06.057 Botschaft zur Änderung des Epidemiengesetzes (Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln) vom 9. Juni 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Juni 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1326

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Übersicht Mit der Ausbreitung der Vogelgrippe seit Herbst 2005 und der damit einhergehenden Pandemierisiken wurden die bis dahin in der Bundesverwaltung laufenden Arbeiten zur Pandemievorsorge stark beschleunigt. So wurden beispielsweise der Pandemieplan in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen überarbeitet und etliche Modalitäten für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln geklärt.

Mit Blick auf die hinreichende Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln, insbesondere mit Impfstoffen für den Fall einer Pandemie, hat sich gezeigt, dass dem Bund nicht die nötigen gesetzlichen Kompetenzen zustehen. Auch unter Einbezug der Möglichkeiten nach dem Landesversorgungsgesetz ist er in seinen Handlungsmöglichkeiten beschränkt und kann international akzeptierte und vielversprechende Versorgungsstrategien nicht umsetzen. Vor diesem Hintergrund bezweckt diese Vorlage, dem Bund durch eine Änderung des Epidemiengesetzes den notwendigen Handlungsspielraum zu schaffen.

Die Beschaffung und Finanzierung von Heilmitteln kann sich im Fall einer Pandemiebedrohung sowie während einer Pandemie auf die Notkompetenz des Bundes nach Artikel 10 des Epidemiengesetzes stützen. Hingegen fehlen die hinreichenden gesetzlichen Grundlagen dafür, dass der Bund bereits vor einer Pandemiebedrohung oder einem Ausbruch einer Pandemie die Beschaffung von Impfstoffen und anderer Heilmittel finanzieren kann, die zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeignet sind. Ebenso mangelt es an einer gesetzlichen Basis, die es dem Bund ermöglicht, die Herstellung von Heilmitteln in der Schweiz durch Finanzhilfen (z.B.

für Infrastruktur oder Forschung) zu fördern.

Mit der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 6 des Epidemiengesetzes soll die Versorgung der Bevölkerung auch mit anderen Heilmitteln als immunbiologischen Erzeugnissen sichergestellt werden. Im Blickfeld stehen neben Impfstoffen vor allem antivirale Medikamente und Medizinprodukte (z.B. Schutzmasken). Zudem wird festgelegt, dass in erster Linie die Massnahmen nach dem Landesversorgungsgesetz umzusetzen sind, bevor weitere Vorkehren zur Versorgung getroffen werden.

Ein neuer Artikel 32a stellt einerseits klar, dass der Bund die Kosten der Versorgung nach Artikel 6 zu tragen hat. Andererseits regelt diese Bestimmung die Kostenübernahme im Falle der Abgabe der Heilmittel. Schliesslich
enthalten die neuen Artikel 32b und 32c subventionsrechtliche Bestimmungen: Zum einen kann der Bund nach Artikel 32b unter bestimmten Voraussetzungen Finanzhilfen an die Herstellung von Heilmitteln leisten, die sich zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten eignen.

Zum anderen ist es mit Artikel 32c möglich, in bestimmten Fällen in Vereinbarungen mit Heilmittelherstellern die Schadensdeckung zu übernehmen. Beide Massnahmen sind aber nur möglich, wenn die Versorgung der Bevölkerung in ausserordentlichen Umständen nicht anders gewährleistet werden kann.

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Damit die laufenden Verhandlungen mit verschiedenen Herstellern von Impfstoffen zügig abgeschlossen werden können und eine möglichst hinreichende Versorgung der Schweizer Bevölkerung sichergestellt werden kann, sollen die vorgeschlagenen Änderungen des Epidemiengesetzes möglichst schnell in Kraft gesetzt werden. Der Bundesrat beantragt deshalb, dass die eidgenössischen Räte die Vorlage als dringlich erklären.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Allgemeine Ausgangslage

Gegen neuartige Influenzaviren besitzt ein Grossteil der Weltbevölkerung keine Immunität. Deshalb können sich diese Viren schnell und grossflächig ausbreiten.

Die letzten Pandemien traten 1918, 1957 und 1968 auf und hatten auch in der Schweiz zahlreiche Todesfälle zur Folge. Auch in Zukunft ist mit dem Auftreten neuartiger Influenzaviren mit Pandemiepotential zu rechnen. Der genaue Zeitpunkt und das Ausmass der nächsten Influenzapandemie sind zwar nicht vorhersehbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in näherer oder fernerer Zukunft die Influenza erneut pandemisch auftreten wird. Auch in der Schweiz ist im Falle einer Pandemie mit einer schweren Notlage oder einer Katastrophensituation zu rechnen. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt in ihrem Influenza Pandemic Preparedness Plan allen Mitgliedsländern, Vorkehren zu treffen, um für den Fall einer InfluenzaPandemie gewappnet zu sein.

Die Schweiz kümmert sich bereits seit mehreren Jahren um die Pandemievorsorge.

Unter anderem konnten an der strategischen Führungsübung im Januar 2005 mit dem Szenario «Epidemie in der Schweiz» wertvolle Erfahrungen gewonnen werden, die letztlich auch in die seit dem 1. Juni 2005 geltende Verordnung vom 27. April 20051 über Massnahmen zur Bekämpfung einer Influenza-Pandemie (InfluenzaPandemieverordnung, IPV) Eingang gefunden haben. Die Influenza-Pandemieverordnung regelt insbesondere die Massnahmen, die im Fall einer drohenden Pandemie oder während einer Pandemie zu treffen sind.

Seit Herbst 2005 wurden mit der Ausbreitung der Vogelgrippe und den dadurch steigenden Pandemierisiken die Vorsorgearbeiten in der Bundesverwaltung stark beschleunigt und intensiviert. Bis im Mai 2006 wurde die Vorgehensweise in folgenden Bereichen konkretisiert: Der Pandemieplan wurde in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen aktualisiert. Die Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit antiviralen Medikamenten im Fall einer Pandemiebedrohung oder bei Ausbruch einer Pandemie wurde hinsichtlich Erwerb, Pflichtlagerhaltung, Verteilung und Finanzierung abschliessend geregelt. Die Beschaffung geeigneter Impfstoffe wurde geklärt, und es wurden erste Verhandlungen mit möglichen Herstellern geführt.

1.2

Heutige Rechtsgrundlagen

1.2.1

Epidemiengesetz

Das Bundesgesetz vom 18. Dezember 19702 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG) verpflichtet Bund und Kantone, die nötigen Massnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen zu treffen (Art. 1). Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen sieht ­ vorbehältlich ausserordentlicher Umstände nach Artikel 10 ­ vor, dass solche 1 2

SR 818.101.23 SR 818.101

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Massnahmen im Wesentlichen auf kantonaler Ebene zu treffen sind (Art. 11).

Insbesondere sind die Kantone zuständig für die Durchführung gesundheitspolizeilicher Massnahmen (z.B. die Anordnung ärztlicher Überwachung, die Absonderung bestimmter Personen oder die Anordnung von Veranstaltungsverboten; vgl.

Art. 15­21), die Koordination der im jeweiligen Kanton involvierten Akteure wie Spitäler, Ärzte und Laboratorien (Art. 25) sowie die notwendigen epidemiologischen Abklärungen (Art. 22). Im Bereich der Impfungen haben die Kantone nach Artikel 23 Absatz 1 für die Möglichkeit der kostenlosen Impfungen gegen Krankheiten zu sorgen, die für die Bevölkerung eine erhebliche Gefahr bedeuten3. Die Kantone bestimmen zudem, ob diese Impfungen freiwillig oder obligatorisch sind und werden bei angeordneten oder empfohlenen Impfungen schadenersatzpflichtig (Art. 23 Abs. 2 und 3)4.

Demgegenüber beschränkt sich die Zuständigkeit des Bundes auf bestimmte Teilbereiche: So kommt ihm insbesondere der Informationsauftrag (Art. 3), die Regelung der Laboratorien (Art. 5) und die Anordnung von Massnahmen im Bereich der Grenzsanität (Art. 7) zu. Daneben ist der Bund für die Koordination der kantonalen Massnahmen und die Oberaufsicht über die Durchführung des Gesetzes verantwortlich. Besondere Bedeutung im vorliegenden Kontext erlangt zudem Artikel 6, wonach der Bundesrat Vorkehren zu treffen hat, damit für die zivile Bevölkerung5 genügend Vorräte der wichtigsten immunbiologischen Erzeugnisse vorhanden sind.

Damit verfügt der Bund über die Grundlage für die Vorratshaltung solcher Erzeugnisse, zu denen insbesondere Impfstoffe zu zählen sind. In der Botschaft zum Entwurf eines Epidemiengesetzes vom 13. März 19706 führte der Bundesrat hierzu aus, dass der Bund entweder die nötigen Vorräte selbst anlegen oder aber z.B. einen schweizerischen Hersteller solcher Erzeugnisse vertraglich zur Vorratshaltung verpflichten kann. Demgegenüber bietet Artikel 6 keine hinreichende Grundlage insbesondere für die Beschaffung immunbiologischer Erzeugnisse oder die finanzielle Unterstützung einer inländischen Impfstoffproduktion, regelt doch ausschliesslich das sechste Kapitel des Epidemiengesetzes die finanziellen Leistungen des Bundes. Solche sind ­ neben der Finanzierung verwaltungsinterner Aktivitäten z.B. im Rahmen des Informationsauftrages
­ nur dort vorgesehen, wo er Sonderaufgaben überträgt (Leistungen der als nationale Referenzzentren bezeichneten Laboratorien; Art. 32 Abs. 2) oder Massnahmen anordnet (im internationalen Verkehr; Art. 33).

Die beschriebene Aufgabenteilung kommt hingegen dann nicht zum Tragen, wenn ausserordentliche Umstände schweizweite oder auf einzelne Landesteile bezogene Massnahmen erfordern. In einer solchen Situation kommt dem Bundesrat nach Artikel 10 des Epidemiengesetzes die Kompetenz zum Erlass der notwendigen Massnahmen zu7. Der Bundesrat ist diesfalls frei, die notwendigen Massnahmen direkt, d.h. ohne Beachtung der üblichen Vollzugskompetenzen der Kantone, anzuordnen. Bei einer Pandemiebedrohung oder einer Pandemie (vgl. Ziff. 1.2.2) ist

3 4 5 6 7

Der Bundesrat bezeichnet nach Art. 23 Abs. 1 EpG diese Krankheiten (vgl. hierzu die Verordnung vom 22. Dezember 1976 über die kostenlosen Impfungen; SR 818.138.1).

Die Ersatzpflicht des Kantons ist gegenüber anderen Ersatzpflichtigen absolut subsidiär (BGE 129 II 353, E. 4.8).

Die Vorratshaltung nach dieser Vorschrift soll ausschliesslich für die Zivilbevölkerung bestimmt und daher unabhängig von den Armeevorräten sein (BBl 1970 I 409).

BBl 1970 I 409 Zu den Voraussetzungen vgl. im Übrigen BGE 131 II 670.

5609

davon auszugehen, dass die Voraussetzungen nach Artikel 10 des Epidemiengesetzes erfüllt sind.

1.2.2

Influenza-Pandemieverordnung

In Ausübung seiner Kompetenz nach Artikel 10 des Epidemiengesetzes hat der Bundesrat mit Blick auf eine Pandemiesituation die Influenza-Pandemieverordnung erlassen. Diese Verordnung regelt im Wesentlichen die während einer Pandemiebedrohung oder einer Pandemie zu treffenden Massnahmen. In zeitlicher Hinsicht erfasst werden somit der Zeitraum zwischen dem erstmaligen Auftreten eines neuartigen, zu Erkrankungen führenden und sich schnell ausbreitenden Influenzavirus beim Menschen und dem Beginn der Influenza-Pandemie (Phase der Pandemiebedrohung) sowie die Phase der Influenza-Pandemie selber (zeitlich begrenzte, weltweite und massive Häufung von Erkrankungen beim Menschen; vgl. Art. 2).

Enthalten sind zudem Massnahmen zur Förderung der Vorsorge (z.B. Erarbeitung eines Pandemieplanes, Art. 7) sowie Massnahmen nach einer Pandemiebedrohung oder Pandemie (Art. 14 ff.).

Im Kapitel über die Förderung der Vorsorge legt Artikel 9 mit Bezug auf die Arzneimittelversorgung fest, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) im Hinblick auf eine Pandemiebedrohung oder Pandemie die geeigneten Massnahmen zur Versorgung mit Impfstoffen, antiviralen Medikamenten und anderen geeigneten Arzneimitteln gegen Influenza trifft und in diesem Rahmen geeignete Vereinbarungen mit Herstellern solcher Arzneimittel abschliessen kann. Dabei handelt es sich um eine Artikel 6 des Epidemiengesetzes vergleichbare, mit Blick auf die Pandemiebedrohung oder Pandemie spezifizierte Handlungskompetenz, die aber keine Finanzierungskompetenz beinhaltet. Nur für die Fälle einer Pandemiebedrohung oder Pandemie, also wenn die Voraussetzungen der Notkompetenz nach Artikel 10 des Epidemiengesetzes erfüllt sind, enthält die Influenza-Pandemieverordnung eine auf den Pandemie-Impfstoff beschränkte Kostenregelung: Nach Artikel 13 übernimmt der Bund während einer Pandemiebedrohung oder Pandemie dann die Kosten für den Kauf des Impfstoffs, wenn nur so die Versorgung und gerechte Verteilung sichergestellt werden können. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung nicht mit der Regelung von Artikel 23 Absatz 1 des Epidemiengesetzes (Sicherstellung der kostenlosen Impfung durch die Kantone bei für die Bevölkerung gefährlichen Krankheiten; vgl. Ziff. 1.2.1) kollidiert. Letztere gelangt während einer Pandemiebedrohung oder Pandemie nicht zur Anwendung, da die Influenza-Pandemieverordnung diese Phasen auf Basis der Notkompetenz nach Artikel 10 des Epidemiengesetzes abschliessend regelt.

1.2.3

Weitere Rechtsgrundlagen

Das Bundesgesetz vom 8. Oktober 19828 über die wirtschaftliche Landesversorgung (Landesversorgungsgesetz) regelt die Pflichtlagerhaltung bestimmter lebenswichtiger Güter, so auch von Heilmitteln9. Der Pflichtlagerhaltung unterstellt werden 8 9

SR 531 Vgl. die Verordnung vom 6. Juli 1983 über die Pflichtlagerhaltung von Arzneimitteln (SR 531.215.31).

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dürfen hingegen nur in Verkehr gebrachte Arzneimittel, was der Lagerhaltung z.B.

eines zurzeit überhaupt noch nicht existierenden Pandemie-Impfstoffs oder eines sog. Priming-Impfstoffs entgegensteht (vgl. Ziff. 2.1). Ebenso kann die Landesversorgungsgesetzgebung nicht als Rechtsgrundlage für die Förderung einer inländischen Herstellung wichtiger Heilmittel herangezogen werden, die für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeignet sind.

Im Übrigen enthalten andere Bundesgesetze, insbesondere das Bundesgesetz vom 15. Dezember 200010 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz) und das Bundesgesetz vom 18. März 199411 über die Krankenversicherung (Krankenversicherungsgesetz) keine Rechtsgrundlagen, die herangezogen werden könnten für die Beschaffung eines zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeigneten Heilmittels, für dessen vorgängige Finanzierung oder für die Versorgung der Bevölkerung mit solchen Heilmitteln. Zu beachten bleiben aber die Bestimmungen des Krankenversicherungsgesetzes, des Bundesgesetzes vom 20. März 198112 über die Unfallversicherung (Unfallversicherungsgesetz) sowie des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199213 über die Militärversicherung (Militärversicherungsgesetz) über die Kostenübernahme bei der Abgabe von Heilmitteln und der in diesem Rahmen beanspruchten medizinischen Leistungen. So legt insbesondere Artikel 12 der Verordnung des EDI vom 29. September 199514 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) fest, dass die Kosten für bestimmte Massnahmen der medizinischen Prävention von den Krankenversicherern zu übernehmen sind: Nach Buchstabe i Ziffer 2 wird die Impfung gegen Influenza während einer Pandemiebedrohung oder Pandemie bei denjenigen Personen, bei denen das BAG eine Impfung empfiehlt15, als eine solche Massnahme bezeichnet.

1.3

Neue Versorgungsmöglichkeiten

Die sichergestellte Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Heilmitteln im Hinblick auf einen Pandemiefall ist in der gesamten Pandemievorsorge von zentraler Bedeutung. Soweit es um eine ausreichende Bereitstellung von antiviralen Medikamenten geht, befindet sich die Schweiz dank der hierzulande ansässigen pharmazeutischen Industrie in einer sehr komfortablen Situation, indem im Rahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung ein Pflichtlager an solchen Medikamenten durch die pharmazeutische Industrie nach den Vorgaben des Pandemieplanes des Bundes angelegt worden ist. Besondere Herausforderungen stellt demgegenüber insbesondere die Sicherstellung der Versorgung mit Impfstoffen. Hier stehen zwei Optionen im Vordergrund: Zum einen kann die Versorgung mit einem Kauf bzw. einer Lieferung eines Impfstoffes sichergestellt werden. Zum anderen ist die Strategie prüfenswert, eine Herstellung eines Impfstoffes in der Schweiz mit Bundesmitteln zu fördern und somit die Versorgungsautonomie in der Krisensituation zu gewährleisten.

10 11 12 13 14 15

SR 812.21 SR 832.10 SR 832.20 SR 833.1 SR 832.112.31 Vgl. hierzu Art. 12 der Influenza-Pandemieverordnung.

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Seit dem Sommer 2005 steht das BAG in Kontakt mit Impfstoffherstellern, insbesondere hinsichtlich der Verfügbarkeit und Beschaffung eines Vogelgrippe- sowie eines Pandemie-Impfstoffes. Diese Kontakte haben einerseits aufgezeigt, welche Impfstrategien zurzeit bei den Herstellern entwickelt und verfolgt werden. Andererseits wurde klar, dass im Pandemiefall die Produktionsstätten der hohen Nachfrage nicht genügen würden und die Lieferung eines Impfstoffes aus ausländischen Produktionsstätten in die Schweiz trotz entsprechender Zusagen letztlich nicht garantiert ist. Diese und andere Punkte sind Gegenstand der inzwischen aufgenommenen Verhandlungen mit den verschiedenen Firmen.

Beispiel für eine neue Impfstrategie ist z.B. eine neue Vorgehensweise, die seit kurzem auf internationaler und nationaler Ebene im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung diskutiert und als vielversprechend bewertet wird: Neben dem spezifischen Impfstoff gegen einen Pandemievirus, welcher erst nach dessen Isolierung produziert werden kann und wohl frühestens 9 Monate nach Auftreten der ersten Übertragung von Mensch zu Mensch einsetzbar ist, dürfte eine vorherige Impfung der Bevölkerung mit einem Vorpandemie-Impfstoff (sog. «PrimingImpfstoff») eine wesentliche Verbesserung der Immunität bringen. Ein solcher Priming-Impfstoff, der gegen die befürchteten Erreger des Influenza-Subtyps H5N1 Anfang 2007 zur Verfügung stehen wird, könnte folglich bereits bei einer ersten Pandemiewelle (in Kombination mit der Abgabe antiviraler Arzneimittel) Anwendung finden.

Seit einiger Zeit ist zudem bekannt, dass die zurzeit auf Hühnereiern basierende Produktionsweise von Impfstoffen durch eine auf Basis der Zelltechnologie basierende Herstellung abgelöst werden dürfte. Die Vorteile dieser neuen Technologie liegen u.a. darin, dass die Produktion wesentlich beschleunigt werden könnte und ein Pandemie-Impfstoff damit schneller zur Verfügung stehen würde. Da Impfstoffe, die mit dieser neuen Technologie hergestellt wurden, noch nicht erprobt und zugelassen sind, steht die neue Produktionsweise aber erst mittel- bis langfristig zur Verfügung.

Die Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln wird somit massgeblich durch die rasante Entwicklung der Impfstrategien, der Produktionsweisen und durch die Verfügbarkeit der Produktionsstätten beeinflusst. Soll
die Bevölkerung im Pandemiefall mit wirksamen Heilmitteln geschützt werden, so muss der Bund über den nötigen Handlungsspielraum und die hierfür erforderlichen gesetzlichen Kompetenzen verfügen.

1.4

Vorgeschlagene Lösung

Die von der Vogelgrippe und den damit verbundenen Erkrankungen von Menschen herrührende Gefährdungssituation hat bisher ­ glücklicherweise ­ noch nicht das Stadium einer Pandemiebedrohung erreicht. Deshalb sind die Voraussetzungen von Artikel 10 des Epidemiengesetzes heute nicht erfüllt. Folglich sind die Kompetenzen des Bundes wie dargestellt beschränkt, und es fehlt eine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine Finanzierung eines heute zu beschaffenden Impfstoffes oder für weitere, über die Massnahmen nach dem Landesversorgungsgesetz hinausgehende Vorkehren, um die Bevölkerung hinreichend mit Heilmitteln zu versorgen.

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Die mit dieser Vorlage vorgeschlagene Änderung des Epidemiengesetzes bezweckt, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit der Bund über den erforderlichen Handlungsspielraum in der Vorbereitung von Notlagen, insbesondere einer Pandemie, verfügt.

Die mit dieser Botschaft beantragte Änderung des Epidemiengesetzes betrifft überwiegend den Bund und nicht unmittelbar ausserhalb der Bundesbehörden stehende Personen und Organisationen, so dass auf die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens verzichtet wurde. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz der Kantone wurde im Rahmen der Vorbereitung der vorliegend beantragten Gesetzesänderung orientiert.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Versorgung mit Heilmitteln (Art. 6)

In der geltenden Fassung bietet Artikel 6 die gesetzliche Grundlage dafür, dass der Bund die wichtigsten immunbiologischen Erzeugnisse für die zivile Bevölkerung beschaffen, Vorräte anlegen oder Dritte mit der Vorratshaltung beauftragen kann.

Die vorliegend vorgeschlagene Änderung bezweckt in inhaltlicher Hinsicht zum einen, auch andere wichtige Heilmittel als immunbiologische Erzeugnisse beschaffen zu können, die für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeignet sind. Im Blickfeld stehen aus heutiger Sicht sowohl weitere Arzneimittel (wie antivirale Medikamente) als auch Medizinprodukte (wie Schutzmasken, Injektions- bzw.

Applikationsgeräte). Die Definition der Begriffe Heil- und Arzneimittel sowie Medizinprodukte richtet sich nach den Artikeln 2 und 4 des Heilmittelgesetzes.

Zudem wird die Einschränkung der Vorratshaltung auf die zivile Bevölkerung gestrichen, da eine getrennte bzw. unabhängige militärische Beschaffung und Vorratshaltung im heutigen Umfeld als nicht mehr sinnvoll erscheint.

Zum anderen stellt die Änderung klar, dass in erster Linie die bestehenden Möglichkeiten nach dem Landesversorgungsgesetz (z.B. die Verpflichtung zur Pflichtlagerhaltung) genutzt werden sollen. Weitere der Heilmittelversorgung der Bevölkerung dienende Massnahmen sollen erst dann möglich sein, wenn die Massnahmen der Landesversorgung im konkreten Fall nicht zum Ziel führen. So kann z.B. die Pflichtlagerhaltung nicht in Frage kommen, wenn das betreffende Arzneimittel in der Schweiz noch nicht in Verkehr gebracht wurde oder die Äufnung des Lagerbestandes zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

2.2

Kosten der Versorgung mit Heilmitteln (Art. 32a)

Die Bestimmung regelt zwei Aspekte der Kostentragung im Kontext der Heilmittelversorgung nach Artikel 6 des Epidemiengesetzes. Einerseits wird geklärt, dass spiegelbildlich zur Versorgungspflicht eine entsprechende Kostentragungspflicht des Bundes besteht (Abs. 1). Andererseits wird geregelt, dass sich im Fall der Abgabe dieser Heilmittel die Kostenübernahme im Regelfall nach dem herkömmlichen System der Kranken-, Unfall- oder Militärversicherung richtet (Abs. 2 sowie die Ausnahmeregelung nach Abs. 3).

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Nach Absatz 1 ist der Bund verpflichtet, allfällige mit der hinreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln nach Artikel 6 verbundene Kosten zu tragen. Damit ist geklärt, dass der Bund z.B. im Rahmen eines Vertrags über einen Kauf bzw. eine Lieferung eines Pandemie-Impfstoffs dessen Kaufpreis oder eine Reservationsgebühr für die im Pandemiefall benötigte Menge an Impfstoffen entrichten kann.

Die vorliegende Bestimmung erlaubt es zudem dem Bund, gegebenenfalls auch wichtige und in der Schweiz in Verkehr gebrachte Heilmittel rasch in genügender Menge zu beschaffen, wenn ein entsprechender Versorgungsbedarf ausgewiesen ist und andere verfügbare Instrumente (z.B. die Äufnung eines Pflichtlagerbestandes; vgl. Ziff. 1.2.3) in der konkreten Situation nicht zum Ziel führen.

Sofern ausserordentliche Umstände schweizweite oder auf einzelne Landesteile bezogene Massnahmen des Bundesrates erfordern, bietet im Übrigen Artikel 10 des Epidemiengesetzes die gesetzliche Grundlage für die Finanzierung bzw. Kostenübernahme von Heilmittelbeschaffungen (vgl. auch Art. 13 IPV).

Mit der dargestellten Kostenregelung bezüglich der Versorgungspflicht ist noch offen, wer die Kosten dieser Heilmittel im Falle einer späteren Abgabe an die Bevölkerung zu tragen hat. Absatz 2 hält fest, dass diesfalls die üblichen Regelungen und Voraussetzungen der Kranken-, Unfall- und Militärversicherungsgesetzgebungen zur Anwendung kommen. Damit wird auch klargestellt, dass die Kostentragungspflicht nach Absatz 1 einerseits keine lex specialis gegenüber diesen Gesetzgebungen darstellt und andererseits eine Kostenübernahme der Kantone nach Artikel 23 des Epidemiengesetzes nicht angewendet wird. Konkret bedeutet dies z.B. für den Bereich der Krankenpflegeversicherung, dass ein abzugebendes Arzneimittel in die Spezialitätenliste (vgl. Art. 30 KLV) aufzunehmen ist, wodurch die Krankenversicherer zur entsprechenden Kostenübernahme verpflichtet werden bzw.

die betroffenen Personen allenfalls Kosten aufgrund der Franchisen- und Selbstbehaltregelung zu tragen haben. Ebenso kann die Kostenübernahme für Massnahmen der Prävention, z.B. für zu bezeichnende Impfungen, durch das EDI angeordnet werden (vgl. Art. 12 KLV; Ziff. 1.2.3). Im Falle der Abgabe an Arbeitnehmer ist das Unfallversicherungsgesetz heranzuziehen, während bei der Abgabe an
militärversicherte Personen die Bestimmungen des Militärversicherungsgesetzes massgebend sind.

Es sind jedoch Konstellationen denkbar, in denen die Kostenübernahme durch die genannten Versicherungen nicht möglich ist. Diesfalls hat nach Absatz 3 der Bund die Kosten der Heilmittel zu tragen. So ist nicht auszuschliessen, dass bei unvermittelt auftretenden akuten Gefährdungslagen, die spezifische Personengruppen oder begrenzte Gebiete betreffen, eine rasche und direkte Abgabe der vom Bund beschafften Heilmittel notwendig sein wird, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die Kranken- und Unfallversicherer bzw.

die Militärversicherung erfüllt sind (z.B. erfolgt die Abgabe nicht durch einen nach dem Krankenversicherungsgesetz anerkannten Leistungserbringer) oder eine Einbindung in das System der herkömmlichen Kranken-, Unfall und Militärversicherung aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist (z.B. ist die Aufnahme in die Spezialitätenliste nicht rechtzeitig möglich). Zudem ist denkbar, dass die mit Finanzmitteln des Bundes im Rahmen seiner Versorgungspflicht bereitgestellten Heilmittel der Bevölkerung unter Umständen gar nicht abgegeben werden können bzw. abgegeben werden müssen. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn eine übertragbare Krankheit auftritt, für welche keine Heilmittel vorrätig bzw. vorhanden sind (z.B. eine durch einen nicht voraussehbaren Influenza-Subtypen verursachte Krankheit, wogegen die 5614

vorrätig gehaltenen Impfstoffe nicht wirksam sind). Zum anderen ist eine Abgabe nicht notwendig, wenn die befürchtete Bedrohungslage überhaupt nicht eintritt und die entsprechenden Heilmittel aufgrund der begrenzten Haltbarkeit vernichtet werden müssen. Die Kostentragung kann hier mangels Abgabe klarerweise nicht über die genannten Sozialversicherungen erfolgen.

2.3

Förderung der Herstellung von Heilmitteln (Art. 32b)

Nicht jede Tätigkeit kann mit Finanzhilfen gefördert werden. Gemäss Artikel 1 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199016 können Finanzhilfen nur gewährt werden, wenn hierfür ein hinreichender Grund besteht. Mit anderen Worten muss der Bund ein Interesse an der Aufgabe haben. Ausserdem können Finanzhilfen nur dann entrichtet werden, wenn die Aufgabe ohne Finanzhilfe nicht ausreichend erfüllt werden kann. Neben dem Erfordernis des Bundesinteresses und der Notwendigkeit der Finanzhilfe ist das Prinzip der Subsidiarität von Bundessubventionen einzuhalten. Oft ist das private Interesse an bestimmten förderungswürdigen Tätigkeiten derart gross, dass sie, wären genügend finanzielle Mittel vorhanden, auch ohne staatliche Hilfe ausgeübt würden. Daher müssen alle zumutbaren Selbsthilfemassnahmen getroffen und andere Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein, bevor der Staat hilft. Hilfe ist nur dort gerechtfertigt, wo die angestrebte Tätigkeit trotz Ausschöpfung aller privaten Kräfte ohne Finanzhilfe nicht ausgeübt werden kann.

Von Finanzhilfen ist schliesslich abzusehen, wenn sich zweckdienlichere Massnahmen anbieten.

Es muss damit gerechnet werden, dass im Pandemiefall die Ausfuhr von Impfstoffen oder anderer geeigneter Heilmittel aus den Produktionsländern staatlichen Exportrestriktionen unterliegt und die Schweiz somit nicht bzw. nicht im vereinbarten Umfang oder erst mit zeitlicher Verzögerung beliefert werden kann. Die hinreichende Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeigneten Heilmitteln kann deshalb unter Umständen mit dem Kauf oder der Lieferung solcher Produkte aus dem Ausland nicht sichergestellt werden. Deshalb ist es aus Gründen der öffentlichen Gesundheit sinnvoll, die Möglichkeit der Förderung einer Impfstoffherstellung in der Schweiz zur Sicherstellung der Versorgung der hiesigen Bevölkerung offen zu halten. Diese Fördermassnahmen würden es dem Bundesrat auch angesichts drohender Einfuhrschwierigkeiten erlauben, seiner Versorgungspflicht nach Artikel 6 des Epidemiengesetzes nachzukommen. Dabei werden die oben dargestellten Grundsätze der Subventionsgewährung, die durch die Bedingungen des vorgeschlagenen Artikels 32b konkretisiert werden, strikte zu beachten sein.

Nach Absatz 1 kann die Herstellung eines Heilmittels in der Schweiz
mit Finanzhilfen gefördert werden, wenn die hinreichende Versorgung der Bevölkerung im Fall von ausserordentlichen Umständen im Sinne von Artikel 10 des Epidemiengesetzes nicht anders zu gewährleisten ist. Damit wird einerseits die nach den Grundsätzen des Subventionsgesetzes notwendige materiell-rechtliche Grundlage geschaffen.

Andererseits wird das Subsidiaritätsprinzip dahingehend konkretisiert, dass es primär Sache der Privatwirtschaft ist, die benötigten Heilmittel zur Verfügung zu 16

SR 616.1

5615

halten, und Finanzhilfen nur ausgerichtet werden dürfen, wenn die hinreichende Versorgung in ausserordentlichen Lagen, z.B. während einer Pandemie, nicht anders gewährleistet ist. Ein Anzeichen für eine mangelhafte Versorgung kann dabei die Kenntnis über oder die hohe Wahrscheinlichkeit von einschneidenden Exportrestriktionen von Produktionsländern, aus denen gemäss vertraglichen Vereinbarungen eine Lieferung in die Schweiz erfolgen sollte, darstellen. Der im Normtext verwendete Begriff «Herstellung» umfasst sowohl die Entwicklung als auch die Produktion des Heilmittels. Dieses muss ein wichtiges zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeignetes Heilmittel sein (Art. 6 EpG).

Wenn diese Kriterien erfüllt sind, muss dem Bund aber im Einzelfall ein beträchtlicher Ermessensspielraum gewährt werden, damit er den Besonderheiten der Situation, z.B. der Bedrohungslage für die Schweiz, der internationalen Versorgungslage sowie der Entwicklung der anerkannten Strategien zur Krankheitsbekämpfung gerecht werden kann. In zeitlicher Hinsicht kann die Ausrichtung von Finanzhilfen jedoch bereits vor einer konkreten Pandemiebedrohung oder einer Pandemie zulässig und notwendig sein, damit die Bevölkerung der Schweiz in ausserordentlichen Lagen tatsächlich hinreichend versorgt ist. Finanzhilfen auf Basis von Artikel 32b können aber auch während ausserordentlicher Umstände nach Artikel 10 ausgerichtet werden. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Gewährung von Finanzhilfen, gestützt auf die Notkompetenz von Artikel 10 des Epidemiengesetzes, aufgrund der formell-rechtlichen Anforderungen an Subventionen nicht zulässig ist.

Absatz 2 zählt die verschiedenen Formen auf, in denen Finanzhilfen im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt werden können. Grundbeiträge können zur Deckung des üblichen Betriebsaufwandes gewährt werden. Dies kann z.B. dann gerechtfertigt erscheinen, wenn bestimmte, lediglich für die Heilmittelproduktion in Pandemiezeiten benötigte Produktionsanlagen unterhalten werden müssen. Finanzhilfen können weiter als Investitionsbeiträge beim Bau oder Ausbau von Infrastrukturen ausgerichtet werden. Will der Hersteller z.B. Projekte zur Entwicklung von Heilmitteln oder zur Qualitätssicherung der Produktion durchführen, kann der Bund an solche Projekte gebundene Beiträge sprechen. Im Übrigen kann der
Bundesrat diese Beitragsformen aufgrund seiner allgemeinen Kompetenz zum Erlass von Ausführungsrecht näher bestimmen.

Absatz 3 enthält die kumulativ zu erfüllenden Grundvoraussetzungen, an die die Ausrichtung von Beiträgen gebunden ist. So muss der Hersteller nach Buchstabe a über das notwendige Know-how für die Entwicklung oder Produktion des betreffenden Heilmittels verfügen. Damit die übergeordnete Zielsetzung ­ die hinreichende Versorgung der Bevölkerung in der Schweiz mit wichtigen Heilmitteln ­ erreicht wird, ist es zentral, dass das Heilmittel tatsächlich in der Schweiz produziert wird und somit eine Versorgungsautonomie gewährleistet ist (Bst. b). Demselben Ziel dient die Verpflichtung, den Bund im Fall von ausserordentlichen Umständen vorrangig mit den betreffenden Heilmitteln zu beliefern (Bst. c). Selbst bei Erfüllung sämtlicher Beitragsvoraussetzungen entsteht für den Hersteller aber kein Anspruch auf Finanzhilfen nach Artikel 32b.

Finanzhilfen können sowohl durch Verfügung wie auch durch öffentlich-rechtlichen Vertrag gewährt werden. Auf eine ausdrückliche Bestimmung in Bezug auf die Rechtsform wird vorliegend verzichtet, da die Bestimmungen des Subventionsgesetzes anwendbar sind.

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2.4

Schadensdeckung (Art. 32c)

Die Beschaffung von wirksamen und sicheren, zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten geeigneten Heilmitteln bildet eine Option, mit der der Bund seiner Versorgungspflicht nach Artikel 6 nachkommen kann. Der Bund kann dabei eine Abgabe bzw. Verwendungen des Heilmittels ins Auge fassen, welche das Haftungsrisiko der Hersteller, die neben der vertraglichen und ausservertraglichen Haftung insbesondere dem Bundesgesetz vom 18. Juni 199317 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz) unterstehen, erhöhen können. So steht es etwa im Interesse der öffentlichen Gesundheit bzw. des Bundes, einen Impfstoff im Pandemiefall möglichst rasch abgeben zu können. In einer solchen Situation ist es denkbar, dass noch kein heilmittelrechtliches Zulassungsverfahren, welches der Überprüfung der Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität eines Heilmittels dient, abgeschlossen werden konnte, und deshalb einzig eine befristete Bewilligung für die Abgabe und den Vertrieb nach Artikel 9 Absatz 4 des Heilmittelgesetzes anzustreben wäre18. Weiter ist es möglich, dass der Bund unter dem Eindruck einer verheerenden Pandemiewelle die Verwendung eines Impfstoffs auch an Bevölkerungsgruppen empfiehlt, ohne dass eine Zulassung für die entsprechende Indikation vorliegt. In beiden Fällen ist die Verwendung des Impfstoffes nur im untergeordneten Interesse des Herstellers, setzt diesen aber einem erhöhten Haftungsrisiko aus. Aufgrund dieser Situation bestehen auch auf internationaler Ebene Vorschriften, wonach z.B. die Verwendung von Arzneimitteln ausserhalb der genehmigten Indikationen oder die Verwendung nicht genehmigter Arzneimittel nicht der zivil- und verwaltungsrechtlichen Haftung unterliegen, wenn diese Verwendung von den Behörden als Reaktion auf bestimmte Krankheitserreger u.a. empfohlen oder verlangt wird (vgl. Art. 5 der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 200419 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel).

Vor diesem Hintergrund bietet die vorgeschlagene Bestimmung die Grundlage, auf welcher der Bund mittels einer Vereinbarung die Schadensdeckung in bestimmten Konstellationen übernehmen und damit für einen Ausgleich von Nutzen und Risiko sorgen kann. So ist es nach Absatz 1 möglich, dass der Bund sich gegenüber
einem Hersteller von Heilmitteln vertraglich zur Deckung der Schäden verpflichten kann, die aus der Verwendung des Heilmittels entstehen können und für die der Hersteller einstehen muss. Eine solche Übernahme der Schadensdeckung kommt der Gewährung einer Subvention gleich und ist ­ analog der allfälligen Ausrichtung von Finanzhilfen nach Artikel 32b ­ nur zulässig, wenn die hinreichende Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln nicht anders gewährleistet werden kann (vgl. die einleitenden Erläuterungen zu Art. 32b). Die Kompetenz des Bundes zur Übernahme einer Schadensdeckung wird zudem von Gesetzes wegen weiter eingeschränkt: So muss die Verwendung des Heilmittels auf Empfehlung oder Anordnung des Bundes erfolgen und es muss sich um ein wichtiges zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten geeignetes Heilmittel handeln.

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SR 221.112.944 Die befristete Bewilligung nach Art. 9 Abs. 4 HMG wird dann erteilt, wenn das nicht zugelassene Heilmittel gegen lebensbedrohliche Krankheiten abgegeben werden soll, dies mit dem Schutz der Gesundheit vereinbar ist, von der Anwendung ein grosser therapeutischer Nutzen zu erwarten ist und kein vergleichbares Arzneimittel zur Verfügung steht.

ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 37.

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Es ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere die Haftungsgrundlagen, die Haftungsvoraussetzungen und die Person des Haftpflichtigen von der vorliegenden Bestimmung nicht berührt werden. Namentlich wird der Bund im Rahmen dieser Bestimmung nicht selber haftungspflichtig.

Neben diesen gesetzlichen Vorgaben ist es nach Absatz 2 Sache des Bundes und des Herstellers, im Rahmen ihres Vertrages insbesondere den Umfang und die Modalitäten einer allfälligen Schadensdeckung festzulegen. Angesichts der Vielzahl möglicher Haftungs- bzw. Schadensszenarien erscheint es nicht als sinnvoll, zu einzelnen Konstellationen auf Gesetzesstufe nähere Bestimmungen zu erlassen. Klar ist, dass der Bund aber lediglich für die aus der besonderen Konstellation herrührenden Risiken eine Schadensdeckungspflicht in Erwägung ziehen darf und eine solche für jederzeit mögliche Fehler (z.B. in der Herstellung, Lagerung) nicht vorsehen wird.

Ebenso ist es Aufgabe des Bundes im Einzelfall, die geeigneten Modalitäten (insbesondere Informationspflichten des Herstellers über Schadenersatzforderungen, Pflicht zur ordentlichen Verteidigung der Herstellerinteressen usw.) festzulegen.

2.5

Dringlichkeitserklärung

Die Wahrscheinlichkeit einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung eines möglicherweise auf dem H5N1-Subtyp basierenden Influenza-Virus und der damit einhergehenden Pandemiebedrohung wird heute von sämtlichen Fachleuten als sehr hoch eingestuft. Vor diesem Hintergrund verhandeln das Eidgenössische Departement des Innern bzw. das BAG zurzeit mit verschiedenen Herstellern von Impfstoffen, um eine bestmögliche Versorgung der Schweizer Bevölkerung im Hinblick auf die befürchtete Pandemiebedrohung bzw. Pandemie sicherstellen zu können. Die Vorlage ist deshalb dringlich. Sie duldet keinen Aufschub, weil der Bund nur mit der vorgesehenen Kompetenzzuweisung über den notwendigen Handlungsspielraum verfügt, um die laufenden Verhandlungen erfolgreich abschliessen zu können. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Bedarf insbesondere nach Impfstoffen das Angebot übersteigt und ein internationaler Versorgungswettbewerb stattfindet. Damit die Gesetzesänderung möglichst rasch in Kraft treten kann, wird deshalb beantragt, dass die beiden Räte die Vorlage in Anwendung von Artikel 165 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) und Artikel 77 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200220 als dringlich erklären.

2.6

Inkrafttreten und Befristung

Nach Artikel 165 Absatz 1 BV kann ein als dringlich erklärtes Bundesgesetz sofort in Kraft gesetzt werden. Es ist zu befristen. Die Inkraftsetzung kann demnach auf den Tag nach der Verabschiedung bzw. der Dringlichkeitserklärung durch das Parlament erfolgen. Die vorgeschlagene Neuregelung bedingt im Übrigen zwecks Klärung von Schnittstellen geringfügige Anpassungen auf Verordnungsstufe, insbesondere in der auf Artikel 10 des Epidemiengesetzes gestützten Influenza-Pandemieverordnung. Der Bundesrat wird die betreffenden Anpassungen abgestimmt auf die Inkraftsetzung dieser Vorlage vorbereiten und verabschieden.

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SR 171.10

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Diese Änderung soll auf den 31. Dezember 2012 befristet werden. Somit hätten die Artikel 6, 32a und 32b ­ vorbehaltlich einer Ablehnung durch Volk und Stände aufgrund eines zwischenzeitlich ergriffenen Referendums (vgl. Art 165 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 141 Abs. 1 Bst. b BV) ­ eine Geltungsdauer von gut sechs Jahren. Ende 2012 sollten die zurzeit laufenden Arbeiten an einer umfassenderen Revision des Epidemiengesetzes abgeschlossen sein.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden sowie auf die Wirtschaft

Für die Kantone und Gemeinden sowie für die Wirtschaft ergeben sich durch die vorgeschlagenen Änderungen des Epidemiengesetzes keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

3.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Wie vorerwähnt, soll vorerst sichergestellt werden, dass der Bund die Kompetenz erhält, im Rahmen einer umfassenden Pandemievorbereitung alle nötigen Vorkehren zur Gewährleistung der hinreichenden Versorgung der Bevölkerung an die Hand zu nehmen. Während nach heutigem Kenntnisstand keine zusätzlichen personellen Ressourcen benötigt werden, können die finanziellen Auswirkungen deshalb im jetzigen Stadium der Vorbereitung noch nicht beziffert werden. Die Umsetzung des gewählten Versorgungskonzeptes ist unter anderem abhängig von den laufenden Verhandlungen und den Entwicklungen der Bekämpfungsstrategien. Angesichts der Komplexität des Geschäftes und vor dem Hintergrund der Versorgungspflicht des Bundes nach Artikel 6 werden die einzelnen Kostengutsprachen im Rahmen der ordentlichen Budget- und Finanzierungsverfahren sicherzustellen und den eidgenössischen Räten entsprechend vorzulegen sein.

3.3

Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 der Bundesverfassung bedürfen Subventionsbestimmungen und Verpflichtungskredite, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte.

Da die hinreichende Versorgung der Bevölkerung mit geeigneten Heilmitteln finanzwirksame Ausgaben zur Folgen haben wird und insbesondere die vorsorgliche Beschaffung über einen Verpflichtungskredit gesteuert werden soll, unterliegen die Artikel 32a, 32b und 32c des Epidemiengesetzes den Vorgaben der Ausgabenbremse.

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zum Finanzplan

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­200721 nicht angekündigt. Der Bedarf für eine Änderung des Epidemiengesetzes wurde Anfang 2006 erkannt.

5

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsgrundlagen für das zur Änderung vorgeschlagene Gesetz finden sich in den Artikeln 95 Absatz 1, 118 Absatz 2, 119, 120 und 123 BV. Für die hier vorgeschlagenen Änderungen ist Artikel 118 Absatz 2 BV (Schutz der Gesundheit) massgebend. Gestützt auf diese Bestimmung erlässt der Bund Vorschriften zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten von Menschen und Tieren.

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BBl 2004 1149

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