#ST#

Schweizerisches Band II.

Nro.

35.

Mittwoch. den 11. Juli 1849.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis sür

das Jahr 1849 im ganzen Umfange der Schweiz portofrei Frkn. 3 Jnferate sind frankirt an die Erpedition einznfenden.

per Zeile oder deren Raum.

Gebühr 1 Batzen

Verhandlungen der Bundesversammlung, des National- und Ständerathes.

#ST#

Kommissionalberichte, betreffend

das Zollwesen.

Bericht der Majorität der Kommission des Nationalrathes (deutscher Berichterstatter Herr Peyer im Hof-Neher).

Tit.!

Die Kommission, welche Sie mit der Prüfung und Bgutachtung des Zollgefetzes und des damit zufammenhän.Senden Tarifentwurfs beauftragt haben, ist im Falle, Ihnen heute über ihre Arbeiten Bericht zu erstatten, und ..wie sie sich bemüht hat, die ihr gewordene Aufgabe so gründ-

.lich als möglich zu behandeln und zu erledigen, so hätte Bundesblatt I. Bd. II.

16

178 sie Ihnen gerne auch einen umfassenden Bericht über die behandelte Materie vorgelegt. Allein eine folche Arbeit erfordert mehr Zeit und Rnhe, als der Kommifsion unter den gegebenen Verhältnissen eingeräumt war, und sie muß sich daher darauf beschränken, Jhnen die allgemeinsten Gesichtspunkte zu bezeichnen, von denen sie ausgegangen ist, sich vorbehaltend, bei der Berathung selbst Unvollständiges oder nur im Allgemeinen Angedeutetes zu erganzen. Um eine Grundlage für ihre Arbeit zu gewinnen, hat sich die Kommission vor allen Dingen folgende Fragen gestellt: Welche Zölle sollen aufgehoben werden, mit andern Worten, welche Summe wird erforderlich sein, um die Kantone zu entschädigen, und

Soll sich das künftige Zollerträgniß auf die ....Deckung dieser Entschädigungssumme beschränken oder sol.l der eidgenössischen Kasse durch die Zölle noch eine weitere Einnahme und welche geschaffen werdend -Die Beantwortung der ersten dieser Fragen war für die Kommission nicht ohne Schwierigkeiten und die vielfach verschiedenen Interessen, welche hiebei in Betracht kommen, haben die Ansichten der Mitglieder der Kommission so auseinandergeführt, daß wir im Falle sind, Jhnen dießfalls bei denjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche sich auf .dieses Verhältniß beziehen, Mehrheits- und Minderheitsantrage vorzulegen.

.

Die Mehrheit der Kommission verkennt .durchaus nicht, daß in dem ungleichen Verhältnisse, nach welchem die Kantone je nach der Höhe ihrer bisherigen Zolleinnahmen annähernd entschädigt werden sollen, für diejenigen Kantone, welche bisanhin keine oder nur geringe Zolleinnahmen gehabt haben, ein gewichtiges Motiv liegt, um die Ansicht aufzustellen und festzuhalten, daß durchaus nicht

1^ alle Zolle, sondern lediglich nur die auf dem Transit lastenden aufgehoben und ausgelöst werden sollen ; - ebenso findet sie es erklärlich, daß diejenigen, welche überhaupt niedrige Zollansätze wünschen, auch die Entschädigung^summe so niedrig als möglich zu stellen trachten. Wenn nun aber auf der andern Seite die Majorität Alles das zufammenfaßt, was auf den der Bundesrevision vorangegangenen Zollkonferenzen angestrebt wurde und was nachher bei der Revision felbst die leitende Idee war, so ergibt sich ihr die unwiderrufliche Ueberzeugung, daß durch

die Verlegung der Zölle an die Grenze die schon längst gewünschte Befreiung des innern Verkehrs zur That und Wahrheit gemacht werden wollte. Die Majorität will hier nicht darüber rechten, was von einer Befreiung des innern Verkehrs zu halten wäre, bei welcher immerhin noch in manchen Kantonen ein Theil der Zölle fortbezogen würde.,.

sie will nicht nach der Gerechtigkeit fragen, welche nur die Hauptadern des Verkehrs von allen beschränkenden und hemmenden Zöllen befreien, die Nebenadern und Aederchen dagegen unterbunden lassen will. Darauf aber muß sie warnend verweisen, daß an jene Zölle und Gebühren, welche man den Kantonen belassen möchte, mit der Zeit bei etwa eintretenden finanziellen Verlegenheiten sich gar leicht wieder andere anhängen und so den Boden, den man möglichst befreien wollte, wieder überwuchern werden.

In Weiterem konnte sich die Majorität nicht verhehlen, daß einerseits die Kantone mit ihren Zollansprüchen in die neue Gestaltun gunserer Bundesverhältnisse eingetreten sind, und daß sich andrerseits eine Interpretation des Art. 24 in dem Sinne, daß nur die auf dem Transit lastenden Gebühren aufgehoben werden follen, und daß man bei Feststellung der Verfassnng die Aufhebung der übrigen

durchaus nicht beabsichtigt habe, im Hinblick auf die der

^

Centralisation der Zolle von jeher zu Grunde liegende Idee als ganz unstichhaltig erweist.

Allerdings kann dem Art. 24 aber auch nicht die absolute Deutung gegeben werden, daß alle Zölle gleichzeitig aufgehoben .werden müssen; der Bund hat sich nach einer Seite hin sreie Hand behalten und es entsteht nun ferner .die Frage, .vie sich die Ausscheidung und Aufhebung praklisch gestaltet, wenn von diesen sakultativen Bestimmungen gebrauch gemacht werden wollte ; - mit andern Worten, die Frage, roas eigentlich unter Transit zu verstehen ist?

Die Majorität der Kommission will dieses Wort nicht nach seinem eigentlichen Begriffe auffassen, auch sie geht von der Ansicht aus, daß damit der Verkehr von einem Danton in einen andern, oder durch einen andern in einen dritten .bezeichnet sein soll; aber gerade bei dieser Auffassung er.gibt sich ihr die ganze Schwierigkeit der Frage, welche Zölle und Gebühren lasten, und welche lasten nicht aus diesem Verkehr und wie können dieselben durch gesetzliche Bestimmungen ausgeschieden werden?

Könnte ihr diese Frage genügend beantwortet, der Weg

klar bezeichnet und die Möglichkeit der Ausscheidung durch .abstrakte Gesetzesparagraphen praktisch nachgewiesen werden, so könnte sie sich mit den Ansichten der Minorität noch eher besreunden, allein mit der bloßen Wiederholung ihrer Bestimmung, daß nur die auf dem Transit lastenden Zölle aufgehoben werden sollen, ist ihr die Schwierigkeit der Ausführung einer Aufhebung nach den Ansichten der Minorität nicht im Mindesten gehoben, und diese Schwie-

rigkeit, um nicht zu sagen Unmöglichkeit der Ausführung ist es, welche neben der allgemeinen Jdee der Zentralisation die Majorität bestimmt, in dieser Frage nicht durch schars abgegrenzte Bestimmungen vorzugreifen, sondern

181 hier - wie im ganzen Zollgesetze, der Transaktion und Unterhandlung offene Bahn zu erhalten.

Wenn nun aber die Majorität die Aushebung der Zölle im Allgemeinen durchgesührt zu sehen wünscht, so ist sie dagegen mit der Minorität darin einverstanden, daß e..1 Weg- und Brückengelder gibt, welche sich auf ausnahmsweife lokale Verhältnisse beziehen und welche ohne irgend welchen Nachtheil für die freie Bewegung des Verkehrs fortbestehen können, und ebenso auch darin, daß es eine Ungerechtigkeit wäre, wenn da, wo Verbrauchssteuern mit den auszulösenden Zöllen vermifcht sind, die ganze Summe der von folchen Kantonen eingegebenen Zollrechnungen als

Entfchädigung ausbezahlt würde. Jn dieser Beziehung ist die Majorität ganz entschieden der Ansicht, daß in diesen Fällen für solche Zölle, insoweit sie ans die eigene Kon.sumation der betreffenden Kantone fallen, verhältnismäßige Abzüge gemacht werden sollen.

Und damit der Bund nun freie Hand hat, jene oben bezeichneten Weggelder bestehen zu lassen, und falls in

letzter Beziehung eine Verständigung nicht möglich ist, auch andere Gebühren den Kantonen zum Fortbezug zu bewilligen, ist im Gesetze die Ausnahme vorgesehen.

.

Von diesem Standpunkte ausgehend, empfiehlt Ihnen die Majorität den §. 55 des Gesetzes, indem sie hier nur noch beifügt, daß durch die Annahme dieser Bestimmungen

nicht nur die Absichten der Minorität, nämlich Nichtbe..

zahlung der Entfchädigungsforderungen für Verbrauchssteuern , und möglichste Reduktion der Ablösungssumme, im Wesentlichen erreicht werden, sondern gleichzeitig denn doch alle oder doch die meisten inneru Zölle aufgehoben werden, während dem, nach dem Antrage der Minderheit, bei Bezahlung einer nicht im Verhältnis geringern Auslosungssumme noch viele Zölle im Innern und gewiß seh...

182 oft zum Nachtheil von Angehörigen anderer als der sie erhebenden Kantone fortbestehen würden.

Bei der Gutheißung der im Bisherigen ausgefprochenen Ansichten und der Anwendung der darauf basirten gesetzlichen Bestimmungen wird die Summe der Zollent...

schädigung von Fr. 2,132,92l) auf 1,600,000 bis 1,700,000 herabgebracht roerden können.

Die Eingangs gestellte zweite Frage: Soll sich das künftige Zollerträgniß auf die Deckung dieser Entschädigungssumme beschränken , oder soll der eidgenössischen Kasse durch die Zölle noch eine weitere Einnahme und welche geschaffen werdend -- führt uns im Vorbeigehen noch zu der weitern, ob, ganz abgefehen von fiskalischen Rücksichten,

die Tarifirnng lediglich im Sinne und nach Grundsätzen der Protektion ausgeführt werden solle. Da die prinzipielle Bedeutung dieser Frage in der vorangegangenen allgemeinen Diskussion sehr einläßlich erörtert worden ist, so ..verden Sie es, Tit., der Kommission erlassen, die Literatur über Freihandel oder Schutzzölle durch einen weitern Beitrag zu vermehren. - Für die Anwendung der hei jener Gelegenheit ausgesprochenen Ansichten schien der Kommission in ihrer Zusammensetzung ein bedeutsamer Fingerzeig zu liegen, eine Direktion in dem Sinne nämlich , daß das neue schweizerische Zollsystem durchaus nicht uach Grundsätzen der Protektion aufgebaut werden könne und solle.

Wenn darum auf jene allerdings mit zahlreichen Unterschriften versehenen Petitionen sür ein Schutzzollsystem nicht in dem gewünschten Maße Rücksicht genommen wird, so geschieht dieß mit Beziehung aus die in der allgemeinen Diskussion entwickelten Gründe, und wenn sich die Kommission hier einer einläßlichen Würdigung jener Petitionen

183 entschlägt, so thut sie es nur, um nicht schon oft und viel Gesagtes nochmals zu wiederholen. Uebrigens hat sie bei^ dieser Gelegenheit zu bemerken, daß auch für das entgegengesetzte System Bittschriften mit nahezu ebenso vielen Unterschriften eingegangen sind.

Gehen wir nun zu der Frage über , wie stark die zu erhebende Summe sein solle, so muß hier vorangeschickt werden, daß, im Falle sie dahin beantwortet würde, ^es solle nur soviel Grenzzoll erhoben werden, um die Entschädigungssumme zu decken, - dannzumal die übrigen

Bundesbedürfnisse größtenteils durch direkte Geldbeiträge von den Kantonen gedeckt werden müßten. Daß nun aber ein solches Finanzsystem mit allgemeiner Mißstimmung aufgenommen werden würde und daß die gedeihliche Entwicklung unserer staatlichen Verhältnisse in hohem Grade hiedurch gefährdet werden könnte, das konnte sich die Majorität der Kommission nicht verhehlen , und sie glaubt im Sinne ihrer Kommittenten und ebensosehr im Interesse unseres politischen Fortschrittes zu handeln , wenn sie Jhnen , Tit., ein Zollbüdget vorschlägt, dessen Vorschuß hinreicht, um

dem Defizit des allgemeinen ordentlichen Büdgets zu begegnen. Sie hält auch ferner dafür, daß dieß möglich ist, ohne den Jnteressen unserer Jndustrie und unseres Handels in erwähnungswerthem Maße zu nahe zu treten, da die Summe aller bisher erhobenen Zölle sich nahezu eben so hoch beläuft. Freilich muß hier zugegeben werden, daß die neuen eidgenössischen Grenzgebühren sich nach einem ganz andern Maßstabe verlegen und daß namentlich die industriellen Theile der Schweiz und die Grenzgegenden in höherm Grade als andere Bundestheile davon betroffen Werden. Allein es findet auch hier wieder eine gewisse Ausgleichung durch die Freiheit des innern Verkehres und

184 zwar namentlich für die gewerblichen Landestheile Statt, und serner ist zu berücksichtigen, daß einerseits die Grenzgegenden nicht ihren ganzen Bedarf von der zunächst liegenden, sondern sehr oft von einer entgegengesetzten Grenze beziehen und daß anderseits in vielen Fällen ein Theil des Grenzzolles vom Auslande getragen wird, was hingegen bei den an zwanzig, dreißig innern Zollstätten erhobenen Gebühren nie der Fall ist.

Nach den Angaben, welche der Kommission von dem Chef des Finanzdepartements gemacht worden sind und deren nähere Prüsung nicht in den Bereich unserer Arbeiten fällt, kann der oben bezeichnete Zweck mit einer Nettoeinnahme von einer Million Franken vollkommen erreicht werden, und die Tarife müssen daher so bemessen werden, daß überdieß noch die nöthige Summe zur Bestreitung aller Verwaltungs- und Erhebungskosten eingeht.

Ueber diese Kosten lassen sich nun allerdings keine ganz positiven Berechnungen anstellen, denn völlige Gewißheit ist nur auf dem Erfahrungswege erhältlich, immerhin aber sind fehr annähernde Ansätze möglich. Man hat dieselbe..

schon auf 500,000 bis 600,000 Franken angeschlagen und

sich dabei auf die bisherigen Bezugskosten des eidgenöfsischen Grenzzolles berufen, allein bei einer solchen Parallele hat man übersehen, daß erstens die Kantone auf den ihnen für den Bezug vergüteten zehn Prozent noch Benefizien gemacht haben , und daß zweitens bei so niedern Ansätzen, wie die bisherigen Grenzgebühren , die Kostensichbei einer Vergleichung mit der Gesammteinnahme in einem für sie ungünstigern Verhältniß als bei höhern Ansätzen prozentisiren, vorausgefetzt, daß diese immer noch nicht so hoch sind, daß sie entweder eine vollständig organisirte Grenz-.

bewachung nöthig machen, oder aber die Abnahme der

185 Einfuhr bewirken,. was beides bei dem vorgeschlagenen.

Tarife nicht der Fall ist. Ein Schluß von den bisherigen Kosten aus die künftigen in obigem Sinne ist darum nach der Ansicht der Kommission nicht zulässig. Weitere Ver-.

gleichungen mit den Kantonen Tesfin und Bern, welche beide ausgebildete Zollsysteme haben, gaben folgende Resultate: Jn Tessin betragen die Erhebungskosten bei einer Ein-.

nahme von nicht ganz 400,000 Franken zwischen 15 und 17 Prozent. Hiebet ist nun zu bemerken, daß der Kanton Tessin fast nur Grenzgebiet und so zu sagen kein Binnenland hat, und daß also das Verhältnis der Kosten zu der Einsuhr ein ungünstigeres sein muß, als bei der Schweig welche neben ihrer Grenze auch ein nicht unbedeutendes inneres konsumierendes Gebiet hat; -- daß serner der Kanton Tessin 24 Zollstätten hat, nach welchem Verhältniß die ganze Schweiz deren 220 erhalten müßte, während detn

nach dem Antrag des Bundesrathes 160 Zollstatten , d.h.

aus durchschnittlich 21/4 Stunden Gränze je eine Zollstätte, vollkommen ausreichen werden; -- und daß endlich der Kanton Tessin ein organisirtes Grenzwächterkorps aufgestellt hat, was die Schweiz nicht nöthig haben wird, wie wir später des Nähern nachweisen werden. Fassen wir alles dieß zusammen, so ist unsere Behauptung wohl hinreichend begründet, daß die Erhebungskosten der schweizer rischen Zölle jedenfalls weit unter 16 % bleiben werden.

Jn dieser Ueberzeugung werden wir durch einen Blick aus die Verhältnisse des Kantons Bern bestärkt, wo bei niedrig gen Ansätzen die Kosten nach sichern Angaben nicht 61/2 % betragen. Wir lassen diesen Vergleichungen eine Berechnung folgen, wie sich nach unserer Ansicht die Verwal-

186 tungs - und Erhebungskosten im Maximum herausstellen ..verden : Kosten der Oberzolldirektion und der Kreis.Direktionen, mit Berücksichtigung der vorgenommenen Reduktion .

.

.

.

.Fr. 25,000 Verwaltungskosten auf 160 Zollstätten,

durchschnittlich zu 1000 Fr. gleich 5 % von 3,200,000 Fr. Bruttoeinnahme . ,, 160,000 Entschädigung an die Kantone für die Grenzbeaufsichtigung, ein Landjäger auf eine Stunde Grenze (der Kanton Bern hat an der franz. Gränze aus je .4 Stunden einen

Landjäger) à Fr. 450 .

.

.

. Fr. 164,250

Zusammen Fr. 349,250 .welche also über die früher angeführten Summen hinaus zu decken sind. Es ergibt sich somit solgendes Endresultat: Zollentschädigung au die Kantone

Fr. 1,600,000 à . . . .

Beitrag an die eidgenössische Kasse Erhebungskosten . . . . , Zusammen

Fr. 1,700,000 ,, 1,000,000 , 349,250 Fr. 3,049,250

und bei einer Vergleichung dieser Summe mit der ErTragfähigkeit des Tarifs wird es sich Ihnen, Tit., zur Genüge ergeben, daß der Tarif oder vielmehr die sich bei dessen Einführung ergebenden Einnahmen nicht nur voll.kommen hinreichen, um den vorstehend bezeichneten Ansorderungen zu genügen, sondern daß sich noch ein Vorschuß von mehr als Fr. 140,000 sür Unvorhergesehenes herausstellt.

Nachdem wir uns bis hieher über das durch die Einsührung der Grenzgebühren zu erzielende finanzielle Er-

187 gebniß verbreitet haben, wollen wir nunmehr zur Motivirung des Tarifs selbst übergehen. Unsere Aufgabe ist auch in dieser Beziehung eine doppelte; einmal ist die Höhe der Ansätze, beziehungsweise des höchsten, und dann serner das Klassensystem des Tarifs zu rechtfertigen.

Was nun zunächst den ersten Punkt betrifft, so steht derselbe in enger Beziehung zu der Frage, wie hoch mit den Tarifansätzen gegangen werden kann, ohne daß dadurch zu namhaften Defraudationen - kleinere können hier nicht in Betracht kommen - verlockt oder eine vollständige Grenzbewachung nöthig gemacht wird. Auch in dieser Beziehung haben sich im Schoße der Kommission eine Majoritäts- und eine Minoritätsansicht geltend geInacht. Diese hält dafür, daß schon bei Ansätzen von 5 Franken die Gefahr der Defraudation in hohem Grad eintrete und will daher nur für die letzte Klasse , die Luxusartikel, diesen Ansatz überschreiten.. Die Majorität hingegen theilt diese Besorgniß nicht, sondern glaubt die Gefahr der Defraudation bei dem von ihr vorgefchlagenen

Tarif hinlänglich vermieden.

Die Defraudation kann nämlich doppelter Art sein, entweder wird die Zollstätte umgangen, oder es werden Waaren, welche nach ihrer Natur einem höhern Anfass unterliegen, bei der Verzollung als solche deklarirt, welche einer weniger bezahlenden Klasse zugetheilt sind. Daß

beides bei . denjenigen Ansätzen, welche 25 Batzen nicht Übersteigen, nicht zu gesährden ist, darin gehen Majorität und Minorität einig, ihre Differenz tritt erst bei den höhern Ansätzen, im gegebenen Fall also bei denjenigen von 5 und 10 Franken ein, und nur über diese hat sich sonach die Majorität näher auszusprechen.

Im Allgemeinen ist es nun allerdings richtig, daß je höher ein Zollansatz, desto größer auch die Versuchung

188 zur Defraudatila ist, allein nach der Ansicht der Mehrheit der Kommission irrt man dennoch, wenn man diesem Satze eine unbedingte Anwendung geben und ihn somit auch aus unsere 50 und 100 Batzen-Klasse ausdehnen will.

Was zunächst die erste derselben, die Möglichkeit salscher Deklaration, betrifft, so machen wir darauf aufmerksam, daß die Hanptartikel, welche derselben zugetheilt sind, ver-.

möge ihrer Verpackung und vermöge ihrer Herkunst eine falsche Deklaration kaum zulassen; es siguriren in dieser Klasse vorzugsweise Kramwaaren aller Art, welche aus den ersten Anblick und nur nach äußerer Sicht von den in tiefer stehenden Klassen eingereihten Artikeln unterschieden werden können. Eine falsche Deklaration, um etwa 25 Batzen per Zentner zu gewinnen, dürfte unter solchen Umständen sehr gewagt sein und darum gewiß nur in höchst seltenen Fällen versucht werden. -- Ob nun aber eher eine völlige Umgehung der Zollgebühren versucht werden wird, mag sich aus Folgendem ergeben. Wir sprechen hier, wie schon bemerkt, nicht von den kleinern Quantitäten, welche hie und da von den Grenzbewohnern ohne Zollentrichtung eingebracht werden können, sondern von den massenhaften Bezügen des größern Handels, welche die Grundlage unferer Berechnung bilden, und müssen nun hier voranstellen, daß die Schweiz von solchen Ländern umgeben ist, welche selbst nicht nur den Transit aus einem dritten Lande durch sie nach der Schweiz, sondern ebensowohl ihre eigene Ausfuhr, sofern sie aus dem Innern kömmt, bewachen und kontrolliren, so daß die Schweiz diese Waarentransporte aus bestimmten Punkten als Einsuhr erhält und in Empfang nehmen kann. Dann ist serner nicht zu übersehen, daß nicht alle Waaren aus allen uns umgebenden Staaten eingeführt werden, sondern daß je aus dem einen nur der eine, je aus den...

andern nur der andere Artikel bezogen wird; was die

189 Aussicht ebenfalls bedeutend erleichtert. Namentlich aber stützt sich die Majorität aus ein im Wesen des Schmuggels selbst liegendes Motiv, aus die unwidersprechliche Wahr.heit, daß man nur schmuggelt, um zu gewinnen.

. Ob nun die Kontrebande durch Assekuranzunternehmer ....der durch einsache Träger gemacht wird, so werden die

.Kosten durchschnittlich für eine Schmuggellast oder 50 bis 60 Pfund wenigstens 15 bis 20 Batzen betragen , wäh.rend dem der darauf haftende Zoll 25 bis 3(1 Batzen ausmacht, so daß es sich also höchstens um einen Gewinn von 10 bis 15 Batzen handeln könnte. Und nun sragen ..vir, ob unter solchen Umständen wirklich von einem Reiz zum Schmuggelhandel im Ernst die Rede sein kann; ob der in Aussicht stehende Gewinn von 10 bis 15 Batzen in irgend welchem Verhältniß zu dem großen Risiko steht, und ob derselbe nicht zum Voraus von dem Schaden, den die Waare durch die unverhältnißmäßige Verpackung und den unregelmäßigen Transport unausweichlich erleidet, mehr als ausgewogen wird. Nein, gewiß, bei der Klasse von 50 Batzen ist ein namhafter, eingreifender Schleichhandel

nicht zu befürchten. Man wird uns vielleicht hinsichtlich der achten Klasse im Allgemeinen die Richtigkeit unserer Argumente zugeben, dagegen den Ansatz der neunten Klasse sur um so verführerischer halten. Wie nun aber bei der vorangehenden Klasse die Wahrscheinlichkeit der Kontre.bande durch den dabei erreichbaren Gewinn bedingt wird, so bei dieser durch die Natur und Eigentümlichkeit der Artikel, die alle von solchem Werthe, von solchem Umsange, von so sragiler, dem Verderben ausgesetzter Natur oder von in so kleiner Quantität stattfindender Konsumation

sind, daß man sie nicht dem regelmäßigen, sorgsältigen .Transporte entziehen wird, ja in den meisten Fällen nicht entziehen kann. Wollte man nun freilich noch höher stei-

19t) gen, die 10 Franken Klasse wesentlich erhöhen und die andern Klassen im Verhältniß folgen lassen, dann würde allerdings, um wieder mit dem zu schließen, womit wir begonnen haben, je höher man geht, desto größer der Reiz zur Defraudation werden und desto mehr verlieren dann in umgekehrtem Verhältniß unfere obigen Erwägungen ihr Gewicht, bis sie auf einem bestimmten Punkte aller Geltung entbehren. Darum empfiehlt Jhnen die Majorität auch nach dieser Seite hin die größte Vorsicht und darum ganz besonders hat sie von dem Vorschlag des Bundesrathes abstrahirt und die vier letzten Klassen des-

selben auf zwei Klassen reduzirt, mit doppelter Rücksicht auf Vermeidung falfcher Deklarationen und wirklicher Kontrebande.

Wenn wir bei der Erörterung diefer Verhältnisse etwas weitläufig gewesen sind, so geschah es, weil wir außer

der Beweissührung für die Unwahrscheinlichst eines zum Gewerbe werdenden Schleichhandels, noch den weitern Zweck im Auge hatten, durch die Darstellung diefer Verbältnisse klar zu machen, daß in gleichem Maße auch die Notwendigkeit einer förmlichen Grenzbewachung wegfällt und nur auf einzelnen Punkten, wo ausnahmsweise Verhältnisse, wie z. B. an der St. Gallischen Grenze gegen Lichtenstein, bei Genf und andern Orten obwalten, eine etwas forgfältigere Aufsicht nöthig fein wird , und daß fomit im Allgemeinen die Erhebung der neuen Gebühren auf dem bisherigen Fuße mit einiger Vermehrung des Personals auf einzelnen Zollstätten ihren Fortgang haben kann. Es ist dieß in den Augen der Kommifsion ein sehr wesentlicher Punkt, und wie sie im Prinzipe sich dem System der Protektion im eigentlichen Sinn des Worts entfchieden ferngehalten hat, so fetzt sie großen Werth darauf, daß auch in der Ausführung Alles ver..

mieden werde, was uns jetzt fchon in ein Douane- und

191 Mauthfyftem hinein versetzen und später in dieser Richtung weiter gehende Tendenzen begünstigen und fördern könnte.

Immerhin ist es, auch abgesehen hievon, besser und zweckmäßiger, mit dem Einfachern zu beginnen und nur bei entschieden herausgestellter Notwendigkeit einen komplizirtern und vielräderigern Verwaltungsorganismus einzuführen.

. .

Von diesen Auseinandersetzungen, aus die wir uns bei .der Erörterung der Erhebungskosten berusen haben, und .die das dort Gesagte belegen und ergänzen, gehen wir nun zu den aufgestellten Klassen selbst über.

Der äußere Organismus, soweit es sich um die in den Tarisen für Ein- , Ans- und Durchfuhr sich wiederholen-

den Abschnitte A, B , C und I) handelt, bedarf wohl keiner nähern Besprechung , wohl aber sind wir über die Anordnnng der Klassen im Abschnitt l) der Einfuhr etwas n..i-

here Auskunft fchuldig. Aus den früher angeführten Gründen hat die Majorität diejenigen Klassen, welche 25 Btz.

übersteigen, auf die kleinste Zahl reduzirt: sie glaubt da-

durch die Verwaltung und Verifikation fo viel als möglich vereinfacht und zugleich zur Befeitigung der Kontrebande wesentlich beigetragen zu haben; aber diese Z w e c k e einmal erreicht, hält sie diese beiden Klassen um fo lieber auf der vorgeschlagenen Höhe fest, weil es ihr dadurch möglich geworden ist, die für die Masse der Bevölkernng nöthigen Verbrauchsgegenstände, fowie die für die Industrie erforderlichen Stosse um fo niedriger zu tarifiren, und es erscheint ihr wirklich als eine verfehlte Spekulation, wenn man nur einer Lieblingsidee zu gefallen diese beiden Klassen, welche der Bewegung unsers Handels und unserer Industrie wenigstens im Allgemeinen nicht

192 hemmend entgegen treten, beseitigt, und dafür nothgedrun.gen andere, notwendigere Artikel heraufschraubt.

Was nun die untern Klassen betrifft, so können hier ..ohne die mindeste Jnkonvenienz kleinere Abstufungen ge.macht werden; die Administration wird dadurch nicht erschwert, bei den geringern Artikeln ist die Verifikation leicht und bei den kleinen Differenzen von 2 und 5 Btz.

die ...Versuchung zu unrichtiger Angabe gering oder vielmehr nicht vorhanden. Aus der andern Seite sind bei den in diese Klasse sallenden Artikeln kleinere Abstusungen um so notwendiger, weil hier wirklich kleine Differenzen bei dem massenhasten ...Verbrauch einerseits und dem geringen Werthe andrerseits schon sehr fühlbar und wohlthätig wirken, während dem in den beiden obern Klassen so zarte Unterscheidungen nicht nöthig sind, und da, wo der Zwi-

schenhandel dabei betheiligt ist, durch die Einrichtung von .Niederlagshäusern etwaigen Uebelständen begegnet werden

muß. Soviel über den äußern Organismus; - hinsichtlich .der innern Seite der Frage, d. h. der Einreihung der einzelnen Artikel in die aufgestellten Klassen, war eine prinzipielle Anordnung durchaus unmöglich, und in diefer Beziehung kann die Kommission nicht genug hervorheben, daß, wenn hier je von einem leitenden Gedanken gesprochen werden will, hier einzig und allein von dem System der .Transaktion und Vermittlung nach allen Seiten hin die

Rede sein kann. -- Allerdings gibt der ...lrt. 25 der Bundesversassung gewisse Direktionen, allein die Kommifsion

hält dafür, daß diefelben nicht so absolut bindend sind, als daß man nicht auch andern Erwägungen die geeignete

.Berücksichtigung zu Theil werden lassen könnte. Als folche bezeichnen wir nun vorzugsweise den Werth. der Waaren, .die Lage der dabei betheiligten Industrien, die bisherige Belastung durch Zölle u.. dgl. , die Notwendigkeit, größere

1^ oder geringere Entbehrlichkeit eines Artikels, seine Eigenschaft als täglicher Gebrauchs- oder Luxusartikel, die Konkurrenz eines Einsuhrartikels mit inländischer Industrie oder inländischen kleinern Gewerben, dann in hohem Grade die Jnteressen des Zwischenhandels und endlich ganz besonders den Grundsatz, keine neuen Jnteressen künstlich zu schaffen, vorhandene soviel als möglich zu schützen, beziehnngsweise so wenig als möglich zu verletzen.

Von diesen Grundansichten ausgehend hat die Kommission die Tarifirung ausgeführt und wenn sie hiebei die Bedürfnisse und Jnteressen der Jndustrie und des Handels mit aller Sorgfalt zu wahren fuchte, so hat sie auch den Wünfchen der kleinern Gewerbe dadurch möglichst Rechnung getragen, daß sie verhältnißmäßig die Handwerksartikel mit den höchsten Taxen belegte. Möglich, daß von gewisser Seite diese Taxen noch als zu niedrig bezeichnet werden, möglich, daß auch von anderer Seite höhere Ansätze gerne gesehen worden wären; allein sowohl der handwerktreibenden als der ackerbauenden Bevölkerung möchten wir zu bedenken geben, daß sie beide die einzig sichern Garantien für ihre Wohlfahrt und die bestmögliche Verwerthung ihrer Produktion in der Blüthe von Jndustrie und Handel finden, und daß diese hinwieder nur bei einem gesunden Systeme, nie und nimmer aber bei der Anwendung von Protektionsgrundsätzen gedeihen können.

Auf diese allgemeinen Andeutungen muß sich die Kommission beschränken, sich vorbehaltend, die Details bei der Diskussion je nach Erforderniß zu berühren und der hohen Versammlung zu entwickeln; die Hauptwaarengruppen dagegen, welche den Kern der einzelnen Klassen bilden, fallen zu sehr in die klugen, als daß wir sie noch besonders hervorheben müßten.

Noch bleibt uns zu bemerken übrig, daß die Zahlen, Bnndesblatt I. Bd. II.

1.7

194 welche den Ertragsberechnungen zu Grunde gelegt wurden, ganz zuverläßigsind;siestimmenmit denjenigen des Bundesrathes überein und sind die Durchschnittszahl der Jahre 1840 - 1847 , bei einigen wenigen Artikeln der Jahre 1842 - 1847, und da hiebet die an Einfnhr äußerst ge-

ringen Jahre 1846 und 1847 mit in die Rechnung fallen, so ist hiedurch die Durchschnittszahl auf eine Weife herabgefetzt worden , daß nun unter allen Umständen auf diefe für den Jmport angenommenen Zahlen gerechnet werden kann. Und follte auch an den Grenzen etwelcher Schleich.handel stattfinden, so wird dieß aus das finanzielle Ergebniß ohne namhaften Einfluß bleiben, da auch der bisherige Grenzverkehr einer ungenauen und wenig strengen Kontrolle unterworfen war und gewiß nur zum weitaus kleinern Theil, ja wir dürfen fast fagen, gar nicht in jenen Zahlen mit inbegriffen ist.

Hier verweist nnn die Kommission noch ans das Protokoll über die vorläufige allgemeine Diskussion; eine Ver-

gleichung ihrer Arbeit mit demselben wird Jhnen, Tit., darthun, daß die bedeutendern dort angeregten Punkte ihre

befriedigende Erledigung gefunden haben. Alle zu berücksichtigen war bei dem entschiedenen Gegenfalz, in dem sich manche der damals ausgesprochenen Ansichten befinden, durchaus unmöglich.

Aehnlich verhält es sich mit den vielfachen Petitionen.

Auch diese sind von der Kommission gevrüft und je nach

Umständen und Möglichkeit berücksichtigt worden, auch hier

treten uns aber nicht nnr in Bezug auf die Hauptgrundsätze, sondern auch in Bezug auf einzelne Artikel unversöhnliche Widersprüche entgegen. Ein dießfallsiger übersichtlicher Bericht ist Jhnen bereits verlesen worden, eine Vergleichung mit dem beantragten Tarif wird Jhnen zei-

gen, inwieweit die einzelnen Artikel berücksichtigt werden

195 konnten. Und hiemit schließen wir nun, indem wir hinsichtlich des Gesetzentwurfs, sowie der Minderheitsansichten auf die fpezielle Berichterstattung verweisen und Ihnen, gestützt auf alle im gegenwärtigen Rapport entwickelten allgemeinen Motive, den Tarif der Majorität zur Annahme empfehlen. Wenn unfer Bericht übrigens in

Bezug auf Vollständigkeit und Gründlichkeit vieles zu wünfchen übrig läßt, so mag uns das einsache Faktum entschuldigen, daß bei den obwaltenden Verhältnissen für die Berichterstattung nur wenige Tage eingeräumt werden konnten.

(Folgen die Unterschriften.)

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kommissionalberichte, betreffend das Zollwesen.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1849

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

35

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.07.1849

Date Data Seite

177-195

Page Pagina Ref. No

10 000 117

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.