06.025 Botschaft zur Bundesbeteiligung am Unternehmen Swisscom AG vom 5. April 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes (Telekommunikationsunternehmungsgesetz, TUG) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. April 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-0289

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Übersicht Mit dieser Vorlage will der Bundesrat die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abgabe der Bundesbeteiligung am Unternehmen Swisscom AG schaffen. Für diesen Schritt sprechen aus Sicht des Bundesrates vor allem folgende Gründe: Der Telekommunikationsmarkt entwickelt sich weiterhin ausgesprochen dynamisch. Das ist zum einen auf technologische Entwicklungen zurückzuführen, z.B. die InternetTelefonie. Zum andern ist europaweit wieder eine Beschleunigung des Konsolidierungsprozesses zu beobachten. Aus dieser Dynamik ergeben sich für den Bund, dessen Beteiligung an der Swisscom einen Wert von rund 16 Milliarden darstellt, erhebliche finanzielle Risiken. Diese können gegenüber den Steuerzahlerinnen und -zahlern nicht länger verantwortet werden können. Zum Beispiel bedeutet ein Rückgang des Aktienkurses der Swisscom um 10 Prozent für den Bund einen Vermögensverlust von rund 1,6 Milliarden. Hinzu kommt, dass Swisscom in den letzten Jahren ihr Streben nach einer Expansion ins Ausland intensiviert hat. Dies ist nötig, weil sich das Unternehmen rechtzeitig gegen den zu erwartenden Umsatzrückgang im Inlandgeschäft wappnen muss. Für den Bund als Mehrheitsaktionär erhöhen sich damit aber die mit der Anlage verbundenen Risiken. Insgesamt wird seine Risikofähigkeit damit überschritten. Für Swisscom wiederum bedeutet die Bundesbeteiligung, dass sie in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt bleibt. Als Unternehmen, welches ausschliesslich privaten Investoren verpflichtet ist, würde sie über wesentlich grössere Spielräume verfügen. Auch für sie ist somit die Abgabe der Mehrheitsbeteiligung des Bundes von Vorteil. Es erhöht ihre Allianzfähigkeit und verschafft ihr Optionen, die mit einem mehrheitlich staatlichen Aktionariat verschlossen bleiben. Diese Vorlage reduziert somit nicht nur die finanziellen Risiken des Bundes, sondern sie trägt auch dazu bei, wichtige volkswirtschaftliche Interessen der Schweiz zu wahren.

In der Diskussion über die Abgabe der Bundesmehrheit an Swisscom wird häufig die Befürchtung geäussert, die flächendeckende Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen gerate dadurch in Gefahr. Der Bundesrat ist indes überzeugt, dass die Grundversorgung durch die bestehende Fernmeldegesetzgebung breit abgesichert ist und auch in Zukunft den sich wandelnden Bedürfnissen und technischen
Möglichkeiten angepasst werden kann. Auch die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) kommt in ihrem Tätigkeitsbericht 2005 zum Schluss, dass die Grundversorgung dank eines klugen Mechanismus im Fernmeldegesetz auch dann sichergestellt bleibt, wenn die Swisscom privatisiert wird. Die ComCom kann eine oder mehrere Anbieterinnen zur Grundversorgung verpflichten und verfügt über griffige Instrumente zur Sanktionierung einer fehlbaren Grundversorgungskonzessionärin. Es ist aber nicht anzunehmen, dass es je so weit kommen wird. In einer Netzwerkindustrie, die aufgrund der zunehmenden Konvergenz von Telefonie (fix und mobil), Internet und Fernsehen hohe Investitionen tätigen muss, ist es wirtschaftlich interessant, möglichst viele Hausanschlüsse direkt bedienen zu können.

Die Übernahme des Grundversorgungsauftrags ist somit für Anbieterinnen mit einem umfassenden Angebot ein wichtiger Schlüssel zum kommerziellen Erfolg. Nie hat deshalb im europäischen Raum bis heute die Privatisierung eines Telekommu-

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nikationsunternehmens zum Abbau der Grundversorgung geführt. Auch die sicherheitspolitischen Interessen bleiben dank den bestehenden Regelungen im Fernmeldegesetz gewahrt. In ausserordentlichen Lagen sind wichtige Leistungen vertraglich zugesichert; im Notfall wäre es sogar möglich, Anlagen zu requirieren und das notwendige Personal zum Dienst zu verpflichten. Schliesslich lassen sich mit der Abgabe der Bundesbeteiligung auch die Interessenkonflikte beseitigen, denen der Bund in seinen verschiedenen Rollen als Gesetzgeber, Regulator und Mehrheitsaktionär ausgesetzt ist.

Zur Umsetzung seines Konzepts unterbreitet der Bundesrat eine schlanke Gesetzesvorlage: Durch die Aufhebung von Artikel 6 Absätze 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 30. April 1997 über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes (Telekommunikationsunternehmungsgesetz, TUG) entfällt das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung des Bundes am Unternehmen Swisscom. In einer neuen Übergangsbestimmung (Art. 28a TUG) wird dem Bundesrat die Zuständigkeit für den Verkauf der Bundesbeteiligung und die Umwandlung der Gesellschaft in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft zugewiesen. Somit wird der Bundesrat ermächtigt, die Bundesbeteiligung am Unternehmen Swisscom zu veräussern; er ist jedoch nicht verpflichtet, dies unverzüglich zu tun, und kann z.B. im Falle eines ungünstigen Börsenumfeldes mit dem Verkauf zuwarten.

Der Bundesrat beabsichtigt, die Aktien in einer öffentlichen Sekundärplatzierung abzugeben. Damit will er die Aktien von Swisscom möglichst breit streuen. Auch behält er sich vor, unter Berücksichtigung der Marktbedingungen ein persönliches Aktienangebot für Privatinvestoren nach dem Vorbild des Börsengangs von 1998 zu lancieren.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 PTT-Reform 1997 1.1.2 Gesamtpaket Post/Swisscom AG 2001 1.1.2.1 Hauptgründe für die Vorlage 1.1.2.2 Ausgestaltung der Vorlage 1.1.2.3 Ergebnis der Vernehmlassung 1.1.3 Verbindungen zwischen dem Bund und Swisscom 1.1.3.1 Der Bund als Gesetzgeber 1.1.3.2 Der Bund als Regulator 1.1.3.3 Der Bund als Mehrheitsaktionär der Swisscom 1.1.3.4 Zielkonflikt zwischen den verschiedenen Rollen des Bundes 1.1.4 Telekommunikationsmarkt 1.1.4.1 Technologische Entwicklung 1.1.4.2 Der schweizerische Telekommunikationsmarkt 1.1.4.3 Der europäische Telekommunikationsmarkt 1.1.5 Das Unternehmen Swisscom 1.1.5.1 Marktposition 1.1.5.2 Grössere Unternehmenskäufe und -verkäufe 1.1.5.3 Unternehmensstrategie 1.1.5.4 Wertentwicklung der Swisscom-Aktie 1.1.5.5 Einnahmen des Bundes aus seiner Beteiligung an Swisscom 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Suboptimale Vermögensverteilung für den Bund 1.3.2 Politische und finanzielle Risiken für den Bund bei Auslandengagements der Swisscom 1.3.3 Erhöhung der unternehmerischen Flexibilität für Swisscom 1.3.4 Beseitigung der Interessens- und Zielkonflikte 1.3.5 Die Grundversorgung ist sichergestellt 1.3.6 Die sicherheitspolitischen Interesse des Landes sind gewahrt 1.4 Ergebnis der Vernehmlassung 1.4.1 Ausgestaltung der Vernehmlassungsvorlage 1.4.2 Stellungnahmen zur Abgabe der Bundesbeteiligung 1.4.3 Stellungnahmen zu den möglichen flankierenden Massnahmen 1.4.3.1 Massnahmen im Bereich der Grundversorgung 1.4.3.2 Massnahmen zur Wahrung der Eigenständigkeit 1.4.3.3 Kompetenzübertragung an das Parlament 1.4.4 Stellungnahme von Swisscom 1.5 Beibehaltung einer Sperrminorität 1.5.1 Grundsätzliches 1.5.2 Wirkung der Sperrminorität

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1.5.3 Die Sperrminorität aus Sicht der Investoren 1.5.4 Umwandlung der Rechtsform und neuer Artikel im FMG 1.6 Konzept für die Umsetzung 1.6.1 Rechtliche Umsetzung 1.6.2 Veräusserung des Aktienpakets

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2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 2.1 Bestimmungen im TUG (Ziff. I) 2.2 Inkraftsetzung und Aufhebung (Ziff. II und III)

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3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen auf den Bund 3.2 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.4 Auswirkungen auf die Randregionen

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4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zum Finanzplan 4.1 Legislaturplanung 2003­2007 4.2 Finanzplan

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Verhältnis zur FMG-Revision

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Anhänge 1 Strategische Ziele des Bundesrates für seine Beteiligung an der Swisscom AG 2006­2009 2 Ablauf der Revision des TUG

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Telekommunikationsunternehmungsgesetz (Eigenständigkeit für die Swisscom) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

PTT-Reform 1997

Im Rahmen der Legislaturplanung 1991­1995 beschloss der Bundesrat, im Bereich der Kommunikation eine Öffnung des Marktes unter Gewährleistung der Grundversorgung in die Wege zu leiten. Gleichzeitig sollte die Wettbewerbsfähigkeit des Kommunikationsstandortes Schweiz und der damaligen PTT-Betriebe gestärkt werden. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass die Post- und Telekommunikationsmärkte weltweit in beträchtlichem Tempo dem freien Wettbewerb geöffnet und Monopole aufgehoben oder zumindest gelockert wurden, neue Anbieter auftraten und der Kampf um Marktanteile stark zunahm.

Mit der Totalrevision des PTT-Organisationsgesetzes wurden die PTT-Betriebe in zwei selbständige Unternehmungen umgewandelt. Die Post weist heute die Form einer rechtlich selbständigen Anstalt auf, während die Telekommunikationsunternehmung Swisscom als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft ausgestaltet ist. Als logische Folge dieser Konzeption wurden separate Organisationsgesetze für die Post und die Telekommunikationsunternehmung geschaffen: das Bundesgesetz vom 30. April 1997 über die Organisation der Postunternehmung des Bundes (Postorganisationsgesetz, POG)1 und das Bundesgesetz vom 30. April 1997 über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes (Telekommunikationsunternehmungsgesetz, TUG)2.

Das TUG legt fest, dass Swisscom eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft ist, deren Organisation sich nach besagtem Gesetz, den Statuten und den aktienrechtlichen Vorschriften richtet (Art. 2). In Artikel 3 ist der Zweck der Unternehmung geregelt, nämlich im In- und Ausland Fernmelde- und Rundfunkdienste sowie damit zusammenhängende Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Gemäss Artikel 6 muss der Bund die kapital- und stimmenmässige Mehrheit an der Unternehmung halten; er legt jeweils für vier Jahre fest, welche Ziele er als Hauptaktionär erreichen will.

Gleichzeitig mit der Trennung und Verselbständigung von Post und Swisscom schuf der Gesetzgeber neue Rahmenbedingungen für die Post- und Telekommunikationsmärkte: das Postgesetz vom 30. April 1997 (PG)3 und das revidierte Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (FMG)4.

Die Revision des FMG war notwendig, weil die technischen Neuerungen, die Globalisierung der Märkte und die weltweiten Liberalisierungs- und Privatisierungsbestrebungen zu völlig neuen Marktstrukturen
geführt hatten. Mit dem revidierten FMG schuf der Gesetzgeber primär eine Rahmenordnung, welche die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz stärkt und 1 2 3 4

SR 783.1 SR 784.11 SR 783.0 SR 784.10

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die langfristige Sicherstellung und Finanzierung der Grundversorgung erlaubt. Das Fernmeldegesetz ist ein Marktgesetz mit einem Konzessionssystem. Der zweckbestimmende Artikel 1 umschreibt die Absichten des Bundes mit diesem Gesetz: der Bevölkerung und der Wirtschaft sollen vielfältige, preiswerte, qualitativ hoch stehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden (Abs. 1). Dabei sollen insbesondere eine zuverlässige und erschwingliche Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise in allen Landesteilen gewährleistet (Abs. 2 Bst. a), ein störungsfreier, die Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechte achtenden Fernmeldeverkehr sichergestellt (Abs. 2 Bst. b) und ein wirksamer Wettbewerb beim Erbringen von Fernmeldediensten ermöglicht werden (Abs. 2 Bst. c).

1.1.2

Gesamtpaket Post/Swisscom AG 2001

1.1.2.1

Hauptgründe für die Vorlage

Eine Flexibilisierung des Mehrheitserfordernisses an Swisscom strebte der Bundesrat bereits 2001 im Rahmen des Gesamtpakets Post/Swisscom AG an. Gemäss der damaligen Vernehmlassungsvorlage sollte der Bundesrat mittels einer Verfassungsbestimmung die Kompetenz erhalten, über Art und Umfang der Beteiligungen an konzessionierten Telekommunikationsunternehmen zu entscheiden. Die damit einhergehende Aufhebung der gesetzlich verankerten Bundesmehrheit an Swisscom wurde mit drei Hauptargumenten begründet: der Wahrung volkswirtschaftlicher Chancen (insbesondere Entwicklungschancen für Swisscom), der Reduktion des finanziellen Risikos für den Bund und der Tatsache, dass die Grundversorgung dank der Fernmeldegesetzgebung auch ohne Bundesmehrheit an Swisscom sichergestellt ist.

Der europäische Telekommunikationssektor entwickelte sich am Ende des letzten Jahrhunderts mit grosser Geschwindigkeit. Gleichzeitig fanden in wesentlichen Marktsegmenten rasche Konzentrationsprozesse statt. Vor diesem Hintergrund erachtete es der Bundesrat zur Stärkung des schweizerischen Wirtschaftsstandortes und zur langfristigen Sicherung der Arbeitsplätze im Telekommunikationsbereich als wichtig, dass der Bund als Hauptaktionär der Swisscom rasch auf Marktveränderungen reagieren und insbesondere vermeiden kann, dass die Swisscom AG oder einzelne ihrer Tochtergesellschaften aufgrund ihrer eingeschränkten Allianzfähigkeit die für das langfristige Überleben kritische Grösse nicht erreichen.

Die gesetzliche Verankerung der Mehrheitsbeteiligung setzte den Bund nach Auffassung des Bundesrates einem zu grossen, nicht diversifizierten Risiko aus. Deshalb schien ihm auch aus rein finanzieller Sicht eine deutliche Reduktion des Bundesanteils angezeigt.

Die Grundversorgung war bereits 2001 durch das FMG breit abgesichert und entsprechend auch ohne die Beteiligung des Bundes an der Swisscom AG sichergestellt.

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1.1.2.2

Ausgestaltung der Vorlage

Mit dem vorgeschlagenen neuen Absatz 4 in Artikel 92 der Bundesverfassung (BV) sollte dem Bundesrat die Kompetenz gegeben werden, über Art und Umfang von Beteiligungen an konzessionierten Telekommunikationsunternehmungen zu entscheiden. Damit hätte er zu einem geeignet erscheinenden Zeitpunkt und bei Notwendigkeit seine Beteiligung an Swisscom abgeben können. Die Verfassungsbestimmung liess aber die Möglichkeit einer Minderheitsbeteiligung offen. Zur Absicherung der volkswirtschaftlichen Risiken (Verschiebung von Entscheidzentren und von wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätzen ins Ausland) wurden befristete, in den Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung festgelegte Kontrollrechte zur Diskussion gestellt.

Die auf acht Jahre nach Abgabe der Bundesmehrheit befristeten Kontrollrechte hätten dem Bundesrat zu gewissen Geschäftsvorfällen bei Swisscom ein Vetorecht eingeräumt: ­

zu einer Beteiligung von Dritten von mehr als 20 % an der Swisscom AG oder an ihren massgeblichen Tochtergesellschaften und

­

zur Veräusserung von Teilen der Gesellschaft, zu Zusammenschlüssen massgeblicher Teile der Gesellschaft mit Dritten sowie zu Beschlüssen, die direkt oder indirekt eine Verlagerung von wesentlichen Geschäftsaktivitäten ins Ausland zur Folge gehabt hätten.

1.1.2.3

Ergebnis der Vernehmlassung

Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Swisscom wurde insgesamt begrüsst, doch die Vorlage stiess in der Vernehmlassung auch auf unübersehbare Kritik. Die Bedenken betrafen vor allem die Sicherstellung der Grundversorgung und zum Teil die sicherheitspolitischen Bedürfnisse des Landes. Die befristeten Kontrollrechte wurden in mehreren Stellungnahmen nur beschränkt als hinreichende Alternative zum Eigentum an der Unternehmung akzeptiert und in anderen als für die Unternehmensentwicklung hemmend bezeichnet. Ferner bestand kein Konsens über die Ausgestaltung (Dauer, Ausmass) dieser Sonderrechte.

Zum Zeitpunkt der Auswertung der Vernehmlassung hatte der Handlungsdruck aufgrund der verlangsamten Branchenkonsolidierung zudem nachgelassen, so dass der Bundesrat im Mai 2002 auf die Weiterführung der Arbeiten zur Lockerung des Mehrheitserfordernisses verzichtete.

1.1.3

Verbindungen zwischen dem Bund und Swisscom

Aufgrund der PTT-Reform von 1997 und der begleitenden Marktreformen kommen dem Bund bezüglich Telekommunikation drei verschiedene Rollen zu. Er ist zugleich Gesetzgeber, Regulator im Telekommunikationsmarkt und Mehrheitsaktionär der Swisscom.

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1.1.3.1

Der Bund als Gesetzgeber

Die Bundesversammlung gestaltet die Rahmenbedingungen für Swisscom und den Telekommunikationsmarkt über zwei gesetzliche Kanäle: das Telekommunikationsunternehmungsgesetz (TUG) und das Fernmeldegesetz (FMG). Das TUG regelt im Wesentlichen das Verhältnis zwischen dem Bund als Mehrheitsaktionär und der Swisscom als Telekommunikationsunternehmung des Bundes. Das FMG regelt die Rahmenbedingungen für alle in der Schweiz aktiven Telekommunikationsunternehmungen. Swisscom ist die grösste unter diesen, wird aber im Gesetz nicht explizit erwähnt.

1.1.3.2

Der Bund als Regulator

Mit der Marktöffnung per 1998 wurde die Monopolstellung der ehemaligen PTT im Bereich Telekommunikation aufgehoben. Die Ermöglichung eines wirksamen Wettbewerbs ist eines der erklärten Ziele des Fernmeldegesetzes. Die Auswirkungen eines funktionierenden Wettbewerbs sind hinreichend bekannt: Senkung der Preise, Verbesserung der Qualität der Produkte oder Dienstleistungen und Förderung der Innovation verbunden mit Investitionen in neue Technologien und Produkte. Diese Effekte liegen im Interesse der Kundinnen und Kunden: Sie kommen in den Genuss von billigeren, besseren und neuartigen Leistungen. Dies ist nicht nur für die Privatkunden, sondern v.a. auch für den Wirtschaftsstandort Schweiz von zentraler Bedeutung.

Aus verschiedenen Gründen (u.a. Gewährleistung einer flächendeckenden Grundversorgung, Gewährleistung des Netzzugangs, Beschränktheit der Funkfrequenzen) wird der geöffnete Telekommunikationsmarkt reguliert. Diese Aufgabe ist per Gesetz der Eidgenössischen Kommunikationskommission (ComCom) als unabhängiger Regulierungsbehörde zugewiesen. Die Hauptaufgaben der ComCom sind: ­

die Erteilung der Grundversorgungskonzession,

­

die Vergabe von Konzessionen für die Fernmeldedienstanbieterinnen und von Konzessionen für die Nutzung des Funkfrequenzspektrums,

­

die Verfügung der Interkonnektionsbedingungen, wenn die Dienstanbieterinnen keine Einigung erzielen,

­

die Genehmigung des nationalen Frequenzzuweisungsplans und der nationalen Nummerierungspläne sowie

­

die Regelung der Modalitäten der Nummernportabilität und der freien Wahl der Dienstanbieterin.

Ausserdem hat die ComCom bei Verletzung des anwendbaren Rechts die Kompetenz, entsprechende Massnahmen zu verfügen und gegebenenfalls die Konzession zu entziehen. Der Bundesrat hat gegenüber der ComCom kein Weisungsrecht, er wählt jedoch ihre Mitglieder.

Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) bereitet die Entscheide der ComCom vor und führt sie aus. Zudem registriert es die Anbieterinnen von Fernmeldediensten und hat dafür zu sorgen, dass diese ihren Pflichten nachkommen. Weiter verwaltet das BAKOM das Frequenzenspektrum und die Adressierungselemente.

Auch hat die ComCom das BAKOM ermächtigt, nicht öffentlich auszuschreibende 3771

Fernmeldekonzessionen zu erteilen, so z.B. für Dienste auf leitungsgebundenen Netzen. Bei diesen Konzessionen kann das BAKOM sämtliche notwendigen Massnahmen treffen.

1.1.3.3

Der Bund als Mehrheitsaktionär der Swisscom

Der Bund verfügt heute in seiner Funktion als Mehrheitsaktionär und gestützt auf die spezialgesetzlichen Regelungen des TUG über drei Instrumente zur Wahrung seiner Aktionärsinteressen: die Beherrschung der Generalversammlung, die strategischen Ziele des Bundesrates und die Abordnung eines Staatsvertreters in den Verwaltungsrat von Swisscom.

Beherrschung der Generalversammlung Der Bund kontrolliert dank seiner Aktienmehrheit die Generalversammlung und damit sämtliche Geschäfte, die in deren Zuständigkeitsbereich liegen. Dazu zählen namentlich die Wahl und gegebenenfalls die Abwahl der Verwaltungsratsmitglieder.

Der Verwaltungsrat ist als oberstes Führungsorgan des Unternehmens konzipiert und trägt gegenüber der vom Bund beherrschten Generalversammlung die volle Verantwortung.

Die strategischen Ziele des Bundesrates Der Bundesrat legt gemäss Artikel 6 Absatz 3 TUG für jeweils vier Jahre fest, welche Ziele er mit seiner Beteiligung an Swisscom erreichen will. Diese Ziele stellen somit die Erwartungen dar, die der Bund als Hauptaktionär gegenüber dem Unternehmen hat. Gleichzeitig bindet sich der Mehrheitsaktionär gegenüber dem Unternehmen.

Die strategischen Ziele für die Periode 2006­2009 wurden vom Bundesrat im Dezember 2005 verabschiedet (siehe Anhang 1). Sie legen die allgemeine Ausrichtung des Unternehmens, finanzielle und personelle Ziele sowie Leitplanken für Kooperationen und Beteiligungen fest.

Das Kapitel über die allgemeine Ausrichtung des Unternehmens hält die Ziele des Bundesrates für die einzelnen Gruppengesellschaften von Swisscom fest. Weiter wird von Swisscom gefordert, dass das Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, betriebswirtschaftlich geführt und kundenorientiert arbeiten soll. Sodann erwartet der Bundesrat, dass Swisscom die Grundversorgung sicherstellt und sich für eine zukünftige Konzession, welche die Weiterführung dieser Aufgabe ermöglicht, bewirbt.

Die finanziellen Ziele umfassen Vorgaben zur Sicherung des Unternehmenswertes, zur Ausschüttungspolitik sowie eine Bestimmung über die maximal mögliche Verschuldung des Unternehmens. Swisscom soll demgemäss frei verfügbare Mittel den Aktionären ausschütten und die ausschüttbaren Reserven auf höchstens eine Milliarde reduzieren. Zudem muss sie die Nettoverschuldung auf höchstens das Anderthalbfache des EBITDA5 gemäss konsolidierter Rechnung begrenzen. Swisscom hat aufgrund dieser Bestimmungen aus heutiger Sicht einen maximalen zusätz5

Die englische Abkürzung EBITDA bezeichnet das Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization).

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lichen Verschuldungsspielraum von rund 5 Milliarden. Damit schränkt der Bund während der Übergangsfrist bis zum Verkauf seiner Beteiligung seine Risiken auf ein für ihn akzeptables Mass ein.

In den personellen Zielen wird u.a. festgehalten, dass der Bundesrat eine fortschrittliche und sozialverantwortliche Personalpolitik und eine zeitgemässe Lehrlingsausbildung erwartet.

Der Abschnitt über Kooperationen und Beteiligungen legt fest, dass Swisscom Beteiligungen nur eingeht, wenn diese langfristig zur Sicherung oder Steigerung des Unternehmenswertes beitragen, führungsmässig gut betreut werden können und dem Risikoaspekt genügend Rechnung tragen. Swisscom darf sich nicht an ausländischen Telekommunikationsgesellschaften mit einem Grundversorgungsauftrag beteiligen.

Übrige Beteiligungen im In- und Ausland sind jedoch möglich, wenn sie das Kerngeschäft im Inland unterstützen oder eine andere strategisch-industrielle Logik aufweisen.

Im Falle von signifikanten Änderungen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder technologischen Rahmenbedingungen kann der Bundesrat die strategischen Ziele nach Rücksprache mit Swisscom anpassen.

Der Verwaltungsrat hat dem Bundesrat am Ende jedes Geschäftsjahres über die Erreichung der strategischen Ziele Bericht zu erstatten. Die Prüfung der Zielerreichung wird anhand eines mit Swisscom vereinbarten Kennzahlensystems durchgeführt.

Die strategischen Ziele sind von der Strategie der Unternehmung selbst zu unterscheiden. Der Hauptaktionär soll sich auf die grundsätzliche Ausrichtung beschränken und die operative Führung den dafür vorgesehenen Organen des Unternehmens überlassen. Die strategischen Ziele fliessen somit in die Unternehmensstrategie der Swisscom AG ein.

Staatsvertreter im Verwaltungsrat Gemäss Statuten der Swisscom darf der Bund zwei Vertreter in den Verwaltungsrat abordnen. Zurzeit nimmt allerdings nur ein Bundesvertreter im Verwaltungsrat Einsitz. Die vom Bund abgeordneten Verwaltungsratsmitglieder haben dieselben Rechte und Pflichten wie die von der Generalversammlung gewählten Mitglieder (Art. 762 Abs. 3 OR).

Ihre Aufgabe ist es überdies, den Bund über die jeweilige Lage der Swisscom umfassend zu informieren und auf entsprechende Instruktion des Bundesrates hin dessen Vorstellungen zu wichtigen Fragen direkt in den Verwaltungsrat einzubringen. Der
Verwaltungsrat ist aber nicht an die Instruktion des Bundesrates gebunden.

Er kann sich über diese hinwegsetzen, falls eine Mehrheit seiner Mitglieder die Meinung des Hauptaktionärs nicht unterstützt.

3773

1.1.3.4

Zielkonflikt zwischen den verschiedenen Rollen des Bundes

Die Kombination der verschiedenen Einfluss-, Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundes (Regulierung und Aufsicht, Zielvorgaben, Vertretung im Verwaltungsrat, Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte an der GV usw.) ist nicht unproblematisch. Der Bund muss zwischen seinen Interessen als Regulator, Gesetzgeber und Grosskunde von Swisscom einerseits (tiefe Preise, hohe Qualität, breite Verfügbarkeit neuer Technologien, allgemein: Schaffung guter Rahmenbedingungen für die gesamte Wirtschaft) und seinen Interessen als Mehrheitsaktionär von Swisscom andererseits (Sicherung des Unternehmenswertes) abwägen. Zielkonflikte sind aufgrund der z.T. gegenläufigen Interessenlagen und Betrachtungsweisen (gesamtoder betriebswirtschaftlich), welche diese verschiedenen Funktionen für den Bund mit sich bringen, nicht zu vermeiden. Eine Beschränkung auf die zwingenden, staatlichen Funktionen des Gesetzgebers und des Regulators würde diesbezüglich Klarheit für alle Beteiligten schaffen.

1.1.4

Telekommunikationsmarkt

1.1.4.1

Technologische Entwicklung

Die Telekommunikationsindustrie ist einem raschen technologischen Wandel unterworfen. Spielte die Internetprotokoll-Technologie (IP) bisher vorwiegend in Fernübertragungsnetzen eine Rolle, so gewinnt sie heute auch in Zugangsnetzen (z.B.

WLAN, UMTS, GPRS) und in der Sprachübertragung (Voice over IP) an Wichtigkeit. Immer mehr Endgeräte sind IP-kompatibel. Diese Entwicklung kann im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Inhalten mittelfristig zu einem «All-IP» Szenario führen, in welchem IT-, Telekommunikations- und Unterhaltungsanwendungen konvergieren. Weltweit sind Telekomfirmen und Fernsehkabelbetreiber daran, «Triple Play»-Konzepte umzusetzen (Bündelung der Dienste Telefonie, Internet und Fernsehen). Cablecom hat ein entsprechendes Angebot bereits lanciert, Swisscom will die laufende Versuchsplattform noch dieses Jahr in ein marktfähiges Produkt überführen.

Weil immer mehr Dienste auf dem Internetprotokoll (IP) basieren und deshalb netzübergreifend angeboten werden können, unterscheiden sich fixe und mobile Dienste immer weniger. Die Zusammenführung von fixen und mobilen Netzen und Diensten wird den Kundinnen und Kunden längerfristig ein einheitlicheres Dienstangebot und den Netzbetreibern Kostenersparnisse bringen.

Drahtlose Zugangstechnologien entwickeln sich in rasantem Tempo weiter. Die breitbandige Funktechnologie WiMax (Worldwide Interoperability for Microwave Access) weckt hohe Erwartungen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass WiMax im Breitbandmarkt neben ADSL und Kabelinternet in einem infrastrukturell gut erschlossenen Land wie der Schweiz eine eher ergänzende Rolle spielen wird.

3774

1.1.4.2

Der schweizerische Telekommunikationsmarkt

Regulatorisches Umfeld Der Zutritt zum Telekommunikationsmarkt steht grundsätzlich jeder Anbieterin von Fernmeldediensten offen. Dazu ist je nach technischer Ausstattung die Erlangung einer Dienstekonzession oder nur eine Meldung beim BAKOM erforderlich.

Ein wichtiges Instrument zur Schaffung und Erhaltung von Wettbewerb ist die Interkonnektion. Darunter wird die Verbindung von Fernmeldenetzen und darauf aufbauenden Diensten verstanden. Marktbeherrschende Anbieterinnen haben den anderen Anbieterinnen Interkonnektion zu kostenorientierten Preisen zu gewähren.

Für den Abschluss von Interkonnektionsverträgen gilt das Verhandlungsprimat zwischen den Anbieterinnen.

Weiter müssen auch alle Anbieterinnen, die Fernmeldedienste der Grundversorgung anbieten, Interkonnektion sicherstellen. Damit wird für diese Dienste die uneingeschränkte Kommunikationsfähigkeit zwischen allen Endkunden gewährleistet (Interoperabilität).

Auswirkungen der Öffnung der Telekommunikationsmärkte Die Marktöffnung in der Telekommunikation brachte bisher in vielen Teilmärkten gute Ergebnisse. Der Wettbewerb liess die Preise besonders im nutzungsabhängigen Bereich deutlich fallen6; im Anschlussbereich kann insbesondere beim Breitbandanschluss zumindest eine Verbesserung des Preis-Leistungsverhältnisses festgestellt werden. Das Spiel der Marktkräfte begünstigte das Entstehen neuer oder verbesserter Dienstleistungen. Die Geschichte der Marktöffnung der Telekommunikation hat gezeigt, dass der Markt infolge neuer Kundenbedürfnisse stark ausgeweitet werden konnte. So stieg der Umsatz pro Einwohner von 1567 Franken im Jahr 1998 auf 2158 Franken im Jahre 20047, dies trotz teilweise stark gesunkener Preise.

In bestimmten Marktsegmenten konnte sich mit den Regelungen des Fernmeldegesetzes allerdings noch keine nachhaltige Wettbewerbssituation durchsetzen.

Schwierigkeiten lassen sich insbesondere im Anschlussbereich ausmachen, wo alternativen Anbietern der direkte Zugang zu den Endkunden bisher verwehrt blieb.

Hier kann der Infrastrukturwettbewerb teilweise Abhilfe schaffen. Dieser greift jedoch nicht flächendeckend, da z.B. die TV-Kabelnetze nicht überall verfügbar oder geeignet ausgebaut sind. Teilweise haben auch die alternativen Technologien ihre Marktreife noch nicht vollständig erreicht. Deshalb hat der Bundesrat dem Parlament im
Jahr 2003 eine Änderung des Fernmeldegesetzes unterbreitet8. Die wichtigsten Punkte der Revision betrafen insbesondere die Entbündelung der Teilnehmeranschlüsse («letzte Meile») von marktbeherrschenden Anbieterinnen. Zudem wurden entscheidende Verbesserungen zum Schutz der persönlichen Daten sowie der Konsumentinnen und Konsumenten ­ wie das Verbot unverlangter Massensendungen oder die Schaffung einer Schlichtungsstelle ­ eingeführt. Während der parlamentarischen Beratung des Gesetzes war insbesondere die Regulierung der «letzten Meile» umstritten. Die Änderung des FMG wurde am 24. März 2006 von 6

7 8

So verbilligte sich etwa ein nationaler Anruf von drei Minuten Dauer zwischen Februar 1998 und 2005 um rund zwei Drittel, siehe BAKOM, Fernmeldestatistik: Entwicklung bis zum 31.12.2004 für bestimmte Indikatoren, Mai 2005, S. 13.

Vgl. BAKOM: Amtliche Fernmeldestatistik 2004, Seite 51.

BBl 2003 7951

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den Eidgenössischen Räten verabschiedet, so dass die Modalitäten der Entbündelung nun feststehen und die Marktteilnehmer sich danach ausrichten können.

Marktentwicklung in der Schweiz Der Schweizer Markt für Festnetztelefonie hat sich in den vergangenen Jahren bezüglich angebotener Minuten und erzielter Umsätze leicht rückläufig entwickelt.

Tiefere Preise führten zwar zu einem Mehrkonsum, doch haben Substitutionswirkungen diesen Effekt überkompensiert: Seit Jahren ist ein Wechsel von Festnetzdiensten zu mobilen Diensten festzustellen. Ebenso weichen immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten auf die IP-Telefonie aus. Schliesslich erfolgt der Internetzugang nicht mehr über ein Modem im Einwählverfahren (dial-up), sondern zunehmend durch einen Breitbandanschluss (z.B. ADSL). Dadurch steigen aber die nutzungsunabhängigen Einnahmen aus Anschlussgebühren. Mit einem Marktanteil von ca. 60 % im Bereich Festnetzverkehr sowie ca. 38 % bei BreitbandAnschlüssen9 für das Jahr 2004 hat Swisscom nach wie vor eine starke Marktposition. International gesehen nahm die Schweiz Ende 2004 mit 1,3 Millionen Breitbandanschlüssen und einer Durchdringung von rund 34 % aller Haushalte einen Platz in der Spitzengruppe ein10.

Eine durch das BAKOM in Auftrag gegebene Studie11 belegt, dass eine Mehrheit der Schweizer Privatkunden (noch) nicht bereit ist, den Festnetzanschluss gegen eine rein mobile Kommunikation einzutauschen; der Hauptgrund liegt in der immer noch beträchtlichen Preisdifferenz zwischen festnetzgebundenen und mobilen Dienstleistungen. Zudem erhöhen Innovationen den Anreiz, weiterhin in das Festnetz zu investieren. Nach eigenen Angaben will Swisscom nächstes Jahr 600­700 Millionen in den Ausbau des Festnetzes auf die VDSL-Technologie12 investieren. Dies beweist die immer noch bestehende Attraktivität des Festnetzmarktes. Trotzdem geht Swisscom für die Zukunft von kontinuierlich sinkenden Umsätzen aus (vgl. Ziff. 1.1.5).

Der Schweizer Mobilfunkmarkt ist mit einer Durchdringung von 92 % der Schweizer Bevölkerung (im Jahr 2005) gut entwickelt; es ist daher mit einer gewissen Marktsättigung zu rechnen. Vier Anbieter betreiben eigene Netze (Swisscom, Sunrise und Orange jeweils flächendeckend; Tele2 mit einem Stadtnetz in der Agglomeration Zürich). Zudem sind vier Wiederverkäufer auf dem Markt tätig (Cablecom,
Migros, Coop, Yallo/Sunrise). Per Ende 2004 (noch ohne Tele2) verzeichneten die Mobilfunk-Betreiber folgende Marktanteile: Swisscom 63 %, Sunrise 19 %, Orange 18 %. Die Umsätze in der Sprachtelefonie dürften aufgrund weiterer Preissenkungen zurückgehen. Insbesondere werden die im internationalen Vergleich hohen Terminierungsgebühren13 unter Druck geraten; so haben die drei grossen Mobilfunk-Betreiber diese Gebühren 2005 gesenkt. Der Anstieg der Umsätze im 9

10

11 12 13

Der Marktanteil von 60 % im Festnetzmarkt bezieht sich auf Telefonie- und analoge Datenübertragungsdienstleistungen. Im Breitbandmarkt stellt Swisscom 63 % der Breitbandleitungen zur Verfügung (die restlichen 37 % werden durch Kabelanbieter gestellt); einen Teil dieser Leitungen vermietet Swisscom jedoch anderen Anbieterinnen, so dass der Marktanteil von direkt dem Kunden verkauften Breitbanddienstleistungen bei 38 % liegt.

Quelle: Informa Telecom Markets, Broadband Subscriber Database, Dezember 2005, Seite 10. Für Ende 2005 wird geschätzt, dass ein Breitbandanschluss in rund 50 % aller Schweizer Haushalte vorhanden ist.

Vgl. BAKOM : Nutzung von Telekomdiensten auf dem Festnetz, 2005.

VDSL: Very High Speed Digital Subscriber Line, die schnellste aller DSL-Technologien.

Vgl. BAKOM: Der Schweizer Fernmeldemarkt im internationalen Vergleich, 2005, S. 51.

3776

Daten-Bereich, höhere Volumina aufgrund tieferer Preise sowie die Fix-MobileSubstitution vermögen diese Verluste wahrscheinlich nur teilweise zu kompensieren.

1.1.4.3

Der europäische Telekommunikationsmarkt

Das Konsolidierungstempo auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt hat seit gut einem Jahr wieder an Fahrt gewonnen. Die grössten Transaktionen im vergangenen Jahr waren die Übernahme von Cesky Telecom (Kaufpreis 4,3 Milliarden) und des Mobilfunkanbieters O2 (rund 40 Milliarden) durch die spanische Telefonica, diejenige von Amena in Spanien durch France Telecom (9,3 Milliarden) sowie die Akquisition von Wind in Italien durch ein Konsortium (18,5 Milliarden). Ein Konsortium von Finanzinvestoren lancierte Ende 2005 für die dänische TDC ein Angebot von 15,8 Milliarden.

Vor mehrheitlicher Übernahme sind in Europa neben Swisscom heute noch P&T Luxembourg (Staatsanteil 100 %), Telekom Slovenjie (72,4 %), die schwedischfinnische TeliaSonera (57 %, davon Schweden 44 % und Finnland 13 %), die norwegische Telenor (54 %) und Belgacom (50 %; Stimmrechte 53,14 %) geschützt.

Bei der Deutschen Telekom (37 %), France Telecom (33 %), Telekom Austria (30 %, wobei 5 % für eine Wandelanleihe reserviert sind) sowie der griechischen OTE (38%) halten die Regierungen Sperrminoritäten. Potentielle Investoren können jedoch eine 50 %-Mehrheit erwerben, ohne dass die Regierungen dies verhindern können. In Griechenland wählt aber die Regierung den Verwaltungsrat und bestimmt das Management. Bei der Portugal Telecom sowie der Hungarian Telecom RT hält der Staat eine symbolische Beteiligung, die mit Kontroll- oder Vetorechten verbunden ist (golden share). Bei der niederländischen KPN hält der Staat zwar noch rund 7,8 % der Aktien, hat aber kürzlich seine «golden share» abgegeben. Die Regierungen von Grossbritannien (British Telecom), Dänemark (TDC), Spanien (Telefonica), Irland (Eircom), Island (Iceland Telekom) und Tschechien (Cesky Telecom) haben sich vollständig aus ihren ehemaligen Monopolisten zurückgezogen. Sie halten keine Aktien an den Unternehmungen und haben auch keine anderweitigen, über das Fernmelderecht hinausgehenden Einflussmöglichkeiten.

Seit Mitte 2003 regelt ein neuer Rechtsrahmen den Telekommunikationsmarkt in der Europäischen Union. Kernstücke dieses Rechtsrahmens sind sechs Richtlinien und ein weiterer Erlass14. In 18 vorab definierten Märkten wird die Wettbewerbssituation systematisch analysiert, und bei Vorliegen von Wettbewerbsverzerrungen muss der jeweilige nationale Regulator geeignete Massnahmen
zur Verbesserung durchsetzen.

Die 25 Mitgliedstaaten sind gehalten, den Rechtsrahmen in nationales Recht umzusetzen und anzuwenden. Die EU-Kommission untersucht regelmässig die Einhaltung der Vorschriften und erstattet Bericht15. Gegen säumige Mitgliedstaaten können zudem Verfahren eröffnet werden.

14 15

Der Rechtsrahmen und seine Gesetzestexte im Einzelnen: http://europa.eu.int/information_society/policy/ecomm/todays_framework/overview Zum Stand der Umsetzung: http://europa.eu.int/information_society/policy/ecomm/implementation_enforcement

3777

1.1.5

Das Unternehmen Swisscom

1.1.5.1

Marktposition

Mit einem Umsatz von 9,7 Milliarden in 2005, einem Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 4,2 Milliarden, einem Reingewinn von rund 2,3 Milliarden und 16 088 Vollzeitstellen ist die Swisscom-Gruppe die führende Telekommunikationsanbieterin in der Schweiz. Swisscom ist landesweit präsent mit allen Dienstleistungen und Produkten für die mobile, die netzgebundene und die IP-basierte Sprach- und Datenkommunikation. Auf der Basis der bis Ende 2007 laufenden Konzession stellt sie mit der Gruppengesellschaft Fixnet die flächendeckende Grundversorgung der Bevölkerung mit zuverlässigen Fernmeldediensten sicher.

Im Festnetzbereich positioniert sich Swisscom mit ihrer Gesellschaft Fixnet strategisch als Breitbandanschlussanbieterin mit einem Triple-Play Angebot. Per Ende 2005 hat Swisscom Fixnet innert eines Jahres die Zahl der ADSL-Anschlüsse von 802 000 auf 1 098 000 gesteigert. Ende 2005 verzeichnete Swisscom Fixnet ausserdem 2,9 Millionen analoge und 900 000 ISDN-Anschlüsse. Mit Bluewin verfügt Swisscom zudem über das grösste schweizerische Online-Portal für Privatkunden.

Das Mobilfunkgeschäft wird durch die Gruppengesellschaft Swisscom Mobile betrieben. Vodafone Group Plc ist mit 25 Prozent am Aktienkapital von Swisscom Mobile beteiligt. Das GSM-Mobilfunknetz von Swisscom Mobile deckt 99 % des besiedelten Gebietes der Schweiz ab und bedient über 4,3 Millionen Kunden. Seit November 2004 führt Swisscom Mobile als erste Schweizer Mobilnetzbetreiberin UMTS-Handys im Angebot. Das UMTS-Netz steht bereits 90 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz zur Verfügung. Public Wireless-LAN (WLAN) kann an rund 1000 Hotspots von Swisscom Mobile in der Schweiz genutzt werden.

1.1.5.2

Grössere Unternehmenskäufe und -verkäufe

Die Akquisitions-Tätigkeit von Swisscom in den vergangenen Jahren lässt sich grob in zwei Phasen einteilen.

1995 bis 2001: Phase der geographischen Expansion ­

1995­1998: Investitionen in sich entwickelnde Telekommunikationsmärkte (z.B. Akquisition DiGi, Malaysia)

­

1998­1999: Ausdehnung auf benachbarte Wirtschaftsräume (z.B. Akquisition Tesion, Deutschland)

­

1999­2001: Weiterentwicklung eines Geschäftsmodells für Mobilfunkdienste ohne eigenes Netz mit der Option, später Infrastruktur dazuzukaufen (Akquisition debitel)

2001 bis heute: Bereinigung des Portfolios und Fokussierung auf den Heimmarkt ­ aktive Prüfung von Beteiligungsmöglichkeiten im Ausland ­

3778

Verkauf von debitel und aktive Prüfung der Akquisition nachhaltiger Telekommunikationsanbieter mit Fokus auf ehemalige staatliche (Monopol-) Anbieter (u.a. Projekte Telekom Austria in 2004 sowie Cesky Telecom und Eircom in 2005).

Unter Verwendung strenger Akquisitionskriterien hat Swisscom seit 2001 mehrere hundert Opportunitäten analysiert und beurteilt. Mit Ausnahme der Akquisition von Antenna Hungaria, dem grössten Anbieter von Rundfunkübertragungsdienstleistungen in Ungarn, im Jahr 2005, wurden jedoch keine grösseren Auslandengagements eingegangen ­ in der grossen Mehrzahl der Fälle, weil die Akquisitionskriterien von Swisscom nicht erfüllt waren. Im Falle des Übernahmeversuches von Cesky Telecom im Frühjahr 2005 wurde Swisscom im Rahmen eines Auktionsprozesses von der spanischen Telefonica überboten. Im Falle der Verhandlungen mit Eircom im Herbst 2005 hat sich der Bund als Mehrheitsaktionär von Swisscom gegen eine mögliche Akquisition ausgesprochen, worauf der Verwaltungsrat seine Bemühungen um die Übernahme einstellte.

1.1.5.3

Unternehmensstrategie

Swisscom hat sich in Abstimmung mit den strategischen Zielen des Bundesrates 2006­2009 neu ausgerichtet. Das Unternehmen will aus einer Position der Stärke heraus die Breite seines Angebots und seine hohe Technologiekompetenz ausschöpfen und seine Strategie auf drei Säulen abstützen: Erstens soll das Kerngeschäft mit konvergenten Angeboten gestärkt, der Kundennutzen maximiert und die Effizienz weiter gesteigert werden. Zweitens zielt Swisscom auf Wachstum im Markt für Geschäftskunden. Drittens sucht sie, basierend auf den heutigen Kernkompetenzen, die Expansion in neue Bereiche.

Dabei gilt es, den sich sehr rasch ändernden Kundenbedürfnissen Rechnung zu tragen und in einem durch starken Wettbewerb mit sinkenden Erträgen geprägten Kerngeschäft den Unternehmenswert langfristig zu halten und zu steigern. Swisscom wird deshalb in allen Bereichen des TIME-Markts (Telekom, Informatik, Medien, Entertainment = Unterhaltung) investieren und sich zunehmend in neuen Märkten und angrenzenden Geschäftsfeldern engagieren.

Für die Privatkundschaft in der Schweiz wird Swisscom die Angebots-Palette mit neuen, konvergenten Dienstleistungen ergänzen und dafür die heutige Netzinfrastruktur weiter ausbauen. Zudem will das Unternehmen in neue Geschäftsbereiche wie zum Beispiel das Fernsehen über Internet vorstossen.

Aufgrund der beschränkten Grösse des Schweizer Marktes will Swisscom zur langfristigen Sicherung ihres Unternehmenswertes gezielt auch in angrenzende Geschäftsbereiche im in- und ausländischen TIME-Markt investieren und so neue Wachstumsfelder erschliessen. Dies geschieht u.a. mit Beteiligungen, Käufen, Allianzen oder auch durch den Aufbau neuer Firmen, in welche Swisscom ihr Know-how einbringen kann.

Im Geschäftskundenmarkt will Swisscom ihren Kunden Telekommunikations- und IT-Lösungen aus einer Hand anbieten. Diese Lösungen müssen entsprechend der internationalen Struktur der Schweizer Wirtschaftsunternehmen unabhängig von Ort und geografischen Grenzen funktionieren. Zudem will Swisscom ihre InformatikOutsourcing-Dienstleistungen weiter ausbauen.

3779

1.1.5.4

Wertentwicklung der Swisscom-Aktie

Der Kurs der Swisscom-Aktie lag Ende 2005 bei 414,75 Franken, was einer Börsenkapitalisierung von rund 25,5 Milliarden entspricht. Seit dem Börsengang im Oktober 1998 mit einem Ausgabekurs von 340 Franken pro Aktie hat sich der Wert der Swisscom-Aktie um 22,0 % erhöht. Wird der «total return» als PerformanceAusweis beigezogen, schneidet Swisscom für die Periode vom 2. Oktober 1998 (Börsengang) bis Dezember 2005 mit +59,4 % gut ab. Zwei Vergleichszahlen bestätigen dies: SMI (Swiss Market Index) +61,9 %, DJS Telecom (Index aller westeuropäischen Telekom-Incumbents) -4,9 %. Deutlich schlechter als Swisscom haben sich z.B. die Deutsche Telekom (-33,4 %) und France Telecom (-49,5 %) entwickelt. Die spanische Telefonica weist hingegen mit +67,8 % eine bessere Performance auf16.

Swisscom hat seit dem Börsengang 1998 insgesamt 15,9 Milliarden an ihre Aktionäre ausgeschüttet. Dieser Betrag teilt sich auf in Dividendenzahlungen im Umfang von 6 Milliarden, in Nennwertreduktionen von 1,6 Milliarden und in Aktienrückkaufprogramme von 8,3 Milliarden. In nur sieben Jahren hat Swisscom somit mehr als die Hälfte der aktuellen Börsenbewertung an ihre Aktionäre ausgeschüttet. 2005 betrug die gesamte Ausschüttung rund 2,9 Milliarden, dies in Form einer Dividende und eines Aktienrückkaufs.

1.1.5.5

Einnahmen des Bundes aus seiner Beteiligung an Swisscom

Der Bund erzielte anlässlich des Börsengangs der Swisscom im Oktober 1998 einen Erlös von insgesamt 5,9 Milliarden aus dem Verkauf von 25 374 750 Aktien. Nach Abzug der Vorleistung des Bundes an die Swisscom von 3,2 Milliarden (Umwandlung eines Darlehens des Bundes in Eigenkapital der Gesellschaft) verblieb dem Bund eine «Extra-Dividende» von 2,7 Milliarden.

Nach dem Börsengang hat die Swisscom-Beteiligung dem Bund Einnahmen von knapp 10 Milliarden eingetragen (siehe folgende Tabelle). Im Jahr 2005 nahm der Bund 569 Millionen an Dividenden ein und löste 412 Millionen aus Aktienverkäufen (Wandlung einer Anleihe). Im Weiteren hat er sich am Aktienrückkauf der Swisscom an der Börse beteiligt. So konnte mit dem Verkauf von weiteren 2,2 Millionen Aktien ein zusätzlicher Erlös von 938 Millionen erzielt werden.

Die Tabelle unterscheidet zwischen ordentlichen Dividendeneinnahmen, die normalerweise jährlich anfallen, und ausserordentlichen, die Substanz der Anlage vermindernden, Investitionseinnahmen (Aktienrückkaufprogramme durch die Swisscom, Aktienverkäufe durch den Bund). Nennwertreduktionen fallen als zukünftige Einnahmenquelle für den Bund kaum mehr in Betracht, da die Swisscom-Aktie bereits einen Nennwert von 1 Franken hat. Ausserdem wäre es falsch, von vergangenen Einnahmen auf zukünftige Zahlungsströme zu schliessen. Letztlich hängen diese von den verfügbaren Gewinnen ab, die sich wiederum aus dem Geschäftsgang und den getätigten Investitionen ergeben.

16

Für sämtliche Performance-Berechnungen gewählte Periode: Schlusskurs vom 2. Oktober 1998 bis Schlusskurs vom 30. Dezember 2005. Quelle: Bloomberg.

3780

Einnahmen des Bundes aus seiner Beteiligung an Swisscom 1999­2005 Ordentliche Einnahmen

Ausserordentliche Einnahmen

Dividenden

Nennwertreduktionen

In Mio. Fr.

In Mio. Fr.

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

530 722 529 456 498 539 569

385 332 332

Total

3843

1049

Aktienrückkäufe und Aktienverkäufe In Mio. Fr.

3703 1350 5053

Gesamttotal der Einnahmen 9945

1.2

Die beantragte Neuregelung

Der Bundesrat beantragt mit dieser Vorlage, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abgabe der Mehrheitsbeteiligung des Bundes an Swisscom zu schaffen.

Nachfolgend werden die Gründe erläutert, die den Bundesrat zu seiner Entscheidung geführt haben. Sie decken sich teilweise mit der bereits im Gesamtpaket Post/ Swisscom AG vorgebrachten Argumentation. Wie aus den oben gemachten Ausführungen hervorgeht, besteht der damals erkannte Handlungsbedarf auch heute noch; teils hat er sich sogar akzentuiert: Die Beteiligung des Bundes an Swisscom ist weiterhin eine grosse, nicht diversifizierte Anlage von Bundesvermögen, wobei die von der Unternehmensführung geprüften Auslandengagements das Risiko dieser Anlage weiter erhöhen. Die Grundversorgung und die sicherheitspolitischen Interessen des Landes sind mit der bestehenden Fernmeldegesetzgebung auch ohne Bundesbeteiligung an Swisscom sichergestellt.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Suboptimale Vermögensverteilung für den Bund

Der Bund hält zurzeit rund 62,45 % der Swisscom-Aktien oder rund 38,4 Millionen Titel. Bei einem Aktienkurs von 414,75 Franken (Ende Dezember 2005) entspricht dies einem Marktwert der Beteiligung von rund 16 Milliarden. Nach dem Börsengang im Herbst 1998 war die Swisscom-Aktie starken Schwankungen ausgesetzt. Im Frühling 2000 erreichte die Aktie ihren Spitzenwert von 735 Franken, womit der damalige Marktwert des Bundesanteils bei rund 35 Milliarden lag. Seit 2003 bewegt sich der Kurs der Swisscom-Aktie in einem engeren Band zwischen 360 und 470 Franken. Trotzdem bewirken bereits kleine Kursveränderungen grosse Schwankun-

3781

gen im Wert des Aktienpakets: Ein Kursverlust/-gewinn von 5 Franken verursacht bereits einen Wertverlust/-gewinn von rund 190 Millionen.

Weiterhin bestehen schwer einzuschätzende technologische Risiken sowie erhebliche Markt- und Ertragsrisiken. In der Telekommunikationsbranche sind die Produktlebenszyklen oft kurz, was die Planung und insbesondere die Wahl der «richtigen» Technologie bei Investitionen erschwert. Wer grosse Risiken eingeht, kann grosse Gewinne machen, aber auch grosse Verluste einfahren. So haben sich z.B. die Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe, welche verschiedene europäische Telekommunikationsunternehmen für UMTS-Lizenzen tätigten, bis anhin kaum ausbezahlt. Für die Übernahme solch grosser Risiken ist der Bund nicht der richtige Aktionär.

Die Bundesbeteiligung an Swisscom ist einer der grössten Vermögenswerte des Bundes. Die Aussage im Gesamtpaket Post/Swisscom AG aus dem Jahr 2001, wonach die Mehrheitsbeteiligung an Swisscom für den Bund einen grossen, nicht diversifizierten Vermögenswert darstellt, ist somit nach wie vor gültig. Eine Abgabe der Mehrheitsbeteiligung im Sinne einer Diversifizierung der finanziellen Risiken ist folglich weiterhin wünschenswert.

1.3.2

Politische und finanzielle Risiken für den Bund bei Auslandengagements der Swisscom

Angesichts der Sättigungstendenzen im Schweizer Telekommunikationsmarkt und der damit verbundenen beschränkten Wachstumsaussichten von Swisscom hat die Unternehmensleitung in den letzten Jahren vermehrt im Ausland nach möglichen Partnern und Beteiligungen gesucht (vgl. Ziff. 1.1.5). Der Bundesrat hat Verständnis für diese Strategie und möchte, dass Swisscom diese weiterhin verfolgen kann. Für den Bund bergen solche Auslandengagements aber sowohl finanzielle wie auch politische Risiken, insbesondere dann, wenn sie eine gewisse Grösse erreichen und im Grundversorgungsbereich stattfinden.

Politische Risiken Die politischen Risiken sind darin zu sehen, dass der Bund bei einem Engagement der Swisscom im Ausland indirekt (Teil-)Eigentümer eines ausländischen Unternehmens wird. Er kann damit in Arbeitskonflikte involviert werden, z.B. bei einem Stellenabbau in einer von Swisscom übernommenen Gesellschaft, und unter Druck geraten, Vermittlungsdienste zu leisten, die gegen die Interessen der eigenen Gesellschaft gerichtet sein könnten. Ebenso greift der Bund damit indirekt in ausländische Telekommunikationsmärkte und auf diesem Weg gegebenenfalls auch in die Grundversorgung anderer Länder ein, was ebenfalls unerwünschte politische Implikationen nach sich ziehen kann. Solche können allein schon aus dem Versuch zur Übernahme einer ausländischen Gesellschaft resultieren, wie das Beispiel des von Swisscom 2004 beabsichtigten Kaufs einer Beteiligung an Telekom Austria zeigt: Der Kauf scheiterte schliesslich am Veto der österreichischen Regierung.

Finanzielle Risiken Jede Beteiligung oder strategische Allianz birgt für ein Unternehmen ­ und damit für seine Eigentümer ­ finanzielle Risiken. Bei grenzüberschreitenden Beteiligungen, Fusionen oder strategischen Allianzen verschärfen sich diese noch, denn das 3782

Marktumfeld ist weniger bekannt und die (Unternehmens- und Konsum-) Kulturen können sich wesentlich unterscheiden. Andere Regeln und Normen im Bereich der Sozialpartnerschaft können die Zusammenarbeit zusätzlich erschweren. So muss nachträglich nicht selten festgestellt werden, dass die Synergien in keiner Weise den Erwartungen entsprechen, dass das Marktpotential überschätzt wurde oder dass der bezahlte Preis zu hoch war. Verschiedene durch Swisscom oder die ehemalige PTT eingegangene Beteiligungen belegen dies.

Besonders hoch wären die finanziellen Risiken des Bundes, wenn sich Swisscom bei einem ausländischen Telekommunikationsunternehmen mit Grundversorgungsauftrag engagieren würde. Diese Unternehmen unterliegen grundsätzlich denselben Risiken, wie sie oben für Swisscom aufgeführt sind: Unsicherheit über zukünftige Regulierung, sinkende Preise, Substitution traditioneller Technologien durch neue Produkte. So käme es zu einer für den Bund kaum tragbaren Kumulation von Risiken.

Um deren mögliches Ausmass zu quantifizieren, genügt ein Blick auf einige der Übernahmepläne von Swisscom in den letzten Jahren. Für jedes dieser Unternehmen wären mehrere Milliarden zu bezahlen gewesen.

Für den Bundesrat als Verantwortlichen gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sind die politischen und finanziellen Risiken der von Swisscom aus unternehmerischer Sicht für notwendig befundenen Auslandengagements nicht tragbar. Auch unter diesem Gesichtspunkt empfiehlt sich somit die Abgabe der Mehrheitsbeteiligung.

1.3.3

Erhöhung der unternehmerischen Flexibilität für Swisscom

Swisscom ist zurzeit nur beschränkt allianzfähig. Angesichts des raschen Wandels des Umfelds ist die Erweiterung der strategischen Optionen für das Unternehmen aber von grossem Vorteil. Dafür ist die Abgabe der Bundesmehrheit unerlässlich.

Sie verbessert die Allianzfähigkeit der Swisscom und erlaubt es dieser, auf eigenes Risiko die von ihr bevorzugte Strategie der Auslandexpansion zu verfolgen. Denn ein Aktionariat, das nicht den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verpflichtet ist, sondern aus freien Investorinnen und Investoren besteht, kann die Risiken einer Auslandexpansion viel eher und aufgrund von rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen abwägen.

Für Swisscom ist somit die Abgabe der Mehrheitsbeteiligung des Bundes von Vorteil. Sie verschafft ihr strategische Optionen, die mit einem mehrheitlich staatlichen Aktionariat verschlossen bleiben. Deshalb unterstützt auch Swisscom die Abgabe der Bundesbeteiligung.

1.3.4

Beseitigung der Interessens- und Zielkonflikte

Unter Ziffer 1.1.3.4 wurden die Interessens- und Zielkonflikte des Bundes beschrieben, die mit seinen Rollen als Gesetzgeber, Regulator und Mehrheitsaktionär verbunden sind. Mit dem Verkauf seiner Beteiligung an Swisscom kann sich der Bund auf die inhärent staatlichen Aufgaben des Regulators und Gesetzgebers konzentrie3783

ren und diese Aufgaben konsequent wahrnehmen ­ ohne dabei auf durch die Aktionärssicht bedingte Einschränkungen achten zu müssen17.

1.3.5

Die Grundversorgung ist sichergestellt

Grundsätzliches In ihrem Tätigkeitsbericht 2005 schreibt die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom), dass die Grundversorgung dank eines klugen Mechanismus im FMG auch dann sichergestellt bleibt, wenn die Swisscom privatisiert wird. Dieser Mechanismus soll nun erläutert werden. Gemäss Artikel 92 Absatz 2 BV hat der Bund den Auftrag, für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung mit Fernmeldediensten in allen Landesgegenden zu sorgen. Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a FMG verlangt, dass die Dienste der Grundversorgung allen Bevölkerungskreisen zur Verfügung stehen müssen. Zu weiten Teilen erfüllt der Markt diese Aufgabe ohne weiteres Zutun des Bundes. So sind heute nicht nur die Dienste der Grundversorgung garantiert, sondern auch Dienstleistungen, welche heute nicht Teil derselben sind: Mobiltelefonie und ADSL-Dienstleistungen werden praktisch flächendeckend angeboten. Bei der Mobiltelefonie erreicht die Bevölkerungsabdeckung beinahe 100 %, und im Falle von ADSL-Breitbanddienstleistungen sind über 98 % der Bevölkerung abgedeckt.18 In einem reinen Wettbewerbsumfeld kann es jedoch vorkommen, dass gewisse Dienstleistungen für gewisse Bevölkerungskreise oder in einzelnen Regionen aus ökonomischen oder technologischen Gründen nicht im politisch gewünschten Ausmass erbracht werden. Zur Vermeidung solcher Fälle hat der Gesetzgeber ein Sicherheitsnetz gespannt: Artikel 16 FMG garantiert die Versorgung der Bevölkerung mit einem Basisangebot an Telekommunikationsdienstleistungen (Grundversorgung). Die Festsetzung von Qualitätskriterien und Preisobergrenzen gewährleistet, dass diese Leistungen in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden.

Die Grundversorgung wird im Rahmen einer Konzession bis Ende 2007 durch Swisscom Fixnet AG erbracht. Diese muss die Dienste der Grundversorgung erschwinglich, zuverlässig und in hoher Qualität erbringen. Zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Qualität wurden entsprechende Kriterien aufgestellt, deren Erfüllung mittels periodischer Rechenschaftsberichte kontrolliert wird; allfällige Abweichungen werden systematisch überprüft. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Swisscom die entsprechenden Vorgaben einhält. Swisscom Fixnet AG hat bislang für den Grundversorgungsauftrag keine Investitionsbeiträge geltend gemacht.

17 18

Vgl. dazu den Bericht zur Dienstleistungsliberalisierung in der Schweiz im Vergleich zur EU, Staatssekretariat für Wirtschaft seco, 2005, S.75.

Der Begriff «Bevölkerungsabdeckung» bezeichnet den Prozentsatz der Bevölkerung (Mobilfunk) oder der Haushalte (ADSL), die an ihrem Wohnort in den Genuss einer Leistung kommen können.

3784

Regelmässige Anpassung des Inhalts der Grundversorgung Die Grundversorgung gemäss Artikel 16 Absatz 1 FMG umfasst zurzeit folgende Dienstleistungen: ­

den öffentlichen Telefondienst (analoge und digitale Sprachübertragung, Telefax und Internetverbindung);

­

den Zugang zu Notrufdiensten;

­

eine ausreichende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen (Publiphone);

­

den Zugang zu den schweizerischen Verzeichnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am öffentlichen Telefondienst.

Gemäss Artikel 16 Absatz 1bis FMG müssen Menschen mit Behinderungen diese Dienstleistungen in qualitativer, quantitativer und wirtschaftlicher Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie Menschen ohne Behinderungen beanspruchen können.

Die Dienste der Grundversorgung werden in den Artikeln 16­35 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV)19 konkretisiert. Die FDV legt unter anderem die Preisobergrenzen für verschiedene Dienste und die zur Beurteilung der Qualität anzuwendenden Kriterien fest. Die Grundversorgungskonzession regelt die Einzelheiten.

Im Rahmen von Revisionen der FDV passt der Bundesrat den Umfang der Grundversorgungsdienstleistungen periodisch an. Diese Anpassung an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse sowie an den Stand der Technik beinhaltet nicht nur die Prüfung der Aufnahme neuer Dienste, sondern auch die Prüfung der Streichung von Diensten, die nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen entsprechen.

Im Hinblick auf die Erteilung der neuen Grundversorgungskonzession ab 2008 ist eine derartige Anpassung des Grundversorgungsumfangs aktuell im Gange. Am 22. Februar 2006 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur entsprechenden Vorlage eröffnet20. Er schlägt dabei insbesondere die Aufnahme des BreitbandInternetzugangs als Dienst der Grundversorgung vor, sieht aber gleichzeitig eine Ausnahmeregelung vor: So kann der Dienst reduziert werden, wenn technische oder wirtschaftliche Gründe dafür sprechen oder wenn am Markt ein Alternativangebot zu einem erschwinglichen Preis erhältlich ist. Die interessierten Kreise können bis zum 31. Mai 2006 zum Entwurf Stellung nehmen. Im Vernehmlassungsbericht wird die Aufnahme und Streichung von Diensten anhand von mehreren Kriterien analysiert21. Für die Analyse bezüglich der Aufnahme von neuen Diensten in den Umfang der Grundversorgungspflicht kamen folgende acht Kriterien zur Anwendung: 1.

19 20 21

Unverzichtbarkeit und Schutzwürdigkeit des Dienstes

2.

Hohe Marktdurchdringung

3.

Breite Verfügbarkeit

4.

Erträgliche Kosten

5.

Klare soziale Vorteile

SR 784.101.1 BBl 2006 2683 Vgl. UVEK: Bericht über die Änderung der FDV betreffend die Grundversorgung, S. 11 ff.

3785

6.

Fehlender Wettbewerb

7.

Fehlende Alternativen

8.

Technologieneutralität

Die meisten Kriterien werden im Bericht qualitativ bewertet. Marktdurchdringung und Verfügbarkeit können auch quantitativ bewertet werden: Eine Marktdurchdringung von 60 % wird als hoch eingeschätzt und eine Verfügbarkeit von 70 % als breit eingestuft. Werden diese Schwellenwerte überschritten, gelten die entsprechenden Kriterien als erfüllt.

Hinsichtlich der Streichung von Diensten gelangten die folgenden Kriterien, in Anlehnung an oben aufgelistete Kriterien, zur Anwendung: 1.

Verzichtbarkeit und fehlende Schutzwürdigkeit des Dienstes

2.

Ungenügende Marktdurchdringung

3.

Vorhandensein von Wettbewerb

4.

Vorhandensein von Alternativen

5.

Keine Technologieneutralität

Da es sich um Ausschlusskriterien handelt, musste der Schwellenwert des zweiten Kriteriums tiefer angesetzt werden. Eine Marktdurchdringung unter 20 % gilt als ungenügend und deutet auf eine Streichung eines Dienstes aus der Grundversorgungspflicht hin.

Diese beiden Kriterienlisten sind als Leitfaden der Analysen zu verstehen, da im Einzelfall einerseits weitere Kriterien Berücksichtigung beziehungsweise gewisse Kriterien keine Berücksichtigung finden können und andererseits eine Gewichtung der Kriterien untereinander vorgenommen werden muss. In diesem Sinne müssen die Kriterien für den Einschluss in die Leistungspflicht bzw. den Ausschluss daraus nicht zwingend kumulativ erfüllt sein.

Qualität der Grundversorgung Zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Qualität der Pflichtleistungen wurden technische Kriterien aufgestellt (Art. 17 Abs. 1 FMG i.V.m. Art. 25 FDV), über deren Einhaltung dem BAKOM jährlich Bericht zu erstatten ist und die durch das Bundesamt kontrolliert werden. Allfällige Abweichungen werden überprüft, wobei die Konzessionsbehörde auch den Zutritt zu den Anlagen verlangen kann (Art. 25 Abs. 3 FDV). Als weiteres Instrument verfügt die Konzessionsbehörde über die Möglichkeit, eine unabhängige Fachperson mit der Qualitätskontrolle zu beauftragen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können veröffentlicht werden (Art. 25 Abs. 4 FDV).

Erteilung der Grundversorgungskonzession Die Vergabe der Grundversorgungskonzession, die zwingend als Kriterienwettbewerb zu erfolgen hat, liegt in der Kompetenz der ComCom und geschieht mittels einer beim Bundesgericht anfechtbaren Verfügung. Sie kann ­ nach Inkrafttreten des revidierten FMG ­ gesamtschweizerisch oder nach Konzessionsgebieten erfolgen.

Wird die Vergabe nach Gebieten ausgeschrieben, kann eine Bewerberin in mehreren Gebieten an der Ausschreibung teilnehmen wie auch den Zuschlag für mehrere

3786

Gebiete erhalten22. Mit der Revision des FMG erhält die ComCom zudem künftig die Möglichkeit, die Erbringung der verschiedenen Grundversorgungsdienste auf mehrere Konzessionärinnen zu verteilen23. Dadurch könnten spezielle Dienste (z.B.

öffentliche Sprechstellen) durch entsprechend spezialisierte Anbieterinnen erbracht werden.

Unter den eingereichten Bewerbungen wählt die ComCom das beste Angebot gemäss Artikel 16 FDV aus. Ist die Ausschreibung erfolglos (z.B. aufgrund Nichterfüllung der Ausschreibungskriterien, keine Bewerbungen), so bestimmt die ComCom eine geeignete Anbieterin zur Erbringung der Grundversorgung (Art. 18 Abs. 2 FMG i.V.m. Art. 16 Abs. 5 FDV). Geeignet können insbesondere Anbieterinnen sein, die der Leistungspflicht unterliegende Dienste bereits weitgehend flächendeckend anbieten oder zumindest bereits über weite Teile der dazu notwendigen Infrastruktur verfügen. Der Auferlegung der Grundversorgungspflicht können allenfalls Gespräche vorangehen, Verhandlungsspielraum über den Inhalt der Leistungspflicht besteht jedoch nicht, ist doch der Umfang der zu erbringenden Dienste über die Verordnung klar vorgegeben. Eine Änderung der Leistungspflicht durch den Bundesrat kommt nur bei einer Neubeurteilung aufgrund der oben erwähnten Kriterien in Frage.

Die Vorbereitungsarbeiten im Hinblick auf die Ausschreibung der neuen Grundversorgungskonzession ab 2008 sind angelaufen. Bereits jetzt haben zwei Anbieterinnen öffentlich bekannt gegeben, dass sie grundsätzlich an der nächsten Grundversorgungskonzession interessiert sind.

Durchsetzung der Grundversorgungspflichten Die ComCom verfügt über griffige Sanktionsmöglichkeiten zur Durchsetzung der Grundversorgungspflicht. Sie kann diese Instrumente in jedem Fall einsetzen, unabhängig davon, ob sich die fehlbare Konzessionärin um den Auftrag beworben hat oder ob er ihr auferlegt wurde. Erfüllt die Konzessionärin ihre Pflichten nicht oder ungenügend, kann die ComCom konzessionsrechtliche Sanktionen aussprechen, d.h.

konkrete Massnahmen zur Behebung des Missstandes verlangen, in den Bestand der Konzession eingreifen, Letztere durch Auflagen ergänzen oder finanzielle Sanktionen anordnen (vgl. Art. 58 Abs. 1 und 2 Bst. a­d und Art. 60 Abs. 1 FMG). So besteht z.B. die Möglichkeit, falls die Konzessionärin zu ihrem Vorteil gegen die Konzession verstösst,
sie mit einem Betrag bis zur dreifachen Höhe des durch den Verstoss erzielten Gewinnes zu belasten. Kann kein Gewinn festgestellt oder geschätzt werden, so beträgt die Belastung bis zu 10 Prozent ihres letzten Jahresumsatzes in der Schweiz (vgl. Art. 60 Abs. 1 FMG). Zudem kann die ComCom in der Konzession weitere Massnahmen, die im Einklang mit den zuvor erwähnten Gesetzesartikeln stehen, vorsehen. Das BAKOM kann zudem gegen eine fehlbare Konzessionärin eine Busse verhängen (Art. 53 i.V.m. Art. 55 FMG).

Die Sanktionsmöglichkeiten bewirken auch auf indirektem Wege, dass die Grundversorgungspflicht wahrgenommen wird. Eine Sanktion ginge mit einem Reputationsverlust und negativen Auswirkungen auf das ganze Produktportfolio der Konzessionärin einher. Mit einem derartigen Reputationsverlust müsste auch ein

22 23

Botschaft zum revidierten Fernmeldegesetz vom 10. Juni 1996, BBl 1996 III 1428.

Botschaft zur Änderung des Fernmeldegesetzes vom 12. November 2003, BBl 2003 7976.

3787

Unternehmen rechnen, das sich nicht um die Konzession beworben hat, sondern von der ComCom als Grundversorgungskonzessionärin bestimmt werden musste.

Mechanismus zur Finanzierung ungedeckter Kosten der Grundversorgung Die Grundversorgungskonzessionärin hat die Pflicht, auch diejenigen Dienstleistungen zu erbringen und diejenigen Endkunden zu bedienen, die in einer reinen Wettbewerbssituation möglicherweise nicht erbracht respektive bedient würden. Da dies ungedeckte Kosten verursachen kann, hat sie gemäss Artikel 19 FMG das Recht, einen finanziellen Beitrag zur Deckung derselben zu verlangen.

Im Zusammenhang mit dem Finanzierungsmechanismus gibt es eine Kompetenzteilung zwischen der ComCom und dem BAKOM. Erstere legt die Höhe der ungedeckten Kosten nach Jahresende unter Würdigung der eingereichten Beweismittel in Einklang mit Artikel 18 FDV fest. Dabei ist es unerheblich, ob die Grundversorgungskonzessionärin im Rahmen des Kriterienwettbewerbs ­ unter Beanspruchung einer Abgeltung ­ den Zuschlag erhalten hat oder ob sie von der ComCom zur Sicherstellung der Grundversorgung bestimmt wurde. In beiden Fällen hat die Grundversorgungskonzessionärin einen Anspruch auf Abgeltung ihrer nachweisbar ungedeckten Kosten. Da allerdings die ComCom die ungedeckten Kosten erst nach Jahresende festlegen kann, muss die Grundversorgungskonzessionärin den jährlichen Beitrag, der ihr zu marktüblichen Bedingungen verzinst wird, vorschiessen.

Das BAKOM verwaltet den eigentlichen Finanzierungsmechanismus (Fonds), der die ungedeckten Kosten der Grundversorgungskonzessionärin deckt. Während nach aktuellem FMG nur die konzessionierten Fernmeldedienstanbieterinnen beitragspflichtig sind, sieht das revidierte FMG vor, dass alle Fernmeldedienstanbieterinnen (auch die mit der Grundversorgung beauftragten) die ungedeckten Kosten der Grundversorgung zu finanzieren mithelfen, wobei der Bundesrat gemäss revidiertem FMG Anbieterinnen, die einen Mindestumsatz nicht überschreiten, von der Beitragspflicht befreien kann. Unabhängig davon berechnet sich der zu leistende Betrag einer beitragspflichtigen Fernmeldedienstanbieterin nach Massgabe ihres im Fernmeldebereich erwirtschafteten Umsatzes.

Die Grundversorgung in der Europäischen Union Die Sicherstellung der Grundversorgung ist auch in der EU von grosser Bedeutung.

Die Europäische
Kommission prüft gegenwärtig, ob und in welchem Umfang der Inhalt des Universaldienstes den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden soll.

Dazu führte sie eine öffentliche Konsultation zum Inhalt der künftigen Grundversorgung durch. Deren Auswertung ist gegenwärtig im Gange. Zur Diskussion steht insbesondere der Einschluss der Mobiltelefonie sowie des Breitband-Internetanschlusses. In einem Arbeitspapier, welches der Konsultation zu Grunde lag, kommt die Europäische Kommission zum Schluss, dass die Aufnahmekriterien weder für den Mobilfunk noch für den Breitbandzugang erfüllt sind24.

Die EU kennt mit der Schweiz vergleichbare Massnahmen, welche die nationalen Regulierungsbehörden zur Durchsetzung der Grundversorgungspflichten ergreifen

24

Vgl. Europäische Kommission: Commission Staff Working Document on the Review of the Scope of Universal Service in Accordance with Article 15 of the Directive 2002/22/EC, Brüssel, 2005 {COM(2005)203}

3788

können25. Stellt eine Regulierungsbehörde fest, dass die Grundversorgerin ihren Pflichten nicht nachkommt, teilt sie ihr dies mit und fordert diese zu einer Stellungnahme oder zur Behebung etwaiger Mängel auf. Werden die Mängel nicht innerhalb einer von der Regulierungsbehörde angesetzten Frist behoben, kann sie Massnahmen ­ auch unter Androhung einer Geldstrafe ­ anordnen.

Ein wesentlicher Unterschied zur schweizerischen Grundversorgungsregelung findet sich in der Überprüfung der Nettokosten: In der EU muss der Regulator beurteilen, ob die geltend gemachten Nettokosten für den Erbringer eine untragbare Belastung darstellen. Nur im Falle einer untragbaren Belastung besteht ein Anrecht auf Abgeltung der Nettokosten. In der Schweiz ist dieser Ermessensspielraum nicht vorgesehen. Zudem kann in der EU die Finanzierung des entsprechenden Fonds wahlweise über die Belastung aller Anbieter oder über direkte Staatsbeiträge erfolgen. Das FMG sieht hingegen nur einen Fonds vor, der durch die Fernmeldedienstanbieterinnen alimentiert werden muss.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass es bei Privatisierungen von Telekommunikationsunternehmen in anderen europäischen Staaten zu keinerlei Einbussen bei der Qualität der Grundversorgung kam. Das ist nicht nur auf das Konzessionierungsregime zurückzuführen, sondern auch auf die Tatsache, dass viele Anbieterinnen existieren, welche ein grosses Interesse daran haben, ihre Kunden über eigene Netzanschlüsse zu bedienen. Denn in dem sich heute durchsetzenden «AllIP»-Szenario sind die Zahl der Hausanschlüsse und die Möglichkeit, den Kunden ein umfassendes Dienstebündel anzubieten, welches auch Grundversorgungsleistungen umfasst, Schlüsselfaktoren für den kommerziellen Erfolg.

1.3.6

Die sicherheitspolitischen Interesse des Landes sind gewahrt

System zur Gewährleistung der Sicherheit der Telekommunikationsinfrastrukturen und -dienste Der Gesetzgeber beauftragte anlässlich der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes im Jahr 1998 den Bundesrat, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit Fernmeldedienste auch in ausserordentlichen Lagen gewährleistet sind (Art. 47 FMG). Der Bundesrat leistete diesem Auftrag Folge, indem er in Artikel 66 ff. FDV entsprechende Ausführungsbestimmungen erliess. Ob die Fernmeldedienstanbieterinnen staatlich kontrolliert werden oder Privatunternehmen sind, hat auf dieses Sicherheitssystem keinen Einfluss.

Die nach Artikel 67 FDV mit der Übermittlung in ausserordentlichen Lagen betrauten Organe (Armee, Zivilschutz, wirtschaftliche Landesversorgung, zivile Führungsstäbe, Polizei, Feuerwehr, Organe, die vom Gemeinwesen mit Rettungs- und Sanitätsaufgaben betraut sind, und solche, die zur Hilfeleistung zugunsten ziviler Behörden herangezogen werden können) bestellen die benötigten Leistungen grundsätzlich auf vertraglicher Basis. Nach einer erfolglosen öffentlichen Ausschreibung können sie das BAKOM beziehungsweise die ComCom ersuchen, eine Dienstkonzessionärin zur Erbringung der notwendigen Leistungen zu verpflichten (vgl. Art. 68 25

Artikel 10 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie).

3789

FDV). Bisher mussten die zuständigen Stellen noch nie einen solchen Entscheid treffen, und die mit der Bewältigung ausserordentlicher Lagen beauftragten Organe konnten sich bis jetzt immer mit den Fernmeldedienstanbieterinnen einigen. Sollte die hauptbetroffene Leistungsanbieterin Swisscom nach ihrer Privatisierung eine vertragliche Verpflichtung ablehnen, könnte sie also zur Erbringung der in ausserordentlichen Lagen notwendigen Leistungen gezwungen werden.

Die gesetzlichen Pflichten der Fernmeldedienstanbieterinnen Der Bundesrat bestimmt die Leistungen, zu deren Sicherstellung die Fernmeldedienstanbieterinnen in ausserordentlichen Lagen herangezogen werden können. Laut Artikel 66 FDV sind dies: Dienste der Grundversorgung (Telefonie), Datenübertragung in hoher Kapazität und Zurverfügungstellen von Mietleitungen. Die betreffenden Fernmeldedienstanbieterinnen müssen zu diesem Zweck die notwendigen Vorbereitungsmassnahmen treffen und bei Bedarf die Mitbenützung ihrer Räumlichkeiten und Einrichtungen sowie das Abhalten von Übungen erlauben. Der Bundesrat kann zudem Fernmeldedienstanbieterinnen, deren Anlagen oder Dienste in ausserordentlichen Lagen von Bedeutung sind, verpflichten, sich im Hinblick auf solche Situationen zu organisieren, und er kann gegebenenfalls das notwendige Personal zum Dienst verpflichten (Art. 69 FDV). Die Verordnung vom 9. Dezember 1996 über die Requisition26 ist auf Telekommunikationsanlagen anwendbar.

Der Gesetzgeber verankerte ferner im Zuge der Änderung des FMG vom 24. März 200627 eine neue Bestimmung (Art. 48a) zur Sicherheit und Verfügbarkeit der Fernmeldeinfrastrukturen und -dienste im Gesetz. Diese ist jederzeit anwendbar, nicht nur in ausserordentlichen Lagen. Gestützt auf diese Bestimmung kann der Bundesrat zuhanden der Fernmeldedienstanbieterinnen technische und administrative Vorschriften erlassen, mit denen die Sicherheit der Fernmeldedienste sowohl in Friedens- als auch in Krisenzeiten aufrechterhalten werden kann. Bezüglich der Sendeunternehmen, die ihre Programme selber ausstrahlen, verweist das neue Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG)28 auf Artikel 47 des FMG.

Der Bericht des Bundesrates von 2001 Der Bundesrat klärte in seinem Bericht «Sicherheitsinteressen der Schweiz an Rundfunk- und Telekommunikationsinfrastrukturen in
ausserordentlichen Lagen» vom 30. November 2001 zuhanden der Sicherheitspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte die Risiken ab, denen die genannten Infrastrukturen ausgesetzt sind, und schlug die Massnahmen vor, die er für nötig erachtete. Er machte fünf Arten von Gefahren aus, nämlich in den Bereichen Technik, Personal, Informatik- und Telekommunikationsbranche, äussere Einflüsse und Organisation. Jedes Risiko wurde in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit seines Eintretens und die Schäden, die es verursachen könnte, evaluiert. Diese Risikoanalyse ergab, dass die Technologieabhängigkeit, organisatorische Fragen sowie die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal das grösste Risikopotenzial und den dringendsten Handlungsbedarf aufweisen. Hingegen wurde die Beteiligung ausländischer Unternehmen an Schweizer Firmen in den Schlussfolgerungen des Berichts nicht als besondere Gefahr bezeichnet, da den Betreibern Bedingungen auferlegt werden können.

26 27 28

SR 519.7 BBl 2006 3565 BBl 2006 3587

3790

Unter anderem war auch die Swisscom-Privatisierung Gegenstand einer detaillierten Risikoanalyse (vgl. Ziff. 4.2.2.1 des vorgenannten Berichts). Swisscom betreibt weiterhin den Löwenanteil der Telekommunikations- und Rundfunkinfrastruktur sowie der Anlagen, die für die Information und Kommunikation in ausserordentlichen Lagen unerlässlich sind. Der Bundesrat stellte jedoch fest, dass viele der privaten Netzbetreiber sich in ihrem eigenen Interesse freiwillig an Sicherheitsnormen halten, die den politischen Forderungen entsprechen. Als weitere Massnahmen empfahl der Bundesrat den zuständigen Organen auch, Artikel 47 FMG konsequent auf sämtliche bedeutenden Betreiber von Kommunikationsinfrastrukturen anzuwenden, ihre Bedürfnisse regelmässig zu aktualisieren, mit den Leistungsanbietern darüber zu verhandeln sowie nötigenfalls Auflagen zu machen.

Im Bericht des Bundesrates aus dem Jahr 2001 wurde auch die Internationalisierung der Telekommunikationsmärkte erörtert (vgl. Ziff. 4.2.2.3). Es wurde festgestellt, dass die Privatisierung von Swisscom in ausländische Mehrheitsbeteiligungen münden könnte, die für die schweizerischen Sicherheitsinteressen als nachteilig erachtet werden könnten, da der Bund auf ein ausländisches Unternehmen weniger Einfluss nehmen kann als auf ein inländisches. In seiner Bewertung stufte der Bundesrat jedoch eine ausländische Beteiligung (selbst eine Mehrheitsbeteiligung) per se nicht als echtes Risiko ein. Wenn keine Infrastruktur ins Ausland geschafft werde, könne auch nicht von einem «Verkauf ins Ausland» die Rede sein. Die Tatsache, dass viele in der Schweiz ansässige Firmen mehrheitlich von Ausländern beherrscht werden, stellt per se nicht unbedingt eine Gefahr für die Interessen unseres Landes dar, auch wenn diese Firmen in so lebenswichtigen Bereichen wie beispielsweise der Energieversorgung tätig sind.

Hingegen besteht nach Ansicht des Bundesrates im Zusammenhang mit der Einrichtung von Netzbetriebszentren im Ausland, die sich unter anderem aus der Internationalisierung der Märkte ergibt, die Gefahr einer erheblichen Abhängigkeit (vgl.

Ziff. 4.2.1.5). Im Extremfall könnten Netze aus dem Ausland «per Knopfdruck» ausser Betrieb gesetzt werden. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, verpflichtete der Bundesrat die Anbieterinnen, die mit der Erbringung von Fernmeldedienstleistungen
in ausserordentlichen Lagen betraut sind, dafür zu sorgen, dass die notwendige Infrastruktur (minimale Netzbetreibungszentralen und minimale Netzmanagementwerkzeuge) im Inland jederzeit und unabhängig durch Personal in der Schweiz betrieben werden kann (vgl. Art. 66 Abs. 2 FDV).

Organisation und konkrete Massnahmen der Bedarfsträger Auch heute noch bestehen zwischen Swisscom und dem Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gewisse Verflechtungen in Form von gemeinsamer Nutzung baulicher Infrastrukturen wie beispielsweise Kabelkanalisationen oder von gemeinsam erstellten Gebäudekomplexen (vor allem Höhenstandorte). Die Verflechtungen sind historisch gewachsen und hatten kostenoptimale Lösungen zum Ziel.

Die Artikel 66­70 FDV verpflichten die Fernmeldedienstanbieterinnen gestützt auf Artikel 47 FMG zu Leistungen, welche durch sogenannte berechtigte Organe im Rahmen der Vorbereitungen bestellt und in ausserordentlichen Lagen abgerufen werden können. Gestützt auf diese rechtlichen Grundlagen wurden der Leistungsbezug und die Zusammenarbeit zwischen VBS und Swisscom im September 2003 vertraglich neu geregelt. Es entstanden ein Rahmenvertragswerk sowie eine Reihe von Einzelverträgen, die die gemeinsame Nutzung von Immobilien und Kabelan3791

lagen regeln. Die von der Armee getätigten Investitionen werden bei der Bemessung von Mieten und Unterhaltsbeiträgen berücksichtigt. Obwohl die Entflechtung bereits im Gang ist, sind die Eigentumsansprüche der Armee teilweise noch nicht grundbuchrechtlich abgesichert. Unabhängig von der Privatisierungsfrage liegt es im Interesse beider Parteien, hier eine Klärung herbeizuführen.

Beim Verkauf der Satelliten-Bodenstation Leuk durch Swisscom an eine amerikanische Firma wurde bereits eine grössere Entflechtung vollzogen. Neben rechtlichen Schritten mussten bauliche und installationstechnische Massnahmen ergriffen werden, um die Empfangseinrichtungen des VBS herauszulösen. Ein anderes Beispiel ist die vertragliche und grundbuchrechtliche Regelung von Eigentumsansprüchen in Folge von Veräusserung von Immobilien mit Armeeanteilen durch Swisscom an Private im Inland.

Im Übrigen bezieht die Armee auf Basis des Rahmenvertragswerks eine Reihe von Leistungen aus dem Grundversorgungsbereich (für den Ausbildungsdienst der Truppe) sowie in der FDV definierte Leistungen im Hinblick auf ausserordentliche Lagen, wie Datenübertragung hoher Kapazität und Mietleitungen zur Ergänzung der eigenen Netzinfrastrukturen.

Die Koordination der Interessenwahrung der Sicherheitsorgane liegt beim Ausschuss Telematik, der beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz angesiedelt ist. Er befasst sich mit den Leistungen in besonderen und ausserordentlichen Lagen und legt mögliche Einschränkungen des Fernmeldeverkehrs fest. Neue oder geänderte Leistungen in ausserordentlichen Lagen oder Einschränkungen des Fernmeldeverkehrs werden mit den Fernmeldedienstanbieterinnen, d.h. insbesondere mit Swisscom, vertraglich geregelt. Dem Ausschuss gehören Vertreterinnen und Vertreter der Kantone, von Fachverbänden und von Bundesstellen an.

Massnahmen und Kosten für eine vollständige Entflechtung Ob eine vollständige Entflechtung notwendig und wünschenswert ist, hängt von der weiteren Entwicklung zum einen der Swisscom und zum anderen der sicherheitspolitischen Lage ab. Die absolute Unabhängigkeit der Armee von Leistungen der Swisscom ist heute nicht erforderlich.

Sollte eine vollständige Entflechtung später für notwendig befunden werden, wären folgende Massnahmen zu ergreifen: ­

die rechtliche Absicherung der Eigentumsansprüche der Armee,

­

die Sicherstellung des Zugangs oder Zugriffs auf die Netzkomponenten durch die Armee,

­

der physische Schutz gegenüber Zugriffen durch Dritte,

­

die Schaffung der Voraussetzungen für den autonomen und von Swisscom unabhängigen Betrieb der armeeeigenen und einsatzkritischen Netzteile durch die Armee.

Die Kosten einer ­ zurzeit weder notwendigen noch anvisierten ­ vollständigen Entflechtung können heute nur geschätzt werden. Es wäre von einmaligen Investitionen in der Grössenordnung von 150­250 Millionen und von jährlich wiederkehrenden Kosten für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung im Umfang von 10­15 Millionen auszugehen, die durch entsprechende Kreditaufstockungen aufgefangen

3792

werden müssten. Bei diesen Zahlen handelt es sich um Schätzungen, die je nach Entwicklung von Markt und Technologie wesentlich höher ausfallen können.

1.4

Ergebnis der Vernehmlassung

1.4.1

Ausgestaltung der Vernehmlassungsvorlage

Am 25. Januar 2006 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung über die vollständige Abgabe der Bundesbeteiligung am Unternehmen Swisscom. Die dringlichen parlamentarischen Debatten vom Dezember 2005 und die drängende Klärung der zukünftigen Rahmenbedingungen für Swisscom veranlassten ihn, die gesetzliche Vernehmlassungsfrist zu verkürzen und auf den 6. März 2006 festzulegen. Bis zu diesem Datum trafen 62 Stellungnahmen ein.

Der Bundesrat stellte mit separatem Bericht ausserdem mögliche flankierende Massnahmen zur Diskussion. Diese betrafen drei Themenbereiche: ­

Grundversorgung,

­

Wahrung der Eigenständigkeit von Swisscom,

­

Übertragung des Verkaufsentscheides an das Parlament.

Die im beigelegten Bericht beschriebenen flankierenden Massnahmen waren vom Vernehmlassungsbericht klar abgegrenzt, bildeten sie doch mit Ausnahme der Volksaktie nicht materiell Teil des bundesrätlichen Konzepts.

1.4.2

Stellungnahmen zur Abgabe der Bundesbeteiligung

Die Stellungnahmen zur Vernehmlassungsvorlage sind kontrovers. Es ergibt sich keine eindeutige Mehrheit für oder gegen die Abgabe der Bundesbeteiligung. Bei den Kantonen spricht sich eine leichte Mehrheit gegen die Abgabe der Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen Swisscom aus, was insbesondere auf die geschlossene Ablehnung der Gebirgskantone zurückzuführen ist. Die Bundesratsparteien äussern sich teils positiv (SVP, FDP), teils negativ (SP, CVP). Unter den NichtRegierungsparteien finden sich mit Ausnahme der LPS kaum Befürworter der Vorlage. Auch die Gewerkschaften lehnen eine Privatisierung ab. Die Wirtschaftsverbände begrüssen hingegen die Absicht des Bundesrates, die Beteiligung an Swisscom abzugeben.

Die Verfügbarkeit von qualitativ hoch stehenden und preiswerten Telekommunikationsdienstleistungen auf dem neusten Stand der Technik in allen Landesteilen ist den Vernehmlassungsteilnehmern ein grosses Anliegen. Die Forderungen gehen über den bestehenden Katalog von Diensten der Grundversorgung hinaus. Teilweise wird auch angezweifelt, dass die im FMG bestehenden Regulierungen zur Grundversorgung durchgesetzt werden können, wenn sich der Bund als Mehrheitsaktionär von Swisscom zurückzieht. Dem Bund (und den strategischen Zielen des Bundesrates) wird bei der Förderung von Innovation und Investitionen im Telekommunikationsbereich insbesondere von den Gegnern eine tragende Rolle attestiert. Ausserdem äussern viele Teilnehmer die Sorge, dass bei einem Verkauf an ein ausländisches Unternehmen in der Schweiz Arbeitsplätze verloren gehen respektive von Randregionen in die Zentren verschoben werden.

3793

1.4.3

Stellungnahmen zu den möglichen flankierenden Massnahmen

Die flankierenden Massnahmen erhalten insgesamt wenig Unterstützung. Von den Gegnern wird der Bericht über mögliche flankierende Massnahmen als Beweis dafür gedeutet, dass der Bundesrat nicht an eine für die Grundversorgung und die Arbeitsplätze folgenlose Privatisierung glaubt. Die Befürworter stellen sich zumeist auf den Standpunkt, dass die vorgeschlagenen Massnahmen unnötig sind bzw. mehr schaden als nützen.

1.4.3.1

Massnahmen im Bereich der Grundversorgung

Im Bereich der Grundversorgung hat der Bundesrat im Rahmen der Vernehmlassung folgende Massnahmen zur Diskussion gestellt: 1. Öffentlich-rechtliche Netzgesellschaft Es wird eine neue öffentlich-rechtliche Netzgesellschaft geschaffen, in welche das Festnetz der Swisscom AG ausgegliedert wird. Die übrigen SwisscomGesellschaften können verkauft werden. Alternativ wird Swisscom in eine privatrechtliche Netzgesellschaft und in eine oder mehrere Dienstleistungsgesellschaften aufgeteilt.

2. Beteiligung des Bundes an Grundversorgungsunternehmen Im Fernmeldegesetz wird eine Bestimmung aufgenommen, wonach sich der Bund an Grundversorgungsunternehmen beteiligen kann.

3. Befristeter gesetzlicher Übertrag der Grundversorgungspflicht Die Grundversorgungspflicht für die Periode 2008­2012 wird per Gesetz an Swisscom bzw. deren Tochtergesellschaft Swisscom Fixnet AG übertragen.

Nur wenige Vernehmlassungsteilnehmer begrüssen den Vorschlag der Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Netzgesellschaft. Eine klare Mehrheit wendet sich entsprechend gegen diese Massnahme, so auch Swisscom. Sie weist insbesondere darauf hin, dass Infrastruktur und Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich heute kaum mehr getrennt werden können, dass durch eine Aufspaltung der Gesellschaft wertvolle Skaleneffekte vernichtet würden und dass eine staatliche Netzgesellschaft einer dynamischen Entwicklung der Grundversorgung nicht förderlich wäre.

Die Idee eines neuen Artikels im FMG, welcher es dem Bund ermöglicht, sich an der Konzessionärin der Grundversorgung zu beteiligen, erhält in der Vernehmlassung ebenfalls wenig Zustimmung. Insbesondere wird bemängelt, dass kein wesentlicher Unterschied zum bestehenden System auszumachen sei bzw. dass der Bund weiterhin beträchtliche Risiken tragen müsste.

Am meisten Zustimmung, jedoch auch keine Mehrheit, erhält die gesetzliche Übertragung der Grundversorgungspflicht. Viele Gegner der Vorlage argumentieren, dass der Mehrwert gegenüber der bestehenden Lösung gering ist und dass die Massnahme durch ihre Befristung nicht nachhaltig ist.

3794

1.4.3.2

Massnahmen zur Wahrung der Eigenständigkeit

Als Massnahmen zur Wahrung der Eigenständigkeit von Swisscom wurden vorgeschlagen: 1. Sperrminorität Der Bund bleibt mit einer Sperrminorität Aktionär von Swisscom.

2. Verschärfung der Vinkulierungsbestimmungen In den Statuten der Swisscom AG wird eine Beteiligungsobergrenze verankert. Die Stimmrechte derjenigen Aktien, welche über dieser Grenze liegen, können nicht ausgeübt werden.

3. Volksaktie Um eine möglichst breite Streuung der Swisscom-Aktien zu erreichen, lanciert der Bund eine sogenannte Volksaktie.

4. Gratisabgabe von Swisscom-Aktien Die Hälfte der in Bundesbesitz befindlichen Aktien der Swisscom werden nach einer Frist von drei Jahren gratis an die Schweizer Bevölkerung abgegeben.

5. Kontrollrechte Dem Bundesrat wird bei abschliessend definierten Geschäftsvorfällen ein gesetzlich verankertes, befristetes Veto-Recht eingeräumt.

6. Bundesvertretung im Verwaltungsrat der Swisscom AG Der Bund bleibt auch nach Abgabe seiner Beteiligung im Verwaltungsrat der Swisscom AG vertreten.

Einige Befürworterinnen und Befürworter der Abgabe der Bundesbeteiligung können sich zumindest während einer Übergangsfrist die Beibehaltung einer Sperrminorität vorstellen. Mehrheitlich wird aber bemängelt, dass eine Sperrminorität den vom Bundesrat mit dieser Vorlage verfolgten Zielen widerspricht. Da diese Massnahme als Alternative zu einer vollständigen Privatisierung aus Sicht des Bundesrates noch am ehesten in Frage käme, wird sie in Ziffer 1.5 näher erläutert.

Bei einer Verschärfung der Vinkulierungsbestimmungen befürchten einige Vernehmlassungsteilnehmer eine zu starke Einengung des strategischen Spielraums von Swisscom. Andere erachten die Verankerung einer verbindlichen Beteiligungsobergrenze als relativ sinnvolle Lösung. Es liegen jedoch nur wenige Stellungnahmen zu dieser Massnahme vor.

Sowohl die Volksaktie wie auch die Gratisabgabe von Swisscom-Aktien werden in der Vernehmlassung einhellig verworfen. Die Volksaktie sei nicht zielführend, kostspielig und unsozial, weil nur gewisse Gruppen profitieren würden; die Gratisabgabe sei finanzpolitisch kontraproduktiv, mit grossen Unsicherheiten und einem riesigen administrativen Aufwand verbunden und biete schliesslich ­ analog zur Volksaktie ­ keine Sicherheit für die Wahrung der Eigenständigkeit des Unternehmens. Gestützt auf dieses Ergebnis verzichtet der Bundesrat auf die Lancierung einer Volksaktie. Je nach Marktbedingungen behält er sich die Lancierung eines 3795

persönlichen Aktienangebots für Privatinvestoren nach dem Vorbild des Börsengangs von 1998 jedoch vor (vgl. Ziff. 1.6.2).

Die im Sinne einer goldenen Aktie (golden share) ausgestalteten Kontrollrechte nach dem Vorbild des Gesamtpakets Post/Swisscom AG von 2001 finden in der Vernehmlassung ebenfalls wenig Anklang. Nur wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer können sich solche speziellen Kontrollrechte vorstellen.

Zum Verbleib des Bundesvertreters im Verwaltungsrat nehmen nur wenige Vernehmlassungsteilnehmer Stellung. Sie halten im Wesentlichen fest, dass diese Vertretung nur dann sinnvoll sei, wenn sie mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes verbunden sei.

1.4.3.3

Kompetenzübertragung an das Parlament

Als weitere mögliche Massnahme stellte der Bundesrat zur Diskussion, die Kompetenz zum Entscheid über den Zeitpunkt des Verkaufs der Bundesbeteiligung an der Swisscom dem Parlament zu übertragen. Diese Massnahme wird einhellig abgelehnt. Die Kompetenz zum Entscheid über den Zeitpunkt des Verkaufs muss nach Auffassung der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer beim Bundesrat liegen.

1.4.4

Stellungnahme von Swisscom

Der Verwaltungsrat von Swisscom hat die Vernehmlassungsvorlage im Lichte der Unternehmensinteressen analysiert und befürwortet die vollständige oder, falls politisch nicht anders möglich, zumindest die teilweise Abgabe der Bundesbeteiligung.

Swisscom beurteilt die flankierenden Massnahmen differenziert und steht denjenigen offen gegenüber, die dem Unternehmen nicht schaden. Im Besonderen wendet sich Swisscom gegen eine aus dem Unternehmen ausgegliederte Netzgesellschaft und die Möglichkeit für den Bund, sich an der Grundversorgungskonzessionärin zu beteiligen.

Für Swisscom ist es wichtig, zum einen über ein stabiles, langfristig orientiertes Aktionariat zu verfügen und zum anderen ihre Allianzfähigkeit zu verbessern. Die flankierenden Massnahmen zur Wahrung der Eigenständigkeit des Unternehmens können zu ersterem beitragen. Deshalb steht Swisscom diesen offen gegenüber.

Hingegen liege die Kompetenzübertragung an das Parlament nicht im Interesse der Swisscom, weil die parlamentarische Beschlussfassung unter Umständen zu lange dauern könne.

3796

1.5

Beibehaltung einer Sperrminorität

1.5.1

Grundsätzliches

Angesichts des kontroversen Vernehmlassungsergebnisses hat der Bundesrat Alternativen zur vollständigen Abgabe der Bundesbeteiligung an Swisscom diskutiert. Er ist dabei zum Schluss gekommen, dass alle Alternativen deutlich schlechter zu beurteilen sind als die vollständige Abgabe der Bundesbeteiligung. Am ehesten in Frage kommt ­ auch aus der Sicht von Swisscom ­ die Beibehaltung einer Sperrminorität. Deshalb wird im Folgenden dieses Konzept näher beschrieben. Angesichts der gewichtigen Nachteile dieser Lösung ­ der Bund trägt weiterhin relativ grosse Risiken und unternehmerische Verantwortung; die Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Rollen des Bundes können nicht beseitigt werden ­ und der geringen Zustimmung in der Vernehmlassung steht diese Variante für den Bundesrat nicht im Vordergrund. Er ist überzeugt, dass die vollständige Abgabe der Bundesbeteiligung die bessere Lösung ist.

1.5.2

Wirkung der Sperrminorität

Gemäss Artikel 704 des Obligationenrechts (OR) bedürfen insbesondere Zweckänderungen, qualifizierte Kapitalerhöhungen, Fusionen und Sitzverlegungen der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der vertretenen Aktienstimmen und der absoluten Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte. Zudem genügt ein Drittel der Aktien oft, um eine Gesellschaft faktisch zu beherrschen, da bei börsenkotierten Unternehmen mit einer breiten Aktienstreuung in der Regel selten mehr als 60­70 % aller Aktienstimmen an der Generalversammlung vertreten sind.

Mit einer Sperrminorität könnte der Bund folglich verhindern, dass: ­

der Zweck der Gesellschaft (in den Statuten) geändert wird,

­

der Sitz der Gesellschaft ins Ausland verlegt wird,

­

Swisscom mit einer anderen Unternehmung fusioniert,

­

qualifizierte Kapitalerhöhungen getätigt werden.

Damit wären die wesentlichen Geschäftsvorfälle abgedeckt. Einzig vor einer Mehrheitsbeteiligung durch ein ausländisches Unternehmen wäre Swisscom damit de jure nicht geschützt. Durch seine Aussage, dass er keinen ausländischen Mehrheitsaktionär begrüssen würde, könnte der Bund aber mit grosser Wahrscheinlichkeit erreichen, dass kein Investor das sehr teure Wagnis des Aufbaus einer Mehrheitsposition eingeht. Die Erfahrung in Europa zeigt, dass eine solche Aktion unwahrscheinlich ist. Mit seiner Beteiligung behielte der Bund einen entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen bei; wichtige Beschlüsse der beschriebenen Art könnten nicht ohne seine Zustimmung gefällt werden.

3797

1.5.3

Die Sperrminorität aus Sicht der Investoren

Die Reduktion des Bundesanteils auf einen Drittel der Aktien würde von der Investorengemeinschaft voraussichtlich positiv aufgenommen, auch wenn eine vollständige Privatisierung bevorzugt würde. Die Variante «Sperrminorität» wird vorteilhafter eingestuft als der Status quo. Bei Privatisierungen in anderen Ländern war die Sperrminorität sehr oft eine Etappe im Prozess hin zur vollständigen Abgabe der Staatsbeteiligung. Der Bund würde damit signalisieren, dass er seinen Einfluss zurückbindet.

1.5.4

Umwandlung der Rechtsform und neuer Artikel im FMG

An der beantragten Umwandlung von Swisscom in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft sollte selbst im Fall der Beibehaltung einer Sperrminorität festgehalten werden. Sie hat den Vorteil, dass sie sowohl Swisscom als auch dem Bund einen grösseren Spielraum gewährt. Im Gegenzug fallen die vom Aktienrecht abweichenden Bestimmungen des TUG (Pflicht zur Formulierung strategischer Ziele, Personalvertretung im Verwaltungsrat der Swisscom und GAV-Pflicht von Swisscom) weg. Da der Bund für eine Beteiligung an einem Erwerbsunternehmen eine Gesetzesgrundlage braucht, wäre in den Übergangsbestimmungen des FMG eine neue Bestimmung einzufügen, wonach der Bund eine Beteiligung in Höhe einer Sperrminorität an der Swisscom hält. Diese Beteiligung müsste zum einen mit der Erbringung der flächendeckenden Grundversorgung und zum anderen mit einem allgemeinen Landesinteresse verknüpft werden. Es ist durchaus denkbar, dass Swisscom zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr die wichtigste Konzessionärin der Grundversorgung ist oder dass an einer solchen Beteiligung kein allgemeines Landesinteresse mehr besteht. Sind diese Bedingungen nicht mehr erfüllt, sollte der Bundesrat die Kompetenz erhalten, einen Verkauf der Beteiligung zu beschliessen. Allenfalls könnte die Kompetenz zur Herabsetzung oder Aufgabe der Beteiligung bei der Bundesversammlung belassen werden.

1.6

Konzept für die Umsetzung

1.6.1

Rechtliche Umsetzung

Der Grundsatzentscheid über die Abgabe der kapital- und stimmenmässigen Mehrheit des Bundes ist der Ausgangs- und Kernpunkt dieser Vorlage und Grundlage für die Rechtsformumwandlung, die im vorgeschlagenen Artikel 28a TUG geregelt wird. Zur Abschaffung der Pflicht des Bundes, die kapital- und stimmenmässigen Mehrheit am Unternehmen zu halten, muss Artikel 6 Absatz 1 TUG aufgehoben werden. Die Rechtsformumwandlung bildet wiederum die Grundlage für einen vollständigen Verkauf der Beteiligungsrechte des Bundes an der neu geschaffenen Aktiengesellschaft. Anhang 2 zeigt den Ablauf der Abgabe der Bundesbeteiligung in graphischer Form.

3798

1.6.2

Veräusserung des Aktienpakets

Allgemeines Bei der Abgabe des Aktienpakets ist aus Sicht des Bundesrates vor allem darauf zu achten, dass die Transaktion die Aktienkursentwicklung wenn möglich positiv beeinflusst. Ferner sollte die Transaktion sowohl für den Bund wie auch für Swisscom als Erfolg gewertet werden können; Imageverluste sind zu vermeiden. Je nach Marktbedingungen dürfte deshalb aufgrund des grossen Volumens des Aktienpakets eine zeitliche Staffelung des Verkaufs notwendig sein. In diesem Zusammenhang sei auch vermerkt, dass der schweizerische Aktienmarkt zu klein ist, um das ganze Aktienpaket des Bundes aufzunehmen. Folglich müssen sich auch ausländische Investoren engagieren.

Für die Platzierung der Bundesbeteiligung sind mehrere Verfahren denkbar. Diese reichen von der möglichst breiten Streuung der Aktien bis zum Verkauf der gesamten Beteiligung an einen einzelnen strategischen Investor. Der Bundesrat beabsichtigt, die Aktien möglichst breit zu streuen. Für ihn steht daher eine öffentliche Sekundärplatzierung im Vordergrund, eventuell verbunden mit einem persönlichen Aktienangebot für Privatinvestoren nach dem Vorbild des Börsengangs von 1998 (Damals profitierten Kleinanleger insbesondere von einem Preisabschlag von 5 Franken pro Aktie und von der garantierten Zuteilung von mindestens 10 Aktien).

Selbstverständlich wird der Bundesrat zum gegebenen Zeitpunkt das Marktumfeld berücksichtigen.

Breite Streuung der Aktien Eine breite Streuung der Aktien kann grundsätzlich durch zwei Verfahren erreicht werden: die öffentliche Sekundärplatzierung und das beschleunigte Verfahren. Bei beiden Methoden werden mit Hilfe der Banken (bzw. ihres Beziehungsnetzes) Investoren gesucht, die bereit sind, Swisscom-Aktien zu einem gewissen Preis zu übernehmen.

Die öffentliche Sekundärplatzierung ist, analog dem Börsengang von 1998, eine umfassende Aktienplatzierung, die eine breite Streuung bei institutionellen und privaten Investoren ermöglicht. Sie setzt die aktive Beteiligung der SwisscomFührung und die Veröffentlichung eines Prospekts voraus. Bei diesem Verfahren ist es ausserordentlich wichtig, eine realistische Einschätzung der Marktlage vorzunehmen. Anzumerken ist, dass wahrscheinlich ­ wie beim Börsengang von 1998 ­ nur eine beschränkte Anzahl von Kleinanlegern bereit ist, sich zu engagieren.

Mit dem beschleunigten Verfahren
können in der Regel innert weniger Stunden oder Tage mit Hilfe eines Bankenkonsortiums Aktienpakete im Wert von mehreren Milliarden Franken platziert werden. Allerdings werden Kleinanleger damit völlig ausgeschlossen. Auch kann das beschleunigte Verfahren nur für einen Teil des Aktienpakets angewendet werden. Die Beteiligung der Swisscom-Führung an der Platzierung hält sich bei diesem Verfahren, wenn überhaupt notwendig, in engen Grenzen.

Weitere ergänzende Handlungsalternativen sind die Ausgabe von Optionen oder Wandelanleihen. Diese zwei Möglichkeiten kommen jedoch nur für einen geringen Teil des Aktienpakets in Frage. Als Ergänzung zu einer öffentlichen Sekundärplatzierung oder als eigene Tranche stellen sie unter Umständen aber eine interessante Option dar, die der Bundesrat gegebenenfalls in Betracht ziehen wird.

3799

Ein Verkauf der ganzen Beteiligung über die Börse ist hingegen keine realistische Alternative. Der Aktienkurs käme stark unter Druck, und es würde mehrere Jahre dauern, bis das gesamte Aktienpaket platziert wäre. Im Durchschnitt werden an der Börse heute rund 150 000 Swisscom-Aktien pro Tag gehandelt. Selbst wenn jeden Tag ein Paket in dieser Grösse verkauft würde, bräuchte der Bund fast ein Jahr für die Abgabe der gesamten Beteiligung. Ein solches Vorgehen würde zudem den Verkaufserlös des Bundes sehr stark reduzieren.

Verkauf an einen strategischen Investor Als gegensätzliche Option wäre auch der Verkauf des gesamten Pakets an einen strategischen Investor mittels Verhandlung oder Auktion möglich. Diese Variante hat im vergangenen Jahr die tschechische Regierung beim Verkauf ihrer Mehrheitsbeteiligung an Cesky Telecom gewählt. Dies ist jedoch kein Szenario, das der Bundesrat anstrebt.

Als strategische Investoren kommen vor allem ausländische Telekommunikationsunternehmen und allenfalls ein Konsortium von Finanzinvestoren aus dem In- oder Ausland in Frage. Typischerweise enthält der Verkaufspreis pro Aktie bei solchen Transaktionen eine Kontrollprämie beziehungsweise einen Paketzuschlag, so dass der Erlös für den Bund höher ausfallen würde als bei einem Verkauf mit breiter Streuung. Mit der anvisierten öffentlichen Sekundärplatzierung verzichtet der Bundesrat jedoch bewusst auf eine Maximierung des Verkaufserlöses.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein an Swisscom interessierter strategischer Investor nach Abgabe der Bundesmehrheit jederzeit ein Übernahmeangebot lancieren kann. Eine breite Streuung der Swisscom-Aktien bei der Erstplatzierung kann dies nicht verhindern.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Bestimmungen im TUG (Ziff. I)

Art. 6 Mit der Aufhebung von Absatz 1 entfällt die Pflicht des Bundes zur Haltung der kapital- und stimmenmässigen Mehrheit. Da damit auch keine Grundlage mehr für eine Beteiligung des Bundes besteht, ist diese innerhalb angemessener Frist vollständig zu liquidieren (vgl. Ausführungen zu Art. 28a Abs. 1).

Absatz 2 verdeutlicht lediglich, dass sich aus der Veräusserungsschranke gemäss Absatz 1 keine weiteren Einschränkungen für den Handel mit Beteiligungspapieren ergeben. Aufgrund der Aufhebung von Absatz 1 wird diese Bestimmung überflüssig. Die Regelung in Absatz 3, wonach der Bundesrat für jeweils vier Jahre festlegt, welche strategischen Ziele der Bund als Hauptaktionär mit seiner Beteiligung erreichen will, soll vorerst nicht aufgehoben werden. Zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft werden die Artikel 1­28 TUG aufgehoben, womit auch die gesetzliche Grundlage für die strategischen Ziele entfällt.

3800

Art. 28a Abs. 1 Die Swisscom wurde im Hinblick auf die gesetzlich festgehaltene Zweckbestimmung, die kapital- und stimmenmässigen Mehrheit des Bundes, die Zielvorgaben des Bundes, die Vertretung des Personals im Verwaltungsrat und die Regelung der Anstellungen des Personals (Pflicht zum Abschluss eines GAV) als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft konzipiert (Art. 2, 3 und 6 TUG)29. Die spezialgesetzliche Aktiengesellschaft beruht im Gegensatz zu Gesellschaften nach den Artikeln 620 ff.

OR nicht auf vertraglicher Grundlage, sondern wird unmittelbar durch Gesetzesakt geschaffen. Neben das jeweilige Spezialgesetz treten die Statuten und allenfalls ­ ergänzend ­ die aktienrechtlichen Vorschriften des OR30. Die Organisation der spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft richtet sich in erster Linie nach der Regelung im Organisationserlass und in zweiter Linie nach den Bestimmungen des OR. In solchen Fällen wird das private Gesellschaftsrecht zu subsidiärem öffentlichen Recht31. Die vollständige Abgabe der Beteiligung des Bundes an der «öffentlichrechtlichen» Aktiengesellschaft verlangt deshalb zwingend nach einer Umwandlung derselben in eine rein privatrechtliche Aktiengesellschaften nach den Artikeln 620 ff. OR.

Die Änderung der Rechtsform von der spezialgesetzlichen in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die bestehenden Rechtsverhältnisse. Die Umwandlung stellt im vorliegenden Fall eine reine Änderung der Rechtsform der Unternehmung dar, ohne dass deren Rechtsverhältnisse verändert werden. Trotz Änderung der Rechtsform behält die Unternehmung ihre Identität und ihre Rechtspersönlichkeit. Die Umwandlung erfordert deshalb auch keine Neugründung. Vielmehr bleiben die mitgliedschaftlichen und vermögensrechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft trotz Änderung des Rechtskleides bestehen. Der Gesetzesentwurf sieht eine Umwandlung durch blosse Änderung der Rechtsform vor, wodurch der Vorgang wesentlich erleichtert wird. Die Neugründung einer Gesellschaft und die Übertragung der Rechtsverhältnisse durch Universalsukzession entfallen. Die sich umwandelnde Unternehmung bleibt auch im neuen Rechtskleid wirtschaftlich und rechtlich gesehen die gleiche.32 Da im vorliegenden Fall keine «übertragende Umwandlung», sondern eine rein «rechtsformändernde Umwandlung» erfolgt,
liegt auch keine steuerrechtlich relevante, allenfalls mit einer Neubewertung verbundene Vermögensübertragung vor.

Der Umwandlungsvorgang unterliegt den allgemeinen steuerlichen Regeln über die Umstrukturierungen und kann daher unter Einhaltung der entsprechenden Kriterien steuerneutral durchgeführt werden.

29 30

31 32

Botschaft vom 10. Juni 1996 zu einem Postorganisationsgesetz und zu einem Telekommunikationsunternehmungsgesetz, BBl 1996 III 1306, Ziff. 142.2).

Vgl. Stefan Vogel, Die spezialgesetzliche Aktiengesellschaft, ZBL 2003 418 Ziff. 2, m. H; Häfelin Ulrich/Müller Georg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich usw. 2002, N 1488.

Vgl. Häfelin/Müller, N 304; VOGEL, Aktiengesellschaft, 418 Ziff. 2.

Vgl. Botschaft vom 13. Juni 2000 zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung, BBl 2000 4531, Ziff. 2.1.4.1 ­ Erläuterung zu Artikel 53.

3801

Abs. 2 Aufgrund der notwendigen Vorbereitungsarbeiten für die Umwandlung (vgl. Abs. 3, Bst. a­d) werden die Inkraftsetzung dieses Gesetzes und die Umwandlung nicht gleichzeitig erfolgen können. Auch lässt sich heute noch kein Termin festlegen, an welchem diese Arbeiten abgeschlossen sind und die Umwandlung vollzogen ist. Die Festlegung des Zeitpunkts der Umwandlung ist deshalb an den Bundesrat zu delegieren.

Soll ein organisatorisch verselbständigtes und im Handelsregister eingetragenes Institut des öffentlichen Rechts direkt und liquidationslos in einen Rechtsträger des Privatrechts umgewandelt werden, so wären die Bestimmungen des Fusionsgesetzes33 sinngemäss anzuwenden34. Dies hätte aber zur Folge, dass eine vollständige Inventarisierung der Aktiven und Passiven der Swisscom und deren Neubewertung vorgenommen werden müsste (Art. 100 Abs. 2 FusG). Da die Unternehmung bereits heute wie eine privatrechtliche Aktiengesellschaft organisiert ist und Rechnung ablegt sowie in Anbetracht der Wahrung der bestehenden Rechtsverhältnisse (vgl.

Erläuterungen zu Abs. 1) ist ein solch komplexes und aufwändiges Vorgehen, wie es das FusG vorschreibt, nicht sinnvoll. Dies besonders deshalb nicht, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um eine «übertragende Umwandlung» gemäss Artikel 99 Absatz 1 FusG, sondern um eine rein «rechtsformändernde Umwandlung» handelt, wie sie in Artikel 54 FusG für bestehende privatrechtliche Unternehmungen definiert wird. Da das FusG nicht zur Anwendung gelangt, sind die Grundlagen, Zuständigkeiten und Abläufe der Umwandlung im TUG zu regeln.

Mit der Änderung des TUG werden die Voraussetzungen für die Umwandlung geschaffen. Der Bundesrat löst mit der Festlegung des Umwandlungszeitpunktes die notwendigen Vorbereitungsarbeiten und Beschlussfassungen aus, die wiederum in der Kompetenz und Verantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane liegen35.

Abs. 3 Bst. a und b Die Unternehmung ist bereits heute wie eine privatrechtliche Aktiengesellschaft organisiert und entscheidet auf operationeller Ebene selbständig. Die Regelungen auf Unternehmensstufe (Statuten, Organisationsreglemente) müssen im Hinblick auf die Aufhebung des TUG entsprechend angepasst werden (Aufhebung des Bundesvertreters im Verwaltungsrat und von Verweisungen auf das TUG). Die Anpassung dieser Regelungen steht ausschliesslich
den zuständigen Gesellschaftsorganen zu. Es ist nicht Sache des Bundes bzw. des Bundesrates, Funktionen und Verantwortlichkeiten dieser Organe zu übernehmen.

Der Umwandlungsbeschluss darf nur gestützt auf die geänderten Statuten und eine aktuelle Bilanz erfolgen. Liegt der Bilanzstichtag zum Zeitpunkt der Umwandlung mehr als sechs Monate zurück oder sind seit Abschluss der letzten Bilanz wichtige Änderungen in der Vermögenslage der Gesellschaft eingetreten, so muss eine Zwi33 34 35

FusG; SR 221.301 Botschaft vom 13. Juni 2000 zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung, BBl 2000 4531, Ziff. 2.1.8 Dieses Vorgehen wäre auch bei einer Anwendung des FusG systemkonform: Vgl.

Botschaft vom 13. Juni 2000 zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung, BBl 2000 4531, Ziff. 2.1.8 ­ Kommentar zu Artikel 100 Absatz 3.

3802

schenbilanz erstellt werden.36 Artikel 58 FusG über die Erstellung der Zwischenbilanz im Falle der Umwandlung ist sinngemäss37 anzuwenden; auf eine inhaltliche Übernahme dieser Bestimmung kann deshalb verzichtet werden.

Die Information der Aktionäre und die Einberufung der Generalversammlung richten sich nach den Bestimmungen des Aktienrechts und den Statuten. Hingegen ist die Pflicht der Gesellschaftsorgane, die im Hinblick auf die Umwandlung erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, öffentlich-rechtlicher Natur.

Bst. c Da das FusG nicht unmittelbar anwendbar ist, müssen die Gegenstände der Beschlussfassung durch die Generalversammlung, das Quorum für die Beschlussfassung sowie die Beurkundungs- und Eintragungspflicht festgelegt werden.

Das Quorum orientiert sich an Artikel 64 Absatz 1 Buchstabe a FusG und an Artikel 704 OR. Um sicherzustellen, dass der Bund im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Generalversammlung noch über das notwendige Quorum verfügt, soll aber bei den vertretenen Aktienstimmen keine Zweidrittelmehrheit, sondern lediglich die absolute Mehrheit erforderlich sein.

Bst. d Aufgrund dieser Bestimmung liegt die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für die Umsetzung der Umwandlung im Rahmen des Obligationen- und auch des Börsenrechts ausdrücklich beim Verwaltungsrat der Unternehmung. So hat der Verwaltungsrat insbesondere die notwendigen Organisations- und Reglementsänderungen vorzunehmen, allenfalls die Geschäftsleitung zu bestimmen sowie Informations- und Meldepflichten wahrzunehmen.

Im Rahmen von Absatz 2 ist der Bundesrat hingegen befugt, einen besonderen Regelungsbedarf abzudecken.

Abs. 4 Der Handelsregistereintrag ist konstitutiv und bestimmt den Zeitpunkt für die Aufhebung der spezialgesetzlichen Bestimmungen des TUG (vgl. Ziff. II); damit wird ein Nebeneinander von sich widersprechenden Rechtsgrundlagen vermieden.

Abs. 5 Der Bundesrat wird ermächtigt, die Beteiligung vollständig zu verkaufen. Wie in Ziffer 1.6.2 ausgeführt, favorisiert der Bundesrat die Abgabe seines Aktienpakets über eine öffentliche Sekundärplatzierung.

Der Verkauf erfordert grosse Handlungsfreiheit und muss daher in die Zuständigkeit des Bundesrates fallen. Einschränkungen dieser Handlungsfreiheit ­ etwa durch öffentliche Diskussionen oder Anweisungen, innert welcher Frist, wie oder zu welchem Preis zu verkaufen sei ­ könnten zu massiven Kursschwankungen und Werteinbussen der Aktien führen. Dies kann eine optimale Vorgehensweise verun36 37

Botschaft vom 13. Juni 2000 zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung, BBl 2000 4531, Ziff. 2.1.4.3 ­ Kommentar zu Artikel 58.

Eine sinngemässe Anwendung erfolgt u.a. im Hinblick darauf, dass im vorliegenden Fall kein Umwandlungsbericht erstellt werden muss. Der für die Fristberechnung nach Artikel 58 Absatz 1 FusG notwendige Zeitpunkt fehlt damit. Der Bundesrat wird im Rahmen seiner Kompetenz nach Buchstabe d eine Zeitpunkt festlegen müssen (voraussichtlich das Datum der Durchführung des Generalversammlung).

3803

möglichen und den Verkaufserlös drastisch reduzieren. Solche negativen Effekte sind unerwünscht. Deshalb sieht das Gesetz auch keine Modalitäten der Veräusserung vor. Insbesondere verzichtet das Gesetz auf eine Befristung, innert welcher die Aktien zu veräussern sind.

2.2

Inkraftsetzung und Aufhebung (Ziff. II und III)

Gleichzeitig mit der Umwandlung müssen auch die spezialgesetzlichen Regelungen des TUG aufgehoben werden. Auf den Zeitpunkt hin, in dem der Umwandlungsbeschluss der Generalversammlung rechtswirksam wird (Eintragung in das Handelsregister), müssen mit Ausnahme der Artikel 28a (neu) und 29 sämtliche Bestimmungen des TUG (also Art. 1­28) aufgehoben werden. Dies wird durch die Bestimmung unter Ziffer II der Gesetzesänderung erreicht. Damit wird der unmittelbare Übergang von der spezialgesetzlichen zur rein privatrechtlichen Regelung sichergestellt und das Nebeneinander sich widersprechender oder das Fehlen rechtlicher Grundlagen vermieden.

Durch die Umwandlung in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft werden sämtliche Bestimmungen hinfällig, die aufgrund der Spezialgesetzlichkeit ins TUG aufgenommen wurden.

Zu einzelnen aufzuhebenden Bestimmungen mit eigenständiger Bedeutung ist Folgendes zu bemerken:

38

­

Das in Artikel 9 Absatz 3 TUG festgeschriebene Recht des Personals auf eine angemessene Vertretung im Verwaltungsrat weicht vom Aktienrecht ab. Der Entwurf sieht keine spezialgesetzlich zu verankernde, garantierten Personalvertreter vor. Die Berücksichtigung von Personalinteressen ist zwar aus der Sicht des Bundesrates auch in Zukunft wünschbar. Er erachtet aber nach erfolgter Umwandlung in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft die Einbindung des Personals in die Unternehmensentscheide als Sache der Unternehmung. Auf die Beibehaltung einer diesbezüglichen spezialgesetzlichen Bestimmung ist deshalb zu verzichten38.

­

Artikel 16 Absatz 2 TUG verpflichtet die Swisscom, mit den Personalverbänden Verhandlungen zum Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages zu führen. Diese Vorgabe ist durch den bereits erfolgten Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages (GAV) erfüllt. Für den Fall, dass sich die Sozialpartner über den Abschluss eines GAV oder einzelner Bestimmungen desselben nicht einigen können, soll gemäss Artikel 16 Absatz 3 TUG eine Schiedskommission angerufen werden. Es genügt, diese Bestimmung künftig auf Stufe der Statuten und Reglemente zu regeln. Auf die spezialgesetzlichen Bestimmungen kann deshalb verzichtet werden.

Im Übrigen kann auf die Informations- und Mitwirkungsrechte gemäss Artikel 333a OR und dem Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (SR 822.14) verwiesen werden, welche für privatrechtliche Unternehmen gelten.

3804

Sobald die Bundesbeteiligung an der Unternehmung aufgrund von Artikel 28a Absatz 5 TUG vollständig abgewickelt ist, können die noch geltenden Bestimmungen des TUG (Art. 28a und 29) und damit der gesamte Erlass aufgehoben werden.

Die Zuständigkeit für den Aufhebungsbeschluss liegt nach Ziffer III Absatz 3 beim Bundesrat.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Einnahmenseitige Auswirkungen Auf die Einnahmen hat die Abgabe der Bundesmehrheit zwei unterschiedliche Auswirkungen. Einerseits fallen einmalige Erlöse aus dem Verkauf der Aktien an.

Die Bundesbeteiligung hat zurzeit an der Börse einen Marktwert von rund 16 Milliarden. Der Erlös aus der Veräusserung hängt jedoch in beträchtlichem Masse von der für die Abgabe der Aktien gewählten Lösung ab. Ferner wird er auch stark durch den Geschäftsgang von Swisscom und die allgemeine Börsenentwicklung beeinflusst. Es wäre somit Spekulation, an dieser Stelle den Verkaufserlös prognostizieren zu wollen.

Andererseits kommt es mit der Abgabe von Aktien zu einer Minderung der Dividendeneinnahmen. Je mehr Aktien abgegeben werden, desto geringer fallen die Einnahmen aus. Diese lagen seit dem Börsengang von 1998 im Durchschnitt bei rund 550 Millionen pro Jahr.

Ausgabenseitige Auswirkungen Die Erlöse aus dem Aktienverkauf müssen nach Artikel 24a FHG für die Schuldentilgung eingesetzt werden. Es handelt sich hier um ausserordentliche, einmalige Investitionseinnahmen. Damit verringert sich die Bundesschuld um den Betrag des Erlöses. Dies wirkt sich wiederum auf die Höhe der geschuldeten Passivzinsen aus.

Die exakte Höhe der Einsparung bei den Passivzinsen auf der Bundesschuld kann heute nicht vorausgesagt werden; sie hängt zum einen vom Verkaufserlös und zum anderen von der Höhe der Zinsen in den Jahren nach dem Verkauf ab. Bei einer Zinsentwicklung gemäss aktueller Finanzplanung des Bundes (2008: langfristiger Zinssatz von 3,5 %) und unter der Annahme, dass der Verkaufserlös den Erwartungen entspricht, erreichen die Einsparungen jährlich rund eine halbe Milliarde. Freilich stellt sich die volle Einsparung erst nach einer gewissen Zeit ein, denn der Bund kann ausstehende Anleihen nicht während der Laufzeit zurückzahlen. Hingegen kann er dank dem Verkaufserlös auf die Neuauflage von auslaufenden Obligationen verzichten und damit die Schuld abbauen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Einnahmenausfälle und die Einsparungen in etwa die Waage halten, sofern die Dividenden und Zinssätze konstant bleiben.

Verhältnis zur Schuldenbremse Die Einnahmen aus dem Verkauf von Aktien der Swisscom sind nach Artikel 24a FHG ausserordentlicher Natur und fliessen deshalb nicht in die Berechnung des Ausgabenplafonds gemäss Schuldenbremse ein.

3805

Demgegenüber gehen die vom Bund eingenommenen, bzw. bei einem Verkauf der Aktien wegfallenden Dividenden und die Passivzinsen des Bundes in die Berechnung der Einnahmen und Ausgaben gemäss Schuldenbremse ein, da sie nicht den Charakter ausserordentlicher Einnahmen und Ausgaben haben.

3.1.2

Personelle Auswirkungen auf den Bund

Ab dem Zeitpunkt der vollständigen Abgabe der Bundesbeteiligung an Swisscom können bei den Aktionärsvertretern (Generalsekretariat des UVEK und Eidgenössische Finanzverwaltung) insgesamt 100 Stellenprozente eingespart werden.

3.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die Vorlage hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Funktionierende, hochqualitative und preiswerte Fernmeldedienstleistungen sind für eine Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Telefon- und Internetdienstleistungen sind nicht mehr aus dem Wirtschaftsleben wegzudenken. Dank der Öffnung der Telekommunikationsmärkte und der damit verbundenen Intensivierung des Wettbewerbs kommen die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten und die schweizerische Volkswirtschaft heute in den Genuss einer Vielzahl neuer, diversifizierter und relativ preiswerter Dienstleistungen. Fernmeldedienstleistungen sind kompetitiv, d.h. es gibt einen Markt für diese Leistungen; die grosse Anzahl der in diesem Sektor tätigen Unternehmen bestätigt dies.

Die Schweiz ist mit ihren zahlungskräftigen Kundinnen und Kunden für Telekommunikationsunternehmungen ein sehr attraktiver Markt. Dies lässt erwarten, dass die Qualität der Leistungen in diesem Markt dank einem intensivierten Wettbewerb noch steigen wird.

Die Abgabe der Mehrheitsbeteiligung als solche hat keine Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung. Allerdings besteht ein gewisses Risiko, dass Swisscom zu einem späteren Zeitpunkt von einem ausländischen Käufer übernommen werden könnte. Je nach Ausgestaltung eines solchen Geschäfts kann es dazu kommen, dass Arbeitsplätze in der Schweiz abgebaut oder Entscheidzentren ins Ausland verschoben werden. Umgekehrt kann Swisscom durch die erhöhte Flexibilität aber auch strategische Allianzen oder eine Fusion mit anderen Unternehmen eingehen. Sie kann dadurch Wachstumschancen besser wahrnehmen, sich im dynamischen Telekommunikationsmarkt behaupten und neue Arbeitsplätze schaffen.

Swisscom hat seit dem Börsengang von 1998 mehr als 5000 Stellen abgebaut.

Während dieser Zeit haben aber andere, neu entstandene Unternehmen im Telekommunikationssektor annähernd gleich viele neue Arbeitsplätze geschaffen (Vollzeitäquivalente).

3806

3.4

Auswirkungen auf die Randregionen

Die Dienste der Grundversorgung sind durch das Fernmeldegesetz gesichert; dies gilt besonders für die Randregionen, deren Versorgung mit neuen Dienstleistungen und Technologien im internationalen Vergleich bereits sehr gut ist.

In der vorliegenden Botschaft wurde die Fähigkeit des Marktes, ein breites und flächendeckend erbrachtes Grundangebot an Telekommunikationsdienstleistungen für die meisten Dienste und Regionen herzustellen, bereits mehrmals erwähnt. Daran ändert sich mit dem Verkauf der Mehrheitsbeteiligung des Bundes nichts. Die Schweizer Volkswirtschaft und damit auch die Privatkunden werden weiterhin auf ein gutes Angebot an Fernmeldedienstleistungen zählen können.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zum Finanzplan

4.1

Legislaturplanung 2003­2007

Die Abgabe der Mehrheitsbeteiligung an der Swisscom ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 nicht angekündigt (BBl 2004 1149). Verschiedene Gründe sprechen jedoch aus der Sicht des Bundesrates für die rasche Bereinigung der Voraussetzungen, damit der Bund seine Beteiligung abgeben kann. Zum einen stellt Swisscom für den Bund ­ wie schon 2001 im Rahmen des Gesamtpakets Post/Swisscom festgestellt ­ eine grosse und nicht diversifizierte Anlage dar. Zum anderen müssen die Chancen der Swisscom auf Behauptung im dynamischen Telekommunikationsmarkt gewahrt werden. Dies bedingt ein Aktionariat, das mehr Risiken eingehen kann als der Bund, der auf Grund seiner Verantwortung gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu grosser Vorsicht verpflichtet ist.

4.2

Finanzplan

In den Finanzplänen des Bundes sind zurzeit Schätzungen über die zukünftigen Dividendenzahlungen der Swisscom eingestellt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu den finanziellen Auswirkungen auf den Bund verwiesen (Ziff. 3.1).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Frage, ob es die Verfassung dem Bund erlauben würde, die Telekommunikationsunternehmung des Bundes weitergehend oder vollständig zu privatisieren, hat der Bundesrat bereits in seiner Botschaft vom 10. Juni 1996 zu einem Postorganisationsgesetz und zu einem Telekommunikationsunternehmungsgesetz (BBl 1996 III 1306 ff.) geprüft. Er äusserte sich hiezu wie folgt (a.a.O. S. 1365 f.): «Im Rahmen der Vernehmlassung hat auch der Umfang und die Zulässigkeit der Privatisierung der Telekommunikationsunternehmung vor dem Hintergrund von Artikel 36 BV Anlass zu Bemerkungen gegeben. In einem Ergän3807

zungsgutachten vom 31. Januar 1996 nimmt das Bundesamt für Justiz (BJ) zur Frage Stellung, ob der Bund im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts seine Quote an einer gemischtwirtschaftlich strukturierten, mit einer Konzession ausgestatteten Telekommunikationsunternehmung auf eine Minderheitsbeteiligung reduzieren oder sogar auf jegliche Beteiligungen an konzessionierten, privatrechtlich organisierten Leistungsanbietern im Telecombereich verzichten könnte, so dass dieser Zweig des PTT-Regals im eigentlichen Sinne privatisiert würde. In seinem Gutachten vertritt das BJ die Auffassung, die Möglichkeit, ein Regal nicht in Eigenregie wahrzunehmen, sondern durch konzessionierte Leistungsanbieter ausüben zu lassen, bestehe auch für das PTT-Regal. Insofern wäre eine weitgehende oder vollständige Privatisierung der PTT-Betriebe bzw. des Bereichs Telecom nicht von vorneherein ausgeschlossen. Sie wäre aber an die Voraussetzung geknüpft, dass damit der «Service public» am besten wahrgenommen würde. Mit einem entsprechenden Konzessionsregime müssten Rahmenbedingungen statuiert werden, die eine umfassende Beachtung der öffentlichen Interessen gewährleisten würden.

Angesichts dieser Ausgangslage würde einer späteren Umwandlung der Telekommunikationsunternehmung von einen spezialgesetzlichen in eine rein privatrechtliche Aktiengesellschaft mit teilweiser oder vollumfänglicher Beherrschung durch Private verfassungsrechtlich nichts entgegenstehen.» Diese Rechtsauffassung ist in der Doktrin überwiegend bestätigt worden39. Nun stellt sich jedoch die Frage, ob die damalige Auffassung des Bundesrates auch im Lichte von Artikel 92 der neuen Bundesverfassung aufrechterhalten werden kann.

Nach Artikel 92 Absatz 1 BV ist das Post- und Fernmeldewesen Sache des Bundes.

Dieser Grundsatz wird in Absatz 2 mit einer Art Leistungsauftrag ergänzt: Der Bund sorgt für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung mit Post- und Fernmeldediensten in allen Landesgegenden, und die Tarife sind nach einheitlichen Grundsätzen festzulegen. Im Wesentlichen übernimmt diese Verfassungsbestimmung damit den Gehalt von Artikel 36 Absätze 1 und 3 der Bundesverfassung von 1874. Dies war laut Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung40 auch die Absicht. Insbesondere war der Bundesrat der Meinung, auch die
neue Verfassungsbestimmung solle es dem Bund ermöglichen, als Leistungsträger der Post- und Fernmeldedienste Monopolunternehmen einzusetzen oder Private zuzulassen. In der parlamentarischen Beratung beschlossen die Räte zu Absatz 1 vorerst eine leicht modifizierte Formulierung («Die Gesetzgebung über das Post- und Fernmeldewesen ist Bundessache.»), doch kehrte man schliesslich zum Vorschlag des Bundesrates und damit zur jetzt geltenden Fassung zurück41.

Damit sollte jedoch entgegen dem, was der Wortlaut mit Blick auf andere Kompe39

40 41

vgl. z.B. Rolf H. Weber, Le rôle de l'Etat dans les marchés des télécommunications, in: Problèmes actuels de droit économique, Mélanges en l'honneur de Ch.-A. Junod, 1997, S. 444 ff.; Peter Fischer, Fernmelderecht, in: Koller et al., Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Informations- und Kommunikationsrecht, Rz 1 ff.; a.M. Leo Schürmann, Zur Verfassungsmässigkeit der Neuordnung der PTT-Gesetzgebung, in: Problèmes actuels de droit économique, Mélanges en l'honneur de Ch.-A. Junod, 1997, S. 397 ff., 402 f.

BBl 1997 I 1 ff., S. 270 ff.

eingehend hiezu Leila Roussianos-Moayedi, Les concessions de services de télécommunication, 2002, S. 18 ff.

3808

tenzbestimmungen vermuten lassen könnte, nicht ausgeschlossen werden, dass der «Service public» im Bereich der Post und des Fernmeldewesens im Rahmen eines Konzessionssystems erbracht wird42. Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte kann man nur schliessen, dass Artikel 92 BV es dem Bund jedenfalls verbieten würde, das Erbringen von Post- und Fernmeldediensten vollständig (d.h. ohne eine konzessionsrechtliche Regulierung) der Privatwirtschaft zu überlassen43. Hingegen lässt sich daraus nicht ableiten, der Verzicht auf einen Regiebetrieb oder auf eine vom Bund beherrschte Unternehmung zum Erbringen von Fernmeldediensten sei von der Verfassung ausgeschlossen. Vielmehr überlässt die Verfassung die Regelung dieser Fragen dem Gesetzgeber44. Die Regelung muss aber stets so ausgestaltet sein, dass der «Service public», wie er in Artikel 92 Absatz 2 BV umschrieben worden ist, optimal wahrgenommen wird.

5.2

Verhältnis zur FMG-Revision

Die Privatisierung der Swisscom kann unabhängig vom Ergebnis der FMG-Revision, deren parlamentarische Beratung im März 2006 abgeschlossen wurde, durchgeführt werden. Das FMG regelt den Telekommunikationsmarkt, ohne die Eigentumsverhältnisse der Unternehmungen zu berücksichtigen, die Fernmeldedienste erbringen. Die Swisscom ist zweifellos eine wichtige Akteurin, aber es ist nicht ihr Status als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft, der ihr eine besondere Stellung verschafft. Auch ihre Überführung in eine privatrechtliche Gesellschaft wird nichts an ihrer Stellung ändern. Soweit Swisscom in bestimmten Märkten eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, ist sie verpflichtet, gewisse Formen des Zugangs zu ihren Einrichtungen und Diensten bereitzustellen (Art. 11 FMG). Zudem legen die Artikel 14 ff. FMG fest, dass eine sichere und preiswerte Grundversorgung für alle Bevölkerungskreise in allen Teilen des Landes gewährleistet wird. Zu diesem Zweck erteilt die ComCom eine oder mehrere Grundversorgungskonzessionen. Die Grundversorgungskonzession für den Zeitraum 2003­2007 wurde an die Swisscom vergeben, weil sie zum einen die einzige Unternehmung war, welche die Grundversorgung gemäss den gesetzlichen Vorschriften gewährleisten konnte, und zum anderen die einzige Bewerberin war. Ab 2008 kann die ComCom die Swisscom weiterhin beauftragen, die Grundversorgung bereitzustellen. Sie kann aber auch eine oder mehrere andere Unternehmungen mit dieser Aufgabe betrauen, wenn dies angemessener scheint. Die geplante Änderung des TUG ist somit unabhängig von der im März 2006 durch die eidgenössischen Räte verabschiedeten Änderung des FMG.

42 43 44

so ausdrücklich der Kommissionsberichterstatter im Ständerat, AB S 1998 S. 1160 so auch Aubert, in: Aubert/Mahon, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, 2003, Rz 8 zu Art. 92 so auch H. Burkert, in: St. Galler Kommentar, 2002, Rz. 3 f. zu Art. 92

3809

Anhang 1

Strategische Ziele des Bundesrates für seine Beteiligung an der Swisscom AG 2006­2009 Einleitung 1.

Der Bund ist Hauptaktionär der Swisscom AG. Er verfügt über die stimmenund kapitalmässige Mehrheit an der Unternehmung. Die Aktionärsinteressen des Bundes werden durch den Bundesrat wahrgenommen. Dabei berücksichtigt er die unternehmerische Autonomie der Swisscom AG und anerkennt in seiner Eigenschaft als Aktionär die Entscheidungsfreiheit des Verwaltungsrates in Bezug auf Geschäftsstrategie und -politik. Er beachtet ebenso die Grundsätze der Staatsunabhängigkeit der Medien. Die Rolle des Bundes als Hauptaktionär ist von seiner Funktion als Regulator und Aufsichtsbehörde über den Telekommunikationsmarkt institutionell getrennt.

2.

Gestützt auf Artikel 6 Telekommunikationsunternehmungsgesetz (TUG) legt der Bundesrat für jeweils vier Jahre fest, welche Ziele der Bund als Hauptaktionär der Unternehmung erreichen will. Die strategischen Ziele richten sich an die Swisscom AG und ihre Gruppengesellschaften (nachfolgend «Swisscom»). Der Bund verpflichtet sich damit im Vierjahresrhythmus auf längerfristige, konsistente Ziele und schafft durch deren Veröffentlichung Transparenz für Drittinvestoren.

3.

Neben der Festlegung der strategischen Ziele stehen dem Bund zur Einflussnahme auf die Unternehmung die Mittel zur Verfügung, die einem Hauptaktionär im Aktienrecht zukommen, also der Einfluss auf die Besetzung des Verwaltungsrates und die stimmenmässige Beherrschung der Generalversammlung. Nach den geltenden Statuten von Swisscom hat der Bund zudem das Recht, zwei Vertreter in den Verwaltungsrat abzuordnen, die er instruieren kann. Eine Instruktion des Bundesrates richtet sich ausschliesslich an seine Vertreter im Verwaltungsrat von Swisscom. Sie entbindet die übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates nicht von der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Gesamtinteressen der Unternehmung. Der Bundesrat wird nicht in einer anderen als der genannten Weise auf Swisscom Einfluss nehmen.

1. Allgemeine Ausrichtung der Unternehmung Der Bundesrat erwartet, dass Swisscom 1.1

3810

wettbewerbsfähig, betriebswirtschaftlich geführt und kundenorientiert ist sowie die Schnelligkeit und Flexibilität bei der Entwicklung, Produktion und Vermarktung neuer Produkte und Dienstleistungen in den konvergierenden Märkten Telekommunikation, Informationstechnologie, Rundfunk, Medien und Unterhaltung konsequent weiter verbessert.

1.2

insbesondere fixe und mobile Sprach- und Datendienste, Informatik-Dienstleistungen, Inhalte (Content) sowie für andere Telekommunikationsgesellschaften Netzdienstleistungen anbietet und dabei auch den Sicherheitsinteressen des Landes Rechnung trägt. Mit ihrem Angebot strebt Swisscom folgende Hauptziele an und trägt damit zur volkswirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz bei: ­ Fixnet: Gestaltung eines kundengerechten Angebots, Halten der Marktführerschaft im Inland und Ausübung einer führenden Rolle im Bereich von Breitband-Verbindungen und -Diensten.

­ Mobile: Gestaltung eines kundengerechten Angebots, Halten der Marktführerschaft im Inland und Ausübung einer führenden Rolle im Bereich von Breitband-Verbindungen und -Diensten.

­ Solutions: Gestaltung eines kundengerechten Angebots für die nationalen und internationalen Bedürfnisse der Schweizer Kunden sowie Aufbau und Halten einer bedeutenden Marktposition im Inland.

­ IT-Services: Gestaltung eines kundengerechten Angebots und Aufbau einer bedeutenden Marktposition für besondere Informatik-Dienstleistungen.

­ Grundversorgung: Sicherstellung der flächendeckenden Grundversorgung bis 2007 und Bewerbung für eine zukünftige Konzession, um die Fortführung dieser Aufgabe zu ermöglichen.

­ Interkonnektion: Umsetzung der Interkonnektionsregelung im Interesse eines fairen Wettbewerbs und zur Sicherstellung der End-zu-End-Kommunikation für die Dienste der Grundversorgung.

1.3

über ein angemessenes Risikomanagement-System verfügt.

1.4

im Rahmen ihrer betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten eine nachhaltige und ethischen Grundsätzen verpflichtete Unternehmensstrategie verfolgt.

2. Finanzielle Ziele Der Bundesrat erwartet, dass Swisscom 2.1

wertschöpfend ist und den Unternehmenswert nachhaltig sichert und steigert.

2.2

auf Ebene ihrer Gruppengesellschaften eine Leistungsfähigkeit aufweist, die mit den besten jeweils vergleichbaren Telekommunikationsunternehmen in Europa Schritt hält.

2.3

eine Ausschüttungspolitik verfolgt, welche alle nach wertvermehrenden Investitionen und allfälligen Schuldenrückführungen verbleibenden freien Mittel eines Geschäftsjahres den Aktionären via Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen nach üblicher Praxis zurückerstattet. Die ausschüttbaren Reserven werden auf höchstens CHF 1 Mrd. reduziert.

2.4

ihre Nettoverschuldung auf höchstens das Anderthalbfache des EBITDA gemäss konsolidierter Rechnung begrenzt.

3811

3. Personelle Ziele Der Bundesrat erwartet, dass Swisscom 3.1

eine fortschrittliche und sozialverantwortliche Personalpolitik verfolgt und eine zeitgemässe Lehrlingsausbildung betreibt.

3.2

mit ihrer Leitung durch Führungsstil, Personalentwicklung und interner Kommunikation Vertrauen beim Personal schafft.

3.3

die Mitspracherechte der Personalverbände in Gesamtarbeitsverträgen regelt und die Gesamtarbeitsverträge mit den Gewerkschaften und Personalverbänden weiterentwickelt.

3.4

ihre Kader nach marktüblichen Sätzen entlöhnt, wobei Boni auf Anfang des Geschäftsjahres festgelegten Kriterien basieren.

3.5

bestrebt ist, die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer fest angestellten Mitarbeitenden durch Aus- und Weiterbildungsmassnahmen zu verbessern.

3.6

allfällige weitere Restrukturierungsmassnahmen im Rahmen bestehender oder neuer Sozialpläne umsetzt.

3.7

Bestand und Qualifikation der Mitarbeitenden auf die kommenden Bedürfnisse ausrichtet.

4. Kooperationen und Beteiligungen Der Bundesrat erwartet, dass Swisscom 4.1

Beteiligungen nur eingeht, wenn sie langfristig zur Sicherung oder Steigerung des Unternehmenswertes beitragen, führungsmässig gut betreut werden können und dem Risikoaspekt genügend Rechnung tragen.

4.2

keine Beteiligungen im Ausland an Telekommunikationsgesellschaften mit Grundversorgungsauftrag eingeht. Übrige Beteiligungen im Ausland sind hingegen möglich, wenn sie das Kerngeschäft im Inland unterstützen oder eine andere strategisch-industrielle Logik aufweisen.

4.3

zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Beteiligungen im Inland eingeht.

5. Berichterstattung an den Bundesrat Der Bundesrat erwartet, dass Swisscom vierteljährlichen einen InformationsAustausch mit Vertretern des Bundes entsprechend den regelmässig stattfindenden Analysten- und Investorengespräche pflegt. Der Gleichbehandlung der Aktionäre wird dabei Rechnung getragen. Der Verwaltungsrat der Swisscom erstattet dem Bundesrat am Ende jedes Geschäftsjahres Bericht über die Erreichung der strategischen Ziele.

3812

6. Geltungsdauer und Änderung Die vorliegenden strategischen Ziele gelten für die Jahre 2006­2009 bzw. bis zu der vom Bundesrat beabsichtigten Aufgabe der Mehrheitsbeteiligung des Bundes an Swisscom. Das Umfeld der Unternehmung befindet sich auch ausserdem in einem ständigen Wandel. Bei Vorliegen wichtiger Gründe können die strategischen Ziele daher angepasst werden. Der Bundesrat entscheidet über eine Anpassung nach Rücksprache mit Swisscom.

3813

Anhang 2

Ablauf der Revision des TUG Aktienverkauf: bis 50% + 1 Aktie nach geltendem Recht

Referendum bzw. Ablauf der Referendumsfrist

Inkraftsetzung TUG-Revision Keine Pflicht zur Haltung Mehrheitsbeteiligung Auftrag zur Umwandlung und Verkauf

P r I v a t r e c h t l I c h e AG

S p e z i a l g e s e t z l i c h e

A G

BR

3814

BR

Festlegung Umwandlungszeitpunkt Umwandlungsmodalitäten Verkaufsmodalitäten

Aktienverkauf: vollständig nach neuem Recht

VR

VR/GL

Vorbereitung und Einberufung GV Zwischenbilanz Statuten / Reglemente Umwandlungsbeschluss Information Aktionäre Einberufung GV

GV

Generalversammlung Zwischenbilanz Statuten Umwandlungsbeschluss Entlastung Wahlen

Eintrag Handelsregister BR

Aufhebung Artikel 1 - 28 TUG Aufhebung strategische Ziele Aufhebung Bundesvertretung im VR

Verkauf letzte Aktie Ausserkraftsetzung TUG (Art. 28a und 29)