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Schweizerisches

Bundesblatt Band II.

Nro.

42.

Samstag, den 11. August 1849.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für

das Jahr 1849 im ganzen Umfange der Schweiz poxtofrei Frkn. 3.

Inferate sind frankirt an die Expedition einznfenden. Gebühr 1 Batzen per Zeile oder deren Raum.

Verhandlungen der BundesUersammlnng , des National- nnd Ständerathes.

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Flüchtlingsangelegenheit.

Sitzung des Nationalraths vom 6. August 1849.

Die in der Angelegenheit der deutschen Flüchtlinge niedergesetzte Kommission hatte sich veranlaßt gesehen, dem Nationalrath die nachstehenden Anträge zur Schlußfassung vorzulegen, welche durch folgenden Bericht (unter Berichterstattung der Herren Kern undEytel) einbegleitet worden sind:

Tit.

Sie haben in Ihrer Sitzung vom 1. August sich bewogen gefunden, den vom schweizerischen Bundesrathe erstatteten Bericht, betreffend die von ihm in Folge der Bundesblatt I. Bd. .II.

32

364 bekannten Ereignisse im Großherzogthum Baden getroffenen Maßregeln, an eine Kommission zu überweisen, mit dem ganz allgemeinen Auftrage : "beförderlichst diejenigen Anträge zu hinterbringen, zu denen fie sich nach Maßgabe des bundesräthlichen Berichtes veranlaßt finden dürfte."

Wenn Ihnen die Kommission nicht schon früher ihre hierauf bezüglichen Anträge vorlegen konnte, wie sie felbst es sehr gewünscht hätte, so hat dieß seinen Grund darin, daß sie sich vorerst alle aus die int Berichte erwähnten Thatsachen Bezug habenden Aktenstücke verschaffen und dieselben prüfen mußte, und daß der Bericht des Bundesrathes über das von den deutschen Flüchtlingen auf das Schweizergebiet mitgebrachte Kriegsmaterial n. f. w. der Kommission erst letzten Samstag vorgelegt werden konnte.

Ehe die Kommission zn Begründung der von ihr entworfln Schlußanträge übergeht, glaubt sie Jhnen vor Allem , gewissermaßen in Vervollständigung des vom Bundesrathe erstatteten Berichtes, unter Hinweisung auf die der Kommission nachträglich zustellten Aktenstücke, nähere Aufschlüsse darüber geben zn sollen, in welcher Weise der durch die bekannte Gebietsverletzung bei Büsingen veran-

laßte Konflikt seit der Abfassung des bundesräthlichen Berichtes vom 29. Juli l. J. seine Erledigung gefunden hat.

Es mag um so mehr am Platze sein, dem Nationalrath von der dießfalls abgeschlossenen Uebereinknnft dem ganzen Wortinhalt nachKenntniß zu geben, als über die Art der Erledigung dieser Angelegenheit verschiedene theilweise unrichtige, jedenfalls aber sehr ungenaue und unvollständige Berichte verbreitet .worden sind.

Das eidgenössische Kommissariat erklärte, wie aus dem Bericht desselben vom 28. Juli hervorgeht, dem zu den

dießfälligen Unterhandlungen bevollmächtigten großherzoglich hessischen Major du Hall: "es. önne über die Art

365 des Abzugs der hessischen Truppen nicht unterhandelt werden, bis eine sörmliche Erklärung von Seite des Generalkommandos abgegeben sei, welche der Schweiz über die stattgefundene Verletzung ihres Gebietes Aufklärung, Geintgthuung und Beruhigung zu verschaffen geeignet sei."

Diese Erklärung, wie sie vom eidgenössischen Kommissariat verlangt und vom Bevollmächtigten des Kom.mandos der deutschen Reichstruppen unterm 28. Juli ausgestellt worden ist, lautet wörtlich solgendermaßen t "Der unterzeichnete Bevollmächtigt^ des Generalkommandos der Reichstruppen giebt im Namen und aus Austrag desselben die nachsolgenden Erklärungen zu Handen des eidgenössischen Kommissärs ab:

"1) Daß die am 21. Juli 1849 dnrch Benutzung der Wasserstraße des Rheins geschehene Okkupation der badischeu Enclave Büsingen durch eine Kompagnie Hessen ohne Wissen und Willen des Generalkommandos der Reichstruppen geschah.

"2) Daß bei der Besetzung von Büsingen durchaus keine Absicht obgewaltet habe, das neutrale schweizerische Gebiet zu verletzen oder .irgendwie die Rechte der schweizerischen Eidgenossenschaft zu beeinträchtigen.

,,3) Daß vielmehr die Expedition nach Büsingen vom Kommandanten der ersten Division in Folge eines Ansuchens von den großherzoglich badischen Verwaltungsbehörden le-

diglich zu demZwecke geschah , um die Entwaffnung in Büsingen wie in jedem andern Orte des Großherzogthnms Baden zu vollziehen und andere Mißstände. zu beseitigen.

,,4) Daß die genannte Besetzung von Büsingen durchaus kein Präjudiz bilden könne, weder gegen die Neu-

tralität der Schweiz, noch über die Frage, ob die großherzoglich badische Staatsregierung berechtigt fei, auf den Stellen des Rheins, an welchen derfelbe auf beiderseits

366 gen Ufern Schweizergebiet befpült, denselben als gemeinschaftlichen Strom und insbesondere als Militärstraße zu behandeln.

,,5) Daß das Generalkommando der Reichstruppen schon früher die gemessensten Befehle ertheilt habe, mit aller Strenge und Umsicht dahin zu wachen, daß das Schweizergebiet nirgends und in keiner Weise verletzt werde, und daß es sich feierlich verpflichte, auch ferner an diesem Grundsatze festzuhalten.

"Schaffhausen, 28. Juli 1849.

"Für den Kommandirenden des Neckarkorps "und in dessen Auftrag: ,, Du Hall, Major."

"Erst nachdem von Bevollmächtigten des Kommandos der Reichsarmee diefe Erklärung unterzeichnet war, - so sagt der Bericht des eidgenössischen Kommissärs wirklich wurde über den Abzug der Hessen aus dem Dors Büsingen unterhandelt, wobei als maßgebend sestgesetzt wurde, daß derselbe nun mit Waffen und Gepäck ersolgen könne, jedoch nicht zur Nachtzeit und nicht zu Wasser." Die nähern Bestimmungen über diesen Abzug enthält die nachfolgende ebenfalls am 28. Juli abgeschlossene Uebereinkunft , di..: folgendermaßen lautet :

,, U e b e r e i n k u n s t.

,,Nachdem der Abgeordnete Sr. Exzellenz des Herrn General Peucker, Oberbefehlshaber des Neckarkorps, Herr Stabsmajor du Hall, durch eine schriftliche Erklärung an den eidgenössischen Herrn Kommissär, Oberst Stehlin, zu Handen des h. schweizerischen Bundesrathes, durch eine Erklärung von heute, die volle Beruhigung gewährt, daß die Gebietsverletzung durch eine Kompagnie hessischer Truppen beim Durchmarsch nach Büsingen ohne Befehl des

367 Herrn Oberkommandanten und jedenfalls nicht in der Absicht geschehen sei, die schweizerische Eidgenossenschaft durch eine Gebietsverletzung zu kränken 2c., so wurde in Folge dieses Aktes im Weitern über den Abmarsch der hessischen Truppen von Büsingen zwischen dem Bevollmächtigten des Oberkommandanten des Neckarkorps und dem schweizerischen Divisionskommando der Nordgrenze folgende Uebereinkauft getroffen: ,,1) Es wird die in Büsingen stationirte Kompagnie Hessen ihren Rückmarfch zu Lande und nicht zu Wasser über das schweizerische Territorium bewerkstelligen; "2) Bleibt es denselben überlassen, ans dem Rückweg entweder die Straße von Büsingen dem Rhein entlang nach Gailingen, oder die Hauptstraße von Büsingen durch

die schweizerische Ortschast Dörslingen nach Randegg zu wählen.

,,Jn

beiden Fällen ist es ihnen gestattet, bewaffnet

durch das schweizerische Gebiet zu ziehen.

"3) Jn dem Fall, daß sie ihren Rückweg über Gailingen einschlagen, so tritt zur Beobachtung ihres Durchmarsches von Seite der Eidgenossenschast keine weitere Vorkehrung ein, als daß außer der Aufstellung von Detachements an den beiden Grenzen der dort sich befindliche Wachposten angemessen verstärkt wird.

"Wird aber die Kompagnie den Weg über Dörflingen nach Randegg wählen, fo soll dieselbe durch zwei Detaschements schweizerischer Truppen, wovon .das eine v o r der Kompagnie und das andere hinter der Kompagnie in angemessener Distanz marschiren wird, von der Ein-

tritts- bis zur Austrittsstation über schweizerisches Gebiet geleitet werden.

"4) Der Ausmarsch soll jedenfalls zur Tageszeit stattfinden und die Anzeige hievon wenigstens zwölf Stun-

368 den vor dem Durchmarsch dem eidgenössischen DivisionsKommandanten, Oberst Gmür in Schaffhaufen, mit Bezeichnung der Stunde und des Weges, welche die Kompagnie zu wählen gedenkt , notifiziert werden.

,,Für den Fall, daß der Durchmarsch an einem Sonntag geschehen wird, soll derselbe jedenfalls in der Frühe von

5 bis spätestens 9 Uhr stattfinden.

"Also geschehen und doppelt ausgefertigt im Hauptquartier Schaffhaufen, 28. Juli 1849.

"Der Abgeordnete "Sr. Exe. des Herrn General Peucker, "Kommandanten des Neckarkorps:

"Du Hall, Major.

,,Der Kommandant "der schweizerischen Armeedivision ,,an der Nordgrenze: ,,Gmür, Oberst."

Laut Bericht des Divisionskommandanten Gmür vom 31. Juli fand dann auch wirklich unterm 30. Juli in Folge obiger genugthuender Erklärung und der Uebereinknnft vom 28. Juli der Abzug der Hessen aus dem Dorf Büsingen statt. Da auch über die Vollziehung der UeberEinkunft vermiedene Berichte laut geworden sind, fo scheint es angemessen, auch hierüber den osfiziellen Bericht des Divisionskommandanten Gmür der h. Versammlung mitzutheilen.

"Der Kommandant der Division an den hohen "Bundesrath der schweizerischen Eidgenossen"schaft in Bern.

"Hauptquartier Schaffhausen, 31. Juli 1849.

,,Tit.

"Mit Gegenwärtigem gebe ich mir die Ehre, Jhnen zur Kenntniß zu bringen, daß endlich gestern Nachmittag

36.)

die Hessen von Büsingen, laut Uebereinkunft vom 28. d., abgezogen sind, und zugleich das Dampfschiff "Helvetia," welches dieselben dahin gebracht hatte.

,,Laut Convention konnten die Hessen wählen zwischen dem Weg nach Gailingen oder demjenigen nach Randegg.

Sie wählten den erstern , was sie mit Schreiben vom 29.

aus dem Hauptquartier meldeten, und bezeichneten die

Stunde auf Nachmittags 1 Uhr. Zugleich meldete Herr Major du Hall, daß er beim Abmarsch persönlich gegenwärtig sein werde. Diese Depesche ging dem Unterzeichneten gerade zwölf Stnnden vor der Vollziehung ein.

Das beigefchlossene Schreiben für den in Büsigen enclavirten Hanptmann Stockhanfer wurde demselben durch reitende Ordonnanz sogleich zugeschickt, worüber ich ebensalls die Bescheinigung beilege.

^

"Die Ueberwachung des Abmarsches der Hessen übertrug ich dem Herrn Brigadekommandanten Oberst Müller, welcher sich seines Anftrages in Beziehung auf alle Anordnungen bestens entledigte und in denselben zum Theil durch den unrecht eingeschlagenen Weg der abziehenden Hessen etwas gekreuzt werden wollte. Indessen wurden dieselben angehalten, bis nnsere Detaschements auch auf dem andern Wege wieder Aufstellung genommen hatten. Ich lege Ihnen darüber den Bericht des Herrn Brigadekommandanten Müller felbst bei.

"Jenseits der Grenze wurden die Hessen, welche unter Anführung des Abgeordneten aus dem Hauptquartier der Reichstruppen, Herrn Major du Hall, über nnfer Territorinm abzogen, dnrch ihre Kameraden, eine Kompagnie Hessen, empfangen und weiter geleitet. Herr Major du Hall kehrte über Schaffhansen nach Donaueschingen ins Hauptquartier zurück. Jch ließ denselben, militärischem

370 Anstand gemäß, in während seiner Anwesenheit auf unserm Gebiet und über die Expedition durch einen Ordonnanzoffizier in der Person meines Adjutanten, Herrn Stabsadjutant Oberlieutenant Alioth , begleiten, welche Aufmerksamkeit derselbe bestens verdankte.

"Auch das Dampfboot "Helvetia/. welches während der ganzen Zeit, als die Hessen in Büsingen enelavirt waren, dort verblieben war, kehrte gestern von dort nach Konstanz zurück. Der Kapitän sand aber für gut, sich unter eidgenössischen Schutz zu stellen und uns um sicheres Geleit zu bitten, was ihm um so mehr gewährt wurde, als dieser Akt eine Urkunde mehr für unsere Genugtuung

bildete. Jch ließ das Schiff durch zwei Offiziere bis zum Auslaufe des Rheins aus dem Bodensee begleiten, welchen den Austrag ertheilt wurde, dem Schiff ungehemmten Durchzug zu verschaffen und allfällige Angriffe auf das-

selbe zu verhindern. Das Schiff fuhr dann Nachmittags 1 Uhr von Büsingen unter eidgenössischer Flagge ab und gelangte unter unserm Geleit glücklich in den Bodensee.

Bei der Dnrchfahrt in Stein wurden die Angestellten und

Schiffleute des Dampfschiffs von dortigen Bürgern insnltirt und es wäre dasselbe wahrscheinlich an der Durchfahrt bei der Rheinbrücke verhindert worden, wenn es nicht dnrch nnfere Offiziere geleitet worden wäre. Diese beruhigten dann die aufgeregten Bürger bis auf einen, welcher sofort wegen seinem störrischen Benehmen abgefaßt und hieher transportât wurde. Jch werde aber denfelben heute mit einem derben Verweise wieder in feine Heimath entlassen.

,,Jch gebe mir die Chre, Jhnen auch diesen Bericht,

über das Geleite des Dampfbootes, in Original beizn-

legen, und schließe damit meinen ehrerbietigsten Bericht über den leidigen Büsingerhandel, welcher der fchweizeri-

371 schen Eidgenossenschaft so viele Kosten veranlaßt, und die jenseitigen Civil- und Militärbehörden so sehr kompromittirt hat. Das Beste in der Sache ist wohl, daß die schweizerische Eidgenossenschaft in ihrem guten Rechte gestanden , und deßwegen zu einer ehrenvollen Genugtuung gelangt ist. Ich bin zudem überzeugt, daß nicht sobald wieder eine leichtsertige Grenzüberschreitung stattfinden wird , zumal sich unsere Nachbarn sattsam überzeugen konnten, wie eisersüchtig die Schweiz auf die Unantastbarkeit ihres Gebietes haltet, und daß .sie selbst keine Opfer scheut , die Jntegrität ihres Gebietes ans allen Kräften zu handhaben und zu wahren.

. "Es verharrt mit reinster Hochachtung "Der Divisionskommandant: "Gmür, Oberst."

Es kann demnach dieser Konflikt als auf eine die Rechte der Schweiz und die Jntegrität ihres Gebietes vollständig wahrende Weife erledigt angefehen werden.

Jhre Kommission findet sich in Bezug auf diesen Punkt zu keinen befondern Anträgen veranlaßt; fondern beschränkt sich darauf, die Berichterstattung des Bundesrathes durch

Mittheilung der diefe Angelegenheit erledigenden Aktenstücke zu ergänzen.

Wenn die Kommission nun in Erörterung darüber eintritt, über welche einzelne Pnnkte des bundesräthlichen Berichtes Schlußnahmen beim Nationalrath zu beantragen seien, so glaubte sie vorerst über die Frage, inwiefern das vom Bundesrath beschlossene Truppenausgebot zu billigen sei, sich jeder weitern Erörterung und jedes Antrags darum enthalten zu sollen, weil der Nationalrath schon in seiner ersten Sitzung vom 1. August diefe Truppenaufstellung gut geheißen hat, ein Beschluß, dem seither auch der

372 Ständerath beigetreten ist. Was dann aber die weitere Frage betrifft, ob und in welchem Maße die Truppenaufstellung fortzudauern habe, so sind nach der Ansicht Ihrer Kommission, die vom Bundesrath einberufenen Truppen ohne Verzug in dem Maße zu vermindern, in welchem die Gründe, welche denselben zu dem Aufgebot bewogen haben , wegfallen. Die Kommission hält es aber für zweckmäßiger, daß die dießfälligen Anordnungen nicht von der Bundesversammlung, sondern vom Bundesrathe ausgehen, und beantragt daher, demselben zu diesem Zweck Vollmacht zu ertheilen. Jhre Kommission zweiselt nicht, es werde derselbe, sowohl in Berücksichtigung der in den Dienst gerufenen Truppen als der finanziellen Jnteressen der Eidgenossenfchaft, in diesem Sinne die geeigneten Verfügungen treffen, und er werde die aufgebotenen Truppen sämmtlich entlassen, sobald dieß nach den von den betreffenden auswärtigen Staatsregierungen zu gewärtigenden Erklärungen als zulässig erscheint. Was sodann die Deckung der dnrch dieses Aufgebot bereits verurfachten und noch ferner sich ergebenden Kosten betrifft, so ist daran zu erinneru, daß der Nationalrath schon am Schluß seiner letzten Sitznngsperiode , nämlich durch Beschluß vom 30. Juni d. J. den Bundesrath ermächtigt hat, "für außerordentliche Ausgaben, welche die äußere Sicherheit und innere Ordnung der Schweiz erfordern könnten, die nöthigen Geldmittel, fei es durch Darleihen oder Einforderun g von Kontingenten, anzufchaffen," wie es auch durch seitherige Verfügungen des Bundesrathes schon geschehen ist. Die Kommission legt Jhnen daher einen Antrag vor, der dahin

geht: die dießfalls dem Bundesrath ertheilte Vollmacht zu erneuern.

Zu längerer Erörterung gab sodann in der Kommission die Frage Veranlassung, was in Bezug auf das von den

373 Flüchtlingen auf schweizerisches Gebiet mitgebrachte Kriegsmaterial, Pferde und Werthgegenstände verschiedener Art zu beantragen sei. Es machten sich in der Kommission hierüber verschiedene zum Theil den im Bericht des .Bundesraths vom 2. August niedergelegten Ansichten vollständig entgegengesetzte Meinungen geltend. Allein die Kommission geht von der Ansicht aus, daß die mit der Heransgabe des^ Kriegsmaterials zusammenhängenden Fragen, schon mit Rücksicht ans den gegenwärtigen Stand der dießfälligen Unterhandlnngen, nicht in den Bereich der Beratungen der Bundesversammlung hätten gebracht werden sollen. Sie konnte sich um so weniger im Falle befinden, hierüber beim Nationalrathe Beschlüsse zu beantragen, als sie bei Stellung hierauf bezüglicher Anträge keineswegs freie Hand hatte, indem vom Bundesrathe in dieser Sache bereits schon ver^ schiedene Verfügungen getroffen und Erklärungen abgegeben wurden, welche für die weitere Behandlung diefer Angelegenheit mehr oder weniger vorgreifend sind. Der Bundesrath selbst spricht in seinem Bericht die Ansicht aus, daß jedenfalls der Herausgabe des Kriegsmaterials und anderer Werthgegenstände noch Unterhandlungen vorausgehen müssen. Die Kommission theilt hiebei die vom Bundesrath ausgesprochene Ansicht, daß bei den dießfalls noch notwendigen Unterhandlungen vor Allem über Bedeutung und Zweck der stets noch fortdauernden Truppenanhäufungen an der schweizerischen Nordgrenze, worüber bis jetzt noch keinerlei Mittheilungen an die eidgenössischen Behörden gemacht wurden, bestimmte Aufschlüsse zu verlangen seien. Sie geht dabei im Fernern von der Voraussetzung aus, es werde der Bundesrath, wie es auch bisher schon geschehen ist, zugleich sich ganz besonders dafür verwenden, von den betreffenden Staatsregierungen solche Zusicherungen zu erhalten, welche der großen Masse von Flüchtlin-

374 gen eine baldige Rückkehr in ihre Heimath möglich machen und er werde überhaupt in dieser Angelegenheit die Jnteressen der Eidgenossenschaft bestens zu wahren suchen.

Betreffend den Bericht des Bundesrathes über Aushingabe der Pferde insbesondere, so ist die Kommission zwar der Ansicht, daß in Bezug aus diesen Punkt nach den gleichen Grundsätzen hätte verfahren werden follen, wie beim Kriegsmaterial, und daß dieß, so weit thunlich, jetzt noch geschehen sollte, allein nach der Art und Weise, wie

diese Angelegenheit behandelt wurde, enthält sie sich hierüber einen Antrag zu stellen.

Eine andere Frage, die sich die Kommission bei Prüfung des bundesräthlichen Berichtes aufwerfen mußte, besteht darin, ob es nicht nothwendig sei, noch während der gegenwärtigen Sitzung darüber, inwiesern sich de^..

Bund bei Verpflegung der großen Zahl von Flüchtlingen zu betheiligen habe, von Seite der Bundesverfammlung irgend einen Entscheid zu fassen. Die Kommifsion hält einen solchen Entscheid durchaus für nothwendig und dringend. Allein da der Präsident des Bundesrathes anf diefe vorläufig ausgesprochenen Ansichten erwidert hat, er werde in der nächsten Sitzung des Bundesrathes diesen Gegenstand in Anregung bringen, und da nun seither auch wirklich vom Bundesrath beschloffen worden ist, einen hierauf bezüglichen Antrag an die Bundesversammlung zu bringen, so glauben wir uns im gegenwärtigen Berichte einer weitern Erörterung dieser Frage und einer hierauf bezüglichen Antragstellung enthalten und vorerst den Bericht des Bundesrathes abwarten zu sollen.

Es sind noch verschiedene andere Punkte im bundesräthlichen Berichte, welche zu einläßlichen Erörterungen Stoff bieten würden und worüber die Kommission abweichende Ansichten gegenüber denjenigen des Bundesrathes

375 .hat. . Allein die Kommission will unter den gegenwärtigen Umständen, wo die Wahrung und Verteidigung der Ehre und der Rechte der Eidgenossenschaft gegenüber dem Auslande unsere nächste und höchste Aufgabe ist, ihrerseits Alles vermeiden , was das Zusammenwirken und damit die Kraft der Bundesbehörden zn stören und zu schwächen geeignet sein könnte, und glaubt daher über solche Punkte hinweggehen zu sollen. Sie hegt dabei, was insbesondere

den Beschluß über Ausweisung der Führer der Flüchtlinge betrifft, die Ueberzeugung, es werde derselbe mit Milde vollzogen werden.

Von diesen Ansichten ausgehend, beschränkt sich die Kommission darauf, dem Nationalrath einstimmig nachfolgende Anträge zur Annahme zu empfehlen: 1) Dem Bundesrath ist Vollmacht ertheilt, in Beziehung auf Verwendung der in den eidgenössischen Dienst gerufenen Truppen die angemessenen Verfügungen zu treffen, und er wird nach Maßgabe der Umstände eine Reduktion oder auch gänzliche Entlassung derfelben eintreten lassen.

2) Die dem Bundesrath unterm 30. Juni d. J. für Bestreitung außerordentlicher Ausgaben ertheilte Vollmacht^ wird erneuert.

3) Der Bundesrath ist bevollmächtigt, über Aushin-

gabe des von den Flüchtlingen auf schweizerisches Gebiet gebrachten Materials an diejenigen, denen es gehört, über Beförderung der Rückkehr der Masse von Flüchtlingen in ihre Heimath, sowie behufs der Auswirkung bestimmter

Aufschlüsse über die Bedeutung der längs der schweizerischen Nordgrenze zur Zeit noch befindlichen Truppen die ersorderlichen Maßnahmen zu treffen.

Er wird zu diesem Zwecke in einer für die Schweiz

376 möglichst vorteilhaften Weise die geeigneten Unterhandlnngen pflegen.

4) Jn Beziehung auf andere Punkte des bundesräth.lichen Berichtes ist mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Verhältnisse nicht einzutreten.

Empfangen Sie, Tit., kommenen Hochachtung.

die Versicherung unferer voll-

Bern, den 5. August 1849.

.

(Folgen die Unterschriften).

Jm Schooße der Versammlung wurden dann noch folgende Abänderungsanträge gestellt: a. Den Art. 1 so zu fassen: ,,Der Bundesrath ist beauftragt, die in den eidgenöfsischen Dienst gernfenen Truppen bis auf eine Division sofort zu entlassen. Hinsichtlich diefer Division wird dem Bundesrathe Vollmacht ertheilt, dieselbe nach Maßgabe der Umstände bald möglichst ebenfalls zu reduziren oder gänzlich zu entlassen."

b.

Als Art. 2 aufzunehmen:

,,Für Bestreitung unvorhergesehener Ausgaben wird der Bundesrath auf ein drittes Geldkontingent angewiesen."

c.

Als Art. 3 aufzunehmen:

"Der Bundesrath ist beauftragt, die Rückgabe des von den Flüchtlingen auf Schweizerboden mitgebrachten Materials auf Reklamation der betreffenden deutschen Regierungen, gegen einfachen Ersatz der für die Aufbewahrung und Unterhaltung verwendeten Kosten, fofort zu bewerkstelligen."

377 d. Dem fraglichen Artikel (Art. 3) folgende Fassung zu geben :

,,Der Bundesrath ist bevollmächtigt, über Aushingabe des von den Flüchtlingen anf fchweizerifches Gebiet gebrachten Kriegsmaterials an diejenigen, denen es gehört, die ersorderlichen Maßnahmen zu treffen, vorausgesetzt i m m e rh in :

"a) Dass erst über die Bedeutung der längs der schweizerischen Nordgrenze zur Zeit noch befindlichen deutschen Truppen bestimmte und beruhigende Aufschlüsse ertheilt fein werden ; "b) daß gleichzeitig über Beförderung der Rückkehr der Masse von Flüchtlingen Gewißheit vorhanden fein wird, fowie "c) daß die in Folge des Uebertrittes obiger Flüchtlinge auf schweizerischen Boden verursachten Kosten dem Staate vergütet fein werden."

Das zweite Alinea des von der Kommission vorgeschlagenen dritten Artikels sollte sodann wegfallen.

c.

Als vierten Artikel Folgendes aufzunehmen:

,,Der Bundesrath erhält Vollmacht und Auftrag zu geeigneten Unterhandlungen zu dem Zwecke, daß die Last der Unterhaltung der Flüchtlinge der Eidgenossenschast und den Kantonen bald möglichst abgenommen werde.

f.

Als Art. 4 aufzunehmen:

"Der Beschluß des h. Bundesrathes vom 16. Juli bezüglich der Ausweisung einzelner Flüchtlinge ist als das

Asylrecht, wie es bisher hierseits grundsätzlich gehandhabt worden, verletzend, für null erklärt."

378 g. Als Art. 4 aufzunehmen:

"Der Befchluß des Bundesrathes vom 16. Juli 184:) ist nicht zu erequiren, bis die Flüchtlinge entweder ohne Gefahr in ihre Heimath zurückkehren können oder in einem andern Staate Aufnahme finden."

h.

Dem Dekrete folgenden fünften Artikel anzufügen :

"Bezüglich der bei Büsingen stattgehabten Gebietsverletzung kann das hierseits znmal von einzelnen Beamten der Eidgenossenschaft eingehaltene Verfahren für einmal nicht durchgehends gutgeheißen werden , sondern es soll der Bundesrath dießfalls eine förmliche Untersuchung vornehmen oder durch einen Kommissär vornehmen lassen, als.

wobei speziell auch zu ermitteln wäre: "a) wie es gekommen , daß den hessischen Truppen ein bewaffneter Wiederabzug und zwar in militärischer Ordnung über das durch sie verletzte schweizerische Gebiet gestattet worden, und ebenso ,,b) wie es gekommen, daß die Vollziehung der zwischeu dem eidgenössischen Kommissär und dem jenseitigen Truppenches getroffenen Uebereinkunft nicht genauer und pünktlicher überwacht worden.

"Je nach dem Ergebnisse dieser Untersuchung, zumal wenn sich herausstellen würde, daß durch Verschulden hierseitiger Jndividuen Ehre oder Recht der Schweiz verletzt worden, wäre dann noch die gebührende Ahndung, bezie-.

hungsweise gerichtliche Versolgung zu gewärtigen."

i. Als Artikel 6 aufzunehmen: "Die Bundesversammlung mißbilligt es, daß einem auswärtigen Offizier gestattet worden , einen Theil von obigem Kriegsmaterial in einem schweizerischen Zeughause zu beaugenscheinigen und zu inventarisiren."

379 Der letztere Antrag wurde jedoch zurückgezogen auf die Bemerkung, daß das Faktum, von welchem die Rede sei, vielleicht noch nicht vollkommen klar entwickelt sein dürste.

Nach kurzer Verhandlung wurde der Schluß der Debatte verlangt und zugestanden.

Jn der Abstimmung sind sämmtliche Abänderungsanträge in entschiedener Minderheit geblieben. Dabei ist zu bemerken , daß über den in Litt. g gestellten Antrag ans das Begehren einer reglementarifchen Anzahl von Mitgliedern Abstimmung unter Namensaufruf stattgefunden hat. (Vor der Abstimmung selbst hat jedoch der Herr Berichterstatter die Erklärung abgegeben, daß die Kommission .den im vorliegenden Amendement hervorgehobenen Punkt deßhalb nicht berührt habe , weil von dem Bundesrathe selbst ausdrücklich erklärt worden sei, daß er die Ausweisung in gleichem Sinne verstehe.)

Für die vorgeschlagene Abänderung haben gestimmt, folglich mit "Ja" geantwortet, die Herren:

Alméras.

Luvini.

Battagliai.

Pfyffer. .

Bützberger.

Pioda.

Castoldi.

Favre.

Frei.

Guseetti.

Revel.

Schneider, Johann.

Soldini.

Stockmar.

Kohler.

Vogel.

Lohner.

Bnndesblatt I. Bd. II.

33

380 Gegen den Antrag haben gestimmt, solgl ,,Nein" geantwortet, die Herren : Anderegg.

Kern.

Badoud.

Kopp.

Barmann.

Kreis.

Labhardt.

Bavier.

Bettex.

Lambelet.

Bischoff.

Latour.

Blanchenay.

Lusser.

Böschenstein.

Marro.

Bruggisser.

Meystre.

Brunner.

Michel.

Clemenz.

Müller.

Peyer im Hof.

Dubs.

Pfluger.

Erpf.

Eytel..

Fischer, Ludwig.

Folly.

Fueter.

Glasson.

Hananer.

Hautli..

.

^ .

Heim.

Heller.

Hoffmann.

Homberger.

Huber.

Hungerbühler.

Hürlimann.

Jäger.

Jenni.

Jsler.

Pittet.

Planta.

Plattner.

Pottier. .

Rauch.

Remy.

Riedmatten.

Ruegg.

Schmid.

Schnyder.

Schuler.

Schwerzmann.

Segesser.

Sidler.

Sutter-.Bron.

Sutter.

Steger.

381 Steiger..

Tillier.

Weder.

Weidmann.

Trog.

Veillon.

Wirz.

Wyrsch.

Vittel.

Es ist iomit der mehrerwähnte Abänderungsantrag mit 69 gegen 17 Stimmen abgelehnt worden und hinwieder sind die Vorschläge der Kommission aus allen Abstimmungen unverändert hervorgegangen.

Sitzung des Nationalraths vom 7. August 1849.

Bericht der obenerwähnten Kommission dieser Behörde.

.

Tit.

Die Kommission, welcher Sie den Bericht des Bun-

desrathes, betreffend Unterstützung der Flüchtlinge, die in Folge der neuesten Ereignisse in Deutschland aus dem Großherzogthum Baden auf schweizerisches Gebiet übergetreten sind, zur Begutachtung überwiesen haben, machte es sich .zur Pflicht, diese Angelegenheit noch gestern in Berathung zu ziehen, um Ihnen heute schon hierauf bezügliche Anträge vorlegen zu können. - Essindverschiedene Fragen, welche bei Behandlung dieses Gegenstandes in's Auge gefaßt werden müssen. Es kann zuerst die Frage aufgeworfen werden: Jst die Unterstützungs-

pflicht ganz oder zum größten Theile als Sache der Eidgenossenfchaft zu betrachten oder liegt dieselbe etwa den Kantonen ob ? Ueber diese Frage kann sich Jhre Kommission ganz kurz fassen. Es ist schon in frühern Kreisschreiben umständlich nachgewiesen worden, wie es gekommen ist, daß diese Angelegenheit unter den außerordentlichen Ver-

382 umständungen, welche damit verbunden sind, schon vom Bundesrathe als eine eidgenössische Angelegenheit behandelt werden mußte. Es sind dann aber ganz befonders im Bericht des Bundesrathes umständlich die Gründe entwickelt, welche dafür sprechen, daß die bedeutenden Kosten, welche die Verpflegung der Masse von Fluchtlingen, die durch Weisungen des Bundesrathes oder des betreffenden eidgenössischen Departements unter die Kantone vertheilt worden sind, bereits schon veranlaßt hat und noch verursachen wird, gerechterweife durchaus nicht etwa nur denjenigen Kantonen aufgebürdet werden können, denen die Flüchtlinge zugewiesen worden sind. -- Jhre Kommission geht mit der im bundesräthlichen Bericht entbaltenen Darstellung, daß und warum .diese Flüchtlingsangelegenheit, so wie sie sich durch den Uebertritt einer geschlagenen Armee auf Schweizergebiet gestaltet hat, als

eidgenössische Angelegenheit betrachtet und behandelt werden müsse, vollkommen einig, und hält es sür über-

flüssig, zur Begründung dieser Ansicht noch Weiteres beizufügen. -- Dagegen ist die Kommission nicht einverstanden mit den Ansichten des Bundesrathes, daß die Bundesversammlung nur im Allgemeinen, grundfätzlich, ausspreche, daß sie sich hei den durch Verpflegung der Flüchtlinge verursachten Kosten betheiligen wolle. Jhre Kommission hält es durchaus für nothwendig, daß schon letzt genauer firirt werde , in welchem Maße diese Bethei-

ligung stattfinden soll. Es ist das Verhältniß, in welchem

die verschiedenen Kantone für die Verpflegung der Flüchtlinge in Anspruch genommen sind, so ungleich, und wird auch fernerhin schon mit Rücksicht darauf, daß aus eine gewisse Entfernung von der Grenze denselben kein Aufenthalt gestattet wird, so ungleich bleiben, daß die Kantone, welche hiefür bedeutende Opfer zu bringen haben,

38.^ berechtigt sind, Gewißheit darüber zu verlangen, wie und in welchem Maße diese Betheiligung der Eidgenossenschaft stattfinden soll. Es besteht in Bezug ans die Verkeilung der Flüchtlinge und der Opfer, welche die Kantone zu bringen haben, nicht nur ein großer Unterschied zwischen Grenzkantonen und andern Kantonen, sondern unter den Grenzkantonen selbst. Ueberdieß werden die Kantone ihr ferneres Verfahren in dieser Angelegenheit wesentlich nach dem Maßstab richten, welchen die Eidgenossenschaft bei diefer Betheiligung ihrerseits festfetzt. Auch dürften sich bei künftigen Aenderungen in der Verkeilung der Flüchtlinge unter die Kantone verschiedene Schwierigkeiten darbieten, wenn die Betheiligung des Bundes bei der Verpflegung gar nicht näher bestimmt würde.

.Die Besorgniß, daß bei Fixirung der aus der Bundeskasse zu leistenden Unterstützung Privaten und Vereine ihre Hand gänzlich zurückziehen würden, kann die Kommission mit dem Bundesrath nicht theilen. Auch bei Unterstützung aus der Bundeskasse wird für den Wohlthätigkeitssinn von Privaten und Vereinen noch ein großes Feld übrig bleiben. Auch könnte dieß höchstens dafür sprechen, daß die Unterstützung von Bundeswegen in etwas niedrigerm Maße festzusetzen sei, nicht aber dafür, dieselbe ganz unbestimmt zu lassen.

Wenn die Tagfatzung in Bezug auf die Verpflegung

der Flüchtlinge, welche in Folge der Ereignisse in Oberitalien auf schweizerisches Gebiet getreten sind, sich voriges Jahr allerdings darauf beschränkt hat, nur im Allgemeinen grundsätzlich festzusetzen, daß sie sich bei den dießfälligen Kosten betheiligen werde, und über das Maß diefer Betheilignng sich spätere Schlußnahmen vorbehalten hat, so

ist wohl zu berücksichtigen, daß damals nicht wie hier die Angelegenheit gleich von Anfang an als eine eidgenössische

384 behandelt und durch eidgenössische Behörden den Kantonen

die Flüchtlinge zugetheilt worden sind, daß ferner der Aufenthalt der großen Masse von Flüchtlingen damals von kurzer Dauer war, weßhalb auch eher eine spätere Re-

gulirung des Maßes der Betheiligung der Eidgenossenschast vorbehalten bleiben konnte. Inzwischen findet die Kommission ganz angemessen, daß auch jene Frage nicht lange verschoben bleibe, nnd da die Anträge des Bundesraths zur nähern Festsetzung der dießfälligen Betheiligung des Bundes schon an eine Kommission des Nationalrathes gewiesen worden sind, so ist anzunehmen, es werden jedenfalls fchon bei der nächsten Sitzung die hierauf bezüglichen Kommifsionalanträge behandelt werden können. Die Kommission sindet sich aber auch noch deßhalb um so eher zum Antrag bewogen, dießfalls durch die Bundesversammlung etwas Bestimmtes durch ein besonderes Dekret festzusetzen, da bei diefem Anlasse gleichzeitig auch noch ein paar andere Punkte etwas näher regulirt werden können.

Was nun die einzelnen Bestimmungen des Dekretes selbst betrifft, das wir Jhnen vorlegen, so haben wir im Art. 1 den Betrag, der aus der Bundeskaffe zu leisten sei,

auf .35 Rappen festgesetzt, berücksichtigend, daß die Verpflegungskosten in dem Umfang , wie sie von un.... bezeichnet sind, für die Kantone eher höher als niedriger zu stehen kommen werden, und dabei zugleich durch die Worte "für einstweilen" angedeutet, daß diefe Unterstützungsleistungen jedenfalls nur als vorübergehend zu betrachten seien.

Wenn wir im Art. 2 beantragen, daß für folche Flüchtlinge, welche die Kantone zu Arbeiten, sei es für öffentliche Arbeiten oder zu Arbeit bei Privaten, anzuhalten im Falle sind, die fomit den Unterhalt selbst verdienen können,

keine Untersti.tznng geleistet werde, so rechtsertigt sich dieß wohl von selbst. Es ist zu erwarten, es werden die Behörden

385 der Kantone sich .alle Mühe geben, eine möglichst große Zahl dazu anzuhalten, sich selbst durch Arbeit ein wenn auch noch so bescheidenes Unterkommen zu verschaffen, da es auf die schweizerische Bevölkerung einen ungünstigen Eindruck machen müßte , längere Zeit eine große Zahl von Männern ohne Arbeit und nur durch öffentliche Unterstützung unterhalten zu sehen. Mahnende Weisungen in diesem Sinn von der eidgenössischen Behörde ausgehend, dürften von wohlthätiger Einwirkung fein. Ueberhaupt fcheint der Kommission durchaus ebenfo nothwendig als zweckmäßig zu fein, wenn mit möglichster Beförderung durch den Bundesrath eine nähere Untersuchung der Verhältnisse der Unterstützung in Anspruch nehmenden Fluchtlinge angeordnet würde. Es dürfte sich bei einer folchen nach den eigentümlichen Verhältnissen der Flüchtlinge forfchenden Untersuchung herausstellen, daß eine große Zahl derselben mit Rücksicht aus ihre eigenen Vermögensverhältnisse, oder weil sie ohne besondere Gefahr wieder in ihre ^ Heimath zurückkehren könnten, auf öffentliche Unterstützung keinen Anspruch haben. Die Kommission zweifelt. nicht, es werde der Bundesrath beförderlichst eine solche Untersuchung veranstalten, und die darauf basirte Ausscheidung der vermiedenen Klassen von Flüchtlingen werde zur Folge haben, daß für eine große Zahl von Flüchtlingen keine Unterstützung mehr zu leisten ist und dieselben daher aus den Unterstützungskontrollen gestrichen werden können. Da die Ueberwachung der Unterstützung^ kontrollen Sache des Bundesrathes ist, so ist anzunehmen, er werde zu diesem Zweck in Beziehung auf den Bestand und Berichtigung derfelben an die Kantone die nöthigen Weifungen erlassen.

Sie würde sich bewogen finden, in diesem Sinne einen förmlichen Befchlnssesantrag an die Bundesversammlung

386 zu bringen, wenn nicht schon im gestrigen Beschluß Art. 3 der Buudesrath im Allgemeinen bevollmächtigt worden wäre, diejenigen Maßnahmen zn treffen, welche er für

Beförderung der Rückkehr der Flüchtlinge geeignet findet.

Sie hofft, es werde der Bundesrath im angedeuteten Sinn ohne Zögerung von dieser Ermächtigung Gebrauch machen und findet deßhalb keine besondere Schlußnahme mehr nothwendig.

Die eidgenössischen und kantonalen Behörden sollen und werden gewiß gerne den Rücksichten der Humanität jederzeit gebührend Rechnung tragen; aber sie dürfen auf der andern Seite auch die Bedürfniffe und die Stimmung des eigenen Volkes nicht aus dem Auge verlieren; und daß Unterhaltung einer so großen Masse von Flüchtlingen , wie sie jetzt noch in den verschiedenen Kantonen sich vorfindet, ans die Länge geradezu eine Unmöglichkeit werde, bedarf keiner Nachweifnng nnd wird wohl von den Flüchtlingen billigermaßen gewiß selbst anerkannt werden.

Jm Art. 3 beantragen wir, daß der Bundesrath angewiesen werde, periodisch eine neue Verkeilung der Flucht.linge anzuordnen. Da in den einzelnen Kantonen die Zahl

der Flüchtlinge sich ändern wird und namentlich in Folge der vom Bundesrath anzuordnenden nähern Untersuchung und Ausscheidung der Flüchtlinge ans den einen Kantonen möglicherweise verhältnißmäßig mehr Leute in ihre Heimath werden zurückkehren können, als aus andern, so wird nothwendig sein , ans Grundlage des jeweiligen Bestandes der Unterstützungskontrollen, von Zeit zu Zeit eine billige Ausgleichung zu treffen.

Der Beschlußantrag, welchen die Kommission in Folge vorstehender Erwägnngen dem Nationalrathe vorzulegen sich bewogen findet, lautet nun folgendermaßen: (Siehe untenstehenden Beschluß.)

387 Schließlich erneuern wir die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Berit, den 6. August 1849.

(Folgen die Unterschriften.)

^ ^

#ST#

Beschluß

des schweizerischen Nationalrathes vom 7. August 1849, betreffend Unterstützung und Vertheilung der neulich in die Schweiz übergetretenen deutschen Flüchtlinge.

Die schweizerische Bundesversammlung, nach Einsicht des Berichtes des Bundesrathes vom

4. August 1849, beschließt: Art. 1. Es wird einstweilen für Verpflegung, d. h.

für Verköstigung, Beherbergung, allfällig nöthig werdende

Bekleidung und ärztliche Behandlung u. f. w. derjenigen Flüchtlinge, welche in Folge der neuesten Ereignisse in Deutschland aus Baden in die Schweiz übergetreten sind, so lange sich dieselben auf den öffentlichen Unterstützungskontrollen der Kantone befinden, der Betrag von 35 Rappen für jeden Flüchtling und jeden Tag an die Kantone verabreicht.

Es geschieht dieß von dem Tage an, mit welchem die Flüchtlinge in den betreffenden Kantonen aufgenommen und verpflegt worden sind.

Art. 2. Diefe Unterstützung wird nur für diejenigen Flüchtlinge verabreicht, welche die Behörden der Kantone, in denen sie sich befinden, nicht zu öffentlichen Arbeiten oder zu Arbeiten bei Privaten anzuhalten im Falle sind..

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Flüchtlingsangelegenheit.

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1849

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

42

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.08.1849

Date Data Seite

363-387

Page Pagina Ref. No

10 000 149

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