterlegung des Materials alleine noch nicht eine ausreichende Offenbarung gewährleisten. Hingegen ist es sinnvoll zu erlauben, die Darlegung des Herstellungsverfahrens oder der Verwendung durch die Hinterlegung einer Probe des Materials zu ergänzen.

Absatz 2 behandelt den Spezialfall von Erzeugnisansprüchen auf biologisches Material. Hier liegt die Bereicherung des Stands der Technik im neuen Erzeugnis selbst.

Wie das Erzeugnis erstmals gewonnen wurde, tritt dabei in den Hintergrund, sofern
der Allgemeinheit irgendeine Herstellungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Bei biologischem Material besteht diese in dessen Vermehrung. Die Vermehrung ist einfacher als das Verfahren zur erstmaligen Gewinnung und wird in der Praxis auch bevorzugt. Bei dieser Sachlage kann deshalb die Hinterlegung einer Probe der Materie die Darlegung ihrer (ursprünglichen) Herstellung nicht nur vervollständigen, sondern auch ersetzen. Damit die Hinterlegung einer Probe des biologischen Materials die Offenbarungsfunktion erfüllen kann, muss die Allgemeinheit Zugang zu den hinterlegten Proben haben. Dieser ist bei einer anerkannten Sammelstelle (einer internationalen Hinterlegungsstelle gemäss dem Budapester Vertrag oder bei einer anderen vom IGE anerkannten Stelle) durch Vermittlung des IGE gewährleistet.

Nach Artikel 50a Absatz 3 E-PatG gilt eine Erfindung betreffend biologisches Material nur dann im Sinne von Artikel 50 PatG als offenbart, wenn die Probe des biologischen Materials spätestens am Anmeldedatum bei einer anerkannten Sammelstelle hinterlegt worden ist und das Patentgesuch in seiner ursprünglich eingereichten 95

84

SR 0.232.145.1

Fassung die Angaben zum biologischen Material und den Hinweis auf die Hinterlegung enthält. Weist der Patentbewerber erst nach der Einreichung des Patentgesuchs auf die Hinterlegung hin, so handelt es sich um eine Änderung der technischen Unterlagen, die aufgrund der vorgeschlagenen Neufassung von Artikel 58 Absatz 3 PatG (siehe Ziff. 2.2.5.2) unzulässig ist. Damit wird eine Übereinstimmung mit dem europäischen Patentrecht (vgl. Regel 28 AO EPÜ) erreicht.

Die Anforderungen an die Hinterlegung der Proben, an die Angaben zum biologischen Material und den Hinweis auf die Hinterlegung sowie den Zugang zu den hinterlegten Proben (z.B. bezüglich der Voraussetzungen für deren Abgabe, vgl. Art. 27 Abs. 6 PatV) werden auf Verordnungsstufe geregelt (Art. 50a Abs. 4 E-PatG).

Mit den vorstehend erläuterten Anpassungen wird eine Übereinstimmung mit den Artikeln 13 und 14 der EG-Biotechnologie-Richtlinie erreicht.

In der Vernehmlassung gingen nur wenige Stellungnahmen zu Artikel 50a E-PatG ein. Die GPS stand der Hinterlegung als Ersatz der Beschreibung skeptisch gegenüber. Der Nachvollzug der Erfindung werde nur gestützt auf eine Probe möglich sein, wodurch die Patentinformation erschwert und verteuert und die Rechtssicherheit beeinträchtigt würden. Mit der Hinterlegung würden zudem Trivialerfindungen begünstigt. Sie stelle ausserdem den Offenbarungsgedanken in Frage, da die Verfügbarkeit des hinterlegten Materials langfristig nicht gewährleistet sei. In der Praxis ist der Ersatz der Beschreibung durch Hinterlegung indessen etabliert. Im Interessenwiderstreit zwischen Öffentlichkeit und Patentinhaber hat sich der Zugang zum hinterlegten biologischen Material über Proben bewährt. Ein gänzlich eigenständiger Ansatz ist davon abgesehen wegen der internationalen Einbindung des Hinterlegungssystems nicht realistisch.

2.1.7

Änderungen im schweizerischen Patentverfahren (Art. 5 Abs. 2, 58a, 59 Abs. 5 und 6, 59b, 59c, 61, 62, 65, 73 Abs. 3 E-PatG)

Verglichen mit dem Verfahren zur Erteilung europäischer Patente ist das schweizerische Erteilungsverfahren rudimentär. Während nach Artikel 93 EPÜ europäische Patentanmeldungen im Interesse der Öffentlichkeit nach Ablauf von 18 Monaten seit dem Anmelde- oder Prioritätsdatum bekannt gemacht werden, bilden in der Schweiz erst die erteilten Patente Gegenstand einer Veröffentlichung (siehe den geltenden Art. 61 Abs. 1 PatG). Eine Veröffentlichung schweizerischer Patentgesuche ist bislang nie erwogen worden, auch nicht im Zuge der Ratifizierung des Europäischen Patentübereinkommens durch die Schweiz im Jahre 1976.

Ein weiterer Unterschied besteht im Umfang der Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen für ein Patent: Während alle Erteilungsvoraussetzungen einschliesslich der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit Gegenstand der Prüfung durch das Europäische Patentamt sind (sog. volle Prüfung), prüft das IGE bei nationalen Patentgesuchen aufgrund ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (Art. 59 Abs. 4 PatG) nicht, ob eine Erfindung neu ist und ob sie sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Die Prüfung beschränkt sich demnach im Wesentlichen auf die folgenden Punkte: das Vorliegen einer Erfindung, das Fehlen eines Patentierungsausschlusses, die gewerbliche Anwendbarkeit, die Klarheit der Ansprüche und die 85

hinreichende Offenbarung. Die stufenweise Einführung einer vollen Prüfung bei allen nationalen Patentgesuchen war zwar im Rahmen der Revision des Patentgesetzes von 1954 ins Auge gefasst und als erster Schritt für die Gebiete der Textilveredelung und der Zeitmessungstechnik eingeführt worden (sog. amtliche Vorprüfung, siehe Art. 87 ff. PatG)96. Bereits anlässlich der Ratifizierung des Europäischen Patentübereinkommens durch die Schweiz im Jahre 1976 wurde indessen die Frage aufgeworfen, ob es nach der Einführung des europäischen Patenterteilungsverfahrens mit durchwegs voller Prüfung sinnvoll sei, im nationalen Verfahren die amtliche Vorprüfung beizubehalten. Doch erachtete man einen diesbezüglichen Entscheid als verfrüht97. 1995 wurde dann aber die amtliche Vorprüfung angesichts der zunehmenden Präferenz der Anmelder für das europäische Patenterteilungsverfahren abgeschafft98. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass das schweizerische Patenterteilungsverfahren auch kein Einspruchsverfahren mehr kennt, das einem weiten Personenkreis ermöglicht, bestimmte Einwände gegen die Erteilung des Patents frühzeitig und einfach vorzubringen und prüfen zu lassen.

Generell hat das zurückgebildete schweizerische Prüfungsverfahren zwei Nachteile: Auf der einen Seite haben die daraus hervorgegangenen Patente einen geringen Wert, weil ihr Rechtsbestand wegen der fehlenden Prüfung der wichtigsten Gültigkeitskriterien letztlich unsicher ist. Auf der andern Seite können Dritte mit formell bestehenden Schutztiteln konfrontiert sein, denen die materielle Gültigkeit fehlt. Der Vorteil eines vergleichsweise billigen Erteilungsverfahrens vermag diese beiden Nachteile nicht aufzuwiegen. Zudem hat das allzu reduzierte schweizerische Verfahren über die angestrebte Symbiose mit dem europäischen Patentsystem hinaus zu einer völligen Abhängigkeit von diesem geführt; nicht so sehr wegen des Rückgangs der nationalen Anmeldungen von rund 17 000 auf rund 2200 als vielmehr wegen des drohenden Verlusts von Wissen und Fähigkeiten im schweizerischen System.

Das vorparlamentarische Verfahren hat deutlich werden lassen, dass die dargestellten Defizite des nationalen Erteilungsverfahrens besonders im Kontext biotechnologischer Erfindungen als unbefriedigend empfunden werden. So wurden verschiedentlich die zeitliche Verfügbarkeit technischer
Informationen sowie die Transparenz des Patentsystems aufgrund der fehlenden Veröffentlichung schweizerischer Patentgesuche als ungenügend kritisiert. Die Nutzer des Patentsystems sprachen auch den Umstand an, dass Patentgesuche nach Artikel 7a PatG die Neuheit zerstören können, ihr Inhalt aber bis zur Erteilung der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und daher auch nicht recherchiert werden kann. Weiter wurde beklagt, dass die Erteilungsvoraussetzungen letztlich nur auf dem Wege einer Nichtigkeitsklage einer Überprüfung zugänglich seien. Der Gerichtsweg sei mit grossen finanziellen Risiken verbunden.

Die nachstehend erläuterten Vorschläge für Änderungen des Patentgesetzes tragen dieser Kritik in differenzierter und massvoller Weise Rechnung. Im besonders sensiblen Bereich der biotechnologischen Erfindungen gehen sie beim Schutz der Interessen der Allgemeinheit einen Schritt weiter als beim allgemein gültigen Verfahren. Aber auch hier werden Verbesserungen vorgeschlagen, welche den Wert der schweizerischen Schutztitel steigern und gleichzeitig die Position Dritter verbessern

96 97 98

86

Botschaft 1950, BBl 1950 I 933, 939 ff.

Botschaft 1976, BBl 1976 II 1, 56 Botschaft 1993, BBl 1993 III 706, 716 f.

sollen, ohne jedoch eine volle Prüfung einzuführen, welche zu einer im Vergleich zum europäischen Patent übermässigen Verteuerung führen würde.

Art. 5 Abs. 2, Art. 58a, Art. 59b, Art. 61 Abs. 1, Art. 62, Art. 65, Art. 73 Abs. 3 E-PatG

Einführung der Veröffentlichung von Patentgesuchen

Artikel 58a Absatz 1 E-PatG enthält neu den Grundsatz, dass nationale Patentgesuche nach Ablauf von 18 Monaten seit dem Anmelde- oder dem Prioritätsdatum veröffentlicht werden. Dies entspricht einem international vorherrschenden Standard und guter Praxis (siehe etwa Art. 93 Abs. 1 EPÜ). Die Veröffentlichung gewährleistet im Interesse der Öffentlichkeit eine frühzeitige Verfügbarkeit technischer Informationen und erhöht die Transparenz des schweizerischen Erteilungsverfahrens, die besonders im sensiblen Bereich biotechnologischer Erfindungen von grosser Bedeutung ist. Sie ermöglicht der Öffentlichkeit damit früh einen Einblick in den Stand von Forschung und Entwicklung und sorgt für eine zeitige Verbreitung des Wissens im Interesse der Forschung. Die Veröffentlichung von Patentgesuchen wurde in der Vernehmlassung denn auch einhellig begrüsst.

Die Veröffentlichung beinhaltet im Kern die Beschreibung der Erfindung, die Patentansprüche und gegebenenfalls Zeichnungen (Art. 58a Abs. 2 E-PatG). Soweit ein Bericht zum Stand der Technik oder eine Recherche internationaler Art (siehe Art. 59 Abs. 5 E-PatG) erstellt wurde, ist eine solche Abklärung Bestandteil der Veröffentlichung bzw. Gegenstand einer Nachveröffentlichung.

Gestützt auf Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe a E-PatG in Verbindung mit Artikel 65a Absatz 5 PatG in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertES)99 kann die Veröffentlichung elektronisch erfolgen. Es ist vorgesehen, von dieser Kompetenz in dem Sinne Gebrauch zu machen, dass die Veröffentlichung nach Artikel 58a Absatz 2 E-PatG ausschliesslich elektronisch erfolgt. Damit wird nicht zuletzt mit Blick auf die Kosten einer Publikation eine Rationalisierung vorgenommen, wie sie auch von anderen Ämtern Europas realisiert wurde. Es ist nicht vorgesehen, eine separate Veröffentlichungsgebühr zu erheben. Vielmehr sollen die zusätzlichen Kosten der elektronischen Veröffentlichung durch die Anmeldegebühr gedeckt werden. Eine Anhebung der Anmeldegebühr wird trotzdem nicht erforderlich sein.

Der Rechtsschutz aus einem veröffentlichten Patengesuch wird in Artikel 73 Absatz 3 E-PatG entsprechend dem vorläufigen Schutz geregelt, wie er bereits heute aufgrund von Artikel 111 Absatz 2 PatG für veröffentlichte europäische
Patentanmeldungen bzw. aufgrund von Artikel 137 PatG für veröffentlichte internationale Anmeldungen besteht: Klagerechte entstehen erst mit der Erteilung des Patents, doch kann mit der Schadenersatzklage der Schaden geltend gemacht werden, den der Beklagte verursacht hat, seit er vom Inhalt des Patentgesuches Kenntnis erlangt hatte, spätestens jedoch seit der Veröffentlichung des Patentgesuchs nach Artikel 58a E-PatG. Wiewohl dieser vorläufige Schutz begrenzt ist, ist er einem umfassenden Rechtsschutz vorzuziehen, der gerade mit Bezug auf europäische Patentanmeldungen zu Konflikten zwischen Erteilungsverfahren und gerichtlicher Beurteilung führen würde.

99

SR 943.03

87

Die Einführung der Veröffentlichung von Patentgesuchen zieht eine Reihe von Gesetzesänderungen nach sich. So ist dem Erfinder der Anspruch zuzuerkennen, bereits in der Veröffentlichung der Patentanmeldung genannt zu werden (Art. 5 Abs. 2 E-PatG). Weiter lässt die Veröffentlichung von Patentgesuchen die mit Geheimhaltungsinteressen begründete Verschiebung der Patenterteilung (Art. 59b PatG) obsolet werden. Angesichts der heute international vorherrschenden Veröffentlichung von Patentgesuchen ist für das Bedürfnis nach Ausschliesslichkeitsrechten verbunden mit langfristiger Geheimhaltung keine Rechtfertigung ersichtlich.

Auch Artikel 62 PatG wird im Zuge dieser Änderungen aufgehoben. Der Bund hat diese Bestimmung bislang noch nie in Anspruch genommen.

Auch Artikel 65 E-PatG steht im Zusammenhang mit der Einführung der Veröffentlichung. Während bislang das Aktenheft grundsätzlich erst nach Erteilung des Patents der Öffentlichkeit zur Einsichtnahme offen stand (Art. 90 Abs. 3 PatV), kann nunmehr jede Person vom Zeitpunkt der Veröffentlichung des Patentgesuchs an auf Antrag Einsicht in das Aktenheft eines nationalen Patentgesuchs nehmen. Artikel 65 E-PatG schafft die formelle Gesetzesgrundlage für eine Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips, die infolge der Geheimhaltungsinteressen des Gesuchstellers bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Patentgesuchs erforderlich ist, und begründet damit eine spezialgesetzliche Ausnahme im Sinne von Artikel 4 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2004 über die Öffentlichkeit der Verwaltung100. Zur Entlastung des Gesetzestextes gibt Artikel 65 Absatz 2 E-PatG dem Bundesrat auf, die Einsichtnahme in das Aktenheft vor Veröffentlichung des Patentgesuchs zu regeln. Er wird sich dabei an der bisher bewährten Regelung in Artikel 90 PatV orientieren und diese an den geänderten Zeitpunkt der Akteneinsicht anpassen.

Art. 59c E-PatG

Einführung eines begrenzten Einspruchsverfahrens

Gegen ein europäisches Patent kann innert 9 Monaten nach der Bekanntmachung seiner Erteilung beim EPA Einspruch eingelegt werden (Art. 99 ff. EPÜ). Mit dem Einspruch kann vorgebracht werden, dass das erteilte Patent die Erteilungsvoraussetzungen (insbesondere Art. 52­57 sowie Art. 83 EPÜ) nicht erfüllt. Das Einspruchsverfahren erspart Dritten beschwerliche Nichtigkeitsprozesse vor den jeweils zuständigen nationalen Gerichten und gewährleistet somit eine kostengünstige Überprüfung der Erteilungspraxis des EPA in einem zentralen Verfahren mit Rechtsmittelinstanzen. Der Einspruch ist als Popularklage ausgestaltet: Jedermann kann einen Einspruch einlegen. Dies ist besonders im Hinblick auf die Beurteilung eines Verstosses gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten durch die Verwertung biotechnologischer Erfindungen von grosser Bedeutung. Private Personen und Interessenorganisationen können eine Überprüfung in diesem Punkt auf dem Wege des Einspruchs herbeiführen.

Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Durchführung einer vollen Prüfung einen für die verhältnismässig geringe Zahl schweizerischer Patentgesuche nicht zu rechtfertigenden Aufwand zur Folge haben würde. Aus diesen Überlegungen heraus verbietet sich ebenfalls, ein Einspruchverfahren nach dem Vorbild des Europäischen Patentübereinkommens in das schweizerische Patentverfahren zu integrieren. Die vorgesehene Recherche zum Stand der Technik (Art. 59 Abs. 6 E-PatG, siehe unten) gibt demjenigen, der seine Interessen durch ein Patentgesuch 100

88

BBl 2004 7269

oder ein erteiltes Patent beeinträchtigt sieht, die Möglichkeit, sich über die Neuheit und Erfindungshöhe der angemeldeten bzw. patentierten Erfindung eine Orientierung zu verschaffen, soweit solche Informationen nicht anderweitig (z.B. aus dem internationalen oder europäischen Anmeldeverfahren) verfügbar sind. Diese Massnahme beseitigt wesentliche Unsicherheit in Bezug auf die Gültigkeit des nicht voll geprüften schweizerischen Patentes. Bliebe es allerdings bei dieser Massnahme, würden nach wie vor hohe Hürden für die Überprüfung der Bewertung eines etwaigen Verstosses gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten durch die Verwertung einer Erfindung bestehen. Hier schafft Artikel 59c E-PatG Abhilfe. Mit ihm wird ein Einspruchsverfahren eingeführt, mit dem die Anwendung dieses Patentausschlussgrunds überprüft werden kann. Damit ist sichergestellt, dass in diesem für die Öffentlichkeit äusserst sensiblen Punkt eine kostengünstige öffentliche Kontrolle der Erteilungspraxis des IGE sichergestellt ist. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens können auch die EKAH sowie die NEK-CNE zur Stellungnahme beigezogen werden (siehe Ziff. 2.1.2.7). In der Vernehmlassung wurde diese neu geschaffene Möglichkeit mehrheitlich unterstützt. Nach Ansicht vielzähliger Vernehmlassungsteilnehmer sollten zusätzliche Gründe für einen Einspruch zugelassen und damit der Anwendungsbereich ausgeweitet werden. Dem trägt der Gesetzesentwurf dadurch Rechnung, dass nunmehr die Anwendung der Artikel 1a, 1b und 2 E-PatG durch das IGE im Einspruchsverfahren überprüft werden kann.

Artikel 59c E-PatG regelt nur die Grundzüge des Einspruchs, insbesondere auch die Beschwerdefähigkeit des Einspruchsentscheids. Vorbild ist Artikel 101 PatG, der allerdings mit weiteren Bestimmungen über das Vorprüfungsverfahren aufgehoben werden soll (Ziff. 1.4.3). In Ergänzung des grundsätzlich anwendbaren Verwaltungsverfahrensgesetzes sollen Einzelheiten des Verfahrens vom Bundesrat in der Verordnung festgelegt werden. Dabei wird sich der Bundesrat an den bestehenden Artikeln 73 ff. PatV orientieren.

Artikel 59c E-PatG tritt an die Stelle der geltenden Bestimmung zu den Rechtsmitteln, die mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG)101 aufgehoben werden wird.

Art. 59 Abs. 5 und 6 E-PatG

Einführung einer fakultativen Recherche

Das Fehlen einer vollen Prüfung schweizerischer Patentgesuche führt zu Rechtsunsicherheit. Ein vom IGE erteiltes Patent wird von Laien oft fälschlich als staatlich garantierter Verbotstitel interpretiert, selbst wenn es eine Erfindung zum Gegenstand hat, die im Stand der Technik bereits vorweggenommen ist. Aber auch für patenterfahrene Personen lässt sich die rechtliche Bedeutung eines erteilten Schutztitels nicht ohne zusätzlich Abklärungen zuverlässig beurteilen. Diese Sachlage ist unbefriedigend.

Die als Massnahme vordergründig naheliegende Einführung einer vollen Prüfung nationaler Patentgesuche lässt sich neben dem europäischen Anmeldeverfahren nicht rechtfertigen. Der vorliegend vorgeschlagene Bericht zum Stand der Technik gibt aber sowohl dem Patentbewerber als auch Dritten eine erste Orientierung über die Neuheit und Erfindungshöhe der angemeldeten bzw. patentierten Erfindung und liefert damit eine Grundlage für die Entscheidung zur Weiterführung eines Gesuchs 101

BBl 2005 4093

89

bzw. Anhaltspunkte mit Bezug auf die Rechtsbeständigkeit des Patents. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Verfahrenskosten sind im Vergleich zu einer vollen Prüfung bescheiden und können teilweise aus den Jahresgebühren für Patente gedeckt werden. Die Höhe der zusätzlichen Recherchengebühr wird mit deutlich weniger als 1000 Franken veranschlagt.

Die vorgeschlagene fakultative Recherche zum Stand der Technik wurde in der Vernehmlassung von den Fachrechtsverbänden begrüsst. Sie stelle ein kostengünstiges und effizientes Instrument dar, um einen Überblick über den Stand der Technik zu erhalten, und erlaube, die Weiterführung eines Gesuchs oder die Rechtsbeständigkeit eines Patents zu beurteilen. Den von diesen Kreisen beantragten Änderungen in Bezug auf Modalitäten der Recherche wurde bei der Überarbeitung Rechnung getragen.

Nach Artikel 59 Absatz 5 Buchstabe a E-PatG steht dem Gesuchsteller frei, einen Bericht zum Stand der Technik innerhalb von 14 Monaten vom Anmeldedatum oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wurde, vom Prioritätsdatum an gerechnet zu verlangen. Eine fakultative Ausgestaltung eines solchen Berichts drängt sich auf, um einerseits Doppelspurigkeiten mit dem europäischen und dem internationalen Verfahren zu vermeiden und andererseits das schweizerische Erteilungsverfahren nicht erheblich zu verteuern. Anreiz für die Durchführung einer Recherche sollen eine kurze Erledigungsfrist (Qualitätsstandard von ein bis zwei Monaten nach Bezahlung der Recherchegebühr) und eine vergleichsweise tiefe Gebühr schaffen. Die Antragsfrist von 14 Monaten soll sicherstellen, dass der Bericht zum Stand der Technik in aller Regel zusammen mit dem Patentgesuch publiziert werden kann.

Artikel 59 Absatz 5 Buchstabe b E-PatG stellt zudem auf Gesetzesstufe klar, dass der Gesuchsteller die Möglichkeit hat, innert 6 Monaten seit dem Anmeldedatum oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wurde, seit dem Prioritätsdatum beim IGE eine Recherche internationaler Art zu beantragen. Einzelheiten sind in der Patentverordnung geregelt (Art. 126 f. PatV). Bei der Recherche internationalen Art handelt sich um Recherchenberichte, die von der zuständigen internationalen Recherchenbehörde nach den für internationale Recherchen geltenden Grundsätzen erstellt werden (Art. 15 Abs. 5 PCT). Zuständige internationale
Recherchenbehörde für die Schweiz ist das EPA.

Dritte, die nach Artikel 65 E-PatG zur Akteneinsicht berechtigt sind, können nach Artikel 59 Absatz 6 E-PatG einen Bericht zum Stand der Technik einholen. Das Antragsrecht erlischt mit Vernichtung der Akten durch das IGE frühestens zehn Jahre nach der Anmeldung, spätestens fünf Jahre nach der Zurücknahme bzw.

Zurückweisung einer Anmeldung oder dem Erlöschen des Patents. Auch für Dritte, die für die Recherche aufzukommen haben, soll die Kostenhürde mit vergleichsweise tiefen Gebühren (deutlich weniger als 1000 Franken) gering gehalten werden.

90

2.2

Ratifikation des Patentrechtsvertrags

2.2.1

Anwendungsbereich

Der Patentrechtsvertrag harmonisiert bestimmte Formalien des Patentverfahrens.

Das materielle Patentrecht ist vom Regelungsbereich ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 PLT). Es bleibt mithin auf internationaler Ebene bei dem durch das TRIPSAbkommen und durch die PVÜ gewährleisteten Mindestschutz.

Der Patentrechtsvertrag betrifft nur das Verfahren vor den nationalen und regionalen Ämtern, die mit der Erteilung und Aufrechterhaltung von Patenten befasst sind. Auf Gerichtsverfahren findet der Patentrechtsvertrag grundsätzlich keine Anwendung und schränkt folglich auch nicht die Gesetzgebungshoheit der Vertragsparteien in dieser Hinsicht ein. Dies geht aus einer gemeinsamen Erklärung zum Begriff der «Verfahren vor dem Amt» hervor. Sie stellt darüber hinaus klar, dass dem nationalen Recht überlassen wird festzulegen, welche Verfahren als gerichtlich anzusehen sind102. Mittelbar wird damit auch der Begriff des Amtes eingegrenzt.

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass der Patentrechtsvertrag auf Gerichtsverfahren nicht anwendbar ist, findet sich in Artikel 10 PLT, der bestimmt, dass die Missachtung bestimmter Formvorschriften im Erteilungsverfahren nach Erteilung des Patents nicht zu dessen Widerruf oder Ungültigerklärung führen darf. Dabei ist unerheblich, welche Stelle nach dem anwendbaren Recht dafür zuständig ist. Eine weitere Ausnahme ergibt sich aus Regel 4 Absatz 4 PLT. Diese eröffnet neben dem Amt auch anderen zuständigen Behörden die Möglichkeit, eine Übersetzung einer früheren Anmeldung in eine Amtssprache zu verlangen, wenn die Gültigkeit des Prioritätsanspruchs für die Beurteilung der Patentfähigkeit der betreffenden Erfindung relevant ist (siehe Regel 4 Abs. 4 i.V.m. Art. 6 Abs. 5 und Regel 4 Abs. 1 PLT). Aufgrund der Entstehungsgeschichte ist allerdings nicht gesichert, ob Gerichte ohne weiteres unter den Begriff der «anderen zuständigen Behörde» fallen, wie dies aus der Kommentierung dieser Vorschrift durch das Internationale Büro103 hervorgeht (Erläuterungen, N. R4.05). Soweit Regel 4 Absatz 4 PLT auf gerichtliche Behörden Anwendung findet, beschränkt sie deren Möglichkeit, eine Übersetzung der Erstanmeldung zu fordern. Einer solchen Einschränkung kann indessen zugestimmt werden. Es ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb eine Übersetzung vorgelegt werden sollte, wenn die Erstanmeldung für die Beurteilung
der Patentfähigkeit irrelevant ist. Jedenfalls bedingt diese Vorschrift keine Änderung von Artikel 26 Absatz 2 PatG und wahrt die Möglichkeit der Gerichte, die Übersetzung einer Erstanmeldung zu verlangen, wo diese für den Verfahrensausgang entscheidend ist.

Zum sachlichen Anwendungsbereich hält Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a PLT fest, dass nationale oder regionale Anmeldungen für Erfindungspatente und Zusatzpatente dem Vertrag unterliegen. Die Nationalität des Anmelders ist unerheblich (Erläuterungen, N. 3.01). Der Begriff «Amt» umfasst sowohl nationale als auch regionale Ämter (Art. 1 Ziff. i, Erläuterungen, N. 1.01), da nicht nur Staaten sondern auch internationale Organisationen (namentlich regionale Patentorganisationen) unter den in Artikel 20 PLT genannten Voraussetzungen dem Vertrag beitreten können. Die Wendung «die beim Amt oder für das Amt einer Vertragspartei eingereicht werden» trägt dem Umstand Rechnung, dass die Mitgliedstaaten einer internationalen Orga102 103

Siehe Ziff. 1 der gemeinsamen Erklärungen betreffend Artikel 1 Ziffer xiv PLT.

Erläuterungen zum Patentrechtsvertrag und zur Ausführungsordnung zum Patentrechtsvertrag (nachstehend: Erläuterungen), WIPO-Dokument PCT/DC/48.

91

nisation und diese selbst unabhängig voneinander den Patentrechtsvertrag ratifizieren können. Der Patentrechtsvertrag findet dabei auf diejenigen Anmeldungen Anwendung, die vom Amt einer Vertragspartei geprüft werden, für die der Patentrechtsvertrag in Kraft ist. Dies gilt unabhängig davon, ob das erteilte Patent letztlich in einem Staat wirksam wird, der den Patentrechtsvertrag nicht ratifiziert hat (Erläuterungen, N. 3.02).

Der Begriff «Anmeldungen für Erfindungspatente und Zusatzpatente» ist gleich zu verstehen wie Artikel 2 Ziffer i PCT (siehe Erläuterungen, N. 3.03). Unter den Patentrechtsvertrag fallen nur solche Anmeldungen, die als internationale Anmeldung gemäss PCT eingereicht werden können (Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. i PLT) sowie Teilanmeldungen davon (Art. 3 Abs. 1 Bst. a Ziff. ii PLT). Nicht erfasst werden damit beispielsweise Anmeldungen für ergänzende Schutzzertifikate nach Artikel 140a ff. PatG (vgl. Erläuterungen, N. 3.05).

Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b PLT zufolge unterliegen auch internationale Anmeldungen gemäss PCT von der Einleitung der sogenannten nationalen Phase an dem Patentrechtsvertrag. Der Patentrechtsvertrag findet ausserdem auf internationale Anmeldungen gemäss PCT in Bezug auf die in den Artikeln 22 und 39 Absatz 1 PCT festgelegten Fristen Anwendung (Art. 3 Abs. 1 Bst. b Ziff. i PLT). Die Vertragsparteien sind infolgedessen insbesondere verpflichtet, die Wiederherstellung der Frist zur Einleitung der nationalen Phase nach den Voraussetzungen von Artikel 12 PLT zu gewähren (Erläuterungen, N. 3.08). Das schweizerische Recht entspricht bereits dieser Anforderung (siehe Art. 47 PatG) und geht sogar über diese hinaus, da auch die Weiterbehandlung (Art. 46a PatG) zulässig ist, die der Patentrechtsvertrag nur in Bezug auf Fristen vorsieht, die vom Amt angesetzt werden (vgl.

Art. 11 Abs. 2 PLT).

Darüber hinaus erstreckt sich der Anwendungsbereich des Patentrechtsvertrags auch auf nationale oder regionale Erfindungspatente und Zusatzpatente, die mit Wirkung für eine Vertragspartei erteilt wurden (Art. 3 Abs. 2 PLT; siehe Erläuterungen, N. 3.10 bis 3.12). Hervorzuheben ist, dass erteilte Patente auch dann dem Patentrechtsvertrag unterstehen, wenn die Anmeldung nicht in der Regelungsbereich dieses Vertrages fällt (Erläuterung, N. 3.12). Dies gilt allerdings nicht mit Bezug
auf Ergänzende Schutzzertifikate nach europäischer Konzeption, da diese als Schutztitel sui generis nicht unter den Begriff der Erfindungs- bzw. Zusatzpatente subsumiert werden können. Den Vertragsparteien steht allerdings die Anwendung der Vorschriften des Patentrechtsvertrags in Bezug auf Patente und Anmeldungen frei, die nicht dem Patentrechtsvertrag unterstehen.

2.2.2

Allgemeine Bestimmungen (Art. 1­4 und Regel 1 PLT)

In den Artikeln 1­4 PLT finden sich Vorschriften von allgemeiner Bedeutung: Artikel 1 und Regel 1 PLT enthalten eine in moderneren Übereinkommen übliche Umschreibung der Begriffe, die im Vertrag und in den Regeln Verwendung finden.

Es kann auf den Wortlaut dieser Bestimmungen verwiesen werden.

Wie bereits erläutert wurde, hält Artikel 2 PLT zunächst den Grundsatz fest, dass die Vertragsparteien vom Übereinkommen abweichende Vorschriften aufstellen dürfen, die aus der Sicht der Anmelder und Rechtsinhaber vorteilhafter sind als diejenigen 92

des Patentrechtsvertrags und seiner Ausführungsvorschriften (Art. 2 Abs. 1 PLT).

Davon ausgenommen ist Artikel 5 PLT, der das Datum einer Anmeldung festlegt.

Damit werden abweichende nationale Erfordernisse in Bezug auf das Anmeldedatum vermieden, die den diesbezüglichen Harmonisierungseffekt des Übereinkommens geschmälert hätten. Artikel 2 Absatz 2 PLT hält den weiteren allgemeinen Grundsatz fest, dass der Patentrechtsvertrag keine Regeln zum materiellen Patentrecht aufstellt (siehe Ziff. 2.2.1).

Artikel 3 PLT legt den sachlichen Anwendungsbereich des Patentrechtsvertrags fest.

Diese Bestimmung wurde bereits vorgestellt (siehe Ziff. 2.2.1).

Artikel 4 PLT macht einen Vorbehalt hinsichtlich der Sicherheitsinteressen einer Vertragspartei.

2.2.3

Besondere Bestimmungen (Art. 5­15 und Regeln 2­17 PLT)

2.2.3.1

Anmeldedatum (Art. 5 und Regel 2 PLT)

Artikel 5 PLT harmonisiert die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldedatums (siehe zu den Ausnahmen Art. 5 Abs. 8 und Regel 2 Abs. 6 PLT). Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a PLT muss die Anmeldung zu diesem Zweck die folgenden Elemente enthalten: eine ausdrückliche oder stillschweigende Angabe, dass die eingereichten Unterlagen eine Anmeldung begründen sollen (Ziff. i), Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen oder mit diesem in Kontakt zu treten (Ziff. ii), und einen Teil, der dem Anschein nach als Beschreibung angesehen werden kann (Ziff. iii). Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c PLT stellt den Vertragsparteien in Bezug auf Ziffer ii frei, Angaben zur Feststellung der Identität des Anmelders einerseits und Informationen zu seiner Kontaktaufnahme andererseits kumulativ oder alternativ zu fordern. Darüber hinaus kann anstelle einer Beschreibung nach Ziffer iii eine Zeichnung akzeptiert werden (Art. 5 Abs. 1 Bst. b PLT).

Für die Zuerkennung des Anmeldedatums müssen die nationalen Ämter den Teil, der dem Anschein nach als Beschreibung angesehen werden kann, in einer beliebigen Sprache entgegennehmen (Art. 5 Abs. 2 Bst. b PLT). Für das weitere Anmeldeverfahren kann eine Übersetzung dieses Teils in eine Amtssprache gefordert werden (Art. 6 Abs. 3 PLT), doch ist es den Vertragsparteien untersagt, das Anmeldedatum an den Erhalt einer solchen Übersetzung zu knüpfen bzw. bei Ausbleiben einer Übersetzung das Anmeldedatum abzuerkennen (Erläuterungen, N. 5.13).

Dem Anmelder steht ausdrücklich die Wahl frei, seine Anmeldung auf Papier oder auf eine andere vom Amt zugelassene Art und Weise (z.B. in elektronischer Form via Internet) einzureichen. Selbst wenn eine Vertragspartei gestützt auf die Regel 8 Absatz 1 PLT nach dem 2. Juni 2005 die Kommunikation mit dem Amt in Papierform ganz ausschliessen sollte, müsste einer Anmeldung auf Papier ein Anmeldedatum zuerkannt werden. Für die weitere Behandlung der Anmeldung kann freilich verlangt werden, dass diese in der vom Amt vorgeschriebenen Form eingereicht wird (Art. 8 Abs. 1 und 7 und Regel 8 PLT; Erläuterungen, N. 5.06).

93

Artikel 5 PLT legt die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldedatums abschliessend fest. Den Vertragsparteien ist es daher nicht gestattet, das Anmeldedatum von der Erfüllung weiterer Anforderungen abhängig zu machen. Beispielsweise darf für die Zuerkennung des Anmeldedatums nicht verlangt werden, dass die Anmeldung einen oder mehrere Patentansprüche enthält. Ein Vertragsstaat kann zwar gestützt auf Artikel 6 Absatz 1 Ziffer i in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 7 PLT verlangen, dass Patentansprüche innerhalb der Frist von Regel 6 Absatz 1 PLT nachgereicht werden. Kommt der Anmelder dieser Aufforderung nicht nach, so hat dies keinen Einfluss auf das einmal zuerkannte Anmeldedatum, auch wenn die Anmeldung deswegen gestützt auf Artikel 6 Absatz 8 Buchstabe b PLT zurückgewiesen wird oder als zurückgenommen gilt (Erläuterungen, N. 5.02; siehe auch N. 5.15). Die Zuerkennung eines Anmeldedatums darf auch nicht an die Bezahlung einer Gebühr geknüpft werden. Den Vertragsparteien ist allerdings gestützt auf Artikel 6 Absatz 4 PLT erlaubt, nachträglich Anmeldegebühren zu erheben. Die Nichtbezahlung solcher Gebühren darf aber wiederum nicht den Verlust des Anmeldedatums, sondern bloss die Zurückweisung des Gesuchs zur Folge haben (Erläuterungen, N. 5.02, 6.16 und 6.22­6.24).

Als Anmeldedatum bestimmt der Patentrechtsvertrag das Datum, an dem das Amt alle Bestandteile nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a PLT erhalten hat. Weiterhin zulässig ist aber die Zuerkennung des Datums der Postaufgabe als Empfangsdatum, wie dies Artikel 56 Absatz 2 PatG in Verbindung mit Artikel 2 PatV vorsieht (Erläuterungen, N. 5.05).

Artikel 5 Absatz 3 PLT schreibt Ämtern vor, den Anmelder so rasch wie möglich zu benachrichtigen, wenn eine der in Artikel Absatz 1 und 2 PLT vorgesehenen Bedingungen für die Zuerkennung eines Anmeldedatums nicht erfüllt ist (siehe zur Benachrichtigung auch Ziff. 2.2.3.5). Dem Anmelder ist Gelegenheit zu geben, innert einer Frist von mindestens zwei Monaten (Regel 2 Abs. 1 PLT) seine Anmeldung zu verbessern und Bemerkungen anzubringen. Fehlen Angaben, um mit dem Anmelder Kontakt aufzunehmen, so läuft die Frist vom Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung an (Regel 2 Abs. 2 PLT). Als Anmeldedatum gilt der Zeitpunkt, in dem alle für die Zuerkennung des Anmeldedatums erforderlichen Voraussetzungen
nachträglich erfüllt sind (Art. 5 Abs. 4 PLT). Werden festgestellte Mängel nicht innert der vorgesehenen Fristen behoben, kann das nationale Recht vorsehen, dass die Anmeldung als nicht eingereicht gilt. Ist das der Fall, teilt das Amt dies dem Anmelder mit und legt ihm die Gründe dafür dar.

Aufgrund von Artikel 5 Absatz 5 PLT besteht eine entsprechende Mitteilungspflicht, wenn bei der Festlegung des Anmeldedatums ein Teil der Beschreibung oder eine Zeichnung allem Anschein nach fehlen. Als Anmeldedatum wird in diesem Fall grundsätzlich das Datum zuerkannt, an dem das Amt den fehlenden Teil der Beschreibung oder die fehlende Zeichnung erhält, sofern im übrigen alle anderen Angaben vorhanden sind (Art. 5 Abs. 6 Bst. a PLT). Ist der fehlende Teil einer Beschreibung oder die fehlende Zeichnung in einer früheren Anmeldung enthalten, deren Priorität bei der Einreichung der unvollständigen Folgeanmeldung beansprucht wird, müssen diese Elemente auf Antrag des Anmelders ohne Verlust des Anmeldedatums zu den Akten der Anmeldung genommen werden, sofern die Voraussetzungen der Regel 2 Absatz 4 PLT erfüllt sind (siehe Art. 5 Abs. 6 Bst. b PLT; Erläuterungen, N. 5.21 sowie R2.03 und R2.04). Gestützt auf Buchstabe c von Artikel 5 Absatz 6 PLT kann der Anmelder einen fehlenden Teil der Beschreibung

94

oder eine fehlende Zeichnung wieder zurücknehmen, um zu vermeiden, dass als Anmeldedatum der spätere Zeitpunkt deren Nachreichung gilt.

Der Erwähnung verdient schliesslich, dass eine Vertragspartei aufgrund von Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a PLT für die Zuerkennung des Anmeldedatums anstelle der Beschreibung und Zeichnungen einen Verweis auf eine früher eingereichte Anmeldung zu akzeptieren hat. Es kann verlangt werden, dass die Beschreibung und Zeichnungen nachgereicht werden (Art. 6 Abs. 7 i.V.m. Regel 6 Abs. 1 PLT).

Regel 2 Abs. 5 PLT regelt die Voraussetzungen eines Verweises. Diese müssen im Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung gegeben sein (siehe Erläuterungen, N. 5.24). Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, kann das nationale Recht vorsehen, dass die Anmeldung als nicht eingereicht gilt. Dies ist dem Anmelder mitzuteilen (Art. 5 Abs. 7 Bst. b PLT).

2.2.3.2

Form- und Inhaltsvorschriften betreffend Patentgesuche (Art. 6 und Regeln 4­6 PLT)

Hinsichtlich der Form und des Inhalts eines Patentgesuchs übernimmt Artikel 6 Absatz 1 PLT mittels eines generellen Verweises die für Anmeldungen nach dem PCT sowohl in der internationalen wie auch in der nationalen Phase zulässigen Anforderungen. Dabei handelt es sich um einen Maximalstandard. Regel 3 Absatz 1 PLT nennt abschliessend weitergehende Erfordernisse in Bezug auf Form und Inhalt, welche die Vertragsparteien aufstellen dürfen. Vorschriften des materiellen Patentrechts bleiben von Artikel 6 Absatz 1 PLT unberührt (Art. 2 Abs. 2 PLT; Erläuterungen, N. 6.02 und 6.03). In Bezug auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Erfindung (siehe Regel 13 PCT) erlaubt Artikel 23 Absatz 1 PLT die Erklärung eines Vorbehalts (siehe Ziff. 2.2.4) Der Verweis auf den PCT entbindet von einer Umschreibung der einzelnen Formund Inhaltsvorschriften und stellt die Übereinstimmung der beiden Regelwerke sicher. Zufolge der Begriffsbestimmung in Artikel 1 Ziffer xvii PLT schliesst der Verweis künftige Änderungen des PCT, seiner Ausführungsordnung sowie seiner Verwaltungsvorschriften mit ein. Allerdings binden künftige Modifikationen die Vertragsparteien des Patentrechtsvertrags nicht ohne weiteres. Vielmehr bedarf die Übernahme künftiger Änderungen des PCT der Zustimmung der Versammlung der Vertragsparteien des Patentrechtsvertrags (siehe Ziff. 2.2.4).

Artikel 6 Absatz 2 PLT sieht vor, dass für eine Anmeldung die Verwendung eines Formulars vorgeschrieben werden kann. Die Ämter der Vertragsparteien müssen allerdings die Darstellung auf einem Anmeldeformular akzeptieren, das den Anforderungen von Regel 3 Absatz 2 PLT genügt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um ein Anmeldeformular für eine internationale Anmeldung gemäss PCT, das gewisse Modifikationen erfährt (siehe Erläuterungen, N. R3.02 und R3.03; vgl. auch Regel 20 Abs. 2 PLT). Vorbehalten bleiben die Vorschriften betreffend die Kommunikation mit dem Amt (Art. 8 PLT), insbesondere die Möglichkeit, nach dem 2. Juni 2005 eine Anmeldung auf elektronischem Wege vorzuschreiben (Regel 8 Abs. 1 Bst. a PLT). Einer Anmeldung auf Papier ist aber stets ein Anmeldedatum zuzuerkennen (Art. 5 Abs. 1 PLT; Erläuterungen, N. 5.06 und 6.12).

95

Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 PLT gestattet den Vertragsparteien, Übersetzungen solcher Teile der Anmeldung zu verlangen, die nicht in einer vom Amt akzeptierten Sprache sind. Aufgrund der Begriffsbestimmung in Artikel 1 Ziffer xiii PLT kann eine Übersetzung nur in jeweils eine von mehreren Amtssprachen gefordert werden, wie dies etwa in der Schweiz, aber auch in Kanada bereits gehandhabt wird. Der zweite Satz von Artikel 6 Absatz 3 PLT in Verbindung mit Regel 3 Absatz 3 PLT lockert diesen Grundsatz und erlaubt den Vertragsparteien, eine Übersetzung des Titels, der Ansprüche und der Zusammenfassung in jede andere Amtssprache zu verlangen. Somit steht namentlich Artikel 14 Absatz 7 EPÜ, der im Hinblick auf die Veröffentlichung einer europäischen Patentanmeldung eine Übersetzung der Patentansprüche in alle Amtssprachen des EPA (Deutsch, Französisch und Englisch) vorsieht, mit Artikel 6 Absatz 3 PLT im Einklang. Regel 3 Absatz 3 PLT könnte allerdings ­ wenn auch nur einstimmig (Regel 21 Ziff. iii PLT) ­ in Zukunft aufgehoben werden.

Aufgrund von Artikel 6 Absatz 5 PLT kann auch die Übersetzung einer früheren Anmeldung eingefordert werden, deren Priorität beansprucht wird. Regel 4 bestimmt die Einzelheiten. Die Vorlage einer Übersetzung kann insbesondere nur dann verlangt werden, wenn die frühere Anmeldung nicht in einer vom Amt akzeptierten Sprache vorliegt und die Gültigkeit des Prioritätsanspruchs für die Beurteilung der Patentfähigkeit der Erfindung relevant ist (Regel 4 Abs. 4 PLT; siehe Ziff. 2.2.1; Erläuterungen, N. R4.05). In Bezug auf Erstanmeldungen und früher eingereichte Anmeldungen nach Regel 2 Absatz 5 Buchstabe b PLT schliesst die Regel 4 Absatz 3 PLT die Pflicht zur Vorlage und Beglaubigung von Kopien dieser Dokumente in solchen Fällen aus, in denen diese nutzlos sind. Weiter wird die Errichtung einer digitalen Datenbank zum Austausch dieser Dokumente antizipiert, der sich die Ämter anschliessen können (siehe Erläuterungen, N. R4.03 und R4.04 sowie Ziff. 3 der gemeinsamen Erklärungen betreffend Art. 6 Abs. 5 und Art. 13 Abs. 3 sowie Regeln 4 und 14 PLT).

Artikel 6 Absatz 4 PLT sieht vor, dass eine Anmeldegebühr erhoben werden kann und stellt den Vertragsstaaten frei, die Vorschriften des PCT in Bezug auf die Gebührenzahlung (Art. 14 Abs. 3 sowie Regel 15.4 und Regel 16bis PCT) anzuwenden
(siehe Erläuterungen, N. 6.23 und 24). Der Patentrechtsvertrag regelt allerdings nicht die Modalitäten für die Erhebung der Gebühren und will auch nicht in die Gebührenstruktur eingreifen (siehe Erläuterungen, N. 6.15 und 6.16). Immerhin darf die Zuerkennung eines Anmeldedatums nicht verweigert oder ein zuerkanntes Anmeldedatum nicht widerrufen werden, wenn die Zahlung der Gebühr ausbleibt (Art. 6 Abs. 8 Bst. a i.V.m. Art. 5 Abs. 1 PLT; Erläuterungen, N. 5.02 und 6.16).

Ebensowenig darf eine unterbliebene Zahlung ein Grund für einen Widerruf eines erteilen Patents sein (Art. 6 Abs. 8 Bst. a i.V.m. Art. 10 PLT; Erläuterungen, N. 6.25).

Artikel 6 Absatz 6 PLT entlastet die Anmelder, indem diese Bestimmung die Möglichkeit der Ämter einschränkt, im Laufe des Anmeldeverfahrens über die Bestandteile einer Anmeldung hinaus Nachweise zu Angaben und Übersetzungen Nachweise zu Angaben, auf die in einer Anmeldung oder einer Prioritätserklärung Bezug genommen wird, oder Nachweise zu Übersetzungen zu fordern. Solche Nachweise können nur dann verlangt werden, wenn berechtigte Zweifel an der Glaubhaftigkeit der betreffenden Angabe oder an der Zuverlässigkeit einer Übersetzung bestehen.

Beansprucht beispielsweise ein Anmelder die Priorität nach Artikel 3 PVÜ und bestehen begründete Zweifel an der Angabe der Nationalität des Anmelders, so kann ein Amt vom Anmelder verlangen, dass er geeignete Beweise vorlegt. Das Amt 96

muss in seiner Mitteilung die Gründe angeben, weshalb es an der Richtigkeit der Angaben zweifelt (Regel 5 PLT; siehe Erläuterungen, N. 6.18). Absatz 6 findet in Bezug auf materielles Patentrecht keine Anwendung. Folglich können die Vertragsparteien weitere Beweise fordern, soweit materielles Patentrecht betroffen ist, wie etwa bei Angaben zu unschädlichen Offenbarungen (Erläuterungen, N. 6.19).

Wie schon im Zusammenhang mit dem Anmeldedatum statuiert der Patentrechtsvertrag hinsichtlich der Form- und Inhaltsvorschriften der Anmeldung eine Pflicht der nationalen Ämter, Anmeldern mitzuteilen, sollte ihre Eingaben den im Abkommen geregelten formellen Anforderungen nicht genügen (siehe zur Benachrichtigung auch Ziff. 2.2.3.5). Zugleich ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Erfüllung der Voraussetzungen zu geben (Art. 6 Abs. 7 PLT). Regel 6 bestimmt die diesbezüglichen Fristen. Artikel 6 Absatz 8 PLT legt die möglichen Sanktionen im Versäumnisfall fest.

2.2.3.3

Vertretung und Vertreterzwang (Art. 7 und Regel 7 PLT)

Der Patentrechtsvertrag behandelt in Artikel 7 verschiedene Aspekte der Vertretung.

Die formellen Anforderungen sind abschliessend geregelt (Art. 7 Abs. 4 PLT).

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a PLT überlässt allerdings jeder Vertragspartei, das Recht zur Ausübung der Vertretung für ein Verfahren vor dem Amt (zu diesem Begriff siehe Art. 1 Ziff. xiv PLT) in der nationalen Gesetzgebung zu ordnen. Beispielsweise kann die Vertretung von einer Berufszulassung des Vertreters abhängig gemacht werden (Erläuterungen, N. 7.03). Es bleibt auch dem nationalen Recht überlassen, zu bestimmen, wer Vertreter sein kann. So kann jede Vertragspartei bestimmen, ob nur Rechtsanwälte oder auch Patentanwälte als Vertreter agieren können und ob eine einfache Gesellschaft als Vertreterin angesehen werden kann (Erläuterungen, N. 1.08). Weiter kann jede Vertragspartei verlangen, dass der Vertreter eine Anschrift (nicht aber seinen Wohnsitz bzw. Sitz) in dem von der Vertragspartei bezeichneten Gebiet hat. Artikel 7 Absatz 3 sowie Regel 7 Absätze 2 und 3 regeln die Mitteilung der Ernennung eines Vertreters. Mit der Beendigung der Vertretung befasst sich der Patentrechtsvertrag aber nicht (Erläuterungen, N. 7.01).

Buchstabe b von Artikel 7 Absatz 1 PLT hält den Grundsatz fest, dass Handlungen von oder gegenüber einem Vertreter diejenigen Personen binden, die den betreffenden Vertreter bestellt haben. Buchstabe c bestimmt weiter, dass jede Vertragspartei vorsehen kann, dass bei einem Widerruf einer Vollmacht die Unterschrift eines Vertreters nicht die Wirkung einer Unterschrift der vertretenen Person hat. Der Patentrechtsvertrag schreibt aber nicht vor, dass Mitteilungen eines Amts nach Artikel 5 Absatz 3 oder Artikel 6 Absatz 7 PLT zwingend an den Vertreter zu senden sind (Erläuterungen, N. 7.05).

Artikel 7 Absatz 2 PLT erlaubt den Vertragsparteien, einen Vertreter zwingend vorzuschreiben. Zugleich regelt diese Bestimmung in Verbindung mit Regel 7 Absatz 1 PLT die Ausnahmen vom Vertreterzwang. Folgende Handlungen können demnach auch ohne Vertreter vorgenommen werden: die Einreichung einer Anmeldung zum Zweck der Zuerkennung eines Anmeldedatums, die Bezahlung einer Gebühr, die Einreichung einer Kopie eines früheren Gesuchs nach Regel 2 Absatz 4 PLT, die Einreichung einer Kopie eines früheren Gesuchs nach Regel 2 Absatz 5 Buchstabe b PLT sowie den Empfang einer Quittung oder Mitteilung des Amts.

97

Demgegenüber kann in Bezug auf die Einreichung von Übersetzungen eine Vertretung zwingend vorgeschrieben werden.

Das schweizerische Recht sieht für ausserhalb der Schweiz domizilierte Personen einen Vertretungszwang für Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und dem Richter vor (Art. 13 PatG; siehe auch Art. 133 Abs. 3 PatG). Die Einreichung einer Anmeldung beim IGE bedarf nach ständiger Praxis keiner Vertretung. Der im Ausland domizilierte Anmelder kann ein schweizerisches Patentgesuch direkt beim IGE einreichen. Ein Vertreterzwang besteht für das Erteilungsverfahren für ausserhalb der Schweiz domizilierte Anmelder erst nach Zuerkennung des Anmeldedatums (Art. 46 i.V.m. Art. 48 PatV). Bei internationalen Anmeldungen geht aus Artikel 124 Absätze 2 und 2bis PatV hervor, dass die Einreichung der in Artikel 138 PatG genannten Unterlagen nicht zwingend von einem Vertreter vorzunehmen ist.

Nach Patenterteilung können ohne Vertreter Gebühren bezahlt und Übersetzungen oder andere Mitteilungen sowie Anträge (z.B. Änderungs- oder Weiterbehandlungsanträge) beim IGE eingereicht werden. Ein Vertreterzwang besteht aber, sobald eine Handlung des Patentinhabers zu einer Beanstandung des IGE Anlass gibt. Das geltende Recht entspricht daher bereits dem Patentrechtsvertrag. Doch soll die Praxis des IGE in Artikel 13 verdeutlicht werden.

Auch hinsichtlich der Formvorschriften in Bezug auf die Vertretung schreibt der Patentrechtsvertrag den nationalen Ämtern vor, den betroffenen Personen mitzuteilen, sollten ihre Eingaben den im Abkommen geregelten formellen Anforderungen nicht genügen (siehe auch Ziff. 2.2.3.5). Zugleich ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Erfüllung der Voraussetzungen zu geben (Art. 7 Abs. 5 PLT).

Regel 7 Absatz 5 PLT bestimmt die diesbezüglichen Fristen. Artikel 7 Absatz 6 PLT regelt die Säumnisfolgen.

2.2.3.4

Kommunikation (Art. 8 und Regeln 8­11 PLT)

Gegenstand der Harmonisierung durch den Patentrechtsvertrag bilden auch die Form und Mittel der Kommunikation zwischen einem Anmelder oder Patentinhaber und einem Amt. Artikel 8 PLT sowie die Regeln 8­10 PLT behandeln verschiedene Aspekte der Kommunikation: Nach Artikel 8 Absatz 2 PLT darf jede Vertragspartei für die Kommunikation mit dem Amt die Verwendung einer vom Amt akzeptierten Sprache vorschreiben. Vorbehalten bleibt Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b PLT, der vorsieht, dass für die Zuerkennung des Anmeldedatums derjenige Teil der Anmeldung, der dem Anschein nach eine Beschreibung darstellt, in einer beliebigen Sprache abgefasstsein kann.

Aufgrund von Artikel 8 Absatz 3 PLT ist eine Vertragspartei weiter verpflichtet, eine Anmeldung auf einem Formular entgegenzunehmen, das einem internationalen Standardformular entspricht, das gestützt auf Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c und Regel 20 PLT ausgearbeitet werden soll. Vertragsparteien, die auch in Zukunft nur Mitteilungen auf Papier entgegennehmen wollen, können nicht über diese Vorschrift verpflichtet werden, elektronische Mitteilungen zu akzeptieren (Erläuterungen, N. 8.07). Grundsätzlich muss nämlich keine Vertragspartei Eingaben entgegennehmen, die nicht in Papierform sind (Art. 8 Abs. 1 Bst. b PLT). Doch steht es den Vertragsparteien frei, nach dem 2. Juni 2005 zur elektronischen Kommunikation überzuwechseln und Anmeldungen auf Papier abzulehnen (Regel 8 Abs. 1 Bst. a 98

PLT). Den Vertragsparteien ist es darüber hinaus bereits vor dem 2. Juni 2005 gestattet, anstelle einer Mitteilung in Papierform, deren Entgegennahme oder Behandlung aufgrund ihrer Art oder ihres Umfangs als undurchführbar erachtet wird (z.B. die Anmeldung einer biotechnologischen Erfindung mit einer Sequenzliste von mehreren Tausend Seiten), die Einreichung dieser Mitteilung in einer anderen Form oder mit anderen Mitteln der Übertragung verlangen (Regel 8 Abs. 1 Bst. d PLT).

Ungeachtet dieser Möglichkeiten muss einer Anmeldung in Papierform ein Anmeldedatum zuerkannt werden, wenn sie die Erfordernisse von Artikel 5 PLT erfüllt (siehe auch Ziff. 2.2.3.1). Ein Amt, das eine elektronische Anmeldung vorschreibt, kann allerdings gestützt auf Artikel 8 Absatz 7 PLT verlangen, dass innerhalb der Frist nach Regel 11 PLT eine Eingabe eingereicht wird, die den anwendbaren Vorschriften entspricht. Im Unterlassungsfall verliert der Anmelder aber das einmal zuerkannte Anmeldedatum nicht, selbst wenn die Anmeldung gestützt auf Artikel 8 Absatz 8 PLT zurückgewiesen wird. Aufgrund des Verweises auf Artikel 10 PLT ist es den Vertragsparteien auch grundsätzlich untersagt, ein Patent zu widerrufen, das trotz Nichteinhaltung dieser Formvorschriften erteilt wurde (Erläuterungen, N. 5.02, 8.02 und 8.18). Weiter ist jede Vertragspartei gehalten, Mitteilungen in Papierform entgegenzunehmen, die der Wahrung einer Frist dienen (Artikel 8 Abs. 1 Bst. d PLT). Reicht ein Anmelder oder ein Patentinhaber bei einem Amt, das nach dem anwendbaren Recht nur die elektronische Kommunikation erlaubt, eine Eingabe auf Papier ein, so stellt dies einen Formfehler dar. Das Amt hat den Anmelder oder Patentinhaber hiervon nach Artikel 8 Absatz 7 PLT zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, seine Eingabe zu verbessern (Erläuterungen, N. 8.05). Diese Vorbehalte zugunsten der Papierform sichern Anmeldern und Patentinhabern aus Ländern, die nicht über die technische Infrastruktur industrialisierter Länder verfügen, in angemessenem Umfang die Möglichkeit, ihre Rechte durch Eingaben auf Papier zu wahren (siehe in diesem Zusammenhang auch Ziff. 4 der gemeinsamen Erklärungen betreffend Regel 8 Abs. 1 Bst. a PLT).

Insoweit eine Vertragspartei die Einreichung von Mitteilungen bei ihrem Amt in elektronischer Form oder mit elektronischen
Übertragungsmitteln (einschliesslich Telegraph, Telex, Telefax oder andere gleichwertige Übertragungsmittel) erlaubt, ist sie gehalten, eine den diesbezüglichen Vorschriften des PCT genügende Mitteilung entgegenzunehmen. Davon abgesehen, ist jede Vertragspartei frei, die Bedingungen für derartige Mitteilungen selbst festzulegen (Regel 8 Abs. 2 PLT, Erläuterungen, N. R8.05).

Artikel 8 Absatz 4 PLT regelt in Verbindung mit Regel 9 PLT für die Kommunikation sowohl auf Papier als auch in elektronischer Form die Anforderungen an eine Unterschrift und legt fest, wann eine Beglaubigung oder andere Form der Bescheinigung einer Unterschrift gefordert werden darf. Den Ämtern ist es grundsätzlich nur bei begründeten Zweifeln bezüglich der Echtheit der Unterschrift erlaubt, weitere Nachweise zu verlangen. Keine Einschränkung besteht für gerichtliche und vergleichbare Verfahren. Abgesehen von den Angaben im Zusammenhang mit einer Unterschrift bestimmt Regel 9 PLT zunächst die Anforderungen, die an eine Unterschrift auf Papier gestellt werden dürfen. Regel 9 Absatz 3 PLT verpflichtet die Vertragsparteien zur Annahme einer eigenhändigen Unterschrift, erlaubt ihnen aber zugleich, andere Formen der Unterzeichnung (z.B. eine gedruckte Unterschrift oder ein Stempel) zuzulassen. In Bezug auf elektronische Unterschriften unterscheidet der Patentrechtsvertrag zwischen Unterschriften, die in einer graphischen Darstellung der Unterschrift bestehen, und solchen, die nicht in einer solchen graphischen 99

Wiedergabe resultieren. Im Einzelnen gilt folgendes: Erlaubt eine Vertragspartei die Eingabe von Mitteilungen in elektronischer Form oder elektronisch übertragene Mitteilungen, muss sie eine solche Mitteilung als unterzeichnet entgegennehmen, wenn sie eine graphische Darstellung einer von ihr akzeptierten eigenhändigen Unterschrift beinhaltet. Dies trifft beispielsweise auf eine Mitteilung zu, die per Fax an ein Faxgerät oder einen Computer übermittelt wird. In Übereinstimmung mit der Regel 8 Absatz 2 Buchstabe c PLT kann eine Vertragspartei in diesen Fällen allerdings verlangen, dass das Original der übermittelten Nachricht mit der eigenhändigen Unterschrift nachgereicht wird (Erläuterungen, N. R9.02). In allen anderen Fällen kann jede Vertragspartei die Anforderungen in Bezug auf die Unterschrift selbst bestimmen, soweit nicht die künftigen Vorschriften unter dem PCT für sie Anwendung finden.

Artikel 8 Absatz 5 PLT bezeichnet die Angaben, die von Seiten des Anmelders oder Patentinhabers in der Korrespondenz verlangt werden können. Es geht hier um Angaben wie etwa der Name und die Adresse des Anmelders oder Patentinhabers, die Anmelde- oder die Patentnummer. Es sei diesbezüglich auf Regel 10 Absatz 1 PLT verwiesen. Artikel 8 Absatz 6 PLT bestimmt, dass eine Vertragspartei verlangen kann, dass der Anmelder, der Patentinhaber oder eine andere betroffene Person in jeder Mitteilung eine Korrespondenzadresse, ein gewähltes Domizil und/oder jede andere in der Ausführungsordnung vorgesehene Adresse angibt.

Wie in anderem Zusammenhang schreibt der Patentrechtsvertrag den nationalen Ämtern auch in Bezug auf Artikel 8 PLT vor, den betroffenen Personen mitzuteilen, sollten ihre Eingaben den im Abkommen geregelten formellen Anforderungen nicht genügen (siehe auch Ziff. 2.2.3.5). Zugleich ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Erfüllung der Voraussetzungen zu geben (Art. 8 Abs. 7 PLT). Zu beachten ist, dass nur derjenige Anmelder oder Patentinhaber oder diejenige Person benachrichtigt werden muss, welche die Mitteilung verfasst hat (Erläuterungen, N. 8.17). Regel 11 Absatz 1 PLT bestimmt die diesbezüglichen Fristen, Artikel 8 Absatz 8 PLT die Säumnisfolgen.

Die Umsetzung dieser Vorschriften erfordern geringfügige Anpassungen der Patentverordnung. Sie werden aber in erster Linie bei einer künftigen Einführung der elektronischen Patentanmeldung und Kommunikation von Bedeutung sein.

2.2.3.5

Benachrichtigungen (Art. 9 PLT)

Verschiedentlich ist vorstehend bereits auf die Pflicht der Vertragsparteien hingewiesen worden, die betroffenen Personen im Falle der Missachtung eines nach diesem Vertrag zulässigen Formerfordernisses zu benachrichtigen. Artikel 9 PLT enthält gemeinsame Vorschriften für derartige Benachrichtigungen. Eine Reihe von Modalitäten bleibt den Vertragsparteien überlassen. So bestimmt der Vertrag weder die Mittel der Benachrichtigung (z.B. eingeschriebener oder gewöhnlicher Postversand, Publikation in einem Amtsblatt) noch den Zeitpunkt, von dem an die mit der Benachrichtigung beginnenden Fristen zu laufen beginnen (z.B. Datum des Versands oder des Zugangs; Erläuterungen, N. 9.01).

Artikel 9 Absatz 1 PLT hält fest, dass eine Benachrichtigung an die Korrespondenzadresse oder an das nach Artikel 8 Absatz 6 zu bestimmende Domizil hinreichend ist. Fehlen diese Angaben, ist es den Vertragsparteien freigestellt, der Benachrichti100

gung an eine andere Zuschrift, die von der betroffenen Person angegeben wurde (z.B. Angaben nach Art. 5 Abs. 1 Bst. a Ziff. ii und Art. 5 Abs. 1 Bst. c PLT), die gleiche Rechtswirkung zu geben. Aufgrund der Wahlfreiheit hinsichtlich der Mittel der Publikation (Erläuterungen, N. 9.01) ist allerdings davon auszugehen, dass die Publikation in einem Amtsblatt nicht bloss als Ersatz einer Benachrichtigung an die Korrespondenzadresse oder das gewählte Domizil vorgesehen werden kann. Umgekehrt besteht keine Verpflichtung, dem Anmelder, dem Patentinhaber oder einer anderen betroffenen Person eine Benachrichtigung zu schicken, wenn dem Amt keine Angabe geliefert wurde, die es erlaubt, diese Personen zu erreichen (Art. 9 Abs. 2 PLT).

Unterlässt es das Amt, den Anmelder, den Patentinhaber oder eine andere interessierte Person zu benachrichtigen, dass gewisse Bedingungen des Vertrags oder seiner Ausführungsordnung nicht eingehalten sind, so befreit dies die betreffenden Personen nicht von der Verpflichtung, diese Bedingungen zu erfüllen. Vorbehalten bleibt Artikel 10 Absatz 1 PLT. Die Fristen zur nachträglichen Erfüllung der Bedingungen berechnen sich allerdings in aller Regel vom Zeitpunkt der Benachrichtigung der betroffenen Person und beginnen vorher nicht zu laufen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen eine Benachrichtigung unterblieben ist, weil dem Amt keine genügenden Angaben gemacht wurden, die es erlauben würden, die betreffenden Personen zu erreichen (Regel 2 Abs. 2, Regel 6 Abs. 2, Regel 7 Abs. 6, Regel 11 Abs. 2 und Regel 15 Abs. 7 Bst. b Ziff. ii PLT). Unabhängig von einer Benachrichtigung nach Artikel 5 Absatz 5 PLT läuft auch die Frist, um einen im Zeitpunkt der Anmeldung fehlenden Teil der Beschreibung oder eine Zeichnung einzureichen (siehe Regel 2 Abs. 2 PLT; Erläuterungen, N. 9.04), da das Amt nicht verpflichtet ist, das Fehlen der genannten Bestandteile der Anmeldung festzustellen.

2.2.3.6

Gültigkeit und Widerruf eines Patents (Art. 10 PLT)

Artikel 10 PLT beinhaltet verschiedene Grundsätze, die in zweifacher Hinsicht über den eigentlichen Anwendungsbereich des Vertrages (siehe Ziff. 2.2.1) hinausgehen: Erstens beschlagen sie nicht nur Verfahren vor der mit der Erteilung und Registrierung von Patenten befassten Behörde, sondern auch gerichtliche Verfahren. Zweitens sind diese Grundsätze eher dem materiellen Recht als den Formalitäten des Patentrechts zuzuordnen. Dies gilt insbesondere für Artikel 10 Absatz 1 PLT, der bestimmt, dass die Nichtbeachtung eines oder mehrerer Formerfordernisse des Artikels 6 Absätze 1, 2, 4 und 5 sowie des Artikels 8 Absätze 1­4 PLT keinen Grund für einen vollständigen oder teilweisen Widerruf oder eine Nichtigerklärung des Patentes bildet, es sei denn, die Nichtbeachtung des Formerfordernisses geschehe in betrügerischer Absicht. Dieser Vorschrift sind alle Behörden einer Vertragspartei unterworfen, namentlich auch deren Gerichte (Erläuterungen, N. 10.01). Für die Anwendung dieser Vorschrift ist es unerheblich, ob die Formerfordernisse nicht beachtet wurden, weil das Amt eine Benachrichtigung unterlassen hat oder weil einer solchen keine Folge geleistet wurde. Das Verbot der Zurücknahme eines Patents ist allerdings in sachlicher Hinsicht auf diejenigen Formerfordernisse beschränkt, die sich in den abschliessend genannten Bestimmungen des Patentrechtsvertrags finden. Es geht dabei um Formerfordernisse, die in Bezug auf eine Anmeldung nicht erfüllt werden. Den Vertragsparteien steht es folglich frei, als Folge der Missachtung anderer als der genannten Formalitäten den Widerruf oder die Nichtigkeit des Patents vorzusehen (Erläuterungen, N. 10.02). Gleiches gilt für 101

die Nichtbeachtung von Formerfordernissen, die in Bezug auf erteilte Patente bestehen (Erläuterungen, N. 10.04), sowie hinsichtlich der Missachtung von materiellrechtlichen Vorschriften (Erläuterungen, N. 10.03).

Artikel 10 Absatz 2 PLT schreibt den Vertragsparteien weiter vor, dass den betroffenen Personen die Möglichkeit zu geben ist, Bemerkungen vorzubringen und Änderungen oder Berichtigungen anzubringen, wenn der Widerruf oder die Nichtigerklärung eines Patents ins Auge gefasst wird. Änderungen oder Berichtigungen müssen allerdings nach dem anwendbaren Recht gestattet sein. Es besteht somit keine Verpflichtung der Vertragsparteien, Änderungen oder Berichtigungen in jedem Fall zuzulassen (Erläuterungen, N. 10.06). Jede Vertragspartei bestimmt sodann selbst, ob Bemerkungen schriftlich oder mündlich vorzubringen sind. Artikel 10 Absatz 2 PLT findet auf alle Verfahren Anwendung, die den Widerruf oder die Nichtigerklärung eines Patents zum Gegenstand haben. Dabei kann es sich um ein Verfahren vor dem Amt oder vor einem Gericht handeln. Unerheblich ist auch der Rechtsgrund für den Widerruf oder die Nichtigerklärung. Artikel 10 Absatz 2 PLT ist somit auch in Verfahren zu beachten, in denen ein Widerruf bzw. die Nichtigerklärung wegen Missachtung materieller Vorschriften in Frage steht (Erläuterungen, N. 10.07).

Eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, besondere Verfahren für den Widerruf vorzusehen, besteht nicht (Art. 10 Abs. 3 PLT).

2.2.3.7

Fristerstreckung, Fortsetzung des Verfahrens, Wiederherstellung (Art. 11 und 12 sowie Regel 12 und 13 PLT)

Der Patentrechtsvertrag schreibt den Vertragsparteien in den Artikeln 11 und 12 vor, in einem Mindestumfang Rechtsbehelfe zur Behebung der Folgen eines Fristversäumnisses vorzusehen. Auf diese Weise sollen Anmelder und Patentinhaber vermehrt vor einem ungewollten Rechtsverlust geschützt werden, der dann eintreten kann, wenn diese (oder ihre Vertreter) die Frist für eine Handlung versäumen, die notwendig ist, um ein Patent zu erlangen oder aufrecht zu erhalten.

Artikel 11 PLT verlangt, dass eine Möglichkeit zur Korrektur gegeben sein muss, wenn eine vom Amt angesetzte Frist nicht eingehalten wird. Der Patentrechtsvertrag lässt den Vertragsparteien die Wahl zwischen zwei Arten von Korrekturmöglichkeiten, die einander als gleichwertig zur Seite gestellt werden: Entweder ist eine Verlängerung der Frist zu ermöglichen, die im Unterschied zur (fakultativen) Fristerstreckung nach Artikel 11 Absatz 1 Ziffer i PLT nach Ablauf der ursprünglichen Frist beantragt werden kann (Art. 11 Abs. 1 Ziff. ii PLT). Oder es ist die Fortsetzung des Verfahrens nach dem Vorbild der Weiterbehandlung nach Artikel 46a PatG vorzusehen (Art. 11 Abs. 2 PLT).

Weder die Fristverlängerung nach Artikel 11 Absatz 1 Ziffer ii PLT noch die Fortsetzung des Verfahrens dürfen an den Nachweis gehöriger Sorgfalt oder fehlender Absicht geknüpft werden. Vom Säumigen darf nur verlangt werden, dass er ein Gesuch entsprechend den Anforderungen von Artikel 11 Absätze 1 und 2 sowie der Regel 12 PLT stellt sowie gegebenenfalls eine Gebühr bezahlt (siehe Art. 11 Abs. 5 PLT; Erläuterungen, N. 11.01). In Bezug auf die Fortsetzung des Verfahrens ist hervorzuheben, dass das nationale Recht verlangen darf, dass die versäumte Hand-

102

lung innerhalb der Frist für das Gesuch nachgeholt wird. Einzelheiten zu beiden Behelfen finden sich in Regel 12 PLT.

Sowohl die Fristverlängerung als auch die Fortsetzung des Verfahrens müssen lediglich hinsichtlich solcher Fristen gewährt werden, die von einem Amt im Rahmen eines Verfahrens angesetzt werden. Keine entsprechende Verpflichtung besteht in Bezug auf gesetzliche Fristen oder Fristen, die von einem Gericht angesetzt werden (Erläuterungen, N. 11.02). Regel 12 Absatz 5 PLT enthält darüber hinaus einen Katalog von Fristen, in Bezug auf welche die Vertragsparteien keine Fristerstreckung bzw. Fortsetzung des Verfahrens gewähren müssen. Hervorzuheben ist, dass Fristen zur Zahlung von Jahresgebühren in diesem Ausnahmekatalog figurieren.

Artikel 11 Absatz 6 PLT sichert den säumigen Personen minimale Verfahrensrechte: Ein Gesuch um Fristverlängerung oder Fortsetzung des Verfahrens darf nicht verweigert werden, ohne dass dem Anmelder oder Patentinhaber die Möglichkeit eingeräumt wird, binnen nützlicher Frist Bemerkungen zur beabsichtigten Verweigerung anzubringen.

Artikel 12 PLT stellt der Fristverlängerung bzw. der Fortsetzung des Verfahrens die Möglichkeit der Wiederherstellung von Rechten (Wiedereinsetzung in den früheren Stand) zur Seite. Im Unterschied zur Fortsetzung des Verfahrens ist die Gewährung der Wiederherstellung allerdings an den Nachweis gebunden, dass die Frist trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt oder ­ alternativ ­ unabsichtlich versäumt wurde (Art. 12 Abs. 1 Ziff. iv PLT). Darüber hinaus findet dieser Behelf auch auf gesetzliche Fristen Anwendung (Erläuterungen, N. 13.01). Was die Voraussetzungen der Wiederherstellung anbelangt, sei auf Artikel 13 Absatz 1 und Regel 13 Absätze 1 und 2 PLT verwiesen. Regel 13 Absatz 3 PLT nimmt bestimmte Fristen von der Wiederherstellung aus. Keine Harmonisierung erfahren etwaige Mitbenutzungsrechte Dritter, welche die Erfindung in der Zeit zwischen dem Verlust der Rechte und der Gewährung der Wiederherstellung in gutem Glauben benutzt haben (Erläuterungen, N. 12.10).

Zusammen mit Artikel 12 PLT ist auch Artikel 13 Absatz 2 PLT zu behandeln, der den Vertragsparteien die Wiederherstellung des Prioritätsrechts nach Artikel 4 PVÜ zur Verpflichtung macht (Art. 13 Abs. 2 PLT). Die Voraussetzungen entsprechen
denjenigen der Wiederherstellung nach Artikel 12 Absatz 1 PLT.

Auch in Bezug auf die Wiederherstellung legt der Patentrechtsvertrag minimale Verfahrensrechte fest: Ein Gesuch um Wiederherstellung darf nicht verweigert werden, ohne dass dem Anmelder oder Patentinhaber die Möglichkeit eingeräumt wird, binnen nützlicher Frist Bemerkungen zur beabsichtigten Verweigerung anzubringen (Art. 12 Abs. 5 und Art. 13 Abs. 6 PLT).

Das schweizerische Recht entspricht schon heute weitestgehend den Anforderungen des Patentrechtsvertrags. Der Anwendungsbereich der Weiterbehandlung nach Artikel 46a PatG ist im schweizerischen Recht sogar wesentlich weiter als derjenige der Fortsetzung des Verfahrens: Sie kann nicht nur beim Versäumnis einer vom Amt bestimmten Frist, sondern auch beim Verpassen einer gesetzlichen Frist beantragt werden. Anpassungen sind lediglich in Bezug auf den Beginn der Frist für einen Antrag auf Weiterbehandlung und in Bezug auf die Gelegenheit zur Stellungnahme erforderlich (siehe Ziff. 2.2.5.2). Artikel 47 PatG betreffend die Wiedereinsetzung

103

kann unverändert belassen werden. Nach schweizerischem Recht ist auch die Wiedereinsetzung in die Prioritätsfrist bereits verwirklicht. Artikel 12 Absatz 5 PLT wird in der Patentverordnung Rechnung getragen werden.

2.2.3.8

Berichtigung oder Ergänzung eines Prioritätsanspruchs; Wiederherstellung des Prioritätsrechts (Art. 13 und Regel 14 PLT)

Artikel 13 Absatz 1 PLT, welcher der Regel 26bis 1 PCT nachempfunden ist, erlaubt dem Anmelder, einen Prioritätsanspruch (eine Prioritätserklärung) zu berichtigen oder zu ergänzen. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung oder einen Nachtrag eines Prioritätsanspruchs ergeben sich aus Artikel 13 Absatz 1 in Verbindung mit Regel 14 Absätze 2 und 3 PLT. Hervorzuheben ist, dass das Anmeldedatum der späteren Anmeldung nicht nach dem Zeitpunkt des Ablaufs der Prioritätsfrist gemäss PVÜ liegen darf, wobei sich deren Ablauf vom Zeitpunkt der Einreichung der ältesten Anmeldung berechnet, deren Priorität beansprucht wird (Art. 13 Abs. 1 Ziff. iii PLT). Liegt das Anmeldedatum der späteren Anmeldung nach dem Zeitpunkt des Ablaufs der Prioritätsfrist, so kommt nur noch eine Wiederherstellung des Prioritätsrechts nach Artikel 13 Absatz 2 PLT (siehe Ziff. 2.2.3.7) in Betracht.

Artikel 13 Absatz 3 PLT gibt dem Anmelder für diejenigen Fälle ein Hilfsmittel in die Hand, in denen ein Prioritätsrecht verloren geht, weil das Amt, bei dem die frühere Anmeldung eingereicht wurde, nicht rechtzeitig eine als Prioritätsbeleg benötigte Kopie dieser Anmeldung abgegeben hat, so dass der Anmelder die nach Artikel 6 Absatz 5 PLT anwendbaren Fristen nicht eingehalten konnte, obschon er frühzeitig die Anfertigung einer Kopie veranlasst hat. Was die Voraussetzungen für die Wiederherstellung des Prioritätsrechts anbelangt, kann auf den Wortlaut von Artikel 13 Absatz 3 und Regel 14 Absätze 6 und 7 PLT verwiesen werden. Eine besondere Regelung der Wiederherstellung des Prioritätsrechts drängte sich deshalb auf, weil die Frist zur Einreichung des Prioritätsbelegs regelmässig in der nationalen Gesetzgebung oder in regionalen Übereinkommen festgelegt und nicht vom Amt angesetzt wird, weshalb die Vertragsparteien nicht verpflichtet wären, dem Anmelder in diesen Fällen eine Fristerstreckung oder die Weiterbehandlung nach Artikel 11 PLT zu gewähren.

Die Berichtigung und Ergänzung eines Prioritätsanspruchs sowie die Wiederherstellung des Prioritätsrechts nach Artikel 13 Absatz 3 PLT erfordern eine Anpassung der Patentverordnung (Art. 39 ff. PatV). Demgegenüber ist die Wiederherstellung des Prioritätsrechts nach Artikel 13 Absatz 2 PLT in Artikel 47 PatG bereits verwirklicht (siehe Ziff. 2.2.3.7).

Wie schon im Zusammenhang mit den Artikeln
11 und 12 PLT finden sich in Artikel 13 Absatz 6 PLT minimale Verfahrensrechte: Ein Gesuch um Berichtigung oder Ergänzung eines Prioritätsanspruchs oder um Wiederherstellung des Prioritätsrechts darf nicht verweigert werden, ohne dass dem Anmelder oder Patentinhaber die Möglichkeit eingeräumt wird, binnen nützlicher Frist Bemerkungen zur beabsichtigten Verweigerung anzubringen.

104

2.2.3.9

Änderungen und Eintragungen im Patentregister (Regeln 15­17 PLT)

Der Patentrechtsvertrag behandelt in den Ausführungsvorschriften auch die folgenden Änderungen oder Eintragungen im Patentregister: ­

die Eintragung einer Namens- oder Adressänderung (Regel 15 PLT),

­

die Eintragung einer Änderung in der Person des Anmelders oder Patentinhabers (Regel 16 PLT),

­

die Eintragung eines Lizenzvertrages (Regel 17 PLT) und

­

die Berichtigung von Irrtümern (Regel 18 PLT).

Regel 15 PLT standardisiert die Verfahren im Zusammenhang mit dem Begehren um Eintragung einer Namensänderung oder eines Adresswechsels des Anmelders oder Patentinhabers, soweit es sich nicht um eine Änderung in der Person des Anmelders oder Patentinhabers handelt. Zu denken ist etwa an einen Namenswechsels aufgrund einer Heirat des Patentinhabers oder eine Adressänderung der Firma, die eine Erfindung zum Patent angemeldet hat. Änderungen in der Person des Anmelders oder Patentinhabers werden in Regel 16 PLT behandelt. Regel 15 PLT legt abschliessend die Anforderungen an ein Begehren um Eintragung einer Namensänderung oder eines Adresswechsels fest (Regel 15 Abs. 5 PLT). Als Sanktion für den Fall, dass eine oder mehrere Erfordernisse nicht fristgerecht erfüllt werden, kann eine Vertragspartei die Verweigerung des Gesuchs vorsehen. Es dürfen keine strengeren Sanktionen zur Anwendung kommen (Regel 15 Abs. 7 PLT). Nach Absatz 8 finden diese Vorschriften auch bei einer Namensänderung oder einem Adresswechsels des Vertreters oder bei einer Änderung der Korrespondenzadresse bzw. des gewählten Domizils Anwendung. Die Bestellung eines neuen Vertreters wird keinen einheitlichen Vorschriften unterstellt. Es ist vielmehr Sache der Vertragsparteien, in dieser Frage eine Regelung zu treffen (Erläuterungen, N. 7.01).

Regel 16 PLT vereinheitlicht die Anforderungen an ein Gesuch um Eintragung eines Wechsels in der Person des Anmelders und des Patentinhabers insbesondere im Zusammenhang mit einer Übertragung der Anmeldung oder des Patents. Dabei wird danach unterschieden, ob der Wechsel in der Person des Anmelders oder des Patentinhabers auf einen Vertrag (Regel 16 Abs. 2 Bst. a PLT), eine Unternehmensumstrukturierung (Regel 16 Abs. 2 Bst. b PLT) oder einen anderen Rechtsgrund (Regel 16 Abs. 2 Bst. c PLT) zurückzuführen ist. Ist an einer Anmeldung oder an einem Patent eine Mehrheit von Personen berechtigt und bezieht sich die Änderung auf einen oder mehrere, aber nicht auf alle Berechtigten, so kann eine Vertragspartei verlangen, dass dem Amt gegenüber nachgewiesen wird, dass jeder der Berechtigten mit der Änderung einverstanden ist (Regel 16 Abs. 2 Bst. d PLT). Regel 16 Absatz 5 PLT bestimmt weiter, dass ein einziges Gesuch genügt, selbst wenn die Änderung mehrere Anmeldungen und/oder Patente der gleichen Person
betrifft, sofern die Änderung für alle diese Anmeldungen oder Patente dieselbe ist und deren Nummern im Gesuch aufgeführt sind. Eine Vertragspartei kann allerdings verlangen, dass für jede Anmeldung und für jedes Patent eine Kopie des Gesuchs eingereicht wird. Die Vertragsparteien dürfen keine weiteren Anforderungen an ein Gesuch um Eintragung eines Wechsels in der Person des Anmelders und des Patentinhabers stellen (Regel 16 Abs. 7 PLT). Es ist ihnen auch nicht gestattet, strengere Sanktionen als die Zurückweisung des Gesuchs vorzusehen (Regel 16 Abs. 8 i.V.m. Regel 15 Abs. 7 105

PLT). Da aber der Patentrechtsvertrag die materiellen Voraussetzungen für eine rechtsgültige Übertragung nicht vereinheitlicht (Art. 2 Abs. 2 PLT), bleibt es den Vertragsparteien überlassen, den Rechtsübergang an weitere Bedingungen zu knüpfen, was namentlich im Erbschaftsfall oder bei einer Zwangsverwertung im Rahmen eines Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahrens denkbar ist (Erläuterungen, N. R16.17).

Regel 17 PLT enthält harmonisierte Bestimmungen betreffend die Eintragung von Lizenzverträgen und (aufgrund des Verweises in Abs. 8) von Sicherheiten an Anmeldungen und Patenten. Ob und gegebenenfalls welche Lizenzverträge oder Sicherheiten im Patentregister eingetragen werden können, bestimmt sich nach dem jeweils anwendbaren Recht und bleibt folglich der Regelung durch die Vertragsparteien überlassen (Erläuterungen, N. R17.01 und R17.11). Soweit allerdings entsprechende Registereinträge möglich sind, richtet sich die Behandlung von Gesuchen um Eintragung von Lizenzverträgen und Sicherheiten nach den Vorschriften der Regel 17 PLT. Zu erwähnen ist in dieser Hinsicht, dass Regel 17 Absatz 2 PLT die Anforderungen an den Nachweis der Rechtsgrundlage einer Lizenz vereinheitlicht.

Der Hervorhebung verdient, dass dem Gesuchsteller für den Nachweis einer frei abgeschlossenen Vereinbarung die Wahl zu geben ist, dem Gesuch entweder eine Kopie der Vereinbarung beizulegen oder bloss einen Auszug derselben, der die Teile der Vereinbarung hinsichtlich der abgetretenen Rechte und der Tragweite dieser Rechte enthält (Regel 17 Abs. 2 Bst. a PLT).

Die Regeln 15­17 erfordern Anpassungen der Artikel 105 und 106 PatV.

Regel 18 PLT enthält in Bezug auf die Berichtigung von Irrtümern im Register und in Veröffentlichungen des Amtes vereinheitlichte Bestimmungen zu den formellen Anforderungen und dem Verfahren. Die Vertragsparteien können aber bestimmen, unter welchen materiellen Voraussetzungen die Korrektur eines Irrtums zuzulassen ist. Das anwendbare Recht kann beispielsweise festlegen, mit welcher Bestimmtheit andere Inhalte als die beantragte Korrektur auszuschliessen sind (Erläuterungen, N. R18.01). Weiter bestimmt sich nach dem anwendbaren Recht, welche Irrtümer berichtigt werden können (Erläuterungen, N. R18.02). Vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung bleiben Korrekturen in der Anmeldung, insbesondere Änderungen
der Ansprüche, der Beschreibung und der Zeichnungen, ausgeklammert, die aufgrund eines Prüfungsberichts oder im Laufe der Prüfung der Anmeldung erfolgen (Erläuterungen, N. R18.01).

2.2.4

Vertrags- und verwaltungstechnische Bestimmungen

Eine Reihe administrativer Bestimmungen (Art. 14­26 sowie Regeln 20 und 21 PLT) behandeln vertrags- und verwaltungstechnische Fragen. Die wichtigsten Bestimmungen werden im Folgenden erläutert.

Art. 15 PLT

Verhältnis zur PVÜ

Artikel 15 Absatz 1 PLT verpflichtet die Vertragsparteien zur Einhaltung der Vorschriften der PVÜ betreffend Patente. Es sind dies die Artikel 2­5quater sowie die Artikel 11 und 12 PVÜ.

106

Artikel 15 Absatz 2 PLT hält sodann fest, dass der Patentrechtsvertrag und seine Ausführungsordnung sowohl die bestehenden Verpflichtungen der Vertragsparteien als auch die Rechte der Anmelder und Patentinhaber aus der PVÜ unberührt lassen.

Art. 16 PLT

Wirkung der Revisionen und Änderungen des PCT

Mit Blick auf die Anbindung des Patentrechtsvertrags an den PCT in Bezug auf Form- und Inhaltsvorschriften für Anmeldungen (siehe Ziff. 2.2.3.2) ist Artikel 16 PLT von besonderer Tragweite: Diese Vorschrift regelt nämlich die Wirkung der Revisionen und Änderungen des PCT bzw. seiner Ausführungsvorschriften für den Patentrechtsvertrag.

Als Prinzip gilt, dass Revisionen und Änderungen des PCT, seiner Ausführungsoder Verwaltungsvorschriften, die nach dem 2. Juni 2000 verabschiedet werden und mit den Bestimmungen des Patentrechtsvertrags vereinbar sind, auf den Patentrechtsvertrag Anwendung finden, wenn die Versammlung der PLT-Vertragsparteien diesen mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen zustimmt (Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 Ziff. v PLT). Die Versammlung der PLTVertragsparteien wird bei dieser Gelegenheit auch über die Möglichkeit von Vorbehalten befinden, die den Vertragsparteien unter dem PCT eingeräumt werden (siehe Ziff. 2 der gemeinsamen Erklärungen betreffend Art. 1 Ziff. xvii, Art. 16 und Art. 17 Abs. 2 Ziff. v PLT). Grundsätzlich haben aber Vorbehalte unter dem PCT im Patentrechtsvertrag keine Geltung (Art. 16 Abs. 2 PLT). Um einen unverhältnismässigen administrativen und finanziellen Aufwand zu vermeiden, sollen künftig die Versammlung der PCT-Vertragsstaaten und der PLT-Vertragsparteien soweit erforderlich zusammen durchgeführt werden (siehe Ziff. 2 der gemeinsamen Erklärungen betreffend Art. 1 Ziff. xvii, Art. 16 und Art. 17 Abs. 2 Ziff. v PLT).

Art. 17 PLT

Versammlung der Vertragsparteien

Artikel 17 regelt die Zusammensetzung, die Aufgaben, das Quorum, die Beschlussfassung, die Mehrheiten sowie die Sitzungen der Versammlung der Vertragsparteien des Patentrechtsvertrags. Beschlüsse der Versammlung werden grundsätzlich mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gefällt. Vorbehalten bleiben Artikel 14 Absätze 2 und 3 (Änderung der Ausführungsordnung), Artikel 16 Absatz 1 (Übernahme der Revisionen und Änderungen des PCT) und Artikel 19 Absatz 3 PLT (Revision bestimmter Artikel des Patentrechtsvertrags). Hervorzuheben ist, dass jede Vertragspartei, die eine zwischenstaatliche Organisation ist, an Stelle ihrer Mitgliedstaaten mit derjenigen Anzahl Stimmen an der Abstimmung teilnehmen kann, die der Zahl ihrer Mitgliederstaaten entspricht, die Parteien des Vertrags sind. Sobald aber ein Mitgliedstaat sein Stimmrecht ausübt, nimmt die zwischenstaatliche Organisation nicht mehr an der Abstimmung teil. Sie nimmt auch dann nicht an der Abstimmung teil, wenn einer ihrer Mitgliedstaaten Mitglied einer anderen zwischenstaatlichen Organisation ist, und diese letztere an der Abstimmung teilnimmt. Sollten die Europäischen Gemeinschaften dem Patentrechtsvertrag beitreten und in einer Abstimmung an Stelle ihrer Mitgliedstaaten das Stimmrecht ausüben, so könnte die EPO nicht mehr anstelle ihrer Mitgliedstaaten abstimmen.

Diejenigen Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation, die nicht zugleich Mitglied der Europäischen Gemeinschaften wären, könnten ihr Stimmrecht aber selbständig ausüben.

107

Art. 21 und 24 PLT

Inkrafttreten und Kündigung

Der Patentrechtsvertrag tritt drei Monate nach der Hinterlegung von zehn Ratifizierungs- oder Beitrittsurkunden von Staaten beim Generaldirektor in Kraft (Art. 21 Abs. 1 PLT). Die ersten zehn Staaten, die eine Ratifizierungs- oder Beitrittsurkunden hinterlegt haben, sind ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Patentrechtsvertrags an diesen gebunden (Art. 21 Abs. 2 Ziff. i PLT). Für die anderen Staaten wird der Patentrechtsvertrag drei Monate nach dem Zeitpunkt wirksam, in dem der Staat seine Ratifizierungs- oder Beitrittsurkunde beim Generaldirektor hinterlegt hat, oder ab einem späteren, in dieser Urkunde angegebenen Zeitpunkt, aber nicht später als sechs Monate nach dem Zeitpunkt dieser Hinterlegung (Art. 21 Abs. 2 Ziff. ii PLT).

In Bezug auf den Beitritt internationaler Organisationen sieht der Patentrechtsvertrag eine entsprechende Regelung vor (Art. 21 Abs. 2 Ziff. iii und iv PLT). Die EPO, die Eurasische Patentorganisation und die regionale afrikanische Organisation für gewerbliches Eigentum können allerdings bereits vor Inkrafttreten des Patentrechtsvertrags eine Ratifizierungs- oder Beitrittsurkunde hinterlegen. In diesem Fall sind die betreffenden Organisationen drei Monate nach dem Inkrafttreten des Patentrechtsvertrags an diesen gebunden (Art. 21 Abs. 2 Ziff. iii PLT).

Jede Vertragspartei kann den Patentrechtsvertrag durch Notifikation an den Generaldirektor kündigen (Art. 24 Abs. 1 PLT). Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Zeitpunkt, in dem der Generaldirektor die Notifikation erhalten hat, oder zu einem späteren, in der Notifikation angegebenen Zeitpunkt wirksam. Sie hat im Zeitpunkt, in dem die Kündigung wirksam wird, keinerlei Auswirkungen auf die Anwendung des Patentrechtsvertrags auf die hängigen Gesuche oder auf die rechtskräftigen Patente (Art. 24 Abs. 2 PLT).

Art. 22 PLT

Anwendung des Vertrags auf hängige Anmeldungen und in Kraft stehende Patente

Artikel 22 PLT stellt zunächst sicher, dass der Patentrechtsvertrag keine Rückwirkung hinsichtlich solcher Sachumstände entfaltet, die sich vor dem Zeitpunkt ereignet haben, von dem an der Patentrechtsvertrag die betreffende Vertragspartei bindet.

Weiter will diese Bestimmung vermeiden, dass eine Vertragspartei unterschiedliche Vorschriften anzuwenden hat, je nachdem, ob Anmeldungen und Patente betroffen sind, die im Moment der Bindung der Vertragspartei an den Patentrechtsvertrag hängig sind bzw. in Kraft stehen, oder solche, die nach diesem Zeitpunkt eingereicht bzw. erteilt werden (Erläuterungen, N. 22.01).

Als Grundsatz hält Artikel 22 Absatz 1 PLT fest, dass die Bestimmungen des Patentrechtsvertrags und seiner Ausführungsordnung von einer Vertragspartei auf hängige Anmeldungen und in Kraft stehende Patente von dem Zeitpunkt an anzuwenden sind, in dem die betreffende Vertragspartei nach Artikel 21 PLT gebunden wird. Da aber die Vorschriften des Artikels 6 Absätze 1, 2, 4 und 5 sowie des Artikels 8 Absätze 1 und 4 PLT auf Patente, die im Zeitpunkt der Bindung der Vertragspartei durch den Patentrechtsvertrag in Kraft stehen, nicht anwendbar waren, besteht auch keine Verpflichtung der Vertragsparteien, Artikel 10 Absatz 1 PLT auf solche Patente anzuwenden (Erläuterungen, N. 22.02).

Um eine Rückwirkung des Patentrechtsvertrags auszuschliessen, nimmt Artikel 22 Absatz 1 PLT die Anwendung von Artikel 5 PLT betreffend das Anmeldedatum (siehe Ziff. 2.2.3.1), Artikel 6 Absätze 1 und 2 PLT betreffend die Form, den Inhalt und die Darstellung einer Anmeldung (siehe Ziff. 2.2.3.2) sowie die dazugehörigen 108

Regeln auf hängige Anmeldungen und in Kraft stehende Patente aus. Sodann bestimmt Artikel 22 Absatz 2 PLT, dass keine Verpflichtung besteht, die Vorschriften des Patentrechtsvertrags und seiner Ausführungsvorschriften auf Gesuche betreffend hängige Anmeldungen und in Kraft stehende Patente anzuwenden, soweit diese Begehren vor dem Zeitpunkt der Bindung der jeweiligen Vertragspartei (Art. 21 PLT) gestellt wurden.

Art. 23 PLT

Vorbehalte

Der Patentrechtsvertrag erlaubt den Vertragsparteien, nur einen Vorbehalt anzubringen: Nach Artikel 23 PLT kann jede Vertragspartei mittels eines Vorbehalts erklären, dass sie die Anwendung der Bestimmungen von Artikel 6 Absatz 1 PLT auf das Erfordernis der Einheit der anwendbaren Erfindung gemäss PCT ausschliesst. Da Artikel 23 PLT abschliessend ist (siehe Art. 23 Abs. 4 PLT und Erläuterungen, N. 23.01), erscheint fraglich, inwieweit die Ausschlussmöglichkeit nach Regel 18 Absatz 7 PLT Bestand hat.

2.2.5

Änderung des Patentgesetzes zur Ratifizierung des Patentrechtsvertrags

2.2.5.1

Die beantragte Neuregelung

Die Ratifizierung erfordert die Anpassung von wenigen Gesetzesvorschriften, nämlich von Artikel 13 Absatz 1 PatG betreffend die Vertretung, von Artikel 46a PatG betreffend die Weiterbehandlung, von Artikel 56 PatG betreffend das Anmeldedatum sowie von Artikel 57 Absatz 2 und Artikel 58 PatG, welche die Änderung technischer Unterlagen regeln. Es wird aber eine erhebliche Überarbeitung der Patentverordnung erforderlich sein, die indessen in erster Linie die internen Verfahrensabläufe betrifft.

Im Vernehmlassungsverfahren gingen nur wenige Stellungnahmen zu den vorgeschlagenen Änderungen ein. Ihnen wurde bei der Überarbeitung weitestgehend Rechnung getragen.

2.2.5.2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 13 Abs. 1 E-PatG

Vertretung

Artikel 7 Absatz 2 PLT erlaubt den Vertragsparteien, einen Vertreter zwingend vorzuschreiben. Zugleich regelt diese Bestimmung in Verbindung mit Regel 7 Absatz 1 PLT die Ausnahmen vom Vertreterzwang (siehe Ziff. 2.2.3.3). Das schweizerische Recht entspricht in dieser Hinsicht bereits dem Patentrechtsvertrag (siehe Ziff. 2.2.3.3). Dennoch soll die Praxis des IGE mit der Aufzählung in Artikel 13 Absatz 1 E-PatG in Anlehnung an den Patentrechtsvertrag verdeutlicht werden.

Es kann diesbezüglich auf den Gesetzeswortlaut und die früheren Erläuterungen (Ziff. 2.2.3.3) verwiesen werden.

109

Art. 46a Abs. 2 E-PatG

Weiterbehandlung

Die relative Frist für die Stellung eines Antrags auf Weiterbehandlung beträgt in der geltenden Fassung von Artikel 46a Absatz 2 PatG zwei Monate vom Zeitpunkt an, in welchem der Anmelder oder Patentinhaber vom Fristversäumnis Kenntnis erhält.

Für den Beginn der Frist sind die Zustellung der Mitteilung, in der das IGE den Betroffenen über das Fristversäumnis benachrichtigt, und ihr gleichgestellte Tatbestände massgebend; tatsächliche Kenntnis ist nicht erforderlich, so etwa, wenn ein eingeschriebener Brief während der dafür vorgesehenen Frist nicht abgeholt wird.

Vorbehalten bleibt die frühere Kenntnis des Anmelders oder Patentinhabers. Die Kenntnis des Vertreters des Anmelders oder Patentinhabers wird diesen zugerechnet104.

Nach Regel 12 Absatz 4 PLT beginnt die Frist von zwei Monaten für die Einreichung eines Antrags auf Fortsetzung des Verfahrens (Art. 11 Abs. 2 Ziff. ii PLT, siehe Ziff. 2.2.3.7) nach der Mitteilung des Amtes zu laufen, dass der Anmelder oder der Patentinhaber die vom Amt festgesetzte Frist nicht eingehalten hat. Die frühere Kenntnis des Anmelders oder Patentinhabers findet keine Berücksichtigung. Entsprechend wird Artikel 46a Absatz 1 PatG angepasst. Massgebend für den Beginn der relativen Frist von 2 Monaten ist demnach der Zugang der Benachrichtigung des IGE über das Fristversäumnis. Eine solche Benachrichtigung erfolgt namentlich durch die Mitteilung, dass die Anmeldung wegen eines Fristversäumnisses zurückgewiesen wird oder als zurückgenommen gilt, oder durch die Mitteilung, dass das Patent in Ermangelung einer fristgebundenen Handlung erloschen ist. Die frühere Kenntnis des Anmelders oder Patentinhabers, die in der Praxis nur bei Erkundigungen der betreffenden Personen oder ihrer Vertreter Bedeutung erlangte, löst die Antragsfrist nicht mehr aus.

Der Ausnahmekatalog in Artikel 46a Absatz 4 PatG bedarf in dieser Hinsicht keiner Anpassung (siehe aber Ziff. 2.4.3.6). Soweit es sich bei den von der Weiterbehandlung ausgenommenen Fristen nicht um gesetzliche Fristen handelt, die ohnehin nicht von Artikel 11 PLT erfasst sind, können sie aufgrund der Regel 12 Absatz 5 PLT beibehalten werden. Artikel 14 PatV muss demgegenüber in bestimmten Punkten angepasst werden.

Artikel 11 Absatz 6 PLT soll in der Patentverordnung durch eine Bestimmung Rechnung getragen werden, dass dem
Antragsteller Gelegenheit zu geben ist, innerhalb einer vom IGE anzusetzenden Frist zu einer in Aussicht genommenen Zurückweisung seines Gesuchs Stellung zu nehmen.

Art. 56 E-PatG

Anmeldedatum

Mit den vorgeschlagenen Änderungen in Artikel 56 PatG erfolgt eine Angleichung an die Erfordernisse für die Zuerkennung des Anmeldedatums nach Artikel 5 Absatz 1 PLT (siehe Ziff. 2.2.3). Diese werden nunmehr ausdrücklich aufgeführt und nicht mehr wie bis anhin durch einen Verweis bestimmt. Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass nach Artikel 46 Absatz 2 PatV das Anmeldedatum auch dann zuzuerkennen ist, wenn die geforderten Unterlagen dem Gesetz und der Verordnung nicht in jeder Beziehung entsprechen. Artikel 49 PatG, auf den 104

110

Botschaft vom 18. August 1993 zu einer Änderung des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente sowie zu einem Bundesbeschluss über eine Änderung des Übereinkommens über die Erteilung Europäischer Patente, BBl 1993 III 726.

bisher der erste Absatz von Artikel 56 PatG verwies, bedarf keiner Anpassung. Denn Artikel 5 PLT regelt nicht auch die Form und den Inhalt einer Anmeldung. Diesbezüglich gilt es Artikel 6 PLT zu beachten. Dieser erfordert keine Anpassung des Artikels 49 PatG. Artikel 57 PatG bedarf angesichts von Artikel 5 Absatz 8 Ziffer i PLT ebenfalls keiner Anpassung.

Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe a E-PatG: Die Zuerkennung eines Anmeldedatums setzt zunächst einen Antrag auf Erteilung des Patents voraus, d.h. eine Willenserklärung, dass die eingereichten Unterlagen eine Patentanmeldung begründen sollen.

Diese Willenserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Als stillschweigender Antrag auf Erteilung eines Patents nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe a E-PatG gilt indessen nicht schon die Einreichung eines Bestandteils, der dem Aussehen nach als Beschreibung angesehen werden kann (Art. 56 Abs. 1 Bst. c E-PatG). Es bedarf vielmehr einer gesonderten Erklärung, aus welcher der Wille hervorgeht, dass der Schutz für eine Erfindung beansprucht wird.

Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG: Von der nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c PLT gegebenen Wahlmöglichkeit wird vorliegend insoweit Gebrauch gemacht, als nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG in jedem Falle Angaben gefordert sind, anhand deren die Identität des Anmelders festgestellt werden kann. Die Zuordnung einer Eingabe an das IGE zu einer bestimmten Person ist eine wichtige Voraussetzung für die weitere Behandlung der Eingabe. Eine Härte ist damit nicht verbunden: Meist dürfte eine Identifizierung auch dann möglich sein, wenn Angaben vorliegen, die es dem IGE ermöglichen, mit dem Anmelder Kontakt aufzunehmen.

Artikel 56 Absatz 3 E-PatG: Die in Artikel 5 Absätze 2­7 PLT festgehaltenen Einzelheiten sollen auf Verordnungsstufe geregelt werden, wie dies mit Artikel 46 PatV schon bisher der Fall war. Artikel 56 Absatz 3 E-PatG enthält eine Delegationsnorm, die beispielhaft die Bereiche anführt, in denen der Bundesrat eine Regelung treffen soll. Im Zuge der Umsetzung von Artikel 5 und Regel 2 PLT werden die Artikel 21, 22 und 46 PatV anzupassen sein.

Art. 57 Abs. 2 und Art. 58 E-PatG

Änderung des Patentgesuchs

Artikel 5 PLT verbietet, das einmal zuerkannte Anmeldedatum nachträglich zu verändern. Aus diesem Grund kann Artikel 58 PatG nicht beibehalten werden. Hinzu kommt, dass diese Vorschrift in der Praxis zu Problemen geführt hat. So sah sich das IGE immer häufiger bereits bei Aufnahme der Prüfung mit mehrfach geänderten technischen Unterlagen konfrontiert.

Vorgeschlagen wird eine Regelung, die sich an Artikel 123 EPÜ anlehnt. Dem Anmelder ist mindestens einmal vor Abschluss des Prüfungsverfahrens Gelegenheit zu geben, die technischen Unterlagen zu ändern. Der Gegenstand der geänderten Anmeldung darf dabei nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehen. Ein entsprechender Änderungsantrag würde zurückgewiesen. Die Einzelheiten werden auf Verordnungsstufe geregelt. Als Folge der Neufassung von Artikel 58 Absatz 2 PatG ist auch Artikel 57 Absatz 2 PatG aufzuheben, der eine Verschiebung des Anmeldedatums bei Teilgesuchen vorsieht.

Verschiedentlich wurde Artikel 58 Absatz 1 E-PatG als zu restriktiv kritisiert und ein Beibehalt des bestehenden Wortlauts beantragt. Im Interesse der Harmonisierung und der Prozessökonomie sind der Änderung der technischen Unterlagen Grenzen zu setzen. Den berechtigten Interessen der Patentbewerber an einer Anpassung ihrer 111

Gesuchsunterlagen wird bei der Ausarbeitung der entsprechenden Verordnungsänderungen Rechnung getragen werden.

2.3

Umsetzung des WTO-Beschlusses zu Zwangslizenzen für den Export pharmazeutischer Produkte (Art. 40d E-PatG)

Nach Massgabe von Artikel 31 Buchstabe f des TRIPS-Abkommens muss eine Zwangslizenz vorwiegend auf die Versorgung des inländischen Marktes beschränkt werden. Das geltende schweizerische Recht gestattet folglich nicht den Export von patentgeschützten Waren, die unter einer Zwangslizenz in der Schweiz hergestellt wurden.

Der Beschluss des Generalrats der WTO vom 30. August 2003105 erlaubt nunmehr den Mitgliedstaaten der WTO, die über genügende pharmazeutische Herstellungskapazitäten verfügen, eine Zwangslizenz für die Herstellung und den Export patentgeschützter pharmazeutischer Produkte in die am wenigsten entwickelten Länder106 und in solche Länder vorzusehen, die über keine oder eine ungenügende Herstellungskapazität auf diesem Gebiet verfügen. Erst dadurch wird diesen Ländern überhaupt ermöglicht, von der Option einer Zwangslizenz effektiven Gebrauch zu machen und so zu einem für sie erschwinglichen Preis zu patentgeschützten pharmazeutischen Produkten zu kommen, falls sie diese zur Bekämpfung gravierender öffentlicher Gesundheitsprobleme wie beispielsweise von HIV/Aids oder Malaria benötigen. Diese neue Möglichkeit soll im schweizerischen Recht umgesetzt werden (siehe Ziff. 1.3).

Artikel 40d E-PatG erlaubt, dass eine Zwangslizenz für die Herstellung und den Export patentierter oder aufgrund eines patentierten Verfahrens hergestellter pharmazeutischer Produkte erteilt wird. Möglich ist der Export in ein am wenigsten entwickeltes Land oder ein Land, das keine oder bloss ungenügende eigene Herstellungskapazitäten auf dem pharmazeutischen Gebiet hat und mit Problemen der öffentlichen Gesundheit wie beispielswiese HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria oder anderen Epidemien konfrontiert ist. Der Gesetzesentwurf übernimmt hier den Wortlaut von Artikel 1 in fine der Erklärung von Doha vom 14. November 2001 zum TRIPS-Abkommen und zur öffentlichen Gesundheit107 und stimmt folglich damit überein.

Um zu verhindern, dass exportierte pharmazeutische Produkte in andere, wirtschaftlich einträglichere Märkte abgezweigt werden, darf nur die Menge des pharmazeutischen Produkts hergestellt werden, die notwendig ist, um die Bedürfnisse des begünstigten Landes zu decken. Darüber hinaus muss die Gesamtheit dieser Produktion in das begünstigte Land exportiert werden. Der Inhaber der Lizenz muss Massnahmen treffen, damit
sich die Produkte, die für den Export unter der Zwangslizenz bestimmt sind, von denjenigen des Patentinhabers unterscheiden, zudem ist auf den Produkten der Hinweis anzubringen, dass diese unter einer Zwangslizenz gemäss 105 106

Doc. WT/ L/540 vom 1. Sept. 2003 und Doc. JOB(03)/177 vom 30. Aug. 2003 Gemäss UNO-Klassifikation, vgl.: http://www.unctad.org/Templates/WebFlyer.asp?intItemID=3432&lang=2.

107 Doc. WT/Min(01)/DEC/2 du 14 novembre 2001, http://www.ige.ch/F/jurinfo/pdf/WT-MIN_01_-DEC2_Declaration%20TRIPS%20Public%20Health%20_fr.pdf.

112

Artikel 40d Absatz 1 E-PatG hergestellt worden sind. Die Einhaltung dieser Massnahmen ist zwingend und kann im Verletzungsfalle zu strafrechtlichen Sanktionen führen. Die Grundzüge dieser Massnahmen sollen im Gesetz vorgesehen werden, die Einzelheiten in der Patentverordnung.

Anwendungsbereich der Lizenz Der Anwendungsbereich einer Zwangslizenz nach Artikel 40d E-PatG umfasst alle Arzneimittel, Wirkstoffe, Diagnose-Kits und Impfstoffe, die patentiert sind oder aufgrund eines patentierten Verfahrens hergestellt werden, und die erforderlich sind, um Gesundheitsprobleme wie beispielsweise HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria oder andere Epidemien in den begünstigten Ländern zu bekämpfen. Es ist wichtig, dass bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch Impfstoffe Gegenstand einer Exportzwangslizenz sein können, da diese effizient und präventiv Pandemien bekämpfen helfen können. Deshalb ist beabsichtigt, den Beschluss vom 30. August 2003 zugunsten der begünstigten Länder auszulegen und Impfstoffe explizit in den Anwendungsbereich der Zwangslizenzierung gemäss Artikel 40d E-PatG einzubeziehen.

Begünstigte Länder Jedes Land, das die im WTO-Beschluss vom 30. August 2003 festgelegten Erteilungsvoraussetzungen erfüllt, d.h. auf dessen Territorium keine ausreichenden Herstellungskapazitäten zur Produktion von pharmazeutischen Produkten zur Verfügung stehen, die zur Bekämpfung der genannten Probleme der öffentlichen Gesundheit notwendig sind, kann sich als Importland konstituieren. Das Erfordernis der ungenügenden Herstellungskapazität muss gemäss dem WTO-Beschluss bei den Ländern, welche in der UNO-Liste der am wenigsten entwickelten Länder108 geführt werden, nicht dargetan werden. Nicht verlangt wird, dass ein Land WTO-Mitglied ist, um als begünstigtes Land in Frage zu kommen. In diesem Punkt geht der schweizerische Gesetzesentwurf weiter als der Beschluss der WTO.

Da sich das System der WTO an die am wenigsten entwickelten Länder sowie an Entwicklungsländer richten soll, haben verschiedene Industriestaaten, darunter auch die Schweiz, in der WTO erklärt, als Importland vom neuen System keinen Gebrauch zu machen. Wie im Beschluss vom 30. August 2003 festgehalten, kommen die folgenden Staaten somit als begünstigte Länder nicht in Betracht: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich,
Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich und Zypern109.

Zudem haben die folgenden Staaten in der WTO erklärt, nur im Falle eines nationalen Notstandes oder anderer Umstände absoluter Notwendigkeit das System zu beanspruchen: Besondere Verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China, Israel, Katar, Republik Korea, Kuwait, Besondere Verwaltungsregion Macao der Volksrepublik China, Mexiko, Singapur, Taiwan, Türkei und Vereinigte Arabische

108 109

http://www.unctad.org/Templates/WebFlyer.asp?intItemID=3432&lang=1 Doc. WT/ L/540 vom 1. Sept. 2003, Ziff. 3 zu Abs. 1(b) und doc. JOB(03)/177 vom 30. Aug. 2003.

113

Emirate. Sie kommen als begünstigte Länder im Sinne von Artikel 40d E-PatG nur dann in Betracht, wenn ein entsprechender Ausnahmezustand vorliegt.

Erteilungsvoraussetzungen und richterlicher Entscheid Der Antrag auf Erteilung einer Exportzwangslizenz ist beim in Patentangelegenheiten sachlich zuständigen Gericht zu stellen. Der Gesuchsteller hat dem Gericht folgende Nachweise zu erbringen, welche in der Patentverordnung auf der Grundlage des WTO-Beschlusses noch weiter präzisiert werden sollen (vgl. Art. 40d Abs. 5 E-PatG): ­

wenn das begünstigte Land Mitglied der WTO ist, dass dieses den TRIPSRat der WTO hinsichtlich seiner Bedürfnisse benachrichtigt hat; wenn das begünstigte Land nicht Mitglied der WTO ist, dass es das IGE entsprechend benachrichtigt hat;

­

wenn das begünstigte Land Mitglied der WTO ist und es sich nicht um ein am wenigsten entwickeltes Land handelt, dass dieses den TRIPS-Rat der WTO benachrichtigt und diesem dargetan hat, dass es keine oder unzureichende Herstellungskapazitäten für das (die) fragliche(n) pharmazeutische(n) Produkt(e) hat; wenn das begünstigte Land nicht Mitglied der WTO ist, dass es das IGE entsprechend benachrichtigt hat;

­

wenn das (die) fragliche(n) pharmazeutische(n) Produkt(e) im begünstigten Land patentiert sind, dass dieses eine Zwanglizenz in Übereinstimmung mit dem geltenden internationalen Recht gewährt hat oder gewähren will und den TRIPS-Rat der WTO entsprechend benachrichtigt hat; wenn das begünstigte Land nicht Mitglied der WTO ist, dass es das IGE entsprechend benachrichtigt hat.

Das zuständige Gericht soll die Gesuche um Erteilung einer Exportzwangslizenz gemäss Art. 40d entsprechend der bei der Bekämpfung von Problemen der öffentlichen Gesundheit bestehenden Dringlichkeit förderlich behandeln und einer raschen Entscheidung zuführen. Im Rahmen des Erlasses eines Bundesgesetzes über das Bundespatentgericht soll dafür ein einfaches und rasches Verfahren vorgesehen werden.

Gesuchsteller einer Lizenz Grundsätzlich kann jedermann eine Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz einreichen. Aufgrund der Systematik des schweizerischen Rechts kommen dafür allerdings nur Unternehmen in Betracht, die selbst über die Kapazitäten verfügen, die Produkte herzustellen, da nur solche die Rechte des Patentinhabers an dessen Stelle ausüben können.

Massnahmen gegen Zweckentfremdung Mit dem Ziel die Zweckentfremdung der unter Zwangslizenz hergestellten Produkte zu verhindern, sieht Artikel 40d Absätze 3 und 4 E-PatG folgende Voraussetzungen vor: Die Lizenz darf nur für die Herstellung der Menge des pharmazeutischen Produkts erteilt werden, die notwendig ist, um die Bedürfnisse des (der) begünstigten Landes (Länder) zu decken, und ist mit der Bedingung zu verbinden, dass die Gesamtheit der Produktion dorthin exportiert wird. Die unter der Exportzwangslizenz hergestellten Produkte müssen durch ihre Verpackung, Etikettierung oder durch spezifische Markierung klar als solche gekennzeichnet sein. Zudem muss der 114

Lizenzinhaber durch eine geeignete Farb- oder Formgebung dafür sorgen, dass sich seine Produkte von denjenigen unterscheiden, die vom Patentinhaber hergestellt wurden. Die Art und Weise, wie der Gesuchsteller diesen Anforderungen nachzukommen gedenkt, sind in seinem Gesuch darzulegen. Die Zollbehörden sind über diese Spezifikationen zu benachrichtigen. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen darf jedoch nicht dazu führen, dass die Kosten der unter Zwangslizenz exportierten Medikamente erheblich steigen.

Zuwiderhandlungen gegen die Massnahmen gegen Zweckentfremdung können zivilund strafrechtlich verfolgt werden. Die nicht erlaubte Wiedereinfuhr in die Schweiz gilt als unrechtmässige Nutzung der patentierten Erfindung im Sinne der Artikel 66 Buchstabe a und 81 PatG.

Mitteilung an das Institut für Geistiges Eigentum Der Richter entscheidet über die Erteilung einer Exportzwangslizenz nach Massgabe der gemeinsamen Bestimmungen von Artikel 40e E-PatG. Der Beschluss der WTO vom 30. August 2003 verlangt, dass die WTO-Mitglieder den TRIPS-Rat der WTO über erteilte Zwangslizenzen benachrichtigen und dass diese im Internet veröffentlicht werden. Beides muss im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung einer Zwangslizenz sichergestellt werden. Die Ausführungsverordnung zum E-PatG wird auf diese Notifikations- und Publikationspflichten hinweisen. Es ist vorgesehen, dass diese durch das IGE wahrgenommen werden. Zu diesem Zweck teilt der Richter gestützt auf Artikel 70a E-PatG dem IGE den Namen und die Adresse des Inhabers der Lizenz, das (die) pharmazeutische(n) Produkt(e), für das (die) eine Lizenz erteilt wurde, die festgelegten Mengen, das begünstigte Land bzw. die begünstigten Länder, die Dauer der Lizenz und die anderen Bedingungen der Erteilung mit. Wenn das begünstigte Land ein Mitglied der WTO ist, benachrichtigt das IGE den TRIPS-Rat der WTO über die Erteilung der Lizenz, einschliesslich der vorerwähnten Modalitäten. Die Benachrichtigung wird durch das Sekretariat der WTO und gegebenenfalls durch das IGE in geeigneter Weise publiziert.

Entschädigung Für den Fall, dass eine Zwangslizenz für dasselbe pharmazeutische Produkt sowohl im begünstigten Land als auch im Exportland gewährt wird, bestimmt der Beschluss des WTO-Generalrates vom 30. August 2003, dass die Verpflichtung zur Entschädigung im Importland für
diejenigen Produkte entfällt, für die bereits im Exportland eine Entschädigung entrichtet wurde.

Die angemessene Entschädigung, die der Lizenzinhaber dem Patentinhaber nach geltendem Recht zu entrichten hat, muss dem wirtschaftlichen Wert Rechnung tragen, den die aufgrund der Zwangslizenz erlaubte Nutzung des Patents im Importland hat. Dementsprechend ist vorgesehen, dass die geschuldete Gebühr gestützt auf den wirtschaftlichen Wert des Vertrags zwischen dem Lizenzinhaber und dem Importland berechnet wird, welcher mit einem Faktor multipliziert wird, der entsprechend dem Entwicklungsstand des Importlandes variiert. Dieser Entwicklungsstand kann anhand des Rangs des Importlandes auf dem Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index; HDI110) der Vereinten Nationen festgelegt werden ­ eine Lösung, welche durch die bereits in Kraft stehende kanadische

110

http://hdr.undp.org/reports/global/2004/pdf/hdr04_backmatter_2.pdf (Seite 259).

115

Umsetzung des Beschlusses inspiriert ist111 und die derzeit auch in anderen WTOMitgliedern, namentlich der Europäischen Gemeinschaft, diskutiert wird. Nach dieser Lösung wird der Faktor zur Berücksichtigung des Entwicklungsstandes des Importlandes wie folgt berechnet: 1 plus das Total aller Länder auf dem Index (177 im Jahre 2002112) minus der Platzierung des Importlandes auf dem Index. Dieser Wert wird anschliessend durch das Total der Länder auf dem Index geteilt und mit 0,04 multipliziert. Daraus ergibt sich, dass der zu zahlende Betrag sich minimal auf rund 0,02 % des wirtschaftlichen Wertes des Vertrags beläuft und auf ein theoretisches Maximum von 4 % des wirtschaftlichen Wertes des Vertrags für die wohlhabendsten Begünstigten. Der grösste Teil der Lizenznehmer für Produkte, die für Entwicklungsländer bestimmt sind, wird weniger bezahlen. Bei Ländern, welche nicht auf der Liste des HDI aufgeführt sind, mittels vergleichbarer Kennzahlen sicherzustellen, dass der zu zahlende Betrag dem Entwicklungsstand des Importlandes entspricht. Die Obergrenze muss den humanitären und nicht-kommerziellen Erwägungen entsprechen, die den Exportzwangslizenzen zugrunde liegen. Die Einzelheiten der Berechnung sind in der Verordnung zu präzisieren. Die Regelung der Berechnung gestützt auf den jährlich variierenden Index der menschlichen Entwicklung auf Gesetzesstufe wäre eine dynamische Verweisung auf einen nicht vom Parlament erlassenen Standard und würde die Autonomie des Gesetzgebers beschränken.

Weitere Voraussetzungen Gleich wie in der aktuellen Fassung des Gesetzes regelt Artikel 40e E-PatG für die nun neu in den Artikeln 36­40d E-PatG vorgesehenen Lizenzen, dass diese nur unter der Voraussetzung erteilt werden können, dass Bemühungen des Gesuchstellers um Erteilung einer vertraglichen Lizenz zu angemessenen Marktbedingungen innerhalb einer angemessenen Frist erfolglos geblieben sind. Länder mit ungenügender Herstellungskapazität für Medikamente, die zur Bekämpfung der vorstehend erwähnten Gesundheitsprobleme benötigt werden, befinden sich in einer besonderen Notsituation, die es zu berücksichtigen gilt. Eine Frist von maximal dreissig Werktagen ist deshalb bei dieser Art von Zwangslizenzen als ausreichend zu erachten. Diese Präzisierung ist im Gesetzesentwurf in Artikel 40e Absatz 1 E-PatG enthalten.
Die weiteren Voraussetzungen für die Lizenzerteilung werden in der Verordnung präzisiert (so insbesondere die Verpflichtungen gemäss Beschluss der WTO vom 30. August 2003 zur Benachrichtigung des TRIPS-Rats der WTO über erteilte Zwangslizenzen und zur Publikation dieser Informationen im Internet).

Strafrechtliche Sanktionen Die Verletzung der Lizenzbestimmungen durch deren Inhaber kann wie bereits erwähnt nicht nur zivilrechtlich verfolgt werden, sondern zieht auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne von Artikel 66 Buchstabe a PatG nach sich. Derjenige, der vorsätzlich Lizenzbedingungen verletzt, insbesondere die Verpflichtung zu Massnahmen zur Verhinderung der Zweckentfremdung seiner Produkte, kann auf Antrag des Verletzten nach Massgabe von Artikel 81 Absatz 1 PatG mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft werden.

111 112

116

http://canadagazette.gc.ca/partI/2004/20041002/html/regle9-f.html http://hdr.undp.org/reports/global/2004/pdf/hdr04_HDI.pdf

Ebenso wird die nicht erlaubte Wiedereinfuhr in die Schweiz als widerrechtliche Benutzung der patentierten Erfindung erachtet und kann gemäss den Artikeln 66 Buchstabe a und 81 PatG zivil- und strafrechtlich verfolgt werden.

Heilmittelgesetzgebung Um eine hohe Qualität der unter einer Exportzwangslizenz hergestellten Produkte zu garantieren, muss der Inhaber einer solchen Lizenz eine Herstellungsbewilligung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 HMG einholen und sicherstellen, dass die anerkannten Regeln der Guten Herstellungspraxis (Art. 7 HMG) eingehalten werden. Der Lizenzinhaber bedarf demgegenüber keiner Zulassung für das Inverkehrbringen im Inland nach Artikel 9 HMG. Wenn es sich um verwendungsfertige Arzneimittel handelt, ist eine zusätzliche Bewilligung nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b HMG beim Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zu erwirken.

2.4

Weitere Revisionspunkte

2.4.1

Parallelimporte (Art. 9a Abs. 1­3 E-PatG)

Artikel 9a Absatz 1 E-PatG schreibt in Bestätigung des Bundesgerichtsurteils in Sachen Kodak113 die nationale Erschöpfung im Patentrecht fest. In Entsprechung mit diesem Urteil gilt die nationale Erschöpfung jedoch nicht absolut. Vielmehr steht die Geltendmachung patentrechtlicher Abwehrrechte unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Beurteilung; dies nach Massgabe des am 1. April 2004 in Kraft getretenen Artikels 3 Absatz 2 Satz 2 KG.

Artikel 9a Absatz 2 E-PatG regelt den Fall eines patentierten Verfahrens, das durch eine Vorrichtung angewendet wird, die vom Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung im Inland in Verkehr gebracht wurde. Mit der Veräusserung der Vorrichtung durch den Patentinhaber erhält der Erwerber demnach das Recht, das geschützte Verfahren zu benützen. Wird die Vorrichtung nicht vom Inhaber des Verfahrenspatents hergestellt und in Verkehr gebracht, so darf das patentierte Verfahren auch dann nicht benutzt werden, wenn die Vorrichtung als solche nicht geschützt ist.

Die Ausnahme von der nationalen Erschöpfung im dritten Absatz von Artikel 9a E-PatG will das Missbrauchspotenzial beseitigen, das besteht, wenn eine markenund/oder urheberrechtlich geschützte Ware einen «nebensächlichen» Bestandteil aufweist, der patentiert ist: In dieser Situation könnten die unter geltendem Recht überwiegend zulässigen Parallelimporte von marken- oder urheberrechtlich geschützten Produkten über das Patentrecht unterbunden werden. Es stellt sich hier die Frage, unter welchen Gesichtspunkten dies als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.

Der Gesetzesentwurf stellt darauf ab, welche Bedeutung der Patentschutz für die Funktionalität einer durch mehrere Schutzrechte geschützten Ware hat. Kann eine im Wesentlichen gleiche Funktionalität ohne einen verwendeten patentierten Bestandteil bzw. auch ohne Anwendung eines patentierten Verfahrens erreicht werden, z.B. indem patentfreie Substitute verwendet werden, soll der Patentinhaber nicht den Parallelimport unter Berufung auf das Patentrecht verhindern können.

Mithin sind Parallelimporte immer dann ohne die Zustimmung des Patentinhabers 113

BGE 126 III 129

117

möglich, wenn der patentierte Bestandteil einer mehrfach geschützten Ware oder das von ihr benutzte patentierte Verfahren für die Funktionalität der Ware nicht entscheidend ist. Das Kriterium der «untergeordneten Bedeutung» eröffnet freilich einen gewissen Ermessensspielraum. Dies kann zwar zu Unsicherheiten führen, doch erlaubt eine offene Formulierung den Gerichten, die konkreten Umstände des Einzelfalls zu würdigen und dabei allgemeine Leitlinien zu entwickeln. Entscheidend ist, dass dabei nicht die Sicht eines einzelnen Konsumenten eingenommen wird, sondern ein objektiver Ansatz zum Tragen kommt. Bei der Abwägung fallen nicht geschützte Eigenschaften der Ware ausser Betracht. Soweit Zweifel bestehen, ist die Ausnahme von der nationalen Erschöpfung zugunsten des Innovationsschutzes auszulegen.

In der Vernehmlassung stiess die Missbrauchsregelung auf Kritik. Es wurde beanstandet, dass der mehrfache Schutz einer Ware durch Immaterialgüterrechte für sich alleine nicht rechtfertige, eines der Schutzrechte zu übergehen. Der Lösungsvorschlag schafft indessen keine Rangordnung zwischen den Immaterialgüterrechten.

Eine solche liesse sich wegen der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Immaterialgüterrechte nicht rechtfertigen. Dem Patentinhaber wird ein Schutzrechtsinteresse an der Verhinderung von Parallelimporten allein gestützt auf das Patentrecht nur in den Fällen abgesprochen wird, in denen der Innovationsschutz als Schutzzweck bei einer Ware verblasst.

2.4.2

Massnahmen zur Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterie (Art. 8, 60 Abs. 3, 66 Bst. b, 70a, 81 Abs. 3, 86a­86k E-PatG)

Art. 8 Abs. 2 und 3 E-PatG

Inhalt des Ausschliesslichkeitsrechts:Ausdehnung auf die Durchfuhr

In Artikel 8 Absatz 2 E-PatG wird der (nicht abschliessende) Katalog der dem Patentinhaber vorbehaltenen Benützungshandlungen an den Wortlaut von Artikel 9 DesG angepasst. Dabei wird nebst der Ausfuhr neu insbesondere auch die Durchfuhr von patentgeschützten Waren ausdrücklich erwähnt. Vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen Dimension von Nachahmung und Piraterie soll damit verhindert werden, dass die Schweiz zu einem Transitland für Pirateriegüter wird.

Beim Erlass des Designgesetzes wurde vorab aus praktischen Gründen in Kauf genommen, dass der absolute Schutz gegen jegliche Durchfuhr auch dann greift, wenn die durchgeführte Ware im Bestimmungsland keinen Schutz geniesst und dort demnach gar nicht als Pirateriegut zu betrachten ist, woraus sich eine gewisse überschiessende Rechtsmacht des Designinhabers ergibt.

Würde das Ausschliesslichkeitsrecht des Patentinhabers in ebenso absoluter Weise auf die Durchfuhr ausgedehnt, ergäben sich aus jener überschiessenden Rechtsmacht Auswirkungen, welche nicht in Kauf genommen werden können: Zu denken ist insbesondere an patentgeschützte Medikamente, welche unter einer Zwangslizenz im Sinne der WTO-Entschliessung vom 30. August 2003 (siehe Ziff. 1.3) rechtmässig aus dem Ursprungsland ausgeführt und ebenso rechtmässig im Bestimmungsland eingeführt werden können; der Transit solcher Medikamente durch die Schweiz soll nicht aufgrund eines schweizerischen Patents unterbunden werden können. Die Ausdehnung des Ausschliesslichkeitsrechts auf die Durchfuhr soll es auch nicht 118

ermöglichen, den Warenverkehr zwischen zwei Staaten zu unterbinden, in welchen der Patentinhaber bei der Anmeldung z.B. eines europäischen Patents bewusst auf den Patentschutz verzichtet hat.

In Artikel 8 Absatz 3 E-PatG wird deshalb das Verbietungsrecht im Bereich der Durchfuhr insoweit eingeschränkt, als die Durchfuhr insoweit nicht verboten werden kann, als der Patentinhaber auch die Einfuhr in das Bestimmungsland nicht verbieten kann. Damit wird verhindert, dass die zur Pirateriebekämpfung bestimmte Vorschrift dazu missbraucht werden kann, um den rechtmässigen Warenverkehr zwischen Drittstaaten bei einem blossen Transit durch die Schweiz zu unterbinden.

Art. 60 Abs. 3, Art. 70a E-PatG

Mitteilung des Urteils

Nach geltendem Recht (Art. 60 Abs. 3 PatG) sind die Gerichte verpflichtet, rechtskräftige Urteile, welche eine Änderung einer Eintragung im Register erfordern, dem IGE mitzuteilen. Damit ist sichergestellt, dass der Registerinhalt und die materielle Rechtslage miteinander übereinstimmen.

Mit Artikel 70a E-PatG wird die Mitteilungspflicht neu auf alle rechtskräftigen Urteile in patentrechtlichen Streitigkeiten erweitert. Artikel 63 des TRIPS-Abkommens verpflichtet alle WTO-Mitgliedstaaten, also auch die Schweiz, in der Lage zu sein, statistische Daten zu den auf ihrem Territorium ergangenen Entscheiden im Bereich des Immaterialgüterrechts dem WTO-Sekretariat zu übermitteln. Deshalb ist das IGE auf die Mitteilung sämtlicher Urteile angewiesen, welche im Bereich des Immaterialgüterrechts ergangen sind.

Zudem ist es mit Blick auf eine wirksame Bekämpfung von Nachahmung und Piraterie wichtig, auch in der Schweiz Rahmenbedingungen zu schaffen, welche ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene gegen das Phänomen erlauben.

Das IGE soll in die Lage versetzt werden, insoweit die Aufgaben einer nationalen Kontaktstelle wahrnehmen und einen besseren Informationsfluss gewährleisten zu können. Es ist deshalb darauf angewiesen, laufend über gerichtlich festgestellte Verletzungshandlungen (oder aber die gerichtliche Feststellung, dass eine Handlung zu Recht erfolgt ist) informiert zu werden. Die vorgeschlagene Bestimmung stellt eine Grundvoraussetzung dafür dar, dass das IGE als solche Kontaktstelle funktioniert. Das IGE macht zudem die mitgeteilten Urteile den Gerichten in angemessener Form zugänglich. Dadurch soll der Informations- und Erfahrungsaustausch innerhalb der Judikative gefördert werden.

Mitteilungspflichtig sind nicht nur die staatlichen Gerichte, sondern auch allfällige Schiedsgerichte.

Mit der vorgesehenen Erweiterung der Mitteilungspflicht kann Artikel 60 Absatz 3 PatG aufgehoben werden.

Art. 66 Bst. b E-PatG

Auskunftsanspruch

Artikel 66 Buchstabe b E-PatG übernimmt für das Patentrecht den Regelungsgehalt von Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe c DesG (zivilrechtlicher Schutz) bzw. Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe c DesG (strafrechtlicher Schutz). Der Auskunftsanspruch nach Buchstabe b eröffnet die Möglichkeit, von der beklagten Partei auch Angaben über den Adressaten und das Ausmass der Weitergabe widerrechtlich hergestellter Gegenstände an gewerbliche Abnehmer zu verlangen. Diesem Rechtsanspruch kommt vor allem im Hinblick auf die Verfolgung von Fälschungshandlungen eine 119

besondere Bedeutung zu. Die vorgeschlagene Formulierung erfasst die gesamte Produktions- und Absatzkette; ihre Anwendung erleichtert die Feststellung des Ursprungs von rechtswidrigen Handlungen dieser Art.

Die Regelung eines entsprechenden Auskunftsanspruchs ist in Artikel 47 des TRIPS-Abkommens ausdrücklich vorgesehen.

Art. 81 Abs. 3

Strafbestimmungen

Bei einer gewerbsmässigen Verletzung von Immaterialgüterrechten winken den Tätern hohe Gewinne bei einem vergleichsweise geringen Risiko. Das Patentgesetz sah bisher als einziger Erlass des Immaterialgüterrechts keine verschärften Sanktionen bei einer gewerbsmässigen Begehung von Verletzungshandlungen vor. Artikel 81 Absatz 3 E-PatG schliesst diese Lücke. Zugleich werden die Strafdrohungen bei einer gewerbsmässigen Verletzung in allen Erlassen des Immaterialgüterrechts auf dasselbe Niveau angehoben: Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird die Tat von Amtes wegen verfolgt und mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und Geldstrafe bis zu 500 000 Franken bestraft. Damit wird das Risiko einer Widerhandlung im gewerbsmässigen Umfang für die Täter erhöht und eine wirksamere Abschreckung erzielt. Diese Strafdrohungen bewegen sich in einem ähnlichen Rahmen wie diejenigen vergleichbarer Staaten (z.B. Deutschland) und insbesondere der EU, welche in einem Richtlinienvorschlag entsprechende Mindeststandards bei den strafrechtlichen Sanktionen vorsieht114.

Die vorliegende Revision wird weiter zum Anlass genommen, die Strafbestimmungen an die neue Terminologie des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches anzupassen. So werden die unterschiedlichen Bezeichnungen für den Freiheitsentzug (Gefängnis und Zuchthaus) durch den Begriff der Freiheitsstrafe ersetzt und auf die Haft zugunsten der Geldstrafe verzichtet. Diese Terminologie wird auch für das Urheberrechtsgesetz, das Topographiengesetz, das Markenschutzgesetz und das Designgesetz übernommen.

Art. 86a E-PatG

Anzeige widerrechtlicher Waren durch die Zollverwaltung

Nach Artikel 86a Absatz 1 E-PatG kann die Zollverwaltung den Patentinhaber auch ohne dessen vorhergehenden Antrag benachrichtigen, wenn der Verdacht besteht, dass die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren bevorsteht, welche ein in der Schweiz gültiges Patent des Patentinhabers verletzen (vgl. Art. 8 E-PatG), und der Patentinhaber den Zollbehörden bekannt ist. Dem Patentinhaber soll mit dieser Anzeige ermöglicht werden, die notwendigen Vorkehren zur Wahrung seiner Rechte zu treffen (Antrag, Glaubhaftmachung der Widerrechtlichkeit). Für eine Benachrichtigung durch die Zollbehörden genügt grundsätzlich schon ein Verdacht, dass die Ein-, Aus- oder Durchfuhr gefälschter Waren bevorsteht. Dieses Kriterium entspricht der Regelung in Artikel 75 URG und demjenigen der EG-Zollverordnung.

Zu beachten ist allerdings, dass es sich bei Artikel 86a E-PatG um eine KannVorschrift handelt und die Zollbehörden nicht verpflichtet sind, eine systematische Suche nach verdächtigen Sendungen bzw. eine eigentliche Kontrolle vorzunehmen.

114

120

Vorschlag vom 12. Juli 2005 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Massnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sowie Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Ahndung der Verletzung geistigen Eigentums, KOM(2005)276.

Ebenso wenig kann von der Zollverwaltung erwartet werden, dass sie den Patentinhaber von sich aus ermittelt (z.B. durch eine entsprechende Anfrage beim IGE); die Anzeige erfolgt viemehr nur dann, wenn der Patentinhaber der Zollverwaltung bekannt ist. In der Praxis wird die Zollverwaltung wohl nur ausnahmsweise von sich aus tätig; das Gesetz gibt ihr eine Grundlage, um bei einem ihr bekannten Fall von sich aus eingreifen zu können.

Absatz 2 sieht ­ in Übereinstimmung mit Artikel 46 Absatz 2 DesG ­ vor, dass die Zollverwaltung der benachrichtigten Person eine Frist von drei Werktagen zur Stellung eines Antrages auf Zurückbehaltung der betroffenen Gegenstände setzt.

Während dieser Frist ist die Zollverwaltung ermächtigt, die verdächtigen Gegenstände zurückzuhalten. Diese bleiben während maximal dreier Tage in Zollgewahrsam, sofern nicht Antrag im Sinne von Artikel 86b E-PatG gestellt wird. Die Frist beginnt ab Erhalt der Mitteilung. Diese Mitteilung kann unförmlich ergehen, also beispielsweise auch per Fax oder E-Mail.

Abweichend zur bisherigen Terminologie der anderen Immaterialgüterrechtsgesetze, jedoch in Übereinstimmung mit dem TRIPS-Abkommen und mit der EG-Zollverordnung wird im Randtitel nicht mehr von «Sendungen» gesprochen, sondern ­ entsprechend der im jeweiligen Gesetz verwendeten Terminologie ­ von Waren bzw. Gegenständen. Mit der vorliegenden Revision soll diese Terminologie auch für das Urheberrechtsgesetz, das Markenschutzgesetz, das Designgesetz und das Edelmetallkontrollgesetz115 übernommen werden.

Art. 86b E-PatG

Antrag auf Hilfeleistung der Zollverwaltung

Hat der Patentinhaber ­ sei es aufgrund privater Nachforschungen, sei es aufgrund einer Mitteilung der Zollverwaltung ­ konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren bevorsteht, die sein in der Schweiz gültiges Patent verletzen, so kann er der Zollverwaltung schriftlich beantragen, die Freigabe der Gegenstände zu verweigern (Art. 86b Abs. 1 E-PatG). Es ist vorgesehen, dass auch nach Artikel 75 E-PatG klageberechtigte Lizenznehmer der Zollverwaltung schriftlich einen entsprechenden Antrag stellen können.

Der Antragsteller muss alle ihm zur Verfügung stehenden Angaben liefern, die für den Entscheid der Zollverwaltung erforderlich sind; dazu gehört eine genaue Beschreibung der Waren (Abs. 2).

Der Sinn der Hilfeleistung durch die Zollverwaltung liegt darin, dem Antragsteller in einem möglichst raschen und einfachen Verfahren die nötige Zeit zu verschaffen, um beim Zivilgericht vorsorgliche Massnahmen zu erwirken. Ein Beschwerdeverfahren stünde dem entgegen, denn durch eine Beschwerde könnten rechtzeitige Vorkehren der Zollverwaltung vereitelt werden. Die Zollverwaltung entscheidet daher endgültig über den Antrag auf Zurückbehaltung der betreffenden Gegenstände. Sie kann eine Gebühr zur Deckung der Verwaltungskosten erheben (Abs. 3).

115

Bundesgesetz vom 20. Juni 1933 über die Kontrolle des Verkehrs mit Edelmetallen und Edelmetallwaren (Edelmetallkontrollgesetz, EMKG); SR 941.31.

121

Art. 86c E-PatG

Zurückbehalt von Waren durch die Zollverwaltung

Fällt die Zollverwaltung den Entscheid, die betreffende Ware zurückzubehalten, so teilt sie dies dem Antragsteller sowie dem Anmelder (die Person, welche die Ware zur Zollabfertigung anmeldet), dem tatsächlichen Besitzer (z.B. Spediteur) oder dem Eigentümer der Ware mit (Art. 86c Abs. 1 E-PatG).

Nach Absatz 2 behält die Zollverwaltung die Ware bis zu zehn Arbeitstage vom Zeitpunkt dieser Mitteilung an zurück, damit der Antragsteller vorsorgliche Massnahmen erwirken kann.

Nach Absatz 3 kann die Zollverwaltung in begründeten Fällen die Ware während höchstens zehn weiterer Arbeitstage zurückbehalten.

Die Dauer der Zurückbehaltung richtet sich nach Artikel 55 des TRIPS-Abkommens.

Art. 86d E-PatG

Entnahme von Proben oder Mustern

Mit Artikel 86d Absatz 1 E-PatG erhalten Patentinhaber sowie Lizenznehmer die Möglichkeit, die Übergabe oder die Zusendung von Proben oder Mustern zur Prüfung oder die Besichtigung der zurückbehaltenen Gegenstände zu beantragen. Der Antrag muss die von der Zollverwaltung zu entnehmenden Proben oder Muster hinreichend bezeichnen. Dies trägt dazu bei, dem Antragsteller möglichst viele Informationen über die verdächtige Ware zu übermitteln, damit er in Kenntnis aller relevanten Informationen darüber entscheiden kann, ob er vorsorgliche Massnahmen beantragen will. Unabhängig davon, ob er diese beantragt oder nicht, wird er aufgrund der dadurch gewonnenen Erkenntnisse in die Lage versetzt, seinen Entscheid und, falls er vorsorgliche Massnahmen beantragt, seinen Antrag, auf fundierte Informationen zu stützen. Dadurch wird die Wirksamkeit des gesamten Verfahrens verbessert.

Nach Artikel 86d Absatz 2 E-PatG erfolgen die Entnahme und der Versand von Proben oder Mustern auf Kosten des Antragstellers. Die Proben oder Muster müssen nach erfolgter Prüfung zurückgegeben werden, soweit dies aufgrund der Natur der Ware sinnvoll ist (Art. 86d Abs. 3 E-PatG). Dies dürfte dann nicht der Fall sein, wenn Waren bereits durch die Entnahme von Proben bzw. Muster durch deren Analyse ganz oder teilweise beschädigt werden. Für einen allfälligen widerrechtlich entstandenen Schaden haftet der Antragsteller nach Artikel 86k Absatz 2 E-PatG.

Verbleiben Proben oder Muster aus berechtigten Gründen (z.B. als Anschauungsmaterial für gefälschte Waren) beim Antragsteller, so unterliegen sie den Bestimmungen der Zollgesetzgebung.

Die Revision bietet Gelegenheit, die bis anhin in den Verordnungen der jeweiligen Immaterialgüterrechtsgesetze geregelte Besichtigungsmöglichkeit der zurückbehaltenen Gegenstände neu auf Gesetzesstufe zu regeln.

Art. 86f­86j E-PatG

Vereinfachtes Vernichtungsverfahren

Nach Artikel 86f Absatz 1 E-PatG können der Patentinhaber oder der Lizenznehmer zusammen mit dem Antrag nach Artikel 86b E-PatG der Zollverwaltung schriftlich beantragen, die Ware zu vernichten. Der Zweck des vereinfachten Vernichtungsverfahrens liegt darin, patentverletzende Waren aus dem Verkehr zu ziehen und die daran Berechtigten dadurch um ihren unlauteren wirtschaftlichen Gewinn zu brin122

gen. Gleichzeitig werden allfällige Probleme im Zusammenhag mit der Lagerung solcher Waren und der daraus entstehenden Kosten gelöst. Ein ordentliches Verfahren stellt namentlich dann keine gleichwertige Alternative zur Verwirklichung jenes Anliegens dar, wenn sich weder Versender noch Empfänger in der Schweiz aufhalten.

Nach Artikel 86f Absatz 2 E-PatG teilt die Zollverwaltung den Antrag auf Vernichtung dem Anmelder, Besitzer oder Eigentümer der betroffenen Ware gleichzeitig mit der Mitteilung über die Zurückbehaltung nach Artikel 86c E-PatG mit.

Artikel 86f Absatz 3 E-PatG stellt klar, dass der Antrag auf Vernichtung zu keiner Verlängerung der Zurückbehaltung nach Artikel 86c E-PatG führt, da eine solche nach Artikel 55 des TRIPS-Abkommens nur durch den zuständigen Massnahmerichter angeordnet werden kann, andernfalls die Waren nach Ablauf von 10 bzw. in begründeten Fällen 20 Tagen freizugeben sind. Kann der Antragsteller die Zustimmung des an der Ware Berechtigten zur Vernichtung nicht selbst beibringen, dürfte es sich deshalb lohnen, trotz des gestellten Vernichtungsantrags fristgerecht vorsorgliche Massnahmen zu erwirken.

Für die Vernichtung der Ware ist grundsätzlich die Zustimmung des Anmelders, Besitzers oder Eigentümers der Ware erforderlich (Art. 86g Abs. 1 E-PatG). In Übereinstimmung mit Artikel 11 Absatz 1 der EG-Zoll-Verordnung sieht Artikel 86g Absatz 2 E-PatG vor, dass die Zustimmung als erteilt gilt, wenn die Vernichtung innerhalb der Fristen von Artikel 86c E-PatG ­ d.h. 10 Tage, ausnahmsweise 20 Tage ­ nicht ausdrücklich abgelehnt wird. Damit kann die Vernichtung von widerrechtlichen Waren auch dann erfolgen, wenn sich der Anmelder, Besitzer oder Eigentümer der betroffenen Ware nicht vernehmen lässt. Vereinzelt wurden in der Vernehmlassung rechtsstaatliche Bedenken gegen diese Regelung laut. Nebst der Möglichkeit, die Vernichtung innert Frist abzulehnen, hat der Anmelder, Besitzer oder Eigentümer der Ware im Falle einer unbegründeten Vernichtung ohne Zustimmung aber immer auch Anspruch auf Schadenersatz (Art. 86i E-PatG). Zur Beweissicherung entnimmt die Zollverwaltung vor der Vernichtung von Gegenständen Proben oder Muster und bewahrt diese als Beweismittel auf (Art. 86h E-PatG). Eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsste denn auch die Möglichkeit der vereinfachten
Vernichtung.

Artikel 86i E-PatG regelt die Verantwortlichkeit im Falle einer unbegründeten Vernichtung: Erfolgt eine Vernichtung nach Artikel 86f E-PatG deshalb, weil sie der an den Waren Berechtigte nicht innert der gesetzlichen Fristen ausdrücklich abgelehnt hat, und stellt sie sich im Nachhinein als unbegründet heraus, haftet ausschliesslich der Antragsteller (und nicht etwa die Zollverwaltung) für den durch die unberechtigte Zerstörung von fremdem Eigentum entstandenen Schaden. Die Haftung richtet sich nach den Bestimmungen der Artikel 41 ff. des Obligationenrechts116.

Liegt die Zustimmung des Anmelders, Besitzers oder Eigentümers der Ware hingegen in schriftlicher Form vor, so entstehen gemäss Artikel 86i Absatz 2 E-PatG auch dann keine Schadenersatzansprüche gegenüber dem Antragsteller (und erst recht nicht gegenüber der Zollverwaltung), wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Vernichtung unbegründet erfolgte; diesfalls wird angenommen, dass die Ware vom Berechtigten aufgegeben worden war.

116

SR 220

123

Wird die Zustimmung ausdrücklich verweigert, so erfolgt keine Vernichtung im vereinfachten Verfahren; eine Zerstörung patentverletzender Waren kann diesfalls nurmehr über ein ordentliches Gerichtsverfahren im Rahmen von Artikel 69 PatG erreicht werden.

Artikel 86j Absatz 1 E-PatG hält fest, dass die Vernichtung auf Kosten des Antragstellers erfolgt. Hieraus kann sich das Interesse des an der betroffenen Ware Berechtigten ergeben, einer Vernichtung zuzustimmen, namentlich wenn er sich der möglichen Patentverletzung bewusst ist: Unterliegt er nämlich im ordentlichen Verfahren und kommt es deshalb zur Zerstörung nach Artikel 69 PatG, trägt in aller Regel er als unterlegene Partei die dadurch entstehenden Kosten.

Über die Kosten für die Entnahme und Aufbewahrung von Proben oder Mustern als Beweismittel für Klagen wegen unbegründeter Vernichtung entscheidet das Gericht im Zusammenhang mit der Beurteilung der Schadenersatzansprüche nach der anwendbaren Verfahrensordnung (Art. 86j Abs. 2 E-PatG).

Art. 86k E-PatG

Haftungserklärung und Schadenersatz bei unbegründeten Zollmassnahmen

Ist durch das Zurückbehalten der Ware ein Schaden zu befürchten, so sieht Artikel 86k E-PatG in Anlehnung an die EG-Zoll-Verordnung vor, dass die Zollverwaltung das Zurückbehalten von der Übergabe einer Haftungserklärung abhängig machen kann. In begründeten Fällen, namentlich wenn Zweifel bestehen, dass die Antragstellerin zur Bezahlung allfälligen Schadenersatzes bei ungegründeten Zollmassnahmen in der Lage ist, kann die Zollverwaltung aber auch eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen. Es versteht sich von selbst, dass nur schadenersatzpflichtig werden kann, wer überhaupt einen Antrag auf Zurückbehaltung bzw. auf Entnahme von Proben oder Muster gestellt hat.

2.4.3

Sonstiges (Art. 7 Abs. 3, 75, 77, 121, 138 und 145 E-PatG; Art. 109, 111, 127 und 129 E-IPRG)

2.4.3.1

Älteres Recht (Art. 7 Abs. 3, Art. 7a­7d und Art. 121 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 E-PatG)

Mit Artikel 7 Absatz 3 E-PatG und der Aufhebung des bisherigen Artikels 7a PatG wird die Wirkung des älteren Rechts in der Schweiz an die entsprechenden Rechtswirkungen in anderen Ländern Europas angepasst. Nunmehr gilt der gesamte Inhalt der älteren Anmeldung als Stand der Technik für die Neuheitsprüfung (whole contents approach), und nicht mehr bloss ihre Patentansprüche (prior claims approach).

Es kommt auch nicht mehr darauf an, ob die ältere Anmeldung zu einem gültigen Patent geführt hat. Das aus dem europäischen Recht übernommene Konzept geht also weiter als das bis jetzt in der Schweiz angewandte: es sollen auch keine Patente für Erfindungen erteilt werden, die in bereits eingereichten Patentanmeldungen schon offenbart, wenn auch nicht unbedingt beansprucht worden sind. Neuheitsschädlich sind nationale Patentgesuche sowie europäische und internationale Anmeldungen, soweit diesen nach den Artikel 110 und 135 PatG die Wirkung eines nationalen Patentgesuchs zukommt und die weiteren Voraussetzungen in Artikel 7 Absatz 3 Buchstaben a­c E-PatG erfüllt sind.Die Buchstaben b und c verweisen auf die Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens in der Fassung gemäss 124

Akte vom 29. November 2000117 zur Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen).

Mit Artikel 7 Absatz 3 E-PatG fällt der materiell-rechtliche Unterschied zwischen schweizerischem und europäischem Recht dahin, auf den sich die Umwandlungsfälle von Artikel 121 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 PatG stützen. Diese zwei Bestimmungen verlieren ihre Bedeutung und werden daher aufgehoben.

Die Aufhebung von Artikel 7a PatG bedingt sodann eine redaktionelle Anpassung der Artikel 7c und 7d PatG in der Fassung gemäss Bundesbeschluss über die Genehmigung der Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente und die Änderung des Patentgesetzes118. Die Bezugnahme auf das ältere Recht wird durch die erweiterte Definition des Stands der Technik in Artikel 7 Absatz 3 E-PatG entbehrlich und ist daher zu streichen.

2.4.3.2

Internationales Privatrecht (Art. 109, 111, 127 und 129 E-IPRG)

Art. 109 und 129 E-IPRG

Alternativer Gerichtsstand am Handlungs- und Erfolgsort

In Übereinstimmung mit Artikel 25 GestG sollen für Klagen betreffend die Verletzung von Immaterialgüterrechten in internationalen Verhältnissen die Schweizer Gerichte am Wohnsitz oder Sitz des Beklagten oder neu alternativ am Handlungsoder Erfolgsort zuständig sein. Der Wortlaut von Artikel 25 GestG wurde daher in Artikel 109 Absatz 2 E-IPRG übernommen. Dies hat zur Folge, dass neu vom Handlungs- und Erfolgsort und nicht mehr vom «Ort, wo der Schutz beansprucht wird» gesprochen wird. Der Schutzort und der Handlungs- und Erfolgsort stimmen jedoch überein. Die Harmonisierung von Artikel 109 IPRG mit Artikel 25 GestG legt auch eine Revision von Artikel 129 IPRG nahe. Nach Artikel 129 E-IPRG stehen dementsprechend dem Kläger für deliktische Klagen im internationalen Verhältnis neu alternativ die Schweizer Gerichte am Wohnsitz oder Sitz des Beklagten oder am Handlungs- oder Erfolgsort zur Auswahl.

Der klaren Darstellung halber wurden Bestandesklage und Verletzungsklage in Artikel 109 E-IPRG in separaten Absätzen behandelt; es handelt sich hierbei nicht um inhaltliche Änderungen. Artikel 109 Absatz 2 IPRG wird Artikel 109 Absatz 3 E-IPRG.

Art. 109, 127 und 129 E-IPRG

Alternativer Niederlassungsgerichtsstand

Zusätzlich wird der Niederlassungsgerichtsstand in Artikel 109 E-IPRG eingeführt, um die Harmonisierung sowohl mit dem Gerichtsstandsgesetz als auch innerhalb des IPRG mit den Artikeln 127 und 129 IPRG konsequent durchzuführen. Wie in diesen Bestimmungen ist darunter entweder eine Niederlassung im Sinne von Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe c IPRG oder eine Zweigniederlassung nach Artikel 21 Absatz 3 IPRG zu verstehen. Damit wird kein neuer internationaler Gerichtsstand geschaffen.

117 118

BBl 2005 3813 BBl 2005 3809

125

Der Kläger hat aber in entsprechender Situation die Wahl zwischen zwei schweizerischen Gerichtsständen.

Die Artikel 127 und 129 IPRG sehen den Niederlassungsgerichtsstand bloss subsidiär zum Wohnsitzgerichtsstand vor, d.h. in der Situation, dass der Beklagte keinen Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz hat. Eine konsequente Anpassung an den Wegfall des Artikels 59 BV 1874 und an das Gerichtsstandsgesetz zieht nach sich, dass der Niederlassungsgerichtsstand nunmehr alternativ vorzusehen ist, d.h. zusätzlich zum Gerichtsstand an einem allfälligen schweizerischen Sitz oder Wohnsitz des Beklagten. Dementsprechend lässt Artikel 127 E-IPRG den Niederlassungsgerichtsstand auch bei der ungerechtfertigten Bereicherung alternativ zum schweizerischen Sitz oder Wohnsitz des Beklagten zu. Nach Artikel 129 E-IPRG stehen dem Kläger für deliktische Klagen im internationalen Verhältnis neu alternativ die Schweizer Gerichte am Wohnsitz oder Sitz des Beklagten oder am Handlungs- oder Erfolgsort oder am Ort der Niederlassung zur Auswahl.

Art. 111 E-IPRG

Anerkennung

Bei Artikel 111 E-IPRG wurde der Wortlaut von Absatz 1 Buchstabe b an den revidierten Artikel 109 E-IPRG angepasst und Schutzort durch Handlungs- und Erfolgsort ersetzt. Ferner wurde die Gelegenheit benützt, um das Versehen bezüglich der Zeitform des Verbs in Absatz 1 Buchstabe b zu korrigieren.

2.4.3.3 Art. 138

Anpassung an den PCT (Art. 138 E-PatG) Formerfordernisse

Die Änderung von Artikel 22 PCT bedingt eine Anpassung von Artikel 138 PatG.

Aufgrund der Angleichung der Fristen in den Artikeln 22 Absatz 1 und 39 Absatz 1 Buchstabe a PCT gilt für die Erfüllung der Formalerfordernisse nach Artikel 138 Absatz 1 Buchstaben a­c PatG eine einheitliche Frist von 30 Monaten. Artikel 138 E-PatG sieht dementsprechend neu eine Frist von 30 Monaten nach dem Anmeldeoder Prioritätsdatum vor. Artikel 138 Absatz 2 PatG kann ersatzlos gestrichen werden, zumal die Sonderregel in Bezug auf die Fälligkeit der dritten Jahresgebühr in Satz 2 im Zuge der Revision im Jahre 1995 versehentlich nicht aufgehoben wurde.

Seit 1995 sind Jahresgebühren nämlich erst ab dem fünften Jahr geschuldet.

2.4.3.4 Art. 75 E-PatG

Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers (Art. 75, 77 Abs. 5, 145 Abs. 2 E-PatG) Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers

Für den Lizenznehmer kann die Verletzung des Patents durch einen Dritten eine existentielle Bedrohung bedeuten. Er hat daher oft ein vitales Interesse, gegen den Verletzer vorzugehen. Dabei ist das Interesse des ausschliesslichen Lizenznehmers am grössten, da eine ausschliessliche Lizenz eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen des Rechtsinhabers sehr nahe kommt.

126

Artikel 75 Absatz 1 E-PatG trägt dieser Interessenlage Rechnung. In Übereinstimmung mit Artikel 35 Absatz 4 DesG ist demnach der ausschliessliche Lizenznehmer selbständig zu Leistungsklagen berechtigt. Die Klagelegitimation setzt positiv also voraus, dass der Lizenznehmer die Lizenz ausschliesslich erhalten hat ­ sei dies für die Schweiz oder weltweit. Negativ ist die Aktivlegitimation daran geknüpft, dass die Klagebefugnis im Lizenzvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Will der Lizenzgeber die Klagebefugnis nicht ausschliessen, kann in seinem Interesse in den Lizenzvertrag eine Informationspflicht über allfällige Prozesse des Lizenznehmers aufgenommen werden, womit der Lizenzgeber durch Intervention dem Verfahren beitreten kann. Einer Eintragung der Lizenz im Register bedarf es nicht. Von einer Klagebefugnis aller Lizenznehmer wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des Designgesetzes abgesehen: Es sollte damit der Gefahr begegnet werden, dass es unter den Lizenznehmern zu einem Konflikt darüber kommt, wer die Rechtsverletzung geltend machen kann; zudem ist die Rechtsposition einfacher Lizenznehmer nicht im gleichen Masse mit jener des Patentinhabers vergleichbar wie im Falle des ausschliesslichen Lizenznehmers. Es hat sich gezeigt, dass Unklarheiten darüber bestehen, ob sich die Ausschliesslichkeit neben der Lizenzerteilung auch auf die Nutzungsberechtigung bezieht. Vonnöten ist deshalb im Interesse der Rechtssicherheit eine Klärung des Begriffs «ausschliesslicher Lizenznehmer». Eine ausschliessliche Lizenz berechtigt den Inhaber, das Schutzrecht unter Ausschluss aller anderen Personen einschliesslich des Schutzrechtsinhabers zu nutzen. Neben ihm kann der Schutzrechtsinhaber nur klagen, wenn er ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, bspw. die Beeinträchtigung seines Anspruchs auf Lizenzgebühren.

Diese Klarstellung steht in Einklang mit der Rechtslage in anderen europäischen Ländern119 sowie insbesondere dem Bestreben in den parlamentarischen Beratungen, denn auch im Falle da der Schutzrechtsinhaber nebst dem Lizenznehmer weiterhin nutzungsberechtigt bleibt, stellt sich die Gefahr des Konflikts, wer die Rechtsverletzung geltend machen kann.

Ausschliessliche Lizenzen können räumlich, zeitlich oder sachlich beschränkt sein, weshalb mehrere ausschliessliche Lizenznehmer am
gleichen Schutzrecht denkbar sind. Hat der Patentinhaber mehrere ausschliessliche Lizenzen erteilt, steht die Klagebefugnis nur demjenigen ausschliesslichen Lizenznehmer zu, in dessen Lizenzumfang die Verletzung fällt oder zu fallen droht. Nicht erfasst von der Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers ist der Rechtschutz gegenüber dem Rechtsinhaber und weiteren ausschliesslichen Lizenznehmern, soweit es sich dabei um Streitigkeiten vertraglicher Natur handelt.

Artikel 75 Absatz 2 E-PatG sieht entsprechend Artikel 35 Absatz 4 DesG vor, dass alle Lizenznehmer als einfache Streitgenossen einer von einer klagebefugten Person angehobenen Verletzungsklage beitreten können, um ihren eigenen Schaden geltend zu machen. Dabei sind verschiedene Konstellationen denkbar: Hat der Patentinhaber eine ausschliessliche Lizenz vergeben, so können entweder der ausschliessliche Lizenznehmer der Klage des Patentinhabers oder allfällige Unterlizenznehmer der Klage des ausschliesslichen Lizenznehmers beitreten; im Falle einfacher Lizenzen können die Lizenznehmer der Klage des Patentinhabers beitreten. Sind Letztere von einer Patentverletzung so unmittelbar betroffen, dass ihnen ein eigener Schaden entstanden ist, so gebietet es die Prozessökonomie, jenen Schaden geltend machen zu können.

119

Zum Beispiel §15 des deutschen Patentgesetzes.

127

Art. 77 Abs. 5 E-PatG

Vorsorgliche Massnahmen

Artikel 77 Absatz 5 E-PatG übernimmt für das Patentrecht den Regelungsgehalt von Artikel 38 Absatz 4 DesG. Demnach ist der ausschliessliche Lizenznehmer befugt, die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zu beantragen.

Art. 145 Abs. 2 E-PatG

Übergangsbestimmung

Nach Artikel 145 Absatz 2 E-PatG sind die Artikel 73a und 77 Absatz 5 E-PatG nur auf Lizenzverträge anwendbar, die nach ihrem Inkrafttreten abgeschlossen oder bestätigt worden sind. Vertragsparteien bestehender Lizenzverträge konnten und mussten bei Vertragsabschluss nicht von einer selbständigen Klagelegitimation des ausschliesslichen Lizenznehmers ausgehen. Die Regelung entspricht der Übergangsbestimmung von Artikel 52 Absatz 4 DesG.

2.4.3.5

Aufhebung der Vorschriften über die Vorprüfung (Art. 59d, 61 Abs. 2, 63a, 72 Abs. 2, 73 Abs. 4, 87­106a, 139 PatG; 63 Abs. 1 und 86 E-PatG)

Die Artikel 59d, 61 Absatz 2, 63a, 72 Absatz 2, 87­90, 96­101, 104­106a sowie 139 PatG beziehen sich auf der amtlichen Vorprüfung unterstellte Patentgesuche.

Diese Bestimmungen können angesichts der anstehenden Erledigung der letzten hängigen Gesuche in diesem Jahr (siehe Ziff. 1.4.3) aufgehoben werden. Weiter sind auch die Gliederungstitel vor Artikel 87 und Artikel 96 aufzuheben.

Artikel 73 Absatz 4 PatG sieht vor, dass bei Patenten, die mit amtlicher Vorprüfung erteilt wurden, mit der Schadenersatzklage der Schaden geltend gemacht werden kann, den der Beklagte seit der Bekanntmachung des Patentgesuchs verursacht hat.

Mit der Einführung der Veröffentlichung der nationalen Patente (siehe Ziff. 2.1.7) gilt dies unterschiedslos für alle erteilten Patente (siehe Art. 73 Abs. 3 E-PatG).

Artikel 73 Absatz 4 PatG kann im Lichte dieser Änderung daher ersatzlos wegfallen.

Artikel 86 Absatz 1 PatG gibt dem Strafrichter bei Patenten ohne Vorprüfung im Falle der Einrede der Nichtigkeit durch den Angeschuldigten die Möglichkeit, nicht dem Angeschuldigten sondern dem Verletzten die Last für eine zivilrechtliche Klage über den Rechtsbestand des Patents aufzuerlegen. Dies ist dann denkbar, wenn der Strafrichter Zweifel an der Gültigkeit hat. Bei Patenten, die auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit geprüft sind, ist gleiches möglich, wenn der Beklagte Umstände glaubhaft macht, welche die Nichtigkeitseinrede als glaubhaft erscheinen lassen. Mit dem Wegfall der amtlichen Vorprüfung entfällt aber nicht zugleich auch die Bedeutung für diese zweite Variante. Artikel 86 PatG findet nämlich auch auf erteilte europäische Patente Anwendung. Die vorgeschlagene Neufassung vermeidet eine Bezugnahme auf die amtliche Vorprüfung und behält den bestehenden Regelungsgehalt bei.

Die Aufhebung der Vorschriften über die amtliche Vorprüfung erfordert schliesslich noch wenige redaktionelle Änderungen von Artikel 63 PatG.

128

2.4.3.6 Art. 26 E-PatG

Gesetzestechnische Anpassungen (Art. 26, 28, 46a Abs. 4 Bst. g, 140h, 142­144 E-PatG) Nichtigkeitsgründe

Die Ziffern dieses Artikels werden neu zu Buchstaben.

Art. 28 E-PatG

Klagerecht

Artikel 26 Absatz 1 Ziffer 6 PatG wird neu zu Buchstabe d. Der Verweis in Artikel 28 PatG ist entsprechend zu aktualisieren.

Art. 46a Abs. 4 Bst. g E-PatG

Weiterbehandlung

Artikel 46a Absatz 4 PatG führt eine Reihe von Fristen auf, bei deren Versäumen die Weiterbehandlung ausgeschlossen ist. Buchstabe g erwähnt die Frist für die Auswahlerklärung nach Artikel 138 Absatz 2 PatG. Weil diese Frist nicht gegenüber dem IGE einzuhalten ist, fällt sie schon unter Buchstabe a dieser Vorschrift. Buchstabe g soll daher gestrichen werden. Diese Streichung ändert nichts an der bestehenden Rechtslage, der zufolge die Weiterbehandlung für die Frist für die Auswahlerklärung ausgeschlossen ist.

Art. 140h E-PatG

Gebühren für ergänzende Schutzzertifikate

Es wird vorgeschlagen, Artikel 140h Absatz 1 zweiter Satz und Absatz 2 PatG zu streichen und in die Patentverordnung überzuführen. Dies würde dem Rechtszustand bei Patenten entsprechen, dem zufolge die Dauer von Fristen nicht im Gesetz sondern in der Verordnung geregelt ist. Der erste Satz von Artikel 140h Absatz 2 PatG wird im Gesetz belassen, damit keine Zweifel entstehen, dass die Jahresgebühren für die gesamte Laufzeit des Zertifikats auf einmal und nicht jährlich zu entrichten sind.

Art. 142 E-PatG

Übergang vom alten zum neuen Recht: Patente

Der Grundsatz wonach die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht erloschenen Patente von diesem Zeitpunkt an dem neuen Recht unterstehen (Art. 142 Abs. 1 PatG) wird beibehalten. Nicht mehr erforderlich sind jedoch die Absätze 2 und 3 von Artikel 142 PatG. Diese beziehen sich auf Patente, die noch vor dem Inkrafttreten des revidierten Gesetzes im Jahre 1978 erteilt worden sind. Seit dieser Revision sind mehr als 20 Jahre vergangen und da in den letzten Anpassungen des Patentgesetzes keine der in Absatz 2 oder 3 erwähnten Punkte berührt worden sind, bestehen keine Patente mehr, die betroffen sein können.

Art. 143 E-PatG

Übergang vom alten zum neuen Recht: Patentgesuche

Auch mit Bezug auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes hängigen Gesuche soll der Grundsatz von Absatz 1 bestätigt werden, dass auf solche Gesuche das neue Recht Anwendung finden soll. Die Buchstaben a und d von Absatz 2 sowie Absatz 3 des Artikels 143 PatG sollen jedoch gestrichen werden. Für die Begründung betreffend Absatz 2 Buchstabe a und Absatz 3 kann auf die Erläuterungen zu Artikel 142 Absätze 2 und 3 PatG verwiesen werden. Gerechtfertigt erscheint jedoch die Beibehaltung von Artikel 143 Absatz 2 Buchstaben b und c 129

PatG. Darin werden zwei Gebiete angesprochen, die zwar nicht in dieser Revision des Patentgesetzes, aber in derjenigen von 1995 angepasst worden sind. Diese Bestimmungen werden daher beibehalten. Buchstabe b wird jedoch redaktionell angepasst.

Art. 144 E-PatG

Übergang vom alten zum neuen Recht: Patentierbarkeit

Die Revision der Regeln zur Patentierbarkeit von Erfindungen von 1978 machte die Einführung einer besonderen Übergangsbestimmung für anhängige Patentgesuche notwendig, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts auf Erfindungen bezogen, welche nach dem alten, aber nicht nach dem neuen Recht patentierbar waren. Zwischenzeitlich ist auch diese Regel von keiner Bedeutung mehr und kann ohne weiteres aufgehoben werden. Zudem vermag auch die letzte Anpassung aus dem Jahre 1995 im Zusammenhang mit der Ratifikation des TRIPS-Abkommens mit Bezug auf die Patentierbarkeit von Erfindungen die Beibehaltung dieses Artikels nicht zu rechtfertigen.

2.4.4

Anpassung der übrigen immaterialgüterrechtlichen Erlasse

2.4.4.1

Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Art. 62, 63, 65, 66a, 67, 75­77h, 81a E-URG)

Art. 62 Abs. 1 Bst. c und Art. 67 Abs. 1 Bst. b E-URG

Auskunftsanspruch

Die Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe c E-URG und 67 Absatz 1 Buchstabe b E-URG übernehmen für das Urheberrecht den Regelungsgehalt von Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe c DesG (zivilrechtlicher Schutz) bzw. Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe c DesG (strafrechtlicher Schutz). Es kann diesbezüglich auf die vorstehenden Erläuterungen zu Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG verwiesen werden (Ziff. 2.4.2).

Art. 62 Abs. 3, 65 Abs. 5, 81a E-URG

Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung von Artikel 62 durch einen neuen Absatz 3 soll auch für das Urheberrecht in Übereinstimmung mit Artikel 35 Absatz 4 DesG die Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers sowie die Möglichkeit des Klagebeitritts aller Lizenznehmer festgeschrieben werden. Es kann diesbezüglich auf die vorstehenden Erläuterungen zu den Artikeln 75 und 77 E-PatG verwiesen werden (Ziff. 2.4.3.4).

Artikel 38 Absatz 4 DesG betreffend die Beantragung von vorsorglichen Massnahmen wird in Artikel 65 Absatz 5 E-URG übernommen. Die Übergangsbestimmung von Artikel 81a E-URG entspricht derjenigen von Artikel 52 Absatz 4 DesG.

Durch den Verweis in Artikel 10 ToG gilt die Regelung im Urheberrecht auch für das Topographiengesetz.

130

Art. 63 Abs. 1 E-URG

Einziehung im Zivilverfahren

Artikel 63 Absatz 1 E-URG übernimmt für das Urheberrecht den Regelungsgehalt von Artikel 36 DesG. Das Gericht wird explizit auch dazu ermächtigt die Einziehung von vorwiegend der Herstellung widerrechtlicher Gegenstände dienenden Einrichtungen, Geräte und sonstigen Mittel anzuordnen.

Die Regelung der Einziehung im entsprechenden Umfang ist in Artikel 46 des TRIPS-Abkommens ausdrücklich vorgesehen Art. 66a E-URG

Mitteilung des Urteils

Die vorgeschlagene Regelung entspricht dem neuen Artikel 70a E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen (Ziff. 2.4.2) verwiesen werden.

Art. 75­77h E-URG

Hilfeleistung der Zollverwaltung

Die Neufassung der Artikel 75­77h E-URG über die Hilfeleistung der Zollverwaltung entspricht der neuen Regelung der Artikel 86a­86k E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen (Ziff. 2.4.2) sowie auf die Ausführungen unter Ziff. 1.4.2 verwiesen werden.

2.4.4.2 Art. 5 E-ToG

Änderung des Topographiengesetzes (Art. 5, 11 und 12 ToG) Nutzungsrechte

Zur Wahrung einer möglichst weitreichenden Kohärenz zwischen den verschiedenen immaterialgüterrechtlichen Spezialerlassen soll die neue Regelung der Durchfuhr auch in Artikel 5 E-ToG verankert werden. Im Übrigen kann auf die vorstehenden Erläuterungen zu Artikel 8 Absätze 2 und 3 E-PatG verwiesen werden (Ziff. 2.4.2).

Art. 11 E-ToG

Strafbestimmungen

Die Strafbestimmungen in Artikel 11 ToG werden ebenfalls den übrigen Erlassen des Immaterialgüterrechts angepasst. Hierzu kann auf die vorstehenden Erläuterungen zu Artikel 81 E-PatG verwiesen werden (Ziff. 2.4.2).

Art. 12 E-ToG

Hilfeleistung durch die Zollverwaltung

Die Änderungen des Urheberrechts im Bereich des zivilrechtlichen Schutzes (Auskunftsanspruch, Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers, Einziehung im Zivilverfahren, Mitteilung des Urteils) sowie im Bereich der Hilfeleistung der Zollverwaltung gelten durch die Verweise in den Artikeln 10 und 12 ToG auch für das Topographiengesetz.

131

2.4.4.3

Änderung des Markenschutzgesetzes (Art. 13, 41, 53­55, 57, 59, 61, 62, 70­72h 78a, E-MSchG)

Art. 13 Abs. 2bis und 65bis E-MSchG

Ausdehnung des Ausschliesslichkeitsrechts auf die Ein-, Aus- und Durchfuhr von gewerblich hergestellten Waren zu privaten Zwecken

Das schweizerische Immaterialgüterrecht sah bisher keine Handhabe gegen die Einfuhr von widerrechtlich hergestellten Waren vor, wenn diese nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgte. Gerade im Bereich des Marken- und Designrechts haben diese sogenannten Kapillarimporte indessen stark zugenommen. Sie bergen die Gefahr, dass Piraterieprodukte letztlich doch den Weg auf den schweizerischen Markt finden, und erschweren damit einen wirksamen Kampf gegen Fälschung und Piraterie. Der neue Artikel 13 Absatz 2bis E-MSchG sieht deshalb vor, dass das Ausschliesslichkeitsrecht des Markeninhabers auf gewerblich hergestellte Waren ausgedehnt wird, die zu privaten Zwecken ein-, aus- oder durchgeführt werden. Das Verbietungsrecht ist auf Vorgänge an der Grenze beschränkt. Dadurch wird insbesondere erreicht, dass Piraterieprodukte vom schweizerischen Markt ferngehalten bzw. von den Zollbehörden gegebenenfalls eingezogen werden können. Private, die im Besitz widerrechtlich hergestellter Waren sind, müssen jedoch nicht befürchten, auch im Inland jederzeit vom Markeninhaber belangt werden zu können. Eine derart weitgehende Ausdehnung des Verbietungsrechts wäre unverhältnismässig. Die neue Bestimmung beschränkt zudem das Verbietungsrecht auf gewerblich hergestellte Waren. Sie zielt also auf in grösseren Mengen und zu gewerblichen Zwecken hergestellte Piraterieprodukte, nicht aber auf «Privatkopien», d.h. von Privaten ohne gewerbliche Absicht zum Eigengebrauch hergestellte Kopien. Schliesslich wird auch ausdrücklich darauf verzichtet, die Ein-, Aus- und Durchfuhr von gewerblich hergestellten Waren zu privaten Zwecken strafrechtlich zu erfassen (Art. 65bis E-MSchG).

Die neue Regelung bezweckt nicht die Bestrafung von Privatpersonen, welche sich unter Umständen gar nicht im Klaren darüber waren, dass sie im Ausland widerrechtlich hergestellte Waren erworben und in die Schweiz eingeführt haben. Vielmehr soll verhindert werden, dass Piraterieprodukte den Weg über die Grenze auf den schweizerischen Markt oder umgekehrt ins Ausland finden. Dem Markeninhaber stehen zu diesem Zweck namentlich sämtliche Rechtsbehelfe im Bereich der Hilfeleistung der Zollbehörden zur Verfügung.

Da die Regelung des Ausschliesslichkeitsrechts in Artikel 13 MSchG auch auf Herkunftsangaben nach den Artikeln 47 ff. MSchG anwendbar ist, kommt dessen Ausdehnung auch den Inhabern geschützter Herkunftsangaben zugute.

Art. 13 Abs. 2 Bst. d, 61 Abs. 1 Bst. b, 62 E-MSchG

Inhalt des Ausschliesslichkeitsrechts: Ausdehnung auf die Durchfuhr

Um in allen Bereichen des Immaterialgüterrechts eine möglichst einheitliche Regelung zu erreichen, wird das Ausschliesslichkeitsrecht des Markeninhabers mit Blick auf die Durchfuhr in gleicher Weise ausgedehnt wie im Patentrecht. Die Ergänzung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe d E-MSchG entspricht deshalb inhaltlich dem neuen Artikel 8 Absatz 2 E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden.

132

Trotz unterschiedlichem Wortlaut stimmen die Handlungen, welche nach Artikel 61 MSchG eine strafbare Markenrechtsverletzung ausmachen, mit dem Katalog der Ausschliesslichkeitsrechte des Markeninhabers nach Artikel 13 Absatz 2 MSchG inhaltlich überein. Um diese Kohärenz beizubehalten, wird in Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe b E-MSchG explizit festgehalten, dass die Ein- und Ausfuhr sowie neu auch die Durchfuhr von widerrechtlich mit einer Marke versehenen Waren strafbar sind. Die Strafbarkeit der widerrechtlichen Durchfuhr entspricht der Regelung des Designgesetzes, welches in Artikel 41 Absatz 1 DesG jeglichen widerrechtlichen Gebrauch des Designs für strafbar erklärt, wozu nach Artikel 9 Absatz 1 DesG grundsätzlich auch die Durchfuhr gehört.

Nach der geltenden Regelung von Artikel 62 Absatz 3 MSchG wird wegen betrügerischen Markengebrauchs bestraft, wer Waren, von denen er weiss, dass sie zur Täuschung im geschäftlichen Verkehr dienen sollen, einführt, ausführt oder lagert.

In der neuen Fassung von Artikel 62 Absatz 3 E-MSchG gilt dies auch für die Durchfuhr solcher Waren.

Art. 41 Abs. 1 E-MSchG

Weiterbehandlung

Artikel 41 MSchG setzt gegenwärtig die Rückweisung eines Gesuchs in Markensachen durch das IGE voraus, damit eine Weiterbehandlung verlangt werden kann.

Das IGE lässt durch seine liberale Auslegungspraxis jedoch auch ein Gesuch um Weiterbehandlung zu, ohne dass vorgängig ein Rückweisungsentscheid ergangen wäre, so z.B. wenn der Markeninhaber eine Frist versäumt hat und dies bemerkt, bevor das IGE die Rückweisung verfügt hat. Um Artikel 41 MSchG mit dieser bewährten Praxis in Einklang zu bringen, wird vorgeschlagen, Artikel 41 Absatz 1 MSchG anzupassen. Ein Gesuch um Weiterbehandlung des Verfahrens setzt somit keinen Rückweisungsentscheid in einer Markensache mehr voraus. Artikel 41 Absatz 1 E-MSchG übernimmt die Formulierung von Artikel 31 Absatz 1 DesG, welche ihrerseits mit der Regelung betreffend Patentsachen übereinstimmt. Vor dem Hintergrund, dass das IGE gestützt auf Artikel 40 MSchG den elektronischen Behördenverkehr im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege regeln kann, wird ausserdem auf das Erfordernis der Schriftlichkeit verzichtet.

Art. 53 Abs. 3 und 4 E-MSchG

Klage auf Übertragung der Marke

Artikel 53 Absatz 3 E-MSchG regelt in Anlehnung an Artikel 29 Absatz 3 PatG und Artikel 34 Absatz 3 DesG den Fall, dass gutgläubigen Dritten vor Anhebung der Abtretungsklage eine Lizenz oder andere Rechte eingeräumt worden sind.

Um jeden Zweifel auszuschliessen, werden in Absatz 4 ausdrücklich alle Schadenersatzansprüche vorbehalten. In Betracht fallen beispielsweise die Ansprüche der obsiegenden Klägerin gegenüber einer nichtberechtigten Hinterlegerin auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Einräumung einer Lizenz nach Absatz 3 entsteht und der durch die Gegenleistung des Lizenznehmers unter Umständen nicht voll gedeckt wird; oder, wenn die Abtretungsklage nicht gegen die nichtberechtigte Hinterlegerin selbst, sondern gegen deren «Rechtsnachfolgerin» geführt worden ist, die Ansprüche dieser Rechtsnachfolgerin gegenüber der nichtberechtigten Hinterlegerin.

133

Art. 54 E-MSchG

Mitteilung des Urteils

Die vorgeschlagene Regelung entspricht dem neuen Artikel 70a E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden (Ziff. 2.4.2).

Art. 55 Abs. 1 Bst. c und Art. 61 Abs. 2 E-MSchG

Auskunftsanspruch

Die Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe c E-MSchG und 61 Absatz 2 E-MSchG übernehmen für das Markenrecht den Regelungsgehalt von Artikel 35 Absatz 1 Buchstabe c DesG (zivilrechtlicher Schutz) bzw. Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe c DesG (strafrechtlicher Schutz). Es kann diesbezüglich auf die vorstehenden Erläuterungen zu Artikel 66 Absatz 1 Buchstabe b E-PatG verwiesen werden (Ziff. 2.4.2).

Art. 55 Abs. 4, 59 Abs. 5, 78a E-MSchG

Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung von Artikel 55 MSchG durch einen neuen Absatz 4 soll auch für das Markenrecht in Übereinstimmung mit Artikel 35 Absatz 4 DesG die Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers sowie die Möglichkeit des Klagebeitritts aller Lizenznehmer festgeschrieben werden. Es kann diesbezüglich auf die vorstehenden Erläuterungen zu den Artikeln 75 und 77 E-PatG verwiesen werden (Ziff. 2.4.3.4).

Artikel 38 Absatz 4 DesG betreffend die Beantragung von vorsorglichen Massnahmen wird in Artikel 59 Absatz 5 E-MSchG übernommen. Die Übergangsbestimmung von Artikel 78a E-MSchG entspricht derjenigen von Artikel 52 Absatz 4 DesG.

Art. 55 Abs. 2bis E-MSchG

Leistungsklage

Der neue Artikel 55 Absatz 2bis übernimmt für das Markenrecht dieselbe Regelung, wie sie bereits in Artikel 35 Absatz 3 DesG gilt bzw. neu für Artikel 73 Absatz 3 E-PatG vorgesehen ist. Damit wird im Interesse der Konsistenz und der Transparenz die Frage des Zeitpunkts des Rechtsschutzes in allen Registerrechten des Geistigen Eigentums einheitlich geregelt. Die Regel, wonach die Leistungsklage erst nach Eintragung der Marke im Register angehoben werden kann, ergibt sich aus dem Prinzip der Eintragung. Der Kläger kann jedoch rückwirkend den Schaden von demjenigen Zeitpunkt an geltend machen, seit dem der Beklagte Kenntnis vom Inhalt des Eintragungsgesuchs hatte. Die Schadenersatzpflicht des Beklagten setzt die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens voraus. Diese ist gegeben, sobald er vom Inhalt eines Eintragungsgesuchs und damit von der Widerrechtlichkeit der Zeichenbenutzung Kenntnis erhält. Umgekehrt ist der Beklagte nicht schadenersatzpflichtig, solange er nicht weiss, dass ein Eintragungsgesuch hängig und der Gebrauch des Zeichens somit die einzutragende Marke verletzen kann.

Art. 57 Abs. 1 E-MSchG

Einziehung im Zivilverfahren

Artikel 57 Absatz 1 E-MSchG übernimmt für das Markenrecht den Regelungsgehalt von Artikel 36 DesG. Es kann diesbezüglich auf die vorstehenden Erläuterungen zu Artikel 63 E-URG verwiesen werden (Ziff. 2.4.4.1).

134

Art. 61 Abs. 3 E-MSchG

Markenrechtsverletzung

Die vorgeschlagene Regelung entspricht dem neuen Absatz 3 von Artikel 81 E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen (Ziff. 2.4.2) verwiesen werden.

Art. 62 Abs. 2 und 3 E-MSchG

Betrügerischer Markengebrauch

Das Strafmass für den Spezialtatbestand des betrügerischen Markengebrauchs ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und Geldstrafe bis zu 700 000 Franken (Art. 62 Abs. 2 E-MSchG).

Gemäss Absatz 3 wird, wer Waren, von denen er weiss, dass sie zur Täuschung im geschäftlichen Verkehr dienen sollen, ein-, aus-, durchführt oder lagert, auf Antrag des Verletzten mit einer Geldstrafe bis zu 40 000 Franken bestraft.

Im Übrigen kann auf die Erläuterungen zu Artikel 81 Absatz 3 E-PatG (Ziff. 2.4.2) verwiesen werden.

Art. 63 Abs. 4 E-MSchG

Reglementswidriger Gebrauch einer Garantie- oder Kollektivmarke

Die vorgeschlagene Regelung entspricht dem neuen Absatz 3 von Artikel 81 E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen (Ziff. 2.4.2) verwiesen werden.

Art. 64 Abs. 2 E-MSchG

Gebrauch unzutreffender Herkunftsangaben

Die vorgeschlagene Regelung entspricht dem neuen Absatz 3 von Artikel 81 E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen (Ziff. 2.4.2) verwiesen werden.

Art. 70­72h E-MSchG

Hilfeleistung der Zollverwaltung

Die Neufassung der Artikel 70­72h E-MSchG über die Hilfeleistung der Zollverwaltung entspricht der neuen Regelung der Artikel 86a­86k E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen (Ziff. 2.4.2) sowie auf die Ausführungen unter Ziffer 1.4.2 verwiesen werden.

2.4.4.4

Änderung des Designgesetzes (Art. 9, 40, 46­49 E-DesG)

Art. 9 Abs. 1bis und 41bis E-DesG

Ausdehnung des Ausschliesslichkeitsrechts auf die Ein-, Aus- und Durchfuhr von gewerblich hergestellten Waren zu privaten Zwecken

Auch Gegenstände, welche Designrechte verletzen, werden vermehrt auch in kleinen Mengen von Einzelpersonen in die Schweiz eingeführt. Der neue Artikel 9 Absatz 1bis E-DesG entspricht dem neuen Artikel 13 Absatz 2bis E-MschG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden (Ziff. 2.4.4.3).

135

Art. 31 E-DesG

Weiterbehandlung bei Fristversäumnis

Gemäss Artikel 26a DesG kann das IGE den elektronischen Behördenverkehr im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege regeln. Deshalb wird im Gleichschritt mit dem Marken- und dem Patentrecht auf das Erfordernis der Schriftlichkeit des Weiterbehandlungsgesuchs verzichtet.

Art. 40 E-DesG

Mitteilung von Urteilen

Die vorgeschlagene Regelung entspricht dem neuen Artikel 70a E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden (Ziff. 2.4.2).

Art. 46­49 E-DesG

Hilfeleistung der Zollverwaltung

Die Neufassung der Artikel 46­49 E-DesG über die Hilfeleistung der Zollverwaltung entspricht der neuen Regelung der Artikel 86a­86k E-PatG. Es kann diesbezüglich auf die dortigen Erläuterungen (Ziff. 2.4.2) sowie auf die Ausführungen unter Ziffer 1.4.2 verwiesen werden. Die redaktionelle Ergänzung von Artikel 47 Absatz 1 E-DesG («klageberechtigt») ist erforderlich, weil die Klagebefugnis des Lizenznehmers nach Artikel 35 Absatz 4 DesG erst im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Designgesetz auf ausschliessliche Lizenznehmer beschränkt wurde, dabei aber die entsprechende Anpassung von Artikel 47 Absatz 1 DesG vergessen wurde.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund und auf Kantone und Gemeinden

Die vorgeschlagenen Änderungen des Patentrechts sind ganz überwiegend vom IGE zu vollziehen. Da das IGE betriebswirtschaftlich autonom ist, hat die Vorlage insoweit keine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt oder den Haushalt der Kantone und Gemeinden.

Ein gewisser Mehraufwand beim Bund ergibt sich aus der Verankerung der Hilfeleistung der Zollverwaltung im Patentgesetz und aus dem Ausbau jener Hilfeleistung in allen Spezialgesetzen des Immaterialgüterrechts, wobei namentlich das Tätigwerden der Zollbehörden auf die Durchfuhr ausgedehnt und ein vereinfachtes Verfahren zur Vernichtung von widerrechtlichen Waren eingeführt werden. Unter Berücksichtigung dieser neuen Aufgaben und der in den letzten Jahren festgestellten starken Zunahme von Pirateriefällen an der Grenze rechnet die Zollverwaltung mit einem Mehrbedarf von 8­10 Stellen, wovon eine bei der Oberzolldirektion anzusiedeln wäre. Durch die Möglichkeit der Zollbehörden, für ihre Tätigkeit Gebühren zu erheben, wird bereits ein massgeblicher Teil der entstehenden Verwaltungskosten gedeckt. Soweit Kosten beim Bund verbleiben (vor allem für die Sicherung von Beweismitteln, sofern später kein Haftungsprozess wegen unbegründeter Vernichtung geführt wird), werden diese dadurch gerechtfertigt, dass die Schweiz ein dem europäischen Standard entsprechendes Zollhilfeinstrumentarium zur Verfügung stellt und damit einen wirkungsvollen Beitrag im internationalen Kampf gegen Nachahmung und Piraterie leistet.

136

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3.2.1

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns

Patente sind ein Instrument für Investitionsanreize in Forschung und Entwicklung und sie werden als notwendige Vorbedingung angesehen für den Fortschritt von Wissenschaft und Technologie. Ein Patent auf eine Erfindung garantiert seinem Halter das Recht, andere von der kommerziellen Nutzung der geschützten technischen Erfindung auszuschliessen. Dabei besteht ein Ausgleich zwischen der Offenlegung detaillierter Informationen durch den Erfinder in der Patentschrift einerseits und der Gewährung eines zeitlich begrenzten Monopols für die kommerzielle Nutzung der Erfindung andererseits120. Das Patentsystem dient somit sowohl als Anreizsystem für die Schaffung neuen, ökonomisch wertvollen Wissens als auch als Mechanismus, dieses Wissen zu verbreiten.

Das ökonomische Argument für Patentschutz ist Marktversagen bei technologischem Wissen. Technologisches Wissen ist ein öffentliches Gut. Seine NichtAusschliessbarkeit (andere können von seiner Nutzung nicht ausgeschlossen werden) zusammen mit der Eigenschaft der Nicht-Rivalität (die Nutzung von technologischem Wissen einer Partei schliesst die Nutzung durch andere Parteien nicht aus oder begrenzt sie) führen unter der Bedingung eines freien Marktes dazu, dass der Anreiz, neues technologisches Wissen zu schaffen, verloren geht121. Dies ist das klassische Argument für einen regulativen Staatseingriff in der Form eines effektiven Systems geistiger Schutzrechte. Patente sind dazu da, einen Markt für Wissen zu schaffen für Innovatoren, der es ermöglicht, das Problem der Nicht-Ausschliesslichkeit zu bewältigen und zugleich die maximale Verbreitung von technologischem Wissen zu gewährleisten.

Die Patentdichte eines Landes ist ein zentraler Indikator für den Stand seiner technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Schweizer Unternehmen melden weltweit pro Einwohner am meisten Patente an, die sowohl beim Europäischen, beim US-amerikanischen als auch beim Japanischen Patentamt angemeldet werden (sog.

Triaden-Patente)122. Die Schweiz nimmt somit international eine Führungsposition ein. Patentschutz und Innovationskraft eines Landes gehören untrennbar zusammen123. Beide sind für den Wirtschaftsstandort Schweiz von grosser Bedeutung. Die gegenwärtig sehr gute Position der Schweiz ist jedoch weder unangefochten noch selbstverständlich124.

Betrachtet man die
Entwicklung der Patentanmeldungen, so weist die Biotechnologie weltweit überproportional ansteigende Zahlen auf. In der Schweiz zeigen gerade kleine Firmen das höchste Innovationspotenzial gemessen an Patenten pro Mitarbeiter, die in der Forschung und Entwicklung arbeiten125. Biotechnologische Forschung erfordert hohe und risikoreiche Investitionen; ausserdem können ihre Ergebnisse 120 121

122 123 124

125

Vgl. Erich Kaufer, The Economics of the Patent System, London, Paris, New York, 1989.

Vgl. Paul Geroski, Markets for Technology: Knowledge, Innovation and Appropriability.

In: Stoneman (ed.): Handbook of the economics of innovation and technological change, London, 1995.

Vgl. OECD, Compendium of Patent Statistics 2004, Paris, S. 22.

Vgl. OECD, Patents and Innovation: Trends and Policy Challenges, 2004, Paris, S. 9 ff.

So ist der Schweizer Trend bei den Triaden-Patenten im letzten Jahrzehnt konstant geblieben bis stagnierend im Vergleich zum international stark steigenden Trend anderer Länder. Vgl. OECD, Compendium of Patent Statistics 2004, Paris, S. 14.

Biotechnologie-Umfrage IGE, Ziff. 4.3, Figure 10

137

verhältnismässig leicht kopiert werden. Deshalb ist der Schutz des geistigen Eigentums eines der zentralen Anliegen der auf diesem Gebiet tätigen Forschungsinstitute und Unternehmen. Die Revision soll daher Rahmenbedingungen schaffen, welche ein innovatives Klima und die Entwicklung dieses Wirtschaftssektors begünstigen.

Sie soll dazu beitragen, dass es der Schweiz auch in Zukunft gelingt, sich bei der Technologieentwicklung unter den leistungsfähigsten Ländern zu behaupten.

Fragen des Schutzes von geistigem Eigentum sind heutzutage in ihrem internationalen Kontext zu sehen. Die Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung von geistigen Eigentumsrechten wird von Privatfirmen als entscheidender Faktor des internationalen Handels angesehen. Schweizer Biotechnologieunternehmen sind einem wachsenden internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Deshalb sind ein wirksamer Patentschutz und klare Vorschriften, die den konfliktfreien internationalen Handel begünstigen, Schlüsselfaktoren für Innovation und zugleich eine Vorbedingung, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Unterschiedliche nationale Systeme von Immaterialgüterrechten und unterschiedliche nationale Schutzniveaus bzw. unterschiedliche Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung können nichttarifäre Handelshemmnisse aufbauen126. Deshalb, und um Biotechnologieunternehmen die für sie notwendigen gleichen internationalen Investitionsrahmenbedingungen bieten zu können, hat die Angleichung des nationalen Rechts an die EG-Biotechnologie-Richtlinie eine wichtige Bedeutung für die Schweiz.

Im Jahr 2003 führte das IGE eine breite Umfrage bei den in der Bio- und Gentechnologie tätigen Unternehmen und Forschungsinstituten in der Schweiz durch. Diese ergab, dass die unklare rechtliche Situation bezüglich biotechnologischer Erfindungen in der Europäischen Union und der Schweiz (insbesondere im Vergleich mit den USA) von den befragten Unternehmen als problematisch empfunden wird. Die Teilnehmer der Umfrage befürworten daher grundsätzlich die Angleichung des Patentgesetzes an die EG-Biotechnologie-Richtlinie127.

Das Patentsystem ist ein wirtschaftspolitisches Instrument, das darauf abzielt, ein Interessengleichgewicht für verschiedene gesellschaftliche Gruppen herzustellen.

Einerseits soll es die richtigen und notwendigen Anreize für Investitionen in
Forschung und Entwicklung schaffen und einer möglichst breiten Verbreitung technologischen Wissens dienen. Andererseits soll das Patent als Ausschlussrecht zu keiner wesentlichen Zugangsbehinderung zu technologischem Wissen, insbesondere aber zu keiner Behinderung der Forschung führen.

Der Gesetzgeber hat dabei das richtige Gleichgewicht zu finden. Dies kann nur durch eine Reihe spezifischer Regulierungsmassnahmen innerhalb des Patentgesetzes geschehen, deren ökonomische Auswirkungen schwer empirisch zu überprüfen oder zu quantifizieren sind. Der Handlungsfreiraum wird dabei durch die internationalen Verpflichtungen der Schweiz begrenzt.

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält ein sorgsam austariertes Massnahmenpaket. Dieses stützt sich auf Konsultationen verschiedenster betroffener Gruppierungen in der Schweiz, berücksichtigt die aktuellen nationalen und internationalen Rahmenbedingungen und schöpft den vorhandenen Handlungsfreiraum aus.

126

Keith Maskus, Intellectual Property Rights in the Global Economy, Washington 2000, S. 110 ff.

127 Biotechnologie-Umfrage IGE, Ziff. 7.3 Figures 31 und 32.

138

3.2.2

Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen

Patentinhaber Ein wirksamer Patentschutz für biotechnologische Erfindungen ist nicht nur im Interesse weltweit operierender Pharma-Konzerne. Kleine forschungsintensive Biotechnologie-Unternehmen sind zur Finanzierung ihrer Forschungs- und Entwicklungskosten auf fremdes Kapital angewiesen. Investoren gehen das hiermit verbundene Risiko jedoch nur ein, wenn die für den Geschäftserfolg wesentlichen Produkte oder Verfahren durch Patente geschützt sind und Rechtssicherheit besteht. Da kleinere Unternehmen nicht immer über die notwendigen Ressourcen verfügen, Forschungsergebnisse in vermarktungsfähige Produkte umzusetzen, besteht ein Interesse an einer Kooperation mit anderen Unternehmen. Für viele kleine Biotechnologiefirmen sind oftmals Patente der einzige kommerzialisierbare Wertfaktor. Der Patentschutz sichert die Forschungsergebnisse und bietet eine gute Verhandlungsposition bei der Suche nach einem potenziellen Kooperationspartner.

Bedenken, dass Patente die biotechnologische Forschung behindern128, konnten bislang nicht bestätigt werden. Das IGE hat diese Bedenken in seine Biotechnologiebefragung mit aufgenommen und dazu ein Meinungsbild der unterschiedlichen Gruppierungen der biotechnologischen Industrie (Grossindustrie, kleine und mittlere Unternehmen, private und staatliche Forschung) in der Schweiz erstellt. Der vorliegende Gesetzesentwurf hat die jeweiligen Bedürfnisse in der Formulierung der konkreten Massnahmen berücksichtigt.

Konsumentinnen und Konsumenten Einerseits ist davon auszugehen, dass patentierte Produkte einen höheren Marktpreis haben als nicht patentierte Produkte. Andererseits dienen die einzelnen Massnahmen der Sicherstellung der biotechnologischen Forschung in der Schweiz und somit letzten Endes auch den Konsumentinnen und Konsumenten, denen, insbesondere im medizinischen Bereich, die Ergebnisse dieser Forschung zugute kommen. Insofern profitieren die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz mittelbar von der Gesetzesrevision. So schützen die vorgesehenen Massnahmen zur Bekämpfung von Nachahmung und Piraterie neben den Produzenten auch die Konsumentinnen und Konsumenten vor Täuschungen über Qualität und Echtheit von Produkten und dienen nicht zuletzt auch unter Sicherheitsaspekten dem Konsumentenschutz.

Landwirtschaft Patentierungen im Bereich der Landwirtschaft können
einerseits potenziell den Zugang von Pflanzenzüchtern zu Pflanzenmaterial erschweren und dadurch die Weiterentwicklung von Saatgut einschränken. Andererseits sorgt aber gerade das Forschungsprivileg dafür, dass patentierte pflanzliche Ressourcen für die Entwicklung neuer Sorten frei verwendet werden dürfen. Ferner haben die vorgesehenen Massnahmen zur Forschungsförderung einen direkten Einfluss auf die Sicherstellung und Verbesserung der Lebensmittelkette in der Schweiz und in der dritten Welt.

128

Für einen Überblick siehe: OECD Genetic Inventions, IPRs and Licensing Practices: Evidence and Policies, 2003. Insbesondere: Michael Heller/Rebecca Eisenberg, Can Patents Deter Innovation? The Anticommons in Biomedical Research. Science 1998, Vol. 280, S. 698­701.

139

So gehen Ergebnisse der biotechnologischen Forschung u.a. in verbesserte Produktionsmethoden für den Anbau von Mais, Weizen und Reis ein.

Entwicklungsländer Die in der Gesetzesvorlage vorgeschlagenen Massnahmen wirken sich nur in der Schweiz unmittelbar auf die Wirtschaft aus. Ausserhalb der Landesgrenzen haben Änderungen im nationalen Patentrecht keine direkten Effekte und vermögen erst recht nicht die wirtschaftliche Entwicklung der Länder der dritten Welt nachhaltig zu beeinflussen. Entwicklungsländer entziehen sich der territorialen Wirkung des Schweizer Patentrechts. Die vorgesehenen Massnahmen zielen auf einen positiven Innovationseffekt und insofern auch eine indirekte positive Auswirkung auf Entwicklungsländer. Die neuen Produkte/Prozesse werden mittel-/langfristig auch den Entwicklungsländern zur Verfügung stehen. Die Einführung einer Exportzwangslizenz für pharmazeutische Produkte sowie die Angabe der Quelle einer genetischen Ressource oder von traditionellem Wissen unterstützen Anliegen der Entwicklungsländer und ermöglichen ihnen, am Nutzen der betreffenden Erfindungen zu partizipieren. Es würden allerdings zu hohe Erwartungen in die Änderung des nationalen Patentrechts gesteckt, forderte man in diesem Kontext Lösungen von globalen Problemen wie der Ernährungssicherheit, der Gesundheitsvorsorge oderdes Umweltschutzes.

3.2.3

Beurteilung einzelner konkreter Massnahmen

Bei der Beurteilung der einzelnen konkreten Massnahmen ist es schwierig, ihre wirtschaftlichen Auswirkungen zu prognostizieren und zu quantifizieren. Überwiegend sind diese indirekter Art. Die im Folgenden aufgeführten einzelnen Massnahmen dienen insbesondere dem Bestand und der Weiterführung der Grundlagenforschung in der Schweiz. Positive wirtschaftspolitische Auswirkungen sind indirekt durch die nutzvolle Anwendung der zusätzlichen durch diese Massnahmen geförderten Forschungsergebnisse zu erwarten.

Ausschlüsse von der Patentierung Patentierungsausschlüsse beinhalten generell ein Potential der Behinderung zukünftiger Forschung, das im Rahmen des bestehenden Werte und Moralsystems bei der Formulierung der einzelnen Ausschlüsse des Patentrechts berücksichtigt werden sollte. Die vorgeschlagenen Ausschlüsse der Patentierung sind so gewählt, dass sie einerseits die gesellschaftspolitischen Befindlichkeiten von heute respektieren, andererseits aber der Forschung und Entwicklung in zukunftsorientierte Technologien, deren Reichweiten heute noch nicht absehbar sind, nicht vorgreifen oder diese behindern. Die Feinsteuerung der Forschungsentwicklung sowie die Verhinderung des Missbrauchs neuer Technologien kann aber nicht über das Patentrecht erfolgen, da dieses hierfür nicht das geeignete Instrument ist. Vielmehr muss dies eine Zielsetzung der jeweiligen Sachgesetzgebung bleiben, welche die Voraussetzungen und Modalitäten der Nutzung der Technologien regelt.

140

Forschungsprivileg In einem Bericht129 der OECD wurde festgestellt, dass die meisten OECD-Länder mit einem formellen oder informellen Forschungsprivileg einigermassen gut arbeiten. Trotzdem besteht ein Bedürfnis, die Abgrenzung zwischen Forschung und kommerziellem Nutzen und Folgeanforderungen für Lizenzvereinbarungen zu klären. Zwar kann ein breit angelegtes Forschungsprivileg Anreizverluste für Forschung in Forschungswerkzeuge bedeuten. Doch kann das Fehlen eines Forschungsprivilegs oder eine sehr restriktive Ausgestaltung eine negative Signalwirkung auf den Fortschritt der Grundlagenforschung haben. Im Vergleich mit anderen Mitteln, die den Zugang zu patentierten Forschungsergebnissen erleichtern, ist die Einführung eines Forschungsprivilegs als für die Schweiz sehr nutzbringend zu beurteilen.

Zwangslizenzen Zwangslizenzen setzen die Rechte des Patentinhabers teilweise ausser Kraft und sind insofern im Sinne einer Ausnahmeregelung zu verstehen, die einer restriktiven Handhabung unterliegen sollten. Zwangslizenzen bei DNA-Patenten erweisen sich insbesondere dort als angebracht, wo die Gefahr eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung von Patenten latent ist. Zwangslizenzen sind als eine Massnahme zu verstehen, die bei Problemfällen den Zugang zu Forschungsergebnissen und deren Weiterentwicklung sicherstellen soll. Ihre Wirksamkeit ergibt sich weniger aus der Häufigkeit, mit der sie ausgesprochen werden, als vielmehr aus dem Druck, den sie zugunsten einer einvernehmlichen Lösung zu erzeugen imstande sind.

Massnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie Nach Angaben der betroffenen Industrien (insbes. Uhren, Schmuck, Luxusgüter und Pharmazeutika) gehen jährlich Millionenbeträge durch Fälschung und Piraterie verloren130. Effektivere Massnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie im Rahmen des Patentgesetzes sind insofern dringend gefordert, auch unter Einbeziehung der entsprechenden Zollbestimmungen. Die Massnahmen zur Bekämpfung dieses Phänomens in der aktuellen Gesetzesvorlage sind grundsätzlich positiv zu beurteilen. Sie sollen das Aufkommen von Raubkopien und den daraus folgenden Schaden für die Produzenten der originalen Produkte verhindern bzw. eine effektivere Rechtsdurchsetzung ermöglichen.

3.2.4

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Vorlage auf die Gesamtwirtschaft ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Massnahmenkatalog überwiegend um Massnahmen der Feinregulierung handelt, die versuchen, ein bestehendes und gut funktionierendes Patentsystem zu verbessern, bzw. bestrebt sind, dieses den Bedürfnissen aktuellster technologischer Strömungen anzupassen.

129

OECD, Genetic Inventions, Intellectual Property Rights and Licensing Practices: Evidence and Policies, 2003.

130 Dass dies auch für Schweizer Unternehmen ein grosses Problem ist, wurde durch eine Umfrage des IGE bestätigt. Siehe: http://www.ipi.ch/D/jurinfo/documents/j10711d.pdf.

141

Der Sinn und Zweck von Immaterialgüterrechten ist die Erhöhung des Innovationsaufkommens in Märkten, in denen der freie Markt Innovation behindert. Innovation schafft mehr Arbeitsplätze, höheres Wachstum und damit eine Erhöhung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Die ökonomischen Auswirkungen der einzelnen Regulierungsmassnahmen im Patentbereich lassen sich nicht konkret messen, insbesondere weil Innovation und Patentschutz nicht als Glieder in einer linearen Kausalkette zu verstehen sind, sondern einem interaktiven Geflecht verschiedenster Faktoren131 des Innovationsprozesses unterliegen132.

Die Schweiz nimmt international bei der technologischen Entwicklung eine Spitzenposition ein. Dies gilt insbesondere für die Biotechnologie. In Europa rangiert sie nach der Zahl der Biotechnologieunternehmen auf Platz 6. Im Jahre 2004 gab es 138 Biotechnologieeinheiten133 in der Schweiz, darunter einige der innovativsten Biotechnologieunternehmen der Welt. Zusammen mit den USA, Japan, Grossbritannien und Deutschland gehört die Schweiz zu den wenigen Ländern, in denen bedeutende Pharma-Grundlagenforschung betrieben wird. Diese Position spiegelt sich insbesondere wieder in einem starken Patenrecht134 und einer vergleichsweise starken Nutzung des Patentrechts135 im internationalen Vergleich. Insofern ist das Patentsystem auch ein Ausdruck der innovativen Leistungsfähigkeit der Schweiz.

Bei den konkret vorgesehenen Regulierungsmassnahmen handelt es sich um Massnahmen, die einerseits Klarheit und Rechtssicherheit schaffen (Ausschlüsse von der Patentierung, Abgrenzung von Erfindung und Entdeckung, Schutz für Sequenzen und Teilsequenzen von Genen, private Nutzung, Züchterprivileg) und andererseits um Massnahmen, die den Innovationsprozess in der Schweiz anregen sollen (Abgrenzung, Schutz für Sequenzen und Teilsequenzen von Genen, Forschungsprivileg, Massnahmen zur Bekämpfung von Nachahmung und Piraterie).

Es ist davon auszugehen, dass ein Ausbau des Patentsystems zu einer Erhöhung des Handels mit Gütern, die mit technologischem Wissen behaftet sind, führt und dass dies den Markteintritt von Firmen, deren Geschäftskonzept auf wissensbasierten Gütern aufbaut, erleichtert. Ein Ausbau des Patentrechts wird voraussichtlich zu einer Erhöhung der Patentanmeldungen führen. Es ist davon auszugehen, dass
stärkere und klarer definierte Patentrechte zu einer Erhöhung des Innovationsaufkommens in der Biotechnologie führen.

In ihrer Reichweite unklar definierte Patente führen demgegenüber nicht nur zu mehr Rechtsunsicherheit, sondern beeinträchtigen auch die Qualität des Patentsystems. Dies kann dazu führen, dass Investitionen verringert werden und dass sich die Kommerzialisierung von Innovationen verzögert. Ferner kann dies bei kumulativen Technologien den technologischen Fortschritt verringern und das Niveau der 131 132

133 134 135

142

Siehe das Modell von Stepen Kline/Nathan Rosenberg, An Overview of Innovation, Washington 1986, S. 275­305.

Zu den verschiedensten Wirkungsmechanismen des Patentschutzes im Prozess des ökonomischen Wachstums siehe: Daniel, Gould, William Gruben, The role of intellectual property rights in economic growth, Journal of Development Economics, Vol. 48 (1996) 323­350.

Ernst & Young, 11th European Biotech Report, http://www2.eycom.ch/media/mediareleases/releases/20040513/en.aspx.

Siehe die Schweiz im internationalen Vergleich: William Park, Index of patent rights' Economic Freedom of the World, Annual Report, 2002, Chapter 2.

Vgl. OECD Compendium of Patent Statistics 2004 und Allansdottir, A., Bonaccorsi, A. et al.: Innovation and competitiveness in European Biotechnology, European Commission Enterprise papers No 7, 2002.

Rechtsfragmentierung erhöhen. Patente, die nicht oder nicht eindeutig mit den Patentierungskriterien übereinstimmen, geben mehr Anlass, den Wettbewerb unangemessen zu beeinflussen. Es ist naheliegend, dass eine geringere Patentqualität auch einhergeht mit einem höheren Niveau an Patentverletzungen und Patentklagen.

Dem tritt die Vorlage nicht nur durch spezifische Massnahmen im Bereich der Biotechnologie entgegen, sondern auch durch eine massvolle Stärkung des nationalen Verfahrens (fakultative Recherche, Berufsregelung für Patentanwälte, etc.).

In der Schweiz konnten weder übertrieben starke Abhängigkeiten von Vorgängerpatenten, die den Zugang zu Technologien versperren, bzw. Schwierigkeiten, technologische Gebiete wegen zu vieler und überlappender Patente zu erschliessen, noch ein systematischer Missbrauch des Patentsystems bei biotechnologischen Patenten festgestellt werden. Das Forschungsprivileg lässt sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die angewandte Forschung viel Raum und unterstellt letztlich nur die Vermarktung der Forschungsergebnisse dem Patentrecht. Dennoch beinhaltet die vorliegende Revision eine Reihe von Vorschlägen, welche das dem Patentsystem inhärente Ziel der Förderung der Forschung und Entwicklung sicherstellen: so etwa die Konkretisierung des Erfindungsbegriffs und der Voraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit durch das Erfordernis der konkreten Beschreibung der gewerblichen Anwendbarkeit von Nukleotidsequenzen und die relativierte Abhängigkeit bei überlappenden Nukleotidsequenzen. Die sorgsam austarierten Grenzen des Patentschutzes sollen in ihrer Wirkung dafür sorgen, dass eventuelle negative Auswirkungen auf den freien Markt auf ein Minimum beschränkt werden. Mit der Voraussetzung der konkreten Beschreibung der gewerblichen Anwendbarkeit einer Nukleotidsequenz werden spekulative Patentanmeldungen wirksam eingedämmt.

Für die Schweiz ist das Patentsystem (Patente und Lizenzen) ein wichtiger Anreiz für Investitionen in Forschung und Entwicklung und für die Schaffung von Innovationen, für die Stimulierung der Forschung und für die Verbreitung von Wissen. Die Vorlage festigt auf der Grundlage der bestehenden Rechtspraxis den Patentschutz für Erfindungen auf dem Gebiet der belebten Natur und klärt einzelne Abgrenzungsfragen. Die vorgeschlagenen Änderungen
verbessern den bestehenden Patentschutz für biotechnologische Erfindungen in der Schweiz. Sie fördern die Wettbewerbsfähigkeit der biotechnologischen Unternehmen und schaffen Rechtssicherheit, die für Investitionsentscheide in diesem Technologiebereich wesentlich ist.

3.2.5

Alternative Regelungen

Bei den vorgesehenen Regulierungsmassnahmen in der aktuellen Vorlage des revidierten Patentgesetzes handelt es sich überwiegend um Massnahmen, deren Alternative der Status quo wäre. Das Ziel der gegenwärtigen Revision ist es Einzelverbesserungen vorzunehmen und durch eine grösstmögliche Harmonisierung mit der Europäischen Union (Orientierung an der EG-Biotechnologie-Richtlinie) die Attraktivität des Standortes Schweiz zu verbessern. Die Schaffung eines eigenen Rechtssystems (sui generis) in diesem Zusammenhang liesse sich weder in Anbetracht der Funktionalität des bestehenden Systems noch unter Berücksichtigung des erheblichen Aufwands für dessen Erstellung rechtfertigen. Ferner würde dies international einen Alleingang der Schweiz darstellen und insofern mit den internationalen Verpflichtungen kollidieren.

143

3.2.6

Zweckmässigkeit im Vollzug

Mit der vorliegenden Gesetzesrevision wird der Vollzug des Patentrechts durch das IGE und die schweizerischen Gerichte optimiert. Die vorgeschlagenen Anpassungen des bestehenden Rechtsrahmens bringen erhöhte Rechtssicherheit und ermöglichen einen unkomplizierten und antizipierbaren Vollzug. Insbesondere die eindeutigere Definition der Ausschlüsse von der Patentierung schafft klarere Rahmenbedingungen für den Rechtsvollzug. Das Forschungsprivileg klärt die Grenze zwischen freier Forschung und dem Patentinhaber vorbehaltener gewerbsmässiger Benutzung der Erfindung und stellt somit auch die Folgeanforderungen für Lizenzvereinbarungen klar. Beides verbessert die Handhabung und Anwendung durch Private. Die Anpassung des Patentgesetzes an internationale Abkommen hat als Kernanliegen die Vereinfachung der Verfahren im internationalen Kontext sowie die Erhöhung der Transparenz. Die vorliegende Revision stärkt darüber hinaus durch einen massvollen Ausbau des Prüfungsverfahrens das nationale Patentsystem.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zum Finanzplan

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 als Richtliniengeschäft angekündigt (BBl 2004 1162 1192).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

5.1.1

Revisionspunkte im Bereich der Biotechnologie

Die verfassungsmässige Grundlage für die Änderung des Patentgesetzes zur Gewährleistung des Patentschutzes für biotechnologische Erfindungen ergibt sich, wie für das Patentgesetz selbst, aus den Artikeln 122 und 123 BV. Die Konkretisierung des Vorbehalts der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten in Artikel 2 Absatz 1 E-PatG erfolgt in Übereinstimmung mit den Artikeln 119 und 120 BV.

5.1.2

Ratifikation des Patentrechtsvertrags

Der Entwurf stützt sich wie das geltende Gesetz auf die Artikel 122 und 123 BV.

Die verfassungsmässige Grundlage für den Antrag zur Ratifikation des internationalen Abkommens ist Artikel 54 Absatz 1 BV.

5.1.3

Weitere Revisionspunkte

Für die weiteren Revisionspunkte bilden wie für den revidierten Grunderlass die Artikel 122 und 123 BV die Verfassungsgrundlage.

144

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

In der Frage der Patentierung von Erfindungen, die biologisches Material zum Gegenstand haben, kommt dem TRIPS-Abkommen und den daraus für die Schweiz resultierenden Verpflichtungen besondere Bedeutung zu. Artikel 27 Absatz 1 des TRIPS-Abkommens schreibt den Mitgliedstaaten der WTO vor, sowohl für Erzeugnis- als auch für Verfahrenserfindungen auf allen Gebieten der Technik Patente zu erteilen, sofern diese Erfindungen neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Diese Vorschrift gebietet ausdrücklich, dass die Erteilung und Ausübung von Patentrechten ohne Diskriminierung aufgrund des Gebietes der Technik zu erfolgen habe. Das Diskriminierungsverbot steht allerdings Differenzierungen, die wegen der Besonderheiten eines Technikbereichs geboten sind, nicht entgegen136.

Ein Patentierungsausschluss von Erfindungen, die biologisches Material zum Gegenstand haben, ist in den Grenzen von Artikel 27 Absätze 2 und 3 des TRIPSAbkommens statthaft. Artikel 27 Absatz 2 des TRIPS-Abkommens bestimmt, dass die WTO-Mitglieder Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschliessen können, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschliesslich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt notwendig ist. Es ist zu beachten, dass die Verwertung der Erfindung zum Schutz höherer Interessen insgesamt verboten sein muss. Artikel 27 Absatz 3 Buchstabe b des TRIPS-Abkommens hält zudem fest, dass Pflanzen und Tiere sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden können. Mit der Wendung «im Wesentlichen biologischen Verfahren» soll in erster Linie für die traditionellen Züchtungsverfahren, nicht jedoch für gen- bzw.

biotechnologische Verfahren oder Verfahren der Mikrobiologie ein möglicher Patentierungsausschluss geschaffen werden137. Artikel 27 Absatz 3 Buchstabe b des TRIPS-Abkommens stellt jedoch klar, dass Mikroorganismen, nicht-biologische sowie mikrobiologische Verfahren patentierbar sind. Gleichzeitig wird festgeschrieben, dass die WTO-Mitglieder den Schutz von Pflanzensorten entweder durch Patente oder durch ein wirksames
System sui generis oder durch eine Kombination beider Schutzsysteme vorsehen müssen. Die vorgeschlagenen Änderungen des Patentgesetzes im Bereich der Biotechnologie tragen den genannten Verpflichtungen aus dem TRIPS-Abkommen Rechnung. Sie stehen auch in Übereinstimmung zur Biodiversitätskonvention, deren Ziele die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Artenvielfalt sowie der Ausgleich der daraus entstehenden Vorteile sind. Artikel 49a E-PatG sieht Transparenz erhöhende Massnahmen vor, welche die Erreichung der genannten Ziele unterstützen.

Die weiteren Anpassungen des Patentgesetzes, die namentlich im Hinblick auf die Ratifizierung des Patentrechtsvertrages vorgeschlagen werden, sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz konform. Hervorzuheben ist, dass die Arti136

Kanada ­ Patentschutz für pharmazeutische Produkte, Entscheid vom 17. März 2000, angenommen am 7. April 2000, WT/DS114/R, 7.92.

137 Carlos Correa, The Gatt Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights: New Standards for Patent Protection, European Intellectual Property Review 1994, S. 328.

145

kel 86a­86k E-PatG betreffend die Hilfeleistung der Zollverwaltung inhaltlich mit den Artikeln 51­60 des TRIPS-Abkommens sowie den entsprechenden Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft übereinstimmen.

5.3

Erlassform

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die Genehmigung des Patentrechtsvertrages ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Es bleibt zu prüfen, ob der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV dem fakultativen Referendum zu unterstellen ist. Völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 1 BV), die den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 2 BV) und die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 BV), sind dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Der Patentrechtsvertrag ist jederzeit kündbar (Art. 24 PLT). Die Ratifikation des Patentrechtsvertrags setzt sodann zwar den Beitritt zur WIPO oder die Mitgliedschaft in der PVÜ voraus (Art. 20 PLT). Über diesen Beitritt beziehungsweise diese Mitgliedschaft ist jedoch nicht im Rahmen des vorliegenden Geschäfts zu beschliessen; die Schweiz ist schon seit dem 26. April 1970 Mitglied der WIPO und seit dem 7. Juli 1884 Mitglied der PVÜ.

Es bleibt daher zu bestimmen, ob die Übereinkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder den Erlass von Bundesgesetzen erfordern. Unter rechtsetzenden Bestimmungen versteht man gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes138 Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generellabstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten im innerstaatlichen Recht Bestimmungen, die gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

Eine inhaltliche Bewertung des Patentrechtsvertrags erweist sich als schwierig: Er beinhaltet eine grosse Zahl rechtstechnischer bzw. verfahrenstechnischer Bestimmungen. Obschon ihre Bedeutung für das internationale Patentrecht erheblich ist, beschlagen sie doch lediglich ein eng begrenztes Sachgebiet. Zudem richten sie sich in erster Linie an den Gesetzgeber. Es braucht indessen nicht abschliessend geklärt zu werden, ob es sich bei diesen Vorschriften um wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV handelt. In jedem Falle erfordert die Ratifizierung des Patentrechtsvertrags die Umsetzung auf Gesetzesstufe. Daraus folgt, dass der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Patentrechtsvertrags dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen ist.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Eine Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an den Bundesrat ist in Artikel 40d Absatz 5, Artikel 56 Absatz 3, Artikel 59d Absatz 4 sowie in Artikel 65 Absätze 1 und 2 E-PatG vorgesehen.

138

146

Bundesgesetz vom 13. Dez. 2002 über die Bundesversammlung; SR 171.10.

Artikel 40d Absatz 5 E-PatG überträgt dem Bundesrat, die Einzelheiten in Bezug auf die Zuerkennung der Zwangslizenz für den Export von Arzneimitteln zu regeln. Die hohe Detaildichte der Entschliessung des Generalrats der WTO vom 30. August 2003 macht eine Entlastung des Gesetzestextes erforderlich. Der Regelungsgegenstand wird in den Erläuterungen zu Artikel 40d E-PatG (Ziff. 2.3) näher umschrieben. Der Bundesrat ist bei der Ausübung der ihm übertragenen Rechtsetzungsbefugnisse darüber hinaus an die Entschliessung des Generalrats der WTO vom 30. August 2003 gebunden.

Artikel 56 Absatz 3 E-PatG ermächtigt den Bundesrat, Einzelheiten für die Zuerkennung des Anmeldedatums entsprechend Artikel 5 PLT in der Verordnung zu regeln. Schon heute findet sich in Artikel 46 PatV entsprechende Ausführungsbestimmungen. Auch bei dieser Delegation geht es um eine Entlastung des Gesetzes.

Inhaltlich ist die delegierte Rechtssetzungsbefugnis durch Artikel 5 PLT und die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen festgelegt. Es kann auf die entsprechenden detaillierten Erläuterungen verwiesen werden (Ziff. 2.2.3).

Artikel 59c Absatz 4 E-PatG überträgt dem Bundesrat, die Einzelheiten des Einspruchsverfahren vor dem IGE in Ergänzung des grundsätzlich anwendbaren Verwaltungsverfahrensgesetzes zu regeln. Der Bundesrat wird sich dabei an den bestehenden Artikeln 73 ff. PatV orientieren.

Die Ausführungsvorschrift zu Artikel 65 Absatz 1 zweiter Satz E-PatG findet sich bereits in Artikel 89 Absatz 2 PatV. Diese Bestimmung stellt die Geheimhaltung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen sicher, soweit das Offenbarungsgebot nicht ihre Bekanntgabe erfordert. Sie hat sich bewährt und soll beibehalten werden.

Schliesslich enthält Artikel 65 Absatz 2 E-PatG eine Ermächtigung des Bundesrates, einen früheren Zeitpunkt für die Einsicht im Aktenheft vorzusehen, als in Artikel 65 Absatz 1 E-PatG festgelegt wird. Hier geht es ebenfalls darum, eine zu hohe Regelungsdichte auf Gesetzesstufe zu vermeiden. Inhaltlich beschränkt sich die Delegation darauf, die bewährte detaillierte Regelung von Artikel 90 PatV an den geänderten Zeitpunkt der Akteneinsicht anzupassen.

147

Glossar Access and benefit sharing

Zugang zu genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen sowie Aufteilung der aus deren Nutzung entstehenden wirtschaftlichen und anderen Vorteile.

Aminosäure

Grundbaustein der Proteine. Die DNA kodiert für 20 verschiedene Aminosäuren, wobei jeweils drei Nukleotide für eine Aminosäure codieren.

f = acide aminé i = amminoacido o aminoacido Biologisches Material

Material, das genetische Information enthält und sich selber reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann (Art. 2 Abs. 1 Bst. a EG-Biotechnologie-Richtlinie).

f = matériel biologique i = materiale biologico Biotechnologie

Integrierte Anwendung von Biochemie, Molekularbiologie, Mikrobiologie und Verfahrenstechnik mit dem Ziel, die technische Nutzung des Potentials der Mikroorganismen, Zell- und Gewebekulturen sowie Teilen davon zu erreichen.

f = biotechnologie i = biotecnologia Blastozyste

Ein Embryo vom 4. bis 7. Entwicklungstag. Die Blastozyste besteht aus einer äusseren Zellgruppe, aus der die Plazenta hervorgeht (Trophoblast), und der inneren Zellmasse, aus der sich der Embryo bzw.

Fötus entwickelt (Embryoblast).

f = blastocyste i = blastociste Chimäre

f = chimère i = chimera 148

Nicht einheitlich verwendeter Begriff.

1. FmedG: Chimärenbildung: die Vereinigung totipotenter Zellen aus zwei oder mehreren genetisch unterschiedlichen Embryonen zu einem Zellverband.

2. Biologisch: Ein Individuum, das aus genetisch verschiedenen Zellen zusammengesetzt ist («Mosaik»), namentlich Individuen aus artverschiedenen Geweben (z.B. «Schiege» aus Schaf und Ziege).

Kann durch Injektion einer oder mehrerer fremder Zellen in die Blastozyste hergestellt werden, entsteht strenggenommen auch bei einer Organtransplantation. Vgl. Hybrid

Derivierter Stoffschutz

Einbezug der unmittelbaren Erzeugnisse (Stoffe) eines patentierten Herstellungsverfahrens unter den Patentschutz für das Verfahren.

f = protection dérivée du produit i = protezione derivata del prodotto Differenzierung

Siehe Zelldifferenzierung.

f = différenciation i = differenziamento DNA/DNS

DNA (englisch) = Desoxyribonucleic acid; DNS (deutsch) = Desoxyribonukleinsäure. Langes, lineares Molekül, aufgebaut aus den vier Desoxyribonukleotiden (vgl. Nukleotide). Die DNA ist die Trägersubstanz der Erbinformation. Sie liegt als Doppelhelix vor, bestehend aus zwei entgegenlaufenden, komplementären Strängen.

f = ADN/Acide désoxyribonucléique i = ADN/acido desossiribonucleico Embryo

Nicht einheitlich verwendeter Begriff.

Das FMedG definiert ihn als Frucht von der Kernverschmelzung bis zum Abschluss der Organentwicklung.

f = embryon i = embrione Embryoblast

Innere Zellmasse der Blastozyste, aus der sich der Embryo entwickelt. Die Zellen dieser inneren Zellmasse sind pluripotent.

f = embryoblaste i = embrioblasto Embryonale Stammzellen

Pluripotente Stammzellen, die der inneren Zellmasse der Blastozyste entnommen werden.

f = cellules souches embryonnaires i = cellule staminali embrionali Expression

Umsetzung der in einem Gen enthaltenen Information in das entsprechende Genprodukt, d.h. eine RNA oder ein Protein.

f = expression i = espressione

149

Fötus

Die Frucht vom Abschluss der Organentwicklung bis zur Geburt. Vgl. Embryo.

f = foetus i = feto Gen

Funktioneller Abschnitt auf der DNA.

f = gène i = gene Generikum

Arzneimittel, das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche pharmazeutische Darreichungsform aufweist wie das Referenzarzneimittel und dessen Bioequivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde.

f = medicament generique i = medicinale generico Genom

Gesamtheit der genetischen Erbinformation, beim Menschen enthalten in den Chromosomen.

f = génome i = genoma Gentechnologie

Aus der Molekularbiologie hervorgegangene Verbindung von Methoden. Sie ermöglicht es, Gene zu identifizieren, zu isolieren und in vitro (im Reagenzglas) neu zu kombinieren sowie gezielt auf andere Organismen ­ auch über Artgrenzen hinweg ­ zu übertragen und dort zur Wirkung zu bringen.

f = génie génétique i = ingegneria genetica Hybride

f = hybride i = ibrido

150

Nicht einheitlich verwendeter Begriff.

1. FmedG: Hybridbildung: das Bewirken des Eindringens einer nichtmenschlichen Samenzelle in eine menschliche Eizelle oder einer menschlichen Samenzelle in eine nichtmenschliche Eizelle.

2. Biologisch: Nachkomme von Individuen genetisch unterschiedlicher Populationen (Rassen, Arten, Gattungen). Alle Körperzellen eines hybriden Individuums sind genetisch gleich, im Unterschied zu Chimären. Ein Beispiel aus dem Tierreich ist der Maulesel, eine Kreuzung zwischen Pferd und Esel.

Vgl. Chimäre.

Keimbahntherapie

Therapeutischer Eingriff in das Genom von Keimbahnzellen (u.a. Spermien und Eizellen). Ein derartiger Eingriff hat zur Folge, dass sich die genetische Veränderung auf alle nachfolgenden Generationen vererbt.

f = thérapie génique germinale i = terapia germinale Keimzellen

Eizellen und Samenzellen.

f = cellules germinales i = cellule germinali Klonen

Künstliche Erzeugung genetisch identischer Organismen.

f = clonage i = clonazione Nukleinsäure

Lineares Molekül, welche aus Nukleotiden aufgebaut ist.

f = acide nucléique i = acido nucleico Nukleotide

Bausteine der Nukleinsäuren. Desoxyribonukleotide (DNA-Bausteine) bestehen jeweils aus einer Base (A=Adenin; T=Thymin; C=Cytosin; G=Guanin), einer Zuckereinheit (Desoxyribose) und einem Phosphorsäurerest, der im DNA-Strang das Brückenglied zum nächstgelegenen Nukleotid bildet.

Ribonukleotide (RNA-Bausteine) sind ähnlich zusammengesetzt. Sie bestehen ebenfalls jeweils aus einer Base (A=Adenin; U=Uracil; C=Cytosin; G=Guanin), einer Zuckereinheit (Ribose) und einem Phosphorsäurerest.

f = nucléotides i = nucleotide Nukleotidsequenz

Nukleinsäure definierter Länge und Abfolge der Nukleotide.

f = séquence de nucléotides i = sequenza nucleotidica Parthenogenese

Sog. Jungfernzeugung; eingeschlechtliche Fortpflanzung aus unbefruchteten Eizellen.

f = parthénogénèse i = partenogenesi Parthenote

Organismus, der aus einer unbefruchteten Eizelle hervorgegangen ist.

f = parthénote i = partenote 151

Pluripotente Zelle

Zelle, die sich unter bestimmten Voraussetzungen in alle verschiedenen Zelltypen eines Organismus differenzieren kann. Eine pluripotente Zelle kann sich jedoch im Unterschied zu einer totipotenten Zelle nicht zu einem ganzen Individuum entwickeln.

Der Begriff wird nicht immer einheitlich verwendet.

f = cellule pluripotente i = cellula pluripotente Protein

Eiweiss; Polymer, das aus einer oder mehreren linearen Kette(n) der 20 verschiedenen proteinbildenden Aminosäuren aufgebaut ist.

f = protéine i = proteina PCR/Polymerase-Kettenreaktion

PCR (engl.) = Polymerase Chain Reaction. Elementares Verfahren der Gentechnologie, das erlaubt, sehr kleine Mengen von Nukleotidsequenzen zu vervielfältigen.

f = réaction en chaîne par polymérase i = reazione a catena della polimerasi RNA/RNS

RNA (englisch) = Ribonucleic acid; RNS (deutsch) = Ribonukleinsäure. Unterschiedlich langes, lineares Molekül, aufgebaut aus Ribonukleotiden (vgl.

Nukleotide).

f = ARN/Acide ribonucléique i = ARN/acido ribonucleico Sequenzierung

Bestimmung der Reihenfolge der Bausteine in einem polymeren Molekül, z.B. Abfolge der Nukleotide in der DNA oder der Aminosäuren in einem Protein.

f = séquençage i = sequenziamento Somatische Gentherapie

f = thérapie génique somatique i = terapia genica somatica

152

Therapeutischer Eingriff in das Erbgut von Körperzellen. Im Unterschied zur Keimbahntherapie wird eine durch einen solchen Eingriff verursachte Veränderung nicht an die Nachkommen weitervererbt.

Stammzelle

Nicht ausdifferenzierte Zelle eines Embryo, Fötus oder geborenen Individuums, die sich durch die Fähigkeit zur Selbsterneuerung sowie zur Differenzierung in spezialisierte Zelltypen auszeichnet.

f = cellules souche i = cellula staminale Stammzelllinie

Stammzellen, die in spezifischen Nährmedien über längere Zeiträume kultiviert werden können und sich durch bestimmte Merkmale und Zellfunktionen auszeichnen.

f = lignée de cellules souches i = linea di cellule staminali Totipotente Zelle

Zelle mit der Fähigkeit, sich in ein vollständiges Individuum zu entwickeln. Totipotent sind die befruchtete Eizelle sowie die Embryonalzellen bis etwa zum 8-Zell-Stadium. Vgl. pluripotente Zelle.

Der Begriff wird nicht immer einheitlich verwendet.

f = cellule totipotente i = cellula totipotente Transgene Tiere/Pflanzen

Gentechnisch veränderte Tiere bzw. höhere Pflanzen, in deren Genom mit Hilfe der Gentechnik fremde, an die Nachkommen vererbbare Gene eingeführt wurden.

f = animaux/plantes transgéniques i = animali transgenichi/ piante transgeniche Zelldifferenzierung

Vorgang, bei dem sich eine Zelle zu einem spezialisierten Zelltyp entwickelt.

f = différenciation cellulaire i = differenziamento cellulare Zelllinie

Eine aus Zellen eines bestimmten Ursprungs etablierte Zellkultur, die in spezifischen Nährmedien kultiviert werden kann und sich durch bestimmte Merkmale und Zellfunktionen auszeichnet. Eine embryonale Stammzelllinie wird aus Zellen des Embryoblasten gebildet.

f = lignée cellulaire i = linea cellulare

153

154