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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Revision des Bundesgesetzes betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse (Vom 18. März 1951)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Auf Grund des vom Nationalrat am 19. März 1946 angenommenen Postulates Haeberlin haben wir Ihnen am 1. Dezember 1950 einen Bericht zugestellt über die Beigabe einer amtlichen Erläuterung zu den Abstimmung«vorlagen.

Darin haben wir Ihren Entscheid über folgende drei Fragen erbeten: 1. Sind überhaupt dem Bürger amtliche Erläuterungen zu den Abstimmungsvorlagen mitzugeben?

2. Soll dies bei allen oder nur bei bestimmten Abstimmungen geschehen ?

8. Soll die Erläuterung von der Bundesversammlung oder vom Bundesrat oder von beiden Behörden zusammen ausgehen ?

Nachdem die Priorität dem Nationalrat zugewiesen worden war, hatte sich die Kommission dieses Eates als erste auszusprechen. In ihrer Sitzung vom 28. Februar 1951 vertrat diese Kommission die Auffassung, dass es bei sämtlichen Abstimmungen gerechtfertigt erscheine, eine Botschaft an die Stimmberechtigten zu richten, dass aber dieser Gedanke durch die Gesetzgebung verwirklicht werden sollte und nicht durch eine auf eine blosse Stellungnahme der eidgenössischen Bäte b e r u h e n d e Praxis. Zur dritten Frage hielt sie dafür, dass diese Botschaft von der Bundesversammlung ausgehen sollte und in ihrem Namen von einer aus Vertretern der Legislative und der Exekutive zusammengesetzten Kommission zu redigieren sei. Demgomäss ersuchte sie den Bundesrat, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

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Es fragt sich, ob die nationalrätliche Kommission von sich aus berechtigt sei, eine Vorlage über eine Gesetzesrevision oder einen Gesetzesentwurf zu verlangen, ohne sich der reglementarischen Form einer von beiden Bäten zu behandelnden Motion zu bedienen? Diese Frage ist ohne weiteres zu bejahen, da die Kommission eigentlich den Bundesrat nur ersucht, die Anträge, die sie an den Nationalrat zu stellen hat, in Gesetzesform zu kleiden. Das hat unseres Erachtens auch zur Folge, dass die Priorität für die Behandlung unseres Gesetzesentwurfes dem Nationalrat zusteht und dass die von ihm ira Dezember ernannte Kommission zur Prüfung der Frage der Beigabe einer amtlichen Erläuterung zu den Abstimmungsvorlagen sich ohne weiteres mit dem Gesetzesentwurf befassen kann, den wir heute den eidgenössischen Bäten vorlegen.

Bevor wir Ihnen einen Text für eine gesetzliche Ordnung der amtlichen Erläuterung der Abstimmungsvorlagen unterbreiten, möchten wir die Frage beantworten, in welches Gesetz diese Bestimmungen einzubauen wären.

Zunächst scheint es, dass eine Bestimmung über die Erläuterung der Abstimmungsvorlagen in das Gesetz von 1872 gehört, ein Gesetz, das sowohl bei den Abstimmungen über Verfassungsfragen Anwendung findet (Revision der Bundesverfassung auf Antrag der Bundesbehörden, Bevision auf dem Wege der Initiative, dringlicher auf Artikel 89Ws, Absatz 3, der BV gestützter Bundesbeschluss) als auch bei den Abstimmungen über ein Bundesgesetz oder einen allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss, gegen den das Beferendum ergriffen wurde. Wenn man aber die Vorschriften des Gesetzes von 1872 durchgeht, so muss man feststellen, dass sie ausschliesslich die Stimmrechtsausübung, die Stimmregister, die Form der Stimmabgabe, die Protokolle der Abstimmungs- und Wahlverhandlungen und andere damit zusammenhängende Fragen betreffen. Bestimmungen über die Erläuterung der Abstimmungsvorlagen würden in diesem Gesetz zweifellos als Fremdkörper erscheinen.

Nach seinem Titel regelt das Gesetz von 1892 nicht nur das Verfahren bei Initiativen, sondern auch die «Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung», gleichgültig, ob es sich um von den Behörden oder durch Initiative vorgeschlagene Verfassungsbestimmungen handelt. Mit Ausnahme der Bestimmungen über die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses und die Abstimmungsprotokolle regelt jedoch das Gesetz von 1892 lediglich das Verfahren bei Initiativen in der Phase, die den für die Volksabstimmung zu treffenden Massnahmen vorausgeht. Unter diesen Umständen glauben wir, dass die Vorschriften über die Erläuterung der Abstimmungsvorlagen auch nicht in das Bundesgesetz von 1892 gehören.

Somit bleibt noch das Bundesgesetz von 1874. Gewiss regelt dieses gemäss seinem Titel und seinem Inhalt nur die auf Grund eines zustandegekommenen Referendums nötig gewordenen Abstimmungen. Aber Artikel 16 des Bundesgesetzes von 1892 sieht vor, dass die Bestimmungen des Bundesgesetzes von

765 1874 auch für die auf Grund einer Initiative angeordneten Abstimmungen gelten. Eine ins Gesetz von 1874 aufgenommene Bestimmung über die Erläuterung der Abstimmungsvorlagen wäre daher sowohl auf die durch eine Initiative als auf die durch ein fakultatives Referendum veranlassten Volksabstimmungen anwendbar. Die Praxis hat immer anerkannt, dass die auf die beiden erwähnten Arten von Abstimmungen anwendbaren Begeln auch für Abstimmungen über Verfassungstexte der Bundesversammlung gelten. Daher wird die Bestimmung über die Erläuterung der Abstimmungsvorlagon auch für die Abstimmungen dieser dritten Art wirksam. Das gleiche gilt ebenso für die Abstimmungen in den Fällen von Artikel 89bls, Absatz 8, der Bundesverfassung.

Aus diesen Gründen beantragen wir Ihnen, die Bestimmung über die Erläuterung der Abstimmungsvorlagen ins Gesetz von 1874 aufzunehmen hinter der Vorschrift des Artikels 9, Absatz 2, wonach die Abstimmung nicht früher als vier Wochen nach geschehener ausreichender Bekanntmachung des fraglichen Bundesgesetzes oder Bundesbeschlusses stattfinden kann.

Zweifellos könnte man auch einen besonderen Erlass vorsehen, wodurch deutlicher gemacht würde, dass die fragliche Bestimmung auf alle Arten von Abstimmungen anwendbar ist. Um die Zahl der Erlasse über Abstimmungen und Wahlen nicht unnötig zu vermehren, haben wir es vorgezogen, ein bereits in Kraft stehendes Gesetz zu ergänzen.

Nach diesen Darlegungen haben wir noch den Text für die Bestimmung vorzuschlagen, welche die erläuternden Botschaften einführt und festsetzt, von welcher Behörde sie auszugehen habe und wer für die Eedaktion verantwortlich ist. Wir überlassen es den eidgenössischen Bäten, die Zweckmässigkeit der in Frage stehenden Massnahme zu beurteilen und berufen uns auf die in unserem Bericht vom 1. Dezember 1950 enthaltenen Erläuterungen. Damit schlagen wir Ihnen als dritten und vierten Absatz zu Artikel 9 des Gesetzes von 1874 folgenden Text vor: «Vor jeder Abstimmung ist den Stimmberechtigten mit der Abstimmungsvorlage eine erläuternde Botschaft zuzustellen.

Die Botschaft ist von einer Kommission zu verfassen, bestehend aus den Präsidenten beider Eäte, den Berichterstattern der Kommissionen und dem Vorsteher des zuständigen Departementes. Den Vorsitz in der Kommission führt der Präsident des Bates, dem die Priorität zukam.»

Der erste Absatz von Artikel 9 sieht heute vor, «dass die Stimmgebung des schweizerischen Volkes auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft an einem und demselben Tag erfolge». Nachdem die Stimmabgabe am Samstag in den meisten Kantonen in grösserem oder kleinerem Umfange eingeführt

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wurde, ist die erwähnte Fassung etwas zu eng geworden. Wir beantragen, die Gelegenheit der Revision zu benützen, um den Text der heutigen und vielleicht zukünftigen Lage anzupassen durch Vorausstellung der Worte: «Unter Vorbehalt der vom Bundesrecht vorgesehenen Erleichterungen......

Der zweite Absatz von Artikel 9 schreibt vor, dass die Abstimmung «nicht früher als vier Wochen nach geschehener ausreichender Bekanntmachung des fraglichen Bundesgesetzes oder Bundesbeschlusses» stattfinden darf. Als «ausreichend» hat die Praxis die Bekanntmachung dann aufgefasst, wenn sie nach Zustellung der Abstimmungsvorlage an die Stimmberechtigten erfolgte. Wenn die Zustellung mindestens vier Wochen vor der Abstimmung stattfinden muss, dann kann das vor allem in Zeiten starker Beschäftigung der Buchdruckereien oder bei umfangreichen Vorlagen zu ernsthaften Schwierigkeiten führen. Aus der Beifügung einer erläuternden Botschaft, die nach Annahme des Geschäftes durch die eidgenössischen Bäte aufgesetzt werden muss, können sich weitere Schwierigkeiten ergeben. Wir halten deshalb eine Beschränkung der Frist auf drei Wochen für empfehlenswert. Diese Zeitspanne sollte für das Studium der Vorlage genügen, vor allem, wenn sie von einer Botschaft begleitet wird, aus der zu entnehmen ist, worum es sich handelt.

Auf Grund dieser Ausführungen empfehlen wir Ihnen, für den Fall, dass Sie grundsätzlich den Gedankengängen der nationalrätlichen Kommission beipflichten, die Annahme des beigelegten Gesetzesentwurfes.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 13. März 1951.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Ed. von Steiger Der Bundeskanzler: Leimgruber

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(Entwurf)

Bundesgesetz über

die Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in einen Bericht des Buudesrates vom 1. Dezember 1950 über die Beigabe einer amtlichen Erläuterung zu den Abstimmungsvorlagen (Postulat Haeberlin), nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 13. März 1951, beschliesst:

Art. l Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse wird aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt: Art. 9. Unter Vorbehalt der vom Bundesrecht vorgesehenen Erleichterungen findet die Stimmgebung des Schweizeryolkes auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft an ein und demselben Tage statt. Dieser Tag wird durch den Bundesrat festgesetzt.

Die Abstimmung darf jedoch nicht früher als drei Wochen nach geschehener ausreichender Bekanntmachung des fraglichen Bundesgesetzes oder Bundesbeschlusses stattfinden.

Vor jeder Abstimmung ist den Stimmberechtigten mit der Abstimmungsvorlage eine erläuternde Botschaft zuzustellen.

Diese Botschaft ist von einer Kommission zu verfassen, bestehend aus den Präsidenten beider Bäte, den Berichterstattern der Kommissionen und dem Vorsteher des zuständigen Departementes. Den Vorsitz in der Kommission führt der Präsident des Bates, dem die Priorität zukam.

Art. 2 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

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