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Nachtragsbotschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Hilfeleistung an lawinen- und hochwassergeschädigte private Eisenbahngesellschaften .(Vom 23. November 1951)

Herr Präsident!

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Hochgeehrte Herren!

Am 19. Oktober 1951 haben wir Ihnen eine Botschaft mit Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Hilfeleistung an lawinengeschädigte Privatbahnen übermittelt. Die Kommission des Ständerates, die sich mit dieser Vorlage befasste, hat in ihrer Sitzung vom' 26. Oktober 1951 den Bundesrat eingeladen, die Vorlage zu ergänzen und darin eine Hilfeleistung des Bundes für die im Sommer 1951 durch Hochwasser geschädigten Privatbahnen in den Kantonen Graubünden und Tessin einzubeziehen. Im Herbst sind nun bei einzelnen, im August betroffenen Privatbahnen neue Hochwasserschäden eingetreten.

In diesem Sinne beehren wir uns, Ihnen eine ergänzende Botschaft samt ergänztem Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Hilfeleistung an lawinenund h o c h w a s s e r g e s c h ä d i g t e Privatbahnen zu unterbreiten.

Allgemeines Im Sommer und Herbst gingen im Tessintal, im Elenio- und Maggiatal, im Sottoceneri, in der Mesolcina und im Oherengadin und Schanfigg heftige Gewitter mit sehr schweren Regenfällen nieder. Sozusagen alle Bäche und Flüsse im betroffenen .Gebiet traten über die Ufer, durchbrachen Dämme, brachten Brücken zum Einsturz, unterspülten und überschwemmten die Geleise und fügten so den Bahnen schweren Schaden zu. Wie bei den Lawinenschäden drängt sich eine öffentliche Hilfe auch hier auf, um den durch diese Schäden bedingten ernsten finanziellen Schwierigkeiten dieser notleidenden Bahnunternehmungen zu begegnen. Andernfalls könnte deren Betriebssicherheit nicht mehr dauernd gewährleistet werden.

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Wir haben die Frage geprüft, ob eine Hilfe für Hochwasserschäden nicht im Eahmen unserer Vorlage gemäss der Botschaft vom 28. September 1951 (Nr. 6131) über Bundesbeiträge an die Kosten von Gewässerverbauungen und -korrektionen berücksichtigt werden könnte. Dies würde aber den Eahmen dieser Vorlage sprengen. Eine einmalige Hilfe an geschädigte Transportanstalten sollte ohne Not nicht mit wasserbaupplizeilichen Massnahmen verkoppelt werden, weil diese auf längere Sicht geplant werden müssen.

Im einzelnen handelt es sich um folgende Privatbahnen, die durch die Hochwasserkatastrophen in Mitleidenschaft gezogen wurden.

1. Bhätische Bahn Bei Samedan wurde das obere Widerlager der 25 m langen und 46 t wiegenden eisernen Binnenkanalbrücke von den Fluten des Inn unterspült, so dass es samt der Eisenkonstruktion gegenPontresina hin absank. Der anschliessende hohe Damm wurde vom hochgehenden und über die Ufer getretenen Fluss weggerissen. Bei der Station Morteratsch unterspülte der Gletscherbach die Geleiseanlage an mehreren Stellen.

Die Strecke Bellinzona-Mesocco hat besonders stark gelitten. Sie ist zwischen Molinazzo und CabbioJo an 7 Stellen unterbrochen worden; auf viele Hunderte von Metern wurde das Geleise bis 2 m hoch mit Schutt überführt. Die Calancasca verliess ihr Bett und strömte zwischen Grono und Eoveredo unter dem Bahngeleise durch; das neue Flussbett musste vorläufig mittels einer 31 m langen Notbrücke überquert werden.

Die beim Gitzistein der Linie Chur-Arosa im Bau begriffene Schutzgalerie gegen Steinschlag wurde durch einen infolge des Segens ausgelösten Murgang beschädigt.

Diese Elementarschäden verursachten längere Betriebsunterbräche, die durch Einsatz von Automobilen überbrückt werden mussten.

Die von der Bhätischen Bahn veranschlagte Schadensumme beläuft sich auf rund 410 000 Franken.

2. Ferrovia Biasca-Acquarossa t Die Leggiuna unterspülte im Sommer das Geleise auf grosse Strecken und überschüttete es meterhoch mit Geröll; die Brücke über diesen Wildbach wurde ganz eingeschottert.

Der während 7 Tagen unterbrochene Bahnverkehr wurde durch Autobusse ersetzt.

l Die Bahn schätzt den Schaden auf rund 40 000 Franken.

Infolge der anhaltenden Eegenfälle im Herbst dieses Jahres hat die Leggiuna das Bett, welches nach dem Hochwasser im Sommer ausgebaggert worden war, von neuem mit Geschiebe ausgefüllt, so dass der Schotter wieder bis zur Unterkante der Bahnbrücke reicht. Weitere Hochwasser würden die

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Brücke mit Einsturz bedrohen. Um diesem unhaltbaren Zustand abzuhelfen, plant der Kanton Tessin die Höherlegung der Strasse und Bahn um 2 m mit einem Gesamtaufwand von 600 000 Franken; aaf die Bahn würden roh geschätzt 200 000 Franken entfallen. Da noch keine Pläne vorliegen, lässt sich der Anteil der Bahn noch nicht genauer beziffern.

3. Ferrovia Locarno-Pontebrolìa-Bignasco In der Nacht vom 7. zum 8. August stieg die Maggia infolge des anhaltenden Eegens so stark, dass die Wassermassen, die sehr viele Holzstämme mitführten, die tiefe Schlucht oberhalb Pontebrolla so hoch ausfüllten, bis sie die stählerne Bisenbahnbrücke überfluteten und hundert Meter flussabwärts rissen, wo sie völlig zerstört liegen blieb ; sie hatte ein Gewicht von 85 t bei einer Länge von 57 Metern. Der Verkehr wird über eine von den Bundesbahnen zur Verfügung gestellte Notbrücke geleitet, deren Aufstellung wegen der ungünstigen topographischen Verhältnisse schwierig war.

Zur Behebung des entstandenen Schadens kommen zwei Lösungen in Betracht : Eine Verlegung der Linie von etwa 700 m Länge auf das linke Flussufer oder die Erstellung einer neuen Brücke auf den alten Widerlagern. Diese nach Schätzung der Bahn billigere Lösung wurde unserer Zusammenstellung der Hochwasserschäden zugrunde gelegt.

Während der Dauer des einmonatigen Betriebsunterbruches musste der Verkehr mittels Autobussen aufrechterhalten werden.

Der von der Bahn errechnete Schaden beläuft sich einschliesslich der geschätzten Kosten für den Ersatz der Brücke auf rund 491 000 Franken.

4. Ferrovia Lugano-Ponte Tresa Der die Talsohle überflutende Vedeggio hat 2 Bahnbrücken bei km 4,922 und 5,170 zum Einsturz gebracht; die erstgenannte ist inzwischen wieder aufgebaut worden. Der Verkehr wird aber noch über Notbrücken geführt. Die Widerlager der eisernen Brücke über den Vedeggio und angrenzende Teile des Dammes wurden ebenfalls beschädigt. Der Bahnbetrieb war vom 8. bis 31. August unterbrochen; während dieser Zeit wurden Autobusse eingesetzt.

Die Bahn schätzt den Schaden auf rund 151 000 Franken.

Nach diesen Angaben ist mit folgenden Hochwasserschäden zu Bhätische Bahn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410000 Ferrovia Biasca-Acquarossa . . .

240 000 Ferrovia Locarno-Pontebrqlla-Bignasco 491000 Ferrovia Lugano-Ponte Tresa ". . . . . 151000 ;

rechnen: Franken Franken Franken Franken

l 292 000 Franken

879 Wie in den Meldungen der Bahngesellschaften über Lawinenschäden sind auch in den Hochwasserschäden Anteile enthalten, die für die Bemessung der Bundeshilfe nicht in vollem Umfange berücksichtigt werden können, z. B. die Mieten von Automobilen für die Ersatztransporte wählend der Verkehrsunterbrüche. Wir folgen darin den gleichen Grundsätzen, von denen wir uns bei der Bemessung der Hilfe für Lawinenschäden leiten liessen.

Leider wird bei der herrschenden Witterung namentlich bei tessinischen, Bahnen noch mit weiteren Schäden gerechnet werden müssen.

Nach Prüfung der von den Kantonen Graubünden und Tessin und den Bahnen erhaltenen Unterlagen beantragen wir, an im Sommer und Herbst 1951 hochwassergeschädigte Bahnen einen einmaligen Beitrag von insgesamt 1,3 Millionen Franken, zuzüglich 100 000 Franken für Unvorhergesehenes, vorzusehen.

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Die Schadenbeträge beruhen noch auf Schätzungen, denen insofern ein gewisser Grad von Unsicherheit anhaftet, als die wichtigeren Ersatzbauwerke im Einvernehmen mit den Kantonsregierungen projektiert werden müssen, deren wasser- und strassenbauliche Pläne zur Zeit noch in Prüfung begriffen sind. Die schliesslich zu wählende technische Lösung für die Bahnanlagen unterliegt dem eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahren, in welchem Zeitpunkt der Aufwand der einzelnen Bahnunternehmung genauer bemessen werden kann.

Auch die Wiederinstandstellungsarbeiten bei Hochwasserschäden sind aus Gründen der Betriebssicherheit beschleunigt durchzuführen und nötigenfalls zu bevorschussen. Im übrigen ist die Auszahlung des auf die einzelne Bahnunternehmung zur Behebung von Hochwasserschäden entfallenden Betreffnisses wie bei den Lawinenschäden nur nach Massgabe der endgültig nachgewiesenen Kosten vorzunehmen. Damit darf gerechnet werden, dass der beantragte Betrag zur Behebung der Hochwasserschäden genügen wird.

Mit diesen Bemerkungen empfehlen wir Ihnen, dem ergänzenden Besschlussesentwurf zuzustimmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 23. November 1951.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Ed. von Steiger i

Der Vizekanzler: Gh. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Hilfeleistung an lawinen- und Hochwassergeschädigte private Eisenbahngesellschaften

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 19. Oktober 1951 sowie in eine Nachtragsbotschaft vom 23. November 1951, beschliesst:

Art. l An die Kosten für die Wiederherstellung der durch die ausserordentlichen Lawinengänge im Winter 1950/51 beschädigten Anlagen richtet der Bund nachstehenden Privatbahnen einmalige Beiträge aus: a. der Bhätischen Bahn höchstens l 000 000 Pranken b. der Furka- Oberalp-Bahn höchstens 325000 Franken Zusammen höchstens l 325 000 Franken Art. 2 An die Kosten für die Wiederherstellung der durch die ausserordentlichen Hochwasser beschädigten Anlagen richtet der Bund den davon betroffenen Privatbahnen insgesamt einen einmaligen Beitrag von höchstens l 400 000 Franken aus.

Art. 3 Die Auszahlung von Beiträgen erfolgt auf Grund der Aufwendungen für die Behebung der Schäden, die von den betreffenden Eisenbahngesellschaften im einzelnen nachzuweisen sind.

Art. 4 Dieser Bundesbeschluss tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

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Nachtragsbotschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Hilfeleistung an lawinen- und hochwassergeschädigte private Eisenbahngesellschaften (Vom 23. November 1951)

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1951

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6140

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29.11.1951

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